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deckte zunächst den Bedarf ihrer alten Kunden, so daß sich diese, genau wie 1899/1900,
gegenüber den Verbrauchern anderer Herkünfte sehr im Vorteil befanden.
Die großen Anforderungen der Eisenbahnverwaltung, welche infolge des westfälischen
Kohlenarbeiterausstandes ihren Lokomotivkohlenbedarf nicht mehr decken konnte, im Verein
mit denen der engeren Saarindustrie, die wie immer in Zeiten geschäftlicher Hochflut vor
zugsweise Deckung ihres Bedarfs verlangte, riefen bald eine ziemliche Unruhe auf dem
Saarkohlenmarkte hervor, und es schien sich sogar mangels 'jeglicher Vorräte eine Kohlennot
zu entwickeln.
Man begann deshalb die Ausfuhr tmch Frankreich einzuschränken, eine Maßnahme>
die sich bezüglich ihres Zweckes als ziemlich wirkungslos, bezüglich ihrer Folgen aber als
sehr verderblich erwiesen hat. Tatsächlich wurde die Bergwerksdirektion durch die über
triebenen Ansprüche, welche an sie als staatliche Verwaltung herantraten, zu Entscheidungen
zugunsten einzelner großer Interessengruppen gedrängt, die dem Saarkohlenhandel in den
nächsten Jahren schwere Wunden geschlagen haben. Sehr bald war nämlich die Einschrän
kung des Absatzes nach der Schweiz und Frankreich und die Berechnung der Tagespreise
für diese Sendungen nicht mehr nötig. Die Begünstigung des nicht mehr aufnahmefähigen
Inlandes hatte inzwischen aber überall eine solche Übererzeugung geschaffen, daß eine Stockung
im Kohlenbezug eintrat und die Bergwerksdirektion zwang, die Ausfuhr nach dem Auslande
mit aller Macht wieder aufzunehmen. Auch damals zeigte sich schon, daß die Abnehmer,
die am schärfsten und rücksichtslosesten sich den Saarkohlenbezug für ihre Zwecke dienstbar
zu machen verstanden hatten, am ehesten sich anderen Bezugsquellen zuwandten und es der
Bergwerksdirektion überließen, sich mit den Mengen abzufinden, die durch Einschränkung
des Absatzes nach dem Auslande und durch Vernachlässigung der dortigen langjährigen
Kunden frei geworden waren.
Es mußten deshalb unter schweren Opfern für die Verwaltung und die Belegschaft
neue Abnehmer aufgesucht werden. 11 (S. 9 f.)
Ähnlich äußert sich Zörner an einer anderen Stelle der Schrift. (S. 20).
In der Hochkonjunktur von 1907 veranlaßten die Rücksicht auf die
Industrie des Saarreviers die Königliche Bergwerksdirektion , von einer möglichen
Erhöhung der Preise Abstand zu nehmen. Der Saarbergbau konnte damals
den an ihn gestellten Ansprüchen nicht gerecht werden, weil die Förderung
infolge des Redener Vnglücks zurückblieb und es an der genügenden Zahl gelernter
Arbeiter fehlte.
„Mit Rücksicht auf diese Unzuträglichkeiten haben wir/ 1 so berichtet die Berg
werksdirektion an die Saarbrücker Handelskammer/) „im Gegensätze zu fast sämtlichen
Übrigen deutschen Kohlenrevieren in unserem natürlichen Absatzgebiete von jeder auch noch
so geringen Preissteigerung Abstand genommen. Diese Maßnahme hat bei den stetig stei
genden Ausgaben für Löhne und Materialien natürlich auf unsere geldlichen Ergebnisse
einen recht ungünstigen Einfluß ausgeübt. “
Sogar im Preußischen Abgeordnetenhause fand die von der Bergwerks
verwaltung auf die kleinen Landwirte und Genossenschaften geübte Rücksicht
schon Widerspruch. Bei der zweiten Beratung des Etats der Berg-, Hütten- und
Salinenverwaltung am 1. März 1910 führte hierzu noch der Abgeordnete Macco
и. a. aus:
„Meine Herren, nun möchte ich noch ein Wort über die kaufmännische Verwaltung
sagen. Gerade im Saarbrücker Bezirk wird ganz bitter darüber geklagt, daß der frühere
Handelsminister sich in bezug auf die kaufmännische Verwaltung zu Anordnungen hat
hinreißen lassen, die direkt dem wirtschaftlichen Interesse, der Ausnutzung der Produkte
an der Saar widersprechen. Der Herr Handelsminister hat, dem Druck nachgebend, seiner
zeit den Auslandverkauf einschränken lassen, lediglich um die kleinen Landwirte und die
Genossenschaften zu befriedigen. Er hat Anordnungen getroffen, daß auf die Wünsche
der Industrie weniger Rücksicht zu nehmen sei, als auf die Wünsche von dieser Seite. Durch
dieses wohlgemeinte, aber total unrichtige Verfahren ist die Saarindustrie stellenweise in
schwere Bedrückung gekommen. Eine große Anzahl von süddeutschen Gaswerken ver
braucht heute lieber teure englische und westfälische Kohle, um sich nicht der Unzu
verlässigkeit des Handelsbureaus in Saarbrücken auszusetzen; der Absatz stockt, und die
l ) Jahresbericht der Handelskammer Saarbrücken für 1907. S. 8.