Die „großen Systeme“.
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Solche Begriffe, bei denen die Spezies aus dem Genus
folgen — natürlich nicht im Sinne des Eingeschlossen¬
seins im eng logischen Sinne — haben wir nur im Mathe¬
matischen. Kegelschnitt, reguläres Polyeder, trigono¬
metrische Funktion usw. gehören hierher.
Aber sagt uns nicht Spinoza fortwährend, daß die
Welt der Modi, also die empirische Welt, aus der Sub-
stantia „sequitur“ ? Gewiß, er sagt es, und er wünscht es
— aber sie tut es nicht. Das „sequitur“ bleibt ein bloßes
Wort, dessen Bedeutung weder in formell logischem Sinne
noch in dem einer Entwicklung eines unentwickelten
entwickelbaren Begriffs erfüllt wird. Eine grandiose
Selbsttäuschung ist das ganze „System“, wenn es mehr
als eine Begriffsklassifikation sein will. Und von Hegel,
ja von Plot in gilt in etwas anderer Form1) ganz dasselbe.
Überall möchte man gern das Ganze haben, möchte
man das „ordnungs monistische Ideal“ erfüllt sehen. Tat¬
sächlich ergänzt man das „Stückwerk“ — (ex juegovg yäg
yiyvcooxojuevl) — rein formal, schemenhaft und hat an
eigentlichem Wissen — nichts. Die allgemeine Tendenz
J) Man vergleiche hier wiederum Leisegangs Denkformen (1928).
Hegel denkt, in Leisegangs Terminologie, „kreisförmig“, nicht
„pyramidal“; das heißt: er denkt in Analogie zum rhythmischen
organischen Leben. Da setzt er also an den Anfang gleichsam ein
— Weltenei, aus dem dann alles evoluliv folgt. Das Sosein des Welt¬
eies ist aber nichts als Hegels empirisches Wissen in komprimierter
Form.
Es sei bei dieser Gelegenheit noch einmal betont, daß Leisegangs
verschiedene „Denk“formen immer nur die Ordnungsformen der
empirischen (oder als wirklich ausgegebenen) Welt sind, nicht
die Formen der sogenannten „formalen“ Logik. Diese sind überall
dieselben; einen „Denker“, der sie mißachtete, würden wir ja auch
gar nicht verstehen. Die von Leisegang gemeinten Denkform¬
verschiedenheiten gehen, wie gesagt, daraus hervor, daß ein Denker
den Typus eines bestimmten Teiles der Wirklichkeit, weil er ihn
besonders fesselt, zu Unrecht auf alle Teile überträgt, also nicht mehr
unvoreingenommen ist.
Driesch, Philosophische Forschungswege.
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