Full text: Der Mensch und die Welt

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Das Können 
„denken“, das heißt bewußt frühere Erfahrungen für 
Schlüsse zu verwenden; der Mensch allein wohl denkt 
„abstrakt“, das heißt, er allein denkt über das Denken 
selbst nach und kann die seltsamen schematischen For¬ 
men, in deren Handhabung das Denken besteht, als solche 
untersuchen, also zum Beispiel Mathematik, Lehre von 
den Schlußarten, Kategorienlehre bewußt treiben. Der 
Mensch allein ist selbst-bewußt. 
Es sieht geradezu so aus, als lege die große überpersön¬ 
liche Kraft, welche der organischen Stammesgeschichte 
zugrunde liegt und diese gleichsam aus sich hervortreibt 
— wie sie das macht, wissen wir ganz und gar nicht —, als 
lege sie es darauf ab, Bewußtsein in immer größerer 
Klarheit hervorzubringen. Das ist ein alter Gedanke; bei 
Schelling, in besonderer Klarheit bei Schopenhauer 
und in neuester Zeit wieder bei Geley und Scheler 
finden wir ihn, jedesmal in etwas anderer Form, ent¬ 
wickelt. Wir selbst werden diesen Gedanken alsbald weiter 
verfolgen, brechen aber einstweilen die Erörterung ab. 
Denn jetzt kommt uns etwas sehr Seltsames gleichsam 
dazwischengefahren: Wir, und nicht nur wir, haben ja 
doch gelehrt, daß das bewußte Ich nur bewußt erlebt 
oder, ganz neutral gesprochen, „hat“, daß es aber nichts 
„tut“. Alles Tun besorgt vielmehr die Seele im Reiche 
des Unbewußten, des „mir“ Unbewußten, selbst das Phä¬ 
nomen des sogenannten „Nachdenkens“ (S. 91). 
Wozu ist dann das Phänomen „Bewußtsein“ 
überhaupt da, wenn es für das Geschehen in der Welt 
überflüssig ist? 
Will das große überpersönliche Prinzip der Welt nur 
eine teilweise Selbstspiegelung in vielen Ichen von 
verschiedener Form? 
Mit allzuviel Freude ist diese Selbstspiegelung jeden¬ 
falls nicht verbunden, ja, sie hat einen grausamen Zug — 
wenn sie bloße Spiegelung ist. Das Uberpersönliche wütet 
hier ja gegen sich selbst, indem es sich alle Leiden der 
Wesen zeigt, die es hervorbrachte — wenn bloße Selbst- 
Spiegelung vorliegt.
	        
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