SAARBRÜCKER
BERGMANNSKALENDER
1950
1 52-qA2 :yW5C>
Der Saarbrücker Bergmannskalender 1950 wurde herausgegeben von der
R 6 g i e des Mlnes de la Sarre in Saarbrücken 2, Trierer Strasse 1,
Satz u. Druck übernahm Presse-Verlag GmbH., Saarbrücken 1,
Warndtstrasse 16/18.
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sagt Ihnen ganz genau, wievief-Sie anlegen dürfen. Jetzt
heißt es damit auskommen! Also nicht irgend etwas, son-
dern nur das Allerbeste für dieses Geld kaufen! Walter
zeigt Ihnen stets das Bestmögliche an Kleidung. Sie
werden verblüfft sein! Vergleichen Sie, prüfen Sie und
kaufen Sie dann - - aber mit Verstand.
C^/^ü'rc/w
^ y 'A • ✓ „ c—/r
Jeder Monat des ganzen Jahres bringt eine Fülle von Gar-
tenarbeiten. Was vergessen wurde, ist oft erst nach einem
Jahre nachzuholen.
Ein ausführlicher Ratgeber ist daher für jeden Garten-
besitzer keinesfalls gegenstandslos, weshalb wir
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
einschliesslich Nützlichem auf führen.
Planwirtschaft auch im kleinsten Garten, daher ist eine vor-
dringliche Arbeit, den Plan für die Gartenbestellung zu Papier
zu bringen; auf Grund des Planes den Bedarf an Düngemitteln,
Samen, Pflanzen, Pfählen und Stäben für Rosen und Dahlien,
Töpfe, Mittel zur Schädlingsbekämpfung usw. möglichst genau
ermitteln; von dem noch vorrätigen Samen Keimproben machen;
sofern der Boden frostfrei ist, können jetzt alle Handelsdünger
mit Ausnahme der stickstoffhaltigen Düngemittel ausgestreut
werden, nach dem gleichmässigen Ausstreuen gleich einhacken;
Komposthaufen umsetzen; Gartenland fertig rigolen; Edelreiser
schneiden und zum Aufbewahren an der Nordwand einer Mauer
einschlagen; im Obstgarten schlechte, abgängige Bäume ent-
fernen; an milden Tagen an alten Bäumen kranke oder über-
flüssige Aeste aussägen; Gartengeräte instandsetzen; Mistbeet-
kästen und Mistbeetfenster in Ordnung bringen; erste Aussaat
von Salat in das halbwarme Frühbeet.
Einteilung des Pflanzenreiches
Spaltpflanzen (Schizophyta), Spaltpilze (Bakterien), Spaltalgen
(blaugrüne Algen).
Schleimpilze (Myxomycetes, Phytosarcodina).
Algen: Kieselalgen (Diatomeen), Jochalgen (Conjugatae),Grün-
algen (Chloro-
phyceae), un-
gleich begei-
sselte Grünalgen
(Heterocontae)
Braunalgen
(Tange,
Phacophyceae)
Rotalgen
(Rhodophyceae)
Pilze:
(Fungi,
Eumycetes).
Archeonpflanzen: (Archegonniatae, Embryophyta
asiphonogama) Moose (Bryophyta).
Farnartige Gewächse: (Pteridophyta), Farne,
Schachtelhalme, Bärlappgewächse.
Samenpflanzen: (Blütenpflanzen, Phanerogamen,
Embryophyta siphonogama). Nacktsamige
(Gymnospermen), Palmfarne, Gingkogewächse,
Nadelhölzer (Koniferen).
Bedecktsamige (Angiospermen). Einkeimblättrige
(Monokotyledonen), zweikeimblättrige (Diko-
tyledonen).
PRAKTISCHE WINKE
Sie haben keinen Backofen
und möchten einige Biskuits machen. Legen Sie
Ihre Sandtörtchen, Tortelettchen oder Küchlein
auf eine Platte, die Sie auf Ihren Küchenherd oder
Ofen stellen. Darunter schieben Sie eine Asbest-
oder Gusseisenplatte. Die Stücke werden dann mit
einer Gusseisenkasserolle bedeckt. In diesem Zu-
stande werden sie genau so gut wie in einem Back-
ofen backen.
januac
1 So Neujahr
2 Mo Namen Jesu-Fest
3 Di Genoveva
4 Mi Rigobert, Angela ®
5 Do Telesphorus
6 Fr Heilige drei Könige
7 Sa Reinhold
8 So 1. So. n. Ersch.
9 Mo Bertwald, Adrian
10 Di Wolfhold
11 Mi Theodosius 5
12 Do Ernst
13 Fr Gottfried *
14 Sa Hilarius, Felix
15 So 2. So. n. Ersch.
16 Mo Marcellus
17 Di Antonius d. Grosse
18 Mi Pet. Stuhlf. z. Rom 3
19 Do Martha, Agritius
20 Fr Fabian u. Sebast. *
21 Sa Agnes, Meinhard
22 So 3. So. n. Ersch.
23 Mo Raymond v. Pennaf.
24 Di Timotheus (Bisch.)
25 Mi Pauli Bekehrung
26 Do Polykarp *
27 Fr Johan. Chrysost. *
28 Sa Agnes, Manfred
29 So 4. So. n. Ersch.
30 Mo Martina
31 Di Petrus Nolaskus
*) Heute Waschmittel nicht verges-
sen! Einweidi-TIP, Hexim und
Bleich-TIP.
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DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Gartenland graben, falls der Boden offen und nicht zu nass
ist; das gegrabene Gemüseland bei günstiger Witterung besäen
mit Mohrrüben, Erbsen, Puffbohnen, Spinat, Salat, Zwiebeln,
Schwarzwurzeln; Kasten, Dünger, Fenster, Strohdecken zum
Anlegen von Mistbeeten vorbereiten; für früheste Kulturen auch
schon Mistbeete anlegen und mit Salat, Karotten, Sellerie, Kohl-
rabi, Radieschen besäen; Artischocken und Tomaten in Töpfe
säen, Erbsen und Puffbohnen in Kästen legen; auch eine Anzahl
Einjahrsblumen können jetzt auf lauwarmem Mistbeet ausgesät
werden; Frühkartoffeln ankeimen; Wege ausstecken und Steine
in die Wege schaffen, alte Obstbäume ausputzen; junge Obst-
bäume, Zwergobst- und Spalierbäume schneiden; Spaliervor-
richtungen an Mauern anbringen, Ziersträucher schneiden, neue
Gehölzpflanzungen ausstecken; alte Gehölze lichten; am Zim-
merfenster die ersten Aussaaten im Topf vornehmen; Begonien,
Margaretennelken, Verbenen, Petunien, Canna und Blattpflan-
zen, Palmen usw., Rosen, die ohne Decke überwintert haben,
werden jetzt geschnitten.
Chemische Bestandteile der Pflanzen
In der Pflanze befinden sich folgende Elemente, die mit dem
Wasser, den im Wasser gelösten Nährsalzen und den Gasen
(Luft) aufgenommen werden:
Wasserstoff, Stickstoff, Kalium, Chlor, Phosphor, Magnesium,
Sauerstoff, Kohlenstoff, Kalzium, Schwefel, Silizium, Eisen,
Natrium.
Holzige Teile
Saftige Kräuter
Sukkulente
(Kakteen)
85—95 % des
Frischgewichtes
Früchte
85—95 % des
Frischgewichtes
Algen
95—98% des
Frischgewichtes
Druck im Innern der Pflanzenzelle
Bei Landpflanzen 5—11 Atmosphären
Bei Meerespflanzen 17—24 Atmosphären
Bei manchen Pilzen 157 Atmosphären
1 Atmosphäre = 1 kg Druck auf 1 Quadratzentimeter.
PRAKTISCHE WINKE
Seife wird zerschnitten
mit Hilfe eines Stücks starken Bindfadens. Besser
noch bedient man sich eines Messers, indem man
ein zusammengefaltetes Blatt Papier über die
Schneide der Klinge legt. Das Papier wird nicht
zerreissen, sondern in die Seife mit eindringen, und
das Messer ist weder beschmutzt, noch haftet ihm
ein Seifengeruch an.
Die Seife wird am besten zerschnitten, wenn sie
noch frisch ist. Kleine Stücke trocknen schneller
aus. Natürlich soll man beim Kauf stets auf trok-
kene Seife achten.
Wassergehalt der Pflanzen
50 % des Frischgewichtes
70—80 % des Frischgewichtes
Jebcuoc
Mi Brigitta
2 Do Mariä Lichtmess
3 Fr Blasius *
4 Sa Veronika
5 So Septuagesima
6 Mo Titus, Dorothea
7 Di Romuald, Richard
8 Mi Johannes v. Matha
9 Do Cyrillus G
10 Fr Scholastika *
11 Sa Ersch. Mariä i. L.
12 So Sexagesima
13 Mo Gregor II.
14 Di Valentin. Bruno
15 Mi Faustinus u Jov. ©
16 Do Simeon
17 Fr Flavianus *
18 Sa Simeon
19 So Quinquagesima
20 Mo Amata
21 Di Fastnacht
22 Mi Petri Stuhlf. z. Ant.
23 Do Petrus Damiani
24 Fr Matthias (Apost.) *
25 Sa Walburga >
26 So 1. So. d. Fastenzeit
27 Mo Gabriel Possenti
28 Di Oswald
*) Heute Waschmittel kaufen!
Bleich-TIP ersetzt die Rasen-
bleiche.
7
müc;
1 Mi Albinus
2 Do Grimo Willeich
3 Fr Kunigund., Gerw. *
4 Sa Kasimir, Lucius ©
5 So 2. So. d. Fastenzeit
6 Mo Fridolin
7 Di Thomas v. Aquino
8 Mi Johannes v. Gott
9 Do Fransiska v. Rom
10 Fr Gustav *
11 Sa Wolfram, Rosina G
12 So 3. So. d. Fastenzeit
13 Mo Euphrasia
14 Di Mathilde
15 Mi Klemens M. Hofb.
16 Do Heribert
17 Fr Gertrud v. N. *
18 Sa Eduard ®
19 So 4. So. d. Fastenzeit
20 Mo Wolfram, Irmgard
21 Di Benedikt v. Nursia
22 Mi Nikolaus v. d. Flüe
23 Do Otto
24 Fr Friederike *
25 Sa Fest Mariä Verkünd.
26 So Passionssonntag i
27 Mo Johannes v. D.
28 Di Johannes v. Cap.
29 Mi Cyrillus
30 Do Quirinus
31 Fr Guido, Balbina *
*) Waschmittel kaufen! Schöne
Wäsche durch Hexim.
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Aussaaten im Gemüsegarten: Erbsen, Puffbohnen, Mohrrüben,
Petersilie, Salat, Spinat, Radies, Zwiebeln, Lauch, Sauer-
ampfer, Schwarzwurzeln, erfolgen sofort, nachdem der Boden
betreten werden kann; Mistbeete anlegen und besäen mit ver-
schiedenen Kohlarten, Zwiebeln, Sellerie, Salat, Lauch, um
Pflanzen zu ziehen; Brunnenkresse in ein Mistbeet säen; im.
März ist die Zahl der Einjahrsblumen, die im Mistbeet gesät
werden müssen, schon sehr gross; frühesten Salat auspflanzen,
ebenso Erbsen und Puffbohnen pflanzen; Steckzwiebeln stecken;
Rhabarber, Estragon und andere Würzkräuter pflanzen; neue
Spargelbeete für die Pflanzung vorbereiten; jede freie Stunde
zum Arbeiten im Gemüsegarten benutzen; Obstbäume jeder
Form und Grösse anpflanzen; Himbeeren und andere Beeren-
sträucher pflanzen; Spalierbäume beschneiden und anbinden;
sämtliche Obstbäume und Beerensträucher fertig beschneiden;
ältere Obstbäume umpfropfen; Bäume mit vielen Blütenknos-
pen reichlich mit Wasser und flüssigem Dünger versehen (Un-
tergrunddüngung); Parkbäume pflanzen, Ziersträucher teilen
und pflanzen; Stauden pflanzen, Topfaussaaten von Blumen
und Blattpflanzen in das Mistbeet verschulen; Rosen pflanzen.
Wachstum der Pflanzen
Höchstzuwachs in der Minute
Dictyophora (Pilz) 5,0 mm Bambus -
Staubfäden von Schösslinge 0,75 mm
Gräsern 1,8 mm Kürbisspross 0,1 mm
Blattscheiden Die meisten
der Banane 1,1 mm Pflanzen 0,005 mm
Grösste Höhe der Bäume in Metern
Rieseneukalyptus Kiefer 48
(Fieberbaum) 155 Rotbuche 44
Mammutbaum 79—142 Silberpappel 40
Tanne 75 Eiche 35
Fichte 60 Platane 30
Lärche 53 Esche 30
Zypresse Hainbuche 20 Eibe 15 52 Affenbrotbaum 23
Alter der Bäume in Jahren
Affenbrotbaum 5000 Linde 1000
Platane 4000 Lärche 600
Zypresse 3000 Kiefer 570
Eibe 3000 Silberpappel 500
Eiche 2000 Rotbuche 300
Edelkastanie 2000 Esche 250
Fichte 1200 Hainbuche 150
PRAKTISCHE WINKE
Eiweiss — Eigelb
Die Laien in der Küche machen sich oft Kopf-
zerbrechen über das Trennen von Eiweiss und Ei-
gelb. Der hier gezeigte Vorgang stellt diese Aus-
führung ganz einfach dar: Ein Holzbrettchen wird
in der Mitte mit einem Loch versehen, durch das
man einen Trichter steckt. Das Holzbrett wird mit
dem Trichter über einen Napf gelegt. Das Ei zer-
schlagen. Das Eiweiss wird darauf in den Napf
gleiten, während das Eigelb im Trichter bleibt und
in einen anderen Behälter gebracht werden kann.
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April
1 Sa Hugo
2 So Palmsonntag ®
3 Mo Richard v. Chich
4 Di Isidor
5 Mi Vinzenz Ferrerius
6 Do Gründonnerstag
7 Fr Karfreitag
8 Sa Karsamstag
9 So Ostersonntag ®
10 Mo Ostermontag
11 Di Leo der Grosse
12 Mi Julius
13 Do Hermenegild
14 Fr Justinus *
15 Sa Basilissa
16 So Weisser Sonntag
17 Mo Anicetus •
18 Di Werner
19 Mi Emma, Werner
20 Do Oda
21 Fr Anselm *
22 Sa Soter und Cajus
23 So 2. So. n. Ostern
24 Mo Egbert
25 Di Markus (Ev.) $
26 Mi Kletus Marcellinus
27 Do Petrus Canisius
28 Fr Paul v. Kreuz *
29 Sa Petrus (Mart.)
30 So 3. So. n. Ostern
*) An den Waschtag denken! Hartex
für die Schaffkleider.
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Mistbeete täglich lüften und giessen; gesät werden in das
Pflanzenzuchtbeet: Weisskohl, Rotkohl, Rosenkohl, Kohlrabi
Eiskraut, Majoran, Bohnenkraut, Zuckermais; ins Freie sind zu
säen: zweite Aussaat von Erbsen, Radies, Karotten, Spinat;
erste Aussaat von frühesten Buschbohnen, Löwenzahnsalat, Zi-
chorie, Rettich, Rote Rüben; gepflanzt werden: Salat, Kohlrabi,
Zwiebeln, als überwinterte Pflanzen aus dem kalten Kasten;
Blumenkohl und Rotkohl; ferner Meerrettich, Estragon, Schnitt-
lauch, Schalotten, Knoblauch; Frühkartoffeln gesetzt; Sellerie
im Mistbeet verstopfen; Gurken- und Melonenbeete vorbereiten,
Kürbis, Gurken und Melonen in Töpfe legen; bei trockenem
Wetter sämtliche Aussaat frisch halten durch Giessen; Früh-
erbsen stengein; Spargel beete anlegen, Spargel täglich dreimal
stechen; Erdbeeren pflanzen; frischgepflanzte Obstbäume gie-
ssen und pflegen; Weinreben pflanzen; Rosen aus der Erde neh-
men; Rosen schneiden; Konifern, Rhododendron, Freilandaza-
leen pflanzen, Gladiolen auslegen; Stauden pflanzen; Schling-
pflanzen aussetzen; den Rest der Einjahrsblumen aussäen;
Rasenplätze anlegen; Buchsbaumeinfassungen und Koniferen-
hecken werden geschnitten.
Zusammensetzung der Erde für Zimmerpflanzen
Leichte Erde:
5 Teile Lauberde
5 Teile Komposterde oder 3 Teile
2 Teile Sand [Misterde
V* Teil Holzkohle
M i 11 e 1 s c h w e r e Erde:
4 Teile Lauberde
2 Teile Rasenerde
2 Teile Komposterde
Die wichtigsten
2 Teile Misterde
2 Teile Sand
*/2 Teil Holzkohle
Schwere Erde:
2 Teile Lauberde
6 Teile lehmige Rasenerde
3 Teile Misterde
2 Teile Sand
*/ä Teil Holzkohle
Balkonpflanzen
In Blumenkästen; Pelargonien, Fuchsien (nicht für Südseite),
Petunien, Kapuzinerkresse, Balsaminen, Begonien, Lobelien,
Astern, Chrysanthemen.
In Kübeln: Hortensie, Oleander, Lorbeer, Aukube, Feigenbaum,
Palmen.
Kletterpflanzen: Glockenrebe (Cobaca), Wicken, Winden, Feuer-
bohnen.
Passionsblumen, Trichterwinde (Ipomoca), Efeu, Wilder
Wein, Waldrebe
(Clematis).
PRAKTISCHE WINKE
Ineinanderhaltende Gläser
können scheinbar ohne zerschlagen zu werden nicht
gelöst werden. Doch auch hier gibt es eine ganz
einfache Methode. Das innere Glas wird mit kal-
tem Wasser gefüllt, während man das äussere in
lauwarmes Wasser taucht. Das innere wird sich zu-
sammenziehen und das äussere ausdehnen. Die
Folge wird ein Loslösen der beiden Gläser vonein-
ander sein.
Flecke auf weissen oder farbigen Seidenstoffen
Säureflecken: Der Fleck wird mit einem in
gleiche Mischung von Alkali und Wasser getauch-
ten Pinsel bestrichen.
Schmutzflecke werden, wenn sie trocken sind, ab-
gebürstet und mit ammoniakhaltigem Wasser ab-
gerieben.
Wasserflecke: Hier gibt es nur eine Lösung, näm-
lich, das Stück in die Reinigungsanstalt bringen.
Tintenflecke werden mit weinsäurehaltigem Was-
ser entfernt.
Man hat gesät (Ist's aufgegangen?)
11
mm
1 Mo Festtag der Arbeit
2 Di Athanasius ^
3 Mi Fest d. Kreuzauff.
4 Do Monika
5 Fr Pius V. (Pabst) *
6 Sa Johannes
7 So 4. So. n. Ostern
8 Mo Ersch. d. E. Michael
9 Di Gregor v. Naz. €
10 Mi Antoninus
11 Do Mamertus, Gangolf
12 Fr Nereus *
13 Sa Servatius
14 So 5. So. n. Ostern
15 Mo Sophia
16 Di Ubald
17 Mi Paschalis Bayl. O
18 Do Christi Himmelfahrt
19 Fr Petrus Cölest. *
20 Sa Bernardin v. Siena
21 So 6. So. n. Ostern
22 Mo Renate v. Bayern
23 Di Desiderius
24 Mi Maria H. d. C^r. 5
25 Do Gregor VII.
26 Fr Philuppus Neri *
27 Sa Beda Venerabilis
28 So Pfingstsonntag
29 Mo Pfingstmontag
30 Di Felix I. (Papst)
31 Mi Angela Merici @
*) Waschmittel holen! Wer mit TIP
wäscht, der wäscht richtig!
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Jäten und hacken auf sämtlichen Gartenbeeten; von jetzt ab
muss der Garten sauber gehalten werden, indem die Arbeit des
Hackens so eingeteilt wird, dass jedes Beet nach Verlauf von
drei Wochen immer wieder an die Reihe kommt; es wird all-
abendlich ein Teil des Gartens gegossen und gespritzt; gesät
werden: Kohlrüben, Wirsing, Blätterkohl, Buschbohnen, Stan-
genbohnen, Kürbis, Gurken; zweite oder dritte Aussaat von
Karotten, Salat, Spinat, Radies, Rettich; gepflanzt werden: Eis-
kraut, Weisskohl, Rotkohl, Sellerie, Zuckermais, Tomaten;
Frühkartoffeln hacken und häufeln; Erdbeeren mit Dünger be-
legen; Quecken im ersten Trieb vernichten durch tiefes Umgra-
ben; vom Rhabarber werden die Blätter und die ersten Blüten-
stiele ausgebrochen; Spalierbäume vor Frost durch Vorhängen
von Decken schützen. Veredlungsbänder lösen, Zwergobstbäume
pinzieren; Beerensträucher und Bäume, die Früchte angesetzt
haben, gründlich giessen in Gruben oder Löcher, auch mit füs-
sigem Dünger; Blumengarten fertigstellen; Wege reinigen;
Rasen schneiden; Blumengruppen anlegen; Blattpflanzen, Dah-
lien, Canna auspflanzen; verblühte Frühlingsstauden verpflan-
zen und teilen; die wilden Triebe der Rosen werden abgeschnit-
ten; Mehltau an Rosen bekämpfen; allen Zierpflanzen, die noch
nicht kräftig genug gewachsen, leichte Dunggüsse geben.
Apfelbaumsorten
Die früher grosse Zahl der Apfelsorten wird gegenwärtig stark
verringert, da viele örtlich ungeeignet sind.
Apfelblüten werden fast nur durch den Pollen (Blütenstaub)
anderer Sorten befruchtet; deshalb müssen verschiedene Sor-
ten nebeneinander angepflanzt sein.
Lokalsorten, die unter mittleren Bedingungen besonders geeignet
sind:
Baumanns
Renette
Blenheimer
Goldrenette
Schöner
von Boskoop
Gelber
Edelapfel.
\ /
Empfindliche Tafelsorten: Cox Orangenrenette,
Ananasrenette, Weisser Winterkalvill.
Birnbaumsorten: Clapps Liebling, Gute Luise, Alex-
ander Lucas, Böses Flaschenbirne.
Keimfähigkeit von Gemüsesamen:
- O' \s»
feö'h*
Bohnen Keimung in 3— 8
Erbsen „ „ 4—10
Gurken ,, ,, 3— 8
Kohl ,, 6—12
Kohlrabi ,. 6—12
Lauch, Porree ,, ,, 12—15
Möhren „ 5—12
Petersilie ,, 9—15
Salat ,, 3—10
Tomaten ,, 7—12
Zwiebeln ,, ,, 4—12
PRAKTISCHE WINKE
4V#
Kaffeeflecke werden entfernt, indem man 20 g
Natriumperborat in einem Liter Wasser zum
Kochen bringt, abkühlen lässt und den beschmutz-
ten Stoffteil hineintaucht.
Der Boden ist tief . , ,
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DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Staudenrabatten und Rosenpflanzungen nach vorangegange-
ner Reinigung und Lockerung mit verrottetem Dünger belegen;
täglich giessen; bei trockenem Wetter abends spritzen; Dünger
auf Haufen setzen und mit Erde abdecken; Gemüsebeete flüssig
düngen; Gemüse behäufeln; Buschbohnen, Endivien, Rettich
säen; Wirsing, Löwenzahnsalat pflanzen, Kohlrabi, Salat, Mohr-
rüben, Erbsen,, Frühkartoffeln ernten; Spargelernte schliesst
spätestens mit Johanni (24. Juni) ab; Tomaten müssen ge-
schnitten werden; Erdbeeren täglich pflücken; Erdbeerbeete
sauber halten; fruchttragende Obstbäume giessen, flüssig
düngen; an frisch gepflanzten Bäumen und an zu voll be-
setzten Bäumen Früchte ausbrechen. Formieren junger Obst-
bäume: Anheften und Absperren der Triebe; Rosen mit Schwefel
bestäuben gegen Mehltau; Aeugeln der Rose auf das treibende
Auge; hacken und rühren; Zweijahrsblumen säen.
Die wichtigsten Düngemittel
Schwefelsaures Ammoniak, Kalistickstoff, Kalkammonsalpeter,
Nitrophoska, Ammoniaksuperphosphat, Thomasmehl, Kainit,
gemahlener Kalk, Mergel, frischer Tauben- und Hühnermist,
frischer Rindermisft mit Streu, frischer Pferdemist, Mistjauche,
Abortdünger aus Gruben, Fischguano, Knochenmehl.
Beerenobstsorten
Stachelbeeren: Rote Triumphbeere, Maiherzog, Rote Eibeere,
Frühe Rote, Früheste von Neuwied, Weisse Triumphbeere,
Triumphant.
Brombeeren: Wilsons Frühe, Theodor Reimers,
Johannisbeeren: Rote Holländische, Rote Versailler, Fays
Fruchtbare, Weisse aus Jüterbog, Lees Schwarze, Goliath,
Langtraubige Schwarze.
Erdbeeren: Laxtons Noble, Sieger, Eva Macherauch Latest of all,
Späte von Leopoldshall.
Empfehlenswerte Weintraubensorten
Perle von Esaba, Gelbe Seidentraube, Madeleine royale, Roter
Traminer, Precoce de Malingre, Weisser Gutedel, Blauer
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liehe Gewebe: Fein-TlP.
Juni
1 Do Johanna
l Fr Marcellinus *
3 Sa Klothilde
4 So Fest d. Hl. Dreif.
5 Mo Winfried Bonifatius
6 Di Norbert v. Xanten
7 Mi Robert <
8 Do Fronleichnamsfest
9 Fr Primus, Felicianus *
10 Sa Margarita
11 So 2. So. n. Pfingsten
12 Mo Leo III.
13 Di Antonius v. Padua
14 Mi Basilius
15 Do Vitus ®
16 Fr Fest d. Hl. Herz. J. *
17 Sa Rainer
18 So 3. So. n. Pfingsten
19 Mo Gervasius u. Protas.
20 Di Silverius, Florentina
21 Mi Aloisius v. Gonzaga
22 Do Eberhard
23 Fr Edeltraud, Felix * *
24 Sa Johannes d. Täufer
25 So 4. So. n. Pfingsten
26 Mo Joh. u. Paulus
27 Di Siebenschläfer
28 Mi Irenäus, Leo II.
29 Do Peter und Paul ©
30 Fr Pauli Gedächtnis *
PRAKTISCHE WINKE
Wässrige Helfer
Die vollkommene Instandhaltung eines gepflegten
Haushaltes 'bedarf einer kleinen unentbehrlichen
Zahl von flüssigen Hilfsmitteln, dank derer Möbel,
Kleider und Gebrauchsgegenstände, die kostbaren
Güter des täglichen Lebens, stets in einwandfreiem
Zustand gehalten werden können.
Alkohol (90%): Ein wenig davon auf einem
sauberen Lappen verteilt, reinigt vortrefflich
Fensterscheiben und Marmor und bringt Gold- und
Silberverzierungen an Möbeln auf Hochglanz.
Schmuckstücke eine Stunde lang in Alkohol liegend
erstrahlen im Hochglanz. Vortreffliches Mittel zur
Entfernung von Harz- und Jodflecken. Für die
Hausapotheke: Kampferalkohol aus 100 g Alkohol
und 10 g Kampfer. Jod: aus 48 g Alkohol und 4 g
Jod. Und ergibt nicht schliesslich Alkohol mit
anderen Essenzen vermengt das so sehr geschätzte
Eau de Cologne!
Nanu?!
15
Juli
1 Sa Kostbares Blut
2 So S. So. n. Pfingsten
3 Mo Leo II.
4 Di Ulrich, Berta
5 Mi Ant. M. Zaccaria
6 Do Thomas Morus
7 Fr Cyrillus * ö
8 Sa Elisabeth
9 So 6. So. n. Pfingsten
10 Mo Sieben Brüder
11 Di Pius I. (Papst)
12 Mi Felix
13 Do Margarete, Eugen
14 Fr Franz. Nat.-Feiertag
15 Sa Heinrich ©
16 So 7 So. n. Pfingsten
17 Mo Alexius, Leo IV.
18 Di Kamillus
19 Mi Vincenz von Paul
20 Do Margareta
21 Fr Praxedis, Goar *
22 Sa Maria Magdalena 1
23 So 8. So. n. Pfingsten
24 Mo Christiana, Siglinde
25 Di Jakobus d. Aelt.
26 Mi Mutter Anna
27 Do Magnerich
28 Fr Nazarius *
29 Sa Martha, Beatrix ©
30 So 9. So. n. Pfingsten
31 Mo Ignatius v. Loyola
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Dir's leicht, nimm Hexim!
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Täglich giessen, bei trockenem Wetter abends spritzen; alles
pünktlich durchhacken, um die Beete unkrautrein und offen zu
halten; Spargelbeete nach Beendigung der Einte mit Dünger
flach umgraben und flüssig düngen; die letzten Buschbohnen,
Herbstrüben, Endivien säen; letzte Aussaat von Kohlrabi;
Blätterkohl pflanzen; Perlzwiebeln ernten und trocken auf-
bewahren; auf den abgetragenen Erdbeerbeeten die alten Blätter
abschneiden, Ausläufer unterdrücken; zur Neupflanzung kräftige
Pflanzen ziehen; Tomaten schneiden; für fruchttragende Bäume
mit Spaten und Locheisen Löcher machen und mit flüssigem
Dünger füllen; Wurzelschösslinge und Stammausschläge an
Obstbäumen wegnehmen; verblühte Rosen und andere Blumen
abschneiden, um die fernere Blüte zu begünstigen, Rosen
äugeln; die abgeblühten Rosentriebe einkürzen; Kletterpflanzen
nachsahen und in Ordnung bringen; Weinreben heften, Spalier-
bäume heften; Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht säen.
Tragezeit (Dauer der Trächtigkeit)
durchschnittlich durchschnittlich
Kaninchen 28 Tage Pferd 333 Tage
Hund 60 Esel 360 „
Schwein 115 Kamel 360 ,,
Schaf 150 Elefant 630 ,,
Rind 280 Ziege 154 ,,
Katze 56 ,,
Brütekalender
Haushuhn brütet in 20——22 Tagen 10—14 Eier aus
Truthuhn ,, 27—28 12—16 »» M
Perlhuhn ,, 28—32 ,, 16—20 9t 1*
Taube ,, ,, 17—19 2— 3 ,, »*
Ente 28—32 ,, 12—15 ,, ,,
Gans ,, 28—32 8—12
Auf 1 Haushahn
,, 1 Truthahn
,, 1 Perlhahn
,, 1 Täuber
,, 1 Enterich
Auf 1 Gänserich
werden gerech-
net 6—8 Gänse
werden gerechnet 10—14 Hennen
„ ,, 8—12 ,,
,, ,, 6—12
,, ,, 1 Taube
10—12 Enten
Zahl der Atemzüge in der Minute
Pferd 8—16
Rind 10—30
Schaf, Ziege 12—20
Schwein 8—18
Maus 200
Ratte 100—150
Meerschweinchen 100—150
Huhn
Taube
Eidechse
Grille
40— 50
50— 70
4— 60
10— 36
PRAKTISCHE WINKE
Javellewasser (Chlorkali): 2 Liter sollten min-
destens vorrätig sein. Vortreffliches Mittel zur Ent-
fernung von Tinten-, Rost- und Nussschalenflecken
und zur Behandlung weisser Möbel. Als Desinfek-
tionsmittel wird es in Toiletten verwandt, zu 10 %
dem Spülwasser beigegeben, verleiht es weisser
Wäsche leuchtendes Aussehen und entfernt selbst
Wein- und Obstflecke.
Terpentinöl: Entfernt Fett-, Teer- und Farbflecke
auf Stoffen und Fussböden. Zu gleichen Teilen mit
Leinöl vermengt bringt es Möbel auf Hochglanz.
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1 Di Petri Kettenfeier
2 Mi Alf. M. v. Liguori
3 Do Lydia
4 Fr Dominikus *
5 Sa Maria Schnee G
6 So 10. So. n. Pfingsten
7 Mo Kajetan, Afra
8 Di Cyriakus
9 Mi Johannes Vianney
10 Do Laurentius
11 Fr Tiburtius, Susan. *
12 Sa Klara, Hilaria
13 So 11. So. n. Pfing. ®
14 Mo Eusebius
15 Di Mariä Himmelfahrt
16 Mi Joachim, Rochus
17 Do Hyacinth
18 Fr Helena *
19 Sa Johannes Eudes
20 So 12. So. n. Pfing. 9
21 Mo Balduin
22 Di Timotheus
23 Mi Richildis
24 Do Bartholomäus
25 Fr Ludwig IX. *
26 Sa Beatus und Bantus
27 So 13. So. n. Pfing. ©
28 Mo Augustinus
29 Di Enth. Joh. d. T.
30 Mi Rosa von Lima
31 Do Paulinus
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Stiefmütterchen, Silenen und Vergissmeinnicht pikieren;
Spinat, Kerbelrüben, Rapünzchen säen; Blumenkohl und Rot-
kohl säen zum Durchwintern der Pflanzen; Kohlrabi und Endi-
vien pflanzen, Estragon und Schnittlauch verpflanzen; Zwiebeln
ernten; Perlzwiebeln legen, neue Erdbeerbeete anlegen nach vor-
hergehendem Düngen der Beete; die Obsternte beginnt: Fallobst
soll täglich gesammelt werden; fruchtbeladene Aeste stützen;
für einzelne grosse Früchte der Zwerg- und Spalierbäume
Schutzbrettchen anbringen; an Formobstbäumen Augustschnitt
ausführen, junge Obstbäume äugeln, an Himbeeren das abgetra-
gene Holz ausschneiden; Weinreben kappen; Stauden teilen und
verpflanzen; Rasen kurz halten, viel spritzen.
Ungefähres Höchstalter einiger Tierarten
Arbeitsameisen werden im Sommer nur 30 — 35 Tage alt.
Bienenkönigin 4—5 Jahre Buchfink 25 Jahre
Kaninchen 5—7 Hund 28 ,,
Regenwurm 10 Pferd 40 „
Schaf 10—15 Raben 60 ,,
Amsel 18 Schildkröte 100 „
Rind 20—25 Hering 20 „
Hühner 20—30 Uhu 70 „
Enten, Gänse 20—30 Kamel 40—50 ,,
Kanarienvogel 24 Papagei bis 100 „
Tierstaaten
Ein gut besetzter Bienenstock enthält 20 000—75 000 Arbeiter
(unfruchtbare Weibchen), 1 Königin (Weibchen) und 200—300
Drohnen. Alljährlich 2—6 neue Königinnen. Die alte Königin
verlässt mit 10 000—15 000 Bienen den Stock (Schwarm), nur
1 junge Königin bleibt am Leben.
Im Hummel-
*) Zum Waschtag TIP-Waschmittel
kauten! Für Kristall, Porzellan
und feine Gewebe: Fein-TlP.
Staat leben 50
bis 200 Hum-
meln (selten bis
500). Das Nest
der Wespe be-
herbergt 3 000
bis 5 000 Wesp:
Ameisennester
werden von
mehreren Dut-
zend bis mehre-
ren Hunderttausend (mit „Zweigniederlassungen”
bis 100 Millionen) Ameisen bewohnt. Meist sind
mehrere Königinnen (bis 60 vorhanden).
Der Staat der Termiten besteht aus mehreren
Hundert bis mehreren Milliarden Tieren.
Zahl der Beine
Mensch 2, Vögel 2, Säugetiere 4, Kriechtiere 4,
Lurche 4, Insekten 6, Spinnentiere 8, zehnfüssige
Krebse, (Hummer, Flusskrebse) 10, Wasserflöhe
8 bis 12, Tausemdfüsser bis 278.
PRAKTISCHE WINKE
Ammoniakhaltiges Wasser: 2 Esslöffel Salmiak-
geist werden in 1 Liter Wasser gebracht. Eignet
sich zum Reinigen von Teppichen und verleiht den
Farben ihr altes Leuchten. Auch Filzhüte, Kleider-
kragen und Fettflecke auf Regenmänteln lassen
sich damit behandeln.
19
1 Fr Ruth *
2 Sa Stephan
3 So 14. So. n. Pfingsten
4 Mo Irmgard, Rosalia 6
5 Di Laurentius
6 Mi Gundolf, Beata
7 Do Korbinian, Reg.
8 Fr Mariä Geburt *
9 Sa Gorgonius
10 So 15. So. n. Pfingsten
11 Mo Helga, Emil
12 Di Mariä Nam.-Fest 9
13 Mi Notburga
14 Do Fest d. Kreuzerhöh.
15 Fr 7 Schm. Mariä *
16 Sa Cornelius, Edith
17 So 16. So. n. Pfingsten
18 Mo Josef v. Cupert. >
19 Di Januaris u. s. Gef.
20 Mi Eustachius u. s. Gef.
21 Do Matthäus (Ap., Ev.)
22 Fr Mauritius *
23 Sa Linus, Thekla
24 So 17. So. n. Pfingsten
25 Mo Kleophas
26 Di Cyprian., Justina ©
27 Mi Kosmas u. Damian
28 Do Wenzeslaus, Lioba
29 Fr Erzengel Michael *
30 Sa Hieronymus
*) Wäschewaschen! Nimm dazu
Hexim, das einheimische Wasch-
mittel.
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Mit Giessen wird nachgelassen, nur bei trockenem Wetter ist
es nötig; Radies, Wintersalat, Spinat und Rapünzchen säen;
Endivien binden, Tomaten über dem letzten Pruchtbüschel kap-
pen, Spargelbeete noch zweimal hacken; die Obsternte ist in
vollem Gange; täglich sind die Früchte reif zum Pflücken; Trau-
ben am Weinspalier durch Versetzen von Mistbeetfenstern zur
besseren Reife bringen; Erdbeerbeete gründlich sauber machen,
entranken, mit kurzem Dünger belegen; Blumenzwiebeln und
Frühjahrsblumen auspflanzen; Blumenzwiebeln in Töpfe setzen
und diese in die Erde eingraben; Obstbäume für Herbstpflan-
zung bestellen und alles für Herbstpflanzung vorbereiten.
Schädlinge tierischer Art
Ameisen schädigen durch Saugen an Trieben und Früchten und
Blättern. Treten oft mit Blattläusen gemeinsam auf. Be-
kämpfung: Mit gärender Hefe versetzte süsse Flüssigkeiten
aufstellen, ferner kochend heisse Nikotinlösung in die Nester
giessen, Anlegen von Klebgürteln an den Baumstamm, wenn
durch Blattlausbefall in der Baumkrone die Ameisen an
den Stämmen auf- und abwärts klettern. Auch hat sich das
Auslegen von mit vergiftetem Zuckerwasser getränkten
Schwämmen bewährt.
Apfelblütenstecher — Ein gefährlicher Käfer, der in die eben
aufgehende Blüte sein Ei legt, woraus sich eine Larve ent-
wickelt, die das Innere der Blüte auffrisst. Bekämpfung:
Abklopfen der Bäume im taulahmen Zustand der Tiere
(frühmorgens auf Leintücher), reinigen der Stämme von
Flechten und Moosen und Anlegen von Fanggürteln und
häufiges Entleeren derselben.
Blattläuse bringen besonders in trockenen Jahren grossen Scha-
den. Schädigen durch Saugen an Trieben und Blättern, so
dass Wachs-
tumsstörung —_-----------1:------
eintritt. Natür-
liche Feinde der
Blattläuse sind
die Blattlauslö-
wen (Larven des
Marienkäfer-
chens), die Flor-
fliegen und die
Schwebefliege.
Da sie von den
Ameisen auf die
Bäumen weiter verschleppt werden, müssen auch
sie vernichtet werden. Bekämpfung: Spritzen mit
Quassiaschmierseifenbrühe, Nikotin-, Spiritus-
Schmierseifenbrühe und reiner Nikotinlösung. Bei
niedrigen Sträuchern und erreichbaren Trieben
auch Eintauchen derselben in die Giftbrühe.
Die geschützten Rabenvögel
Kohlrabe, Dohle, Alpendohle, Alpenkrähe, Tan-
nenhäher.
PRAKTISCHE WINKE
Petroleum: Grösster Feind aller Mücken und
Fliegenlarven. Etwas in die Abgüsse gegossen ver-
hindert Ausschlüpfen der verhassten Plagegeister.
Als Vorbeugungsmittel gegen Wanzen bringt man
es an die Bettgestelle, Lambris, Holzverschlage und
Fussböden während einer Woche, und ganz sel-
ten entgeht ein Wanzenei dem sicheren Tod. Ofen-
und Heizungsrohre mit Erdöl eingerieben werden
nie rostig.
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7 Sa Rosenkranzfest
8 So 19. So. n. Pfingsten
9 Mo Dionysius v. Athen
10 Di Franz von Borgia
11 Mi Mariä Muttersch. •
12 Do Thyrsus
13 Fr Eduard
14 Sa Kallistus I., Burkh.
15 So 20. So. n. Pfingsten
16 Mo Gallus, Lullus
17 Di Hedwig
18 Mi Lukas (Ev.) *
19 Do Petrus v. Alcantara
20 Fr Johannes Cantius *
21 Sa Hilarion
22 So 21. So. n. Pfingsten
23 Mo Wendelin
24 Di Raphael (Erzengel)
25 Mi Chrysanthus ®
26 Do Evaristus (Papst)
27 Fr Florentius *
28 Sa Simon, Jud. Th.
29 So 22. So. n. Pfingsten
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DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Dünger in den Garten bringen; zwischen Ziersträuchern und
Beerensträuchern, Stauden, Zwergbäumen usw. das Land
düngen und graben, offenes Gemüseland und Blumenrabatten
tief graben und über Winter in rohen Schollen liegen lassen; En-
divien werden in Blumentöpfe gepflanzt, Petersilie und Schnitt-
lauch für den Winterbedarf in Töpfe pflanzen; Schalotten und
Rhabarber pflanzen; Obstbäume düngen; alte Stämme ab-
kratzen; Baumgruben auswerfen; Obstbäume pflanzen; Winter-
obst wird sorgsam gepflückt und in die Obstkammern getragen;
zartere Kübelpflanzen kommen in das Winterquartier; Dahlien,
Gladiolen, Cannaknollen werden nach dem ersten Frost aus-
gehoben und aufbewahrt; Ziersträucher und Bäume werden
gepflanzt; alle bis jetzt abgeblühten Stauden können verpflanzt
werden, auch Neupflanzungen von Staudenrabatten können
erfolgen.
Schädlinge (pilzliche) parasitärer Art
Gummifluss tritt bei allen Steino'bstarten auf. Nur durch die
Bekämpfung der Ursache ist Heilung möglich. Solche Ur-
sachen können sein: Kalkmangel, Luftmangel im Boden, zu
hoher Grundwasserstand, Stickstoffüberfluss, Frostschäden,
Erschöpfung durch überreiche Tragbarkeit, grosse Ver-
wundungen, falscher Schnitt usw. Deshalb Ursache er-
gründen und beheben.
Kräuselkrankheit kommt an bestimmten Pfirsichsorten vor.
Blätter werden blasenartig aufgetrieben und verfärbt.
Gegenmassnahmen: Meiden empfindlicher Sorten und vor-
beugende Spritzung beim Schwellen der Knospen mit 1 %-
iger Schwefelkalkbrühe bei Beginn der Krankheit. Blätter,
die befallen sind, sammeln und verbrennen.
Baumkrebs kommt besonders an Aepfeln vor. Gegenmass-
nahmen: Keine krebsempfindlichen Sorten anbauen in
feuchten Böden. Ausschneiden der Wunden und Verstrei-
chen mit erwärmtem Steinkohlenteer.
Stachelbeerrost ist die gefährlichste Krankheit an Blatt und
Frucht der Stachelbeere. Aber auch die grünen Triebe wer-
den befallen. Es erscheinen kurz nach der Blüte an der
erbsengrosse Beere zuerst rote, später gelbrote Flecken, die
zu höckerartigen Missbildungen an den Früchten, Trieben
und Blättern führen. Früchte werden dadurch unbrauchbar.
Gegenmassnahmen: Sogleich nach Austrieb Spritzen mit
1 %iger Kupferkalkbrühe und 14tägiges Wiederholen der-
selben.
Der Vogelzug
Höhe der ziehenden Vögel bis 400 Meter täglich
Wandergeschwindigkeit: täglich Schnepfen auf dem Herbstzug 400—500 km
Storch auf dem Herbstzug 120—200 km Kleine Singvögel 40— 70 km
PRAKTISCHE WINKE
Ein Gang durch den Einmachkeller
Beim Eingemachten ist ganz besonders in der
augenblicklichen Jahreszeit der Kampf gegen
das Verderben aufzunehmen. Und es würde ein
grosser Verlust bedeuten, wenn das mit soviel
Liebe und Mühe Eingemachte, was ein Vorrat
an frischem Obst und Gemüse für die Winter-
und Frühjahrsmonate darstellt, dem Verderb
anheim fallen würde dadurch, dass man ihm
nicht die nötige Beachtung schenkt. Auf einen
kühlen, luftigen und trockenen Unterbringungs-
ort hatte man ja schon beim Aufstellen geach-
tet. Um die Farbe zu erhalten, soll man das
Eingemachte möglichst vor Licht schützen.
Dann ist aber ein regelmässiges Nachsehen der
Vorräte erforderlich. Wenn sich bei Dosen der
Boden und Deckel wölbt, ist deren Inhalt im
Verderb begriffen. Bei Gläsern zeigen aufstei-
gende Bläschen (wobei Erbsen und Spargel häu-
fig zu beobachten sind) einen angehenden ver-
derblichen Prozess an. Der Inhalt kann in
vielen Fällen noch einwandfrei sein. Jedoch
muss er stets aufgekocht werden. Aber Vorsicht
ist in jedem Falle angebracht. Schimmelbildun-
gen zeigen bei Gelee und Marmelade einen kom-
menden Gärprozess an. Sie sind deshalb zu ent-
fernen und das Glas neu zuzubinden.
23
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Rigolen; Komposthaufen umsetzen; Dünger in den Garten
bringen, graben; mit Thomasmehl düngen; Gemüse für den
Winterbedarf, das solange wie möglich zur vollen Ausbildung
im Garten blieb, wird geerntet und eingewintert; nur Grünkohl
und Spinat bleiben im Freien; Spargelbeete Kraut abschneiden,
umgraben; Obstbäume düngen, auch durch Freimachen der
Wurzeln und Untergraben von Kompost; Weinreben beschnei-
den und niederlegen; Gehölzgruppen umgraben, Rosenwildlinge
pflanzen; Rosen niederlegen, niedrige Rosen anhäufeln; die
Staudenbeete werden zum Schutz gegen Frost mit kurzem Dün-
ger belegt; auf den Rasen wird Kompost gebreitet; immergrüne
Gehölze, besonders Rhododendron, bei frostfreiem Wetter tüch-
tig wässern.
Allgemeine Schäden
Frostschäden. Es gibt Schäden durch Winterkälte und solche,
die durch sogenannte Spätfröste im April/Mai hervorgeru-
fen werden. Winterfröste wirken sich besonders dann sehr
gefährlich aus, wenn die Bäume unterernährt sind oder in-
folge zu dichten Standes vergeht gewachsen sind, weiterhin
wenn starker Schädlingsbefall die Bäume schwächte. Wenn
das Holz ausgereift ist, ist die Gefahr des Erfrierens nicht
sehr gross.
Frostplatten, die sich am Stamm und an den stärkeren
Aesten des Baumes zeigen können (besonders auf der Son-
nenseite), müssen sorgsam ausgeschnitten und die Wunden
gut verstrichen werden.
Trockenheit ist für die Obstkulturen verhängnisvoll. Abhilfe
durch künstliche Bewässerung, Beregnung, Berieselung und
Bodenbedeckung mit humosen Stoffen.
Wasserüberschuss ist zuweilen noch gefährlicher als Trocken-
heit. Die Auswahl der geeigneten Unterlagen und Baum-
formen, gegebenenfalls auch Dränage des Erdreiches sind
empfehlenswerte Gegenmassnahmen.
Giftige Gase aus Fabriken führen auch oftmals zu schweren
Schäden. Gegenmassnahmen ausser der Abstellung dieser
Erscheinungen sind kaum durchzuführen.
Die Aufbewahrung des Obstes
Ein guter Obstkeller darf nur für Obst verwendet werden. Er
muss stets gelüftet und dauernd peinlich rein sein. Die Bau-
weise des Kellers muss dauernd das Einströmen frischer Luft in
den Raum ermöglichen. Wo das nicht der Fall ist, verzichten
wir lieber auf den Keller als Obstaufbewahrungsstätte. Weit
besser ist dann nur ein halb in die Erde gelegter Raum des
Hauses oder auch ein oberirdischer, der vermöge seiner Lage
PRAKTISCHE WINKE
Ein Gang durch den Einmachkeller
Bohnen und Sauerkraut in Fässern oder Stein-
töpfen sind besonders zu beachten. Während der
Gärung müssen sie wöchentlich einmal abge-
waschen werden, wobei das Tuch, Brett und der
Stein nicht zu vergessen sind. Man entfernt die
Schicht und giesst, wenn nötig, etwas Salz-
waseer nach. Am besten legt man sich einen
bestimmten Tag in der Woche für einen Keller-
rundgang fest.
Ist der Kuchen angebrannt, wird mit einer
Reibe die oberste Krümelschicht entfernt und
der Schaden ist wieder gutgemacht.
