Wahrscheinlichkeit und Freiheit.
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keiner eine Gesamtheit zum „Ganzen“ zusammen¬
schließenden Ordnungsregel unterstellt.
Der einzelne Wurf beim Würfeln ist ein solches „auf
sich allein gestelltes“, also zufälliges Ereignis, und sogar
ein solches, das mit anderen gleicher Art nicht unmittel¬
bar kausal verknüpft ist. Er ist kausiert, aber jedesmal
neu für sich kausiert — die kausalen Faktoren, die ihn
bestimmen, sind so verwickelt, daß wir sie nicht erforschen
können. Auch sie sind „zufällig“.
Die Gesamtheit der einzelnen zufälligen Würfe steht
nun, wenn wir „lange genug“ würfeln, unter dem durch
die Zahl x/6 ausgedrückten Wahrscheinlichkeitsgesetz. Die¬
ses Gesetz war a priori, unter den genannten „Wenn“-
Yoraussetzungen, errechnet und wird empirisch bestätigt,
so daß also jene „Wenn“-Voraussetzungen bis jetzt jeden¬
falls gültig waren.
Die vorausgesetzte Homogenität des Würfels und die
Zufälligkeit der den einzelnen Wurf jeweils bestimmenden
Faktoren sind die Daten, von denen alles abhängt.
Warum nun aber wird das a priori, unter der genannten
„Wenn“-Voraussetzung, errechnete Gesetz erst bei einer
„großen Zahl“ von Fällen empirisch bestätigt; warum
nicht gar schon bei den ersten oder bei einer beliebig
herausgegriffenen Reihe von 6 aufeinanderfolgenden
Würfen?
Zunächst können wir wohl sagen: Wenn das Gesetz be¬
reits im Rahmen beliebiger 6 aufeinanderfolgender Würfe
jedesmal bestätigt würde, hätten ja diese Würfe den Cha¬
rakter des „Zufälligen“, des gänzlich voneinander Unab¬
hängigen, den wir doch voraussetzen, eingebüßt. Aber bei
der „großen Zahl“, stricto: der Zahl oo, sind wir damit
noch nicht. Diese umschließt immer noch ein gewisses Ge¬
heimnis.