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schreckt und zurechtgewiesen. Dieser Art be
gegnet uns also der im Grunde gute Geist als
Erzieher, Warner und Berater.
Einer von jenen, die den Hohberger schon
mehr als einmal sahen und auf seinen Schutz
und seine Hilfe heimlich bauten und hofften,
war unter vielen anderen Püttlinger Knappen
der Vetter Hannes. Er hatte ein braves, recht
schaffenes Weib daheim und viele hungrige Kin
der, für die er sich Jahr und Tag im tiefen
Schacht abrackerte. Er blieb aber arm.
Einst mußte er mal wieder mit seinem Schlep
per auf die Nachtschicht fahren. Der Schlepper,
dem die Nachtschicht verhaßt war, blieb jedoch
zu Hause, um im Stall und auf dem Felde zu hel
fen. Da mußte der Vetter Hannes beispringen
und seine mühsam hereingewonnene Kohle auch
noch selber schleppen, was damals eine recht
müselige Arbeit war. Auf hölzernen Schlitten
wurden die Kohlen durch lange niedrige Strek-
ken gezogen und geschoben, also geschleppt,
und dann durch den Stollen bis an Tag gebracht.
Gegen Mitternacht mußte Vetter Hannes mit
ten in der stickig-warmen Strecke einmal län
gere Zeit verschnaufen; vor Überanstrengung
konnte er beim besten Willen nicht mehr. Müde
und unbeweglich lag er hinter seinem Kohlen
schlitten, und abei schlief er ein. Als er auf
schreckend wieder erwachte, stand der Berggeist
vor ihm. Weiß glänzte sein Bart im güldenen
Schein der Lampe. Sanft berührte er den Vetter
Hannes mit seinem goldenen Bergstock, worauf
der anfänglich zu Tode erschrockene Knappe
sich gar nicht mehr fürchtete.
Endlich sagte der Bergeist: „Folge mir!" und
Vetter Hannes ging mit. Der Bergeist wanderte
tief unter den Hohberg hinein, durch Gänge und
Strecken, die Vetter Hannes noch niemals ge
schaut hatte. Kein Wort wurde gewechselt, nur
die Schritte hallten dumpf durch die Gänge. All
mählich aber merkte Vetter Hannes, daß es hel
ler wurde, so, als ginge es auf der anderen Hoh
bergseite auf die Raht hinunter und heimwärts.
Die Kohlen aber erglänzten plötzlich silbern und
auf einmal weitete sich der Stollen zu einem gro
ßen, unterirdischen Saal. Die mächtigen Wände
waren von purem Golde und mannshoch lagen
Gold- und Silberbarren rundum hochgestapelt.
Zwischen den Stapeln schafften ungezählte
Männlein in kleineren Nebenstollen und Nischen
mit goldenem Gezähe. Sie gruben immerfort
Gold und Edelsteine und trieben unermüdlich
kleine Stollen und Gänge in den Berg. Das
klang, als läuten alle Glocken im Köllertal, und
der Vetter Hannes konnte nur lauschen und er
staunt dreinblicken. An der Stirnwand des Saa
les stand der goldene Thron des Berggeistes, auf
dem sich der Hohberger behutsam niederließ.
„Goldstücke und Silbertaler — ach, das viele
Geld..." sinnierte der arme Knappe und er
dachte seufzend an seine hungrigen Kinder da
heim.
Diese Gedanken mußte der Hohberger wohl er
raten haben, denn er sagte feierlich und gütig:
„Nimm dir davon, soviel du willst und tragen
kannst; dein Fleiß und dein Vertrauen sollen
endlich belohnt werden!" Ein heißer, bisher nie
gekannter Glücksstrom durchzog dabei den
Knappen und er begann, Geld und Schätze in
seine großen Rock- und Hosentaschen hinein
zustopfen, bis sie bleischwer an ihm hingen.
Da lächelte der Berggeist, erhob sich und
führte Hannes wieder den Weg zurück, den man
gekommen war — weit, weit, vorüber an den
armseligen Holzschlitten in der Strecke auf der
alten Grube Gerhard. Und ehe sich der Knappe
versah, war der Hohberger wieder verschwunden.
„Warum nun noch länger in der Grube blei
ben?" sprach der glückliche Knappe halblaut
vor sich hin, und er machte sofort Schicht und
fuhr an Tage. Zuvor aber warnte er noch alle
Kameraden auf der ganzen Grube Gerhard. Ge
fahr war ja bestimmt im Verzüge, da der Berg
geist ihm erschienen war. Kaum waren die letz
ten Kameraden aus der Grube über Tage ange
kommen, da explodierten in der Strecke von
Vetter Hannes die Schlagwetter. Die ganze
. . . uralt schien er, mit wehendem Bart und gütigen
Augen