Damit Eier in Eintopfgerichten oder Milch-
speisen nicht gerinnen, werden sie zuvor mit
etwas kaltem Wasser zerquirlt. Bei tüchtigem
Rühren binden sie die Brühe ganz glatt.
nach Norden oder Osten eine gleichmässige
Temperatur aufzuweisen hat und durch Frost
nicht gefährdet werden kann: also eine Obst-
kammer. Je weniger der Aufbewahrungsraum
Temperaturschwankungen ausgesetzt ist, um so
tadelloser hält sich das Obst. Am gleichmässig-
sten ist die Temperatur in den Räumen mit
Doppel wänden.
Ist die Suppe einmal versalzen, kann man sie
entsalzen, indem man eine Kartoffel oder etwas
Rohgemüse hineinreibt, etwas mit Milch ge-
quirltes Mehl hinzufügt und die Suppe nochmals
aufkochen lässt.
Wie bekommt man einen Hefeteig aufs Back-
blech? Derselbe wird mit Mehl bestäubt, auf das
Rollholz gerollt, auf das Blech gehoben und
wieder dort aufgerollt.
Oooembec
1 Mi Allerheiligen
2 Do Allerseelen, Wichm.
3 Fr Hubert * 6
4 Sa Karl Borromäus
5 So 23. So. n. Pfingsten
6 Mo Leonhard
7 Di Engelbert
8 Mi Gottfried, Willehad
9 Do Theodor
10 Fr Andreas, Avell. * •
11 Sa Martin von Tours
12 So 24. So. n. Pfingsten
13 Mo Didakus
14 Di Josaphat, Alberich
15 Mi Albertus Magnus
16 Do Gertrud v. Helfta >
17 Fr Gregor *
18 Sa Odo von Cluny
19 So 25. So. n. Pfingsten
20 Mo Felix v. Valois
21 Di Mariä Opferung
22 Mi Buss- und Bettag
23 Do Clem. I., Felicitas
24 Fr Johannes v. Kr. * ©
25 Sa Katharina
26 So 26. So. n. Pfingsten
27 Mo Virgil v. Salzburg
28 Di Maximus
29 Mi Saturnius, Radbod
30 Do Andreas (Apostel)
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26
DIE MONATLICHEN ARBEITEN IM GARTEN
Erde zur Verbesserung des Gartens herbeischaffen und aus-
breiten; Komposterde in den Garten schaffen und ausbreiten;
Rigolen und Erdarbeiten jeder Art ausführen, solange es die
Witterung gestattet; Pläne machen; Keimproben ansetzen;
Singvögel füttern.
Ein paar kurze Hinweise über Vogelschutz
Es ist ganz unglaublich, wieviele tausende schädlicher Insek-
ten ein kleines Vögelchen im Laufe eines Jahres vernichtet.
Unsere Singvögel, Nachtigallen, Stieglitze und Finken, aber
auch Spechte, Meisen, Bachstelzen, Rotschwänzchen und Stare
bilden eine eifrige Gartenpolizei, die besser Ordnung halten als
wir mit allen Giftmitteln je erreichen können. Schon deshalb
ist es lohnend, die Vögel in unserem Garten zu schützen und
zu hegen.
Vor allem müssen die Gärten katzenrein gehalten werden. Die
Katzen, die oft nur nachts und unbemerkt unsere Gärten heim-
suchen, sind die schlimmsten Feinde unserer gefiederten
Freunde. Wir können die Ansiedlung besonders der Singvögel
weiter fördern, wenn wir ihnen die natürlichen Brutstätten, die
durch intensive Kultur meist verloren gehen, zu ersetzen suchen.
Da es keine hohlen Bäume in gut gepflegten Anlagen mehr gibt,
müssen wir den Höhlenbrütern andere Möglichkeiten schaffen.
Dafür nageln wir aus alten Brettern Nistkästen zusammen, die
an den Bäumen unseres Gartens fest und sicher angebracht
werden. Beim Basteln dieser Nistkästen müssen wir aber sehr
genau arbeiten, denn es darf kein Luftzug und keine Feuchtig-
keit eindringen. Nachtigallen brüten in Reisighaufen, die eigens
hierfür in dichtestem Gebüsch, katzensicher und 1 m hoch er-
richtet werden.
Andere liebe
Sänger brüten
in Hecken und
dichten Sträu-
chern. Schon
das Pflanzen
von Sträuchern
allein trägt da-
zu bei, Vögel
anzusiedeln. Als
Brutplätze sind
solche Sträu-
cher bevorzugt,
die sich dicht
bauen, also die meisten Wildrosen, Jasmin u. ä.
Auch werden wir im Sommer Trinkplätze, und im
Winter Futterplätze errichten.
Alle Futterkästen müssen so gebaut sein, dass an
ausgelegtes Futter Wind, Regen oder Schnee nicht
herankönnen. Wir füttern keine gekochten Kartof-
feln oder sonstige Küchenabfälle, weil sie zu leicht
verderben. Körnerfutter oder auch Fettfutter für
die Meisen sind am besten.
Erstes Gebot bei der Fütterung heisst: „Sparsam
füttern, nichts vergeuden”. Sperlinge verdienen un-
sere Fürsorge am wenigsten.
PRAKTISCHE WINKE
Geht ein Kuchen einmal nicht aus der Form,
wird ein in heissem Wasser ausgewrungenes Tuch
um die Form gelegt. Dann wird er sich bald lösen.
Uejembec
1 Fr Eligius *
2 Sa Bibiana €
3 So 1. Adventssonntag
4 Mo Barbara
5 Di Sabbas, Reinh.
6 Mi Nikolaus (Bischof)
7 Do Ambrosius
8 Fr Mariä unb. Empf. ♦
9 Sa Anast., Petr. For. •
10 So 2. Adventssonntag
11 Mo Damasus I.
12 Di Vicelin v. Holstein
13 Mi Lucia, Ottilia
14 Do Berthold
15 Fr Christiana *
16 Sa Euseb., Adelheid
17 So 3. Adventssonntag
18 Mo Wunibald
19 Di Thea
20 Mi Christian
21 Do Thomas (Apostel)
22 Fr Jutta *
23 Sa Dagobert, Viktoria
24 So 4. Adventssonntag ©
25 Mo Weihnachten
26 Di 2. Weihnachtstag
27 Mi Johannes
28 Do Unschuldige Kinder
29 Fr Thomas v. Cant. *
30 Sa Irmina
31 So Silvester
Heute Waschmittel für die
Wäsche! Hexim und auch Fein-
T1P.
27
Landwirtschaftlicher Arbeitskalender
JANUAR:
FEBRUAR:
MÄRZ:
APRIL:
Mist ausfahren und ausbreiten, in schneefreien Lagen Thomasmehl, Kalk
streuen; Kalken, Dreschen fortsetzen, Maschinen, Geräte in Ordnung bringen,
Saatgut bestellen.
Stickstoffdünger auf abgetrocknete Wintersaaten, Ent- und Bewässerungs-
anlagen überprüfen, Ausdrusch beenden.
Letzte Plugarbeiten erledigen; aufgefrorene Wintersaaten anwalzen; Wiesen
und Weiden düngen, Kartoffelfelder vorbereiten; Beginn der Aussaat von Som-
mergetreide; Frühkartoffeln vorkeimen; Aussaat von Faserpflanzen; Futter-
gemenge; Frühkartoffeln.
Sommerweizen, Sommergerste, Hafer, Rüben drillen; Klee, Luzerne säen, Un-
kräuter bekämpfen (Eggen usw.), Wintersaaten hacken, Kartoffeln legen, Wie-
sen und Weiden walzen.
MAI: Beenden des Kartoffellegens, Flachs, Hanf, Mais säen, Kartoffelfelder mit
Häufelpflug usw. bearbeiten, Unkräuter (besonders Hederich) bekämpfen, Rüben
und Getreide hacken, Vieh auf Weiden treiben, Feldgemüse auspflanzen.
JUNI: Kartoffeln, Rüben, Mais behacken, behäufeln; Unkraut bekämpfen; Wiesen
(Heuernte), Klee- und Luzernefelder mähen, Weiden pflegen.
JULI: In der Ernte folgen aufeinander: Wintergerste, Raps, Rübsen, Flachs, Roggen,
Weizen, Frühkartoffeln; Stoppeln schälen; Zwischenfruchtbau; Pflügen der
Brachschläge für Herbstbestellung.
AUGUST: Beenden der Ernte von Roggen, Weizen, Sommergerste, Hülsenfrüchten; Früh-
kartoffeln ernten, Saatgut und Handelsdünger für die Herbstbestellung be-
schaffen; Gedroschenes Getreide umstecken.
SEPTEMBER: Wintersaaten düngen, Keimbett herrichten, zweiter Schnitt der Wiesen (Grumt)
und Kleeschläge; Beginn der Kartoffelernte, Rübenernte.
OKTOBER: Herbstbestellung beenden, Abschluss der Futterrüben- und Kartoffelernte; Ein-
mieten, Rübenblätter einsäuern; Getreideausdrusch.
NOVEMBER: Beendigung der Zuckerrübenernte; Schnitzelmieten; Blätter einsäuern; Pflügen
tortsetzen; Stalldung ausfahren, unterpflügen; Feld- und Futterschläge kalken;
Grünland düngen; Einstallen des Weideviehes; Getreideausdrusch.
DEZEMBER: Dungausfahren; Pflügen der Winterfurche beenden; Fortsetzung des Getreide-
ausdrusches, Keller, Mieten, Speicher überwachen, Maschinen, Geräte usw. in-
standsetzen, Grünlandflächen düngen, Mäusebekämpfung.
PRAKTISCHE WINKE
Blumenkohl eignet sich nicht zum Sterilisie-
ren, da er meist auf gedüngtem Boden gewach-
sen ist. Man kann ihn nur als Essiggemüse
haltbar machen.
Blutflecke beim Nähen
Kleine Blutflecke, die durch einen Nadelstich
in den Finger auf dem Stoff entstehen, werden
erfolgreich durch folgende Behandlung entfernt:
Zunächst muss man sich vergewissern, dass der
Stoff im Wasser nicht färbt oder fleckt. (Unten-
genannte Methode wurde z. B. auf weissem Taft
erfolgreich angewandt.)
Aus einem Stück Baumwollstoff formt man
dann ein Bällchen, das man in klares Wasser
taucht und auf den Blutfleck legt. Allmählich
wird daa Bällchen das Blut aufsaugen. Je nach
Bedarf kann man wieder ein neues formen, so-
lange bis der Fleck vollkommen verschwunden
ist.
Zur Pflege von Staubsaugern
Zur Pflege eines Staubsaugers gehört sein Auf-
bewahren in dem entsprechenden Behälter oder
zum mindesten an einem staubfreien Ort. Sein
Schlauch darf nicht zu stark eingerollt werden,
damit er keine Bruchstellen bekommt. Die Bür-
sten sind nach jedem Gebrauch gründlich zu
reinigen, und am besten ist ihr äusserer Rand
mit einem Gummiband zu versehen, der die
Möbel und Lambrien vor starken Stössen schüt-
zen soll. Nach jedem Gebrauch ist der den Staub
und Schmutz enthaltende Sack zu entleeren, da-
mit stets ein vollkommenes Saugen erfolgen
kann. Damit beim Entleeren keine neue Staub-
entwicklung entsteht, führt man dies am besten
auf einem feuchten Papier aus. Einige Tropfen
einer Desinfektionslösung in den Staubsauger
gegeben, bilden eine gute Ergänzung zur Reini-
gungsarbeit.
Wird im Gebrauch mit dem Staubsauger ein
anormales Geräusch wahrgenommen, ist der-
selbe sofort abzustellen. Das Staubsaugen mit
einem beschädigten Apparat hat nur grössere
Störungen zur Folge. Mindestens einmal jähr-
lich sollte der Apparat vom Fachmann nach-
gesehen werden.
Das Aufbewahren von Reinigungsmitteln
Alle Behälter von Reinigungsmitteln müssen
mit einem Etikett versehen sein. Fahrlässiges
Aufbewahren kann oft fatale Verwechslungen
zur Folge haben. Produkte, die der Feuchtigkeit
nicht ausgesetzt werden dürfen, gehören in
einen Eisenbehälter. Seifen an einen trockenen
und luftigen Aufbewahrungsort. Flaschen mit
leicht sich verflüchtigenden Flüssigkeiten müs-
sen stets gut verschlossen sein.
Zur Reinigung von Gipsstatuen
Um den Staub an Gipsstatuen zu entfernen
und diesen ihr natürliches Weiss wiederzugeben,
gibt es zwei ganz einfache Möglichkeiten.
1. Man bedeckt die ganze Statue mit einer
Schicht aufgelöster Stärke. Beim Antrocknen
fällt dieselbe ab und nimmt allen Schmutz und
Staub mit.
2. Die Statue mit Wasser bespritzen, einem
Pinsel abstreichen, und in der Sonne trocknen
lassen.
28
Idyllisches Dorf im Saartal
SAARBRÜCKER
BERGMANNSKALENDER
29
also vor etwa 70 Jahren, — kaufte
Grossmutter schon ihre Aussteuer bei
GEBR
Manches Teil hat die Mutter sogar
heute noch in Gebrauch, aber nur ...
weil Grossmutter damals schon sagte:
QUALITÄT IST AUF DIE DAUER
DOCH DAS BILLIGSTE!
Diese von der Grossmutter übernom-
mene Weisheit hat auch heute noch
Gültigkeit,-deshalb merken auch Sie sich
GEBR.
16?B/#
DER BEGRIFF FÜR GUTE QUALITÄT
30
Die V orentgasung
Beseitigung einer erheblichen Gefahr - ein bedeutender technischer Fortschritt
Von Direktor V i d al
1. Die Schlagwetter
Unter den Gefahren der Kohlengrube sind
die Schlagwetter eine der größten und tük-
kischsten. Was sind Schlagwetter? Sie sind
eine Mischung der Luft unter Tage mit einem
brennbaren Gas, Methan oder Grubengas ge-
nannt, das den Kohlenfeldern entströmt. Die
Fig. 1: Normale Verteilung des Methangehaltes
im Stoß und in der Kopistrecke
Mischung Luft — Methan brennt, wenn sie
mehr als 14 Prozent Methan enthält. Zwischen
6 und 14 Prozent jedoch explodiert sie, wenn
sie mit einer Flamme oder einem Funken in
Berührung kommt. Unter 6 Prozent kann sie
nicht brennen und nicht explodieren. Die
Schlagwetter oder schlagenden Wetter sind die
explosible Mischung. Unsichtbar und geruchlos,
erscheinen die Schlagwetter oft dort, wo man
sie nicht erwartet. Eine Fahrlässigkeit, ein
Augenblick Unaufmerksamkeit, ein Zusammen-
treffen unglücklicher Umstände genügen dann,
eine Explosion herbeizuführen. Dieselbe hat
oft die Auswirkungen einer Katastrophe, haupt-
sächlich dann, wenn sie Kohlenstaubwolken
aufwirbelt, die dann ihrerseits explodieren.
Um die Entstehung der Schlagwetter zu ver-
meiden, schreibt die Bergpolizeiverordnung
vor, daß die Luft der Grubenbaue im allge-
meinen nicht mehr als 1 Prozent Methangehalt
haben darf. Man zielt auf dieses Resultat hin,
indem man genügende Mengen Luft durch starke
Ventilatoren, welche mit den Grubenbauen
durch sehr breite Strecken verbunden sind,
unter Tage führt. Diese Luft neutralisiert das
Gas, das ständig aus den Lagerstätten aus-
strömt, indem sie sich mit demselben mischt.
In einigen Fällen jedoch erfolgt das Aus-
strömen des Grubengases in solch großen Men-
gen, daß eine genügende Luftzufuhr zur Neu-
tralisierung desselben nicht möglich ist.
In Hirschbach, wo man einen starken Zustrom
von Methan voraussah, hat man eine andere
Methode versucht. Dieselbe besteht darin, da-
rauf hinzuwirken, daß ein großer Teil des Gases
in solche Strecken austritt, die zu diesem Zweck
vorbereitet waren und die mit den sich in Be-
trieb befindlichen Grubenbauen nicht in Be-
rührung stehen.
Um den Mechanismus der Abführung des
Methans gut zu verstehen, ist es notwendig,
einige Ausführungen über die Entstehung
dieses Gases vorauszuschicken.
11. Entstehung und Ausströmung des Gruben-
gases
Man weiß, daß die Kohlenlagerstätten im
Laufe von Millionen von Jahren und unter dem
Einfluß gewaltiger Pressungen durch Umwand-
lung des Holzes vorsintflutlicher Wälder ent-
standen sind. Im Laufe dieser Umbildung haben
sich der Wasserstoff und der Kohlenstoff, die
in dem Holz enthalten waren, teilweise ver-
bunden und einen Kohlenwasserstoff, das Me-
than, gebildet. Seine chemische Zusammen-
setzung ist CHi (4 Atome Wasserstoff für
1 Atom Kohlenstoff). Dieses Gas, in zu großer
Tiefe gelegen, um an die Erdoberfläche zu ge-
langen, ist durch die Kohle zurückgehalten. Wie
verschiedene Experimente gezeigt haben, befin-
det sich dasselbe in der Kohle unter einem
ungeheuer großen Druck (man hat an der Ruhr
bis zu 15 kg und in Belgien bis zu 42 kg
Methandruck auf 1 cm2 festgestellt).
Fig. 2: Schema der Rißbildungen längs der Koptstrecke
fußstrecke
'0.2S%
•0,0%
Kohle
---->
ßusziohstrom
31
fäll 1
feil 2
Im Hinblick auf diesen enormen Druck wird
man leicht verstehen, daß, sobald ein Bohrloch
oder ein Querschlag eine Kohlenschicht trifft,
dieses Gas das Bestreben hat, sich zu be-
freien.
Bis vor wenigen Jahren waren verschiedene
Vorgänge, die zum Austritt des Methans führ-
ten, noch ungeklärt. So konnte man feststellen,
daß ältere Gruben weniger Grubengas hatten
als neue Gruben (die Grube Maybach z. B., die
sehr viel Schlagwetter hatte, hat heute fast
keine mehr).
Man hatte auch bemerkt, daß das erste ab-
gebaute Flöz eines Feldes viel mehr Gas aus-
strömte als die anderen, ganz gleich, in wel-
chem Flöz man abzubauen anfing. Die Erklä-
rung dafür ist folgende:
Beim Abbau eines ersten Flözes hat man in
den Bauen nicht nur mit dem in demselben
enthaltenen Methan zu tun, sondern auch mit
demjenigen der höher gelegenen Flöze. Das
letztere tritt durch die durch den Abbau ver-
ursachten Spalten in den betreffenden Gruben-
bau über. Dies erklärt, warum der größte Teil
der Schlagwetter in einem Stoß nicht in dem
Stoß selbst, sondern in dem Hangenden der
letzten 100 Meter der Kopfstrecke erscheint
(Fig. 1 und 2). Die Auflockerung der sich über
dem Abbau befindlichen Schichten erhöht ihre
Fig. 4: Stand der Arbeiten Ende Juni 1948 (Anfang der Vorentgasung)
32
Durchlässigkeit, was einen größeren Gasaus-
tritt zur Folge hat, wie folgendes Beispiel zeigt:
ström). Der Blindschacht 14 (Fig. 4 und 5) durch -
schnitt aber in halber Höhe, 30 m über dem
Flöz 20, das Flöz 19 A. Dieses hatte eine Mäch-
tigkeit von 0,80 m. Man richtete nun die
Strecken A, B, C (gestrichelt in Fig. 4) in dem-
selben vor. Die Vorrichtungen konnten ohne
Schwierigkeiten ausgeführt werden, da das
Flöz, da es noch nicht durch den Abbau auf-
gelockert war, sein Methan zum größten Teil
zurückhielt. Nach Beendigung der Strecken-
vorrichtungen wurde jeder Eingang durch ein
Mauerwerk, in das man je eine Leitung von
150 mm Durchmesser einließ, verschlossen.
Diese Leitungen wurden mit 2 Rohrsäulen von
ebenfalls 150 mm Durchmesser verbunden, die
durch den Blindschacht 14 und die Schächte
nach über Tage hochgingen. Dieselben wurden
über Tage an eine Gaspumpe (Fig. 6) ange-
schlossen, die durch einen Motor von 11 PS
angetrieben wurde und die in einer Stunde bis
zu 1200 cbm Gas absaugen konnte.
Die Vorrichtungen wurden durch Bohrungen
von 70 m in der Kohle mittels einer Spezial-
bohrmaschine (Fig. 7 und 8) vervollständigt.
Wenn ein von der Erdober-
fläche nach unter Tage ausge-
lührtes Bohrloch von 10 cm
Durchmesser eine Kohlenschicht
A (Fig. 3) von 1 m Mächtigkeit
durchschneidet, so stellt man
sogleich eine durchschnittliche
Gasausströmung von ungefähr
15 Liter pro Stunde fest. Baut
man jetzt das unter dem Bohr-
loch gelegene Flöz B ab, so ist
der Austritt an Gas lOOOmal
größer (15 000 Liter in der
Stunde). Dies beweist, daß
durch den Abbau des Flözes B
das Flöz A sein Methan viel
besser freigibt. Diese Erschei-
nung läßt sich mit derjenigen
eines Schwammes vergleichen,
der zusammengepreßt kein
Wasser, aufgelockert dagegen
sehr viel Wasser durchläßt.
111. Erfahrungen auf Grube
Hirschbach
Das in Hirschbach zu lösende
Problem war der Abbau von
Flöz 20, welches in 560 m
Tiefe in der Nähe der Schächte
gelegen ist. Man gelangt zu
diesem Flöz, das sich 60 m
unter der Fördersohle (5. Sohle)
befindet, durch den Blind-
schacht 14 (Einziehstrom) und
den Blindschacht 15 (Auszieh-
Fig. 6: Die Gaspumpe
3
33
Der Versuch, senkrechte Bohrlöcher in das
Flöz zu treiben, wurde durch den sehr hohen
Verbrauch an Bohrkronen beim Durchschneiden
einer sehr harten Konglomeratschicht in seiner
Verwirklichung begrenzt.
Die Vorrichtungsarbeiten für die Entgasung
wurden im Mai 1947 begonnen und im Dezem-
ber beendet. Der Abbau von Flöz 20 begann im
Januar 1948. 6 Monate später, im Juni, als der
Abbau unter dem äußeren Ende der Strecke A
(siehe Fig. 4) angelangt war, fing dieselbe an,
folgende Mengen Gas auszuströmen:
24, 6. = 275 m3/Stunde mit 50 % Methangehalt
7. 7. - 650 „ „ 80 „
15. 7, = 650 „ „ 85 „
1. 9. = 800 „ „ 80 „
Das Ausströmungsmaximum wurde am 1. Sep-
tember mit 18 500 m9 Gas in 24 Stunden und
85 % Methangehalt erreicht. An demselben
Tag hat der Ausziehstrom von Flöz 20 nur
12 000 m3 ausgeströmt. Man hatte also durch
Flöz 19 A mehr als die Hälfte der Gase abge-
führt. Seit dieser Zeit, d. h. seit einem Jahr,
hat sich die tägliche Abführung zwischen
15 000 und 20 000 m3 Gas, welches 12 000 bis
15 000 m3 reines Methan enthielt, gehalten. Im
gesamten hat die Hirschbacher Einrichtung mehr
als 5 Millionen cbm Gas abgeführt.
Die Hirschbacher Entgasungsanlage hat den
Methangehalt der Streben und Strecken von
Flöz 20 sehr stark herabgemindert. Bei einem
Versuch an einem Sonntag, sämtliche Gas-
leitungen zu schließen, hat sich
der Methangehalt des im Abbau
begriffenen Flözes innerhalb
einiger Stunden verdoppelt.
Dieser hohe Gehalt an Methan
wäre jedoch derjenige gewe-
sen, den wir ohne die Vorent-
gasung gehabt hätten. Dieselbe
hat also zu einer großen Ver-
besserung der Sicherheit ge-
führt. — Die Figur 9 gibt für
einen Monat (August 1948) die
täglich abgeführten Mengen
Gas und den Methangehalt des-
selben an.
Fig. 8: Der Bohrmeister Fritz Tiefen-
see und sein Gehilfe Klaus Jochem
beim Bohren
mit der Spezialbohrmaschine
34
dugust 19^8
c#4 % m 5 2 4 6 8 10 12 ft 16 18 20 22 2U 26 28 3031
100 25000 24000 23000 22000 21 000 20000 s'—d r—
95 19000 / ;
90 18 000 / i1
85 17000 / — 11...
SO 16000
75 15000 / , uj:
70 19 000 / /
65 13000 / ni:
60 12 000 / ■?(
SS 11 OOO I
\s 40 9 OOO 8 OOO t StMstend 8er Pumpe ^
35 30 20 15 10 5 O 7 OOO 6 OOO JLÜßSL 9 000 3 OOO 2 OOO 1 OOO OO
Fig. 9: Gepumpte Gasmenge und Methangehalt
IV. Überwachung der Entgasungsanlage
Um jedes Unglück, das durch die Ent-
gasungsstrecke oder Leitungen unter Tage her-
vorgerufen werden könnte, zu vermeiden, sind
sehr strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen
worden. Im besonderen sind in jeder Ver-
schlußmauer von Flöz 19 A folgende Leitungen
eingelassen:
1. eine Leitung zur Kontrolle des Gasdrucks,
2. eine Leitung zur Kontrolle der abgeführten
Gasmengen,
3. eine Leitung zur Entnahme von Gasproben.
Außerdem wurden in die Leitungen 2 Schieber
eingebaut, ein von Hand zu bedienender und
ein automatischer, der sich im Notfälle selbst
schließt. Die zwei Leitungen im Schacht sind
dazu noch solcher Art abschaltbar, daß man
jeweils eine zwecks Revision außer Betrieb
setzen kann. Sie können auch noch mit Preß-
luft beschickt werden, um das darin enthaltene
Gas zu entfernen und die Rohrsäulen unter
Luftdruck auszuprobieren.
Die hauptsächliche Sicherheit der Anlage
besteht jedoch in der systematischen Über-
wachung aller Sicherheitseinrichtungen, in der
Entnahme von Proben, die sofort zur Analyse
kommen, sowie in der Beobachtung des Druk-
kes. Zu diesem Zweck ist in jeder der drei
Schichten ein Wettermann bestellt, der zweimal
während seiner Schicht die ganze Installation
kontrolliert und auch zweimal Proben ent-
nimmt, die sofort analysiert werden. Die
Figur 10 zeigt einen
Wettermann mit sei-
ner Ausrüstung.
V. Der Dampfkessel
mit Gasfeuerung
Das reine Methan
hat mit ungefähr 9000
Kalorien den doppel-
ten Heizwert des Koks-
gases. In Hirschbach
wird das Gas mit Luft
in einem Verhältnis
von 15 bis 40 Prozent
vermischt. Innerhalb
dieser Prozentsätze
kann das Verhältnis
nach Belieben durch
Regulierung der Pum-
pe verändert werden.
Das Gas, das augen-
blicklich in Hirsch-
bach gefördert wird,
enthält ungefähr 40 %
Luft, was aber weiter
nicht von Belang ist,
weil es zur Heizung
eines Dampfkessels
dient und ihm für diesen Zweck doch Luft zuge-
führt werden muß. Der betreffende Kessel war ein
Fig. 10: Der Wettermann Stefan Thome
mit seiner Ausrüstung
35
Fig. 11: Der Gasometer
anlage wird den Betrieb von mehreren hundert
Lastwagen mit Methangas erlauben.
Man prüft außerdem augenblicklich noch
seine Verwendung als Rohmaterial in verschie-
denen chemischen Industrien.
VI. Andere Verwendungs-
möglichkeiten des Methans
Der Zweck der schnellen Um-
stellung eines Dampfkessels mit
Kohlenfeuerung auf Gasfeue-
rung war nur, den Verlust des
geförderten Gases zu vermei-
den. Für die Verwendung des
Gases haben wir aber andere
Pläne, im besonderen wird in
Hirschbach eine Kompressions-
anlage zur Verdichtung des
Gases auf 250 Atmosphären ver-
wirklicht. Das Methan ersetzt
in der Tat auch das Benzin,
und die neue Kompressions-
alter, für Kohlenfeuerung eingerichteter Dampf-
kessel, in dem der Rost durch Gasbrenner er-
setzt wurde. Er hat eine täg-
liche Leistung von 120 Tonnen
Dampf mit einer sehr guten
Wärmeausnutzung von 91 %.
Auf diese Weise werden jeden
Monat 500 Tonnen Kohlen ge-
spart. Die entwickelte Dampf-
menge dient zur Herstellung
von Preßluft, zur Heizung der
Gebäude und zur Warmwasser-
bereitung für die Badeanstalten.
Sehr zahlreiche Schutzvorrich-
tungen (Gasbehälter von 120
Kubikmeter, automatische Schie-
ber, Minimal-Kalorimeter usw.),
von denen die Figuren 11, 12,
13 und 14 eine Vorstellung
geben, garantieren eine abso-
lute Sicherheit des Betriebes.
VII. Zukunft der Vorentgasung
Das Experiment von Hirschbach hat sich so
erfolgreich gezeigt, daß man sofort dazu über-
ging, Entgasungsstrecken in viel größeren Fel-
dern, besonders in Camphausen und Jägers-
freude, aufzufahren. Solche Strecken sind in
allen schlagwetterreichen Gruben des Saar-
landes vorgesehen. 15 Spezialbohrmaschinen
der gleichen Art, die in Hirschbach so gute
Dienste geleistet haben, sind bestellt; fünf
davon sind schon geliefert und wurden sogleich
in Betrieb gesetzt.
Die Vorentgasung hat sich als ein bedeuten-
der technischer Fortschritt eiwiesen und geht,
hauptsächlich im Saarland, einer großen Zu-
kunft entgegen. Sie erlaubt in der Tat die Be-
seitigung einer erheblichen Gefahr, die das
Leben des Bergmanns bedrohte und auch die
Gewinnung beträchtlicher Mengen wertvollen
Gases, welche vordem verloren gingen.
Fig. 12: Der Dampikessel mit Gasfeuerung
36
Fig, 13: überwachungsappctraiui und SchalHatel
37
Q)ie Stachlig all singt an der Saar
Von Th. Schmidt, Bad Rilchingen (Saar)
Es ist eine unverkennbare Tatsache, wie das Gemüt unseres
saarländischen Volksschlages in seiner charakteristischen
Natursinnigkeit keiner zweiten Tiergattung der freien Natur
ein so hohes Interesse und eine solche Sympathie und Liebe
zukehrt wie gerade der Vogelwelt.
9)cgel(icd und Jdenschenherz
Gestalt, Federkleid und Ausfärbung, Fluy-
und Gesangesvermögen, Nestbau und Bruthege,
sowie Intelligenz, Gefühlsleben und Wesensart
sind es, die den Vogel zu jenem ausgesproche-
nen Liebling des Menschen machen. Unter
diesen ausgezeichneten Sonderheiten ist der
Gesang wiederum das markanteste und sym-
pathischste Attribut der danach benannten
Vogelgruppe der Oscines oder Singvögel. Und
es gibt in der Tat keinen Naturlaut, der so stark
und innig auf das Gemüt des Menschen zu
wirken vermag wie das seelenvolle Lied des
Vogels.
Was aber ist in dem Vogellied wirksam, daß
es Seele und Gemüt des Menschen so zu packen
vermag? Die Beantwortung dieser Frage will
mir immer als eine gewisse Profanisierung des
Vogelliedes erscheinen. Wie eine leise, mah-
nende Bitte steht allemal da jene feinsinnige
Verszeile von Christoph Flaskamp vor mir:
„Nicht fragen, nein, nur stille sein und —
lauschen!" Und ein herrliches Bekenntnis demü-
tiger Ohnmacht an Gedanken und Worten dem
Vogellied gegenüber gibt Goethe, wenn er von
dem Sang der Nachtigall nur zu sagen weiß,
daß er eben „unbegreiflich" sei. Vielleicht aber
offenbaren sich uns Wesen und Sinn des VogeJ-
liedes doch etwas in den innigen Versen von
Marie v. Ebner-Eschenbach:
Ein kleines Lied, wie gehts nur an,
daß man so lieb es haben kann?
Was liegt darin? —• Erzähle!
Es liegt darin ein wenig Klang,
ein wenig Wohllaut und Gesang
und — eine ganze Seele! ...
Diese Verse schwingen in eins zusammen mit
dem, was Richard Wagner in seiner Oper „Sieg-
fried" dem hürnernen Heiden durch die
Stimme des Waldvogels künden läßt: „Nur
Sehnende kennen den Sinn meines Liedes!“
Ja: wundersam berührenden Vogelsang zu
hören, heißt zuweilen, beseligt alles vergessen,
mas man weiß, und ahnend jenes Geheimnis-
volle und Mystische zu fühlen, was man nicht
mehr weiß, was aber als gleicher Wellenschlag
in der Seele von Natur und Mensch lebendig
ist und beglückend ineinander überströmt. Es
ist eben jenes Göttliche in der Schöpfung, zu
dessen Verherrlichung jede Kreatur in ihrem
Leben und Tun dient.
Weitere Gedanken aber noch weckt das
Suchen nach einer Deutung des Vogelliedes.
Die Kunst der Musik entspringt der Befriedi-
gung, die ein Wesen erfährt, wenn es sein
Innenleben in Töne überträgt und ausklingen
läßt. Ein wenig an Klang und Wohllaut ist
schon in den verhaltenen Vogelstimmen ge-
borgen, die selbst im Winter nicht ganz ver-
stummen. Erinnert sei da nur an den Schmetter-
laut des winzigen Zaunkönigs aus dem ver-
schneiten Brombeergerank, die überstürzt her-
vorquellenden Triller der Wasseramsel auf dem
Felsblock am verschneiten Gebirgsbach, die
schrillen Pfiffe des Kleibers bald nach der
Wintersonnenwende. Diese Winterstimmen sind
jedoch mehr noch der Ausdruck einfacher augen-
blicklicher Erregungen der Vogelseele. Auch
die Rufe der Kohlmeise im Januar, die wie
feine Hammerschläge auf einen hellklingenden
Amboß tönen, sind kaum noch ein Singen.
Doch sind sie inmitten der kalten Jahreszeit
schon so beladen mit allem, was die schöneren
Tage bringen werden, daß kein Laut uns süßer
und inniger erscheinen könnte.
Dann aber, wenn im Februar Linde und Licht
das Schüchterne und Zögernde dieser Vogel-
stimmen gebieterisch befeuern und Freundschaft
und Zärtlichkeit der Gatten zueinander wach
werden, dann wächst die Fülle und Schönheit
der Vogelstimme. Ganz im Banne einer jäh oder
hehlings wirkenden Gewalt, die es hinaushebt
über sich selbst, entlädt das Vogelmännchen
nun im Gesang als befreiender Entspannung
die vitale Überfülle all der vielfältigen und
verwickelten Erregungen, die es nicht mehr
in einen einfachen Ruf zusammenpressen kann:
das Ja zum Ich, zur eigenen Kraft und Schön-
heit, zu seiner Lebenslust und seinem Platz
an der Sonne. Wie ein Genießen des Tones,
den die eigene Kehle bildet, und ein Streben
nach Vollendung geht es durch dieses Singen.
Es führt zum individuellen Können, in dem bei
aller scheinbaren Gleichform der Phrasen,
Kadenzen und Klangfärbung innerhalb einer Art
doch die größte Verschiedenheit des Aus-
druckes obwaltet. Auf diesem Wege dringt
38
unter allen stimmbegabten Naturwesen nur der
Vogel hinan bis zur Kunst. Ihm, dem mit
Schönheitssinn begabten, ward es ja verliehen,
unter seinen Noten die hellsten, reinsten und
vollsten auszuwählen, sie einander zu verbin-
den, rhythmisch zu ordnen, den Satz zu reihen,
die Töne zu transponieren und so zur reinsten
Amsel
Musik zu gelangen. Und eben dieses Suchen
nach Schönheit ist es, was in der Kunst des
Vogels so tief berührt.
Wir verstehen und deuten sein ästhetisches
Bemühen: das Lied der Feldlerche, das aus ein-
fachen Tonverknüpfungen und Varianten mit
Improvisationen zu einem wunderbaren Kunst-
gebilde wird, ist uns der Ausdruck herzhafter,
heller Heiterkeit. Der leis melancholische,
keuschfromme Gesang des Rotkehlchens, wie er
zu Mitte März beim abendlichen Schnepfen-
strich im Stangenholz uns zurseite aufklingt,
mutet an wie das betende Nachtlied eines
schlafmüden Kindes. Das markige „Orioditlio”
des Pirols, das in seiner einzigartigen Melodik
und Klangfülle zu Pfingsten vom Laubgewoge
des Waldsaumes zu den buntblumigen Berg-
wiesen hinübergeht, wird uns zur lebens-
bejahenden Verkörperung der Verse von Gott-
fried Keller: „Trinket, Augen, was die Wimper
hält, von dem goldenen Überfluß der Welt!”
Und in den so leidenschaftlich und inbrünstig
klagenden Liedstrophen der Nachtigall, die von
einem unvergleichlichen Klangschmelz ge-
tragen werden, tritt eine verzauberte, nach
Erlösung ringende Seele vor uns hin, die tönend
alles kundgibt, was an Leid und Freud im
Menschenherzen selber pulst .. .
cArmeilied im Dcrienz
Düstergrau hebt sich der junge Märzmorgen.
Kalte Nässe fröstelt auf dem schwarzen Dach-
werk der Häuser rings. Und leise tropft es von
dem braunen Gezweig des Kirschbaums vor
meinem Fenster nieder. Schwer und unfroh
liegt der blasse Frühdämmer über dem Land.
Bedrückend lastet er auf der wachenden, lau-
schenden Menschenseele.
Da — aus dem Wipfelgeäst der Birkengruppe,
die dort im Gartenwinkel aufreckt, klingt ein
Laut zu mir her. Zaghaft und unbestimmt,
zögernd hebt er an. Und bricht wieder ab. Doch
nun schwingt er herüber: schwermütig weich,
und doch so stark und innig beseelt. Kraft-
voller schwellt ihn entschlossene, selige Sanges-
lust. Zum beglückenden Adagio formt sich die
Flötenmelodie, Und steigt auf zur jubelnden
Kantate. Versonnenes Träumen, Lust um
schwellendes Werden, starke Lebensfreude und
junge Liebe, Beseligtsein und Glück um wer-
dendes Licht und sieghaft aufsteigenden Lenz-
sonnentag schwingen in den Motiven des stro-
phenquellenden Sanges. Und — aus Harfenklang
leisen Morgenwindes im frischgrünen Tannen-
geäst, Erdruch lenzharrender Waidgründe und
Silbersang froh rinnender Waldfrühlingswässer
baut sich die Melodie auf. Im heimlichen Mär-
chengrund, im herben Duft und wehenden
Hauch des Lenzwaldes nur kann die Heimat des
Sanges sein, der in dem Morgenlied der Amsel
hineingeht in die dämmerdüsteren, grauen
Großstadtgassen . . .
Und das zagende Menschenherz dort
lauscht, lauscht hinein in das Werden des
jungen Tages und den stark hoffnungsfrohen,
jubelnden Sang, der es überquillt. Seine Weise
erfüllt die Seele mit unsagbarem Gefühl. Sehn-
sucht und Heimweh und Seligsein durchziehen
das Herz. Und ihr Widerstreit löst sich in ein
beglücktes Stillesein. Tiefste Geheimnisse der
Natur und der Menschenseele schwingen
ineinander. Und so, wie der helle Rorateklang
des Amselliedes über dem Grau und der rin-
genden Not des jungen Tages steht, trägt aus
innigem Beten erwachsendes Frohsein die Men-
schenseele empor über das Zagen der Morgen-
dämmerstunde und hinein in die siegende
Freude des jungen Vorlenz-Sonnentages . . .
90enn der Sluckuck rufjt
„Am 13. April muß der Kuckuck schreien,
mag er stecken, wo er will." So sagt es der
Volksmund des Saarlandes von dem anmutigen
Sänger, der in den ersten Apriltagen aus den
Winteraufenthalten des sonnigen Südens zu den
eben aufgrünenden Wäldern unserer Heimat
zurückkehrt, wo sein dann aufklingender melo-
discher Ruf als echte Frühlingsglocke gilt.
Schon rein vokal und musikalisch erfaßt
bietet der mit so viel Hingabe an das eigene
Singen dargebotene Kuckucksruf reizvollste
Beobachtungsmomente. Seine Tonhöhe liegt
zwischen dem zweigestrichenen b und f, wobei
in unsern heimischen Revieren allerdings die
Höhenlage des f und die Tiefenlage des b nur
selten erreicht werden. Das Intervall des Rufes
ist fast ausnahmslos eine innerhalb der an-
gegebenen Tonreihe liegende fallende Klein-
oder Großterz, die sich überwiegend um e-cis
e — c oder es — c bewegt. Ganz vereinzelte
39
Ausnahmen sind Rufe in Quartintervallen. Or-
ganische Fehler des Singmuskelapparates dürf-
ten es sein, die bei Kuckucksrufen hin und
wieder den zweiten Ton als sich überschlagen-
den „Gickser" ausklingen lassen. Im ganzen
gibt sich der prächtige, sonore Ruf in einem
bestrickenden Wohlklang. Und es dürfte wohl
keine zweite Vogelstimme geben, die so tief
in das Gemüt unseres Volkes eindrang wie die
des Frühlingskünders Kuckuck; kaum eine
auch, um die Mythe und Sage grauer Vorzeit
schon so viel üppiges Gerank schlang wie um
sie. über das Empfinden aber, das dieser
Vogelruf in uns auslöst, sagt der Ornithologe
Kurt Floericke: „Die Gefühle, die dieses alte
Lied wachruft, wir alle haben sie in unserer
Jugend kennengelernt. Und wenn wir nicht im
harten Kampf des Lebens stumpfsinnige Phi-
lister geworden sind, werden wir auch dann,
wenn sich schon Silberfäden durchs Haar spin-
nen, wie elektrisiert aufhorchen und mit neuem
Lebensmut, mit frischer Freude am Dasein er-
füllt werden, wenn zum erstenmal wieder im
Frühjahr das volle, fröhliche „Kuckuck" im
Waldesdom erschallt."
Bekannt ist, wie der Kuckuck in der Behaupt-
tung seines Revieres gegen jeden Nebenbuhler
auf geschickte Nachahmungen seines Rufes
erregt zusteht und sich dabei dem versteckt
stehenden Rufer oft aus nächster Nähe zu ganz
intimen Beobachtungen seiner Gestalt, seines
Singens und seiner ganzen Wesensart preis-
gibt. In dieser Erregung stößt der Kuckuck
auch jene zornigheiseren Kehllaute „Gauch-
gauch" oder „Hach-gach" aus, die ihm im
Mittelalter den etwas anrüchigen Namen
„Gauch“ eintrugen, mit dem ursprünglich ein
Bastard, später ein Schalksnarr bezeichnet
wurde. Ganz auffällig ist, wie der Kuckuck
beim Singen oder auch beim Uberfliegen offe-
ner Gelände von aufgeregt zeternden Klein-
vögeln umschwärmt wird. Es sind Individuen
aus den Vogelarten, deren Nester das Kuk-
kucksweibchen als Brutparasit zur Ablage
seiner Eier sucht und die instinktiv und erfah-
rungsgemäß in der Kuckucksgestalt eine ab-
zuwehrende Gefahr ersehen.
In seinem reizvollen Gedicht „Frühlings-
orakel" zeichnet Goethe den Kuckuck als jenen
Zukunftskünder, der dem Fragenden in der Zahl
seiner sich folgenden Rufe die Lebensjahre
weissage, die ihm noch beschieden seien. Nach
dem Volksglauben unserer Heimat können die
heiratslustigen Mädchen aus der Zahl der
Kuckucksrufe ihren Hochzeitstag berechnen;
und jungen Eheleuten kündet der geheimnis-
volle Rufer die Zahl der ihnen erblühenden
Kinder an. Allgemein glückbringend ist der
Kuckucksruf für den, der bei seinem ersten
Verhören reichlich Geld in der Tasche trägt;
er wird das ganze Jahr keinen Mangel daran
haben. Unsegen wiederum trifft jenen, der noch
nüchtern vom ersten Kuckucksruf überrascht
wird; ihm wird leibliche Not das ganze Jahr
folgen und das Leben verdüstern. Das plötz-
liche Verstummen des Kuckucksrufes zu Ende
Juni hin führte bei unserm Landvolk zu dem
fast unausrottbaren, jedoch durchaus irrigen
Märchenglauben, daß der Kuckuck sich zu
diesem Zeitpunkt in einen Raubvogel verwan-
dele und als solcher durch Herbst und Winter
hin stumm und schweigsam sein geheimnis-
volles, von so viel Sage, Mär und Aberglauben
umsponnenes Wesen weitertreibe.
3k ach tiga l Le) isang
Die Nachtigall, sie war entiernt.
Der Frühling kehrt sie wieder.
Was Neues hat sie nicht gelernt:
singt alte, liebe Lieder .. .
Ein schlichtes Gedichtbändchen halten meine
Hände: ein „Nachtigallenbüchlein". Mehr als
50 Poesien deutscher Dichter vom Mittelalter
zur Neuzeit hin sind darin zusammengetragen,
die in ihren Versen die edle Königin unserer
gefiederten Sänger und ihr wundersames Lied
preisen und verherrlichen und seine Mystik
auszudeuten suchen. Doch, alles dieser Zeilen
und Worte bleibt matt und unvermögend dem
gegenüber, was diese seelenvollen Jubelklänge
in der Erinnerung noch in Herz und Gemüt
des Menschen wach werden lassen. Und aus
der verwirrenden Fülle jener Hymnen findet
sich mein Suchen immer wieder hin zu dem
schlichten Vierzeiler Goethes, der dieser Skizze
vorangestellt ist. Verse sind es, die der Er-
habenheit ihres Liedes gegenüber wie in de-
mütiger Ohnmacht von der Nachtigall nur zu
sagen wissen: singt alte, liebe Lieder. Alte,
liebe Lieder, die mit diesen schlichten Worten
aber dahin charakterisiert sind, daß sie wie
selbstverständlich zu uns gehören und ein
Wesensteil sind der Begriffe Heimat, Natur
und Lenz unserer Lande . . .
Immer wieder bezeichnen unsere Vogelkundi-
gen und Naturästhetiker die Nachtigall als die
Königin der gefiederten Sängerschar nicht nur
der mitteleuropäischen Gebiete, sondern da-
rüber hinaus selbst der Ornis der ganzen Welt.
Kein anderer Sänger kommt ihr an Umfang der
Stimme gleich. Kein anderer verfügt über einen
so seelenvollen und bestrickenden Vortrag. Kein
anderer auch wirkt deshalb in seinem Lied so
stark und packend auf Herz und Gemüt des
Menschen. Ihr Gesang ist sicherlich das Un-
vergleichlichste, was die Natur in dieser Art
hat.
In seiner Gesamtheit baut sich der Nachti-
gallenschlag aus einer namhaften Reihe von
Strophen mit fest gegliederten Motiven auf,
die jedoch sehr oft moduliert, in verschiedener
Folge und in wechselnden Zeitmaßen gegeben
werden. Wohl setzen sich diese einzelnen
40
Strophen deutlich voneinander ab, werden zu-
meist aber durch feine, kaum hörbare Töne
wie in eine Kette kostbarer Perlen zusammen-
gereiht. Im einzelnen ist es vor allem die
Kraft und Fülle des Klanges, die uns beim
Nachtigallenlied so überrascht. Dem geübten
Ohr des Vogelkundigen genügt das Anschlä-
gen nur eines Tones, um daraus sofort die
Nachtigall zu erkennen. Mit unbändiger Stür-
mischkeit und fast gellend laut klingen die
Schmettertouren des Liedes auf. Sie setzen
sich aus einer Reihe hastig vorgetragener Töne
zusammen, die ein innig verschmolzenes, glän-
zendes Allegro bekunden und wohl scharf,
doch glockenrein der kleinen Kehle entquellen,
um zuletzt in einen prächtigen Triller von
unerhörter Schnelligkeit und Gewandtheit aus-
zuklingen. Bei anderen Touren dieser Art
wieder überrascht uns ein Finale kraftvoll
schöner, doch ruhiger und fast sprechender Art.
Am tiefsten berühren im Nachtigallenlied
jedoch jene süßinnigen Molltouren mit ihren
weichen, schmelzenden und klagenden Partien,
die darum auch am höchsten geschätzt wer-
den. Langsam, silberhell und mit zartestem
Stimmregister setzen diese Crescendostrophen
ein. Zehn, zwölf und bis zu 20 herrliche Flö-
tentöne folgen einander, in der Höhe mählich
um eine Terz aufsteigend. Jeder folgende wird
reicher, voller, gedehnter und eindringlicher
gegeben. In seinem Aufbau mutet dieses Motiv
an wie eine leise, ringende, tränengetragene
Klage, die schmerzvoll anschwillt und mit auf-
quellendem, ergreifendem Schluchzen endet.
Gerade diese Crescendostrophen und jene
Schmettertouren sind für das Nachtigallenlied
charakteristisch und einzigartig. Sie haben in
den Weisen keines unserer heimischen Sänger
irgendwie ein Gegenstück. Die typischen
Flötentöne des Nachtigallenliedes haben je
nach der individuellen Begabung des Sängers
eine höhere oder tiefere Lage. Von besonders
packender Wirkung sind die tiefen des zwei-
gestrichenen g oder f, ähnlich denen einer
meisterlich vollendeten Frauenaltstimme mit
jenem so seltsam berührenden Dunkel des
Tiefenregisters.
