Die Verwirrung in betreff des Begriffes „Geist“. 85
Gültiges für den irdischen Menschen gehen kann, sondern
nur ich-Endgültiges, an dessen Allgemeingültigkeit ich
ja glauben kann, wenn es mir beliebt. Diese kosmische
Furcht, mit einer unklaren Freiheitslehre verquickt, ist
ein Erbteil des sogenannten deutschen Idealismus, also
der Romantik — mit Ausnahme Schelling’s freilich.
Es sei falsch, sagt uns Litt1), das Geistige nüchtern
als Objekt zu betrachten, wie eine chemische Verbindung
oder die Anatomie eines Hundes. Aber nüchtern als
Objekt betrachten heißt doch eben wissenschaftlich-
philosophisch betrachten, und eine ganz scharfe symbo¬
lische objektive Bezeichnungsweise, wie die Mathematik
sie besitzt, eine „Characteristica universalis“ also, wäre
wahrlich doch auch für die „Geisteswissenschaften“
erwünscht!
Gewiß steht, wenigstens solange ich nicht Metaphy¬
siker2) bin, alles Objekthafte in der Relation des „vom
Ich bewußt Gehabtseins“; aber das heißt nicht, daß das
wünschende, das handelnde „Ich“ mit dem rein habenden
vermengt werden dürfe. Von jener Ur-Relation des
Ich habe sieht nun alle Einzelforschung bewußt ab, und
zwar ganz gleichgültig, ob es sich um die Erforschung
der Chemie des Alkohols oder ob es sich um die Er¬
forschung „des Geistigen“ handelt. Auch mein „Gei¬
stiges“ ist für das reine Ich durchaus Objekt; mein
handelndes Subjekt, nenne man es Ich oder Seele, des¬
gleichen. Die gesamte „Geschichte“ ist eine „mir“ als be¬
wußt habendem Subjekt vorgeführte gegenständliche
Geschehensfolge, mag „ich“ selbst als psychophysische
Person handelnd eine Rolle in ihr spielen oder nicht.
*) Wissenschaft, Bildung, Weltanschauung, 1928.
2) Litt redet wiederholt von „Metaphysik“, sagt aber nirgends, was
er darunter versteht.