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Die Arbeitsmedizin im Kampf
gegen die Berufskrankheiten
Von Dr. med. Werner Müller
| Jer Kampf gegen das Auftreten von Be-
rufskrankheiten ist in den letzten Jahr
zehnten zu einer bedeutenden Aufgabe geworden.
Ein eigenes Sondergebiet ärztlicher Tätigkeit, die
sogenannte Arbeitsmedizin, entwickelte sidi aus
dem Bemühen, berufsbedingte Schädlichkeiten zu
erforsdien und das Auftreten bleibender Schä-
den durch Schutzmaßnahmen verschiedener Art
zu verhindern. Hierzu ist eine Zusammenarbeit
zwischen Arzt und Techniker erforderlich, denn
zum Teil sind die Maßnahmen rein technischer
Natur: gefährliche Stäube, Gase, Dämpfe, Strah
len usw. werden durch zweckentsprechende Ge
räte, soweit dies möglich, aufgefangen oder
im Entstehen bereits gebremst. Schutzkleidung
und Schutzmasken verwehren schädlichen Stoffen
den Zugang zum menschlidien Körper.
Der andere Teil der Aufgabe, über den hier
berichtet werden soll, fällt dem Arzt zu. Ihm
obliegt es, den gefährdeten Personenkreis ge
sundheitlich so zu überwachen, daß etwa sich
entwickelnde Schädigungen möglichst frühzeitig
erkannt werden. Regelmäßige Nachuntersuchun
gen, geeignete Behandlung und evtl. Wechsel
des Arbeitsplatzes können dann fast immer einen
bleibenden, zur Arbeitsunfähigkeit führenden
Schaden verhindern.
Wie gestaltet sich nun ein ärztlicher Dienst,
der diesen Aufgaben gerecht werden will? Wie
in jedem Feldzug, so braucht man auch dm „Ge
sundheitsfeldzug“ ein Hauptquartier und eine be
wegliche Truppe. Im Hauptquartier laufen alle
Fäden zusammen, sind alle Unterlagen griff
bereit zur Hand, wird die Verbindung zu allen
eigenen und fremden Aktionsstellen unterhalten,
wird der Marschplan der beweglichen Truppe
entsprechend den wechselnden Erfordernissen fest
gelegt. Hier wird auch das wissenschaftliche Rüst
zeug geprüft und ausgewählt. Die bewegliche
Truppe begibt sich mit den modernen Waffen
der Wissenschaft an die Front, in diesem Fall in
das Feld der täglichen Arbeit der Menschen.
Unter diesen Gesichtspunkten soll liier die
berufsärztliche Versorgung der Saarbergwerke
betrachtet werden. Innerhalb der Arbeitsdirektion
der Saarbergwerke AG. ist die von einem Fach
arzt geleitete Abteilung Arbeitsmedizin die große
Zentrale des gesamten arbeitsmedizinischen Dien
stes. Zwei weitere hauptamtliche Fachärzte sind
hier tätig. Zu den Außenposten der Abteilung
gehören ärztlicherseits 23 nebenamtlich tätige Be
triebsärzte auf den einzelnen Werksanlagen, der
Leiter des Genesungsheimes für Unfallverletzte in
Bietschied, sowie 12 Fachärzte, die neben den
drei hauptamtlichen Ärzten der Abteilung als
freie Mitarbeiter an der Auswertung der Rönt
genschirmbilder beteiligt sind. Gerätemäßig ver
fügt die Abteilung Arbeitsmedizin über zwei
verschiedene bewegliche Einsatzmittel: Die Rönt-
genschirmbildsteile und die Arbeitsmedizinische
Ambulanz. Der Abteilung unterstehen ferner 47
Verbandsstuben auf den einzelnen Anlagen mit
ständiger Besetzung und 16 Nothelferstellen; 134
Heilgehilfen und 39 Stellvertreter verrichten hier
ihren Dienst. Darüber hinaus stehen 2 399 aus
gebildete Nothelfer zur Verfügung, von denen
80% unter Tage beschäftigt sind.
Die wichtigste Berufskrankheit des Bergmanns
ist bekanntlich die Steinstaublunge, die Silikose.
Da es unmöglich ist, eine einmal bestehende Sili
kose wieder zum Schwinden zu bringen, ist die
frühestmögliche Erkennung eben beginnender
Staubveränderungen der Lunge besonders wichtig.
Dies gelingt nur durch röntgenologische Unter
suchungen der Lunge. Sie werden durchgeführt
in Form von Reihenuntersuchungen in unserer
Schirmbildstelle. In dem großen Autoanhänger,
der unseren Bergleuten längst bekannt ist, be
findet sich ein ganz besonderes Röntgengerät. Die
hier entstehenden Röntgenaufnahmen im Format
10 x 10 cm nennt man Schirmbilder, weil sie durch
Fotografie des auf einen Leuchtschirm projizierten
Röntgenbildes der Lunge zustande kommen. Man
muß sich für die Röntgenreihenuntersuchung, d. h.
für die ras die Untersuchung eines größeren Per
sonenkreises dieser Methode bedienen, weil sie
es gestattet, an einem Tage mehrere hundert
Aufnahmen anzufertigen. Wollte man beispiels
weise von der Gesamtbelegschaft der Saarberg
werke mit dem üblichen Krankenhausgerät rönt-.
gen, so wäre ein Zeitaufwand von mindestens
drei Jahren erforderlich.
Nach dieser unvermeidlichen theoretischen Ein
führung sei nun an praktischen Beispielen die
Arbeitsweise selbst besprochen. DeT Schirmbild-
wagen hat auf einer Grube Stellung bezogen.
Nehmen wir an, es seien an einem Tage 600
Röntgenschirmbilder anigefertigt worden. Diese
Aufnahmen weiden bereits am nächsten Tage in
der Abteilung Arbeitsmedizin vorsichtend durch
gemustert. Aufnahmen mit medizinisch nicht ganz
klaren Röntgenbefunden werden sofort aussor
tiert, weitere Maßnahmen unverzüglich veranlaßt.
Die Auswertung der Aufnahmen, die jeweils in
nerhalb drei Monaten beendet sein muß, kann
zu sechs verschiedenen Ergebnissen führen. Wir
wollen für diese verschiedenen Möglichkeiten die