Gerade der Umstand aber, daß das Nachti-
gallenlied in seiner einzigartigen und könig-
lichen Schönheit uns nur durch die wenigen
Lenzwochen von Ende April bis zu Mitte Juni
hin beglückt, macht es uns erst recht lieb und
teuer. Hinzu tritt ferner noch die Sonderheit
seines nächtlichen Aufklingens, wobei die laut-
lose, wie mit verhaltenem Atem lauschende
Stille der Örtlichkeit den Sang nur noch um so
auffallender und eindringlicher gestaltet. Die
vielfach bekundete Annahme jedoch, daß die
Nachtigall nur des Nachts singe, ist durchaus
irrig. Schon der Laienbeobachter wird leicht
feststellen können, wie auch am hellichten
Tage oft durch Stunden hin die Standreviere
der Nachtigall von ihrem herrlichen Schlag
widerhallen.
Jedem von uns aber mag das Nachtigallen-
lied stets neu unvergeßliche Erinnerungen
wecken an wundersame Maiennächte und be-
glückte Wander- und Raststunden dort irgend-
wo in einem trauten Winkel der Heimat. Sei
es nun, daß verträumte Naturidyllen den
Kulissengrund seiner Bühne staffierten, daß die
Realistik grollenden Dröhnens aus düsteren
Industriestätten unserer Lande mit ihm in eins
zusammenklang, oder daß selbst das nackte
Grauen öder Ruinen und Kriegstrümmer einen
ergreifenden Gegensatz zu seinem frohen
Lebensjubel erstellte: immer aber war es, daß
es uns Seele und Herz mit Andacht und
Ergriffensein durchschauerte und uns jene
hehre Göttlichkeit ahnend fühlen und erkennen
ließ, die alles Naturweben so wundersam und
beglückend durchschwingt und trägt . . .
c-Anmutige aßerbstsäncjer
,,Kennst du der Amsel Herbstgesang?" so
fragt der Naturpoet Heinrich Seidel in seinen
von leiser Herbstwehmut durchzitterten Vers-
N achtigall
Goldammer
41
Kohlmeise
Zeilen, Sie weisen hin auf die Herbstsänger
unserer heimischen Vogelwelt, die das milde
warme Sonnenleuchten der stillen September-
und Oktobertage noch einmal zum Singen ver-
lockt und deren ruhiger und schöner Gesang
dann ganz märchenhaft und seltsam berührend
hineinklingt in die träumende Rast der herbst-
lichen Landschaft.
Auf überragenden Zweigen von Gebüschen
und Feldgehölzen fußen nicht selten beim ver-
lockenden Schein der Abendsonne sangeslustige
Hänilingsmännchen auf. Und in freier Haltung
das karminfarbene Brüstchen dem warmen
Sonnenglast darbietend, lassen sie dann nach
zuerst leisem Locken ihr angenehm wechsel-
reiches und flottes Liedchen in die Abendfeier
der stillen Natur aufklingen. — Aehnlich läßt
auch der Goldammer zur Mittags- und Abend-
zeit von seinen Lieb-
lingsständen an ein-
samen, sonnigen Wie-
sen- und Talgeländen
die schlichte und
ewiggleiche, doch im-
mer so herzliche Weise
seines Sanges verneh-
men, die der Land-
mann zu allerlei
Sprüchlein umdeutet.
Eines dieser Art aus
unseren saarländi-
schen Distrikten lau-
tet: „Bäuerle, Bäuerle,
drisch!" — Von den
echtenZugvögeln singt
zu Ende September
draußen im Stangen-
holz vielfach noch der
Zilpzalp der Weiden-
laubsänger, sein froh-
launiges Gleichtakt-
Liedchen hinaus. — In der Nähe der mensch-
lichen Siedlungen wiederum begrüßt uns bis
weit in den Oktober hinein als Hausfreund und
Frühaufsteher der allbekannte, muntere Haus-
rotschwanz mit seinem wohlgelaunten Morgen-
gesang. Noch ehe die ersten Sonnenstrahlen
durchbrechen, klingt von der Dachfirste sein
kurzes Liedchen herab mit jenen seltsam breiten,
gequetschten Lauten von unverkennbarer Eigen-
art.
Possierlich zeigt sich Freund Starmatz in den
Sonnenstunden milder September- und Oktober-
tage. Zum prächtigen „Perlstar" umgemausert,
erscheint er zum Herbstbesuch an den Nist-
stätten des Lenz. Und wie in Erinnerung an ver-
gangene selige Zeiten hier, wird noch einmal
von der Warte droben auf Kamin, Telegraphen-
mast und Turmspitze das wonnige Flugtaumeln
hinein in den silbrigen Septemberduft, das
gespaßige Flügelklappen und Federgespriehe,
das lustige Plauschen, Pfeifen und Schwatzen
geübt, so lebhaft, als wenn Ostern vor der Tür
stünde. — Auch die beiden anderen auffälligen
Frühlingssänger unserer Gärten und Hage, die
Kohlmeise und den Buchfink, macht die Herbst-
sonne noch einmal liederfroh. Mit lautem, durch-
dringendem „Pink-pink” fliegt die farbenfrohe
Kohlmeise am schwankenden Birkenzweig an,
und bald darauf begrüßt sie uns mit einem
frühlingshell klingenden „Ziddisitt — ziddisitt".
Die jungen Männchen der Buchiinken üben ihre
ersten Schlagweisen, um zu Ende Oktober je-
doch in überwiegender Zahl die Südwanderung
anzutreten.
Anmutigstes und Innigstes an herbstlichem
Singen aber bieten Rotkehlchen und Amsel. Die
zahlreichen Durchzügler an Rotkehlchen, die
nördlichen Revieren entstammen und von Ende
September ab durch Wochen hin die von früchte-
Junge Schwanzmeisen
42
schweren Holunderstauden durchsetzten Au-
wälder mit scharfem Schnickern beleben, er-
freuen den Beobachter kaum einmal mit einem
Liedversuch, Anders jedoch die bei uns ver-
bleibenden Individuen dieser Vogelart unserer
Heimat in Nadel- und Mischwald der Talgehänge
und Berglehnen da draußen.
Noch einmal klingt im Sonnenschein aus
ihrer kleinen Rotbrust ein anhaltendes Singen
auf, als wollten sie das sonnenfrohe Herzlein
Buchfink
ausschütten in lautem Flöten und Trillern.
Und doch liegt darüber ein eigenes Etwas,
das an das Verhaltene und Zartwehmütige
gedämpften Saitenklanges erinnert. Heinrich
Seidel findet in seiner poetischen Eigenart
für das Herbstsingen des Rotkehlchens einen
seltenen Vergleich. Er sagt, daß dasselbe sich
zum Frühlingslied verhalte, wie das Bild einer
durchs umgekehrte Fernglas erschauten Land-
schaft zur Naturwirklichkeit derselben. — Ähn-
lich charakterisiert er auch das zarte und leise
Herbstsingen der Amsel. In der still verlohenden
Abendsinke hockt die schmucke Sängerin wieder
auf dem Lieblingsplatz ihres Lenzsingens. Und
noch einmal gehen die vollrunden Flötentöne
ihrer sanften und weichen Melodien und das
tief berührende Adagio ihrer Kantate hin zur
lauschenden Menschenseele. Wie aus leisem Er-
innern an Frühlings-Erdruch und Lenz-Wald-
wasserklingen steigen sie auf, im Menschen-
herzen einen Hauch schmerzlicher Sehnsucht
weckend an Verklungenes ferner Zeit . . .
ZaunkönigLied im OOinter
Schneeverweht und einsam still liegen Dorf
und Flur. Zaubrische Märchenpracht webt um
Hecken und Gesträuch, die das schneeige Weiß
dick vermummt. Herbe Luft fegt über das Ge-
lände und läßt die blitzenden, spitzigen Kristalle
von Baum und Geäst niederrieseln. Auf den
Unkrautstengeln am Wegebord hängen die bun-
ten Stieglitze. Durch die Bäume des Obstgartens
huschen die Meisen. Ein Dompfaff kauert im
Wipfel der Hainbuchhecke und lockt zuweilen
mit melancholischem Flötenruf, Die Gestalten
der Krähen in den Chausseebäumen stieben
ängstlich auf, so daß aus dem Geäst eine Wolke
feinen Schneestaubes niederwirbelt.
Da — mitten hinein in die kalte, herbe Schön-
heit und das große Schweigen fröhlicher, kecker
Vogelsang, ein fast übermütiges Trillern, das
gar seltsam anmutet. Vor uns, auf einer schlan-
ken Ranke des Brombeerstrauches, sitzt eine
kleine, koboldhafte Gestalt, äugt uns treuherzig
an, stelzt das kurze Schwänzchen senkrecht in
die Höhe, wippt possierlich auf und nieder und
huscht dann, eher einer Maus als einem Vogel
ähnlich, dicht über den Weg hin zum Reiser-
gewirr jenseits; von dort klingt es dann in un-
versiegbar heiterer Laune erneut und kräftig
wieder hinaus, unbekümmert um Kälte und
Winternot.
Klein-Zaunkönig ist es, der ewig fidele Herr-
scher im Heckenreich, der herzige Lärmer und
Spektakler. Und der, der seine unverdrossene
Art hört und sieht, ,,dem im Winter beim
Lied des Zaunkönigs das Herz nicht aufgeht in
der Brust: der ist ein trauriger, freudloser
Mensch!"
Still lächelnd muß ith dieses Wort des Alt-
vaters Brehm den Winter hin so oft überdenken,
wenn in die bang ringende Vordämmerstunde
der düster aufgrauenden Frühe der herzliebe
Bursche mir seinen frohen Morgengruß sagt.
Das ist in der Stunde des Schichtwechsels, da
in das dumpfe Grollen des Hüttenwerkes drüben
und um seine Hochofen-Giganten und Werk-
hallen das schreckliche Aufheulen der Sirenen
geht und das herrische Schrillen der Signal-
glocken, Tausende von schaffenden Menschen
hinzuzwingen in eine harte Tagewerksfron.
Dann lieg ich allemal wach zwischen Traum
und Leben. Und die graue Not hockt neben mir
auf dem Bettrande . . .
Und dann warte ich. Warte und lausche, bis
er kommt, der muntere, kecke, herzfrische und
emportragende Freudenlaut des kleinen Sängers
drunten im Gartenland am Saum der Großstadt-
öde. Vom Waldbachtälchen drüben geht seine
Morgenstreife zu dem alten Park mit den heim-
lichen, verwunschenen Winkeln. Und von dort
findet er sich auch allemal herein in das Ge-
heck der Gartengevierte bei unserer Häuser-
flucht. Schickt weise Güte ihn hin zu bangen,
verzagten Menschen? Weiß er, welch seltener
Freund er einem dort ist; wie seine kleinen
Schwingen ihn hertragen als guten, helfenden
Geist, eine müde, heiße Seele still und stark
vertrauend werden zu lassen? Vertrauend —
und siegend im Kampf mit der düstergrauen
Morgen-Notstunde.
Ja: es ist ein Seltsames um solch ein Vogel-
lied und seine mahnende, weisende Stimme! . . .
43
UNSER PREISAUSSCHREIBEN
Auch in diesem Jahre ist das Interesse an
unserem Preisausschreiben wieder außerordent-
lich stark gewesen. Die Einsendungen begannen
bereits lange Monate vor dem Redaktions-
schluß (Ende Juli). Am letzten Tage häuften
sich die Einsendungen derartig, daß das Preis-
gericht alle Mühe hatte, aus den Stößen die
besten Arbeiten herauszufinden. Wie auch im
vorigen Jahre fiel die Prüfung wieder in die
Hundstage, so daß man wirklich von einer
„heißen Arbeit" sprechen konnte, der sich das
Preisgericht zu unterziehen hatte. Vom pensio-
nierten alten Herrn bis zum jüngsten Elektriker-
lehrling waren wirklich alle Schichten und
Altersstufen des saarländischen Bergbaus unter
den Einsendern zu finden. Wir freuen uns dar-
über, daß, wie immer, auch in diesem Jahre so
zahlreiche freiwillige Mitarbeiter uns bei der
Arbeit am Bergmannskalender unterstützen
wollten. Auch diesmal sind wir wieder in der
Lage, infolge der zahlreichen guten Arbeiten,
anstatt der vorgesehenen 7 Preise 10 Preise zu
verteilen. Es befinden sich unter den Gewinnern
auch Sieger des vergangenen Jahres, wenn
auch nicht auf denselben Plätzen. Abermals
herzlichen Dank allen Einsendern und auf
Wiedersehen beim nächstjährigen Preisaus-
schreiben.
Von den eingesandten Arbeiten hat das
Preisgericht die nachfolgenden als die besten
bezeichnet und ihren Verfassern die ausge-
setzten Preise zuerkannt:
1. Preis = 8000 Frs,
„An der Großschrämmaschine", Gedicht von
Adolf Gross, Unfallsteiger, St. B. Göttel-
born.
2. Preis = 5000 Frs.
„Los! Wasser! Alles verloren!“, Erlebnis-
bericht von Karl Müller, Heizer, Grube
Reden.
3. Preis = 4000 Frs.
„Spuk im Geissestall", eine heitere Erzäh-
lung von Adolf Wagner, Bergmann,
Grube Itzenplitz.
4. Preis = 3000 Frs.
„Wenn Männer kochen!", Humoreske von
J. M. W e i r i c h, pens. Bergmann, Heiligen-
wald.
5. Preis = 2000 Frs.
„Die gestörte Nachtruhe", Erzählung von
Jakob Schenkel, Vermessungszeichner,
Göttelborn.
6. Preis = 2000 Frs.
„Wie die Gemeinde Fischbach zu ihrem
Banne kam“, geschichtliche Abhandlung von
H. Kammer, Dudweiler.
7. Preis = 1500 Frs.
„Das Versprechen", Erzählung von Alfons
Z e w e , Grube Reden.
8. Preis = 1500 Frs.
„Ahn, ich folge dem Vater und Dir!", Ge-
dicht von Felix Malter, Fahrsteiger,
Sulzbach.
9. Preis = 1500 Frs.
„Saarheimat", Gedicht von Fritz Eisen-
b e i s , Bergpensionär, Wellesweiler.
10. Preis = 1500 Frs.
„Angler", Gedicht vonKarlHeinz Schmidt,
Elektrolehrling, Grube Hirschbach.
Der neue
WETTBEWERB 1950
erhält die nachstehenden Bedingungen:
1. Einzusenden sind Erlebnis - Schilderungen
ernster und heiterer Art, Kurzgeschichten
aus der Zeit für die Zeit, Gedichte in Hoch-
deutsch und Dialekt sowie heitere Episoden
und gute Witze.
Ausgeschlossen von der Bewertung sind
alle Arbeiten politischen Inhalts.
Die Arbeiten dürfen drei Druckseiten,
Gedichte jedoch eine Druckseite nicht über-
schreiten.
2. Teilnahmeberechtigt sind alle aktiven und
pensionierten Angehörigen der Saargruben
unter Ausschluß der Mitglieder des Preis-
gerichtes sowie der Schriftleitung.
4. Das Preisgericht setzt sich aus drei An-
gehörigen der Saargruben zusammen.
3. Die Preise werden zu gegebener Zeit durch
Rundschreiben bekannt gegeben werden.
Bei gleichwertigen Arbeiten entscheidet
das Los.
5. Die Arbeiten sind bis spätestens 31. Juli 1950
einschließlich in verschlossenem Umschlag
an die
Schriftleitung des Bergmannskalenders,
Saarbrücken,
Trierer Strasse 1,
unter Angabe des Stichwortes „Preisaus-
schreiben" einzusenden.
6. Alle eingehenden Arbeiten gehen in das
Eigentum des Bergmannskalenders über. Ein
Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht.
Schriftleitung des Bergmannskalenders
44
Zusätzliche 000 Millionen kW pro Jahr:
Das Kraftwerk von Hangard
Vollständige Inbetriebnahme: Antang 1952
Schon seit einigen Jahren liegen die Er-
zeugermöglichkeiten an elektrischer
Energie bei den Saargruben unter den
wirklichen Bedürfnissen der einzelnen
Schachtanlagen, der privaten Industrie und
der öffentlichen Stromverbraucher inso-
weit, als diese in üblicher Weise ihren Be-
darf bei den Gruben-Kraftwerken decken.
Diese Unzulänglichkeit der Erzeugermög-
lichkeiten wurde bereits schon 1938 von
der deutschen Verwaltung der Saargruben
erkannt; diese hat auch daraufhin die Er-
neuerung sowie die notwendigsten Erweite-
rungen der unmodernen Anlagen in Angriff
genommen. Das Programm war allerdings
begrenzt, die deutsche Industrie war über-
lastet und stand bereits in der Kriegsvorbe-
reitung. Bei Kriegsausbruch mußte dann
dieses Programm fast völlig abgestoppt
werden.
Die Einführung moderner technischer
Methoden im Kohlenabbau in der Nach-
kriegszeit und die vorgesehene Steigerung
der Gesamtförderung gemäß dem Saarplan
sowie die gleichzeitige Entwicklung der
fertigverarbeitenden Industrie innerhalb des
Saargebietes ergeben zwangsläufig eine
Steigerung des Elektrizitätsverbrauchs.
Schätzungsweise liegt für die nächsten
Jahre der Gesamtbedarf an elektrischer
Energie bei mehr als 300 000 kW. Das be-
deutet in bezug auf die jetzigen Zentralen-
Leistungen einen Zuwachs von mehr als
100 000 kW.
Diese voraussichtliche Leistungssteige-
rung hat die Regie des Mines de la Sarre
dazu veranlaßt, den Bau eines neuen
Elektrizitätswerkes größerer Leistung in
Erwägung zu ziehen. Die Gesamtplanung
sieht eine wesentlich höhere Leistung vor.
Der erste Ausbau ist jedoch mit 100 000 kW
vorgesehen.
Die nachfolgenden Zeilen geben eine
kurze Beschreibung dieser neuen Anlage,
die den Namen Kraftwerk Hangard er-
halten hat.
Einige hundert Meter im Nordwesten
von Mittelbexbach, in der Nähe der ehe-
maligen Grube Bexbach, die in einigen
Jahren eine Erneuerung ihrer Aktivität er-
fahren wird, wird das Kraftwerk Hangard
auf einer Fläche von rund 20 ha erbaut.
Schon jetzt ist dieses Gelände vorbereitet
und hat seinen Anschluß an das bestehende
Grubengleis und die bestehende Zufahrts-
straße erhalten.
Die Hauptmaschinenanlagen dieses Kraft-
werkes werden in einem gemeinsamen Ge-
bäudeblock aus Eisenbeton von etwa 80 m
Länge, 80 m Breite und 40 m Höhe unter-
gebracht werden.
Das Kesselhaus wird im ersten Ausbau
mit 4 Hochleistungsstrahlungskesseln aus-
gerüstet. Direkte Staubfeuerung mit auto-
matischem Staubzug kennzeichnet diese
Anlage. Jeder Kessel kann stündlich 135 t
normal und 150 t maximal erzeugen. Der
Konzessionsdruck liegt bei 110 Atmo-
sphären, und die Überhitzung des Dampfes
soll 530 0 C betragen.
Die Rohkohlenbunker sind für eine mehr
als 24stündige Reserve vorgesehen, was
einer Gesamtmenge von mehr als 2000 t
Kohlen' entspricht. Als Brennstoff sollen
soweit als möglich Wäscheabfallprodukte
dienen, d. h. eine Mischung von Mittel-
produkten und Schlamm. Der mittlere Heiz-
wert wird bei 4200 Kalorien pro kg Kohle
liegen.
Die Rauchgase werden durch Elektro-
Filter von ihrem Staubgehalt befreit und
dann von kurzen Schloten ins Freie geführt.
Die Saugzug- und Frischluftventilatoren
werden durch selbstregulierende Dampf-
hilfsturbinen, die vom Hauptdampfstrom
eines jeden Kessels durchflutet werden, an-
getrieben. Hierdurch wird eine ganz auto-
matische Regulierung des Kesselbetriebes
erreicht.
Die Aschen werden nach Anfeuchtung
mittels Transportband nach der naheliegen-
den Bergehalde der neuen Grubenanlage
abtransportiert.
Das Maschinenhaus umfaßt zunächst zwei
Turbo-Generatoren. Je eine dreigehäusige
Hochdruckdampfturbine treibt bei 3000 t/m
auf derselben Welle einen Drehstrom-
Hauptgenerator von 50 000 kW bei 10 500
Volt und einen Drehstrom-Hilfsgenerator
von 5000 kW bei 5250 Volt an. Ersterer
45
erzeugt die aus dem Kraftwerk abzuleiten-
den Energiemengen, während der letztere
den Eigenbedarf des Werkes decken soll.
Der Sicherheit des Betriebes wird hierbei
in weitgehendstem Maße Rechnung ge-
tragen. Störungen im Stromverteilungsnetz
können sich nicht auf die Hilfsbetriebe des
Kraftwerkes übertragen, Abschaltungen
werden daher in kürzester Zeit beseitigt.
Des weiteren befinden sich auf derselben
Welle die Hilfserregermaschinen. Die Haupt-
erregermaschinen werden getrennt ange-
trieben. Der Hauptgenerator ist ebenfalls
durch gesondert angetriebene Ventilatoren
belüftet.
Beim Austritt aus der Turbine wird der
Abdampf in je zwei Oberflächen-Konden-
satoren niedergeschlagen. Das Kühlwasser
dieser Kondensatoren wird in geschlosse-
nem Kreislauf in atmosphärischen Luft-
kühlern nachgekühlt, deren Belüftung
künstlich durch Ventilatoren hergestellt
wird. Diese Art Rückkühler ist eine Neue-
rung für das Saargebiet, das bisher nur die
normalen atmosphärischen Kaminkühler mit
natürlicher Belüftung kennt. Das notwen-
dige Zusatzwasser (es handelt sich um
10 000 cbm pro Tag) wird der Zentrale von
einem neuen in Beeden bei Homburg zu
errichtenden Pumpwerk geliefert werden.
Auf eine zweckentsprechende Entgasung
des Kondensats wurde größter Wert gelegt,
auch die Vorwärmung dieses Kondensats
ist bis an die weitmöglichste Grenze ge-
trieben, und das Speisewasser wird bei
einer Temperatur von 210° C den Kesseln
wieder zugeführt. Diese hohe Temperatur
wird durch fünf verschiedene Dampfan-
zapfungen an den Hauptturbinen erreicht
und gestattet eine wesentliche Verbesse-
rung des thermischen Gesamtwirkungs-
grades der Anlage.
Die Wasserverluste im Dampfkreislauf
werden durch destilliertes Wasser ersetzt.
Das in den Ver-
dampfern hierzu um-
gesetzte Rohwasser
wird zunächst che-
misch aufbereitet.
Auch diese Ver-
dampferanlage wird
von einer Turbinen-
Anzapfung aus be-
trieben.
Die Wärme- und
Betriebswarte ist im
Herzen der Anlage
aufgebaut. Sie ge-
stattet den Fach-
kräften des Wärme-
und Elektrofaches,
nicht nur allein den
Betrieb der Zentrale
zu überwachen, son-
dern auch zu jeder Zeit, mittels Fernsteue-
rung, die notwendigen Eingriffe an Ma-
schinen und Kesseln vorzunehmen und so-
mit die Angleichung an das vorgeschriebene
Leistungsprogramm vorzunehmen.
Außer dem vorstehend beschriebenen
Hauptgebäude und seinen maschinellen Ein-
richtungen sind folgende Nebenanlagen
vorgesehen:
Eine Hochspannungs-Ereiluit-Station mit
zwei Leistungstransformatoren von je
62 500 KVA; hier wird die Maschinen-
spannung von 10,5 KV hochgespannt; vier
65 KV Freileitungsabgänge, von denen
jeder 30 000 kW nach den einzelnen Frei-
luftstationen, die die Regie gleichzeitig in
ihren anderen Zentralen Weiher und Fenne
sowie auf den einzelnen Grubenanlagen
errichten läßt, abführen kann; zwei Hoch-
spannungskabelabgänge nach der neuen
Grube in Bexbach und ein Transformator
von 12 500 KVA, als Reserve gedacht, beim
eventuellen Ausfall der Hilfsgeneratoren.
Diese Gesamtanlage ist so bemessen, daß
sie alle Auswirkungen mechanischer und
46
thermischer Art, wie sie bei großen Kurz-
schlüssen Vorkommen, aushalten kann.
Eine Rück-Kühlanlage von 21 000 cbm
stündlicher Leistung, die schon oben er-
wähnt wurde.
Ein Kohlenlagerplatz mit einem Gesamt-
speicherungsvermögen von 100 000 t, der
längsseits des bestehenden, aber wesent-
lich zu erweiternden Grubenanschlußge-
leises errichtet wird.
Besondere Groß-
Trichterwagen mit
bodenseitiger Ent-
leerung gestatten
die schnelle Entla-
dung und Verteilung
des Brennstoffes
über den Lagerplatz,
mit Hilfe eines Skra-
pers auf einer 3 ha
großen betonierten
Fläche. Am Kopfe
dieser Anlage wird
eine Kohlen-Misch-
station aufgebaut, in
die zu jeder Zeit ein
gleichmäßiges Ver-
brennungsprodukt
gemischt wird.
Und endlich alle diejenigen Räume, die
für das Bedienungspersonal erforderlich
sind: Büros, Werkstätten, Magazine, Um-
kleide- und Waschräume, Krankenstube,
Warte- und Aufenthaltsräume sowie Fahr-
rad-Garagen.
SCHLUSSFOLGERUNG
Seit dem 1. April 1949 ist der Bau dieses
neuen Kraftwerkes in das Gebiet der Wirk-
lichkeit getreten. Die ca. 20 ha große Bau-
fläche ist teilweise schon einnivelliert und
vor dem Winter 1949/50 sollen die Arbeiten
der sich in der Erde befindlichen Bau-
werke und Fundamente abgeschlossen sein.
Im Jahre 1950 wird dann das aus Eisen-
beton bestehende Hauptgebäude hochge-
führt, gleichzeitig wird mit der Montage
der ersten beiden Kessel begonnen. Die
Montage des ersten Turbo-Generators wird
im Sommer des Jahres 1951 stattfinden,
so daß die erste Hälfte des Werkes noch
vor Ende 1951 in Betrieb gesetzt werden
kann.
Zwischen den beiden vollständig gleich
ausgebauten Teilen des Kraftwerkes sind
alle Verbindungen sowohl auf der Dampf-
und Wasser-, als auch auf der elektrischen
Seite ausgeführt; im Falle einer Störung
kann demnach ein vollständiger Energie-
austausch von der einen zur anderen Hälfte
erfolgen. Die vollständige Inbetriebsetzung
der ersten 100 000 kW dieses neuen elek-
trischen Kraftwerkes ist für den Anfang
des Jahres 1952 vorgesehen.
Bei einer Betriebsdauer von ungefähr
6000 Stunden wird es mit dem ersten Bau-
abschnitt möglich sein, zusätzlich 600
Millionen kW pro Jahr dem Saarge-
biet und seinen Gruben zuzuführen. Es ist
hierzu zu bemerken, daß diese zusätz-
liche Energiemenge wesentlich wirtschaft-
licher als in den alten Anlagen erzeugt
werden kann. Die Vorbilanz gestattet, mit
3300 Kalorien pro kWh zu rechnen.
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47
Lustige Geschichten
um die Grube Luisenthal
Von W. Hold, Saarbrücken
Mit Vornamen hieß er kurz und schlicht
Fritz, Er hatte zahllose Namensvet-
tern, aber wahrscheinlich nur wenige,
die es an Originalität mit ihm auf-
nehmen konnten. Seine Wiege stand in der
Saarbrücker Altstadt, und seine sterbliche Hülle
ruht seit ein paar Jahrzehnten auf dem alten
Saarbrücker Friedhof.
Fritz Haas — das ist sein voller Name — war
Anstreicher von Beruf. Einer von jenem guten
alten Schlag, der mehr und mehr ausstirbt. Sein
Beruf war ihm mehr als nur Mittel zum Brot-
erwerb. Er hantierte mit dem ölpinsel und
schwang die Deckenbürste, daß es nur so seine
Art hatte. Und gar oft knallte er einem der Lehr-
buben mit seiner schwieligen Hand hinter die
Ohren, weil er ihm den Pinsel zu langsam
führte.
„Siehschde, du Lausbub", war dann seine stän-
dige Redensart, ,,du muschd immer in dem
Tempo von dem Lied ,So leben wir, so leben
wir.. streiche, awwer nie so, daß mr's Lied ,Heil
dir im Siecherkranz1 debei singe oder peife
kann!" Nicht nur das Tempo, sondern auch das
Lied vom ,,Siecherkranz" war ihm verhaßt —■
und gerade deshalb wurde er von den übrigen
Gesellen, von den Lehrbuben, ja sogar von
seinem Meister „der Siecherkranz" genannt.
Im übrigen war Fritz eine Seele von einem
Mensch, der selbst einer Fliege kein Leid hätte
antun können. Darüber hinaus war er fleißig,
ein guter Kamerad, bescheiden, aber — ein
bissei naiv. Das wußten auch seine Kollegen,
die keine Gelegenheit versäumten, den „Siecher-
kranz" zu hänseln und ihren Spaß mit ihm zu
treiben.
Zu jener Zeit waren Fritz und mit ihm noch
ein paar Gesellen und Lehrbuben im Auftrag
eines Saarbrücker Maler- und Anstreicher-
geschäfts jahraus — jahrein auf der Grube
Luisenthal beschäftigt, allwo es immer etwas
Neues anzustreichen oder Altes aufzufrischen
gab. *
An einem Spätsommertag berichtete nun Fritz
voller Stolz, daß Sannchen — das war seine
bessere Hälfte — auf besonderen Wunsch einen
großen „Dibbe" voll Gurken eingemacht habe.
Dabei lächelte er glücklich, und man konnte
ihm ansehen, daß ihm schon beim Erzählen das
Wasser im Munde zusammenlief. Tag für Tag
schwärmte er von seinem „Gurkedibbe", auf
der Fahrt von Saarbrücken nach Luisenthal,
während der Arbeit, und auch auf dem Nach-
hauseweg waren für Fritz seine eingemachten
Gurken der Inbegriff seines häuslichen Glücks.
Abweisend schüttelte er den Kopf, wenn ihn
seine Kameraden wenigstens um eine Probe
dieser vielgerühmten Gurken baten. Nein, seine
Gurken sollten nur für ihn allein und sein
Sannchen sein!
Also beschlossen die übrigen, Fritz einen
Streich zu spielen und ihm die Gurken durch
eine List abzujagen.
Am nächsten Tag während der Mittagspause
begann der Erste zu sticheln: „Fritz, schdimmd’s
wirklich, daß de nitt emoi dei Name schreiwe
kannschd?" Fritz verwahrte sich gegen solche
Verdächtigungen, doch schon begann der Zweite:
„Jo, ich hanns aach schun geheerd, daß de
Fritz nitt sei Name schreiwe kann. Meijersch
Krischan und Lauwitze Johann hammr’s aach
doneilich verzehld!"
Fritz hielt weitere Debatten für überflüssig,
wischte mit dem Anstreicherkittel seinen Eß-
löffel ab, tat ein paar Schlucke aus dem Kaffee-
blech, rief „Mahlzeit!" und knallte die Tür
hinter sich ins Schloß.
Tags darauf ging’s beim Mittagessen wieder
los: „Du, Fritz, gischder ohmend hann ich’s
widder in Dingse Schdehbierhall geheerd, daß
de nitt dei eijene Name richdich schreiwe
kinnschd!" Fritz lächelte, nahm wieder drei
Schlucke aus seinem zerbeulten Kaffeeblech
und ging an seine Arbeit.
Am folgenden Tage während der Mittags-
pause das gleiche Gesprächsthema. Bis Fritz
der Geduldsfaden riß, er um einen Bleistift bat
und seinen Namen auf den Rand einer Zeitung
schreiben wollte, in die sein Frühstücksbrot ein-
gewickelt war. Doch schon war einer mit einem
sauberen Notizblockblättchen bei der Hand.
„Fritz, uff e Zeidungsrand schreibt m'r nitt
sei Name, das bringt kä Glick. Schreib do uff
das Blatt Babier, do haschd de wenischdens
aach Blatz f‘r dei Name . . ." Und Fritz setzte
voller Stolz und mit Schwung seinen Namen
„Fritz Haas" auf das Papier.
Händedrücken, Glückwünsche, ein strahlen-
der Fritz und schadenfroh lachende Kameraden.
Am nächsten Tag gab's zum Mittagessen
Gurken in rauhen Mengen. Einer der Gesellen
verteilte sie großzügig, auch Fritz bekam einige
48
davon ab. Sie schmeckten, wie er selbst fest-
stellte, beinahe so gut wie die, die sein Sann-
chen eingemacht hatte. Auch ein Lob für seinen
spendablen Kameraden konnte er sich nicht
verkneifen.
Abends fuhr man zusammen nach Hause,
Fritz schien besonders aufgeräumt — die übri-
gen Gesellen, ja sogar die Lehrbuben waren
besonders liebenswürdig zu ihm.
An der Haustür wurde er schon von seinem
Sannchen erwartet. Die stand da mit zorn-
funkelnden Augen, die Fäuste in die Hüften
gestemmt, und empfing ihn mit den Worten:
„Bischde noch kloor im Kopp, du alder Dirmel?
Wie kummschde dann dezu, m'r de Lehrbub
mit dem Zeddel ins Haus ze schigge?"
Fritz, der ahnungslose Engel, verstand nicht
gleich. Erst als ihm sein Sannchen einen Zettel
unter die Nase hielt, ging ihm ein Licht auf.
Auf dem Zettel stand geschrieben: „Sei so gut
und gib dem Überbringer dieses Zettels den
Dibbe mit den eingemachten Gurken. Fritz
Haas."
Es war kein Zweifel möglich: die Unter-
schrift hatte er selbst geschrieben! Aber alles
das, was außer der Unterschrift auf dem Zettel
stand, hatten seine Kameraden daraufge-
schrieben, die so in den Genuß von Fritzens
Gurken gekommen waren.
Der hatte den Schaden — allerdings für den
Spott brauchte er nicht zu sorgen!
*
Von anderer Leute Leder ist gut Riemen
schneiden — das war einer der Wahlsprüche
vom „Siecherkranz". Wenn ihm etwas ange-
boten wurde oder er selbst nicht zu bezahlen
brauchte, dann langte er tüchtig zu. Ging’s aber
von seinem Eigenen, dann war er mehr als
knauserig.
Eines Tages mußte auf Grube Luisenthal ein
Maschinenhaus neu gestrichen werden. Und bei
dieser Arbeit gab’s besonders schmutzige Hände
und Gesichter. Um abends einigermaßen sauber
nach Hause fahren zu können, mußte dann die
Reinigungsprozedur besonders gründlich sein.
In dem Maschinenhaus
standen nun zwei
Pötte, einer gefüllt mit
gelb - braunem Stauf-
ferfett, der andere
mit Schmierseife, die
äußerlich vom Fett
kaum zu unterschei-
den war.
Und wieder saß den
Kameraden von Fritz
der Schalk im Nacken
und sie kamen über-
ein, Fritz einen Streich
zu spielen. Während
sie sich selbst gründ-
lich mit Schmierseife
einseiften, schoben sie
Fritz — für diesen
unauffällig — den Pott
mit dem Staufferfett
hin. Der nutzte die
Gelegenheit, langte
ordentlich zu, rieb sich
die Arme bis unter
die Achsel, Gesicht
und Haare gründlich ein und — bemerkte erst
zu spät, daß er sich statt mit Schmierseife mit
Staufferfett so ausgiebig eingeschmiert hatte.
Stundenlang hatte er Arbeit, bis die Schmierage
wieder von seinem Körper und seinem Kopf
entfernt war, derweil seine Kameraden grinsend
daneben standen und Fritz wußte, wer ihm
diesen Streich gespielt hatte.
Tags darauf sprach Fritz kein Wort. Er
arbeitete wie ein Besessener, und als es Zeit
wurde, sich für die Heimfahrt fertig zu machen,
wurde ihm von einem seiner Kameraden der
Schmierseifenkübel hingeschoben: man wollte
den Fritz doch heute nicht wieder verbittern!
Diesmal hatte es Fritz bemerkt, daß der
Kübel ihm vor die Nase geschoben wurde.
„Heit kriehn’r mich awwer nitt drahn, ihr
Lazzeroner!" Mit diesen Worten schob Fritz
den Pott mit der Schmierseife zur Seite, holte
sich den anderen Pott herbei, langte wieder
tüchtig zu und rieb sich ausgiebig ein. Daß er,
weil er diesmal besonders schlau sein wollte,
wieder den falschen Topf erwischt hatte und
sich abermals mit Staufferfett einbalsamiert
.. . schoben sie Fritz den Topf mit Staufferfett hin
4
49
hatte — das fiel dem braven Fritz erst auf, als
es bereits viel zu spät war. ..
*
Eine der Tugenden von Fritz Haas war, daß
er sich von seiner Arbeit einfach nicht trennen
konnte und daß er noch den Pinsel schwang,
wenn seine Kameraden bereits fix und fertig
waren, um zum Zug zu gehen, und sie ihn
drängen mußten, endlich Feierabend zu machen.
Dann ging's bei Fritz hoppla-hopp: Malerhose
aus, Überhose aus,
schnell die Schuhe ge-
wechselt, im Eiltempo
Hände und Gesicht ge-
waschen, die Jacke vom
Nagel und ab im Lauf-
schritt zum Bahnhof.
„Fritz, dummel dich!
Fritz, du muschd dei
Bähn uff de Buckel
nemme!" das waren
dann jeden Abend die
ständigen Redensarten
der übrigen Gesellen.
Und der Fritz ,fum-
melte“ sich wirklich,
er nahm tatsächlich
seine nicht mehr jun-
gen Beine auf den
Buckel, und meistens
kam der „Anstreicher-
verein" justament in
dem Augenblick durch
die Sperre des Luisen-
thaler Bahnhofs ge-
stürmt, wenn der Zug schon anruckte.
Auf die Dauer ging diese ewige Hetze
Fritzens Kameraden auf die Nerven, und sie
kamen überein, dem „Sieeherkranz" eine Lek-
tion zu erteilen. Man war gerade damit be-
schäftigt, die Schlafhäuser in Altenkessel neu
zu streichen. Fritz, vier Gesellen und drei Lehr-
buben vollbrachten das Werk. Nun ist der
Weg von Altenkessel bis zum Bahnhof Luisen-
thal nicht gerade ein Katzensprung. Es bot sich
also die beste Gelegenheit, an Fritz ein Exempel
zu statuieren.
Vier Backsteine wurden gesucht und waren
bald gefunden, dazu ein Stück starker Draht.
In jeden Rockärmel von Fritzens Jacke wurden
zwei Backsteine hineinpraktiziert, die Ärmel
oben und unten mit Draht zugebunden und die
Drahtenden ganz kurz abgekniffen.
Fritz stand derweil auf seinem Gerüst und
pinselte unverdrossen. Er ahnte nicht im ent-
ferntesten, was zwischenzeitlich mit seiner
Jacke vorging.
Abends kurz vor Feierabend ging's los:
„Fritz, 's iss Zeid, kumm erunner un zieh
dich ahn!"
Fritz ließ sich nicht stören, rief nur: „Ich
kumme gleich!" und verschönerte weiter den
Schlafhaussaal. Erst als ihm zugerufen wurde:
„Fritz, du Flabbes, in zeh' Minudde gehd de
Zuch!" legte er den Pinsel beiseite, stieg ge-
mächlich von der Leiter, traf seine kurzen
Heimreisevorbereitungen und griff nach seiner
Jacke.
Er griff zweimal danach, brachte sie kaum
vom Nagel, und merkte dann endlich, was ge-
schehen war. Er fluchte: „Die Lauskrambe, die
schlechte Pänz!", fingerte nervös an dem Draht
herum, brachte ihn nicht auf, suchte verzweifelt
eine Beißzange, fand aber keine. Und um den
Zug nicht wieder zu versäumen, hing er die
mit vier Backsteinen beschwerte Jacke über
die Schulter und fuhr hemdsärmelig mit den
vier Backsteinen in den Rockärmeln nach Hause.
In den folgenden vierzehn Tagen machte er
sich rechtzeitig zum Zug fertig. Aber nur vier-
zehn Tage lang, dann hatte er die Lehre seiner
Kameraden wieder vergessen ...
*
Eines Tages war an einem Grubengebäude
in Luisenthal eine Giebelwand neu zu streichen.
Der Hausgiebel lag an einer Ecke, die von
Hunden mit ganz besonderer Vorliebe bevor-
zugt wurde. Und die Köter nutzten jede Ge-
legenheit, sich gerade dort jeder Art ihrer Ge-
schäfte zu entledigen. Wohin man trat: überall
Hundespuren, wenig einladend duftend.
Während nun der gute Fritz eines Tages
hoch oben auf der Leiter stand, wurde ein-
stimmig beschlossen, ihm einen Streich zu
spielen. Die zweitunterste Sprosse der Leiter
50
wurde ganz durchgesägt, die unterste nur halb,
so daß der „Siecherkranz", wenn er wieder
herunterstieg, die unterste Sprosse durch-
schlagen und auf den Boden plumpsen mußte.
Es war dabei nach Lage der „Dinge" nicht zu
vermeiden, daß Fritz in eine der Hundespuren
hineinfiel. Vorsichtshalber wurden jedoch von
seinen findigen Genossen ein paar der Hunde-
spuren mit Putzwolle bestreut und „getarnt"
— und gerade davon versprach man sich ein
Mordsvergnügen,
Nichtsahnend kam der „Siecherkranz" die
Leiter heruntergeklettert, in der einen Hand
den Eimer mit der Leimfarbe, in der anderen
seinen großen Pinsel. Auf einmal machte es
ratsch-ratsch, Fritz verlor die Balance, Pinsel
und Farbeimer machten sich selbständig, die
Leimfarbe kippte ihm justament in die Hals-
kaule und — wie nicht anders zu erwarten war,
landete eine Hand mittemang in einem frischen
Hundedreck.
Fritz wußte, was die Uhr geschlagen hatte,
und hilfesuchend und triumphierend zugleich
griff er mit der anderen Hand nach einem der
herumliegenden Putzwollhäufchen.
Er griff so spontan danach, daß im wahrsten.
Sinne des Wortes kein Auge trocken blieb.
Vor allem nicht die Augen jener, die dem
gutmütigen Fritz diese Falle gestellt hatten, in
die er dann auch prompt hineingegangen war.
*
Fritz war einer von jenen, die nie in einem
direkten Arbeitsverhältnis zur Grube Luisen-
thal standen. Aber immer wieder lautete sein
Wahlspruch: „Meischder, wann's uff d'r Grub
was zu schaffe gebd, do bin ich am aller-
Iiebschde debei!"
GEBR. WAGNER
MERZIG/SAAR
HB
F fZFNTZE N
KALIDÜNGESALZ,
ein wichtiges bergmännisches Erzeugnis
Von D i p 1. -1 n g. Blanke, Lehrer an der Bergschule Saarbrücken
Die Nahrungsmittelknappheit in Europa
besonders nach dem letzten Kriege hat
jedermann davon überzeugt, daß eine
Ertragssteigerung der europäischen
Landwirtschaft mit allen Mitteln angestrebt
werden muß. Die Bemühungen um diese Er-
tragssteigerung haben aber nur dann Aussicht
auf Erfolg, wenn der Landwirtschaft wertvolle
Düngemittel in genügender Menge und zu
tragbaren Preisen zur Verfügung gestellt wer-
den können. Auch hier kann der Bergmann, wie
in manchen anderen Fällen, zur Besserung der
Lebensbedingungen in Europa entscheidend bei-
tragen, wenn er hochwertige Kalidüngesalze
in ausreichender Menge zutage fördert.
Die Entstehungsgeschichte der Salzlager und
damit auch die der Kalisalziagerstätten ist für
die europäischen Vorkommen allem Anschein
nach im wesentlichen die gleiche. Sie sind
alle durch Eindunstung salzhaltiger, wässeriger
Lösungen entstanden. Die größte wässerige Lö-
sung dieser Art ist das Weltmeer, welches nach
neueren Forschungen mindestens einige hun-
dert Millionen Jahre alt ist. Stark umstritten
ist die Frage, wie sich die Salzlager im ein-
zelnen gebildet haben können. Unmöglich er-
scheint die einfachste Annahme, daß sich die
teilweise sehr mächtigen Salzlager aus einer
einmaligen Anfüllung eines Beckens mit Meer-
wasser abgesetzt haben könnten. Ein solches
Becken müßte mehrere Kilometer tief gewesen
sein, Am meisten Wahrscheinlichkeit hat die
sog. Großflutentheorie des früheren Leiters der
Bergvorschule Forbach Dr. Wilfarth. Nach
seiner Auffassung waren die Unterschiede der
Meeresspiegelhöhen bei Ebbe und Flut wegen
größerer Erdnähe des Mondes zur Entstehungs-
zeit der Salzlager wesentlich größer als heute.
Das hatte zur Folge, daß die von der Flut über-
spülten Küstenstreifen, die sog. Watte, Aus-
dehnungen von vielen hunderttausend Quadrat-
kilometern hatten. Lag nun in einem solchen
Riesenwatt eine tiefe Senke, dann blieb bei
Ebbe ein mit Meerwasser gefüllter See zurück.
Unter dem Einfluß der Sonnenbestrahlung ver-
dunstete das Wasser. Lag das Watt mit dem
See sehr hoch, so wurde durch die Flut dem
See nur wenig Wasser zugeführt, vielleicht
sogar weniger, als während der Ebbezeit ver-
dunstete. So entstanden immer stärker ge-
sättigte Lösungen und schließlich schieden sich
feste Salze aus. Einen solchen Salzsee im
Großwatt kann man sich also als Schauplatz
der Bildung einer großen Salzlagerstätte vor-
stellen.
Man muß annehmen, daß eine solche Lager-
stätte ursprünglich mit deutlich erkennbarer
Schichtung flach gelagert war. In dieser Lage
befinden sich im wesentlichen die Gewinnungs-
stätten in der oberrheinischen Tiefebene und
im Werratal noch heute. In anderen Gebieten,
zum Beispiel im mitteldeutschen Kalibezirk,
sind tiefgreifende geologische Veränderungen
eingetreten. Die Lagerstätten sind durch Ge-
birgsbewegungen wegen der Plastizität des
Salzgebirges in Hohlräume hineingequetscht
und zu hohen Salzdomen herausgepreßt worden
und haben so teilweise bedeutende Mächtig-
keiten erreicht.
Als Folge dieser verschiedenen Ablagerungs-
formen sind auch die Abbaumethoden, mit
denen die Kalisalze bergmännisch gewonnen
werden, sehr verschieden. In den gering mäch-
tigen, flach gelagerten Flözen der oberrheini-
schen Tiefebene unterscheiden sich diese Me-
thoden kaum von dem im saarländischen Stein-
kohlenbergbau vorherrschenden streichenden
Strebbau. Es werden streichend im Lager eine
Grundstrecke und im Abstand von etwa 200
Metern eine Wetterstrecke aufgefahren, die
durch eine schwebende Strecke verbunden
werden. (Bild 1.) Von dieser schwebenden
52
Strecke aus wird der
Abbaustoß in seiner
ganzen Länge mit
Großschrämmaschinen
(Biid 2) unterschrämt
und das Salz zum
Schram hin niederge-
schossen. Die Bohr-
löcher für die Schieß-
arbeit werden mit
einer elektrischen
Drehbohrmachine von
Hand (Bild 3) oder mit
schweren Maschinen
an Spannsäulen her-
gestellt. Das herein-
geschossene Gut wird
mit Schüttelrutschen
oder Bändern abge-
fördert (Bild 4). Will
man keine Schräm-
maschinen einsetzen,
so verhaut man den
Stoß in 4—6 m Breite
(Bild 5) schwebend.
Man schießt dann den
Stoß streifenweise nach
dem alten Mann hin
herein.
Der durch den Ab-
bau des Kalisalzes
entstandene Hohlraum
wird meist wieder ver-
setzt. Das hat sich
als notwendig erwie-
sen, da das Hangende
der Lagerstätte im
Salzbergbau unter kei-
nen Umständen zu
Bruch gehen darf, da-
mit dem Wasser der
Eintritt in die Lager-
stätte versperrt bleibt.
Der Durchbruch von
Wasser in die Gruben-
baue ist gleichbedeu-
tend mit der Zerstö-
rung des Bergwerkes.
Das notwendige Ver-
satzmaterial liefert
entweder die Kalifa-
brik, in der die Roh-
Bild 2 oben: Schräm-
maschine bei der Arbeit
Bild 3 Mitte: Ansetzen
eines Bohrloches
Bild 4 unten: Ladestelle
bei der Schüttelrutsche
53
Bild 5:
Streichender Strebbau mit schwebendem Verhieb
Richtstrecka
Bild 6:
Prolil eines streichenden Firstenkammerbaues
salze weiter verbessert werden, aus ihren Pro-
duktionsabfällen oder es wird in sogenannten
Bergemühlen gewonnen. Unter Bergemühlen
versteht man große, im Nebengestein ausge-
schossene Hohlräume, die solange, wie sie sich
selbst ohne Ausbau tragen, erweitert werden.
