Die Phänomenologie und ihre Vieldeutigkeit.
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reichsten Geist unter allen Phänomenologen nach Hus-
serl, an Scheler, so hat er sich bekanntlich oft gewan¬
delt in seinem Leben. Einst war ihm persönliches Über¬
leben restlos evident, wie übrigens noch vieles andere.
Später ward er monistischer Pantheist, und da soll nun
zumal das Problem „Leib und Seele“ seinen „metaphysi¬
schen Rang verloren“ haben. Es wird von Scheler so¬
wohl wie von gewissen seiner Nachfolger so etwas wie eine
unbestimmte „Einheit“ der materiellen und der seelischen
Seite des Menschen gelehrt, also letzthin eine hylozoisti-
sche Theorie, die sachlich von den Ansichten etwa eines
H aeckel gar nicht so sehr verschieden ist, wenn sie sich
auch in eine sehr vornehme Sprache kleidet. Das wird ge¬
lehrt ohne jeden zureichenden Grund, ja geradezu im
Gegensatz zur modernen Biologie und Psychologie; es
wird einfach hingesetzt. Wie steht es denn mit der
Leiche, so möchten wir fragen, im Unterschied vom
Lebendigen? Können hier die Lehrer von der „leiblich¬
seelischen Einheit“ des Menschen eine Antwort geben,
die von der, die irgendein „Monist“ Haeckelscher Prägung
gegeben haben würde, sachlich verschieden ist?
7. Gehen wir in der Betrachtung noch einmal zurück
auf die eigentliche philosophische Methode der Phäno¬
menologen, das „Schauen“, so haben wir zugegeben:
erstens, daß reine Urbedeutungen im Rahmen des
Gegenständlichen und ihre Zusammenhänge in der Tat
a priori, d. h. unabhängig vom Quantum der Erfahrung,
in Endgültigkeit erfaßt, und zweitens, daß in den Be¬
sonderheiten der mit dem Laufe der Zeit dauernd wech¬
selnden Gegenständlichkeit besondere Ordnungstypen ge¬
schaut werden. Diese sind Kombinationen von Urbedeu¬
tungen und sind stets als „verbesserbar“ anzusehen, d. h.
ihre zeitlose Gültigkeit ist hypothetisch. Das Sosein