Beziehungen zur Wiener Schule.
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Problem eingegangen, freilich in einer Weise, die keine
sehr gründliche Beschäftigung mit ihm vermuten läßt.
Wie konnte er sonst meine Entelechia ein „metaphysi¬
sches“ Gebilde nennen, wo ich mich gerade hiergegen so
oft verwahrt habe? Wie könnte er sagen, daß ich „ge¬
glaubt“ hätte, „durch biologische Experimente die Un¬
möglichkeit einer kausalen Erklärung1) des Lebens
bewiesen zu haben“, wo doch gerade dem Kausalschema
zuliebe der Begriff der Entelechie als eines wirkenden
Naturagens eingeführt ist, da mechanische Kausalität
eben nicht genügt. Freilich sagt er gleich darauf, meine
Entelechie sei „ein fingiertes Gebilde“, das „im Sinne
eines Kausalfaktors“ wirke. Wozu dann jene frühere Be¬
merkung? Die Art von Kausalfaktor, die ich einführe
(einzuführen gezwungen bin), scheint ihm nicht zu pas¬
sen; seine Funktion, sagt er, „erschöpft sich in der Vor¬
ahnung der Zukunft“; das aber sei „nur eine verkleidete
Form für eine Zukunftsbestimmtheit des Geschehens“.
Mir scheint, die auch nach meiner Überzeugung völlig
unsinnige, von mir scharf abgelehnte1 2) alte „Causa fina-
lis“, die das „Ziel“ als solches „wirken“ läßt, sei denn
doch etwas ganz anderes als meine Entelechie, bei der
etwas wirkt, das (analogienhaft gesprochen) die Vorstel¬
lung des Zieles in sich trägt. Kennen wir solches nicht
gerade psychologisch, nämlich an der eigenen Seele mit
ihrem Gedächtnis und ihrem die Zukunft vorwegnehmen¬
dem Einbildungsvermögen? Aber in dem kurzen der Psy¬
chologie gewidmeten Abschnitt seiner Schrift geht Rei¬
chenbach auf das fundamentale Gedächtnisproblem
überhaupt nicht ein, sondern sagt nur einige zustimmeñde
Worte zu Koehlers „Gestalten“, ohne auf meine (zum
1) Sperrdruck von mir.
2) Philos. d, Org., 4. Aufl., S. 374.
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