Ganz anders gestaltet sich der Abbau in den
bereits erwähnten mächtigen Salzdomen und
Salzhorsten. Die hier zur Anwendung kommen-
den Abbauverfahren sind sehr mannigfaltig. Am
meisten verbreitet ist aber der Firstenkammer-
bau, den ich in grossen Zügen klarlegen will,
um dem Saarbergmann einmal ganz andere Ver-
hältnisse, wie er sie bei seiner Steinkohle ge-
wöhnt ist, vor Augen zu führen.
Nehmen wir einmal an, die abzubauende
Lagerstätte falle unter 80 Grad ein und sei 15 m
mächtig. Dann wird zunächst vom Fußpunkt
eines Blindschachtes, der im Liegenden der
Lagerstätte geschlagen ist und zwei Sohlen im
Abstand von 100 — 150 m miteinander verbindet,
ein Querschlag zum Kalilager aufgefahren. Von
diesem Querschlag (Bild 6) wird eine Richtstrecke
angesetzt, die später als Hauptförderstrecke
dient. Von der Richtstrecke wiederum werden
etwa alle 50 m nach beiden Seiten weitere
Querschläge (Bild 7) zur Lagerstätte hergestellt.
Von diesen Querschlägen aus wird das Lager
in etwa 2 m Höhe im ganzen unterfahren, mit
anderen Worten, es wird eine horizontale Scheibe,
und zwar nach jeder Seite vom Querschlag etwa
20 m vom Lager hereingewonnen. Zwischen den
einzelnen, als Kammern bezeichneten Bauab-
schnitten bleiben sogenannte Sicherheitspfeiler
von 6 — 15 m im Salz stehen. Dann wird an der
Schmalseite einer Kammer hochgebrochen, und
in etwa 3 m Höhe über der Firste der horizon-
talen Scheibe wird die sogenannte kleine Firste
angesetzt, das heißt, es werden durch horizon-
tale Bohrlöcher die Salzmassen bis zu 5 m Höhe
von der Sohle hereingeschossen. Ist die kleine
Firste weit genug vorgetrieben, so folgt mit wei-
teren 5 m (Bild 8) die hohe Firste, so daß die Kam-
mer im ganzen eine Höhe von 10 m erhält. Das
hereingeschossene Salz wird meist mit Schrap-
pern soweit abgefördert, daß die Bohrhauer auf
dem Haufwerk stehend ihre Bohrlöcher an-
setzen können.
Ist die Gewinnungs-
arbeit beendet, so wird
anschließend die Kam-
mer von 40 X 15 m in
der Sohle und 10 m
Höhe leergefördert.
Der dem Steinkohlen-
bergmann bedenklich
erscheinende große
Hohlraum kann im
Salzbergbau bei der
großen Tragfähigkeit
Bild 7: Grundriß eines
streichenden Firstenkammerbaues
Richtstrecke u. Förderstrecke
T
ßlindschacht
54
Bild 8: Hereingewinnung des Kalisalzes in einem stehenden Firstenkammerbau
bei steiler Lagerung
des Salzes selbst und dem meist guten Neben-
gestein ohne Gefahr aufrecht erhalten werden.
Die Sicherheitspfeiler und der nach dem Leer-
fördern der Kammer noch eingebrachte Ver-
satz bieten Gewähr dafür, daß das Hangende
unbeschädigt erhalten bleibt.
Um den soeben erwähnten Versatz wirtschaft-
lich einbringen zu können, ist während der
Hereingewinnungsarbeit in den unteren Kam-
mern vom Blindschacht aus ein neuer Quer-
schlag mit einer neuen Richtstrecke und den
entsprechenden weiteren Querschlägen ange-
setzt worden. Diese Querschläge liegen mit
Schienenoberkant etwa 8 m über den unteren
Querschlägen. Von diesen oberen Querschlägen
aus werden die abgebauten Kammern so weit
verfällt, daß der Versatz bis etwa 2 m unter-
halb der Kammerfirste reicht. Nun wird am
Ende der Kammer wieder hochgebrochen, und
der geschilderte Abbauvorgang wiederholt sich
so lange, bis das Lager bis zur oberen Sohle
abgebaut ist. Unterhalb der oberen Sohle läßt
man meist zur Sicherheit eine Schwebe von
etwa 10 m stehen, um zu verhüten, daß der alte
Mann aus den Bauen oberhalb der Sohle herein-
kommt.
Im Kalibergbau ist der Sprengstoffverbrauch
sehr hoch, da das Salz sehr fest ineinander ver-
wachsen ist und sich deshalb schlecht schießt.
Es muß daher bei allen Abbauverfahren dafür
gesorgt werden, daß das Mineral mit langen
Schüssen nach einer freien Fläche abgedrückt
werden kann. Vielfach ist auch versucht worden,
die Sprengstoffkosten durch Schießen mit flüs-
siger Luft herabzusetzen.
Bergmännisch interessant sind auch die Ver-
suche, das Salz ohne Schießarbeit hereinzu-
gewinnen. Sie beschränken sich im wesentlichen
auf das Auffahren von
Strecken, weil hier die
Schießarbeit wegen
der Notwendigkeit der
Herstellung eines Ein-
bruches besonders
hohe Kosten verur-
sacht. Bei der maschi-
nellen Vortriebsarbeit
ist die geringe Härte
und die gute Schneid-
barkeit des Salzes von
Vorteil. Zwei Maschi-
nen sind besonders
bekannt geworden.
Die Streckenbohrma-
schine Rotatio von
Flottmann (Bild 9) und
der eiserne Bergmann
von Schmidt, Kranz
und Co. (Bild 10). Die
Rotatio bohrt zur Füh-
rung ein Mittelloch
und fräst durch zwei
mit Schneidemessern besetzte rotierende Ringe
zwei ringförmige Kerne heraus, welche hinter-
her parallel zum Ortsstoß abgeschnitten wer-
den. Dazu dienen Messer, die während des
Vortriebes der Maschine eng an den Fräsringen
anliegen, zum Abschneiden des Kernes aber
freigegeben werden und nun unter Federdruck
ihre Arbeit beginnen. Der eiserne Bergmann ist
für Salz besonders geeignet. Es ist eine Fräs-
maschine, welche die ganze Strecke 2 X 2 m
quadratisch herausarbeitet und das Salz zu
Bild 9: ,,Rotatio"~Strecken-Bohrmaschine
beim Stollenvortrieb
einem körnigen Grieß zerschneidet. Die Schneid-
stähle sind auf einer die Strecke ausfüllenden
Walze in solcher Zahl und solcher Verteilung
angebracht, daß keine Rippen stehen bleiben
können, wenn die Walze unter ständiger Dre-
hung vorwärts bewegt wird. Die abgefrästen
Salzspäne werden selbsttätig weggefüllt, auf ein
Transportband gehoben und von diesem in die
Förderwagen verladen.
Bild 10: Der ,.eiserne Bergmann"
55
Die dem Bergmann drohenden Gefahren sind
im Kalibergbau weniger groß als im Steinkohlen-
bergbau. Vor allem fehlt der starke Gebirgs-
druck und die Schlagwettergefahr, wenn auch
Grubengas in kleineren Mengen schon vorge-
kommen ist. Dagegen besteht in manchen Kali-
bezirken die Möglichkeit von Kohlensäureaus-
brüchen, die so heftig werden können, daß der
für die Atmung notwendige Sauerstoffgehalt der
Luft unterschritten wird, das heißt, daß für den
Bergmann Erstickungsgefahr besteht. Kohlen-
säureausbrüche kommen dort vor, wo das bereits
abgelagerte Salzgebirge durch glutflüssige
Tiefengesteine, meist Basalte, durchbrochen
worden ist. Die in dem Magma, wie man solche
flüssigen Gesteinsmassen nennt, enthaltenen
Gase, vor allem die in großen Mengen vorhan-
denen Kohlensäuren, dringen in die Klüfte und
Spalten des durchbrochenen Salzgebirges ein
und verbleiben hier unter großem Druck. Werden
diese Spalten später von einem Grubenbau an-
gefahren, so strömt das in ihm enthaltene Gas
aus und dringt in die Grubenbaue ein. Neben
Kohlensäuren sind auch Wasserstoffausströ-
mungen bekannt geworden.
Zum Schluß seien noch die vier wichtigsten
Kaliländer Europas mit ihren Förderziffern aus
dem Jahre 1939 angeführt, die einen Begriff von
der Bedeutung dieses Bergbauzweiges geben:
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56
1950: DAS HEILIGE JAHR
Das Wort Jubiläum (hebv. jobel) bezeich-
net das alle 50 Jahre wiederkehrende
Erlaßjahr der Juden, im Mittelalter die
Feier des 50jährigen Eintritts in einen
Orden, dann allgemein die 25-, 50-, 100jährige
Gedenkfeier. Die Volkssprache bringt Jubiläum
mit Jubel (Freude) in Verbindung.
Das Jubeljahr der Kirche, „Jubiläumsjahr der
Christen", „Jubiläum", auch das „Goldene Jahr"
genannt, trägt den Namen Heiliges Jahr, weil
es mit hl. Gebräuchen und Gnaden ausgestattet
und zur Heiligung der Gläubigen bestimmt ist.
Es handelt sich dabei um den Zeitraum eines
Jahres, innerhalb dessen ein in besonders feier-
licher Weise verkündeter Ablaß, der soge-
nannte Jubel-Ablaß und andere geistliche Gna-
den gewonnen werden können.
Seit dem Spätmittelalter ist das Jubeljahr
eine ausgezeichnete regelmäßige Erscheinung
des abendländischen kirchlichen Frömmigkeits-
tebens. Vorläufer waren die großen Ablaßzeiten
der Kreuzzüge. Das Jubeljahr im geltenden
amtlichen Sinne stiftete Papst Bonifaz VIII. für
das Jahr 1300 und jedes folgende 100. Jahr als
Vergebung aller Sündenstrafen für jene Gläu-
bigen, die in diesem Jahr nach reuiger Beichte
an dreissig Tagen die Grabeskirchen der hhl.
Apostel Petrus und Paulus in Rom andächtig
besuchten. Gleich die erste Feier des Jubel-
jahres nahm einen großartigen Verlauf, sie
wirkte religiös erhebend und völkerverbindend
bei der ansteigenden Sonderung der europä-
ischen Länder und Staaten. — Papst Clemens VI.
bestimmte in einer Bulle vom Jahre 1343 jedes
50. und Papst Urban VI. im Jahre 1389 jedes
33. Jahr als Jubeljahr im Hinblick auf die 33
Jahre, die Jesus Christus auf Erden geweilt hat.
Papst Paul II. legte dann im Jahre 1470 jedes
25, Jahr als Jubeljahr fest, wobei es auch dann
geblieben ist. Das 19. Jahrhundert jedoch er-
lebte infolge hemmender Bedrängnisse nur ein
vollfeierliches Jubeljahr im Jahre 1825 unter
Papst Leo XII. — Aus besonderen Anlässen
bestimmten die Päpste auch außerordentliche
Jubeljahre. Seit Papst Sixtus V. im Jahre 1585
ist es beispielsweise Sitte, daß der Papst anläß-
lich seiner Thronbesteigung einen Jubiläums-
ablaß (von jetzt 30 Tagen) ausschreibt. Die
jüngsten Jubeljahre waren das Jahr 1900, beson-
ders bedeutsam durch die Weltweihe Leos XIII.
an das hl. Herz Jesu, unter Pius XI. die Jahre
1925 und 1926 (zum 700. Todestage des hl. Franz
von Assisi), sowie das Jahr 1933 (1900jährige
Wiederkehr des Todesjahres Jesu Christi).
Seit Papst Alexander VI, wird das Heilige
Jahr vom Papst feierlich vor der ersten Weih-
nachtsvesper durch Hammerschlag auf das ver-
mauerte Jubeltor (porta aurea — goldene Pforte)
vom St. Petersdom und durch Hindurchschreiten
durch diese Pforte eröffnet und genau nach
einem Jahr durch Vermauerung des gleichen
Tores geschlossen. Diese Zeremonie erinnert an
die altkirchliche Bußdisziplin und Liturgie und
bringt symbolisch die Eröffnung des Paradieses
durch die Gnaden des Jubeljahres zur Darstel-
lung. Durch Kardinallegaten werden zur gleichen
Zeit die Jubeltore der drei anderen römischen
Hauptkirchen (Lateran, Maria Maggiore, St. Paul)
geöffnet oder geschlossen. Diese vier Kirchen
sind im Jubeljahr in Rom zur Gewinnung des
Jubelablasses zu besuchen. Ursprünglich war
der Ablaß nur in Rom zu gewinnen. Seit dem
Jahre 1386 wurde er Privileg einiger Städte
Deutschlands; seit 1500 wurde er allen von Rom
entfernten Kirchen verliehen, für diese aber
erst nach Ablauf des römischen Jahres, und
zwar nur für sechs Monate (Nachjubiläum),
wofür den Beichtvätern besondere Vollmachten
verliehen wurden. Seit 1925 sind eigene Jubi-
läumsmedaillen gebräuchlich.
Für die geistlichen Vorteile und Bedingungen
des Heiligen Jahres ist in erster Linie die jedes-
malige Jubiläumsbulle maßgebend. Ein vollkom-
mener Ablaß kann während des Heiligen Jahres
durch jedesmalige Erfüllung der Bedingungen
mehrmals gewonnen und gewöhnlich auch den
armen Seelen zugewendet werden. Die Bedin-
gungen des Jubiläumsablasses sind ausser wür-
digem Empfang der Sakramente, der Buße und
des Altares eine bestimmte Anzahl von K'irchen-
besuchen mit Gebet nach Meinung des Heiligen
Vaters, für außerordentliche Jubeljahre dazu
ein oder mehrere Fasttage und Almosen.
Für das Heilige Jahr 1950 sind ein Zentral-
komitee und fünf geistliche Kommissionen zu-
sammengetreten zur Durchführung der geist-
lichen und technischen Aufgaben: je eine Kom-
mission für die geistige Betreuung, für die Kon-
gresse, für die Ausstellungen, für die Kirchen-
musik, für finanztechnische Fragen.
Nach dem Willen des Heiligen Vaters Pius XII.
soll das Heilige Jahr 1950 vornehmlich auf dem
ganzen katholischen Erdkreis das moderne Zen-
tralproblem der praktischen Verwirklichung der
sozialen Gerechtigkeit in allen Gebieten des
Lebens aufreißen. Die katholische Aktion der
Männer in der Diözese Rom stellte bereits zu
Anfang des Jahres 1949 unter dem Thema „Die
soziale Gerechtigkeit im Lichte des Heiligen
Jahres" dieses Problem in den Mittelpunkt ihrer
intensiven Beratungen. Dieses Anliegen kommt
auch zum Ausdruck in dem Gebet, das unser
Heiliger Vater für das Heilige Jahr 1950 ver-
faßt hat. Es heißt darin: „Erwecke in den Her-
57
Die Peterskirche in Rom
zen derer, die Dich Vater nennen, Hunger und
Durst nach sozialer Gerechtigkeit und brüder-
licher Liebe in der Tat und in der Wahrheit."
Aus diesem Gebet für das Heilige Jahr 1950
erkennen wir die Hauptsorgen, die den Heiligen
Vater bewegen.
Er dankt zunächst dem allmächtigen, ewigen
Gott für das Gnadengeschenk des Heiligen
Jahres. Dann bittet er den himmlischen Vater
darum, die Herzen der Menschen gelehrig zu
machen für die Stimme seines Sohnes in diesem
Gnadenjahr, das für alle ein Jahr der Reinigung
und Heiligung, der Innerlichkeit und der Sühne
werden möge, ein Jahr der Umkehr und des
großen Verzeihens. Der Heilige Vater denkt
auch an die um ihres Glaubens willen verfolgten
Kinder der katholischen Kirche und erbittet
ihnen den Geist der Stärke. Er betet für die
Einheit von Klerus und Volk, auf daß beide
wie ein starker Fels Zusammen-
halten möchten, an dem sich die
Flut der Feinde Jesu Christi
brechen möge. Inbrünstig fleht
er um den Geist wahrer Näch-
stenliebe für die zahllosen Un-
glücklichen, die in menschen-
unwürdiger Lage leben müssen.
Eine tiefinnerliche Frage bedeu-
tet dem Heiligen Vater die des
Friedens, des Herzensfriedens
der einzelnen Menschen und
der Völkerfamilie. Sehnlichst1
wünscht der Heilige Vater, daß
sich der Friedensbogen auch
über dem Land wölbe, das ge-
heiligt ist durch das Leben und
Leiden des Gottessohnes. Er ruft
„den Gott des Trostes" an, dem
wir trotz unseres Schuldbe-
wußtseins unser Los kindlich
vertrauend in die Hände legen
sollen im Hinblick auf die Für-
sprache und Verdienste der
Muttergottes und aller Heiligen.
Der Heilige Vater denkt an
alle Stände, an die Schwachen
und Gesunden, an Väter und
Mütter, an Jungmänner und
Jungmädchen, an die Waisen,
die Flüchtlinge und Gefangenen
und ersehnt für sie ihre beson-
deren Berufsgnaden. Mit dem
Heiligen Vater beten wir:
„Schenke den Kranken Erge-
bung und Gesundung, den Jung-
männern Kraft im Glauben, den
Jungmädchen Reinheit, den Vä-
tern Wohlfahrt und Heiligkeit
der Familie, den Müttern Erfolg
in ihrer Erziehungsaufgabe, den
Waisen liebevolle Fürsorge, den
Flüchtlingen und Gefangenen die Heimat, allen
Deine Gnade — als Vorbereitung und Unter-
pfand des ewigen Glückes im Himmel. Amen!"
(Ein Wort zu unseren Bildern):
Die Peterskirche birgt die Grabstätte des
heiligen Petrus und ist der größte Bau der
katholischen Christenheit, deren kirchlicher
Mittelpunkt und Pilgerziel. Sie liegt, das Stadt-
bild weithin beherrschend, im Westen Roms,
am kolonnadengeschmückten Petersplatz. Aus
ihrer Baugeschichte wissen wir, daß eine erste
Kirche unter Konstantin unter dem Grab des
heiligen Petrus entstand, im Basilikastil, 325
begonnen und 349 vollendet. Papst Nikolaus V.
beschloss einen Neubau, der 1452 in Angriff
genommen wurde. Papst Julius II. beauftragte
1506 Bramante mit einem neuen Projekt. Dieser
schlug einen Zentralbau vor wie später wieder
Michelangelo, Die Fassade wurde 1640 fertig-
Inneres der Peterskirche
58
St. Paul vor den Toren
gestellt. Papst Urban VIII.
weihte 1626 die neue Peters-
kirche ein. Der Petersplatz mit
dem vatikanischen Obelisken
und den zwei Brunnen ist ein
Ruhmeswerk von Bernini. Den
erhabensten Eindruck vom In-
nern der Peterskirche empfan-
gen wir unterhalb der Kuppel
stehend, die sich erst 123 m
über uns zur Laterne schließt.
Wunderbar ist die Gliederung
dieses Kuppelsaales mit seinen
Nischen und Bogengängen, mit
seinen Bildwerken und herr-
lichen Mosaiken. Am Hochaltar
bewundern wir das 30 m hohe
erzene Tabernakel von Bernini,
wir sehen hinab in die Con-
fessio mit den Statuen des hei-
ligen Petrus und Paulus, und
wir stehen andächtig vor Berninis Cathedra
Petri, dem herrlichen Bronzethron, der den
alten Bischofsstuhl des Apostels umschließt.
Das Gefühl, an einem vielfach geheiligten Platz
zu stehen, ist besonders stark in den Krypten,
den unterirdischen Teilen der alten Petsrs-
kirche, in der zahlreiche Päpste beigesetzt sind.
Die Lateranbasilika, dem Erlöser und dem
heiligen Johannes dem Täufer geweiht (San
Giovanni in Laterano), ist die erste Patriarchal-
basilika der katholischen Christenheit. Sie ent-
stand auf einer von Konstantin errichteten
Kirche, die schon im Mittelalter mehrfach ver-
ändert wurde. Aus konstantinischer Zeit ist das
achteckige Baptisterium und aus dem 13. Jahr-
hundert der herrliche Kreuzgang erhalten. Die
Kirche enthält die Grabmäler von Martin V.,
Innozenz III. und Leo XIII. — Die Gebäude-
gruppe des Lateran war ursprünglich Eigentum
der Familie Laterani (daher der Name); zu An-
fang des 3. Jahrhunderts wurde sie der kaiser-
lichen Familie und 311 von Fausta, der Gattin
Konstantins, dem Papst geschenkt.
Maria Maggiore liegt auf der Höhe des
Esquilin. Die älteste Marienkirche wurde im
5. Jahrhundert durch eine erweiterte Basilika er-
setzt, von der noch einige Reste erhalten sind.
Im Mittelalter wurden dann immer neue Er-
weiterungen und Umbauten vorgenommen und
um 1500 schließlich die ganze Gebäudegruppe
im Stile der Renaissance verschmolzen. Die
Fassade mit ihren wundervollen Portalen und
der prächtigen Loggia wurde in den vierziger
Jahren des 18. Jahrhunderts fertiggestellt. Das
Innere macht mit den antiken Säulen und den
frühen Mosaiken, mit den schönen Grabmälern
und dem reichen Kranz der Kapellen einen fest-
lichen Eindruck. Besonders feierlich wirken die
Sixtinische und Borghesische
Kapelle mit den Gräbern der
Päpste.
An der Straße, die Rom mit
seinem Hafen Ostia verbindet,
liegt die Basilika St. Paul vor
den Toren (S, Paolo fuori le
mura), im Jahre 386 von Theo-
dosius gegründet, später oft er-
neuert und bis vor 100 Jahren,
als sie fast ganz abbrannte, eine
der schönsten und interessan-
testen Kirchen Roms. Das Innere
des im alten Stil renovierten
Gotteshauses wirkt wie ein ge-
waltiger Festsaal. Seine reiche
Decke wird durch 80 Granit-
säulen mit Marmorkapitälen ge-
tragen. In dem von der Feuers-
brunst verschonten Chor finden
wir noch die wundervollen Mo-
Lateranbasilika
59
saiken aus dem 13. Jahrhundert, und der Kreuz-
gang der gleichen Zeit mit seinen altchristlichen
Inschriften an den Wänden gehört zu den stim-
mungsvollsten Klosterhöfen der ganzen Welt.
Die Katakomben waren unterirdische christ-
liche Begräbnisstätten. Der Name (griech. cata-
cumbas = bei der Senkung) war ursprünglich
ein Flurname für die Vertiefung an der Appi-
schen Straße bei Rom, diente dann zur Bezeich-
nung der unter der Kirche San Sebastiano nahe
der Senkung befindlichen christlichen Grab-
anlage. Als später von den römischen Kata-
komben hauptsächlich diese bekannt und be-
sucht wurde, ging der Name auf die anderen
ähnlichen Grabformen als allgemeine Bezeich-
nung über. Die Katakomben bestehen aus einem
Labyrinth von unterirdischen Gängen, die oft
in mehreren Stockwerken übereinander liegen.
In die leicht zu bearbeitenden Tuffwände wurden
Nischen eingegraben, in denen die Leichname
zur Ruhe gebettet wurden, über 50 Katakomben
hat man in Rom entdeckt. Die Gesamtlänge
ihrer Gänge beträgt 900 km. Die ältesten ent-
stammen dem 1. Jahrhundert. Im 3. Jahrhundert
dienten sie vielfach als heimliche Versamm-
lungsorte und Zufluchtsstätten bei den Christen-
verfolgungen. Als man dann im 5. Jahrhundert
begann, die Toten in der Nähe der Kirchen bei-
zusetzen, wurden die Katakomben nicht mehr
benutzt und gerieten in Vergessenheit, bis man
um 1600 dieses unterirdische Rom wieder auf-
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deckte, über den Katakomben wurden später
die ersten Kirchen im Stile der römischen
Markthallen (Basiliken) angelegt. Viele In-
schriften sind erhalten geblieben und manche
symbolische Zeichen: der Fisch als Symbol für
,,Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser", der Hahn
Christussymbol des Fisches
in der Domitilla-Katakombe
als Zeichen der Wachsamkeit, der Löwe als
Symbol der Glaubensstärke, der gute Hirte. Der
Rundgang durch diese Gänge gehört zu den
größten Erlebnissen auf Erden. Hier fühlen wir
den Kampf des Christentums mit der heid-
nischen Kultur, hier empfinden wir die Not der
um Christi willen Verfolgten, und hier kommt uns
die über Schrecken und Tod triumphierende gei-
stige Macht des Christentums zum Bewußtsein.
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Laßt drehn sich die Räder mit schwingender Macht,
Laßt schaffen uns und werken tief unten im Schacht,
Laßt schwarzes Gold zum Lichte uns heben
Und freun laßt uns wieder am freien Leben!
Hell das Lied der friedlichen Arbeit erklinge,
Kunde vom ehrlichen Wollen es bringe,
Kein Hassen und Streiten uns soll wieder trennen;
Aus tiefstem Herzen dies laßt uns bekennen:
Von Volk zu Volk kein feindlich Land,
Von Mensch zu Mensch wir reichen die Hand!
Dies laßt uns geloben, die Hand darauf,
Und froh erschalle unser schlichtes „Glückauf!"
o
61
Ein Kapitel von Kinderspielen, Backöfen und Nähmaschinen
DAS SOZIALE SCHAFFEN DER „REGIE des MINES"
Kindergärten und Hausholtungsschulen
Wenn auch der Gedanke alt ist, die Bergmanns-
frau durch das „Verwahren" ihrer Kinder zu
entlasten und ihr die Sorge um eine gute Aus-
bildung ihrer Töchter abzunehmen, so haben
sich doch im Laufe der Jahrzehnte ganz neue
Gesichtspunkte auf dem Gebiete des Sozial-
wesens herauskristallisiert, so daß der Service
Social der Regie des Mines de la Sarre, als
er nach Beendigung des zweiten großen Krieges
mit seiner Wiederaufbauarbeit begann, nicht
ohne weiteres auf alte Erfahrungen zurück-
greifen konnte.
Die Kindergärten und Haushaltungsschulen
der Saargruben gehen auf eine gewisse Tradi-
tion zurück. Bereits im Jahre 1876 gründete der
Knappschaftsverein in verschiedenen Berg-
mannskolonien „Kleinkinderverwahranstalten"
die derart großen Anklang fanden, daß im
Jahre 1884/85 die Bergwerksverwaltung sich
entschloß, dieselben auf eigene Kosten zu über-
nehmen. Auch die ehemaligen „Industrie-
schulen" sind knappschaftlichen Ursprungs und
wurden später von der Verwaltung der Saar-
gruben übernommen. Die Gründung der Kinder-
gärten und Haushaltungsschulen stellt eine für
die damalige Zeit beachtenswerte Tat dar.
Jetzt unterhält die Regie des Mines nicht
weniger als 16 Kindergärten, die sich schon
dadurch wesentlich
von den ursprüng-
lichen unterscheiden,
daß sie nicht „Ver-
wahranstalten" sein
wollen, sondern Kin-
dergärten, in denen
die Kleinen unter der
sorgsamen Leitung der
Kindergärtnerin oder
Jugendleiterin gehütet,
gepflegt und erzogen
werden. Sie werden
dazu angehalten, sich
vor dem Frühstück
die Hände zu waschen,
ordentlich und sauber
zu essen, und haben
bald gelernt, daß Mut-
ters Butterbrote dann
doppelt so gut schmek-
ken. Einen großen Teil
in der Gesundheits-
erziehung des Kindes
nimmt die Gymnastik ein, auf die in unseren
Kindergärten besonderer Wert gelegt wird.
Die Kindergärten, die fast alle im Laufe des
Jahres 1943 renoviert wurden, weisen durch-
weg helle, große Räume auf und sind auch in
hygienischer Hinsicht in jeder Beziehung vor-
bildlich. Viele Grubendirektoren ließen die
Tagesräume künstlerisch ausmalen, so daß die
Kleinen, wenn sie bei schlechtem Wetter auf
die Zimmer angewiesen sind, eine schöne
„Bleibe" haben und an ihren niedlichen Tisch-
chen und den kleinen Stühlchen — die direkt
von den sieben Zwergen hinter den sieben
Bergen herzurühren scheinen — bei Gesell-
schaftsspiel oder Kasperletheater mindestens
genau so gut aufgehoben sind wie auf den
Spielplätzen draußen.
Den Höhepunkt in ihrem kleinen Leben bil-
den die Kinderfeste, die an Ostern, dem
Nikolaustag und an Weihnachten oder dem
Tag, an dem die Sechsjährigen der Kinder-
gartengemeinschaft Lebewohl sagen müssen,
um ihrer Schulpflicht zu genügen, in Gemein-
schaft der Eltern gefeiert werden. Zu diesen
Festen werden wochenlang Vorbereitungen ge-
troffen. Es gibt jedesmal viel Geheimnistuerei
und schließlich glückstrahlende Kinderaugen
am gemeinsamen Kaffeetisch mit dem herrlich
Kinder beim Sandspiel in einem der vielen Kindergärten
der Regie des Mines de la Sarre
62
In der Nähschule
duftenden Kuchen, den die Haushaltungs-
schülerinnen gebacken haben und nicht zuletzt
bei der üblichen Verteilung des schönen Spiel-
zeugs, von dem die kleine Gesellschaft nie
genug bekommen kann.
Wenn wir von unseren Kindergärten
sprechen, wollen wir nicht vergessen, den Hort
zu erwähnen, der im Februar 1948 in Velsen
eröffnet wurde. Ungefähr 60 Jungen und Mädel
finden sich dort jeden Nachmittag zusammen,
um unter der Leitung der Hortnerin ihre Schul-
aufgaben zu machen. Wenn die Hefte und
Bücher mit gutem Ge-
wissen zugeklappt wer-
den können und die
Schulpflichten zur Zu-
friedenheit beider Tei-
le erledigt sind, dürfen
die Kinder ihren Nei-
gungen nachgehen.
Auf das ernste „Stu-
dium" folgen Spiel,
Basteln oder Geschich-
tenerzählen . . .
und vor allem der Ge-
sang, der ihnen allen
große Freude macht.
Ja, wir wollen ihn
nicht vergessen, die-
sen kleinen Chor, der
so hübsche, mehr-
stimmige Lieder singt!
Vergessen wollen wir
auch nicht zu ver-
raten, daß die Mütter
sehr zufrieden über
die gute Haltung ihrer
Jungens und Mädel
sind, seit sie den Hort
besuchen.
Ein zweites dank-
bares Tätigkeitsfeld
für den Service Social
der Regie des Mines
de la Sarre bilden die
16 Haushaltungsschu-
len, in denen insge-
samt etwa 500 Berg-
mannstöchter zu tüch-
tigen und sparsamen
Hausfrauen erzogen
werden. Im Juli 1947
wurden die Schulen
vom Kultusministeri-
um als Berufsschulen
staatlich anerkannt.
Der einjährige Be-
such einer Haushal-
tungsschule der Saar-
gruben befreit die
Schülerin von der Be-
rufsschulpflicht (3jährige Schulzeit), falls sie
ihre Abschlußprüfung besteht, die sie vor einer
Prüfungskommission ablegen muß. Letztere
setzt sich aus Vertretern des Kultusministeri-
ums, Abteilung Berufsschulwesen, und Vertre-
tern der Lehrer- und Elternschaft zusammen.
An die drei besten Schülerinnen werden Preise
verteilt.
Auch die Hauswirtschaftsschulen überraschen
durch die hellen, freundlichen Räume und ihre
geschmackvolle, moderne Einrichtung. Jede
Das Friihstücksbrot scheint gut zu schmecken
63
Schule besitzt eine gut einge-
richtete Küche, einen oder meh-
rere Unterrichtsräume und den
Nähsaal. Während in den frühe-
ren Industrieschulen die Berg-
mannstöchter ausschließlich im
Nähen und Kochen unterrichtet
wurden, setzt sich der Lehrplan
der Berufsschulen im wesent-
lichen aus folgenden Fächern
zusammen: Haushaltungskunde,
Sprachen und Erziehungslehre,
Rechnen und hauswirtschaft-
liche Buchführung, Gesund-
heitspflege, Kranken- und Säug-
lingspflege, Kochen in Verbin-
dung mit Nahrungsmittellehre,
Nähen, Gartenbau, Turnen und
Singspiele.
Daß man aber auch heute
noch größten Wert auf eine
sorgfältige und solide Ausbil-
dung im Kochen und Nähen
legt, beweisen die Ausstellun-
gen, die im Gästehaus der Re-
gie des Mines de la Sarre und
in Räumen des Direktionsgebäu-
des stattfanden. Die zahlreichen
Besucher, die die mannigfalti-
gen zur Schau gestellten hüb-
schen Kleider, Kostüme, Män-
tel, Wäsche und Handarbeiten
oder die köstlichen Leckereien, Kuchen und
Torten der Kochabteilung bewunderten, be-
kamen auch einen Begriff davon, daß bei der
Unterrichtung der Mädel nicht allein Wert auf
gediegene und gekonnte Arbeit oder auf den
Wohlgeschmack gelegt wird, sondern auch auf
die Pflege der geschmacklichen, ästhetischen
Schulung.
Der Besuch der Haushaltungs-Berufsschulen
bereitet die Bergmannstöchter auf ihren zu-
künftigen Hausfrauenberuf vor und vermittelt
ihnen gute Kenntnisse auf allen hauswirtschaft-
lichen Gebieten, so daß sie später in der Lage
sein werden, sparsam und ordentlich zu wirt-
schaften. Er bildet aber gleichfalls eine gute
Grundlage zu den sozialen Berufen der Kinder-
gärtnerin oder -pflegerin.
Neben den Unterrichtsstunden der Berufs-
schulen laufen noch 8 Nähkurse und ein Koch-
kurs für die Bergmannsfrauen und ihre älteren
Töchter, die nicht mehr berufsschulpflichtig sind.
280 Schülerinnen besuchen diese Kurse und wer-
den dort im Nähen, Zuschneiden, Flicken, Stricken
oder auch im Kochen unterwiesen. Diese Kurse
finden bei allen Frauen großen Anklang, geben
sie ihnen doch die Möglichkeit, für sich und
ihre Familie Kleider und Anzüge zu nähen und
auf diese Weise eine gute Stange Geld einzu-
Berg mannst öcht er lernen kochen
sparen. Auch Bräute von Bergleuten haben sich
eingefunden, um ihre Aussteuer unter der fach-
lichen Leitung der Lehrerinnen zu nähen.
Abschließend sei noch bemerkt, daß in den
Kindergärten sowie in den Schulen ausschließ-
lich Fachkräfte tätig sind: staatlich geprüfte
Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen oder
Kinderpflegerinnen und diplomierte Gewerbe-
lehrerinnen und Schneidermeisterinnen, so daß
Kinder und Schülerinnen in guten Händen sind.
Die Einrichtung der Kindergärten und Berufs-
schulen stellt nur einen Ausschnitt aus dem
sozialen Schaffen der Regie des Mines de la
Sarre dar. Sie dient ausschließlich der Er-
ziehung der Jugend und ihrer Ausbildung und
greift nur insofern lindernd in die Notlage
mancher Bergmannsfamilien ein, als es den
Schülerinnen der Haushaltungsschulen ermög-
licht wird, die Sorge für die Kleidung der
Familie zu übernehmen oder auch im Krank-
heitsfälle einer Bergmannsfrau helfend einzu-
springen, ihren Kindern Essen zu verabreichen
und die anfallende Flickarbeit zu erledigen. Die
Kindergärten und Schulen sind nicht der ge-
ringste Faktor in der fürsorgerischen Arbeit des
Service Social der Saargruben, da sie der
Jugend dienen und ihr eine stabile Grund-
lage vermitteln, auf der sie ihr Leben mit Er-
folg aufbauen kann. I. Margait
64
Von S t u d i e n r a t H e n s e 1, Homburg (Saar)
Der Ablauf der Weltgeschichte kennt
Höhen und Tiefen, Werden und Ver-
gehen im Leben der Völker, Zeitab-
schnitte des Friedens, wie solche des
Krieges, Kulturepochen voll des geistigen
Schaffens und Perioden der Trägheit und des
Stillstandes der schöpferischen Kräfte. Seit
Beginn unserer Zeitrechnung ist dieses Auf und
Ab der politischen, geistigen, wirtschaftlichen
und kulturellen Strömungen weitgehend zu
verfolgen.
Nur eine Ausnahme scheint es in der
Wellenbewegung aller Erscheinungen bisher zu
geben. Das ist die Entwicklung der Technik
und der Naturwissenschaften. Beginnt man die
historischen Untersuchungen etwa im Jahre
2000 vor Christo oder noch früher und verfolgt
sie bis in unser Jahrhundert, d. h. über einen
Zeitraum von 4000 Jahren, so wurden nennens-
werte technische Fortschritte während 3500
Jahren überhaupt nicht erzielt, um dann lang-
sam mit dem 17. Jahrhundert beginnend, immer
schneller sich folgend bis zum 20. Jahrhundert
einen ungeahnten Anstieg zu nehmen. Die
elektrischen Maschinen, Dampfmaschinen,
Eisenbahn, Auto, Flugzeug, Radio, Röntgen-
strahlen, Fernsehen, U-Boote, Tauchgeräte, Eis-
maschinen, Telephon, Telegraphie, Kino, Gram-
mophon, alles sind Errungenschaften der letzten
hundert Jahre.
Die Kurve der technischen Entwicklung ist
keine Wellenlinie, sondern sie besteht viel-
mehr aus einem von frühester Zeit bis zum
16. Jahrhundert nahezu gleichbleibenden, hori-
zontal verlaufenden Ast und einem sich an-
schließenden erst allmählich, dann seit 1860
immer steiler aufsteigenden Linienzug.
Gesamtheit leicht erlernen konnte. Heute sind
diese Wissenschaften zu einem Meer von
Kenntnissen angewachsen, und nur noch kleine
Teile, Spezialgebiete, kann ein Mensch gründ-
lich erfassen. Es gibt darin keine Universal-
wissenschaftler mehr, sondern nur Spezialisten,
etwa einen Hochfrequenzphysiker oder einen
Atomforscher, einen Meteorologen, einen Nah-
rungsmittelchemiker, einen Farbstoffachmann
usw. usw.
Wenn überhaupt in dem rapiden Anstieg der
naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung
ein Zeitpunkt existiert, der einen historischen
Schnittpunkt darstellt, so ist es das Jahr 1898,
das Entdeckungsjahr des Radiums durch Marie
und Pierre Curie. Mit diesem Jahr begann
eine neue Epoche mit so gewaltigen Umwäl-
zungen auf dem gesamten Gebiet der Physik
und Chemie wie nie zuvor. Die Bedeutung
dieses historischen Jahres soll näher begründet
werden.
Unsere Welt besteht — wie man schätzen
muß — aus einigen Millionen verschiedener
Stoffe meist zusammengesetzter Natur, das sind
sämtliche Stoffe des Tier-, Pflanzen- und Stein-
reiches, wie Fett, Fleisch, Haut, Haare, Zucker,
Eiweiß, Blut, Hirn, Wolle, Seide, Holz, Gummi,
Kork, Salz, Erz, Metalle, Steine, Sand, Kohlen-
säure, Wasserstoff usw. usw.
Die ungeheure Vielheit aller Stoffe konnte
bis zum Jahre 1898 auf 87 Grundstoffe zurück-
geführt werden. Alle zusammengesetzten Stoffe
Lntwitklunqslinie der Technik seit Christi Geburt
o
4,00 8,00 -12,00 16,00
Die Chemie, die Physik waren noch im
18. Jahrhundert ein kleines, nicht umfang-
reiches Wissensgebiet, das ein Student in aller
bauen sich aus den kleinsten Bestandteilen
(Atomen) dieser Grundstoffe auf, indem die
Atome der Grundstoffe sich in zahllosen Kom-
5
65
binationen und Gewichtsanteilen miteinander
verbinden; so erhält man z. B. Kochsalz aus
Chlor und Natrium, Salzsäure aus Chlor und
Wasserstoff, Soda aus Natrium, Kohle und
Sauerstoff, Alkohol aus Kohle, Wasserstoff und
Sauerstoff. Die Grundstoffe galten bis zum
Jahre 1898 als die letzten Bausteine der
Materie. Man nahm an, daß sie in keine wei-
teren Bestandteile mehr zerlegt werden könn-
ten. Einige von ihnen seien genannt: Wasser-
stoff (im Leuchtgas enthalten!), Helium (kost-
bares Gas in Erdgasquellen und Mineralien),
Kohlenstoff (reinste Kohle), Aluminium, Phos-
phor, Chlor, Kupfer, Zink, Zinn, Blei, Nickel,
Sauerstoff, Stickstoff, Quecksilber, Platin,
Chrom.
Es gibt noch heute viele Menschen, die die
Existenz der kleinsten Bausteine, der ,,Atome",
dieser Grundstoffe, bezweifeln. Sind die Atome
in demselben Sinne und mit derselben Sicher-
heit als „wirkliche Dinge" anzusprechen wie
etwa Mauersteine oder Salzkörner? Jawohl!
Die Atome sind, wenn auch sehr, sehr klein,
und nicht direkt sichtbar, so doch ebenso ein-
deutig durch die mannigfaltigsten physikali-
schen und chemischen Verfahren und Messun-
gen in ihrer Größe und in ihrem Durchmesser
und Gewicht bekannt. Der Durchmesser eines
Wasserstoffatoms beträgt z. B. 12tausendstel
eines millionstel Millimeters, sein Gewicht
ein quadrillionstel Gramm. Solche Zahlen wer-
den im kleinen nicht viel anders ermittelt als
im großen. Man kennt auch die Entfernung des
Mondes, der Sonne, der Sterne von der Erde,
ohne den Abstand mit dem Zollstock ausge-
messen zu haben. Ebenso kennt man die Ge-
wichte und Durchmesser der Planeten, ohne
sie — grotesk ausgedrückt — auf die Waage
gelegt zu haben. Zusammenfassend sei noch
einmal betont: bis zum Jahre 1898 waren 87
Grundstoffe bekannt. Die kleinsten Bestand-
teile jedes Grundstoffes sind seine Atome.
Heute kennt man 92 Atomarten. Man kann sie
dem Gewicht nach in eine aufsteigende Reihe
einordnen. Die leichteste Atomart hat der
Wasserstoff, die schwerste das Uran.
Einige Forscher sprachen schon frühzeitig
die Vermutung aus, daß alle Grundstoffe wie-
der auf einem einzigen sich aufbauen könnten.
Der englische Arzt Prout (1816) glaubte, das
Wasseratom als den einzigen und letzten Bau-
stein ansehen zu müssen. Allein dies blieb
lange nur eine Vermutung. 1896 beobachtete
der Physiker Henri Becquerel bei der Unter-
suchung von Mineralien, daß ein Uranerz, die
Uranpechblende, im völlig Dunklen die Fähig-
keit hatte, eine photographische Platte zu be-
lichten und elektrische Körper unelektrisch zu
machen.
Diese überaus merkwürdige Erscheinung
untersuchte das französische Ehepaar Marie
und Pierre Curie. In unermüdlicher Forscher-
arbeit unter den denkbar schwierigsten Um-
ständen entdeckten sie nach zwei Jahren den
Urheber dieser Wirkung, einen neuen Grund-
stoff: das Radium! Vom Radium werden Strah-
len ausgesandt, die die erwähnte Wirkung in
wesentlich verstärktem Maße auslösten. Die
Untersuchung dieser Strahlen führte nun zu
neuen, das Weltbild umstürzenden Erkennt-
nissen. Es begann ein unerhörtes, aufregendes,
sich ständig steigerndes Suchen und Ringen
der Chemiker und Physiker aller Länder in
allen Laboratorien um Einblick in das Innerste
der Atome.
Das Radium sendet Strahlen aus! Woraus
bestehen diese Strahlen? Wie lange kann das
Radium Strahlen abgeben? Welche Energie
haben die Strahlen? Wo kommt die Eneigie
her? Was haben die Strahlen für Eigenschaf-
ten? Was wird aus dem Radium während der
Strahlung? Warum strahlt ausgerechnet nur
das Radium als einziger Grundstoff? Ist die
abgegebene Strahlung verwertbar? Kann man
die Strahlung beeinflussen?
Eine Überfülle von Fragen war hier zu lösen.
Nur langsam enthüllte sich das Geheimnis. Die
vom Radium abgegebenen Strahlen setzen sich
aus drei Arten zusammen: 1. aus sehr durch-
dringenden Röntgenstrahlen, 2. aus den Bestand-
teilen der Elektrizität, genannt „Elektronen",
3. aus Heliumatomen.
Die erste Strahlengruppe ist bekannt. Jeder-
mann weiß, daß Röntgenstrahlen eine Art Licht-
strahlen sind, mit denen man mehr oder weniger
feste Stoffe durchleuchten kann. Die zweite
Gruppe „Elektronen" werden vom Radium wie
die Geschosse aus einem automatischen Ge-
schütz ausgestoßen. Die Elektronen sind die
winzigsten Bestandteile der negativen Elektri-
zität, Die Heliumatome endlich werden gleich-
falls wie Geschosse vom Radium abgefeuert,
wobei zu bemerken ist, daß diese Heliumatome
positiv elektrisch sind.
Welch eine Sensation! Aus dem Grundstoff
Radium kommt nicht nur Licht und Elektrizität,
sondern auch noch ein anderer Grundstoff, das
Gas „Helium". War der Grundstoff Radium etwa
kein Grundstoff? Wie konnte man dies be-
greifen? Die Entdeckung war ebenso sensa-
tionell, als hätte man aus Blei reinstes Gold
oder aus Eisen gediegenes Silber gewonnen. Ein
Grundstoff konnte sich in einen anderen um-
wandeln! War der Traum der Goldsucher in
Erfüllung gegangen? Hatte man ein Zauber-
elixier gefunden? Die Mystik verflossener Jahr-
hunderte tauchte aus der Vergangenheit auf;
die Zeit der Alchimie wurde wieder lebendig,
in der Fanatiker den „Stein der Weisen" suchten
oder die „rote Tinktur", jenes Mittel, mit dem
man Gold zeugen wollte. Auch „Magisterium"
oder „roter Löwe" hieß es, das als Universal-
66
medizin gleichfalls Wunder leisten könnte. Ernst-
hafte Alchimisten glaubten, daß die Metalle wie
die Menschen Körper und Seele hätten, die
Seele sei also der Grundstoff für beide. So er-
gab sich ihnen die Folgerung, durch schönere
Entwicklung der Seele (mittels Färbens oder
Tingierens) den Versuch zu wagen, unedle Me-
talle in edle zu verwandeln. Fürsten und Kaiser
beschäftigten sie mit dem Auftrag, Gold zu
machen. In Prag z. B. wurde eine ganze Straße,
die sogenannte Alchimistengasse, für die Gold-
sucher mit Laboratorien ausgebaut, zu denen
nur der Kaiser Rudolf II. von Habsburg über
einen geheimen Gang Zutritt hatte. Die Wissen-
schaft des 18. und 19. Jahrhunderts aber hatte
den Begriff des nicht umwandelbaren Grund-
stoffs geschaffen. Der Traum der Goldsucher
konnte hiernach nicht in Erfüllung gehen, ihr
Suchen und Trachten, ihre Hexenküchen waren
wertloses Tun. So standen die Dinge um 1900.
Und nun erhielt man Helium aus Radium. Der
kleinste und unzerlegbare Bestandteil, das Atom
Radium, schießt Heliumatome ab?
Der englische Physiker Rutherford sprach zu-
erst die Vermutung aus, daß das Radium bei der
Ausstrahlung selbst zerstrahlt. Er glaubte, daß
einige Atomsorten, vor allem die schwersten,
wie Uran, Radium, Thorium, in Einzelteile zer-
platzende Gebilde seien. Die Atome würden
zerfallen. Da überdies bei dem Zerfall oder Zer-
platzen Elektrizität in Form von Elektronen
abgegeben wird, so kam man allmählich zu der
Vorstellung, daß für unteilbar gehaltene Atome
wiederum zusammengesetzte Gebilde sein müß-
ten. Unter Hinzuziehung weiterer Forschungs-
ergebnisse berühmter Männer wie Röntgen,
Bohr, Planck, Soddy, Perrin u. a. entwickelte
man ein völlig neues Bild des Atoms.
Das einfachste Atom ist das des Wasserstoffs.
Es besteht aus einem Atomkern und einem
Elektron. Der Kern, der positiv elektrisch ge-
laden ist, wird von dem Elektron umkreist. Man
kann dabei an ein Vergleichsbild — etwa an
Sonne und Erde — denken. Das Modellbild
sieht wie folgt aus.
Modellbild des Wasserstoffatoms
atom ist das einfachste System, Helium hat
schon einen weniger einfachen Aufbau. Es be-
steht im Kern aus vier Bestandteilen, nämlich
zwei elektrischen und zwei unelektrischen
Wasserstoffkernen. Dieses Gebilde wird von
zwei Elektronen umkreist.
Modellbild des Heliumatoms
Elektron
Elektron
Das Radium aber muß man sich als ein sehr
kompliziertes Planetengebilde vorstellen. Ent-
scheidend für alle Zerfallsvorgänge ist dabei
stets der Kern der Atome, nicht die Elektronen,
die ihn als Planeten sozusagen umkreisen. Der
Kern ist bei jedem Grundstoff anders zusammen-
gesetzt. Die Radiumstrahlung kommt aus dem
Kern der Radiumatome, die Kerne zerfallen
und sind dabei die Lieferanten jener fort-
während abgegebenen Strahlungsenergien. Das
Radium zerstört sich dabei selbst und wandelt
sich in andere Grundstoffe um, die ursprüng-
lich gar nichts mit dem Radium zu tun hatten,
z. B. in Helium und — was spätere Unter-
suchungen gezeigt haben — in Blei. Alle diese
,,Zerfallsstoffe" stehen in der Rangfolge der
Grundstoffe niedriger. Der hochwertige Grund-
stoff verschwindet also und ein niedrigerer
entsteht. Der niedrigste, der überhaupt ent-
stehen kann, ist der Wasserstoff.
