Full text: Das Bürgertum und die katholische Weltanschauung (1)

Die Umbildung des. religiösen Erlebnisses 
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der ganze Umfang. dessen, was sie noch tatsächlich glaubten; 
sich schließlich auf das Bild der Hölle beschränkte, während 
alles . andere sozusagen nur noch als Gegenstand einer fides 
implicita gelten konnte.“ Da diese Katholiken aber vom 
ganzem Herzen an die. Höllenstrafen glaubten und nicht 
ohne Zittern daran denken konnten, so läßt sich wohl sagen, 
daß für sie. im Grunde dieses Erlebnis dieselbe Bedeutung 
hatte, wie für die Vorfahren, die noch an die kleine Anzahl 
der Erwählten, an die Prädestination usw. glaubten, deren 
viel reicheres religiöses Erlebnis.. Anders liegt der Fall für 
jene, die sich den Sinn für die Gesamtheit dessen, was die:katho- 
jische Lehre darstellt, bewahrt haben und gewissermaßen die 
Glaubenswelt in ihrem ganzen‘ Umfange überschauen. Hier 
kann es sich ereignen, daß das’  Glaubenserlebnis als solches 
an Bedeutung verliert, daß an Stelle klar umgrenzter Gefühle 
unbestimmte Erlebnisweisen treten, die nicht mehr be- 
stimmend in das Leben eingreifen und sozusagen die Persönlich- 
keit des Gläubigen nicht mehr angehen. Dieser vermag dann 
die Glaubenswelt aus einer gewissen Distanz anzuschauen und so 
zu einer Beschaulichkeit zu gelangen, die denen versagt blieb, 
die nur an ganz wenige Lehren, zum Beispiel an die Lehre der 
Höllenstrafen glaubten, deren Glaube aber seine ganze Stärke 
sich bewahrt hatte. 
Von den beiden Typen der Gläubigen, deren Bild wir hier 
nur skizziert haben, scheint der erste gerade in den Anfängen 
der modernen religiösen Entwicklung in Frankreich ziemlich 
häufig gewesen zu sein. Diese Art des Glaubens hat in ihrer 
Einschränkung auf ganz wenige Motive etwas Farbloses, 
Trockenes und Abstraktes. Der ganze Glaube konzentriert 
sich auf einen einzelnen Punkt oder auf einen engbegrenzten 
Umkreis . von Vorstellungen, wobei sich.dann der Gläubige 
im übrigen, im alltäglichen Leben. von ganz rationell-weltlichen 
Motiven leiten Iassen kann. So wird er zum Beispiel die Hölle 
fürchten, dabei aber keineswegs für sich selbst, soweit es sich 
um den Gang seiner Geschäfte 'handelt,. geneigt sein, an eine 
göttliche. Vorsehung .zu glauben oder anzunehmen, daß noch 
Wunder geschehen könnten. Er mag noch weiterhin sich als 
gläubig betrachten und wird dabei doch, was seine praktische 
Lebensgestaltung anbetrifft, sich vor allem auf seine Berech- 
nungen und seinen gesunden. Menschenverstand verlassen. Er
	        
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