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verletzte Glied zu erleichtern; sie zielt im Ge
genteil darauf ab, daß nur das verletzte Glied
die betreffende Apparatur betätigen kann. Darin
liegt der große Unterschied zwischen der Beschäf
tigungstherapie und der Werkarbeit, welche in
Umschulungsheimen für Invaliden durchgeführt
wird. Dort versucht man, durch gewisse tech
nische Abänderungen die Arbeit so leicht wie
möglich zu gestalten, hieT wird der Verletzte ge
zwungen, gerade sein erkranktes Körperorgan zu
betätigen. Es ist daher auch bewußt auf jede
maschinelle Hilfe in den Werkstätten verzichtet
worden. So treten die Fußverletzten besonders
häufig die Tretsägen, bedienen die Handgelenk
versteiften Webstühle durch Drehbewegungen im
erkrankten Handgelenk, führen Wirbelverletzte
Sägearbeiten mit der Blattsäge aus, wobei sie
nicht nur Gleichgewichtsübungen ausführen, son
dern auch mit kräftigem Rumpfbeugen und
Strecken gerade ihren funktionsbehinderten Rük-
ken betätigen.
Wir Arzte messen gerade dieser Arbeitsthera
pie den größten Wert bei. Denn es ist für einen
Verletzten genau so gut (möglich, seine ge
schwächte Gliedmaßen an einem der oben be
schriebenen Arbeitsgeräte — etwa der fußbe
triebenen Drehbank, der Fahrradtretsäge, den ver
schiedenen zu bedienenden Webstühlen — zu
kräftigen und zu trainieren, wie an einem nicht
produktiven Gymnastikgerät in der Turnhalle. Bei
der Beschäftigungstherapie —- die im übrigen nur
unter ständiger Aufsicht und Kontrolle durch das
Unterwassermassage mittels 2 atü - Wasserstrahl
Handwebestuhl, der durch Zug mit der rechten Hand
bedient wird
Fachpersonal des Heims erfolgt — stellt der Ver
letzte zudem noch nützliche Gegenstände her,
was auch psychologisch für ihn weit befriedigen
der ist.
Noch bedeutungsvoller jedoch ist die Tatsache,
daß der Patient bei der Ausführung nützlicher
produktiver Arbeit sich an die Atmosphäre und
an das Tempo des industriellen Arbeitslebens all
mählich wieder angleicht und sich wieder an An
strengung und Disziplin der normalen Arbeit ge
wöhnt, aber auch sein altes Selbstvertrauen, diese
Maschinen und diese Werkzeuge zu beherrschen,
zurückgewinnt.
Ein geradezu unschätzbarer Vorteil aber, diese
Wiederertüchtigung in einem Arbeitsmilieu durch
zuführen, liegt wohl in der Möglichkeit, unter
praktischen Verhältnissen die verschiedenen
Talente und Anpassungsfähigkeiten des verletzten
Bergmannes für seinen späteren Arbeitseinsatz
und seine mögliche Geschicklichkeit für verschie
dene Beschäftigungen sowie auch seine Belastungs
fähigkeit für den späteren Arbeitstag zu testen.
Denn das Ziel aller Wiederertüchtigungsmetho-
den bleibt die Wiedeieingliederung der Verletzten
in den normalen Arbeitsprozeß, genauer gesagt,
die Rückführung möglichst in seinen alten Be
ruf und in das normale soziale Leben. Es soll
hier nidit von den mitunter großen Schwierig
keiten gesprochen werden, die oft bei der Wie