Full text: Der Mensch und die Welt

Das Können 
117 
Ja — wenn die vorliegt! Liegt sie denn vor, diese bloße 
Selbstbespiegelung? Ist Bewußtsein wirklich eine bloße 
Luxuszugabe zum eigentlichen unbewußten Kräftespiel 
der Welt, eine Zugabe, die der Grausamkeit wahrlich nicht 
ermangelt? Denn Leiden einsehen und nichts zur Be¬ 
freiung aus ihm tun können — wem das als Schicksal zu¬ 
erteilt ist, der wird grausam behandelt. Und die Iche, 
diese all das Leiden bewußt erlebenden Subjekte — sie 
können ja nach unserer Grundlehre vom bloß habenden 
Ich in der Tat gar nichts „tun“. 
Wie, wenn nun unsere Grundlehre in einem Punkte 
eines Zusatzes bedürftig wäre ? Kämen wir dann vielleicht 
heraus aus dieser unerträglichen Lehre von der Welt- 
überflüssigkeit des Bewußtseins, heraus aus der Lehre, 
daß die Welt nichts ist als ein Theaterspiel, an dem wir 
als mit Bewußtsein ausgestattete Marionetten automa¬ 
tisch, wenn auch „vitalistisch“-automatisch, teilnehmen? 
Versuchen wir jedenfalls einmal aus ihr herauszukom¬ 
men. Wir haben einige Hoffnung, daß es geht. Denn es ist 
ein allgemeines Prinzip der Lehre vom Lebendigen, daß 
der Organismus keine Einrichtungen besitzt, welche nicht 
irgend etwas für seine Stellung und Sicherung im Spiele 
der Welt bedeuten; und das Bewußtsein ist doch sicher¬ 
lich eine solche „Einrichtung“1), obschon keine materielle. 
Es ist nun unschwer einzusehen, daß, wenn überhaupt 
eine Kraftleistung, wie wir kurz sagen wollen, seitens des 
bewußten Teiles der Seele, also des Ich, vorhanden wäre, 
diese sich nur auf ein freies „Ja“- oder „Nein“sagen 
seitens dieses Ich zu den von ihm erlebten, den ihm „vor¬ 
gestellten“, W illensinhalten bestehen könnte. Damit 
kommen wir wieder zur Freiheitsfrage zurück. 
Alles sogenannte Denken als Vorgang genommen ver¬ 
läuft, wie wir wissen, sicherlich automatisch und wird von 
der unbewußten Seele, die ja ihre innere unräumliche 
Struktur und Dynamik besitzt, in determinierter Form 
J) Ich sage ausdrücklich „Einrichtungen“, denn gewisse für ihn 
recht gleichgültige Einzel„eigenschaften“ besitzt er gewiß — z. B. 
die gelbgrüne Farbe des Gallensaftes.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.