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Intuition und Positivismus.
während die Neupositivisten, wenigstens zum Teil, von
vornherein mit unkritisch-realistischen Ansichten, wie die,
daß es eine für „viele“ Iche bestehende Welt „gebe“,
arbeiten. Nach meiner Auffassung ist das schon eine zu
frühe Metaphysik.
Meine wesentlichen Abweichungen aber von den Lehren
der Wiener Schtile und der ihr verwandten Denker, weit
weniger von denen des Pragmatismus von James und
Schiller, sind folgende:
Die Wiener sagen uns, mit Wittgenstein, jede sinn¬
volle Frage könne auch beantwortet, jedes sinnvolle Pro¬
blem könne gelöst werden, und was nicht gelöst werden
könne, sei eben kein sinnvolles Problem. Diese These halte
ich für durchaus falsch, ebenso, was damit zusammen¬
hängt, den Satz, daß Begriffe von etwa Seele, Ding an
sich illegitime Begriffe, alle auf sie bezogenen Probleme
also „Scheinprobleme“ seien.
Ist denn etwa die alte große Frage nach sogenannter
persönlicher Unsterblichkeit kein „Problem“? Ist es wirk¬
lich sinnlos zu fragen, ob „Ich“ nach meinem sogenann¬
ten Tode noch als „Ich“ bewußt erlebe in irgendeiner
mir „jetzt“ unsagbaren Form? Kant hielt das Problem
nur für praktisch unlösbar, was es, heute wenigstens,
jedenfalls noch ist; aber er hielt es für sinnvoll und formu¬
lierte seine Bedeutung klar und scharf1). Ich möchte also
geradezu sagen: Es gibt unzählbare „sinnvolle“ Fragen,
aber nur ganz wenige kann man beantworten. Sehr klar
hat das neuerdings Freund dargelegt* 2).
Und weiter: der Begriff „Seele“. Kann man denn die
Gesetzlichkeit des zeitlichen Ablaufs meiner Erlebnisse,
-1) Kritik d. rein. Vern., 1. AufL, Abschluß des Paralogismenkapitels „Be¬
trachtung über die Summe usw.“, Redam-Ausgabe S. 330.
2) Philosophie ein unlösbares Problem, 1933.