Die Saarberg
leute haben heute
für mehr Kinder
zu sargen wie
früher.
Zahlung niedri
ger Löhne, weil
Arbeiter vielfach
Eigentum haben,
ist unberechtigt.
für Rindfleisch. Die Steigerung des Preises für Schweinefleisch ist gar mehr
ivie doppelt so hoch wie die Steigerung der Löhne. Auch die übrigen Artikel
sind mit einer Ausnahme nicht unerheblich im Preise gestiegen. Es unterliegt
gar keinem Zweifel, daß bei den Bergleuten im Saarrevier von einer Verbesserung
der Lebenshaltung, wie sie sonst in weiten Volkskreisen erfolgte, keine Rede sein
konnte. Auch die Tatsache, daß ein erheblicher Prozentsatz der Saarbergleute
ein Eigentum hat und nicht alle Lebensmittel kaufen muß, ändert hieran nichts.
Denn das war auch früher der Fall. Damals war der Prozentsatz der Haus
besitzer sogar noch etwas größer wie heute. Sollen die Saarbergleute den an sie
zu stellenden Ansprüchen gewachsen bleiben, so muß eine Aufbesserung der
Löhne erfolgen.
Berücksichtigt werden muß auch, daß ein ständig größer werdender Teil
der Belegschaft der Saargruben gezwungen ist, zur Erreichung der Arbeitsstätte
die Eisenbahn zu benutzen. Das ist auch immer mit Kosten verknüpft, die von
dem verdienten Lohn in Abzug gebracht werden müssen.
Die Erhöhung des Lohnes der Saarbergleute ist auch wünschenswert
und notwendig, iveil sie heute, so weit sie verheiratet sind, durchschnittlich für
mehr Kinder zu sorgen haben, wie früher. Nach einer vom Herrn Bergassessor
Herbig 1 ) auf gemachten Statistik waren von der Gesamtbelegschaft verheiratet
und entfielen auf einen Verheirateten im Durchschnitt an Kinder:
Von der Belegschaft
Auf einen Verheirateten
waren verheiratet
. entfielen Kinder
1875
1905
1875
1905
0/
/О
0/
/0
59,00
60,28
2,92
3,46
In diesen Zahlen kommt eineauch imlnteresse des Staates sehr zu begrüßende
Entwicklung zum Ausdruck. Sie ist aber von recht einschneidendem Einfluß
auf die Lebenshaltung der Arbeiter und rechfertigt, ja verlangt eine Erhöhung
der Löhne auch vom nationalen Gesichtspunkte aus. Mehr wie einige Millionen
Mark ist dem preußischen Staate eine gesunde sich stark vermehrende Arbeiter
schaft wert. Sie gibt dem Vaterlande Verteidiger, der sich weiter entwickelnden
Industrie gute Arbeitskräfte und verbürgt die Zukunft des deutschen Volkes.
Vielfach wird ja nun zur Rechtfertigung der niedrigen Löhne der Saar
bergleute darauf hingewiesen, daß diese im allgemeinen in guten Verhältnissen
leben, vielfach ein Eigentum haben und etwas Landwirtschaft betreiben und
deshalb mit den Löhnen auskommen kennen. Grundsätzlich ist diese Ansicht
nicht zu billigen. Der Lohn ist kein Almosen, das dem Arbeiter gegeben wird,
um ihn und seine Familie vor Hunger zu schützen, sondern das Entgelt für
geleistete Arbeit. Es muß dem Arbeiter deshalb das gegeben werden, was ihm
für die Arbeit unter den gegebenen Verhältnissen zusteht, ohne Rücksicht darauf,
ob der Einzelne nun finanziell gut steht oder nicht, ob er dank der Sparsamkeit
der Eltern und sonstigen Vorfahren oder der eigenen Sparsamkeit etwas Ver
mögen hat oder nicht. Die Vorfahren der Arbeiter oder der Arbeiter selbst haben
doch nicht für die Arbeitgeber gespart, sondern für sich und ihre Familie. Auch
sonst wird ja auf das Privatvermögen bei der Bezahlung der Arbeit keine Rücksicht
genommen. Reich, Staat und Gemeinde zahlen ihren Beamten nach bestimmten
Grundsätzen Gehalt ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob der Einzelne sonst
noch etwas in die Suppe zu brocken hat. Man sollte auch bei den Arbeitern keine
Ausnahme von dieser Regel macken.
1 ) „Glück auf“ 1910. S. 1397.
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