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Intuition und Positivismus.
nengesamtheiten haben außerdem das Vermögen der An¬
passung, der Regeneration und der — Fortpflanzung! So
einfach läßt sich das biologische Problem denn doch nicht
erledigen. —
Der Hauptvorwurf, den ich allen meinen mechanisti¬
schen Kritikern zu machen habe, besteht darin, daß ich
ihnen sagen muß: sie haben die Unbefangenheit des
empirischen Forschers eingebüßt, und zwar, selt¬
samerweise um so mehr, je stolzer sie auf ihren „Positivis¬
mus“ sind. Gerade sie sind, aber an falscher Stelle,
aprioristische Dogmatiker.
Auf physikalischem Gebiet scheuen sie sich nicht vor
offenkundigen Verstößen gegen wirkliche Aprioristik —
so in der Zustimmung zu den Einsteinschen Relativitäts¬
theorien, wenn diese Formungen der einzigen empirischen
Naturwirklichkeit und nicht nur relationstheoretische,
empirisch unerfüllte Erwägungen sein wollen. Auf biolo¬
gischem Gebiet fordern sie Knechtung durch eine Aprio¬
ristik, die keine ist.
Sie geben sich den biologischen Sachverhalten nicht
mit dem Willen schlichter Erfassung des Bestehenden,
also gerade nicht „positivistisch“, hin. Mit einem fertigen
Begriffsapparat, nämlich eben dem der theoretischen Phy¬
sik, gehen sie an die biologischen Probleme heran, mit
einem Begriffsapparat also, der auf ganz anderem Boden,
dem der unlebendigen Natur, erwachsen ist.
Mein Bestreben ist es von jeher gewesen1), den Be¬
griffsapparat angesichts der Sachverhalte in unvor¬
eingenommener Weise erstehen zu lassen: auf diese
Weise wurden die die Sachverhalte wirklich deckenden
Zuerst scharf betont in „Philos. d. Org.“, 1. Aufl. 1909, I, S. 148ff.
Ferner vergleiche man gerade hier wieder meine später entwickelte Lehre
von den möglichen Formen der Kausalität. Ordnungslehre, 2. Aufl. 1923,
S. 197 ff.