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den Landstreicher auf die linke Schulter. Mit einem
Schmerzensschrei sprang dieser auf und stand dem
wütenden Mann gegenüber, der eben zum zweiten
Schlag ausholte. Mitten in dieser Bewegung aber
hielt der Bauer inne, denn der Hund war aufge=
Sprüngen und knurrte böse den eigenen Herrn an.
Sprachlos und zitternd vor Wut, ließ er sich von
dem Landstreicher den Stock aus der Hand neh=
men. „Ich verstehe Eure Aufregung", sagte dieser
ruhig. „Ihr seid auch im Recht, denn Ihr habt mir
verboten, Euer Anwesen noch einmal zu betreten.
Aber seht den Hund an und sagt mir, was ich
Unrechtes getan habe!"
Da erst bemerkte der Bauer, daß der Hund einen
breiten Verband hinter dem Ohr trug. „Ich habe
noch Mitleid — auch mit Tieren", murmelte der
Landstreicher. „Und deshalb habe ich mein Hemd
zerrissen und dem Hund heilende Kräuter auf die
Wunde gelegt. Es kann morgen schon besser mit
ihm sein, wenn Ihr den Verband nicht abreißt.
Dann... müßt Ihr ihn nicht erschießen!"
Geschenkt!
„Ist der Hut nicht wunderbar?" strahlte die junge
Frau. „Schon wieder ein Hut!" rief ihr Mann und
sah erschrocken von seiner Zeitung auf. „Denk
dir nur, Liebling, er kostet nichts, keinen Pfennig!"
— „Das soll ich dir glauben?" — „Schau, Schatzi —
der Hut hat vor einigen Wochen mit dreißig Mark
ausgezeichnet im Schaufenster gestanden. Heute
komme ich nun dort vorbei und sehe ... er kostet
nur noch fünfzehn Mark! Von den fünfzehn Mark,
die ich somit also gespart hatte, habe ich ihn dann
gekauft."
Kurzsiditig
Huscheis hatte sieben Kinder. Huscheis hatten auch
ein neues Mädchen. Leider war es etwas kurzsich=
tig. Gegen Abend kam Frau Huschei aus der Stadt
zurück. Sofort beschwerte sich das Mädchen: „Alle
wollten sich baden lassen, nur der Große dort drü=
ben nicht!" — „Um Gottes willen", Frau Huschei
schlug die Hände über dem Kopf zusammen, „das
ist doch mein Mann .. ."
Der kleine Schlauberger
Der kleine Franz begleitete seine Mutti beim Ein=
kaufen. Es ging von Geschäft zu Geschäft, Paket
kam zu Paket. Fränzchen wurde müde. „Mama",
sagte er zaghaft, „wenn ich dir einen Gefallen tue,
wirst du mir dann auch einen tun?" — „Und das
wäre ...?" fragte die Mutter. — „Ich trage dir alle
deine Pakete", meinte Fränzchen treuherzig, „und
du, Mama — du trägst mich!"
Er hielt dem Bauern den Stock wieder hin: „Und
jetzt schlagt zu, wenn Ihr es für richtig haltet."
Der Bauer rührte sich nicht. Er starrte nur den
Hund an und dann den Landstreicher. „Du kannst
den Rest der Nacht bei uns verbringen", sagte er
endlich mit seltsam rauher Stimme. „Wenn du
Lust hast, kannst du auch morgen noch etwas Holz
klein schlagen."
Der alte Landstreicher aber reckte sich und lachte:
„Ich gehöre auf die Landstraße. Wie ich sehe,
braucht der Hund mich nicht mehr, denn ich glaube,
daß ich das Mitleid in Euch wieder aufgeweckt
habe. Laßt die Pflanzen drei Tage auf der Wunde,
dann werdet Ihr wieder ein wachsames Tier ha=
ben." Er nickte dem Mann zu, legte dem Hund
eine kurze Weile die breite Hand auf den Kopf
und ging.
Der Bauer blickte ihm nach, bis Dunkelheit
und Landstreicher ineinander verschmolzen. Dann
streichelte auch er das schwarze Fell des Hundes
und führte ihn nachdenklich in seine Hütte zurück.
„Gute Referenzen"
Frau Direktor Bomke suchte eine neue HausgehiU
fin. Auf ihr Inserat hin meldete sich ein junges,
sehr forsch auftretendes Mädchen.
Frau Bomke fragte nach der letzten Stellung, wie
lange sie dort gearbeitet habe und warum sie weg=
gegangen sei. Die Antworten fielen befriedigend
aus, und schließlich erkundigte sich Frau Bomke
nach Referenzen. „Referenzen . ..?" das Mädchen
schien erstaunt, „warum denn das?" — „Aber mein
liebes Fräulein", sagte Frau Bomke, „ich habe doch
in meiner Annonce ausdrücklich erwähnt: ,Gute
Referenzen'... — „Ach so", sagte die Bewerberin,
„ich dachte, das beträfe Sie .. ."
Kavaliere und Straßenbahn
Als die Schauspielerin lda Wüst einmal in die
überfüllte Straßenbahn einstieg, schloß ein füng=
ling, der in der Ecke saß, schnell die Augen und
stellte sich schlafend, um nicht aufstehen zu müs=
sen. lda Wüst betrachtete ihn einen Augenblick,
tippte ihm leicht auf die Schulter, so daß er er=
schreckt aufblickte und sagte freundlich: „An wel=
eher Haltestelle wollen Sie aussteigen, junger
Herr? Ich frage nur, damit ich Sie rechtzeitig wek=
ken kann . . ."
Gestaffelte Preise
Im Bahnhofsklosett von Turin verrät eine Gebüh=
rentafel: „Mit weißem Papier 5 Lire — Mit Zei=
tungspapier 2 Lire." — Über die politische Richtung
und das Format der Zeitung wird nichts gesagt.