88 Beispiele einzelner philosophischer Fehlgriffe und Gefahren.
Nennt man „Werte“ solche Wunsch- oder Willens¬
inhalte, deren (empirisches) Verwirklichungskorrelat,
wenn es existierte, irgendeinen Endgültigkeitston tragen
würde, sei er logischer oder ethischer Art — (reine Ethik
ist Teil der Logik) —, so steht natürlich die Sache anders.
Aber dann genügt das Wort „Endgültigkeitston“. Und
nun wären, wie anderenorts ausgeführt, Endwerle, Mittel¬
werte und Wertmittel zu scheiden. Sie alle „sind“ natür¬
lich, wie alle Ordnungsbedeutungen, nur als Ich-Besitz
und nicht etwa „platonisch“.
Scheler’s vom „Vitalwert“ bis zum Wert „heilig“
fortschreitende Stufenreihe scheint mir sehr menschlich,
allzu menschlich, zu sein; abgesehen davon, daß ich seine,
auch in der Gefühlslehre hervortretende Neigung, überall
letzte Qualitäten, also Irreduzibles zu sehen, durchaus
nicht teile. Es gibt sowohl bei Endgültigkeitstönen wie bei
Gefühlen nur ganz wenige Urqualitäten; alles von Scheler
als Urqualität Gefaßte ist erstanden aus dem Zusammen¬
treten dieser Urqualitäten mit empirischen Inhalten.
9. Die Gefahren des Begriffs „Ganzheit44.
Ich erörtere weiter einen Punkt, der mir besonders
am Herzen liegt, nämlich die Verwendung der Worte
Ganzheit und ganz. Dabei wird es sich als unabweisbar
herausstellen, gewisse Begriffsbildungen der neueren
Psychologie zu streifen, und zwar wollen wir mit ihrer
Erörterung beginnen:
Alles Erlebte als Erlebtes ist insofern ganz, als es eben in
seiner Gesamtheit jeweils ist, was es ist, und nicht bliebe,
was es ist, wenn man ihm Etwas nähme. Dasselbe gilt
von etwas ausdrücklich Gesetztem als Gesetztem, also
vom „Begriff“ im weitesten Sinne. Beides besagt nicht
viel, und wenn der Psychologe in irgendeinem Falle aus¬