Der Energiegewinn ist also stets verknüpft
mit einem Qualitätsverlust. Dieser Abbau de*'
Qualität eines Stoffes darf keineswegs ver-
wechselt werden mit irgendeinem, uns von
altersher bekannten Zerfallsvorgang, etwa der
Verbrennung von Kohle. Verschwindet nicht
auch dort der Grundstoff Kohle und verwandelt
sich in andere minderwertige Stoffe wie Rauch
und Asche, gleichzeitig Energie in Form von
Wärme dabei aus-
Durchmesser des
gesamten Atoms
10 Millionstel mm
strahlend?
Zwischen beiden
Den Wasserstoffkern nennt man auch Proton.
Ein Atom ist also kein massives Gebilde, son-
dern eine Art Planetensystem. Das Wasserstoff-
Vorgängen ist ein
größerer Unter-
schied als zwischen heiß und kalt. Bei der
Verbrennung des Kohlenstoffs kommt ein vor-
handener Stoff hinzu, der Sauerstoff, ohne
den die Kohle nicht verbrennen kann. Der
Kohlenstoffatomkern bleibt aber dabei im Atom
unverändert, das Atom zerfällt keineswegs, es
67-
Marie Curie
verbindet sich nur mit dem Sauerstoff entweder
zu Kohlendioxyd oder zu Kohlenoxyd, beides
Gase, die zum großen Teil als Rauch entweichen
und die in den Gruben gefürchtete Vergiftungs-
und Explosionsgefahren bedeuten.
Das Radiumatom ist nach dem Zerfall über-
haupt nicht mehr wiederzufinden, es ist auch
keine Verbindung eingegangen Es existiert
nicht mehr, in keiner Form. Der Zerfall ist auch
nicht aufzuhalten oder zu beschleunigen, weder
durch Kälte, Hitze, Druck oder sonstwie.
Schon Pierre Curie hat 1903 die abgegebene
Energie gemessen. Er fand, daß 1 Gramm Ra-
dium in einer Stunde mehr als 100 kleine
Wärmeeinheiten, das sind 800 000 pro Jahr, ab-
gibt. Bis das Radium völlig zerfallen ist,
braucht es ca. 3500 Jahre.
Der Gedanke lag nahe, die gesamte, Jahr-
tausende währende Strahlungsenergie in kür-
zester Zeit dem Radium zu entreißen. Man
stelle sich vor, welche ungeheure Wärme dann
entwickelt werden könnte, wenn sich der Zer-
fall z. B. in einer Sekunde vollzöge. Es ist
unmöglich, alle Arbeiten, alle Versuche, alle
Untersuchungen hervorzuheben, die in allen
Ländern und Laboratorien von den ver-
schiedensten Forschern und Technikern durch-
geführt wurden, um das Radium zur plötzlichen
sekundlichen Abgabe seiner ganzen Energie
zu veranlassen oder wenigstens zu einer be-
schleunigten Abgabe. Vergebens! Der für einen
Erfolg benötigte äußere Einfluß reichte nicht aus.
Der englische Forscher Rutherford versuchte
einen neuen Trick. Er benutzte die vom Radium
abgegebene Strahlung selbst, um andere Atom-
arten damit zu beschießen. Er setzte das Stick-
stoffatom dem Bombardement der Helium-
geschosse aus, die von einer kleinen Radium-
menge ausstrahlten. 1919 machte er die bedeut-
same Entdeckung, daß hierbei das bestrahlte
Stickstoffatom einen Wasserstoffkern ausstieß.
1925 vollendete der Engländer Blackett die
Experimente von Rutherford und konnte nach-
weisen, daß der Stickstoff dabei in Sauerstoff
und Wasserstoff übergeht. Die erste Atomum-
wandlung auf künstlichem Wege war gelungen.
Nunmehr wurden nach dem Muster von
Rutherford andere Grundstoffe mit den abge-
schossenen Heliumkernen des Radiums bom-
bardiert. Ein Erfolg reihte sich an den anderen.
Das Jahr 1932 ist verknüpft mit den Namen der
französischen Forscher Irene Curie (Tochter
von Marie und Pierre Curie) und Frederic
Joliot. Sie gaben den Anstoß zu der Entdeckung
des Engländers Chadwick. Chadwick beschoß
den Grundstoff Beryllium mit Radiumteilchen
(Heliumkernen) und erhielt aus dem Beryllium
Kohlenstoff und ein neuartiges Teilchen, ge-
nannt „Neutron“.
Das Neutron ist der Grundkern der Materie:
es ist sozusagen der Wasserstoffkern ohne
elektrische Ladung. Die Neutronen, an Stelle
der Heliumatomkerne als Geschosse benutzt,
zeigten ein noch viel bedeutenderes „Durch-
schlagsvermögen" als diese.
1933 traten die Forscher Joliot und Irene
Curie abermals in Erscheinung durch die Ent-
deckung der künstlichen „Radioaktivität". Sie
UadUt-liletfU Z2ZSZ,?. ....
Radio - Fahrräder - Nähmaschinen
Bequeme Zahlungsweise
68
stellten Stoffe her, die nicht wie das Radium
auf natürlichem Wege zerfielen, sondern auf
künstliche Weise zum Zerfall mit Strahlungs-
abgabe gezwungen wurden. Der künstliche
Atomzerfall bestimmter Grundstoffe lieferte
nun endlich in wenigen Sekunden die Energien,
die 40 Jahre vorher die Forscher vergebens
dem sehr langsam zerfallenden Radium momen-
tan entreißen wollten.
Als bedeutsamster Stoff für den Atomzerfall
ist das Uran, der Ausgangsstoff für die erste
Atombombe, zu nennen.
Das Uran ist ein Metall, das im chemischen
Wert noch höher steht als das Radium. Es wird
aus Mineralien im Bergbau gewonnen. Aus
diesem normalen Uran (U 238) wird in lang-
wierigen, verwickelten Arbeitsprozessen die
für die Atombombe erforderliche Menge und
Sorte (U 235) abgefrennt. Eine Anzahl der
Atomkerne von U 235 kommt in der Bombe
zum Zerfall. Der Zerfall der ersten Urankerne
liefert — ähnlich wie die Kerne des Radiums —
sehr große Energien in Form von Strahlung.
Jetzt wird in der Bombe durch geschickte
physikalische Kunstgriffe ein kleiner Teil der
ersten Strahlen so gesteuert, daß sie auf be-
nachbarte Urankerne einwirken und diese
WANZEN
und Ungeziefer aller Art vernichtet restlos
samt Brut das neuzeitliche
Schädlingsbekämpfungs-Institut
Walter Knecht
Dudwei I er, Herrensohrer Weg 23
Postkarte genügt
künstlich zum Zerfall bringen, gewissermaßen
zertrümmern, wodurch augenblicklich weitere,
erst recht große Energien frei werden. Hiervon
werden die Urankerne abermals erfaßt, zer-
trümmert, usw.
So, wie bei einer Reihe aufgestellter Domino-
steine der erste umfallende Stein die ganze
Serie zu Fall bringt, so wird durch den ersten
Anstoß augenblicklich das gesamte Uran der
Bombe zum Zerfall gebracht und restlos zer-
trümmert. Dies geschieht mit Sekundenschnelle.
Das wertvolle Uran verschwindet, neue Stoffe
entstehen.
Die Umwandlung beim Zerfall in kürzester
Zeit, d. h. also die Explosion, ist verknüpft mit
einer phantastisch großen Energieabgabe, die
Ausstrahlung ist ungeheuerlich, die entwickelte
Hitze gewaltig, der Effekt über alle Maßen groß.
Ein einziges Gramm Uran liefert bei seiner
Zertrümmerung etwa 16 Millionen Wärmeein-
heiten, während ein Gramm Steinkohle bei
seiner Verbrennung an der Luft nur sieben
Wärmeeinheiten liefert. Gigantische Kräfte
werden entfesselt und höllische Feuer ent-
wickelt. Wenn der Mensch gelernt hat, sie zu
bezähmen, zu bewachen, wird ein neues Zeit-
alter Segen daraus gewinnen.
auch der BERGMANN
bleibt dabei:
. . . am liebsten
BECKERS
BIER
69
Vom Stollenbau
zur modernsten Schachtanlage
Grube Hostenbach führt als erste die Fördermaschine ein
echt alt ist die Kohlengräberei
im Bereich der einstigen Abtei
Wadgassen, wenn auch die
ersten historischen Berichte
aus den ersten Jahren des
17, Jahrhunderts stammen. Um
1725 nämlich suchte das Saarbrücker
Grafenhaus, das die Schirmherrschaft über
Wadgassen ausübte, dem bedeutsamen
Kloster jene Rechte streitig zu machen, die
es von altersher besaß, Kohlen und Erze
in seinem ganzen Territorium zu graben.
Gräfliche Beamte wurden eines Tages be-
auftragt, von den Leuten, die aus der Grube
Hostenbach Kohlen holten, Zoll zu erheben,
während doch für alle Produkte aus dem
Bereiche der Abtei nach bestehenden Ver-
trägen Zollfreiheit bestand.
Wegen dieser Übergriffe in die Rechte
der klösterlichen Grundherrschaft kam es
schließlich zu einem langwierigen Prozeß,
der selbst das Reichskammergericht be-
schäftigte. Dieses entschied nach ausge-
dehnten Untersuchungen, daß der Saar-
brücker Graf das Kloster in seinem herge-
brachten Besitz der Steinkohlen- und Eisen-
erzgruben auf eigenem Grund und Boden
nicht zu stören habe. Der Graf kümmerte
sich um diese Entscheidung der höchsten
richterlichen Instanz nicht im geringsten,
sondern ließ die Steinkohlengruben durch
seine Beauftragten einfach zuwerfen.
über dreißig Jahre hatte man sich um
die Rechte der Abtei gestritten, als die
Vernunft siegte und Wilhelm Heinrich 1759
mit dem Kloster einen gütlichen Vertrag
schloß, in dem diesem ausdrücklich ge-
stattet wurde, Steinkohlen nach Willkür zu
graben und außer Landes, jedoch nicht die
Saar hinauf, zu vertreiben. Von diesem
Rechte machte denn die Abtei bis zu ihrer
Auflösung um 1790 Gebrauch.
Nun ist interessant, daß die Abtei, die
auf Grund des Landtauschvertrages von
1766 zwischen der französischen Krone und
dem Fürsten Wilhelm Heinrich mit ihrem
ganzen Gebiete zu Frankreich kam, erneut
um ihre bergbaulichen Rechte kämpfen
mußte. Bereits im Jahre 1769 bewarb sich
der französische Offizier Leroy de La Roue
bei der Pariser Regierung um Verleihung
des Abbaurechtes der Hostenbacher Kohle;
es wurde sogar der Subdelegierte des
Intendanten der Provinz Lothringen, ein
M. Thomas aus Bolchen, aufgefordert, nach
Hostenbach zu reisen und dort unter seiner
Aufsicht Kohlenproben entnehmen zu lassen,
diese dann unter Beifügung eines Proto-
kolls ,,in einer versiegelten Schachtel1'
nach Nancy zu senden {P. O. Berend). In
dem Begleitschreiben heißt es, daß die
Hostenbacher Kohlenlagerstätten sehr er-
giebig und die gefundene Kohle vorzüglich
sei; auch seien schon mehrere Stollen an-
gelegt, aus denen bereits viel Kohle ge-
fördert sei. Wadgassen behauptete offenbar
seine Rechte, denn wir hören 1776 erneut,
daß drei französische Interessenten mit dem
Kloster einen Konzessionsvertrag abge-
schlossen, den sie bald darauf auf dreißig
Jahre ausgedehnt wissen wollten.
Als das Kloster 1790 aufgehoben wurde,
verfügte naturgemäß der französische Staat
über die Hostenbacher Grubenstollen. Zu-
nächst überließ die Zentralverwaltung des
Dep. Moselle die Grube den Bürgern Klaine
und Couson; gleichzeitig hatten aber drei
weitere Grundbesitzer hier Gruben eröffnet.
Die Klostergrube wurde dann 1798 öffent-
lich versteigert und kam in den Besitz des
Steingutfabrikanten Nicolas Villeroy in
Vaudrevange, dem 1804 die Steinkohlen-
konzession für das gesamte Wadgassener
Gebiet auf die Dauer von fünfzig Jahren
erteilt wurde. Damit war bei einheitlicher
Leitung eine gesunde Aufwärtsentwicklung
des Hostenbacher Bergbaues, in dem unter-
dessen an neunzig Bergleute arbeiteten,
gewährleistet. Wenn auch mit der Einver-
leibung des Saarlandes an Preußen alle
Gruben vom Staate eingezogen wurden, so
blieb Hostenbach im Besitze von Villeroy,
70
Schacht „Union” in Hostenbach, 1865 angehauen
und zwar als einzige Privatgrube unserer
Heimat.
Waren bis um das Jahr 1820 die Saar-
gruben lediglich Stollenbaue, so dachte
Villeroy viel weiter; er wollte die Förde-
rung durch Tiefbauschächte durchführen
unter gleichzeitiger Verwendung von Dampf-
maschinen. Und das kostete Geld, weshalb
er sich einige stille Teilhaber suchte
(von Boch, Röchling, de Galhau, Vopelius).
Auf der Gewerkschaft Hostenbach wurden
so 1822/25 die ersten Tiefbauschächte mit
Dampfmaschinen zur Förderung undWasser-
haltung gebaut. Der Erfolg wird dadurch
dokumentiert, daß 1850 hier bereits 430 Be-
legschaftsmitglieder gezählt wurden. Und
weil die Steigerung der Förderung eine
Ausdehnung des Betriebes sowohl hinsicht-
lich der Betriebspunkte wie der Auf-
schließung von Flözen nach der Tiefe hin
erforderte, begann man 1865 mit der Ab-
teufung des „Union- Schachtes". Gleich-
zeitig wurde von dieser Grube aus eine
schmalspurige Bahn nach der Saarhalde
gebaut. Selbstverständlich eröffneten sich
für die Grube neue Absatzquellen, als 1879
die Kanalisation der Saar bis Ensdorf durch-
geführt wurde.
Bemerkenswert ist eine auf dem Union-
schacht seit 1872 eingeführte Neuerung,
nämlich die der sogenannten „Fahrkunst",
die die einzige Einrichtung dieser Art im
Saarbergbau blieb, bis sie 1906 außer Be-
trieb gesetzt wurde. Nachdem das Haus
Röchling 1881 die Völklinger Hütte wieder-
eröffnete und seinen Einfluß in der Gewerk-
schaft Hostenbach zu vergrößern verstand,
baute man von „Union" aus eine Drahtseit-
bahn nach der Hütte.
Mit dem Ausgang des ersten Weltkrieges
ging Grube Hostenbach in französischen
Staatsbesitz über. Jegliches Bestreben,
etwaige Abbaumöglichkeiten der Kohlen-
felder zu erweitern, scheiterten im Laufe
der Jahre, so daß man sich 1932 entschloß,
die Anlagen stillzulegen. Hat die Grube
Hostenbach im staatlichen Bergbau an der
Saar in technischer Hinsicht oft als Vorbild
gedient, so bleibt ihr vor allem der Ruhm,
die ersten Tiefbauschächte mit Förder- und
Wasserhaltungsmaschine in Betrieb ge-
nommen zu haben. B.
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71
Die Löhne im Saarbergbau
Im Bergmannskalender für das Jahr 1949 haben
wir unter dem gleichen Titel Seite 160 u. ff. die
Löhne aus dem Jahr 1947 und in dem Artikel:
,,Neues Recht über Lohn, Gehalt, Arbeits-
und Dienstvertrag"
Seite 78 u. ff., die dem Inhalt des Einzelarbeits-
vertrages zu Grunde liegenden Bestimmungen aufge-
zeigt.
Zur Vervollständigung der vorangeführten Rechts-
grundlagen bringen wir nachstehend die Änderungen
im Lohn- und Arbeitsvertragsrecht, die 1948 vor-
genommen wurden.
Zunächst ist hier die Anordnung 47/186 vom
31. Dezember 1947 zu erwähnen, nach welcher die
Stundenlöhne ab 1. Dezember 1947 um 7,13 Frs. er-
höht wurden. (Amtsblatt Nr. 2/48.)
Als Sonderanordnung hinsichtlich der Entlohnung
muß die Programm-Prämie — die ohne rechtliche Ver-
pflichtung durch den Gesetzgeber ab 1. Juli 1948 an
alle Belegschaftsmitglieder auf Grund des Leistungs-
programms gezahlt wird — erwähnt werden.
Im September wurden auf Grund der Anordnung
vom 10. September 1948 betr. Gewährung einer ein-
maligen und einheitlichen Zulage an Lohn- und Ge-
haltsempfänger ein Betrag von 2500,— Frs. gezahlt.
Lohnsteuer und Beiträge zur Sozialversicherung
wurden von diesem Betrag nicht erhoben.
Dieser Ausnahmezulage folgte auf Grund der An-
ordnung zur Hebung der Kaufkraft vom 4. Oktober
1948 eine Erhöhung der Stundenlöhne (Einheits-
zulage) um 6,65 Frs. X 8 = 53,20 Frs. je Schicht.
Audi für diesen Lohn muß gegebenenfalls ein
Zuschlag für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertags-
arbeit gezahlt werden, — Für Jugendliche unter
18 Jahren kommen die vorgesehenen Prozentsätze
in Frage.
Außer der Stundenzulage erhalten sämtliche Be-
legschaftsmitglieder eine weitere -Zulage zum Lohn,
die lohnsteuerfrei ist. Diese Zulage, die als Cedular-
steuer bezeichnet ist, beträgt z. B. bei einem Brutto-
einkommen von 14 800,— Frs. im Monat für die
Steuerstufe III, 1 468,— Frs.
Die Anordnung zur Hebung der Kaufkraft ist
rückwirkend ab 1. September 1948 in Kraft gesetzt
worden.
Ab 1, November 1948 wurde die Einheitszulage
für die Übertagearbeiter mit dem Koeffizienten 112,5
und für die Untertagearbeiter mit dem Koeffizienten
132 umgerechnet. Hiernach erhöhte sich der Stunden-
lohn der Ubertagearbeiter von 53,20 auf 59,85 Frs.
und für die Untertagearbeiter von 53,20 Frs. auf
70,22 Frs.
Die Nachtzulage wurde ab 1. November 1948 für die
Untertagearbeiter auf 71,68 Frs. und für die Uber-
tagearbeiter auf 61,08 Frs. erhöht.
Mit Wirkung vom 1. November 1948 wurde die
Alterszulage neu gestaltet, so daß die im Berg-
mannskalender für das Jahr 1949, Seite 161, auf-
geführte Tabelle ab 1. November 1948 nicht mehr
gültig ist.
Als Alterszulage werden ab 1. November 1948 für
je 3 Dienstjahre 2 Punkte gewährt, so daß mit 30
Dienstjahren die höchste Alterszulage mit 20 Punk-
ten erreicht ist.
Die nachstehende Tabelle zeigt die Einzelheiten
hinsichtlich der Alterszulagen auf, welche die Beleg-
schaftsmitglieder — gleich ob unter oder über Tage
beschäftigt —- ihrem Dienstalter entsprechend,
erhalten.
Geklärt ist auch die Frage, ab welchem Zeitpunkt
die Absätze 7 und 8 des Artikels 15 vom Bergbau-
statut in Anwendung kommen. Die beiden Absätze
lauten:
„Wird ein Untertage-Arbeiter infolge einwand-
frei festgestellter Abnutzung als Folge seiner frü-
heren Untertage-Tätigkeit oder eines Betriebs-
unfalles bzw. einer Berufskrankheit an einen
anderen Arbeitsplatz unter Tage verlegt, so behält
er den Lohn seiner bisherigen Kategorie, wenn er
mindestens 40 Jahre alt ist oder sich seit 10
Jahren in der Kategorie befindet.
Wird ein Untertage-Arbeiter aus den gleichen
Gründen von unter Tage nach über Tage verlegt,
so wird er — unbeschadet der Bestimmungen des
Art. 14 — in die Ubertage-Kategorie mit gleicher
Nummer eingestuft, wenn er mindestens 10 Jahre
in der betr. Kategorie war. Falls die Verlegung
wegen Betriebsunfall oder Berufskrankheit erfolgt
ermäßigt sich diese Frist von 10 auf 3 Jahre.
Jedoch wird die Einstufung in Kategorie VI über
Tage nur den Handwerkern gewährt, die imstande
sind, Facharbeiten über Tage zu verrichten, die zu
dieser Kategorie berechtigen."
Die Verlegungen infolge verminderter Arbeits-
unfähigkeit fallen — wenn sie nach dem 1. Oktober
1948 erfolgt sind — unter Artikel 15 vom Tage der
Verlegung ab gerechnet. Für Verlegungen aus dem
gleichen Grunde, die während der Zeit vom 1. Januar
1946 bis 1. Oktober 1948 vorgenommen wurden und
nach dem 1. Oktober 1948 weiter bestehen, wird der
Artikel 15 lohnmäßig ab 1. Oktober 1948 angewandt.
1. Unter Tage
Dienstjahre Punkte Frs. je Stunde Frs. je 8stündiger Schicht
3 2 1,143 9,14
6 4 2,287 18,29
9 6 3,430 27,44
12 8 4,574 36,59
15 10 5,718 45,74
18 12 6,861 54,88
21 14 8,005 64,04
24 16 9,148 73,18
27 18 10,292 82,33
30 u. mehr 20 11,346 91,48
2. Über Tage
3 2 0,974 7,79
6 4 1,949 15,59
9 8 2,923 23,38
12 6 3,898 31,18
15 10 4,873 38,98
18 12 5,847 46,77
21 14 6,822 54,57
24 16 7,796 62,36
27 18 8,771 70,16
30 u. mehr 20 9,746 77,96
72
Arbeitern — die glauben, Anspruch auf Aufrecht-
erhaltung ihrer Kategorie machen zu können •— steht
es frei, einen entsprechenden Antrag an das Personal-
büro ihres Betriebes zu richten.
Die Frauenzulage und das Kindergeld wird ab 20.
November 1947 für sämtliche Arbeitnehmer in gleicher
Höhe in monatlichen Beträgen gezahlt, und zwar:
Frauen- 1. weitere
geld Kind Kinder
20. 11. 47 bis 31. 12. 48 Frs. 300 300 600
1. 1. 48 bis 30. 6. 48 Frs. 300 500 1200
Das Frauengeld beträgt
jedoch, wenn daneben
Kindergeld gezahlt wird
1. 7. 48 bis 31. 8. 48
1. 9. 48
Frauen- 1. weitere
geld Kind Kinder
Frs. 500
Frs. 800 800 1500
Frs. 1200 1000 2000
Um unseren Belegschaftsmitgliedern beim Nach-
prüfen des verdienten Lohnes behilflich zu sein,
bringen wir nachstehend die Lohnberechnung für
Kategorie I über Tage, wie diese zur Zeit auf Grund
der gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen wird:
(Siehe auch Bergmannskalender 1949, Seite 160)
Kal. Lohn I überTage Fr«. Progr.- Prämie 3.7°Jo Summe: Spalte t u. 2 Einheits- Zulage Alters- Zulage 8 Punkte Summe: Spalte 3,4, 5 Ausgl.- Zulage 48 Std.Woche Regelm.- Prämie Lohn je Schicht
1 2 3 4 5 6 7 8 9
407.60 15.08 422,68 59,85 31,18 513,71 20,54 53,42 587.67
Am viertletzten Arbeitstag im Monat De-
zember 1948 waren in sämtlichen Betrieben
der Regie des Mines de la Sarre an Ar-
beitern beschäftigt...................... 62 524
ein Mehr gegenüber dem gleichen Zeit-
raum im Vorjahre von..................... 4 464
= 7,688 %
Das Gesamteinkommen dieser Arbeiter von unter
und über Tage betrug im Jahre 1948
Der Leistungslohn der Gedinge- Frs. 16 614 788 994,—
arbeiter betrug je Schicht . . der sonstigen Arbeiter unter Frs. 832,44
Tage Frs. 620,92
aller Arbeiter unter Tage . . Frs. 747,36
aller Arbeiter über Tage . . aller Arbeiter unter und über Frs. 468,21
Tage Frs. 643,83
Der Nettolohn betrug je Schicht
für alle Arbeiter unter Tage . für alle Arbeiter unter und Frs. 1 001,75
über Tage Frs. 868,89
Im Gesamteinkommen sind außerdem enthalten:
Frauen- und Kindergeld 1948 Frauen- und Kindergeld (Nach- Frs. 1 099 117 538,—
Zahlung für 1947) .... Frs. 17 001 910,—
Nachtzuschlaq Frs: 223 427 728,—
Zuschläge für Sonntagsarbeit . Frs. 167 953 178,—
Zuschläge für überarbeiten . Frs. 48 129 968,—
Prämien (Drittelführer) . . . Frs. 33 271 703 —
Programm-Prämie Frs. 254 357 232,—
Ausgleichsentschädigung . . Frs. 503 669 310,—
Alterszuschlag Frs. 282 321 740,—
Regelmäßigkeitsprämie . . . Frs. 1 190 676 922,—
Wohnungsgeld Frs. 2 736 815,—
Bezahlte Feiertage Frs. 76 913 995,—
Fahrgelderstattung Frs. 261 177 047,—
Einheitszulage (einschl. 2500,— Frs. Teuerungszuschlag Aug. 1948) Frs. 518 767 851,—
Wegegeld Frs. 957 581,—
Steuerrückerstattung .... Frs. 250 528 985,—
Sondervergütung (2000,— und mehr) Frs. 137 942 944,—
U rlaubsentschädigung Erholungsurlaub Frs. 713 121 273,—
Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, Heirat, Geburt usw. Frs. 25 577 208,—
Urlaubsabgeltung Frs. 53 022 876,—
Durch die fortschreitende Produktionssteigerung im
französischen Wirtschaftsraum ist in den letzten Mo-
naten der erstrebte Erfolg — Stabilisierung der Wäh-
rung — in Erscheinung getreten. Dies hatte zur
Folge, daß die Preise gestoppt wurden, teilweise
sogar fallende Tendenz zeigen.
Dieser Vorgang führt zur Stabilisierung der Löhne.
Das Auswiegen der Preise und somit auch der
Löhne innerhalb der Weltwirtschaft wird jedoch
noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dieser
Vorgang ist aber im Hinblick auf die Verflechtung
der Wirtschaft nicht zu umgehen.
1872
77 Jahre
1949
im Dienste des gemütlichen u. soliden Bergmannsheimes
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jedem Bergmann im Sulzach- und Fischbachtal ein Begriff
für Qualität - Geschmack - Anständigkeit
73
Wie sdmell fliegen, laufen oder schwimmen
Mensdi und Tiere?
Einige Zahlen, die Jedermann interessieren
Eine amerikanische Zeitschrift, übrigens
recht wertvoller Art, die sich der Natur-
wissenschaft widmet, veröffentlicht unter
dem Namen des Direktors des amerika-
nischen Museums der Naturkunde, Roy
Chapman, eigenartige Einzelheiten über die
Geschwindigkeit, die Mensch und Tiere auf
der Erde, zu Wasser und in der Luft errei-
chen können.
Natürlich sind es die geflügelten Wesen,
die die höchsten Ziffern aufweisen. Der
Rekord kommt einer Fliegenart zu, der
,,Cephenomya pratti“, die mit einer Ge-
schwindigkeit von 1 317 km = 366 m in der
Sekunde fliegt, also eine Geschwindigkeit,
die von den schnellsten Flugzeugen bisher
noch nicht erreicht worden ist; sollte das
einmal der Fall sein, so würde die Umflie-
gung der Erde in 17 Stunden möglich sein.
Auf festem Boden ist das schnellste Tier
der Gepard (Tigerwolf), der 112 km pro
Stunde erreicht, also mit jedem Schnellzug
mithalten kann.
Im Wasser ist es der Hecht, der am
schnellsten von allen Süßwasserfischen
schwimmen kann. Er legt 16 km in der
Stunde zurück und erreicht damit die Ge-
schwindigkeit eines U-Bootes unter Wasser.
Im nachfolgenden noch einige Ziffern,
die der Autor uns mit Hilfe der modernsten
wissenschaftlichen Messungen mitteilen
konnte:
Fluggeschwindigkeiten:
32,0 km pro Stunde
41,8 km pro Stunde
69,2 km pro Stunde
85,0 km pro Stunde
fast 100 km pro Stunde
170,0 km pro Stunde
289,0 km pro Stunde
Geschwindigkeiten auf festem Boden:
Schlange 1,1 km pro Stunde
laufendes Huhn 14,0 km pro Stunde
die Lerche
die Ente
der Sperber
das Rebhuhn
der Adler
der Rabe
der Fasan und
die Taube
die Schwalbe
der Falke
Elefant im Angriff
Schlittschuh
laufender Mensch
Jagdhund
Vollblut-Rennpferd
Wüstengazelle
Geschwindigkeit in
Karpfen
Barsch
Jonny-Weißmüller-
Schwimmrekord
Lachs
Außenbordmotor
40,0 km pro Stunde
41,0 km pro Stunde
58,0 km pro Stunde
68,0 km pro Stunde
96,7 km pro Stunde
ler auf dem Wasser:
1,5 km pro Stunde
2,0 km pro Stunde
6,4 km pro Stunde
11,2 km pro Stunde
20,0 km pro Stunde
Zahlenwunder
1.
0X9+1 =1
1 X 9 + 2 = 11
12X9 + 3= 111
123X9 + 4=1111
1234X9 + 5 = 11111
12345X9 + 6= 111111
123456X9 + 7= 1111111
1234567X9 + 8 = 11111111
12345678X9 + 9= 111111111
II.
123456789 X 8 + 9 = 987654321
12345678 X 8 + 8 = 98765432
1234567X8 + 7 = 9876543
123456X8 + 6 = 987654
12345X8 + 5 = 98765
1234X8 + 4 = 9876
123 X 8 + 3 = 987
12X8 + 2 = 98
1X8+1=9
74
dmes&CHBK besuch
Kleines Kapitel aus der Qesdiidbte der Saargruben
Ein markantes Ereignis in der Ge-
schichte der Grube „Gerhard" war
der Besuch des chinesischen Prinzen
Tschun im Jahre 1901, der nach dem be-
kannten China - Feldzuge Deutschland be-
reiste und auch dem saarländischen Berg-
baugebiet einen Besuch abstattete.
Der ausländische Prinz weilte nämlich im
Anschluß an eine Besichtigungsfahrt durch
das Ruhrgebiet, wo er namentlich die
Krupp'schen Werke besuchte, während
zwei Tagen an der Saar. Am Vormittag des
25. September kam er mit Gefolge chine-
sischer Würdenträger mit dem Schnellzug
über Koblenz—Bingerbrück in Saarbrücken
an, wo er vom damaligen Präsidenten der
Bergwerksdirektion, Geheimrat Hilger, emp-
fangen wurde. Elf Kutschen waren vor dem
Saarbrücker Hauptbahnhof aufgefahren, auf
deren Böcken jeweils neben dem Kutscher
ein Steiger in großer Uniform Platz ge-
nommen hatte. Prinz Tschun verließ den
Bahnhof durch den Tunnel neben dem Post-
amt und stieg gleich in den ersten Wagen
ein; neben ihm nahm sein militärischer Be-
gleiter, Generalmajor v. Richter, Platz. Auf
dem Kutschbock saß mit großem, gelbem
Federbusch der Feldjäger des chinesischen
Gesandten in Berlin. Durch die von Neu-
gierigen stark umsäumten Straßen fuhr die
stattliche Wagenkolonne nach dem Hotel
„Rheinischer Hof".
Des anderen Tages, um neun Uhr morgens,
brachte die Luisenthaler Bergkapelle, die
damals unter der Leitung des tatkräftigen
und musikverständigen Kapellmeisters Fritz
Duchstein stand, dem hohen Gast ein
Morgenständchen, und eine Stunde später
erfolgte dann die Abfahrt in offenem Wagen
mit Gefolge nach Luisenthal. Vorbei ging
diese eindrucksvolle Fahrt an dem Berg-
amtsgebäude, das zu Ehren des Prinzen die
Auf dem Zechenplatz hatte eine große Anzahl von Beamten Aufstellung genommen . . .
75
gelbe chinesische Flagge mit der Sonne und
dem blauen Drachen gehißt hatte.
Seit zwei Tagen hatte man auf Grube
„Gerhard“ alles festlich geschmückt und
die nötigen Vorbereitungen zu dem hohen
Besuch getroffen. Auf dem mit Fahnen und
Girlanden reich geschmückten Zechenplatze
hatte eine große Anzahl von Beamten sämt-
licher Gruben des Saarreviers mit der In-
spektionsfahne und der Bergkapelle dieser
Grube Aufstellung genommen, eine Ova-
tion, die den Beifall der fremdländischen
Gäste zu finden schien. Die Einfahrt erfolgte
am Josepha-Schacht. Zum Transport der
Gäste unter Tage hatte man eigens einen
Grubenwagen gebaut, den man mit Sack-
leinen auspolsterte. In diesem Wagen be-
förderte man den Besuch in tiefer Erde bis
nach Püttlingen, wo die erlauchte Gesell-
schaft durch den Viktoria-Schacht wieder
ausfuhr.
Die Luisenthaler Bergkapelle, die eben
erst bei der Einfahrt am Josepha-Schacht
aufgespielt hatte, war bereits bei der Aus-
fahrt in Püttlingen wieder zur Stelle, um
die Gäste nach glücklich überstandener
Grubenfahrt zu begrüßen; gewiß eine be-
sondere Leistung der Bergmusiker!
Im Beamtenkasino des Viktoria-Schachtes
vereinigten sich dann sämtliche Teilnehmer
der Fahrt zu einem Diner. Lind nachmittags,
gegen 15 Uhr, bestiegen Prinz Tschun und
seine Begleiter wieder ihre Wagen, um die
Weiterfahrt anzutreten. Der Wagen des
Prinzen aber wurde durch eine Abteilung
der Saarbrücker 7. Dragoner eskortiert.
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76
1 10 JAHRE POSTWERTZEICHEN
töon ber Queen Victoria
jum 'Sergmannöbauern
Etwas zur Geschichte der Briefmarke Von M. W.
m vergangenen Jahre hat man im Nachbar-
land Frankreich das hundertjähige Jubiläum
der Briefmarke gefeiert. In Wirklichkeit ist
die Biefmarke etwas älter. Wenn wir es
genau nehmen, können wir in diesem Jahre 1950
den hundertzehnten Tag der ersten, in England
gedruckten Briefmarke feiern. So alt — oder
vielmehr so jung ist die Briefmarke — sie
wurde weit später erfunden als so viele andere
Kolonial - Ausgaben.
1847, 21. Sept. Königin Vikto-
ria mit Diadem, Inschrift links:
POST OFFICE; Kupferstich
von J.Barnard; geschnitten.
1. I Penny orange . . a 120000.- 80000.-
2. 2 Pence dkl’blau . . a 100000.- 100000 -
Die berühmte „Mauritius”,
Wert bis 120 000 Goldmark
Errungenschaften der modernen Zeit, als Druck-
kunst, Dampfmaschine und Feuerwaffen. Und
doch hat der schriftliche Verkehr zwischen den
Menschen schon eine „alte" Geschichte gehabt
— ehe man auf diesen einfachen Gedanken
kam, der „Post" die „Brieffracht“ zu bezahlen.
Geschichte der Briefmarke ist also keines-
wegs identisch mit der Geschichte der Post und
noch weniger mit der Geschichte des Brief-
wechsels. Eigentlich datiert die Geschichte der
Briefmarke von dem Tage, an dem zum ersten-
mal eine Quittung der bezahlten Brieffracht er-
folgte, und das bringt uns vom 19. Jahrhundert
auf das Ende des 16. Jahrhunderts zurück. Es
ist ein weiter Weg von dieser Zeit über die
erste „Queen Victoria" bis zur letzten Aus-
gabe der saarländischen Serie „Bergmanns-
bauer".
Da die Zahl der Briefmarkenfreunde an der
Saar recht erheblich ist, wird es sicher viele
interessieren, wie es zur „Briefmarke" kam. Wir
sagen „recht erheblich", denn in Wirklichkeit
kann niemand selbst schätzungsweise sagen,
wie viele Briefmarkenireunde es an der Saar
gibt. Aber man geht nicht fehl in der Annahme,
daß es viele hundert echte Sammler und
viele tausend Amateure gibt. Vom kleinen
Buben, der alles, was bunl und gezähnt ist,
sammelt, bis zum erfahrenen Tauschfreund und
Klubmitglied, der jeden Katalog „mitnimmt",
„Korrespondenten" im Ausland hat und
„Schlange steht", wenn eine neue Ausgabe er-
scheint. Dabei wollen wir noch nicht einmal
von denen sprechen, die aus Spekulations-
gründen zur Reichsmark-Umtauschzeit riesige
Mengen „Saarsätze" aufkauften und glaubten,
das große Los gezogen zu haben, als sie auf
dem Boden zu Füßen eines dargestellten
Arbeiters einen (eingebildeten) traurig berühmt
gewordenen Kopf zu erblicken — glaubten.
Spekulanten sind nie echte Sammler gewesen.
Und diese dürfte auch die Geschichte der Brief-
marke nur wenig interessieren . . .
300 Jahre zurück
Und nun: ein paar Jahrhunderte zurück zu
den Uranfängen der Portoguittung und machen
wir einen Besuch in Paris ums Ende des 16. und
Anfang des 17. Jahrhunderts! Nicht etwa, um
dort die erste Briefmarke zu finden! Keines-
wegs, denn damals hatte sie noch gar keinen
Sinn. Das System des Postdienstes in jener
Zeit regelte den Preis der Korrespondenz nach
Gewicht und Distanz -— und der Emp-
fänger hatte zu bezahlen, weil es der gute
Ton so erforderte und die Mehrzahl der
Schreiber es so wünschte. Die Höflichkeit er-
forderte es, daß der Absender seinen emp-
fangenden Korrespondenten für reich genug
erachtete, das Briefporto zu bezahlen. Zwar
gab es die Möglichkeit für den Absender, das
Porto selbst zu bezahlen, aber nur 10 %> der
schreibenden Bevölkerung machten davon Ge-
brauch. Eine eigentlich ganz unlogische Ange-
legenheit, denn, wer schreibt, tut es gewöhn-
lich im eigenen Interesse .. . Vielleicht war
auch die „Höflichkeit", dem Empfänger das
„port du", die Bezahlung zu überlassen, nur
der Vorwand für ein gewisses Mißtrauen. In
Wirklichkeit mag man ein Interesse darin ge-
sehen haben, den Boten das Porto kassieren
77
zu lassen, war man doch dann sicher, daß der
Brief — ankam! Zeuge dafür kein anderer als
Malherbe, der am 8. Juni 1621 an seinen Freund
Claude Fabri, parlamentarischen Ratsherrn der
Provence, schrieb: „Fürchten Sie nicht, wenn
Sie mir schreiben, den Brief unbezahlt abzu-
senden, damit die Träger ein Interesse an
seiner Übergabe haben ..Hier liegt wahr-
scheinlich der „Hase im Pfeffer".
Die ,,Kleine Post in Paris anno 1653
Briefmarken gab es noch nicht. Postbüros im
heutigen Sinne noch weniger. Kein Beamten-
apparat war vorhanden, und doch hat es in
Paris Mitte des 17. Jahrhunderts ein System
gegeben, das einheitliche Taxe und Voraus-
bezahlung möglich machte. Diese Idee und
selbst ihre Ausführung kommt einem Monsieur
Jean-Jacques Renouard de Villayer zu. Hören
wir, wie das System Villayers funktionierte,
der vom „Sonnenkönig", Ludwig XIV., am
18. Juli 1653 das Privileg des Brieftransports
erhielt. So unglaublich es klingt, so ist es doch
wahr: schon im 17. Jahrhundert konnte der
Pariser Bürger mit Moskau brieflich verkehren,
wohin zwei- oder dreimal wöchentlich der
„Courrier" abging, oder mit Konstantinopel und
den levantinischen Staaten aber er durfte
nicht von Paris — nach Paris „postalisch"
schreiben. Briefverkehr innerhalb der Groß-
stadt wurde durch die Lakaien der Reichen er-
ledigt; wer nicht reich genug war, um Lakaien
zu haben, benutzte kleine Savoyarden-Knaben
als Briefträger, wie Barbier in seinem „Journal
de la Regence" mitteilt. So war Villayer der
große Mann, der Paris eine Art Post im
heutigen Sinne gab. Unser Freund Villayer
war, wie Saint-Simon in seinen Noten zum
Journal de Dangeau schreibt, voller Erfindungs-
gabe und hatte viel Einbildungskraft. Man
glaubt es, wenn man hört, was Villayer alles
erfand. Zum Beispiel die Gewürzuhr, die in der
Dunkelheit die Stunden anzeigte. So hatte er
neben seinem Bett eine Uhr mit starken
Zeigern und hohlen Stundenzahlen aufgestellt.
Diese Höhlungen waren mit verschiedenen Ge-
würzen ausgefüllt, so daß Villayer nur den an-
gefeuchteten Zeigefinger in den Hohlraum
unter der Stundenziffer zu stecken brauchte,
um je nach dem Geschmack — ob Nelken oder
Pfeffer vielleicht — feststellen zu können, was
die Stunde geschlagen haben mochte ... Auch
hatte er die „Fliegenden Stühle" die „chaises
volantes" erfunden, jene Vorgänger des
heutigen Fahrstuhls, die zwischen zwei Mauern,
durch Gegengewichte bewegt, über eine Rolle
auf- und niedersteigen. Eine recht unvoll-
kommene Erfindung, denn ein hoher Fürst be-
nutzte sie zwar mit Erfolg in Chantilly und
Paris, aber als seine Schwiegertochter sie ein-
mal in Versailles installierte, blieb sie drei
lange Stunden zwischen den Etagen stecken
und konnte nur durch einen Mauer-Durchbruch
gerettet werden . . . Immerhin Villayer war
„ein Köpfchen" . . .
Jltaueransdbläcje: Treues Postsystem . . .
Eines Tages kündeten Anschläge auf den
Pariser Mauern die „petite poste", das neue
Postsystem, an. Drei Argumente zur Begrün-
dung. Erstens: die „Kommis" sollen nicht mehr
so lange auf die Bezahlung des geschuldeten
Portos beim Empfänger warten. Zweitens: der
Schreiber habe schließlich immer mehr Inter-
esse an dem Brief als der Empfänger (sehr
logisch), also soll er es auch bezahlen. Drittens:
aus Gründen der Höflichkeit könne doch zum
Beispiel nicht der Klient seinen Anwalt das
Briefporto bezahlen lassen oder der Bürger
einen armen Schreiner, dem er Arbeit gibt,
denn das könne auf die Dauer zum Ruin der
Empfänger führen.
Also empfahl Villayer seine „billets de port
paye" (zu deutsch: Zettel über bezahltes Porto)
und ließ an den Ecken zahlreicher Pariser
Straßen Briefkästen aufstellen, die drei-viermal
täglich geleert wurden. Als Zentrale diente der
Gerichts-Palast, wo die Briefe gesammelt, sor-
tiert und von wo aus sie dann ausgetragen
wurden, In diesem „Palais de Justice" wurden
auch die kleinen Zettel verkauft, über deren
Text man nicht viel weiß, es sei denn durch
eine Anmerkung Pellissons auf einem Briefe,
den man bei Conrart fand. Danach habe die
Formulierung der Postquittung gelautet: „Porto
bezahlt, am .... des Jahres . . Dieser
Zettel, ausgefüllt, mußte obligatorisch das Ab-
sendedatum tragen, widrigenfalls er unbestellt
blieb. Der Zettel wurde dem Brief beigeheftet,
oder um ihn gelegt, oder in ihn gesteckt, so
daß der Briefbote ihn sehen und leicht ent-
fernen konnte.
78
Wenn man es genau nimmt, war das die
erste Briefmarke (ohne Briefmarke im heutigen
Sinne zu sein). Denn es fehlte ihr keineswegs
das besondere Kennzeichen (Villayer ließ eine
„marque particuliere" eindrucken), sondern nur
die Perforierung und Gummierung.
Aber, wie es auch immer sei, die Herrlich-
keit der „petite poste" und der „billets de port
paye“ dauerte nicht lange. Die bösen Pariser,
in ihrem ,,esprit frondeur", ihrem Widerspruchs-
geist, machten sich über die Briefkästen lustig,
behandelten sie keineswegs pfleglich, erlaubten
sich allerhand Dummejungenstreiche mit ihnen,
und so verschwanden mit den gestohlenen, zer-
störten oder verunreinigten Briefkästen auch
die Briefe und ihre „Marken“. Das Schicksal
aller „Vorläufer und Genies“ machte auch
diesem kühnen Versuch ein Ende . . .
Cavallini oder Cavalotti
Es würde zu weit führen, hier alle Versuche
zu schildern, die seither gemacht wurden, das
System Villayers wieder aufzunehmen. Zwi-
schen Villayer und Chalmers, zwischen 1653
und 1834 liegen eine ganze Reihe solcher Ver-
suche in allen Ländern. Die „Kleinen Posten"
blühten auf, aber hielten sich nicht lange, 1663
in London, 1759 ein System Chamousset in
Paris. William Deckwra regelte die Frage der
Frankierung mit einem dreieckigen Stempel in
roter Tinte mit der Aufschrift „Penny Post
paid“. Ein anderer Stempel „P. D.“ sollte be-
deuten, „Post vom Empfänger zu bezahlen“. Im
Königreich Sardinien erfand man, unter dem
Namen Cavallini oder Cavalotti zwischen 1820
und 1836 gestempeltes Postpapier, auf dem die
Briefe geschrieben wurden, und die je nach
der Entfernung des Brieftransports 3, 5 oder 10
„sols“ kosteten. Die Stempelmarke zeigte ein
Pferdchen (cavallino) in runder, ovaler oder
achteckiger Einrahmung. Die Briefe mußten so
gefaltet werden, daß das Zeichen sichtbar blieb.
Unter diesen Umständen war es dem Brief-
schreiber freigestellt, ob er die Briefe der amt-
lichen Post übergab, oder sie auf eigenen
Wegen transportierte. Das Pferdchen aber war
obligatorisch. Immerhin kann auch dieses
System, so ähnlich es der heutigen Briefmarke
sein mochte, nicht als volles Postwertzeichen
im heutigen Sinne bewertet werden! Fehlte
doch auch hier Zahnung, Gummierung und
Entwertungsstempel.
Chalmers und Rotvland Jdill
Zwischen 1834 und 1838 hat ein Engländer,
James Chalmers, Buchhändler und Drucker in
Dundee, die Idee, eine Briefmarke drucken zu
lassen. Er tut das in seiner eigenen Druckerei.
Dabei bleibt es aber — ohne amtlichen Erfolg.
Zu gleicher Zeit, zwischen 1838 und 1839, wer-
den in Frankreich zwei Projekte erwogen. Das
sogenannte Piron'sche System sieht einen run-
den Stempel, der auf den Briefumschlägen ein-
gedruckt ist, vor. Grasset, ein alter Post-
beamter, schlägt 1839 einen gestempelten Brief-
umschlag mit einer Figurine vor, die einen
Merkur darstellt, der einen Brief trägt. Keiner
dieser Vorschläge dringt durch. Die Briefmarke
ist immer noch ungeboren. Sie soll uns in
Wirklichkeit aus England kommen, von
Rowland Hill. Auch in England war man ge-
wohnt, die Briefe vom Empfänger zahlen zu
lassen. Je nach Gewicht und Distanz kostete
I)ie erste französische Briefmarke
(vom Jahre 18'r9)
ein Brief innerhalb des Vereinigten König-
reichs mehrere Schillinge. Man stelle sich die
Überraschung der hohen Postbeamten in Lon-
don vor, als ein Nichtfachmann nun plötzlich
vorschlägt, den Preis eines gewöhnlichen Brie-
fes auf dem ganzen Gebiet des Königreiches
auf einen Penny herunterzusetzen. Sein Argu-
ment war: je niedriger die Taxen, desto höher
die Zahl der Briefe. Ein anderes und durch-
schlagendes Argument Rowland Hills war der
Mißbrauch, den viele Leute mit der Absen-
dung unfrankierter Briefe trieben. Gab es doch
allerhand Möglichkeiten einer stillschweigen-
den Vereinbarung zwischen Absender und
Empfänger. Rowland Hill bediente sich, um das
zu beweisen, eines Beispiels, das er in Schott-
land erlebt haben will. Er habe dort in der
Gegend der schottischen Seen einer kleinen
Szene zwischen einem jungen Mädchen und
einem Landbriefträger beigewohnt. Dieser habe
einen Brief aus London mit erheblichem Porto,
das das Mädchen zu bezahlen hatte, in der
Hand gehabt. Die Bedauernswerte habe den
Brief mehrmals herumgedreht und zwischen
ihren Fingern gleiten lassen, habe dann schließ-
lich geseufzt, sie müsse ihn leider wegen Geld-
79
mangels verweigern, so daß Rowland Hill, der
mitleidig der Szene beiwohnte, sich anbot, das
Porto zu bezahlen. Aber das Schottenfräulein
habe das Angebot zurückgewiesen, den Brief-
träger gehen lassen und sei nach Hause ge-
gangen, wohin ihr der erstaunte Rowland Hill
folgte. Er habe dann schließlich durch ge-
schickte Fragen festgestellt, daß unsere kleine
Schottin bereits alles wußte, was im Brief
stand. Durch einige sehr einfache Zeichen auf
der Rückseite des Umschlages habe der Ver-
lobte, ein Londoner Arbeiter, ihr mitgeteilt,
daß er gesund sei und bald kommen werde.
