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Nachstehender Bericht von Dora Zollinger -Rudolf erzählt von einer St. Barbara-Feier
ganz besonderer Art, welche die Verfasserin im Wallis beim Bau der Lötsdibergbahn miterlebt hat.
enn ich heute in meinem Kalender blättere,
leuchtet mir neben Nikolaus im sonntäg
lichen Hochrot der Name Barbara entgegen.
Blitzschnell erstrahlen bunte Lichter in meinem
Gedächtniskasten: Ich sehe midi vor fast einem
halben Jahrhundert im Wallis, in Goppenstein,
da ich beim Bau der Lötsdibergbahn zum ersten
Male den Festtag Santa Barbara erlebte. In der
Tunnelarbeiterstadt, in welcher die Männer leb
ten, die Tag und Nacht das harte Felsgestein im
heißen Berginneren sprengten und lospickelten,
die immer wieder den Tücken der Dynamitminen
ausgesetzt waren und ihnen zum Opfer fielen,
feierte man den Barbaratag mit hinreißender In
nigkeit! Daß die Heilige neben Artilleristen,
Bergknappen und Waffenschmieden doch beson
ders behutsam die gefährdeten Mineure unter den
schützenden Mantel nehmen möchte! Daß alle die
vielen jungen Männer mit gesunden Gliedern und
Augen wieder heimkehrten, die da alle acht Stun
den zu Hunderten in den heißen Bergstollen ein-
fuhren.
Goppenstein war damals die volkreichste Stadt
im Wallis — für wenige Jahre nur. Aber da gab
es keinen Bürger, keine Fahrtstrecke, keinen
Sonntag. Pausenlos brach man den Fels im dunk
len Berg. Nur am 4. Dezember stiegen Weihrauch
wölklein statt Pulverdämpfe empor. Da feierte
Goppenstein den höchsten Festtag des Jahres. Es
fauchte keine Lokomotive der schmalen Dienst
bahn, es ratterte kein Wagen, hoch mit Stein
brocken beladen, zu einem Steilhang, um die Last
laut donnernd den Berg hinab zu schicken.
Selbst der Föhn huldigte der Nothelferin. Sieg
haft strahlte die Dezembersonne am wolkenlosen
Blauhimmel. Der schon hochliegende Herbstschnee
Am 4. Dezember feierte Goppenstein den höchsten Feiertag des Jahres . . .