nicht kennst, du, die du nie aufgehört hast, dich zu lieben? Und
was kennst du denn, wenn du nichts von dem weißt, welcher kennt?
»Was wissen wir denn, was in unserer Seele ist? Wir wissen nichts
davon, denn alles, was wir wissen, können wir allein durch die
Seele wissen.« (De Trinitate, Liber XIV, Caput V, 8}
Aber wo bist du denn, meine Seele, daß ich dich nicht sehe? Wie
kannst du, die immer Gegenwärtige, fort sein? Du, der du ich bist,
wie kannst du fern von mir und etwas anderes sein? Kann ich
denn ohne mich sein und zugleich ich sein? Ich spreche mit dir,
und schon bist du nicht mehr. Ich suche dich und finde dich nicht.
Dein Denken suchte ich, und schon ist es nicht mehr. Ich wollte es
festhaken, aber es ist mir entglitten. Bin ich also nicht mehr, was
ich war, oder bist du es, die etwas anderes geworden ist? »Aber
wo sollten wir denn suchen, wenn nicht in uns selbst? Und was sol¬
len wir suchen, wenn nicht uns selbst? Ist es nicht, als ob wir nicht
in uns wären, als wären wir anderswohin gegangen und hätten uns
selbst verlassen? Wirst du nicht vor solchen Abgründen von Schrek-
ken gepackt und wie durchbohrt?« (De Anima et ejus Origine,
Liber IV, Caput VII, 10)
Du bist also und du bist nicht — du, von der ich weiß, daß sie ist;
du lebst und du lebst nicht mehr —, du, von der ich weiß, daß
sie lebt. Wie könnte ich denn lieben, was ich nicht besitzen kann?
Wie in dem wohnen, was vorübergeht? Ich irre in meiner Seele
umher und finde keinen Ort in ihr, mich auszuruhen. Sie ist un¬
ermeßlich, und in ihrer Unermeßlichkeit bin ich nicht mehr bei mir,
obwohl ich doch weiß: diese Unermeßlichkeit, das bin ich. Wer kann
mich also vor mir selber retten, damit ich lerne, mir zu gehören?
— Du bist also nicht glücklich, o meine Seele, da du dich fliehst und
alles in dir dich flieht. — Nein, ich kann nicht glücklich sein, solange
ich, die ich bin, jeden Augenblick nicht mehr bin, solange stirbt,
was in mir lebt und nicht in mir Eines ist und Dauer hat.
Und wie könnte ich denn dauern und unveränderlich mir ge¬
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