Full text: Unter den Brücken der Metaphysik

den Teufel fest. Sie haben beide ihre Karteikarte und ihren Platz 
im alphabetischen Verzeichnis. Sind sie einmal katalogisiert, so 
können sie den Platz nicht mehr wechseln. Der Gelehrte kann 
ihretwegen keine Ausnahme machen. Das Alphabet der Wissen¬ 
schaft läßt keine Privilegien zu. 
Nur der Mensch figuriert sozusagen unter allen Buchstaben. Dieses 
völlig absurde Wesen taucht auf allen Seiten des Lexikons auf. 
Wie absurd bin ich doch! scheint es stets von neuem zu sich zu 
sagen. Und seht doch, wie durch mich alles andere absurd wird! 
Existierte ich nicht, wäre alles in vollkommenster Ordnung, das 
weiß ich wohl. Aber was würden dann Gott und der Teufel machen? 
Sie würden alle beide ausruhen, denn dann hätten sie ja mich ver¬ 
loren — mich, dessentwegen sie zu Gegnern wurden, und der der 
Inhalt ihres unaufhörlichen Ringens war. 
Der Mensch, so könnte man meinen, wurde geschaffen, um durch 
sein Beispiel die Absurdität aller Prinzipien darzutun. Er verfälscht 
alles. Das Gute wird bei ihm zum Bösen, das Wahre zum Paradox. 
Der Mensch ist ein Zerrspiegel. Gott, der ihn nach seinem Bilde 
schuf, erkennt sich in ihm nicht mehr. Er wird sein Werk verleug¬ 
nen und sagen: das habe ich nicht gewollt. Ich war es ganz gewiß 
nicht, es war der Teufel, der dieses infernalische, chaotische Wesen 
geschaffen hat. 
Bayle konfrontiert Gott mit den Realitäten. Er fordert ihn auf 
tausenderlei Weise heraus, um ihn dazu zu bringen, daß er seine 
Ohnmacht eingesteht. Gestehe, o Herr — scheint er zu sagen —, 
wenn Du allmächtig wärst, würden die Dinge anders verlaufen! 
Sagen wir, um Dich zu entlasten, rundheraus, daß der Teufel ein 
sehr gefährlicher Feind ist, der Dir an Macht nicht nachsteht! Stellen 
wir Deine Schwäche fest! Ich sehe keinen andern Weg, Dich zu 
rechtfertigen und Dir Deine Weisheit zu belassen. 
Der Mensch wäre also geschaffen worden, um durch sein Elend die 
Ohnmacht der göttlichen Vernunft zu beweisen, und durch seine 
Sünden zu enthüllen, daß Gott nicht immer tut, was er will. 
Aber Bayle widerruft sogleich. Wie kann man annehmen, Gott 
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