So spielte sich ihr Briefverkehr meistens ab
und keiner hatte dafür zu bezahlen.
Die verrüdkteste Erfindung . . .
Rowland Hill ließ nicht nach. Er bombar-
dierte das Post Office mit Prospekten und Vor-
schlägen, in denen es hieß: „Kleine Etiketten,
etwa einen Zoll im Geviert, auf der Rückseite
mit Klebstoff bestrichen, können ohne Oblaten-
benutzung auf die Briefe geheftet werden.“
Der Graf von Lichfield, Postminister, äußerte
dazu, daß dieser Plan „die außerordentlichste
aller verrückten und visionären Erfindungen sei,
von der er je gehört habe". Ein heftiger Wider-
stand der Bürokratie setzte ein. Rowland Hill
stützte sich auf Industrie und Handel, und
schließlich mußte sich das Parlament mit seinen
Projekten befassen, Am 10. Januar 1840 war es
soweit: ein neues Gesetz wurde beschlossen,
nach dem das Publikum in Erwartung der
herauszugebenden Briefmarken seine Briefsen-
dungen bar bezahlen konnte. Die Penny-Taxe
war geboren und damit die berühmte Marke
mit der Queen Victoria (im Profil gesehen), die
jahrzehntelang in Millionen von Exemplaren
in die ganze Welt hinausging. 61 Jahre lang,
bis zum Tode der Herrscherin im Jahre 1901,
blieb diese Königin-Marke im Dienst des Ver-
einigten Königreichs. Die Fabrikation der
Marke wurde der Fiima Perkins, Bacon und
Petch übertragen. Der Erfolg der ersten Mar-
kenausgabe war riesig. Schon am ersten Tage
wurden für 2500 Pfund Sterling verkauft. Die
Marken wurden in Blättern gedruckt und muß-
ten mit der Schere abgeschnitten werden. Im
Jahre 1848 erst verkaufte ein Erfinder, Henry
Archer, dem englischen Post Office für 4000
Pfund Sterling das Patent eines Perforations-
apparates. Rowland Hills Sieg war total:
zwischen 1838 und 1863, in einem Vierteljahr-
hundert, war die Zahl der Briefe von 76 Mil-
lionen auf 642 Millionen, die Bruttoeinnahmen
von 2,3 Millionen Pfund auf 3,8 Millionen
Pfund Sterling gestiegen. Und der große Glad-
stone gab ihm den Titel „Wohltäter der
Nation".
Die "Welt folgt nadb
In bunter Folge kamen die übrigen europäi-
schen und außereuropäischen Länder, durch
den Erfolg überzeugt, nach, Mit an der Spitze
einige Schweizer Kantone im Jahre 1843,
Zürich zuerst, dann Genf und anno 1845 die
Stadt Basel. Brasilien bekannte sich schon 1843
Die erste bayerische Marke
zur Briefmarke, die Vereinigten Staaten 1847,
zu gleicher Zeit die englischen Kolonien Trini-
dad und Mauritius. So war die Reform also
schon über die Ozeane gegangen, ehe Frank-
reich und mit ihm der fortschrittlichste Staat
des späteren Deutschen Reiches, Bayern, und
Belgien im Jahre 1849 die Briefmarke annahm.
Somit ist die Briefmarke in England heute
110 Jahre, in Frankreich und Deutschland
genau 101 Jahre alt geworden.
Das Sammeln madht viel Dreud'
Als Villayer und Rowland Hill ihre Erfin-
dungen machten, hatten sie sich schwerlich
vorgestellt, daß einst die Briefmarken die
Leidenschaften von Millionen Sammlern auf-
stacheln würden, daß raffinierte Unterschiede,
Wasserzeichen, Prägung, Druckfarbe, daß
Fehldrucke und allerhand andere Spezialitäten
die Marken zu phantastischen Werten hoch-
treiben würden. Heute ist die Briefmarke ein
Zahlungsmittel internationaler Art geworden.
Briefmarkenbörsen gibt es in der ganzen Welt.
Amtliche Kurse werden genannt.
In Paris wie in Saarbrücken, in Berlin wie
in New York wird der Name der großen
,,Mauritius" mit Respekt und Hutabnehmen
geehrt. Nahe bei den Champs Elysees befindet
sich eine Freilichtbörse, wo unter Kastanien-
bäumen alltäglich Tausende von Käufern und
Verkäufern Zusammentreffen, um die „Kurse"
zu besprechen. Vor uns liegt ein Katalog, nach
80
dem die „Mauritius" (1 Penny orange, vom
Jahre 1847, Königin Victoria mit Diadem zei-
gend) zum Preise von 120 000 Mark (Friedens-
mark) angeboten wird. Dazu ist bemerkt, daß
diese Marke zusammen mit der dunkelblauen
2 Penny-Marke bei der Hind-Auktion in Lon-
don am 13. Juni 1934 auf Brief, leicht beschä-
digt, für 5000 Pfund versteigert worden sei (das
bedeutet heute die Kleinigkeit von 5 Millionen
Franken).
Und etwas von der Saar . . .
Auch das kleine Saarland hat seine seltenen
Marken, wenn sie auch keine Sensationspreise
erreichen. Immerhin wollen wir nicht ver-
gessen, daß im Katalog von Thiaude, 31. Aus-
gabe von 1949, die Saarmarke, 1920 heraus-
gegeben, Überdruck „Sarre" auf Bayernmarke
von 1914/16 für den 5-Mark-Wert in blauer
Farbe mit 16 500 Franken pro Stück bewertet
wird. Die ungezahnte 90-Centimes-Marke in
roter Farbe (Neue Ansichten von der Saar, mit
Aufdruck Saargebiet, Ausgabe 1930/34) figu-
riert mit 12 500 Franken pro Stück, unter „sur-
charge". Ein anderer Rekordbrecher ist die
Volkshilfe-Marke, sogenannte Madonnen-Serie.
Hier figuriert die braune Zehn-Franken-Marke
unter dem Preis von 14 500 Franken pro
Stück. Man sieht also, für manche Sammler ist
hier wirklich eine „Volkshilfe" geschaffen
worden.
Vielleicht werden in hundert Jahren unsere
braven Bergmannsbauernbilder auch derartige
Preise erreicht haben.
Eins hat sich aber seit den ersten Versuchen
Villayers durchgesetzt: kein Mensch wird
heute, weder in Saarbrücken noch in Paris oder
London daran denken, die Briefkästen abzu-
montieren oder zu stehlen oder die Erfindung
der Briefmarke als den größten Irrsinn, der
jemals bekannt wurde, zu bezeichnen. Gut
Ding will eben Weile haben.
Und damit sei diese kurze Geschichte von
der Erfindung der Briefmarke und ihrer Vor-
gänger beendet.
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6
81
Susanne---------------------
Eine Liebesgeschichte von J o s e l Schmidt, Allenkessel
ief im Köllertaler Walde versteckt liegt
die Bergmannssiedlung Von der Heydt.
Von riesigen Tannen überschattet,
in prachtvolle Obstgärten hineinge-
kuschelt, verträumen hier alte, heimelige
Wohnstätten ihre Tage. Den Sommer über
sind sie vom Duft der Blüten umwogt, vom
Gesumm der Immen und Hummeln um-
schwärmt, von den Gesprächen der Be-
wohner, die nach Feierabend oder sonn-
tags im Schatten der Kastanien sitzen, be-
lebt. Im Winter, wenn Schnee liegt, er-
scheinen sie noch verträumter. Dann
flimmern und leuchten sie in märchenhafter
Pracht. Rauhreif hat seine Kristalle auf die
beschneiten Dächer geworfen. Von den
Simsen starren blanke Eiszapfen, von den
Fenstern grüßen exotisch anmutende Blu-
men und Sträucher. Die Buchen und Tannen
in der Umgebung sind zu phantastischen
Gestalten geworden, aus denen der uralte
Pan seine Weisheiten hervorwispert. Der
kann schon gar nicht mehr laut reden, so
alt ist er. Mach' nur die Augen auf! Wie
ein Schemen huscht er vorbei; und hinter-
her sagst du: „Hu, was war das, mir läuft
es über den Rücken?” Fragt auch den alten
Krischan, den mit dem Beinstumpf, den
Hauerpensionär, wie das hier herum immer
gewesen ist, wenn der Frühling gekommen
war und die Sonne funkelte und vielartige
Vogelstimmen den Wald erfüllten im auf-
stehenden Tag, im dämmernden Abend.
Und wie das Potpourri der gefiederten
Carusos jäh übertönt wurde von dem
rucksenden Ringeltauber, der eben von der
Südfahrt zurückgekommen war . . .
Ja, der Ringeltauber von Von der Heydt!
Susanne wird ihn nicht so leicht vergessen.
Das ist schon lange her, daß sein Gurren
wie ein Schicksal in ihr junges Leben
hineingetrudelt ist. Susanne war damals
gerade sechzehn Jahre alt geworden. Ihr
Vater war Steiger auf Amelung, ein pflicht-
bewußter Mann, von Gemüt leutselig und
naturliebend dazu. Er hatte sechs Kinder,
und Susanne war das eigenartigste von
ihnen. Sie besuchte das Lyzeum in Saar-
brücken und wollte eigentlich Lehrerin
werden. Doch das ging nicht an. Als
Älteste mußte sie der Mutter zur Hand
gehen. So war es beschlossen.
An jenem Tage nun war sie in der
Morgenfrühe aus dem Hause getreten und
schickte sich an, an der Wegebiegung auf
die Straße zu treten, da sah sie auf einmal
auf dem obersten Astquirl einer Tanne den
prächtigen Tauber fußen. Sie blieb stehen
und beobachtete ihn. Guck, wie er seine
weißrote Brust vor Liebessehnen schwellt!
dachte sie. Wie er seinen Kropf bläht und
seine dreiteilige Arie: ,,Guruh, guruh,
guruh!” in steter Wiederholung über das
Tal hinwegjauchzt! Nun hörte sie das
Weibchen klappernd herbeistreichen und
sich neben dem stolzen Kerl niederlassen.
Noch gurrte er verliebt. Dann verstummte
er jäh und begann mit der Taube zu
Schnäbeln. Kurz danach brach er den Flirt
ab, schwang mit klatschendem Flügel-
schlage in die Luft und zog im Azur weite
Kreise, ehe er zu dem Weibchen zurück-
kehrte. Susanne hatte über dem Liebes-
spiel der Vögel die Zeit vergessen. Immer
noch stand sie da und hörte wieder den
lockenden Ruf und sah das Geschnäbel.
Seltsam war ihr zumute.
In ihr Verlorensein brach eine junge
Männerstimme und riß das Erlebnis mitten
entzwei: „Aber Susanne! Was is'n los mit
Dir? Höchste Zeit! Der Zug wartet nicht...
ach so? Der Täuberich da und sein Ge-
spusi haben das Mädchen verhext. . ."
Susanne wurde rot. Warum nur? Und
ein eigentümlicher Blick aus ihren Augen
traf den Jüngling.
Wie er dastand, der Horst Hornig! Auf
dem Kopf die weiße Mütze mit den Silber-
streifen. Ein schnatzer Bursch, wahrhaftig!
Früher war ihr das gar nicht so aufge-
fallen. Als Kinder hatten sie oben vor dem
Kasino gespielt. Nachher hatten sie mit-
82
einander den herrlichen Wald durchstreift
bis nach Neuhaus hinüber, bis Riegelsberg,
Sie hatten gewußt, wo die Erdbeer-Oasen
waren und die Himbeerhecken und wo in
weiten Feldern die Maiglöckchen blühten.
Das war seine Zeit her. Nie hatte sie ihm
gegenüber solche Verlegenheit empfunden
wie jetzt. Nun betrachtete sie ihn mit ganz
anderen Augen. Sie sah sein offenes, mar-
kantes Gesicht, die
hellen Augen unter
der Stirn, die leicht
gebogene Nase, den
roten Mund. Wie
seine Zähne blitzten,
da er sie lachend an-
sah! „Los, Kumpel,
mach los!" rief er,
riß die Mütze vom
Haar, daß es stru-
delnd in die Stirn
fiel, quetschte das
Pennälerkäppi unter
die Achsel, entriß
Susanne mit resolu-
tem Griff die Schul-
tasche und packte
ihre Hand. „Dauer-
lauf, Kleines! Wir
schaffen es noch!" . .
Von diesem Tage
an war Susanne ver-
wandelt. Das Erleb-
nis mit dem Tauber
hatte etwas in ihr
geweckt, was sie bis-
her vielleicht geahnt,
aber nicht gewußt hatte. Sie liebte. Ele-
mentar, ohne Grenzen, mit einer Hingabe,
die es nicht oft gibt. Fortan trug sie das
Haar nicht mehr in Zöpfen, sondern in
einen Knoten gefaßt über dem Nacken.
Wem mag das aufgefallen sein?
Ich habe sie in jenen Tagen gut gekannt.
Sie war von mittlerer Statur, mehr klein
als groß, mit breiten Schultern und voll
erblühter Brust. Dirndlkleider standen ihr
gut, und sie trug sie fast immer. Eigentlich
schön war sie nicht. Das Antlitz war breit
und kantig, ihre Nase ein sogenannter
Himmelstupfer; ihr Mund war allerliebst,
jugendfrisch und konnte wundersam er-
zählen. In den Wangen zeigten sich
neckische Grübchen, wenn sie lächelte,
und sie lächelte oft und gern. Weniger
durch Erziehung bedingt als durch Veran-
lagung hatte sie eine Herzensbildung, die
manche ihrer Altersgenossinnen hätte wert-
voller sein lassen, wenn sie im Besitz
dieser Gottesgabe gewesen wären. Dazu
war Susanne ein wenig träumerisch, ein
wenig romantisch, ein klein wenig einge-
bildet, weil ihr Vater Steiger war, aber
nicht um die Unze zuviel, die auf der
Waage des Urteils das Gleichgewicht ver-
schiebt. Mit beiden
Füßen stand sie auf
der Erde. Und wer
sie gesehen hat, wie
sie nachmittags im
Haushalt herumrak-
kerte, Putztuch und
Staubsauger, Kartof-
felschäler und Bügel-
eisen handhabte, der
wußte ganz genau:
das da wird einmal
eine gute Hausfrau.
Und in diesem
Mädchen war nun
eine Wandlung vor
sich gegangen. Seine
Tage und Nächte
waren fortan vom
Wunder der ersten
Liebe erfüllt. Mehr
als einmal stand sie
heimlich hinter der
Gardine und wartete
den Zeitpunkt ab,
an dem Horst von
der Stadt her kom-
men mußte, oder sie
machte sich im Keller des Vaterhauses zu
schaffen, um durch das Fenster wenigstens
sein Brustbild über die Ligusterhecken des
Vorgartens wandern zu sehen. Dieses Ver-
halten stand ihrem sonstigen Benehmen
dem jungen Manne gegenüber in ergötz-
lichem Widerspruch.
Sie reagierte nicht mehr auf den Triller-
pfiff vor ihrer Wohnung, der früher
morgens das Zeichen zum gemeinsamen
Aufbruch zur Schule gewesen war. Ent-
weder war sie bereits schon unterwegs,
wenn der Pfiff ertönte, oder sie ließ den
verblüfften Horst allein fortgehen und
nahm einen anderen Weg.
Eines Tages stand er vor dem Lyzeums-
gebäude und erwartete sie. Warum sie in
der letzten Zeit so widerborstig sei, fragte
er sie. Da bekam sie einen roten Kopf und
83
trumpfte auf; „Glaube ja nicht, ausge-
rechnet Du müßtest ständig mein Begleiter
sein. Der Franz ist auch noch da und der
Heinz und der Xaver, und die freuen sich
sogar, wenn ich sie mitnehme." — „Du bist
und bleibst eine ulkige Göre!" gab er
prompt zurück. „Wie die Dame wollen .. .
Ich brauche ihre Begleitung wohl kaum."
Damit ließ er sie stehen und ging seines
Weges. Das war ihr nun keinesfalls recht,
am liebsten hätte sie ihn zurückgerufen.
Weil sie das wieder nicht über sich brachte,
fing sie an zu weinen. Sie schämte sich,
denn sie liebte und fand keine Gegenliebe.
So war es.
Nun machten sich die Beiden gegenseitig
Köpfe. Keiner gab nach. Horst fragte sich
vergebens, was er nun eigentlich auf dem
Kerbholz habe, daß Susanne ihn nicht mehr
sehen wolle; und sie hoffte von einem
Tage auf den anderen, er werde ihr noch
einmal auflauern. Doch sie mußte lange
warten, denn kurz bevor Horst sein Abitur
machte, verließ seine Familie das behag-
liche Nest im Walde. Der Schichtmeister
Hornig war befördert worden und wurde
versetzt. Künftig war Saarbrücken sein
Wohnort.
Horst selbst hatte zu dieser Zeit ganz ■
andere Dinge im Kopf als das „launische"
Mädel. Obwohl die Prüfung vor der Tür
stand, betrieb er seinen Sport weiter. Den
Tennisspieler und Kanuten ließ er zwar
vorerst in der Versenkung verschwinden.
Dafür konzentrierte er sich nun ganz auf
den Fußballsport. Bald darauf erschien
zum ersten Male sein Bild in der Zeitung.
Wenn er sonntags nachmittags im großen
Stadion als Mittelstürmer seiner Mann-
schaft brillierte, brauste sein Name von
den Rängen. Sein intelligentes Spiel nicht
Zuschneide- und Nähkurse für
Schneiderinnen und Hausfrauen
Kursusdauer 4Wochen halbtägig
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weniger als seine kameradschaftliche Un-
eigennützigkeit gewannen ihm immer wie-
der die Herzen. Er war der Hans in allen
Gassen. Seine Dribblings waren ausge-
zeichnet, seine Pässe leiteten die Tore ein,
und er schoß wie der Teufel.
So war es kein Wunder, daß die Mädels
ihn anhimmelten. Besonders die kapriziöse
Tochter eines Großkaufmanns schenkte ihm
ihr Lächeln. Oft genug stand ihr Zweisitzer
vor dem Stadion, wenn Horst dasselbe ver-
ließ. Und eines Tages sah man ihn auf dem
zweiten Sitz des Autos in die Gegend
brausen.
Indessen wartete Susanne immer noch
auf ihn. Seit er fort war, fühlte sie erst
recht die Lücke, die er in ihr hinterlassen
hatte.
Einmal erschien er bei ihren Brüdern zu
Besuch. Er nahm wenig Notiz von ihr, be-
grüßte sie freundlich und so, als wäre nie
eine Unstimmigkeit zwischen ihnen ge-
wesen. Die Brüder foppten ihn mit seinen
weiblichen Eroberungen. „Ach", parierte
er mit einem drollig anmutenden Ernst,
„was sind schon die aufgeputzten Geld-
mäuschen meiner jetzigen Umgebung, ver-
glichen mit dem Idealbilde der Frau, das
ich im Herzen trage! Die man einmal
heiratet, mit der treibt man kein Allotria.
Ich amüsiere mich mit Tagesgrößen, hei-
raten werde ich meine Ewigkeit. Oder
habe ich nicht recht, Susanne?" — Susanne
gab keine Antwort und verließ die Stube.
Das hatte gut geklungen, was Horst gesagt
hatte. Und ihr ging es wie den Kindern,
wenn sie allein vor einem Kuchen sitzen
und sich die Rosinen als Feinstes heraus-
klauben: das mit der zu heiratenden Ewig-
keit bezog sie auf sich selbst.
Im Mai desselben Jahres erlebte sie eine
neue Überraschung. Der Briefbote brachte
eine Einladung ins Haus:
„Zu unserem FrühlingsbaU im Kasino
zu Von der Heydt erlauben wir uns, Sie
herzlich einzuladen.
Die Abiturienten des Ludwigsgymnasiums
gezeichnet: Der Festausschuß.“
Auf der Rückseite befand sich eine Nach-
schrift von Horst: „Vielleicht nehmen Fräu-
lein ,Kumpel' die Einladung gütigst an."
Es wurde wirklich ein rauschendes Fest.
Und das Schönste daran war, daß Horst
seinen Gast eindeutig bevorzugte. Er war
ein Gesellschafter par excellence. Der Smo-
84
king hob seine trainierte Gestalt ins rechte
Licht. Humor jauchzte durch die von ihm
gehaltene Festrede, und Susanne war ent-
zückt, als er abschließend sein Glas erhob,
sie ansah und ausrief: ,,So trinke ich denn
auf das Kleinod von Von der Heydt!"
Ein doppelsinniger Toast! Er konnte ja
das Dörfchen selbst damit gemeint haben.
Gleichviel: Susanne bezog auch diesen
Spruch auf sich. Die Stunden gingen
schnell dahin. Horst hatte mehr getrunken
als sonst, und er war beschwipst, als er
Susanne in dem vertrauten Ton von einst
fragte: „Wollen wir ein wenig frische Luft
schnappen, Mädchen?" . . .
Sie ergingen sich unter den uralten
Baumriesen des Tales. Es war eine blanke
Nacht, warm und vom Glanz des Sternen-
himmels verklärt. In Susannens Brust war
eitel Freude und Liebesglück. Aus den
Gründen läuteten die Unken. Die Frösche
plärrten. Silbern stieg die Mondscheibe
über Tannenwipfeln empor; ihr Licht
strömte durch das Geäst, unter dem die
beiden jungen Menschen stehen geblieben
waren. Und horch! Eine Nachtigall sang.
Reizvoll. Herzergreifend. Leise quollen die
Töne aus der Nacht. Die Tonstärke steigerte
sich, wurde voller und voller und wurde
wieder weich und milde wie hoher Geigen-
ton. Jede Strophe endete mit zierlichen
Figuren. Dann kam ein schmetternder
Triller ...
Ob Susanne das alles so verfolgt hat,
weiß ich nicht. Daß sie aber fassungslos in
Horsts Armen lag, das könnte man nach-
fühlen. Denn er hatte sie zum ersten Male
geküßt. Nun wollte er zum Fest zurück.
Ihr stand der Kopf nicht danach. Sie bat
ihn, heimgehen zu dürfen, sie sei müde.
Vor der Haustür verabschiedete er sich
von ihr. Es fiel ihr gar nicht auf, daß er
sie nicht noch einmal küßte und auch nicht,
daß er sagte: „Verzeih mir, Susanne, das
hätte ich nicht tun dürfen . .." Dann ging
er fort. Er torkelte wie ein Betrunkener.
„Auf Wiedersehn, Horst!" hörte sich das
Mädchen sprechen . . .
Es konnte nicht wissen, wieviel Jahre bis
zu einem Wiedersehn vergehen würden
und unter welchen Umständen sie den
Liebsten Wiedersehen sollte ...
Von dieser Nacht ab ließ Horst nichts
mehr von sich hören. Zwar kam acht Tage
später ein Brief von ihm, der die Vorfälle
Nur mit Zucker gesüsst.
Ist rasch beliebt geworden
und wird täglich mehr verlangt.
zu bagatellisieren suchte und sich in Phra-
sen erging. Man sei noch zu jung, um ein
ernstes Verhältnis zu pflegen. Zum Flirten
sei sie ihm zu schade, das wisse sie. Und
im Leben komme es doch, wie es kommen
müsse.
Damit hatte er alle Beziehungen zu
Susanne und zu ihrer Familie abgebrochen.
Das Mädchen ertrug das — wie es schien
— mit Gleichmut. Sie erwähnte seinen
Namen in den kommenden Jahren nie. Um
so mehr nahm sie an allem, was ihn betraf
und von dem sie sprechen hörte, inneren
Anteil. Sie wußte, daß er zum höheren
Bergfach strebte und sein praktisches Jahr
auf Grube Maybach ableistete. Sie hont:
eines Tages, daß er auf der Bergakademie
war und daß er sich mit einem reichen
Mädel verlobt hatte. Sie wand sich am
Pfahl einer Liebe, die sie nicht vergessen
konnte.
Als ihr Vater pensioniert wurde, zog sie
mit den Eltern in die Stadt. Die jüngeren
Schwestern heirateten nacheinander. Sie
schlug alle Chancen aus und wies nach-
einander einen Steiger, einen Eisenbahn-
inspektor, einen Markscheider ab. Sie jagte
dem Phantom nach, das in Horsts Gestalt
vor ihrer Seele gaukelte. Dieses Phantom
saugte ihr Herzblut. Sie litt. Sie zeigte es
nie nach außen. Man sagt, seelischer Kum-
mer fresse die roten Blutkörperchen. Bei
ihr war das der Fall. Mit der Zeit kam ein
früher ungewohntes Schlafbedürfnis über
sie, gegen das es kein Sichwehren gab.
Da griff ihr Vater ein und ging mit ihr zu
einem Internisten. Der stellte sofort fest,
daß ihr Zustand bedenklich sei und von
schweren seelischen Erschütterungen her-
rühre. Als sie ihm gestand, daß das wohl
85
der Fall sein könnte, riet er ihr, sich den
Mann mit Gewalt aus dem Herzen zu
reißen. Wenn sie erst einmal verheiratet
sei, würde sie auch wieder ganz gesund . . .
Wieder vergingen Monate ... Da sprach
das Schicksal.
Der Krieg begann. Verbrechen, Mord,
Haß, Wahnsinn rasten durch die Welt.
Gleich zu Beginn fiel ihr Lieblingsbruder.
Ein schweres Nervenfieber warf sie nieder.
In den Delirien hörten die erstaunten El-
tern immer noch den Namen Horst über
ihre Lippen kommen. Langsam erholte sie
sich. Bombenexplosionen nahmen ihren
Eltern und ihr alles, was sie besaßen. Und
doch war es, als flössen ihr aus diesem
Unglück neue Lebenskräfte zu.
Sie suchte Arbeit. Sie hatte nichts ge-
lernt. Kurz entschlossen ging sie auf die
Grube und wirkte am Leseband. Es war
eine schmutzige Arbeit. Die Erkenntnis,
daß ihren Eltern aus dieser Arbeit manche
Vorteile gegeben wurden, machte das Wer-
ken schön. Der Fatalismus wich aus ihrem
Gemüt. Trotz der großen Zeitnot fand sie
wieder dann und wann ein Lachen. Es war
das Lachen eines unverdorbenen Herzens.
Sie wurde mehr und mehr Trost und
Freude der Ihren.
Vater und Mutter hatten fern vom In-
ferno der Großstadt eine Oase an der Nied
gefunden, eine lieblich gelegene Mühle,
deren Besitzer ihnen zwei Zimmer abge-
treten hatte. Dort verbrachte Susanne nun
ihre Samstagnachmittage und Sonntage.
Es war ein Tal, in dem es sich wie auf
Watte schreiten ließ. So weit, so still, so
natürlich, ein wahres Dorado für Susan-
nens wiedererwachte Lebensfreude. Sie war
wie eine Flamme, die das Dunkel vertreibt.
Mit Freude sah man sie kommen, mit Weh-
mut scheiden. Gibt es etwas Wertvolleres?
So kam das Jahr 1944 heran. Ihr Schick-
salsjahr.
Eines Tages war der Brief da, der Brief.
Die Schrift darauf war ihr unbekannt. Sie
drehte das Kuvert um und las den Namen
des Absenders. Sie fühlte ihren Herzschlag
stocken. Der Brief kam von Horst’s Mutter.
Sie öffnete ihn und las:
Wertes Fräulein Susanne! Verzeihen
Sie der Mutter, wenn sie aus Liebe zu
ihrem Sohn eine Indiskretion begeht.
Horst hat bei den Kämpfen um Stalin-
grad vor zwei Jahren sein Augenlicht
verloren. Was die Blindheit für ihn be-
deutet, können Sie, die Sie ihm einmal
eine gute Jugendkameradin gewesen
sind, vielleicht ermessen. Anfangs trug
er sein Schicksal mit dem Fatalismus
eines Mannes, der sich vom Leben nichts
mehr verspricht. Seiner Braut hat er
seinerzeit den Verlobungsring zurück-
gesandt, und sie hat das wie selbstver-
ständlich hingenommen. Er war ja nicht
mehr der lamettageschmückte Held ihrer
Träume. Seither sind zwei Jahre ver-
gangen. Er hat die Blindenschule absol-
viert und lebt langsam wieder auf. Ich
höre ihn oft von Ihnen sprechen. Voller
Ehrfurcht und Reue. Er hat mir gestanden,
was er Ihnen angetan hat. Ich weiß, daß
er Sie heute liebt. Ihr eigenes Leben,
soviel ich davon erfahren konnte, hat
bewiesen, daß er Ihnen viel bedeutet hat.
Vielleicht mußte alles so kommen. Ich
möchte meinen Jungen glücklich wissen.
Ob Sie seinem Schicksal nicht doch so
ganz teilnahmslos gegenüberstehen? Diese
Frage zwingt mich zu diesem Bekenntnis.
Er darf nie von diesem Brief erfahren. Ich
weiß letzteren in jedem Falle bei Ihnen
gut aufgehoben. — Mit hochachtungs-
vollen Grüßen Ihre . . .
Der Brief war kurz, sachlich, frei von
Pathos . . . Was dann geschah? . . .
Ich würde, du vielleicht auch, liebe
Leserin, anders gehandelt haben, als Su-
sanne es nunmehr offensichtlich getan hat.
Aber wer kennt sich in den Labyrinthen
des menschlichen Herzens aus!
Neulich traf ich die Beiden bei einem
Besuche in Von der Heydt. Sie waren schon
einige Monate verheiratet.
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86
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öie entöecfcyng
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Die Meere bedecken 7/io der Erdober-
fläche. Sie umgeben die Festländer und
Inseln. Früher war man im allgemeinen
entgegengesetzter Ansicht. Die meisten
Mittelmeervölker sahen im Meer eine von
Land umschlossene „See". Noch Kolumbus
stellte sich das Verhältnis von Land zu Wasser
wie 6:1 vor. Nur das Seefahrervolk der Phöni-
zier machte schon im frühen europäischen
Altertum eine Ausnahme. Es hat das Verhält-
nis von Meer zu Land richtig empfunden und
nannte sein Meer Og, d. h, Allumfasser.
Schon in den ältesten Zeiten sind die Meere
befahren und durchkreuzt worden. Jedoch
wurde der Nachwelt nichts davon überliefert.
Erst nach der Erfindung der Schrift konnte die
Geschichte solche Entdeckerfahrten festhalten.
Nach und nach bildeten sich Schiffahrtswege
heraus, und es bahnten sich von Hafen zu
Hafen und von Kontinent zu Kontinent regel-
mäßige Beziehungen an. Das ursprünglich
tiennende Meer wird zum Vermittler zwischen
den Festländern.
Die ersten Seefahrten wurden ohne Zweifel
aus Nahrungssorgen unternommen: Fischfang
entlang der Küste, Fahrten im Zug der Völker-
wanderungen auf der Suche nach milderen
Klimaten während der Eiszeiten. Später kam
der Wunsch und die Begierde nach entfernten
Schätzen und Reichtümern hinzu wie Gold,
Edelsteine, Elfenbein, seltene Hölzer, Gewürze
und Seide. Damit entstand der Handel zu
Lande und zur See, mit Karawane und Schiff.
Er verursachte Kämpfe und verlangte die Tei-
lung der Erde. So wurde das Meer und die Vor-
herrschaft darüber zum politischen Machtmittel,
Endlich war es die Wissenschaft, die der Ent-
deckung der Meere neue Impulse verlieh; ins-
besondere die Kartographie, die Erfindung der
Windrose, des Sextanten und des Chrono-
meters, die drahtlose Telegraphie und die
Technik des Schiffbaues.
Die Entdeckungsreisen der Meere enden in
unserer Zeit im Kampf um die Pole. Trotz
modernster technischer Hilfsmittel wie Flug-
zeug und Funk erfordert dieser Kampf ebenso-
viel Mut und Kühnheit wie die ersten primi-
tiven Seefahrten.
Die ersten Anzeichen, daß Urmenschen in
irgendeiner Beziehung zum Meer standen, sind
uns durch Funde überliefert. In Frankreich hat
man Menschenskelette gefunden, die drei ver-
schiedenen Rassen der Eiszeit angehörten. Die
eine von Grimaldi hat negroiden Einschlag,
jene von Cro-Magnon ist der heutigen weißen
Rasse ähnlich, und die dritte von Chancelade
erinnert an den Eskimomenschen mit mongoli-
schem Einschlag. Offenbart vielleicht ihr Vor-
kommen in Frankreich schon weite Wande-
rungen über Meere? Die Grimaldi-Skelette fand
man bei Menton in einer Grabstätte am Rande
des Meeres. Kopf und Arme waren mit Meeres-
muscheln geschmückt. Waren diese Menschen
wohl vor 30 000 Jahren von Afrika über das
Mittelmeer gekommen?
Durch die geographische Verteilung der
Rassen, der Werkzeuge, der Waffen und der
Gebrauchsgegenstände kann man feststellen,
daß in der mittleren Steinzeit starke Kultur-
einflüsse aus Afrika und sogar aus Indien
Europa bis nach Skandinavien hinauf durch-
drangen. Es scheint also, daß das Mittelmeer
seit jener Zeit durchkreuzt wird. Aus derselben
Zeit stammen auch die Kjökkenmöddinger der
skandinavischen, dänischen und norddeutschen
Küste. Das sind Küchenabfallhaufen, die
Muschelschalen, Austern, Fischgräten, Stein-
werkzeuge, Tierknochen, Asche usw. enthalten.
Sie erbringen den Beweis, daß die Menschen
jener Zeit schon Fischfang trieben.
Schwer ist es jedoch heute, die Uranfänge
der Schiffahrt sich vorzustellen. Weder unsere
Nordmeere, noch der Atlantische Ozean und
das Mittelmeer geben hier genügende Anhalts-
punkte. Wohl kennen wir aus der Geschichte
dieser Gebiete die frühe Schiffahrt in bereits
entwickelteren Formen. Uber ihre Vorläufer
wissen wir aber nichts. Ganz anders ist die
Lage in der Südsee. Dort finden wir heute noch
sämtliche Schiffstypen bis zu der denkbar
87
primitivsten Form einer treibenden Baumwurzel
hinab nebeneinander erhalten. Wenige Spuren
deuten an, daß die Polynesier, Bewohner der
Südsee, schon vor der geschichtlichen Zeit weite
Seereisen im Stillen Ozean bis zu den West-
küsten von Nord- und Südamerika unter-
nommen haben.
Der große Variantenreichtum der Schiffe nach
Form und Material ist geographisch bedingt.
Jedes Meeresgebiet hat seine eigenen Schiffs-
typen; so die Schiffe des Nordens, die Drachen
der Wikinger und die davon abgeleiteten
Formen, die Kajaks der Eskimo, die Segelschiffe
des Mittelmeeres, die chinesischen Dschonken,
die Pirogen der Südsee u. a.
Aus all diesen Tatsachen erkennt man, daß
der Mensch lange vor der Geschichte das Meer
gekannt und befahren, daß er sich von den Er-
zeugnissen des Meeres ernährt hat, daß er über
das Meer ausgewandert ist auf der Suche nach
milderen Klimaten, nach fruchtbareren Ge-
bieten und auch, um Handel zu treiben. Jedoch
fehlen uns genaue Unterlagen über diese
Unternehmungen.
Zum erstenmal liegen aus dem Altertum
bildliche und geschriebene Zeugnisse über die
ersten bekannten Entdeckerfahrten vor. So
ist uns überliefert, daß die Hebräer, Chaldäer,
Assyrer, Mesopotamier, Meder und Perser auf
den angrenzenden Meeren Seehandel mit
anderen Ländern wie Indien und Griechenland
führten. Im Alten Testament wird uns be-
schrieben, wie die Königin von Saba aus dem
Lande Ophir kommt, und die Flotte von Tharsis
alle drei Jahre Gold, Silber, Elfenbein, Affen,
Pfauen usw. brachte. Wenn man auch nicht
genau die Lage von Ophir weiß, ob in Arabien,
Ostafrika oder Vorderindien, so liegt doch fest,
daß zu jener Zeit schon ein regelrechter See-
handel auf dem Roten Meer geherrscht hat.
Von den Ägyptern wissen wir, daß schon im
16. Jahrhundert v. Chr. Schiffe das Rote Meer
bis Kap Guardafui (Ostafrika) durchfahren
haben. Im 6. Jahrhundert v. Chr. versuchte
Pharao Necho, einen Kanal zwischen dem
Mittelländischen und dem Roten Meer zu bauen.
Necho schickte eine phönizische Flotte aus, die
durch das Rote Meer entlang der Ostküste
Afrikas fuhr und drei Jahre später durch die
Meerenge von Gibraltar zurückkehrte. Diese
Flotte muß also das Kap der Guten Hoffnung
umsegelt haben.
Das bedeutendste Seefahrervolk des Alter-
tums waren die Phönizier. Sie trieben umfang-
reichen Seehandel und hatten überall feste
Stützpunkte. Ihre verwegenen Seefahrer fuhren
nach Cypern, wo sie Kupferminen ausbeuteten;
sie setzten sich in Kleinasien, auf Rhodos,
Kreta, in Karthago und am Bosporus fest und
drangen ins Schwarze Meer ein. Ihre Kaufleute
handelten mit Marmor von Palos (Südwestküste
Spaniens), Schwefel und Alaun von der Insel
Milos (Ägäisches Meer), Gold von Thasos
(Insel östlich von Saloniki) und Purpur von
der griechischen Insel Kythera. Später ließen
sich die Phönizier im westlichen Mittelmeer
auf Malta, Sizilien, Sardinien, auf den Balearen
88
Das Erclbild Herodots um b50 v. Chr.
und auf Gibraltar nieder. Man vermutet, daß
sie auch die Westküste von Afrika, die Kanari-
schen Inseln, England, die Ostsee, die Sargasso-
see und vielleicht Amerika erreicht haben.
Das Erbe der Phönizier traten die Griechen
an. Sie erweiterten die Kenntnis von den
Meeren, indem sie nicht nur die bisher be-
kannten befuhren, sondern darüber hinaus das
Kaspische Meer durchquerten, die Küsten von
Ägypten bis Indien genau erforschten und
eine Expedition entlang der Küsten von
Spanien, Frankreich und England bis Thule
(vermutlich Norwegen oder Island) durch-
führten. Auf dieser Fahrt erreichten sie auch
das Nördliche Eismeer. Griechische Wissen-
schaftler wie Mathematiker, Astronomen und
Philosophen trugen durch ihre Erkenntnisse
und Erfindungen zur Förderung
der Seeschiffahrt und Meeres-
kunde viel bei.
Im Gegensatz zu den Grie-
chen machten die Römer auf
den Meeren keine weiteren
Entdeckungen. Sie waren ein
Ackerbau- und Soldatenvolk.
Ihre militärischen Eroberungs-
züge führten sie größtenteils zu
Land aus. Die Flotten nahmen
nur daran teil, um Truppen,
Ausrüstung und Verpflegung zu
befördern oder eine feindliche
Seemacht zu brechen (Karthago).
Im Mittelalter (476 n. Chr.
bis 1453) gingen zunächst durch
die Völkerwanderungen mit
ihren Kriegen und Verwüstun-
gen die bisherigen Kenntnisse
und Erfahrungen über die Meere
und die Seeschiffahrt verloren.
Erst im 6. und 7. Jahrhundert können wir neue
Anfänge beobachten. Mit der Staatenbildung in
Europa blühte der Handel erneut auf und See-
reisen wurden wieder unternommen. Venedig
und Genua entwickelten sich zu blühenden
Handelsstädten des Mittelmeeres. Aus dem
8. und 9. Jahrhundert wird berichtet, daß von
den skandinavischen Küsten die Nordmänner
oder Wikinger auf ihren Drachenschiffen aus-
zogen. Sie waren ausgezeichnete Seefahrer,
fuhren die Küsten entlang und die großen
Ströme aufwärts. Gruppen der Wikinger ließen
sich auf den Inseln im Norden Schottlands, am
Ärmelkanal, in der Normandie, in Südengland
und auf Island nieder, Sie erreichten das Nord-
kap und drangen in das Weiße Meer ein. 985
landeten sie in Grönland. Kurz nach dem Jahre
1000 krönten sie ihre großen Taten durch
Das Erdbild nach Martin Behaim Das heutige Erdbild
Die von Martin Behaim 1M2 hergestellte und in Nürnberg verwahrte Erdkugel zeigt, wie sehr
sich im 15. Jahrhundert die Vorstellung eines stark nach Osten ausgedehnten Asiens verbreitet
hatte; Cipangu, das heutige Japan, wurde auf den Längengrad gesetzt, auf dem sich heute New
Orleans in Nord-Amerika befindet. Das war ein bedeutender Irrtum, weil er die Annahme be-
kräftigte, dass es leicht war, Asien über den Westen zu erreichen; sie ermutigte Christoph
Kolumbus, eine Reise zu wagen, die seiner Meinung nach nur kurz sein musste.
89
Christof orus Kolumbus, das Christkind über
den Ozean tragend. (Aus der ältesten erhaltenen
Amerika-Karte von Juan de la Cosa, 1500)
Fahrten nach Helluland (d. h. Steinland), Mark-
land (d. h. Waldland) und Winland (d. h. Wein-
land). Wahrscheinlich sind es Labrador, Neu-
fundland und Neu-Schottland.
Im Mittelalter zeichneten sich auch die
Araber durch besondere Seetüchtigkeit aus. Sie
besaßen eine hohe Kultur und leisteten Vor-
zügliches in der Astronomie, Geographie und
Mathematik. Sie fanden aus dem Altertum
verlorengegangene Manuskripte wieder auf, so
daß die antike Wissenschaft im Mittelalter
wieder auflebte. Ihre Seefahrten führten sie
vom Atlantik bis zum Indus und durch den
Golf von Bengalen, die Meerenge von Malakka
bis China durch. Von dort brachten sie die
Magnetnadel mit, die zur Erfindung des Kom-
passes führte. Gegen 1000 n. Chr. wurden von
den Arabern die Koralleninseln entdeckt.
Das Ende des Mittelalters ist durch eine
Reihe von Erfindungen gekennzeichnet, welche
die Schiffahrt umwandelten und erst die großen
Entdeckungen möglich machten. Die bisherigen
primitiven Schiffe erhielten zahlreiche Ver-
besserungen: Steuerruder, mehrere Mastbäume,
Deck, geschützte Lagerräume für Lebensmittel,
Munition und Waren, größeren Tiefgang,
bessere Bewaffnung u. ä. Als Handelsschiff
wurde seit dem 15. Jahrhundert die hoch-
bordige Karavelle benutzt. Eine andere wichtige
Erfindung ist die des Kompasses. Die Chinesen
kannten ihn schon sehr lange und verwendeten
ihn wahrscheinlich seit dem 4. Jahrhundert
n, Chr. in der Schiffahrt. Die Normannen hatten
wohl auch schon Kenntnis von ihm. Weltkarten
und Karten von bestimmten Meeresteilen
wurden gezeichnet. Auf weiten Seereisen be-
diente man sich der ersten Globen (Kolumbus
und Vasco da Gama). Der berühmteste Globus
jener Zeit stammte von Martin Behaim (1492).
So war man zu Beginn der Neuzeit zu den
griechischen Ideen von der Kugelgestalt der
Erde zurückgekehrt.
Das, was Europa von alten Zeiten her prak-
tisch und bewußt vom Meere gewollt und
immer auf ihm gesucht hat, hieß Indien mit
all seinen Reichtümern. Bisher waren Klein-
asien und Arabien die Brücke nach Indien ge-
wesen. Doch wurde seit dem 7. Jahrhundert
dieser Weg durch den Islam erschwert, der die
syrische Pforte durch Handelssperren abriegelte.
1453 schlossen die Türken auch die Bosporus-
enge ab, so daß keine Christen mehr durch-
kamen. Es galt also, für das Abendland andere
Durchfahrten zu suchen. Die damalige Karte
der Welt war klein. Sie enthielt kein Amerika.
Als die Anschauung von der Kugelgestalt der
Erde Allgemeingut wurde, sagte man sich, daß
Indien auch westwärts über den Atlantik oder
südwärts um Afrika herum zu erreichen sein
müsse. Von überall her kamen verwegene See-
fahrer, die einen neuen Weg nach Indien erfor-
schen wollten. Diese Anstrengungen, die im 13.
Jahrhundert begannen, erreichten Ende des 15.
Jahrhunderts eine Blütezeit der Forschungsrei-
sen und Entdeckungen. Die wichtigsten davon
fallen in den Zeitraum zwischen 1492 und 1522
und wurden von Staaten, die am Atlantik lagen,
durchgeführt: Portugal, Spanien, Frankreich,
Niederlande und England. Diese Länder er-
90
hielten dadurch die Weltherrschaft, während
das Mittelmeer seine Vorrangstellung zur See
verlor und Venedig und Genua verkümmerten.
Drei große Namen beherrschten diese Epoche:
Kolumbus, Vasco da Gama und Magalhaes.
Ihre Unternehmungen waren in der Planung
und Ausführung sehr verschieden.
Die Umsegelung Südafrikas war das Werk
der Portugiesen, Wohl hatten die Phönizier
unter König Necho diesen Weg gemacht; auch
hatten Griechen, Römer, Franzosen, Spanier
und Araber die Säulen des Herkules (Vor-
berge der Meerenge von Gibraltar) passiert
und waren entlang der Westküste Afrikas
manchmal bis zum Äquator gekommen. Aber
die äußere Gestalt blieb weiterhin ungewiß.
Im 15. Jahrhundert begannen die Portugiesen
unter der Leitung des Prinzen Heinrich des
Seefahrers die Westküste zu entschleiern. 1487
erreichte Bartolomeo Diaz das Kap der Stürme,
das später Kap der Guten Hoffnung bezeichnet
wurde. 1498 umschiffte Vasco da Gama das
Kap und überquerte den Indischen Ozean bis
Indien. Einige Jahre später fuhren andere
Portugiesen um Malakka, besuchten die Sunda-
Inseln, Kanton, Peking und Japan. So war der
Seeweg nach Indien um die Südspitze Afrikas
festgelegt. Er ist der große Verkehrsweg
zwischen Europa und Südasien bis zur Erbau-
ung des Suezkanals geblieben.
Das Unternehmen von Kolumbus ging von
dem Gedanken aus, auf westlichem Wege nach
Indien zu gelangen. Kolumbus war Genuese
und handelte im Auftrag Spaniens. Am 12. Ok-
tober 1492 betrat er die Insel Guanahani, der
er den Namen San Salvador gab. In den
folgenden Jahren unternahm er noch mehrere
Reisen nach Amerika. Er verstand es, die
Passatwinde auszunutzen und seetechnisch die
besten Routen auszuwählen. Nach der Ent-
deckung Amerikas durch Kolumbus folgten
andere Expeditionen, so daß zwischen 1493
und 1504 allein 200 Schiffe den Atlantik durch-
querten. 1497 entdeckte ein anderer Italiener,
Giovanni Gabotto (Cabot), Neufundland, Neu-
Schottland und Labrador auf der Suche nach
einer nordwestlichen Durchfahrt. Sein Sohn
Sebastian knüpfte an diese Entdeckungen an.
Er wurde jedoch im Norden durch das Eis an
seiner Weiterfahrt gehindert, wandte sich da-
her nach Süden und kam bis zum Kap Hatteras.
Seit 1506 beteiligten sich auch die Franzosen
an der Entdeckung der Ostküste des nordameri-
kanischen Kontinents. Sie ließen sich unter
Führung von Jacques Cartier im Mündungs-
gebiet des St.-Lorenz-Stromes nieder. In-
zwischen hatte man die Halbinsel Florida und
den Golf von Mexiko auf seiner Nordseite
umfahren und dabei die Mündung des Missis-
sippi kennengelernt (1519). Man spürt, wie es
in diesen Jahren auf den großen Meeren
lebendig wurde. Einen sehr großen Fortschritt
stellte die Entdeckung des Stillen Ozeans durch
Balboa (1513) dar, der die Landenge von
Panama überschritt. In der Folge versuchten
andere Seefahrer, eine südliche Durchfahrt nach
dem Stillen Ozean zu finden. Dies gelang
Magelhaes (Magellan), einem Portugiesen in
spanischen Diensten. Er durchfuhr 1520 die
nach ihm benannte Meeresstraße und durch-
segelte dann den Stillen Ozean in seiner
ganzen Breite, Dabei erreichte er die Marianen
und später die Philippinen, wo er von Einge-
borenen getötet wurde. Sein Leutnant führte
das Unternehmen zu Ende und berührte Borneo,
91
Zeitgenössische Allegorie auf die erste
Weltumseglung von Magelhaes im Jahre 1522
die Molukken und das Kap der Guten Hoff-
nung. Dies war die erste Weltumsegelung, Sie
bewies die Kugelgestalt der Erde und gab
Kunde von den unermeßlichen Weiten des
Stillen Ozeans. Sie war das bedeutendste Er-
eignis dieser Epoche der Entdeckerfahrten und
überragte alle anderen durch ihre Verwegen-
heit und ihre Folgen. Sehr bald wurden weitere
Reisen im Pazifik durchgeführt und dabei zahl-
reiche Inseln und Inselgruppen gefunden.
