Full text: Philosophische Forschungswege

94 Beispiele einzelner philosophischer Fehlgriffe und Gefahren, 
„was meine icli mit diesem Worte eigentlich in Strenge, 
wenn ich es anwende?44, so findet man das Folgende: 
Ich meine mit dem Worte „Werden44 hei strenger Zer¬ 
gliederung, daß ein Etwas in gewisser Hinsicht zwar 
durch die Zeit hindurch dasselbige, daß es aber in an¬ 
derer Hinsicht ein jeweils anderes ist in Zuordnung zur 
Zeit, wobei die Zeit als stetig gesetzt wird in dem Sinne, 
und in keinem anderen, den das Wort „stetig44 im Rah¬ 
men der Mathematik hat. 
Jetzt hat man erst den Begriff, und nicht das bloße 
Wort Werden; einen recht zusammengesetzten Begriff, 
der die ebenfalls recht zusammengesetzte Bedeutung des 
Wortes „stetig44 einschließt. Von einer Urbedeutung war 
hier gar keine Rede — man vergleiche hierzu den rich¬ 
tigen Satz Kants, daß das Dasein von Veränderung 
schon „empirisch44 sei. 
Es steht hier ganz ähnlich wie mit dem früher 
erwähnten „Du44. Da stand es so: Ich verwende po¬ 
pulär als erwachsener Mensch das Wort „Du44. Frage 
ich mich, was ich eigentlich in Strenge meine, dann 
komme ich zu der auf Seite 40 gegebenen Analyse 
und habe nun einen, recht zusammengesetzten, Be¬ 
griff Du. 
Immer wieder muß die Warnung vor jener „Schauens44- 
und „Vorgegebenheits44-freude ausgesprochen werden, vor 
jenem ungegründeten „phänomenologischen44 Irrationalis¬ 
mus, der heute im Begriffe ist, die klassische Philosophie 
zu annullieren und damit die Philosophie als wissen¬ 
schaftliche Angelegenheit zu verderben. Gewiß, alle auf 
Empirisches gehenden Begriffe können als im und am 
Empirischen „geschaute44 Ordnungsschemata bezeichnet 
werden; aber darum sind sie weder „vorgegeben44 noch 
unzerlegbar.
	        
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