Full text: Philosophische Gegenwartsfragen

Rationalität und ihr Gegensatz. 
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Ich meine, es ist in diesem Sinne, also im Sinne der 
ersten ursprünglichsten Bedeutung des Wortes, doch nicht 
in höherem Grade „irrational“, als es bereits „irrational“ 
ist, daß es Steine, ja „Dinge“ und erst recht „diesen“ 
Stein, „dieses“ Ding im empirischen Sinne des Wortes 
„gibt“. Das eben ist ja gegeben. Um die Geschichte bei¬ 
seite zu lassen und um das Tun eines bestimmten mensch¬ 
lichen Individuums zu betrachten, so ist also auch hier 
auf seiten des Gegebenen, also des „Irrationalen“ im echten 
Sinne, nur zu buchen, daß dieser Mensch jetzt dieses tut 
und, weiter, daß er es nach bestimmten Regeln tut. Aber 
eben Regeln kennen wir hier, und in diesem Sinne ist 
doch auch Rationales, im Sinne des ordnungs- oder ge- 
setzeshaft Erfaßten, in allem, was insofern „irrational“ 
heißt, als es sich nicht einem bewußten Plane ein¬ 
ordnet. Und wir kennen ja immerhin doch auch vieles 
Regelhafte aus der Psychologie der Triebe, Gefühle, 
Komplexe, Suggestionen. So viel kennen wir hier an Regel- 
haftem, daß wir sehr oft angesichts eines Menschen, der 
uns bekannt ist, Voraussagen können mit hoher Wahr¬ 
scheinlichkeit, er werde sich in diesem bestimmten Fall 
„irrational“ im Sinne des nicht Bewußtplanmäßigen be¬ 
nehmen. Das Gesetz seiner bewußten „Irrationalität“ er¬ 
fassen wir also rational als bestimmte Ordnungsform, 
wobei es, auf der Erfassungsseite, der „subjektiven“ Seite, 
wenn man so will, eben wieder „irrational“ bleibt, daß ge¬ 
rade dieses Gesetz vielleicht als unbewußt-planmäßiges 
überhaupt besteht, und daß dieser Mensch gerade jetzt 
nach ihm sich benimmt. Alles Gesagte aber würde sogar 
von Parapsychologischem gelten. 
Man sieht nun wohl, wie vorsichtig man mit dem Wort 
„irrational“ umzugehen hat. Am besten vermeidet man 
seinen Gebrauch ganz. — 
Driesch, Philosophische Gegenwartsfragen. 
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