Noch einmal der Begriff „Ganzheit“.
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11. Noch einmal der Begriff „Ganzheit44.
Endlich im Rahmen der Ganzheitslehre noch ein Wort
zu dem beliebten Satz, daß das Ganze „mehr als die
Summe der Teile“ sei, wobei wir an echte Sachganzheiten,
nicht an Erlebnisse mit unmittelbar wohlgeordnetem
Inhalt denken.
Ist ein empirischer Sachverhalt wirklich, wie im Orga¬
nischen, als sachganz aufgewiesen, durch Nachweis der
Unmöglichkeit seiner Genese auf summativem Wege, so
ist der Satz richtig.
Aber er wird oft sehr leichtfertig angewendet, so z. B.
wenn gesagt wird, die Geisteshaltung (Mentalität) einer
„Menge44 von Menschen sei „mehr44 als die Summe der
Geisteshaltungen aller Einzelnen. In einer solchen Menge,
also etwa einer Yolksmasse, liegt nämlich erstens über¬
haupt kein Ganzes vor, und zweitens könnte man mit weit
mehr Recht sagen, daß die Gesamtheit — (also nicht die
„Ganzheit44) — hier weniger sei als die Summe der Teile.
Kein Ganzes liegt vor, weil sich die „Gesamtmentalität44
ohne weiteres als psychische Resultante aus den psychi¬
schen Einzelmentalitäten, die sich eben doch wechsel¬
seitig intellektuell und suggestiv beeinflussen, verstehen
läßt. „Weniger44 als die Summe des Einzelnen aber, weil
eben, durch intellektuelle und suggestive wechselseitige
Beeinflussung, ein Durchschnitt herauskommt, der viel
weniger mannigfaltig ist, als die Summe der psychischen
Einzelnen es war!
Man mache also endlich Schluß damit, eine Phrase, die
geistreich und tief klingt, aber ohne genaueste Prüfung
ein ganz leeres, sogar irreleitendes Wort ist, leichtfertig
anzuwenden. Sehr verdiente Denker, z. B. Spann, haben
leider gelegentlich mit dem Ganzheitsbegriff gespielt. —