Die Stellung der Phänomenologie zur Metaphysik. 103
tiv“, erfassen. Aber so etwas gibt es für den gewissen¬
haften Denker wirklich nicht, und bloße Behauptungen
bedeuten hier gar nichts. Denn selbst die paranormalen
Vermögen, das Vermögen zu Telepathie, Gedankenlesen,
Hellsehen und vielleicht Prophetie geben uns ja immer
nur Wissensinhalte, welche empirische Dinge, also die
„Erscheinung“, angehen, mögen auch die Wege des
Wissenserwerbs — (sie allein!) — paranormal sein, was
für eine vollständige Lehre vom Empirischen, und damit in¬
direkt vom Wirklichen, gewiß von sehr großer Bedeutung
ist, aber doch unmittelbar eben nur empirisches Wissen
angeht — sogar die Prophetie ginge auf Erscheinungen.
Weniges wahrlich ist so sicher, wie dieses, daß karte-
sianisch, also mit dem cogito im Sinne des Ich habe
bewußt etwas — (aber ohne das ergo sum) — angefangen
werden muß, und daß man erst später versuchen darf,
aus diesem Solipsismus hypothetisch herauszukommen.
Man mag ja, wenn man will, das Erleben, oder das un¬
mittelbar Erlebte, oder das als Empirisch-Wirklich Ge¬
meinte „Sein“ nennen. Das wären freilich schon drei
verschiedene Bedeutungen dieses Wortes1). Keine von
ihnen aber ist ohne weiteres „an sich sein“, eine Be¬
deutung, die ausdrücklich eingeführt werden muß —
aber von keinem „Phänomenologen“ ausdrücklich ein¬
geführt wird. Ob es noch etwas „gibt“, wenn das Ich
habe Etwas zu Ende ist, also wenn Ich „tot“ bin, das
ist die große Frage!2)
Viele der den Phänomenologen zur Last liegenden
Dunkelheiten scheinen mir, wie schon angedeutet, darin
begründet zu sein, daß bei ihnen, ja auch bei Husserl
*) Vgl. Seite 79.
2) Die Phänomenologen machen denselben Fehler, den Kant in der
Kritik der „Paralogismen“ an der alten Ontologie rügt! Aber Kant
ist ja wohl auch „überwunden“!