Full text: Philosophische Forschungswege

92 Beispiele einzelner philosophischer Fehlgriffe und Gefahren. 
Doch genug davon. — 
Wer also von psychologischer Ganzheit insonderheit 
redet, der vergesse nie, daß er meist einen gewissen 
Grad von Wohlordnung meint und das sagen sollte, daß 
aber stets, auch wenn er ihn nicht meint, eine aufhellende 
Analyse des Erlebten möglich ist. Sonst wird die An¬ 
wendung des Begriffs Ganzheit gefährlich, denn sie be¬ 
deutet dann einen zu frühen Verzicht. Eine Psychologie, 
welche auf „Analyse“ verzichten will, ist keine Wissen¬ 
schaft mehr. Stört es denn etwa die Ganzheit des Orga¬ 
nismus, daß Anatomie und Histologie ihn durch Zer¬ 
gliederung studieren? 
Woher stammt wohl die heute so oft (und gern!) ge¬ 
hörte Lehre von der „Unzerlegbarkeit“, ja, „Unbeschreib- 
barkeit“ des unmittelbar Erlebten auf dem Grunde nach¬ 
folgender, auf den Glauben an Erinnerungsgewißheit 
gestützter „Reflexion“ ? Mir scheint, daß diese so gern 
verzichtende Lehre — („so gern“, denn die Gegenwart 
hebt das Dunkle!) — daß sie auf nichts weiter beruht 
als auf dem Mangel passender Worte für die Be¬ 
schreibung. Man weiß ganz gut in der Erinnerung, was 
man erlebt hat, aber man kann es nicht „sagen“. Die 
Worte der Sprachen sind eben aus praktischen Bedürf¬ 
nissen erwachsen, und zur Namengebung für alles Er¬ 
lebte, ja, schon allein für die verschiedenen kinästhe- 
tischen Erlebnisse, lag kein praktisches Bedürfnis vor, 
weil eben kein Mitteilungsbedürfnis vorlag. Schon um 
zu beschreiben und mitzuteilen, was ich erlebe, wenn 
einer meiner Finger, wenn mein Arm, mein Augenlid 
sich bewegt, fehlen ja die das eigentliche Erlebnis decken¬ 
den „Worte“; für vieles andere erst recht. Es ist ebenso, 
als wenn man etwa das Wort „grün“ nicht hätte und zur 
Mitteilung des Grünerlebnisses immer den Satz brauchte :
	        
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