Die ontologische Phänomenologie.
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sammenhängt, daß er ganz allgemein das Sosein der
Glieder, zwischen denen Relationen bestehen, wenig
beachtete. Er denkt, wie es scheint, daß sich das Sosein
von Relaten durch die zwischen ihnen bestehenden
Relationen definieren lasse. Es ist aber umgekehrt das
Sosein der Relate, welches das Sosein der Relationen in
seiner Mannigfaltigkeit erst schafft. Hier hat Carnap
einen Vorgänger in Hilberts sogenannten „impliziten
Definitionen“ auf dem Boden der Mathematik, insbeson¬
dere der Geometrie.
Hilbert will bekanntlich die Bedeutung von Punkt,
Gerade, Ebene usw. durch scheinbar willkürliche De¬
finitionen festlegen. Man fragt sich aber: Weshalb de¬
finiert er denn eben etwas, was nun gerade die Bedeutung
von „Punkt“, „Gerade“, „Fläche“ usw. trifft ? Weshalb
nicht beliebiges Anderes? Die Antwort lautet: Weil er
eben diese Bedeutungen (intuitiv) hat, sein aller Defini¬
tion vorausgehendes Wissen um sie aber ignoriert, so daß
alles auf eine Selbsttäuschung hinauskommt. Das ist
auch schon von anderen gesagt worden.
h) Falsche Behandlung des Problems der
Tiefendimension.
Es diene noch ein weiteres Beispiel kurz der Beleuch¬
tung desselben Fehlers, der hinsichtlich der angeblich
unmittelbaren Erfassung des Du gemacht wird: die Frage
der Auffassung der Tiefendimension beim Sehen.
Da ist es sehr „modern“, zu sagen, daß ich spezifische
Tiefe und Tiefenunterschiede unmittelbar „sehe“. Aber die
alte Lehre, daß beides unmittelbar nur kinästhetisch er¬
faßt wird, ist trotzdem allein richtig. Alles wahrhaft
„Gesehene“ nun bedeutet freilich beim Erwachsenen
gewisse Indizien für spezifische Tiefe und Tiefen-