Die zweite Weltumsegelung wurde 1577 von
dem Engländer Drake durchgeführt, welcher
zum erstenmal die Südspitze Südamerikas, Kap
Hoorn, umfuhr und an der Westküste Amerikas
bis etwa zur Nordgrenze der heutigen Ver-
einigten Staaten entlang segelte. Gegen Ende
des 16. Jahrhunderts wurden noch weitere Erd-
umsegelungen durchgeführt.
Auf den neu gefundenen Seewegen setzte
bald ein reger Handelsverkehr ein. Unbekannte
Bodenschätze, kostbare Metalle, Edelsteine,
fremdländische Kulturpflanzen wie Kartoffel,
Tomate, Mais, Tabak, Bohnen und vieles
andere gestalteten das europäische Leben
völlig um. Spanien und Portugal mit Cadiz
und Lissabon wurden zu Spitzen des Welt-
handels. Ihre Vorherrschaft währte ein Jahr-
hundert. Sie wurde zuerst durch Holland, dann
durch England und Frankreich abgelöst. Nur
wenige Schiffe, welche durch die Regierungen
oder von den inzwischen gegründeten ost-
indischen Handelsgesellschaften (z. B. La
Compagnie des Indes, von Colbert 1664 ge-
gründet) bewaffnet waren, wagten sich außer-
halb der bekannten Seewege auf die Suche
nach neuen Ländern. Auf diese Art wurden
im Stillen Ozean Australien, Neuseeland und
eine größere Anzahl von Inseln der Südsee
entdeckt (Torres, Tasman).
Andere Anstrengungen wurden gemacht, um
einen kürzeren Weg von Europa nach China
zu finden. So wurden nach Nordwesten nach-
einander alle Meeresarme befahren in der
Hoffnung, die gewünschte Durchfahrt zu finden.
Noch heute erinnern uns Namen wie Frobisher-
Bai, Davis-Straße, Hudson-Straße und Hudson-
Bai, Baffin-Bai, Kap Farewell an die kühnen
Vorstöße der Engländer im 16. und Anfang des
17. Jahrhunderts. Eine nordöstliche Durchfahrt
suchten u. a. der Holländer Barents (Bären-
Inseln, Spitzbergen), Jan May (Jan-Mayen-
Insel) und einige Russen, die die Meerenge
zwischen Asien und Amerika passierten, die
80 Jahre später den Namen Bering-Straße
erhielt.
Im 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts fanden nennenswerte Ent-
deckungsfahrten nicht statt. Es war eine Zeit
der Auswertung der Erfahrungen zur See in
technischer und wissenschaftlicher Richtung.
Wichtige Meßinstrumente wie Sextant, See-
uhren mit hoher Genauigkeit, Thermometer
und Barometer wurden erfunden. Der erste
geographische Atlas erschien. Die Teildiszi-
plinen der Erdkunde: Kartographie, Klimato-
logie, Ozeanographie und die Biologie der
Meere erfuhren ihre Vertiefung. Auch die
Standortbestimmung auf dem Meere nach Länge
und Breite fand ihre Lösung.
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Nachdem die arktische Küste Nordamerikas
und die Sibiriens vom Lande her erkundet
waren, traten ganz neue Motive auf, unter
denen man Expeditionen zur See durchführte.
Als erste ist die von James Cook zu nennen,
der mit einem Stab von Wissenschaftlern sich
einschiffte und u. a. die Aufgabe hatte, das
Bestehen eines südlichen Kontinents zu klären.
Auf seiner Umfahrt um die Erde in hohen
südlichen Breiten, wo Süd-Georgien und die
Sandwich-Inseln entdeckt wurden, stellte er
fest, daß hier ein zusammenhängendes Meer
die Erde umschlingt und ein Festland nur süd-
lich vom antarktischen Polarkreis liegen könne.
In der Tat wurde es in den folgenden Jahr-
hunderten entdeckt. Durch Cooks Reisen wurde
der ungeheure Reichtum der südlichen Meere
und Inseln an Walfischen und Robben bekannt.
Das Beispiel von Cook fand viele Nachahmer.
1785 startete La Perouse von Brest aus, be-
rührte Kap Hoorn, die Oster-Insel, Hawai,
Kanada, überquerte den Stillen Ozean, kam
nach Sachalin und Kamschatka, fuhr zur Süd-
see und verschwand spurlos im Norden der
Neuen Hebriden. Wedell drang 1823 in der
nach ihm benannten See weit südwärts vor.
James Clark Ross fuhr bis zum Viktoria-Land,
stieß bis tief in das Meer vor, das seinen
Namen trägt (Ross-See), bis eine Eisbarriere
sein weiteres Vordringen verhinderte. Das
Meer um die Antarktis war gegen Mitte des
19. Jahrhunderts bekannt. Namhafte Forscher
wie Roald Amundsen, Scott, Filchner und
neuerdings Wilkins und Byrd haben sich in
hartem Kampf um die Erschließung des antark-
tischen Kontinents große Verdienste erworben.
Die Entschleierung der Arktis ist noch nicht
völlig zum Abschluß gekommen. 1818 ver-
suchten Ross und Parry, vom Baffin-Meer aus
eine nordwestliche Durchfahrt zu finden. Sie
kamen jedoch nicht weiter als Frobisher 1575.
Eine groß angelegte Expedition (1 Öl 9—1826)
Amundsen hisst die norwegische Flagge
am Südpol
unter John Franklin verunglückte. Aber die
39 Expeditionen, die zur Suche Franklins aus-
gesandt waren, konnten die Kenntnis von der
Arktis beträchtlich erweitern. Insbesondere ist
die Expedition von Mac Clure zu nennen, der
von 1850—1854 von der Bering-Straße aus
durch offenes Meer bis zum Melvillesund vor-
drang und den ausgesetzten Preis für die Ent-
deckung der nordwestlichen Durchfahrt erhielt.
Man erkannte, daß eine Meeresverbindung
vorhanden, aber durch Eis verschlossen sei.
Erst nach einer langen Pause gelang es 1903
bis 1906 Amundsen, im ganzen der Küste Nord-
amerikas folgend, die nordwestliche Durchfahrt
und damit die Umfahrung dieses Kontinents zu
vollenden.
Aber noch sind uns eigentlich nur die Um-
risse der arktischen Inselwelt im groben be-
kannt. Weite Meeresgebiete rings um den
Nordpol sind noch unerforscht. Trotzdem kann
heute die Entdeckung der Meere als beinahe
abgeschlossen gelten. Die „weißen Stellen" auf
den Atlanten, das sind die noch unerforschten
Gebiete der Erdoberfläche, beschränken sich
auf die um beide Pole gelagerten Zonen.
Glück auf!
Das führende Haus für gute Herrenkonfektion
seit 1911
Fernsprecher
4294
93
Sine historische Plauderei:
aeroben imHlittelalter
Von M. W.
Der moderne Mensch des 20. Jahrhunderts,
der im Zeitalter des Radios, des Fern-
sehens, des Radiums und bald auch der
atomischen Energie lebt, kann sich nur
sehr schwer einen Begriff über das Leben im
Mittelalter machen. Ist es für ihn doch schon
fast unmöglich, sich in die Zeit seiner Urgroß-
eltern hineinzuversetzen, die, wenn auch noch
nicht das elektrische Licht, so doch die Gas-
beleuchtung kannten. Bedeutet für ihn die Er-
zählung von den Ängsten moralischer und Er-
schütterungen körperlicher Art, welche die
erste Fahrt mit der Dampfeisenbahn von Saar-
brücken nach Metz oder von Fürth nach Nürn-
berg mit sich brachten, heute eine Quelle
reinster und ungetrübter Heiterkeit, so stellt
ihn die Frage: „Wie mag das Leben einige Jahr-
hunderte vorher in Stadt und Land gewesen
sein?" vor schwer zu erhaltende Antworten.
Das große Unglück unserer Geschichtsschrei-
bung von heute ist, daß sie uns fast ausschließ-
lich Berichte von Fürsten und Soldaten, von
Dynastien und Heeren, von Eroberungs- und
Religionskriegen brachte. So finden wir aller-
orten Erzählungen von „Prunkschlössern“ der
französischen Könige, von den „Tabakskolie-
gien" des Soldatenquälers von Potsdam — als
ob derartige Extravaganzen wirklich „Ge-
schichte" der betreffenden Völker darstellten!
Wie Bürger und Bauern in der Vergangenheit
lebten, wie deren Kinder und Frauen ihre Tage
verbrachten — darüber wird wenig oder nichts
berichtet. Und je weiter wir in die Jahrhunderte
zurückgehen, um so rarer werden die Quellen,
besonders aus der Zeit des Mittelalters, also
aus der Zeit von etwa 400 — 1450 n. Chr. Man
nennt diese Periode ein „dunkles" Zeitalter,
vielleicht eine etwas leichte Generalisierung,
aber sicher ist, daß die meisten unter uns sich
heute nur eine dunkle Vorstellung von jener
Zeit machen, und darum wollen wir in den
nachstehenden Zeilen versuchen, einige Schil-
derungen aus dem Leben im Mittelalter zu
geben, wie es sich etwa in unseren Gegenden
abgespielt haben mag.
Das Gebiet der Saar war damals noch sehr
stark bewaldet. Es neigte in kultureller Hinsicht
vorwiegend nach Frankreich, nach TOUL und
METZ hauptsächlich und nach jenen Land-
strichen am Rhein, die eine alte Kultur hatten.
Einerseits Verdun, Metz und Toul, andererseits
WORMS, MAINZ und SPEYER — in der Mitte
die großen, sehr schwach besiedelten Wald-
gebiete im Osten von Nancy, im „Warndt", der
„schwarze" Wald zwischen Mosel und Nahe,
die Wälder an der Saar und der undurchdring-
liche, große Pfälzer Wald, dazwischen einige
werdende Städte, Höfe und verstreute Sied-
lungen. Im späteren Mittelalter hören wir —
anno 1277 — in einer französischen Urkunde
von der Vorburg (bourg) Saarbrücken. Damals
war sie ein Lehen des Bischofs von Metz. Anno
1267 hört man bereits von einem Bischof VOL-
MAR, der von St. JOHANN stammt —• erste
Erwähnung dieses Ortsnamens. Im Jahre 1316
wurde Saarbrücken schon als STADT genannt,
muß also schon über eine gewisse Anzahl von
Einwohnern verfügt haben. Soweit über die
ersten Anzeichen von Siedlungen und Städten.
Das „Königsgut" bei Saarbrücken — in der
Nähe des heutigen Brebach — wurde schon im
11. Jahrhundert von Heinrich IV. an den hei-
ligen Arnual ubergeben. Dieses Gut hatte seine
besondere Bedeutung, iag es doch an einer der
wichtigen — sogar der bedeutendsten — Durch-
gangsstraßen, die von Frankreich nach den
Landen am Rhein führten. Diese Straße, ver-
bindende Linie zwischen Metz und Mainz —
Orte von entscheidender Bedeutung für die Ent-
wicklung des Saarlandes —• war bereits zu
jenen mittelalterlichen Zeiten, ehe man noch
an Napoleon und seine Kaiserstraße denken
konnte, eine überaus wichtige Verkehrsader,
brachten doch auf ihr die Handelsleute aus
dem heutigen Lothringen feine Gewebe, Glas-
waren, guten Wein aus Innerfrankreich, vor
allem aber prunkvolle Seiden- und Sammetstoffe
ins Rheinland. Wenigstens versuchte man, sie
dorthin zu bringen, denn das war nur insoweit
möglich, als es die Herren Raubritter gestatteten,
die ihre Verstecke überall da hatten, wo es
etwas Wertvolles zu stehlen gab. All dieses
Handelsgut passierte die Saar zunächst über
die Straße am HALBERG, bis es anno 1354 nach
St. Johann abgeleitet wurde. Durch diese Um-
leitung wurde Saarbrücken-St. Johann, wie so
viele Städte des Mittelalters, ein Transitplatz,
ein Flußübergangsort, mehr bedeutend für den
Durchgang als für den Aufenthalt — und selbst
der Durchgang war nicht immer garantiert. War
94
doch die Saar nicht etwa ein gemütlicher Fluß,
und wenn sie auch schmal und harmlos aussah,
so hatte sie es doch „in sich"; besonders im
Winter — hat doch sogar Kaiser Karl V. einmal
einen durchaus unfreiwilligen Aufenthalt in
Saarbrücken nehmen müssen, bis das Abflauen
des Hochwassers ihm die Passage der Saar er-
laubte, denn, wie Ruppersberg aus einer Schrift
des Grafen Philipps II. an den Kaiser berichtet:
„Die Schiffung ist, wenn das Wasser groß zu
Frühlings- und Herbstzeiten schwer herge-
gangen, wenn die Messen in Ober- und Nieder-
landen in Gang, daß Kaufleute mit Uberfahren,
etwa 2, 3 oder 4 Tage still liegen müssen (ganz
wie zur Jahreswende 1947/48, also 500 Jahre
später), das Ihrige verzehrt oder versäumt, auch
der Strom so sorglich (!), daß viel Leut und
Vieh ertränkt und umgekommen . .
Steht somit die Bedeutung der Saarübergänge
im Mittelalter als Zentren des Verkehrs fest,
so muß man sich heute vor Augen halten, daß
damals noch der Landstraßenverkehr eine unge-
wöhnlich größere Bedeutung als in der Neuzeit
hatte. Lagen doch Menschen und Gefährte im
Mittelalter häufig „auf der Straße". — Wer nicht
Bauer, wer nicht Produzent war, mußte viel
wandern. War es doch bis zum 13. Jahrhundert
fast unmöglich, eine größere Gruppe von „Nicht-
erzeugern" anders zu ernähren, als daß man sie
von Ort zu Ort wandern ließ. Kleine Orte
konnten nur ihre Einwohner, aber keinen Tou-
risten ernähren. Kam eine größere Reisegesell-
schaft, so war die Katastrophe da — nichts zu
essen! Veränderte eine Hofhaltung mit Dienern
und Höflingen ihren Wohnsitz, so mußte vorher
erst alles „bis aufs kleinste" einkalkuliert wer-
den. Hatte der „Troß" einen Ort abgegrast, das
heißt kahlgegessen, so brach er seine Zelte ab
und ging auf die nächste Domäne. Carolinger
und Capetinger hatten aus diesen Gründen gar
keine feste Hauptstadt. Die Hofhaltung zog ein-
fach in Permanenz über Land, beehrte diese
oder jene Burg, dieses
oder jenes Städtchen mit
ihrer mehr oder weniger
erwünschten Anwesen-
heit — und zog wei-
ter, wenn es da nichts
mehr zu essen gab. —
Die Transportgeschwin-
digkeit war damals nicht
sehr groß. Zu Fuß mit
3 bis 6 Kilometern per
Stunde, per Roß mit 10
Kilometern oder wenig
darüber, durchstreifte
man Felder und Auen.
War der Geleitzug
schnell, so brachte er es
auf 40 bis 60 Kilometer
pro Tag. So kam es, daß
Frankreich und Deutsch-
land, auf diese Weise ge-
sehen, viel größer schie-
nen als heutzutage. 20
Tage reichten kaum aus,
um von einem Ende zum
andern zu kommen. Einen
Lebensmittel - Transport
über Land gab es nicht.
Man konsumierte an Ort und Stelle, es
gab nur die lokale Versorgung; man ging
eben dahin, wo man sicher war, etwas zu
essen zu finden. Vielleicht die einzigen Stellen,
wo man stets sicher sein konnte, etwas Eßbares
vorzufinden, waren die Abteien. Diese hatten
fast regelmäßig die reichsten landwirtschaft-
lichen „Betriebe" der Gegend, sie konnten Fett,
Eier, Wintergemüse usw. „horten" und gaben
sie dann im Bedarfsfälle aus Barmherzigkeit
oder gegen Entgelt ab.
Im 13. Jahrhundert hatte die mittelalterliche
Zivilisation ihren Höhepunkt erreicht. Wenn
wir im Nachfolgenden einige Szenen aus diesem
„Hochmittelalter" schildern — es können nur
Streiflichter sein im Rahmen einer so kurzen
Betrachtung — so stammen sie etwa aus der
Epoche des heiligen Louis, aus jener verhält-
nismäßig friedlichen Zeit, zu der man Notre
Dame in Paris baute und die Kathedralen von
Reims, Chartres und Amiens, aus der Zeit des
heiligen Franz von Assisi und des Thomas von
Aquino. Zu dieser Zeit der Reife des Mittelalters
lebte man, abgesehen von Städten und Hof-
95
haltungen, im Winter noch recht unbequem.
Auf dem Lande regelte die Sonnenzeit — wie
heute noch vielfach — jegliche Arbeit. Im
Sommer arbeitete man mehr und schwerer, im
Winter weniger und leichter, Wege und Stra-
ßen befanden sich in überaus schlechtem Zu-
stand, kaum daß die Regenperiode im November
begonnen hatte. Jeglicher Karrenverkehr war
unterbrochen. War der Weg unpraktikabel, so
fuhr man die Straßenränder zu Brei, waren
diese unbrauchbar, so ging es in die Stoppel-
felder und Wiesen, bis die Straßen immer brei-
ter wurden, voller Tümpel und Karrenspuren.
Und dann fuhr man überhaupt nicht mehr. Das
war natürlich besonders peinlich in einer Zeit,
zu der gewissermaßen Alles wanderte. Es ist
kaum zu glauben, was für Menschenmassen in
den mittelalterlichen Frühling hineinzogen,
wenn einmal die Straßen wieder gangbar waren.
Fußgänger und Reiter konnten sich ja eher
auch mit nur unbequemen und schmutzigen
Wegen abfinden als schweres Zeug schleppende
Kärrner. So zog Jüngling und Mann über Land;
manche trieb Wanderlust und Leichtsinn, man-
chen begangenes Unrecht oder gar Verbrechen.
Vagabunden waren sie alle, Diebe und Nicht-
diebe, und wenn sie ehrliche Wanderer waren,
nahmen sie bald das Äußere von Vagabunden
an. Berufsmäßige Profiteure der geistlichen
Mildtätigkeit nahmen ihr Irrleben wieder auf.
Jongleure und Tierbändiger, ihre Bären an der
Kette, Sänger auf der Suche nach Turnieren
und Hochzeiten, nach Taufen und Pilgerfahrten.
Alles berufsmäßige Reisende, nirgendwo zu
Hause, immer unterwegs. Um sie herum, ihr
Leben teils zu Pferd, teils in Herbergen ver-
bringend, die ambulanten Händler und die
königlichen Beamten. Und dann die große Zahl
der gelegentlichen Reisenden: Handwerker, die
Stellungen suchen, und Lehrlinge, die anfangen
oder sich vervollkommnen wollen, Studenten,
die ihren Professoren von einer Universität zur
anderen nachwandern, Anwälte, die von Ge-
richt zu Gericht ziehen, Priester und Laien-
brüder, Äbte und Bischöfe auf der Reise nach
Rom, wo beispielsweise das große Jubiläum
des Jahres 1300 enorme Menschenmassen ver-
sammelt. So ist die Welt des Mittelalters:
Wander- und Abenteuerlust, Frömmigkeit und
Lerneifer bevölkern die Straßen. Die fahrenden
Leute bringen Neuigkeiten von überallher. Die
Menschenwanderung wird zur Zeitung. Im 14.
Jahrhundert kommen in einer so bedeutenden
Stadt wie A i x in der Provence täglich etwa
12 bis 13 Reisende durch. Das Wort eines
reisenden Mönches von damals ersetzte die
heutige Radiomeldung. Man wußte „schon" ein
paar Tage später, was in Paris, in Köln, in Rom,
in Trier und Mainz, in Reims oder Verdun vor-
gegangen war. Berlin existierte damals noch
nicht. — Frankreich und Italien, die Rheinlande
und die Niederlande zu Fuß oder zu Pferd zu
durchwandern, war für Ritter und Handelsmann,
Mönch und Handwerker nichts Ungewöhnliches.
Ermüdung und Rast, Freud und Leid des Wan-
dernden waren für alle das Gleiche. König und
Bettelmann rissen abends die Schuhe von den
müden Füßen.
Von den wandernden Leuten waren jedoch
die Gaukler und Spielleute vom weltlichen
Recht als friedlos behandelt. Das heißt, man
konnte mit ihnen fast nach Gutdünken handeln.
Sie wurden oft um ihren Lohn geprellt, beson-
ders von Adligen, die sich zwar gern „auf-
spielen" ließen, aber weit weniger gern bezahl-
ten. Wurde so ein Spielmann aus Gründen
niedrigsten Geizes nach einem Saufgelage er-
schlagen, so sprach der weltliche Richter unter
dem brüllenden Beifall der Kastengenossen des
Mörders dem Erben des Toten zur Sühne eine
Kuh zu „unter der Bedingung, daß er sie an
erhöhtem, schlüpfrigem Ort an eingefettetem
Schwanz mit eingeschmierten neuen Hand-
schuhen, ohne sich wegziehen zu lassen, fest-
halten könne, nachdem man dem Vieh drei
Geißelhiebe gegeben hatte" (Bühler, Kultur des
Mittelalters), überhaupt war die Justiz oft von
einer niederträchtigen parteiischen Barbarei, be-
sonders gegen Menschen aus unteren Volks-
schichten. Folter, Körperverstümmelung oder
Hinrichtung für geringe Vergehen war oft, was
den armen Sünder, der ohne Amt und Titel
war, erwartete . .. Wehe, wenn so ein Mann
niederen Standes es wagte, als Zeuge gegen
einen Großen aufzutreten! Man spielte Zeugen
und Gegenzeugen gegeneinander aus, veran-
staltete sogenannte Gottesurteile, Feuer- und
Wasserproben und dergleichen üble Zufalls-
spiele mehr — und wem Fortuna lächelte, der
hatte Recht.
Von den Seßhaften hört man ganz natür-
licherweise weniger in den Chroniken. Der
Bauer lebte seinen ruhigen Tag, zog viele
Kinder auf — verlor auch einige wegen man-
gelnder Hygiene — und arbeitete mehr, um
seine Abgaben entrichten zu können, als um je
zu Wohlstand zu kommen. Er rodete Wälder,
führte seinen Holzpflug durch steinige Äcker,
und sein Stand begann nur ganz allmählich
etwas Einfluß zu gewinnen und sich aus der
Zone der allgemeinen Rechtslosigkeit zu ent-
fernen. Der Bauer heiratete früh, verlobte seine
Töchter manchmal schon, wenn sie acht Jahre
alt waren und verheiratete sie mit 14 Jahren.
Je wohlhabender die Eltern waren, desto mehr
Chancen hatten sie, lebende Kinder aufziehen
zu können.
Bei Adel und regierenden Häusern
fand man sogar sehr ansehnliche Familien. So
hatte der heilige Ludwig, König von Frank-
reich, 10 lebende Brüder und Schwestern, ob-
wohl seine Mutter in ziemlich jungen Jahren
Wittib wurde; er selbst hatte mit seiner Frau
96
Margarethe 11 Kinder, sein Sohn Philipp
immerhin auch noch 6 Kinder, Isabelle von
Bayern dagegen wiederum 12 Sprößlinge. Tho-
mas von Aquino sagte mit Recht von der da-
maligen Zeit: „Wo Kinder nicht herumwim-
meln, da ist kein guter Hausstand.“ Ohne diese
unglaubliche Fruchtbarkeit sind übrigens viele
Ereignisse des Mittelalters gar nicht denkbar:
Der rapide Aufstieg der Christenheit
nach den Kriegen und Verwüstungen des 9. und
10. Jahrhunderts, die zahllosen Städtegrün-
dungen des 12. und 13. Jahrhunderts, die vielen
Kreuzzüge mit ihrem ständig wiederholten
Aderlaß an der männlichen Jugend, die er-
staunlichen Abenteuer der Normannen. — Die
Berufswahl bereitete damals im allge-
meinen wenig Schwierigkeiten. Der Sohn wurde
in den meisten Fällen, was der Vater war; die
Tochter half der Mutter, bis sie verheiratet
wurde. Was die Erziehungsmethoden
anbelangt, so kann man nur sagen, daß das
Mittelalter ein rauhes, um nicht zu sagen: rohes
Zeitalter war. Man scheute sich nicht, Kinder
maßlos zu verprügeln. So wurde über den be-
rühmten Lehrer Wizelius (12. Jahrhundert)
gesagt: „Er kannte bei der Züchtigung kein
Maaß. Die kräftigen Naturen aber, die das
Joch seiner Zucht zu ertragen vermochten,
machten in den Studien große Fortschritte." —
In einer Anweisung für Lehrjungen hieß es:
„Läßt er es fehlen an Gehorsamkeit, soll er
gezüchtigt werden. Das tut der Seel gut, und
muß der Körper Pein leiden, daß es gut gehe
der Seele . .Die Hanseleute beliebten in ihren
berühmten Bergenschen Spielen die Lehrlinge
unterzutauchen und mit allerhand Unrat zu be-
werfen. Daß Blut bei diesen Spielen floß, war
natürlich. Für den Bauernstand war jedes Kind
eine neue Arbeitskraft, für den Herrn war jedes
Kind, das seinen leibeigenen Bauern geboren
wurde, ein neuer Knecht! So war zur Heirat
die Erlaubnis des Herrn nötig, der schon dafür
sorgte, daß früh und viel geheiratet wurde und
dafür (Anfänge einer profitablen Bürokratie)
eine nicht zu unterschätzende Gebühr erhob.
Will ein Bauer außerhalb seines Herrschafts-
orts heiraten, so kostete das beispielsweise in
der Normandie 7 °/o von der Mitgift, und ähn-
liche Prozentsätze für jedes Kopfkissen, jede
Bettdecke usw. Alles, was nicht erlaubt und
entsprechend durch Bezahlung „autorisiert"
und verbrieft wurde, war verboten. Diese
mittelalterlichen Zustände haben sich übrigens,
wenn auch nicht in unseren linksrheinischen
Landen, so doch in Pommern und Ostpreußen
noch bis weit in die allerjüngste Zeit erhalten,
wo der Großgrundbesitzer sich zwar nicht
rechtlich, so doch tatsächlich wahrhaft mittel-
alterlicher Vorrechte erfreuen konnte, über-
haupt ähnelte noch Anfang des 20. Jahrhunderts
die Behandlung des Bauern im ostelbischen Be-
zirk sehr stark dem Lebenszustand, den wir
im Mittelalter in unseren Gebieten fanden.
Einige Sprichwörter über die Wertschätzung des
„Nährstandes" von dazumals, die Bühler zi-
tiert, sind dafür bezeichnend: „Rustica gens,
optima flens, pessima gaudens". Zu deutsch:
Dem Bauernvolk steht das Weinen am besten,
es ist ganz schlecht, wenn es lacht." — Oder:
„Der Bauer ist an Ochsen statt, nur daß er
keine Hörner hat". — Wie anders hat sich die
Abb.2: Küche, zugleich Fleischerladen
soziale Lage des Bauern in der Neuzeit ent-
wickelt . .. Um bei dem Nahrungspro-
blem zu bleiben, ging es den Bauern des
Mittelalters, abgesehen von ihrer persönlichen
Unfreiheit, nicht immer schlecht. Sie aßen zwar
nur an Sonn- und Feiertagen Fleisch — Ge-
flügel und Wildbret gab es gar nicht für sie —
ihre übrige Ernährung jedoch war ein, wenn
auch billiges, so doch sehr nahrhaftes Mast-
futter. Der Brei spielte die Hauptrolle. Gersten-
brei, Roggenbrei, Haferbrei, dazu Hülsenfrüchte,
besonders die Erbse und die Saubohne
spielten die große Rolle. Meistens wurde alles
zerstampft, denn viel Zeit zum Kauen war
nicht da, und alles wurde mit Holzlöffeln aus
dem gemeinsamen Napf gegessen. Diese Art
der Ernährung — und die vielen Feiertage —
führten dann zu den wohlgerundeten Figuren
der Bäuerlein, wie wir sie auf so vielen mittel-
alterlichen Bildern finden. Selbst die aller-
schwerste Arbeit kam nicht gegen die Un-
summe von Kalorien auf . . . Ausgesprochen
gut ging es beispielsweise den Bauern in der
Normandie, einem der reichsten landwirtschaft-
lichen Gebiete Europas, wo wir nach einem
7
97
Bericht der Abtei von Montebourg aus
dem Jahre 1312 für die Landarbeiter folgende
Rationen — pro Tag und Kopf — finden:
1 ganzes Brot, Erbsen für die Suppe, 3 Eier und
l/i Käse oder 6 Eier ohne Käse, Cidre (Apfel-
most) nach Belieben, 3 Heringe und Nüsse. Im
übrigen aß man im Volk viel Suppen. Speck-
suppen, Kohlsuppen, alles mit Brot. Inden
Städten, bei den Reichen — Kaufleuten und
hohen Geistlichen, Grundbesitzern oder be-
rufsmäßigen Rittern — war die Ernährung im
Gegensatz fast ausschließlich „fleischlich". In
Paris und Aachen finden wir zu dieser Zeit
häufig in Bürgerhäusern sogar Pfauen und
Schwäne auf dem Tisch, zur besseren Wir-
kung mit ihren eigenen Federn dekoriert, was
als Inbegriff feiner Aufmachung galt. Nor-
mannische und savoyardische Ochsen lieferten
die Filets und Beefsteaks; da es nie unter zwei
Fleischgängen abging — meistens waren es
sogar vier bis fünf — wurden dann die Erzeug-
nisse der eigenen Jägertätigkeit aufgetragen.
Hirsche und Eber bildeten den Hauptbestand-
teil dieser wahrhaft pantagruelischen Mahl-
zeiten. Vier kräftige Diener reichten manchmal
nicht aus, um diese Fleischmassen auf einer
Riesenplatte anzubringen. Eberköpfe mit
drohend herausstehenden Keilzähnen, prächtige
Hirschgeweihe durften als „Zierden" der Platten
nicht fehlen. Das im Zusammenhang mit wahren
Riesenschüsseln dampfender und duftender
Saucen, das Gekläff der Hunde, die hinter und
unter den Tischen auf weggeworfene Happen
lauerten, bildeten den Rahmen zu diesen rich-
tigen „Fressereien", wie wir sie heute nur noch
bei bäuerlichen Dreschfesten und ländlichen
oder kleinstädtischen Hochzeiten finden. Bei
einem einzigen solcher Gelage wurde mehr an
Fleisch vor die Hunde geworfen, als sich heute
eine Familie des Mittelstandes im Monat an
Fleisch erstehen kann. Da die Kartoffel unbe-
kannt war, mußten Brot und vor allem Gewürze
helfen, die Fleischmassen verdaulich zu machen.
Gelang das nicht — nun, dann mußte die
Pfauenfeder helfen, mit der man sich den Gau-
men kitzeln ließ, bis die gewünschte Wirkung
Beim
Sdtuk-
Mnkauf
geht man
mit Vorliebe
zum Sdiuhhms
E. LANGENKAMP
DUDWEILER, Saarbrücken. 251
eingetreten war. Pfeffer, Ingwer, Zimt und an-
dere exotische Gewürze waren schon bekannt
und spielten eine große Rolle. Auch Datteln,
Feigen, Zitronen und Orangen waren damals
aus dem Mittelmeer-Bassin als Importwaren auf
dem Markt erschienen, und man zeigte sich
diese süßen und erfrischenden Früchte als ein
„byzantinisches" Weltwunder und freute sich,
über Rom ünd Paris „Anschluß" an eine Zivili-
sation zu haben, die solche Wunder hervor-
brachte, während auf den heutigen Kartoffel-
und Roggenfeldern der Mark Brandenburg da-
mals noch traurige Kiefern und Föhren in die
einsamen Wüsteneien der märkischen Sand-
büchse schauten. Der Nachteil, den dieses
Wohlleben des besitzenden Volksteils im Mittel-
alter hatte, war, daß es nicht ohne körperliche
Beschwerden für die armen Reichen abging. Im
Frühjahr brach alljährlich bei vielen von ihnen
eine Art „Blutverdickung" aus — wie man es
damals nannte — die durch Ausschläge sich
kenntlich machte und mit Tee'chen und Tränk-
lein bekämpft wurde. War ein Chirurgus oder
ein Bader zur Stelle, so schritt man lieber
gleich zum Aderlaß.
Soviel darüber, was man aß. Und nun er-
hebt sich die Frage, w i e man im Mittelalter
sich an die wichtige Prozedur der Nahrungs-
aufnahme machte. Nun, es war eben nicht sehr
vornehm im heutigen Sinne. Als Teller diente
der Napf, ein runder hölzerner oder zinner-
ner Napf, halbtief und ohne Ränder, der es
ermöglichte, daß man auch Wein hineingießen
konnte, um die Suppenreste auf dem schnellsten
Wege „nachzuspülen". Gabeln waren unbe-
kannt, nicht aber Messer und Löffel. Dagegen
bediente man sich keiner Mundtücher (Ersatz:
Handrücken) — und Tischtücher gab es nur
äußerst selten, fast nur an Feiertagen. Dann
waren sie aber so umfangreich bemessen, daß
sie den Boden auffegen halfen. Gab es Tisch-
tücher, so war das Problem der Mundtücher
und Handtücher sowieso gelöst. Bei großen
Festessen mußten sie infolgedessen nach jedem
Gang gewechselt werden . . . Die Suppe wurde
in den Eßnäpfen zurecht gemacht. Ein Stück
Brot im Teller, dann die Brühe darauf gegossen
und mit Wein nachgespült. Diese Sitte hat sich
noch heute in Südfrankreich erhalten. Es heißt,
daß man Brühe, besonders fette Hühner- oder
Rindfleischbrühe, mit Rotwein gemischt ge-
nießen müsse. Das sei gut für den Magen und
helfe ihm, die nachfolgenden schweren Genüsse
besser zu ertragen. — Das Fleisch wurde im
Mittelalter, sowohl in Innerfrankreich, wie in
den Rheinlanden, auf Brotschnitten serviert.
Diese Schnitten, höchstens ein viertel so dick
wie das darauf gelegte Fleisch, sogen sich mit
der Sauce voll und konnten entweder mit dem
Fleisch zusammen gegessen werden, oder man
ließ die durchtränkte Scheibe liegen, worauf
der bedienende Domestik sofort einen neuen
98
Fleischbatzen darauflegte, der dann sofort mit
dem Finger heruntergeholt und auf dem kür-
zesten Weg in den Mund befördert wurde.
War nun kein dienstbarer Geist vorhanden oder
in der Nähe, so griff man selbst munter mit
den Händen in den Fleischkübel — oder Kessel,
wobei es der gute Ton erforderte, nicht gleich
bis zum Ellenbogen, sondern höchstens bis zu
den Handtellern ins Volle zu greifen. Es gab
auch damals einen ungeschriebenen Knigge.
Zu Anfang des Essens wusch man sich die
Hände am Brunnen, am Ende der Festlichkeit
in Eimern und Schüsseln mit parfümiertem
Wasser (Rosenblätter oder Pfefferminzkraut).
Da sich aber manchmal bis zu 50 Gäste in einer
Schüssel die Hände wuschen — und was für
Hände — war bald von Pfefferminz- und Rosen-
duft nichts mehr zu merken. — Wir sprachen
vorhin von „pantagruelischen" Mahlzeiten. In
der Tat waren die mittelalterlichen Eß-Feste
oft nicht nur der Anzahl der Platten nach,
sondern auch an der Anzahl der Gäste
gemessen ungewöhnliche Angelegenheiten
(selbstverständlich immer nur der herrschenden
Klasse möglich). Sie wurden aus den Abgaben
bezahlt, die in Naturalien von Pächtern und
Knechten geleistet wurden; und so ermöglich-
ten es beispielsweise die Untergebenen des
Wittelsbachers Georg, daß dieser zu
seiner Hochzeit im Jahre 1475 eine Unzahl von
Gästen einladen konnte. Der Bräutigam er-
schien mit 3000 Gästen und Pferden, das Geleit
der Braut mit 1400 Gästen und Pferden, dazu
kamen die eigentlichen Gäste mit ihren Pfer-
den und Gespannen, so daß insgesamt 9000
Pferde zu füttern waren, dazu eine Unzahl von
unberittenen und unbespannten Gästen; ferner
erhielten alle Einwohner der Stadt Landshut
acht Tage lang frei Essen und Trinken. Als das
Fest zu Ende war und die Heuschrecken fort,
blieben Stadt und Landkreis Landshut für
Monate und Jahre hinaus in Armut zurück.
Anno 1496 wird von der Hochzeit einer Bürger-
tochter berichtet, daß zu ihr 20 Ochsen, 49
Zicklein, 1006 Gänse, 25 Pfauen und 46 Mast-
kälber ihr Leben lassen mußten. Es war aller-
dings eine Bäckerstochter, und in dieser Pro-
fession wurde schon damals, wie figura zeigt,
gut verdient. Wir sprachen im vorhergehenden
von gewissen Ausnahmen, von den Festen der
Oberschicht, der reichen Handwerker, Land-
edelleute, Fürsten und großen Handelsherren.
Vergessen wir aber nicht, daß auch eine große
Anzahl von Fasttagen, wesentlich mehr als wir
sie heute kennen, existierte. Was die Ge-
tränke anbelangt, so schränkte man sich im
Mittelalter darin durchaus nicht ein, weder bei
Reich noch bei Arm. Das Mittelalter kannte
allerdings noch nicht den guten gepflegten,
vorschriftsmäßig gekelterten und gelagerten
Wein. Bis tief ins 13. Jahrhundert waren die
Volksgetränke hauptsächlich Wasser und Milch.
Dann änderte sich das ziemlich schnell da-
durch, daß sich der Adel Wein aus Südfrank-
reich und Italien kommen ließ. Im Rechts-
rheinischen kam das Bier auf, besonders aus
Erfurt und Jena, dann später aus Bayern..
Im Saargebiet trank man viel Most —
aus Obst — aber auch Weinmost, und je mehr
sich der Weinbau nach unserer Gegend hin
ausdehnte, trank man denn auch echten Wein.
„Echt” ist ein etwas gewagtes Wort für diese
Art von Wein, der damals noch etwas „Neues”
für unsere Gegend war, nicht bodenständig,
nicht gut gepflegt, gezuckert, geschwefelt und
mit all den Kniffen behandelt, die dazu ge-
hören, um in Gegenden nördlich der Loire einen
trinkbaren „Stoff” zu erzeugen. So war das
Fazit aus diesen ersten Versuchen eigenen
Weinbaus meistens nicht sehr ermutigend.
Schließlich half man sich mit allerhand „Wür-
zen” und erreichte damit ein einigermaßen
trinkbares Erzeugnis, das seiner relativen Bil-
ligkeit wegen den importierten Wein beson-
ders bei kleinbürgerlichen oder bäuerlichen
Hochzeitsfeiern ersetzte. Die Hochzeits-
zeremonien bedingten übrigens, daß der
Bauer, der mit seiner soeben angetrauten Frau
offiziell feiern wollte, dem Herrn (Seigneur)
noch im 15. Jahrhundert zwei Töpfe Wein,
einen Kuchen und einen Ochsenschenkel mit-
bringen mußte. Anstatt daß also der Reiche
dem Armen gab, mußte der Arme dem Reichen
auch bei dieser Gelegenheit Tribut zahlen. Bei
der Feier selbst gab es die üblichen — teilweise
heute noch erhaltenen — Zeremonien. Während
9a
der Messe teilten sich die jungen Gatten ein
Stück Brot oder eine Hostie und tranken ge-
weihten Wein aus demselben Becher. Dann
trugen sie eine Kerze zum Altar und die junge
Frau nahm einen Spinnrocken und spann einige
Fäden. Zum Schluß der kirchlichen Feier ging
man auf den Kirchhof und betete für seine
Toten. Dann kam die Lustbarkeit. Alles, was
in der Umgebung an Akrobaten, Jongleuren,
Musikern, Wahrsagern und Kartenlegern zu
finden war, vergnügte sich mit den andern und
gab dann seine Künste zum besten. — Ver-
heiratete sich aber ein Witwer oder eine Wit-
frau, so verliert das Fest bald seinen lustigen
Charakter, um in einem lauten, wenn auch gut-
mütigen „Krakehl" vor dem Hause der Wieder-
verheirateten zu enden. —-
Vom Tage der Heirat ab gehörte die junge
Frau nur noch ihrer eigentlichen Pflicht, dem
Hause, der Küche und den Kindern. Ihre Stel-
lung in der Familie war nicht beneidenswert,
sie war sogar, wie Bühler mit Recht sagt, alles
andere als angenehm. Auch die allerschönsten
Minnelieder dürfen darüber nicht hinwegtäu-
schen. Das berühmte Edelfräulein, dessent-
wegen man so ritterlich dem Nebenbuhler den
Handschuh zuschleuderte, blieb dann zu Hause
der Gewalt des Mannes oder des Vaters völlig
untergeordnet, wurde häufig sogar verdroschen
und eingesperrt. Man denke nur an die be-
kannte Stelle im Nibelungenlied — dieses
Sammelsuriums von Brutalitäten — wo (das
Opfer) Kriemhilde berichtet, (der Prügelheld)
Siegfried habe ihr für den Eifersuchtsskandal,
den sie vor dem Münster aufgeführt hatte, ,,so
zerbluwen" (verbläut) den „Leib". Es stand
eben damals ganz außer Diskussion, daß dem
Ehemann das Züchtigungsrecht zustand. Man
leitete es davon ab, daß die Frau, am Sünden-
fall schuldig, minderwertig sei. Sie galt im
Mittelalter als der verführende, dumme, gierige
Teil, als das schwache, „stets zum Fall ge-
neigte" Geschlecht und sie hatte dafür zu be-
zahlen. Landfrauen und Städterinnen des Mittel-
alters waren Arbeitstiere. Man stelle sich ein-
G. m. b. H.
Dasführende Haus
des
Kreises St.Wendel
mal Haus und Wohnung in einer mittel-
alterlichen Stadt des Rheinlandes, der Saar
oder Lothringens vor: enge Straßen, hohe,
schmale Häuser — regnet es, so tropft oder
strömt die Wasserflut fast unkanalisiert von
den Dächern — Regenrinnen gab es nicht —
direkt vor oder durch die Hausflure. Der Fuß-
boden des Erdgeschosses ist manchmal mit
Steinplatten belegt. Meistens ist das Haus
direkt auf Sandboden, gestampfter Erde gebaut.
Regnet es herein, so werden Schüsseln und
Kannen aufgestellt, um eine Verschlammung
des „Fußbodens" zu verhindern. Aber trotz
allem bilden sich kleine Tümpel in Küche und
Kammer, man tritt mit den Schuhen hinein und
schleppt den Lehm und Sand von Stube zu
Stube — falls das Haus so geräumig ist.
Meistens dient ein großer Raum für alle
Zwecke. Man speist im Schlafzimmer und man
schläft im Speisezimmer. Das Licht dringt nur
durch ganz kleine Fenster in die Stube. Auch
das ist berechnete Sparsamkeit, denn kleine
Fenster garantieren Kühle im Sommer und
Wärme im Winter. Aber: Achtung! Man stelle
sich nicht die schönen Butzenscheiben vor im
mittelalterlichen Haus des Durchschnittsbür-
gers! Ein Haus auf hundert hatte sie vielleicht.
Sonst gab es als Fensterglas im allgemeinen
nur Papier, Öltuch, Weiden- oder Holzgeflecht.
Im Hintergrund der Kamin, riesengroß, fast die
ganze Zimmerwand einnehmend. Wärmplatz
und Kochplatz. Rechts und links im Kamin ein
Bänkchen, an dem sich die Alten wärmen. Ir-
gend ein Großpapa oder eine alte Tante saßen
immer auf den geflochtenen Stühlen im Kamin.
Sonst ist der große offene Kamin ein nicht
gerade wirksames Heizmittel. Von Wind und
Regen, besonders auch von dichtem Nebel
heruntergeschlagen, durcheilt ein frischer,
rauchiger „Zug" das ganze Haus, parfümiert
die Speisen im Kamin auf besondere Weise und
bringt alle Hausinsassen zum Weinen, Zum
Kochen, Putzen und Waschen muß die Haus-
frau alle Stunde Wasser vom nächsten Brunnen
holen, bei Wind und Wetter, bei Eis und
auch der BERGMANN
bleibt dabei:
. . . om liebsten
BECKERS
BIER
100
Schnee, Was die anderen hygienischen Instal-
lationen anbelangt, so schweige darüber des
Sängers Höflichkeit. Da es keine Kanalisation
im heutigen Sinne gab, so schüttete man Dinge,
die man nicht im Hause behalten wollte oder
konnte, einfach in großem Schwünge auf „die
Gosse", jene primitive und meist übelriechende
Schmutzrinne, die damals vor den Häusern der
mittelalterlichen Städte als Mädchen für Alles
die Reinigung, wie man sie auffaßte, besorgte.
Gelegentlich ließ man einmal frisches Wasser
nachlaufen. Im allgemeinen schüttete man aber,
ohne sich darum zu bekümmern, was daraus
wurde, allen Schmutz aus dem Fenster, hoffend,
daß er in die Gosse fiel, was durchaus nicht
immer garantiert war. So wird vom Heiligen
Louis berichtet, daß er, einmal nächtlicher-
weise die Straßen von Paris durchquerend, den
Inhalt irgend eines Schmutzkübels auf den
Mantel erhalten habe. Ein anderes Abenteuer
ähnlicher Art hatte der älteste Sohn Ludwig des
Siebten. Dem rannte auf nächtlicher Straße in
Paris eine Schweineherde vor die Hufe seines
Pferdes, brachte es und ihn zu Fall und ver-
ursachte seinen Tod. Sauberkeit und Sicher-
heit der Gassen im Mittelalter — das war schon
eine Sache für sich. — In der Wohnung,
wenn die erste Reinigung am Morgen, das Aus-
kehren und Zurechtstampfen des manchmal
aufgewühlten Sandfußbodens vorüber war,
machte sich die Hausfrau ans Bettenmachen.
Das war meist eine nicht allzuschwere Auf-
gabe, schlief doch manchmal eine ganze Familie
in einem Bett — fast immer zwei bis drei Per-
sonen. War kein Bett vorhanden, so diente
eine große Kiste, die mit Heu vollgestopft
wurde, als Schlafplatz. Man füllte Kopfkissen
(aus Jute) mit Stroh und deckte sich mit Säk-
ken, Pelzen und allem, was wärmte, zu. Man
legte sich hin, wie man am Tag umherging,
angezogen. War es kalt, sogar im Mantel. ..
Der Möbel waren nicht viele. Die Bettstatt,
Tisch, Stühle und die Truhe, der „Koffer“.
Steht die Truhe auf Sandboden, so hat sie vier
Füße. Sie bietet den Vorteil, gleichzeitig als
Schrank und als Sitzplatz zu dienen, und hat
häufig riesige Ausmaße. Als Inhalt meistens
Kleider, sorgfältig gerollt und die Wäsche mit
Saffran oder Lavendel parfümiert. Weiter ent-
hält sie — und auch das findet man noch heute
sehr häufig auf Bauerngütern in unserer Ge
gend — die Grundstückspapiere, Kaufs- und Ver-
kaufsakten, Quittungen, Schuldscheine, Testa-
ment und — das Bargeld des Besitzers. — Der
Tisch —• das ist eine große Tafel, die auf
Ständern ruht. Ist die Mahlzeit vorüber, so
wird „die Tafel aufgehoben", das heißt, man
hebt sie von den Ständern ab und stellt sie
an die Wand. Die Stühle sind meistens Hok-
ker ohne Lehne. Nur der Hausherr hat ein An-
recht auf einen Stuhl mit Lehne, manchmal
findet man auch für Mann und Frau einen
thronartigen Doppelsitz, hart und glatt, denn
Sitzkissen sind eine rare und kostspielige
Luxuserscheinung. Noch im 13. Jahrhundert
sind selbst diese primitiven Möbel eine Selten-
heit. Man sitzt auf Stroh — und das ist alles. —
Was nun den Bodenbelag anbelangt, so waren
Teppiche, selbst im Orient, das Vorrecht der
Allerreichsten. In mitteleuropäischen Gegenden
Abb.4: Uhrmacherwerkstatt im 16. Jahrhundert
stopfte man den Boden mit Stroh, Schilf oder
Heu voll, warf ein paar ruppige Ziegen- oder
Schafspelze darüber. Das war weich, roch mehr
oder weniger aromatisch, verbreitete dichte
Staubwolken, wenn man darüber wandelte, und
zahlreiche Mikroben dazu. In all das mischte
sich der liebliche Duft aus den Töpfen und die
Rauchschwaden des Kamins, in dem Zwiebel-
und Knoblauch-Suppen und Hammelfleisch
kochen und neben dem bei eisiger Kälte, die
Nebenräume und Ställe unbewohnbar macht,
Ziege und Hund, Katze, Ferkel und Schäfchen
einträchtig vor sich hindösen. Vor ihm lärmen
und weinen, lachen und spielen ganze Scharen
von eigenen und Nachbarkindern: Säuglinge,
Kriechlinge, Halbstarke und Dreiviertelstarke.
