Auch die Zeittäuschungen im Traum haben mit Ein-
stein's Lehre von den „zugleich" bestehenden vielen Zeiten
gar nichts zu tun, Gewiß kann ich im Traum in einer
Minute glauben Jahre zu erleben. Hier sind wir durchaus
im Gebiete des reinen Erlebens, nicht in dem der Physik.
Und endlich noch ein Wort über das Wort „relativ“
überhaupt. Daß translatorische Bewegung nur „relativ“
auf einen gegebenen Bezugskörper festgestellt werden
kann, weiß man lange; daß auch Gleichzeitigkeit, ja, auch
„die Sekunde", nur „relativ“ auf bestimmte gegebene Daten
feststellbar ist, weiß man heute dazu.
Mit der Lehre, daß die Begriffe des Wahren, Guten,
Schönen „bloß relativ“ seien, d. h. mit einer Wertrelativi¬
tätslehre hat das alles gar nichts, durchaus gar nichts
zu tun. Übrigens bezieht sich ja auch bei Bewegung,
Gleichzeitigkeit und Zeiteinheit alle Relativität nur auf
die Feststellbarkeit im praktisch empirischen Sinne, nicht
aber auf das begriffliche Wesen,
Populäre Schriftsteller, welche gar nichts von der Sache
verstanden, haben hier Dinge durcheinander geworfen, die
nicht das mindeste miteinander gemeinsam haben, und
haben das Laienpublikum arg in Verwirrung gebracht. Hier
ist Einstein und sind alle wissenschaftlichen Relativitäts¬
theoretiker völlig unschuldig. Einstein und Spengler
haben so wenig miteinander zu tun wie die „Kritik der
reinen Vernunft“ mit einer Symphonie Beethovens.
Die Relativitätstheorie ist so populär geworden wie
noch nie eine Lehre wissenschaftlicher Art zuvor, am
meisten in den Kreisen solcher, die ihrer ganzen Bildung
nach gar nicht fähig sind, sie auch nur in ihren Grund¬
gedanken zu begreifen, geschweige denn zu beurteilen.
Mit allem will man sie in Beziehung setzen; mir selbst ist
schon geraten worden, meinen Vitalismus „relativitäts¬
theoretisch“ zu begründen, und nächstens wird man wohl
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