45
besonders aber im Jahre 1889 sichdie Unzufriedenheit Luft. U ndwas noch schlimmer
war, auf den Charakter eines großen Teils der Arbeiter wirkte die im Saarbergbau
herrschende und hauptsächlich mit durch das envähnte Strafmittel aufrecht
erhaltene Disziplin nicht günstig ein. Sie erzeugte den Boden, auf dem große
Betrügereien möglich wurden. Schon vor 1889 sind im Saarbergbau Durch
stechereien vorgekommen und wie es in der Folgezeit war, darüber belehrten
die in den letzten Jahren vorgekommenen Durchstechereiprozesse nur zu
deutlich.
Von den Arbeitern wird dringend die Beseitigung der Disziplinarstrafe
der Ablegung für eine kürzere oder längere Zeit gewünscht. Die Strafe bringt
in der Regel die Arbeiterfamilien in große Not. Der Verdienstausfall ist meist
nicht zu ertragen. Abgesehen davon paßt das Strafmittel kaum mehr in die heutige
Zeit. Die Bergwerksverwaltung sollte dieses Strafmittel fallen lassen weil es
sich überlebt hat. Beim Arbeitsvertrage sollen sich ja Arbeitgeber und Arbeiter
als gleichberechtigt gegenüber stehen. Wenn aber ein V ertrag skontrahent einseitig
über den anderen eine solche Macht hat wie hier der Bergwerksverwaltung ge
geben ist, so kann von Gleichberechtigung doch kaum die Rede sein. Die Strafart
ist auch unnötig. Sie ist auch nicht notwendig, um die erforderliche Disziplin
aufrechtzuerhalten. Man kann ja in anderen Revieren ohne eine solche Strafart
auskommen. Wenn die zu weitgehende Disziplin etwas nachläßt, so kann das
dem Bergbau des Staates und seinen Einnahmen nur förderlich sein. Bei einer
aufrechten Arbeiterschaft sind Durchstechereien in dem Maße, wie sie im Saar
bergbau nachgewiesen wurden, unmöglich. Ferner verlangt aber auch die Ge
rechtigkeit eine Beseitigung dieser Strafart. Wir wollen gar nicht davon reden,
daß die Strafe für dieVergehen sehr leicht zu hart sein kann, sondern nur darauf
liinweisen, daß auch Unschuldige, nämlich die Familien der in Betracht kom
menden Arbeiter davon schwer betroffen werden. Eine Rückwirkung auf die un
schuldige Familie erfolgt ja auch bei Geldstrafen aber lange nicht in dem Maße
wie bei solchen die ganze Familie sehr leicht in Not bringenden Ablegungen. —
Sehr leicht hat auch die hier den Beamten in die Hand gegebene zu große Macht
eine wenig rücksichtsvolle Behandlung der Arbeiter im Gefolge. Auch aus diesem
Grunde erscheint die Beseitigung dieser Strafart wünschenswert.
Gründe, die für
Beseitigung
dieser Strafe
sprechen.
Verlegungen der ¿Arbeiter zu weit von ihren Wohnorten entfernten
Q ruhen.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist häuftger von Saarbergleuten darüber
geklagt worden, daß nicht selten Arbeiter nach Gruben verlegt werden, die sehr
'weit von ihrem Wohnort entfernt sind. Auch im preußischen Abgeordnetenhause
sind diese Klagen mehrfach zur Sprache gebracht \worden. Die staatliche Berg
werksverwaltung hat demgegenüber immer wieder behauptet, solche Ver
legungen erfolgten nur, soiveit sie im Betriebsinteresse unbedingt notwendig er
scheinen. Trotzdem, glauben die Arbeiter, daß doch mehr wie bisher auf die
berechtigten Wünsche der Arbeiter Rücksicht genommen werden könne.
Auch bei der Beurteilung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß die
von einer Verlegung nach einer entfernteren Grube betroffenen Arbeiter finanziell
nicht unerheblich geschädigt werden. Auch leidet das Familienleben außeror
dentlich unter der längeren Abwesenheit des Mannes. Wir bitten deshalb auch
in Bezug auf Verlegungen die denkbar größte Rücksicht auf die Arbeiter walten
zu lassen.