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Die Möglichkeitserwägung.
gewußt haben, daß sie fallen konnte angesichts neuer
Data, ja, freute sich wohl gar über ihren Fall, wenn er ein
ganz und gar dem Gegenstände hingegebener, intellek¬
tuell selbstloser Mann war. Der Philosoph dagegen hat
schlechthin versagt, wenn ein neues empirisches Datum
seinen Möglichkeitsring sprengt; womit natürlich nicht
gesagt ist, daß er sich nicht hinsichtlich des Wahrschein¬
lichkeitsgrades, den er — hier mehr Forscher als Philo¬
soph — den verschiedenen von ihm aufgestellten Mög¬
lichkeiten zugesprochen hatte, irren darf. Das freilich
„darf“ er, aber auch das Unwahrscheinlichste muß er
als Möglichkeit gesehen haben.
Ich selbst glaube in meiner, fast von keinem beachte¬
ten, Lehre von den vier möglichen Formen der Natur¬
kausalität1) eine solche Möglichkeitserwägung, auf fest
umrissenem Gebiet, durchgeführt zu haben. Und ich glaube
wirklich sagen zu dürfen, daß sie vollständig ist. Sie deckt
alles im Raume „möglicherweise“ Erfahrbare, von Gali¬
leis Fallexperimenten bis zur Erscheinung des Engels bei
der Opferung Isaaks, von solchen Kleinigkeiten wie Ge¬
spenstern, Spuk und dergleichen ganz abgesehen, ja, sie
deckt auch — die Vernichtung der materiellen Welt. Ob es
das alles „gibt“ — das ist freilich eine ganz andere Frage.
Auf die Behandlung der beiden Fragen „Was heißt
Kausalität ?“ und „Was sind Erfahrungsdata ?“ stützt
sich meine Möglichkeitserwägung, die hier in Rede steht.
3. Die Möglichkeitserwägung selbst.
Doch wir kommen zur Hauptfrage: Wie stellt man
Möglichkeitserwägungen an ? Da handelt es sich nun
zunächst um sozusagen bloß vorbereitende Dinge.
J) Ordnungslehre 2. Auf). 1923. S. 197ff.