Der Saarkalender: 1931

Bibliographic data

Periodical

Persistent identifier:: 1671265963

Title:: Der Saarkalender

Sub title:: ein Volksbuch für heimatliche Geschichtsforschung, Kunst, Naturwissenschaft, für saarländische Literatur, Statistik und Volkshumor

Shelfmark:: Z 647

ZDB-ID:: 2981281-1

PPN der Nachfolger-Zeitschrift:: 1671266579

Place of publication:: Saarbrücken

Publisher:: Druck und Verlag von Gebr. Hofer AG

Document type:: Periodical

Collection:: Periodicals

Year of publication:: 1923; 1936

Copyright:: Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek

Language:: ger

Volume

Persistent identifier:: 1671265963_0009

URN:: urn:nbn:de:bsz:291-sulbdigital-516544

Title:: 1931

Volume count:: 0009

Publisher:: Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek

Document type:: Volume

Collection:: Periodicals

Year of publication:: 1931

Copyright:: Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek

Language:: ger

Digitised pages:: 191

Chapter

Title:: Gemischte Beiträge

Document type:: Periodical

Structure type:: Chapter

Digitised pages:: 145

Chapter

Title:: Aus Alt-Saarbrücker Kindheitstagen

Document type:: Periodical

Structure type:: Chapter

Digitised pages:: 2

Aus Alt-Saarbrücker Nindheitstagen. I< will hier ſchlicht einiges aus meiner Jugendzeit aufzeichnen. Schlicht -- das iſt ſo re<ht die Art des Saarbrücker Bürgers. „Männerſtolz vor Königsthronen!“ =- wie paßt dies Wort auf meine Landsleute! Wie ſtolz-aufrec<ht ſc<hreitet der Saarbrücker Bürger durch die Straßen der Stadt! Das iſt kein eleganter Herr, der in nachläſſiger Haltung auf dem Fußſteig promeniert, nein, das iſt ein kernfeſter, ſtämmiger Mann, etwas breitſpurig, etwas herausfordernd die Naſe in der Luft, =- und promenieren? Weiß Gott, ich erinnere mich nicht, daß ich je einen Landsmann hätte „promenieren“ ſehen; dazu haben ſie an der Saar gar keine Zeit; alles rennt da! es iſt immer „was los“ in unſerm alten lieben Neſt, und es braucht dabei gar nichts „Senſationelles“ zu ſein, auc& darauf gibt der Saarbrücker nichts, das nennt er „dummes Dinges“; aber jein ungemein lebhafter Geiſt, ſeine ganze äußere wie innere Beweglichkeit laſſen ihn überhaupt nie zur Ruhe. kommen. Dazu die großen Familien, in denen doch immer „was los“ iſt! Stark ausgeprägt iſt ſein Familiengefühl; auch weit verſippt iſt immer noh ſtarker Familienzuſammenhalt. In ſeiner derben Gutmütigkeit macht ſich der ewig ſpottluſtige Saarbrücker über ſich ſelber luſtig. Und die lieben Saarbrücker Frauen ſind erſt recht nicht „uffs Maul gefalle“ -- -- und wer da meint, ſie gäben ihren Männern im geringſten etwas nah an Mutterwitz, an Schlagfertigkeit, -- ja, der iſt ſicher „bloß e Sergeloffener“, wie wir ſelbſtüberheblich jeden Fremden, und ſei er nur ein „Pälzer aus Dingwert“ (Pfälzer aus St. Ingbert) nennen. Vielleicht iſt es das Schickſal eines hart umſtrittenen, ewig gefährdeten Grenzlandes, das dieſen Zug unerſchütterlicher Treue in den Saarbewohnern ſo ſtark ausgebildet hat; ſtets bedroht vom weſtlichen Nachbarn, ſind in ihnen gewiß alle. Tugenden (auch alle Untugenden??) ausgeſprohen kriegeriſ<er Volksſtämme groß geworden. Als größte Tugend ſteht obenan die Treue! Das unbedingte Ja -- Nein! Die Treue iſt unbedingt des Saarbewohners allerbeſte, in die Augen ſpringende Eigenſchaft. Iſt es nötig, darüber heute ein Wort zu verlieren, heute, angeſichts der Tatſachen, die für ſich ſelber ſprechen? Das große Frankreich wird mit der Handvoll Saarleute nicht fertig!! Was iſt der Grund? Ihre Treue zum Vaterland! Von dieſer Treue, von dieſer leidenſchaftlichen Hingäbe an ihr einziges Jdeal =- das iſt für den Saarländer nur das Vaterland! =- können ſi< andere deutſche Volksſtämme keinen Begriff machen: man muß dort auf- gewachſen ſein, man muß es erlebt haben, man muß ſelber dieſe Treue, dieſe Vaterlands- liebe in ſich geſogen haben, um ihre Stärke zu ermeſſen ... Wir Saarkinder, aufgewachſen im ſchlichten Alt-Saarbrücker Bürgerhaus, haben, jo glaube ich, eine andere Erziehung genoſſen als die allgemein übliche. Wenn ich mich hineinverſege in meine Kinderzeit, =- was waren „unſere“ Feſttage? Ganz gewiß nicht die drei von der Kirche vorgeſchriebenen, Weihnachten, Oſtern und Pfingſten (bei uns wurde ſogar das Chriſtkindlein unter Fanfarengeſ<hmetter geboren!), nein, unſere Feſt- tage waren: der 6. Auguſt, Jahrestag der Spicherer Schlacht, und der 22. März, Kaiſers Geburtstag. Heute noch, nach 30, 40 Jahren, zittert mein Herz, wenn ich daran denke. An dieſen beiden Tagen, da rannte der Saarbrücker nicht, nein, da ſtand er ſtill vor ſeinem Heiligtum: Vaterland! Da legte er ſein Feiertagskleid an. Die Alten ſagten nicht viel, aber die Augen ſtrahlten. Die kleinen Buben (in Saarbrücken gibts keine Jungen, nur Buben!) ſc<hnallten ſchon in der Herrgottsfrühe ihren Säbel um, ſetzten den Helm auf und tuteten dur<s Haus auf der Trompete und brüllten „Heil Dir im Siegerkranz“. Und die kleinen Mädels („Mäde“) bekamen ihr weißes ſteifgeſtärktes Kleidhen an mit der blauen Schärpe und einen Strauß -=- oder lieber noh einen ſelbſt- gewundenen Kranz aus Eichenlaub -- gab ihnen die Mutter in die Hand; denn das war ja ſo ſicher wie das Amen in der Kirche, daß man am 6. Auguſt hinausging ins „Ehrental“ zu den Soldatengräbern von 1870; mit Muſik, alle Schulen, alle Lehrer und Lehrerinnen, Gymnaſium wie Volksſhule, evangeliſche wie katholiſche, =- heute ſchwiegen alle Gegenſätze, heute waren wir nicht hoh oder niedrig, Proteſtant oder Katholik, arm oder reich, gebildet oder ungebildet, =- heute waren wir alle „Volk!“ Eine große Volksgemeinſchaft, Kinder der gleichen heißgeliebten Erde! =- Was wir da draußen im „Ehrental“ erlebt haben, das iſt uns auf alle Zeiten unvergeßlich. JH will bloß das eine hervorheben, weil es mir heute ſo beſonders wichtig dünkt: wir waren 1 4

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