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Schlußbetrachtungen.
Seid so scharf, so vorsichtig und so „nüchtern“ wie
möglich, wenn ihr auf diesen Gebieten arbeitet — und
es gibt hier viel mit Aussicht auf Erfolg zu arbeiten.
Denkt an Hegels, von ihm selbst freilich nicht immer be¬
folgtes Wort: „Die Philosophie muß sich hüten, erbaulich
sein zu wollen“ — Philosophie ist nun einmal eine Denk¬
angelegenheit, und ihr letztes Wort ist bekanntlich der
amor intellectualis dei.
Habt immer die Grundprobleme im Auge. Untersucht
diese bis in die letzte kleinste Einzelheit, aber verliert
euch nicht in bloß „interessante“ oder vielleicht „zeit¬
genössisch bedeutsame“ Nebensachen.
Grundprobleme sind aber stets nur solche Probleme,
bei denen ein ihnen eigenes Ens in Frage kommt. Seid
besonders vorsichtig in der Prüfung, ob irgendein vor¬
liegendes Problem wirklich ein Grundproblem ist oder
nicht. Ein solches ist, wie gesagt, stets kenntlich an der
Notwendigkeit der Einführung eines neuen Ens, wo dieses
Wort so viel wie „unauflöslicher Wirklichkeitsfaktor“ be¬
deutet. Ihr tut besser, zunächst jedes Problem als auf¬
lösbar anzusehen und solltet stets geradezu durch die
Sachlage erst gezwungen werden, neue Entia zuzulassen.
Ich selbst wurde biologisch in dieser Weise zu meinem
Vitalismus gezwungen. Aber viele verfahren heute bei
der Einführung neuer „Kategorien“ sehr „zwanglos“ im
wahren Sinne des Wortes.
Ihr müßt hier mit voll ständig-disjunktiven Urtei¬
len arbeiten und sodann „per exclusionem“ verfahren.
Nur dann vermeidet ihr den Fehler entia praeter ne¬
cessitatem einzuführen. Vorsicht also zumal „kulturphilo¬
sophisch“ !
Auf der anderen Seite freilich müßt ihr nicht für ein
nebulöses Problem halten, was gar kein solches, sondern