Die völlige Unkenntnis jeglicher Hygiene
und jeglicher Körperübung, ja jeder elemen-
tarsten Gesundheitsregel machte Beschwer-
den und Krankheiten zur alltäglichen
Gewohnheit. Der Säugling, kaum geboren, wird
eingepackt, gefesselt, bis zur völligen Bewe-
gungslosigkeit zusammengeschnürt. Natürlich
101
Erhältlich in allen Apotheken und Drogerien
ist er bald naß, und da er sich nicht rühren
kann, fängt er an zu schreien. Dann wird er
zur Tag- und Nachtstunde aus seiner vom Vater
selbstgezimmerten Wiege genommen und vor
versammelter Menschen- und Tierwelt herum-
getragen, und sein Kreischen vermischt sich
mit dem Höllenlärm in der kombinierten Wohn-
Schlafzimmer-Küche mit Stallbetrieb. Das Kind
wird an der Mutterbrust genährt, bis die Ärmste
völlig erschöpft ist, denn Kuh- und Ammen-
milch sind unbeliebt, glaubt man doch, daß
■das Blut des Kindes von nicht verwandter Milch
„entfremdet” würde und daß man, sollte das
künstliche Nähren länger fortgesetzt werden,
schließlich nicht sein eigenes Kind, sondern
einen „Ammenbastard” vor sich habe. — War
das Kind schulreif geworden und konnten sich
die Eltern es leisten, es auf eine geistliche
{Latein-) Schule zu schicken, so hatten die Kin-
der nicht immer ein leichtes Studieren. Die da-
maligen Prinzipien gestatteten nicht nur, son-
dern empfahlen sogar die Körperstrafe als das
geeignetste Mittel, um Fleiß und Denklust an-
zuregen. Der Exekutor war meistens der Por-
tier, der Pedell der Schule.
Die Fülle der Materie und der beschränkte
Platz gestatten nicht, näher auf die Bildungs-
und Erziehungsmethoden des Mittelalters ein-
zugehen. — Waren die Kinder —- etwa mit dem
15. Lebensjahr für den Jungen, mit dem 18.
für das Mädchen, der Mutter entzogen und so-
mit für die arme Hausfrau etwas Erleichterung
geschafft — soweit es der ständige Nachwuchs
zuließ — so waren der Verpflichtungen der
Familienmütter doch noch viele. Was für Un-
masse an Zeit und Arbeit nahm nicht die Reini-
gung der Eß- und Kochgeräte in Anspruch! Das
teilweise rohe, irdene Gerät war nur schwer zu
säubern, die „Marmiten" und Töpfe, die im
Kamin verwendet wurden, waren ständig ver-
rußt, Dreifüße und Kupferkessel jeder Art und
Größe abzuscheuern. Was die körperliche
Sauberkeit anbelangt, so machte man sich
weniger Sorgen. Man wusch sich oberflächlich
und meist nur völlig bekleidet, um „Zugluft"
zu vermeiden. In Dorf und Kleinstadt kannte
man kaum Bäder, in Schlössern und Bädern
kannte man das Dampfbad. Nur selten und
wenn die Kinder gar zu schmutzig waren,
steckte man sie in den „Zuber” oder Wasch-
kübel, ein großes ovales offenes Faß, das für
alles diente (zum Keltern von Obst, zum Rüben-
spülen, Abbrühen von Schweinen usw.). Das
Dampfbad, eine Einrichtung, die mit der
heute unter Sportsleuten populär gewordenen
Sauna finnischer Herkunft viel Ähnlichkeit hat,
war folgendermaßen eingerichtet: Ziegel wur-
den auf einem großen Feuer gewärmt. Wenn
sie glühend heiß waren, legte man sie auf den
Boden eines großen Kübels, darüber einen
zweiten Boden mit zahlreichen Löchern und
besprengte die Ziegel mit kaltem Wasser. Die
Folge war eine gewaltige Dampfentwicklung.
Der Badende setzte sich dann, in Tücher gut
eingewickelt, um Verbrennungen zu vermeiden,
in den Kübel und schwitzte nach Herzenslust.
Diese Dampfbäder waren auch eine öffentliche
Einrichtung, erfreuten sich aber als solche
nicht gerade hervorragenden Renommes und
waren als Stätten „des Lasters" verschrien. —
Die Begriffe der Schicklichkeit
legten der Frau sehr starke Schranken auf, was
ihr öffentliches Auftreten anbelangte. Abge-
sehen von der Gesichtsmaske, die man ihr er-
sparte, war sie genau zur Einhaltung der
Schicklichkeitsgebräuche angehalten. Ging sie
zur Kirche und legte sie Wert auf ehrbares
Auftreten, so mußte die junge Frau von einer
Anstandsdame (prüde femme) reiferen Alters
begleitet sein, um irgendwelche Avancen
männlicher Straßenpassanten im Keim zu er-
sticken, Sie hatte „geraden Wegs” zu gehen,
den Blick auf die Erde, und zwar genau „vier
Ellen vor sich" gerichtet. Es muß nicht immer
leicht gewesen sein, diese Distanz vorschrifts-
mäßig innezuhalten, denn die Straßen der
mittelalterlichen Stadt waren oft sehr belebt.
Ein großer Teil des Handels spielt sich nicht
in den Läden, sondern „ambulant” ab. Pferde-
und Eselsgefährte bringen Fleisch und Fische,
Gemüse, Eier, Milch und Butter auf den Markt
102
und in die Häuser. Der Trödler, zu arm, um sich
einen festen Platz auf dem Markt von der Stadt
zu mieten, bringt seine Ware von Haus zu
Haus, Lumpenhändler und Flickschuster und
Scherenschleifer desgleichen. Der Kerzengießer
sucht die Hausfrau in der Küche auf, läßt sich
Talg geben und gießt die Kerzen vor den Augen
der versammelten Kinderschar. Es erscheint
der Kuchenhändler mit seinem Glücksrad und
verlost seine Süßigkeiten. Und dazwischen
immer wieder die Promenade der Hausfrauen
und Mägde zum Brunnen. Die Faust auf der
Hüfte, wird ein Schwatz veranstaltet; die
letzten Neuigkeiten, der allerletzte Tratsch über
die Nachbarn, alles das kommt auf der Nach-
richtenstelle Stadtbrunnen in die
Öffentlichkeit. Gegen Mittag sind alle Haus-
frauen genau informiert, was bei Gevatter
Schneider und Handschuhmacher passiert ist.
Schlägt jetzt die Glocke, so leeren sich die
Straßen gegen Mittag und beleben sich erst
wieder in der zweiten Nachmittagsstunde. Dann
sieht man Großvater und Tante sich vor der
Haustüre im Sonnenlicht räkeln. Alte Bettler
und Händler lassen sich auf den Kirchentreppen
sehen, der Handwerker sitzt auf seinem Stroh-
ballen vor der Haustür und scherzt mit dem
Nachbarn. Die Hausfrau allein sitzt im Hause
vor dem Kamin und findet ein paar Minuten
zum Stricken und Stopfen. —
Sowie der Abend fällt, hört alle Arbeit auf.
Daheim und draußen fürchtet man, bei Licht
zu schaffen. Man hat Angst vor Bränden, man
wagt nicht, bei ungenügendem Licht zu arbei-
ten, denn, in der Tat, die Beleuchtungs-
quellen sind höchst minderwertiger Art.
.Wachskerzen sind ein Luxus und die Rinder-
fettkerzen oder Ölfunseln geben nur ein trübes
Licht. Wer unbedingt „hell" sehen will, benützt
Pech- oder Harzfackeln, die einen beißenden
Qualm verbreiten. Düster und unangenehm ver-
läuft der Abend in den engen Kammern, und
bald bläst dann auch der Nachtwächter den
Zapfenstreich. Die Hausfrau macht sich ans
Feuerlöschen, gießt Wasser in den Kamin, um
die glimmenden Feuerreste zu töten, denn wehe,
wenn es zum Brand kommt in der Stadt — es
ginge alles in Flammen auf! Alsdann greift
jeder, so er hat, sein Kerzlein und geht schla-
fen. Zusammengedrängt, in fürchterlicher Enge,
träumt die mittelalterliche Stadt dem Morgen
entgegfen, in ständiger Furcht vor „Pest" und
„Brand". —
Die schweren Epidemien versetzen Stadt und
Land immer wieder in Angst und Schrecken.
Die schlimmste war die große Pest von
1348—49, die in ganz Europa wütete und 33 °/o
aller Einwohner dahinraffte, eine fast unglaub-
liche Totenziffer! Lepra und Pocken waren weit
verbreitet, und es mangelt auch nicht an all
den Krankheiten, die wir heute kennen, nur
hatten sie damals andere Namen. Alle Krank-
heiten des Unterleibs wurden schlechthin als
„Darmverschlingung" abgetan, mochten es nun
harmlose Verdauungsstörungen, Krankheiten
der Galle oder des Blinddarms sein. Was man
nicht definieren konnte — und das war ein gut
Teil — brachte dem armen Patienten noch zu
seinen Schmerzen den Verdacht ein, „verhext”
zu sein. Galten die diagnostizierenden Ärzte
-— unsere Hausärzte — damals nicht zuletzt
infolge starker Anwendung griechischer und
lateinischen Formeln und Verordnungen als ge-
lehrte Herren, so war sonderbarerweise der
Beruf des Chirurgen im Mittelalter weniger
hochgeschätzt, um es auf eine wenig schöne,
aber moderne Formel zu bringen: sie galten
eher als Männer der Faust. Sich als Chirurg
aufzutun, war damals nicht unbedingt der vor-
herigen Erlangung eines Diploms unterworfen.
So konnten manche Dorfbader, Goldmacher und
Weissager, Ausländer wie Juden und Sara-
zenen — unter den beiden letzten Kategorien
fanden sich sogar berühmte Operateure —
unter den Männern mit Säge, Messer und
Schere auftauchen. Auf dem Lande besorgten
das Geschäft der Chirurgen, dessen Haupt-
sparten das Schienen, Einrenken und — Ampu-
tieren waren, vielfach Schäfer, Barbiere, Heil-
krautsucher und andere sonderbare Prakti-
kanten. Infolgedessen war die Zahl der dort
auf Krücken einherstelzenden Menschen pro-
zentual sehr groß.
Es ließe sich noch Vieles und Interessantes
aus dem Mittelalter erzählen, von der Mode,
von der Haartracht der Frauen, den künst-
lichen Zöpfen, häufig den Haaren der Ver-
storbenen entnommen, von der starken Ver-
breitung der Handschuhe, den bunten Schmuck-
gewändern der Männer und Frauen zu den
Festtagen, von Kriegsgeräten und friedlichen
Künsten, aber das würde den Rahmen dieser
kleinen Plauderei sprengen, deren einziges Ziel
es war, in anspruchsloser Weise unseren Lesern
zu berichten, wie es in unseren Landen vor
500—800 Jahren ausgesehen haben mag. —
Kathreiner/
103
EINE NACHDENKLICHE GESCHICHTE
Der VMu will es besser
als der
Ueccqott
m
ach
en
Von Jakob Kraus, Neunkirchen (Saar)
Pitter Eiderdun war der reichste Bauer
in Peinaggel, aber auch, was der Neid
ihm lassen mußte, der gescheiteste und
fleißigste. So war es kein Wunder, daß
es keinen schöneren Hof gab weit und breit als
den seinen. Wenn er morgens in aller Frühe
seine beiden Pferde vor den Wagen spannte,
um ins Feld zu fahren, freute er sich, daß er
wieder einen Tag vor sich hatte, an dem er
nach Herzenslust wirken konnte, und wenn er
dann vom Hofweg in die Straße einbog, ließ
er jedesmal einen Blick über das stolze An-
wesen gleiten, in dem seine ganze Zufrieden-
heit darüber ausgedrückt war, daß er sich das
alles durch eigenen Fleiß und eigene Arbeit
errungen hatte.
So zufrieden aber auch der Pitter mit sich
selber war, mit dem Herrgott war er es keines-
wegs. So seltsam das auch bei einem Mann wie
Pitter war, so war es doch so. Er meinte näm-
lich, im Schöpfungswerk des Herrgotts gebe es
so viele Fehler und Lücken, daß es nicht zu
verstehen sei, wie der Herrgott am siebten
Tag bei der Prüfung seines Werkes habe fest-
stellen können, daß ihm alles, was er gemacht
habe, aufs beste geraten sei. Seine Frau lachte
ihn zwar jedesmal aus, wenn er solche gottes-
lästerlichen Ansichten äußerte, aber der Pitter
blieb bei seiner Meinung. „Wenn ich Herrgott
wäre, allwissend und allmächtig wie er, dann
solltest du sehen, wie gut ich alles machen
würde", sagte der Pitter und blies seiner Frau,
die ein ungläubiges Gesicht schnitt, streitlustig
den Rauch aus seiner Stummelpfeife entgegen.
Irgendwie kamen diese Redensarten des
Pitter auch dem Herrn Pfarrer zu Ohren. Da
es diesem nicht gleichgültig war, wie das
reichste und weltlich geachtetste Mitglied der
Pfarrei vom Herrgott sprach, beschloß er, dem
Übeltäter bei passender Gelegenheit gründlich
ins Gewissen zu reden. Da sich diese Gelegen-
heit trotz langen Zuwartens nicht bot, machte
sich der Herr Pfarrer an einem schönen Früh-
lingssonntag um die Vesperzeit auf, um Pitter
Eiderdun auf seinem Hof zu besuchen. Der
Herr Pfarrer war mit den Gewohnheiten seiner
Pfarrkinder gut vertraut, und deshalb wußte
er, daß er den Pitter um diese Zeit zu Hause
antreffen würde.
Pitter war gerade dabei, den Landboten zu
lesen. Das war die einzige Ausspannung, die
er sich an den Sonntagen gönnte. Ihr pflegte
er sich daher mit gesammelter Aufmerksamkeit
hinzugeben und er ließ sich darin ungern
stören. Trotzdem heuchelte er, als der Herr
Pfarrer bei ihm eintrat, die größte Freude an
dem Besuch und nötigte ihn, an dem langen
Tisch mit der glänzend weiß gescheuerten
Buchenholzplatte Platz zu nehmen, auf dem
Pitters Zeitung weit ausgebreitet lag. Der Herr
Pfarrer hatte sich den Text der Predigt, die er
dem Pitter halten wollte, vorher in Gedanken
schon zurecht gelegt. Aber als er jetzt den
Pitter mit der Zeitung beschäftigt antraf, be-
schloß er, diese Beschäftigung als Anknüpfungs-
punkt für die von ihm beabsichtigte Belehrung
des unbotmäßigen Pfarrkindes zu benutzen.
Der Herr Pfarrer setzte sich mit gelassener
Würde auf den freundlich angebotenen Stuhl,
zog seine Schnupftabaksdose aus der Tasche
und bot sie dem Pitter dar. Nachdem dieser sich
mit einer tüchtigen Prise bedient hatte, ent-
nahm ihr der Herr Pfarrer ein Quentchen jenes
dunklen, starken Pulvers, das in der Nase des
Schnupfenden ein so angenehmes Prickeln
hervorruft.
„Ich sehe dich da mit einer Tätigkeit be-
schäftigt, welche dir den Ruf eines gelehrten
Bauern eingetragen hat", begann der Herr
Pfarrer. „Aber die Gelehrten wissen auch nicht
alles. Im Gegenteil, je gelehrter einer ist, um
so mehr erkennt er auch, wie wenig wir im
Grund eigentlich wissen. Wenigstens wird er
das zugeben, wenn er ehrlich ist. Könnten wir
mit allen unseren Fortschritten in der Technik
einen Kornhalm vollkommener machen, als er
ist? Nein, denn der Herrgott hat ihn bereits
so vollkommen gemacht, wie es die Natur ver-
langt und wie es seinen Daseinsbedingungen
entspricht." Hier unterbrach der Herr Pfarrer
seine Rede und sah Pitter, Zustimmung
heischend, an.
Pitter ruckte an seinem Stuhl und erwiderte:
„Mit dem Kornhalm, da mögt Ihr schon recht
haben, Herr Pfarrer, aber es gibt doch vieles
im Leben, was gar nicht vollkommen aus der
Schöpferhand des Herrgottes hervorgegangen
ist. Oder haltet Ihr es für einen Beweis von
104
Vollkommenheit im Naturgeschehen, wenn
Sturm und Regen unsere Felder verwüsten oder
der Hagel die Saat zerschlägt, um die wir uns
so viel Mühe gemacht haben?"
Der Herr Pfarrer hob beruhigend seine Hände
dem eifernden Gesicht des Bauern entgegen.
„Das sind Prüfungen, lieber Pitter, welche der
Herrgott den Menschenkindern auferlegt, um
sie daran zu erinnern, daß zum guten Gedeihen
einer Arbeit nicht nur Fleiß und Streben von
unten, sondern auch der Segen von oben ge-
hört. Um diesen Segen sollen wir in Demut
beten. Wir dürfen sein Ausbleiben aber nicht
zum Anlaß nehmen, mit dem lieben Gott zu
hadern und sein Schöpfungswerk als unvoll-
kommen zu tadeln." Wieder sah er Pitter ein-
dringlich an, als erwarte er, daß dieser unter
dem Eindruck seiner Worte seine Halsstarrig-
keit aufgebe und Gottes Vollkommenheit an-
erkenne.
Aber Pitter dachte nicht daran, klein beizu-
geben. „Wenn es so ist, Herr Pfarrer, dann
will der Herrgott nur uns Bauern prüfen. Denn
in die Arbeit des Bäckers, des Schusters oder
des Schmiedes hagelt er doch nicht."
„Sprich nicht so vermessen!" unterbrach der
Herr Pfarrer den Redenden mit einem Unterton
von leichtem Ärger in seinen Worten. „Auch
die Arbeit des Bäckers, des Schusters und des
Schmiedes kennt Prüfungen, die freilich anderer
Art sind als die des Bauern."
Pitter geriet immer mehr in Hitze, als er dem
Herrn Pfarrer antwortete: „Aber das ist es ja
gerade, was ich an Gottes Werk bemängeln
muß, diese Prüfungen anderer Art, die er dem
Bauern auferlegt. Was Ihr beim. Bäcker,
Schuster und Schmied Prüfungen zu nennen
beliebt, sind nur Folgen etwaiger von ihnen
begangener Fehler, Irrtümer, vielleicht auch
nur von Unaufmerksamkeiten, deren sie sich
schuldig gemacht haben. Der Bauer kann aber
für die sogenannten Prüfungen, die der Herr-
gott über ihn verhängt, nichts. Das ist der
Unterschied."
„Ich sehe", sagte der Herr Pfarrer, während
er aufstand und den Stuhl, auf dem er gesessen
hatte, unter den Tisch zurückschob, „du bist
nicht zu bekehren, Pitter, wenn der Herrgott
diese Sache nicht selber in die Hand nimmt.
Nichts für ungut, Pitter, aber ich muß gehen.
Vielleicht wartet jemand im Pfarrhaus auf
mich, der mich nötig braucht und für den der
Herrgott kein selbstzufriedener Pfuscher ist."
„Das habe ich nicht gesagt, Herr Pfarrer. Man
kann ein guter Bauer und ein guter Hand-
werker sein, ohne daß man in seinem Fach
vollkommen ist", antwortete Pitter, indem er
sehr viel Nachgiebigkeit in seine Stimme legte,
um den Herrn Pfarrer zu versöhnen. Der nahm
seinen Hut und verabschiedete sich. „Grüß
Gott, Pitter! Ich schaue gelegentlich einmal
wieder herein!" „Grüß Gott, Herr Pfarrer,
geben Sie uns recht bald wieder die Ehre!“
Pitter geleitete den Herrn Pfarrer bis zur Tür
und sah ihn ohne Eile über den Hof davon-
schreiten, Die langen Rockschöße des Herrn
Pfarrers bewegten sich leise hinter dem Davon-
schreitenden und es sah aus, als ob auch sie
Pitters Ansichten schmerzlich mißbilligten. Pitter
bemerkte das und mußte lachen, und er lachte
Er blinzelte in die Frühlingssonne . ..
noch, als er die Tür nach einigen nachdenk-
lichen Augenblicken hinter sich ins Schloß zog.
Am nächsten Morgen pflügte Pitter an der
sogenannten Kirschheck, welches Gewann seinen
Namen von einem Waldstreifen erhalten hatte,
der mit wilden Kirschbäumen reich durchsetzt
gewesen, jetzt aber vollständig abgeholzt war.
Pitter betrachtete sein Arbeit und die Furchen,
die wie mit dem Lineal gezogen vor ihm lagen.
„Das könnte der Herrgott auch nicht besser
machen!" sagte er zu sich selber, während er
nach dem Brotsack langte und sich auf die
Pflugschar setzte, um sein Frühstück zu ver-
zehren.
Die Pferde wieherten von Zeit zu Zeit in den
warmen Frühjahrsmorgen. Zwei Finkenmännchen
balgten sich kaum zehn Schritte entfernt um
ein Finkenmädchen, dem sie beide den Hof
machten. Pitter aß seiner Gewohnheit ent-
sprechend rasch und wischte die Klinge seines
Taschenmessers, das er beim Essen benutzt
hatte, mit Daumen und Zeigefinger sauber. Er
blinzelte in die Frühlingssonne, voller Freude,
daß sie so warm schien und der jungen Saat
so guten Auftrieb gab. Es erfaßte ihn so etwas
wie ein Dankgefühl gegenüber dem Herrgott,
und in dieser Stimmung dachte er an seine
gestrige Auseinandersetzung mit dem Herrn
Pfarrer und an dessen Wort, daß niemand als
der Herrgott selber ihn, den Pitter Eiderdun
aus Peinaggel, von seinen gotteslästerlichen
Ansichten bekehren könne
105
Da stand plötzlich, wie aus der Erde ge-
wachsen, eine hohe Gestalt vor ihm, von ehr-
würdigem Aussehen mit dem runden, weißen
und dichten Bart, der das Gesicht fast voll-
kommen verdeckte. Mit der linken Hand hielt
der unbekannte alte Mann den weiten Mantel
zusammen, der ihm in breiten Falten bis auf
die Füße herabfiel; in der rechten Hand trug
er einen großen goldenen Schlüssel.
,,Ich bin Petrus", sagte der alte Mann, „und
habe vom Herrgott den Auftrag, dich unge-
säumt zu ihm zu bringen. Komm also mit!"
Pitter erhob sich sofort ohne Widerspruch
und faßte die Hand, die Petrus ihm entgegen-
streckte. Er fühlte sich in die Lüfte emporge-
hoben und glitt wie mit Flügeln leicht und frei
dem sonnenerfüllten Himmel entgegen. Als sie
am Himmelstor ankamen, schloß Petrus die hohe
zweiflügelige Pforte auf, die den Himmel von
der übrigen Welt trennt. Sie schritten eine
breite Straße entlang, die auf beiden Seiten
mit wundervollen Blumenbeeten eingefaßt war,
auf ein großes, hallenartiges Gebäude zu, das
sich am Ende der Straße erhob. Dann be-
traten sie einen Kuppelsaal von überirdischer
Schönheit.
Trotzdem er räumlich begrenzt war, erweckte
der Saal den Eindruck, als sei er unendlich
groß. Der Boden bestand aus einer einzigen
Marmorplatte von der zartrosa Farbe der ver-
schwindenden Morgenröte. Die Wände waren
mit einem Stoff bespannt, der dort, wo sich die
Kuppel mit dem Boden traf, die in allen Tönen
schimmernde Farbmischung des abendlichen
Himmels an klaren Frühlings- und Herbsttagen
zeigte. Nach der Spitze der Kuppel zu wurde
die Farbtönung immer blauer und strahlte in
der Kuppelspitze in einer starken und reinen
Bläue, die wir nach Regentagen am Himmel
bewundern können, wenn er so aussieht, als
hätten ihn die Wolken von jeglichem Schmutz
reingewaschen. In diese Bläue waren kostbare
Sterne von zartem Silberglanz hineingewirkt;
in der Kuppelspitze selbst aber glänzte eine
aus leuchtenden Goldfäden gestickte Sonne,
die den ganzen Saal mit ihrer funkelnden
Pracht erfüllte.
Genau unter der Sonne und so, daß es schien,
als ob die Sonnenstrahlen ihn wie mit einem
Mantel einhüllten, saß in einem goldenen Arm-
sessel mit hoher Rückenlehne auf einem Kissen
aus tiefdunkelrotem Purpur, das man seitlich
herausquellen sah, der Herrgott.
Pitter sah ihm ohne Furcht und Anmaßung
offen ins Gesicht. Von der Schule her war ihm
das Bild eines Herrgotts vertraut, der mit
wallendem Haar und Bart und drohenden
Augen unter schreckensvoll zusammengezo-
genen Brauen seine Zornesblitze gegen die
Feinde des auserwählten Volkes schleudert.
Aber der Herrgott, der da saß, entsprach mit
keinem Zug seines gütigen Gesichts dem Bild,
das er sich bisher von ihm gemacht hatte.
Petrus schubste den Pitter näher zum Herr-
gott hin. „Hier ist der Pitter Eiderdun aus
Peinaggel, den du sprechen willst", sagte
Petrus. „Es ist gut, Petrus, du kannst gehen.
Ich will mit dem Pitter unter vier Augen
sprechen", sagte der Herrgott. „Tritt noch näher
zu mir her, Pitter, daß ich dir in die Augen
sehen kann." Pitter tat, was ihn der Herrgott
geheißen hatte. „Du bist nicht mit mir zu-
frieden, Pitter, und mit der Art meiner
Schöpfertätigkeit? Glaubst du wirklich, es
besser machen zu können?" Pitter dachte: „Jetzt
hast du so lange den Mund gespitzt, jetzt mußt
du auch, da es gilt, pfeifen." Aber er hatte
doch nicht den Mut, auf die Frage des Herr-
gotts mit einem glatten und zuversichtlichen
„Ja" zu antworten. Deshalb sagte er aus-
weichend: „Das käme auf die Probe an." „Gut“,
erwiderte der Herrgott, „du sollst die Probe
machen können. Ich gebe dir die Macht, in drei
Fällen die Wünsche von Menschen, die mit
meinem Regiment unzufrieden sind, zu erfüllen.
Bekennen diese Menschen vor ihrem Tod, daß
sie mit der Lage, in welche du sie versetzt
hast, indem du ihren Wunsch erfülltest, zu-
friedener sind als vorher, dann sollst du an
meiner Statt Herrgott sein. Setz dich hier auf
meinen Sessel. Ich werde unterdessen Urlaub
nehmen und mich von der Anstrengung,
welche mir meine Tätigkeit verursacht, ein
bißchen erholen."
Pitter setzte sich in den Herrgottssessel und
als er sich, um das verschobene Kissen zurecht-
zurücken, erhob und ein wenig vorbeugte, be-
merkte er in dem Boden vor dem Sessel ein
kreisrundes Fenster aus klarem Kristallglas,
durch das hindurch er die ganze Erde über-
blicken konnte. Er freute sich, daß sich gerade
unter ihm sein Heimatdorf Peinaggel befand,
in dem er jede Einzelheit erkennen konnte.
Da es um die Mittagszeit war, rauchten überall
die Schornsteine, und das Essen stand auf dem
Tisch. Nur in seinem Haus war der Tisch noch
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nicht gedeckt. Pitters Frau stand auf der Haus-
treppe, die rechte Hand zum Schutz gegen die
blendende Sonne vor die Augen erhoben, und
hielt nach ihrem Mann Ausschau, der sonst die
Pünktlichkeit selber war, aber im Eifer der
Arbeit wohl heute Heimkehr und Mittagessen
vergessen hatte.
Pitters Augen folgten wie von ungefähr der
gleichen Richtung, in die seine Frau sah. Da
erblickte er, einige hundert Meter vom Dorf
entfernt, den Viehhändler Max Stehler am
Wegrand im Graben sitzen. Er rieb sich den
Rücken und schickte von Zeit zu Zeit tiefe
Seufzer zum Himmel empor.
Pitter kannte den Viehhändler gut. Max war
ein kleines, bewegliches Männchen. Während
er sprach, fuchtelte er immer mit den Händen,
als ob es ihm beim Sprechen nicht genüge, die
Zunge allein in Bewegung zu setzen. Er
handelte mit Vieh in Peinaggel und in den um-
liegenden Ortschaften und war bei diesem Ge-
schäft so ehrlich, wie es die Umstände erfor-
derten, das heißt, daß er die Bauern an-
schmierte, wo und wie er es nur konnte. Jetzt
war er auf dem Heimweg von einem Nachbar-
dorf, wo er einem Bauern eine wertlose Kuh
aufgeschwatzt hatte und von dem Hinter-
gangenen mit einer tüchtigen Tracht Prügel
vom Hof vertrieben worden war. „Ach du
lieber Gott im Himmel", stöhnte Max, „wie
schön wäre es, wenn wir nicht nur die gegen-
wärtigen, sondern auch die zukünftigen Dinge
sehen könnten! Wie viel unnötige Schmerzen
blieben uns dann erspart. Nein, nein, du da
oben, deine Welt ist alles andere als voll-
kommen."
Pitter hörte den langen Stoßseufzer des un-
glücklichen Viehhändlers und schickte gleich
den Erzengel Gabriel auf die Erde, um Max
heraufzuholen. Denn er wollte seinen Wunsch
erfüllen, den er für vernünftig und berechtigt
hielt, weil er ihn selbst schon oft gehegt hatte.
Außerdem glaubte er auch, daß sich Max dank-
bar erweisen und sich nicht mehr in seine
frühere Lage zurückwünschen würde.
Als Max im Himmelssaal erschien und den
Pitter von Peinaggel auf dem Herrgottssessel
erblickte, gerieten Mund und Arme bei ihm in
stärkste Bewegung. „Du, Pitter von Peinaggel,
bist jetzt unser Herrgott!" Aber Pitter, dem
das wortreiche Gebaren des Viehhändlers ein
Greuel war, schnitt den Redefluß des Max mit
einer energischen Handbewegung ab. „Du hast
den Wunsch, in die Zukunft sehen zu können.
Es sei, wie du wünschst, du sollst in die Zu-
kunft sehen können. Nun begib dich zur Erde
zurück und lebe zufriedener und glücklicher als
zuvor." Max fiel vor Pitter auf die Knie. Aber
Pitter winkte dem Erzengel, der Max auf die
Erde zurückbrachte.
Zuerst hatte Max vor, die große Neuigkeit
in ganz Peinaggel zu verbreiten, daß der Pitter
jetzt Herrgott sei. Aber er tat es dann doch
nicht, weil er sich sagte, daß dann jeder den
Pitter mit seinen Wünschen bestürmen werde
und daß unter den Wünschenden vielleicht
solche sein würden, die wie er in die Zukunft
sehen wollten. Das wäre dann Konkurrenz von
ihm gewesen, und um sich eine solche nicht auf
den Hals zu laden, schwieg er,
Es dauerte gar nicht lange, da war aus dem
kleinen, kümmerlichen Viehhändler ein stein-
reicher Mann geworden. Er baute sich eine
große Villa in der schönsten und vornehmsten
Lage der Hauptstadt, wohin er von Peinaggel
übergesiedelt war, Seine erfolgreichen Finanz-
operationen blieben dem König nicht lange
verborgen, und er machte Max zum ersten
Minister des Landes, nachdem er ihn vorher
geadelt und in den Grafenstand versetzt hatte.
Weil er durch den Grafen von Stehler selber
großen Reichtum gewann, wollte sich der König
seinem Minister gegenüber persönlich dankbar
erweisen, und er beschloß aus diesem Grunde,
ihm den höchsten Orden des Landes zu ver-
leihen, der Max gestattete, sich Vetter des
Königs zu nennen, und ihm den Zutritt zu den
exklusivsten Adelsfamilien öffnete. Die Ver-
leihung der hohen Auszeichnung sollte in
feierlichster Form bei einem Festbankett er-
folgen, das der König eigens zu diesem Zweck
veranstaltete. Aber der König und die übrigen
Gäste des Banketts warteten vergeblich auf
den Minister.
Der stand unterdessen an dem breiten Fenster
in dem Prunkzimmer seiner Villa und starrte
mit brennenden Augen zu dem nächtlichen
Himmel empor, über den der Vollmond sein
weißes, kaltes Licht goß. Die Gabe, die er vor
allen anderen Menschen voraus hatte, nämlich
in die Zukunft zu sehen und sein Verhalten
entsprechend einrichten zu können, hatte ihn
zu der Höhe des Reichtums und der Ehren
emporgetragen, auf der er jetzt stand und die
durch die Verleihung des höchsten Ordens
eine weithin sichtbare Bestätigung erhalten
107
sollte. Aber während seine Eitelkeit sich in den
Bildern von dem Glanz und der Pracht des
Festbanketts spiegelte, dessen Mittelpunkt er,
der ehemalige verprügelte Viehhändler aus
Peinaggel und jetzige erste Minister, Exzellenz
Graf von Stehler, sein würde, hatte er plötz-
lich gesehen, wie ein häßliches, fleischloses
Gerippe höhnisch lächelnd nach seiner Gurgel
Pitter setzte sich in den Herrgottsstuhl...
griff, ihn auf ein langes, schmerzvolles Kranken-
lager warf, ihn am Ende als klapperndes,
dürres Gespenst auf den Schinderkarren lud
und auf den Friedhof entführte. Da waren Stolz
und Freude in ihm mit einem Schlag getötet,
Ruhm und Ehre versanken in nichts. Sein ganzer
Reichtum erschien ihm wertlos, als er erkannte,
daß er mit all seinem Geld das schreckliche
Ende nicht abwenden könne, das seiner wartete.
„Warum hast du mir meine Ahnungslosigkeit
nicht gelassen, in der mir alle Geschehnisse
der Zukunft barmherzig verhüllt waren? Ich
wäre arm, aber sicher glücklich geblieben."
Schaum trat auf seinen Mund, und er geiferte
mit geballten Fäusten zum Firmament hinauf:
„Du blöder Idiot da oben, du Narr von
Peinaggel, der du dir einbildest, den Herrgott
spielen zu können. Glaubst du wirklich, es
besser machen zu können als der andere, der
alte? Daß ich nicht lache!" Und er lachte laut
und mißtönig, daß die spärlichen Passanten
auf der Straße stehen blieben und zu dem
einsamen Mann hinaufschauten, der am offenen
Fenster stand und sicher irrsinnig war.
Pitter hatte das Schicksal des Viehhändlers
Max durch alle Etappen seines glänzenden
Aufstieges mit Interesse und Wohlwollen ver-
folgt, trotzdem er bisweilen Aerger darüber
empfand, daß Max nicht ein einziges Mal sei-
ner als des Urhebers seines Glückes dankbar
gedachte. Als er ihn jetzt am Fenster stehen
sah, wie er mit weit aufgerissenen Augen zum
Firmament emporstarrte, nahm Pitter an, dass
er angesichts der bevorstehenden Krönung
seiner Laufbahn die längst fällige Dankes-
schuld abtragen und ihm bestätigen wolle, wie
zufrieden und glücklich er sei. Als er jedoch
statt der erwarteten Dankesworte die geifern-
den Beleidigungen des toll Gewordenen ver-
nahm, wollte er in einem Anfall von Wut den
Undankbaren mit dem Blitz zerschmettern.
Aber der Herrgott fiel ihm in den Arm.
„Was willst du tun? Wenn ich alle die mit
dem Blitz zerschmettern wollte, die mit mir
hadern und mich beleidigen, dann wären nur
mehr wenige Menschen am Leben. Und du
auch nicht mehr", setzte er mit einem bedeu-
tungsvollen Blick auf Pitter hinzu. Aber der
hörte nur mit halbem Ohr hin. Denn er be-
obachtete noch immer den Viehhändler Max,
der sich eben aus dem Fenster stürzte und mit
gebrochenem Genick auf der Erde liegen
blieb.
Der Herrgott und der Pitter sahen schwei-
gend in die Nacht hinaus. Nach einer Weile
sagte der Herrgott: „Das erste Experiment ist
mißglückt, Pitter. Aber du hast ja noch zwei
Eisen im Feuer. Sieh zu, dass du es damit
besser triffst."
In Peinaggel lebte das „Lumpengret", so
genannt, weil sie sich mit dem Sammeln von
Lumpen, Knochen und anderen verwertbaren
Abfällen befaßte. Sie war früh Witwe gewor-
den, vier Monate nachdem sie einem Jungen
namens Werner das Leben geschenkt hatte.
Mit ihrem kleinen Wägelchen, vor das sie
einen starken Hund, denTyras, gespannt hatte,
suchte sie die einzelnen Höfe und Dörfer der
Umgebung nach brauchbaren Abfällen ab, und
viele Bauersfrauen gaben ihr dieselben um
Gotteslohn, weil sie der armen Witwe helfen
wollten. Durch nimmermüden Fleiss und harte
Sparsamkeit brachte es die Frau dahin, dass
sie ihrem Sohn, als er erwachsen war, einen
mittelgroßen Hof unter erträglichen Bedingun-
gen kaufen konnte, auf dem Werner nun schon
einige Jahre mit Frau und Kindern aufs beste
wirtschaftete. Der Sohn des Lumpengret galt
als tüchtiger Bauer, der imstande war, dem
Pitter Eiderdun einmal den Rang abzulaufen.
108
Das Lumpengret hatte längst das Gewerbe
an den Nagel gehängt und lebte jetzt auf dem
Hof des Sohnes, wo sie wie eine Junge arbei-
tete, trotzdem sie schon auf die Siebzig zu-
ging. Pitter hatte sie einmal scherzhaft gefragt,
wie lange sie es so weitertreiben wolle, und
da hatte sie ihm ohne Zögern geantwortet: ,,Ei
ewig!"
An das Lumpengret dachte der Pitter, als er,
dem unglücklichen Ausgang seines Experimen-
tes mit Max nachgrübelnd, erwog, wem er
Gutes erweisen könne. Sie hatte in ihrem lan-
gen Leben nicht viel Gutes gehabt und sie ver-
diente es, dass sich der Herrgott um sie küm-
merte. Er beauftragte daher den Erzengel Ga-
briel, sich zum Lumpengret zu begeben und
bei ihr auf den Busch zu klopfen. Habe sie
noch immer den ernstlichen Wunsch, ewig zu
leben, so solle er ihr die Erfüllung dieses Wun-
sches Zusagen.
Gabriel machte sich sofort auf den Weg. Er
hatte die Gestalt eines jungen Mannes ange-
nommen und hatte seine Flügel, um sich nicht
zu verraten, unter einem Umhang verborgen.
Als er bei dem Hof ankam, wo das Lumpengret
lebte, war diese mit ihrem Enkelkind damit
beschäftigt, einen Stapel dicker Knüppel zu
Brennholz zu zersägen. „Guten Tag, Mütter-
chen!", grüßte Gabriel freundlich. „Schmeckt
denn die schwere Arbeit noch in eurem Alter?"
Lumpengret lachte ihr stilles, gutes, mütter-
liches Lachen. „Man ist nie zu alt zum Arbei-
ten, solange man es noch kann, lieber junger
Herr, und muß unserm Herrgott dankbar da-
für sein, daß er uns die Kraft dazu gibt", ant-
wortete sie, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
„O, so arbeitsnärrisch wie Ihr braucht man nun
doch nicht zu sein. Laßt die Jungen auch ihren
Teil arbeiten. Ihr dürft nicht befürchten, daß
es mit der Arbeit einmal aufhört, es wird auch
noch gearbeitet werden wenn Ihr nicht mehr
lebt. Oder wollt Ihr ewig leben?" „Ewig leben!
Wenn ich das könnte, wie gern wollte ich das",
antwortete Lumpengret mit einer Bestimmt-
heit, die keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit
ihres Willens aufkommen ließ. Da legte Ga-
briel den Umhang ab, unter dem er seine Flü-
gel verborgen hielt. „Ich bin Gabriel, der Erz-
engel, der bei Gott ist. Ich sage dir in seinem
Auftrag, daß dein Wunsch erfüllt ist und du
ewig leben wirst."
Das Lumpengret war sehr erfreut darüber,
daß der Herrgott sie ewig auf dieser Erde las-
sen wollte, die ihr so schön dünkte und an der
sie mit der ganzen Kraft ihrer starken Natur hing.
Aber als sie älter und älter wurde, ihre Rüstig-
keit und ihre Schaffenskraft abnahmen und
sie als zahnlose, steinalte Greisin nur mehr
hinter dem Ofen sitzen konnte, sich selber und
den andern zur Last, da dämmerte ihr die Er-
kenntnis, daß man sich nicht nur ewiges Leben,
sondern auch ewige Jugend, frei von Krank-
heiten und Beschwerden, wünschen müsse, um
jenes aushalten zu können. Und wenn man es
genau überlege, dann sei es auch mit der ewi-
gen Jugend ohne Krankheiten und ohne Be-
schwerden nicht getan, weil sich ja doch alles
im Leben wiederhole und notwendigerweise
einmal der Zeitpunkt kommen müsse, da man
der ständigen Wiederholung überdrüssig werde
und man den Frieden ersehne, der in diesem
Leben nicht zu finden sei. Es sei daher nicht
richtig von ihr gewesen zu wünschen, daß sie
ewig leben könne, und der Herrgott habe
auch nicht gut daran getan, ihr diesen unver-
nünftigen Wunsch zu erfüllen. Er möge ihr
diese sündhaften Gedanken, mit denen sie sich
gegen seinen Willen empöre, vergeben, aber
er möge die Last des ewigen Lebens von ihr
nehmen und ihr den Frieden eines seligen
Todes schenken.
Pitter hörte die demütig vorgebrachte Bitte
der Greisin und erfüllte sie ohne Zögern. Sein
zweites Experiment war damit ebenfalls miß-
glückt, trotz der besten Absicht, die er damit
verbunden hatte. Aber er wollte die Flinte
nicht ins Korn werfen. Es blieb ihm ja noch
eine dritte Möglichkeit.
Er hatte sich als Bauer stets daran gestoßen,
daß der Erfolg bäuerlichen Schaffens anders
als beim Industriearbeiter nicht nur von Fleiß
und Sachkenntnis, sondern ausschlaggebend von
der Witterung abhängig ist. Der Bauer müßte
das Wetter, das er braucht, selber machen kön-
nen, hatte er sich immer gewünscht, wenn
Regen, Sonnenschein und Wind zur Unzeit
kamen oder ausblieben. Er beschloß daher,
seine göttliche Allmacht dazu zu benutzen,
die Probe aufs Exempel zu machen.
Die Bauern von Peinaggel sollten sich ihr
Wetter nach eigenem Gutdünken machen kön-
nen. Das ließ er ihnen durch den Erzengel
Gabriel ausrichten. Pitter war sicher, daß er
diesmal ins Schwarze getroffen hatte. Im An-
fang ging auch alles gut. Die Bauern machten
Sonnenschein, Wind und Regen, je nachdem sie
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den einen oder anderen gebrauchten, Aber da
es bei dem Wachstum der Saat nicht nur auf
das Wetter ankommt, sondern auch auf das
Saatgut, die Düngung und schlechte oder gute
Arbeit beim Pflügen, Säen und Eggen, gediehen
die Pflanzen auf den Äckern der Bauern von
Peinaggel durchaus nicht gleichmäßig, da es
unter ihnen, wie in jedem Stand, Fleißige und
weniger Fleißige gab. Diejenigen Bauern, deren
Felder schlecht standen, blickten mit Neid auf
jene, deren Felder einen besseren Stand auf-
wiesen. Und es dauerte gar nicht lange, da ging
so ein Neidhammel hin und ließ es zur Unzeit
regnen. Nachdem die Disziplin einmal gebrochen
war, gab es kein Halten mehr. Nun ließ jeder,
um dem anderen einen Schabernack zu spielen,
den Regen fallen, den Wind wehen und die
Sonne scheinen, wie er wollte. Die Folge war,
daß nichts mehr vorwärtsging und die Pei-
naggeler Bauern, die sich soviel auf ihre Wetter-
macherei eingebildet hatten, zuerst zum Gespött
und dann zum Abscheu der ganzen Gegend
wurden, weil sie durch ihre Zügellosigkeit nicht
nur ihre eigene Ernte, sondern auch die ihrer
unschuldigen Mitmenschen in Gefahr brachten.
Schließlich wurde die Stimmung gegen die
Bauern von Peinaggel so gereizt, daß sie sich
in einer wilden Explosion entlud, die als die
Schlacht von Peinaggel weltbekannt geworden
ist. Diese Schlacht ist eine der elf Merkwürdig-
keiten der Weltgeschichte. Denn in dieser
Schlacht war es so, daß sich nicht nur die Pei-
naggeler Bauern und ihre Widersacher gegen-
seitig verdroschen, sondern daß im Verlaufe der
Schlacht eine allgemeine Drescherei stattfand,
bei der es nicht mehr um den Sieg einer Partei,
sondern nur noch um die Befriedigung urtüm-
licher menschlicher Instinkte und Leidenschaften
ging. Die Leidenschaft bei diesem Kampf, der,
um jeder Geschichtsfälschung vorzubeugen,
allein durch die Zügellosigkeit der Bauern von
Peinaggel verursacht worden ist, war so groß,
daß sich an ihm nicht nur die Männer mit
Dreschflegeln, Wagenstorren, Sielscheiden und
ähnlichen Waffen beteiligten, sondern auch
die Weiber die friedlichen Waffen ihrer Küche,
Bratpfannen, Kochtöpfe, Besen und Schrubber
in den Kampf führten. Um die Mittagszeit, als
die Kampfeshitze ihren höchsten Grad erreichte,
achtete niemand mehr darauf, wen er vor sich
hatte, sondern schlug wahllos auf jeden ein, der
in seine Reichweite kam. Zahllose ,,Gefallene"
bedeckten das Schlachtfeld, aber keiner von
ihnen hätte, wenn es darauf angekommen wäre,
sagen können, wer ihm den betäubenden Schlag
beigebracht hatte.
Als der Pitter vom Himmel aus die Streit-
hähne erblickte, eilte er spornstreichs auf die
Erde zurück, um den Streit zu schlichten, an
dem er sich schuldig fühlte. Als er unten ankam,
tobte der Kampf noch immer hin und her. ,,Was
macht ihr da? Seid ihr denn ganz verrückt ge-
worden? Auseinander, sag' ich." Pitter war
bärenstark, aber gegen diese Übermacht konnte
er doch nicht an. Da rief einer: „Ach sieh da,
der Herrgott von Peinaggel!" und bald wieder-
holte der ganze Schlachthaufen, Männer und
Frauen, den Spottruf: „Der Herrgott von Pei-
naggel! Der Herrgott von Peinaggel!" Pitter sah
noch, wie ein Bauer einen schweren eisernen
Wagenstorren zum tödlichen Streich gegen ihn
erhob, da — erwachte er.
Eine Zentnerlast wälzte sich von seiner Brust.
So hatte er alles nur geträumt und nichts von
dem, was er sich eingebildet hatte, war ge-
schehen. Die Pferde standen friedlich da und
wunderten sich nur, daß die Ruhepause heute
so lange dauerte. Pitter faßte die Zügel und mit
„Jüh, Schimmel! Vorwärts, Schwarzer!" ging es
wieder ans Pflügen. Pitters Frau wunderte sich
in der Folgezeit sehr, daß er die gottesläster-
lichen Redensarten nicht mehr hören ließ, die
sie so sehr an ihm getadelt hatte. Sie forschte
neugierig nach dem Grunde, aber da der Pitter
nichts verriet, schrieb sie es endlich ihrem Ein-
fluß zu, daß Pitter sich gebessert hatte. Sie
wußte nicht, daß er als Herrgott von Peinaggel
eine so schlechte Rolle gespielt hatte, daß er
sich nie wieder vermaß, es besser als der alte
Herrgott machen zu können.
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tyeanz vcn Sickinyen -
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Von Rudolf Saarn, Saarbrücken
„Den Namen Franz von Sickingen darf die
Wissenschaft nicht untergehen lassen, wenn sie
sich nicht des Undanks schuldig machen will."
Erasmus von Rotterdam
Dem gesamten Leben Franz von Sik-
kingens könnte man das Wort vor-
anstellen ,,Rast' ich, so rost' ich".
Eine Zeit, so erfüllt von dem schroffen
Gegensatz alter und neuer Ideen wie in der
modernen Geschichte nur noch unser Jahr-
hundert, ließ eine lebhafte Phantasie über-
all Opfer böswilliger Tücke erblicken, die
zu ihrer Rettung des starken Ritterarmes
bedurften. Sickingen wollte ein Vorkämpfer
für Wahrheit und Gerechtigkeit sein und
besaß auch wirklich eine idealistische
Ader, die ihre Nahrung aus dem damaligen
freudigen Aufschwung der Geister erhielt,
aber er war weit davon entfernt, sich
selbst zu vergessen, und es ist durchaus
unrichtig, wie neuerdings versucht wurde,
in seinem Handeln die Absicht einer für
die damalige Zeit idealen Reichsreform
sehen zu wollen, denn fast unablässig hat
er an die Erhöhung seiner eigenen Macht-
stellung gedacht. Trotzdem waren ihm
berechnende Einsicht, vorsichtiges Ab-
wägen, gelassenes Abwarten schwer zu
übende Tugenden. Nur zu gern handelte
er nach den Eingebungen seines heißen
Herzens. Daher weist sein Leben neben
Zügen reiner Hingabe an Ideen und Men-
schen auch Taten voll gesetzloser Wildheit
und voll trotzigen Frevels auf. Wohl lebte
in ihm ein großartiges Gefühl von der alten
Kaiserherrlichkeit, aber Respekt und Glaube
an eine nationale Zentralmacht war diesem
Geschlecht abhanden gekommen. Sickingens
letzter Gedanke war auch nicht dem Vater-
land geweiht, sondern er fiel auf seiner
zertrümmerten Burg infolge eines fehlge-
schlagenen Unternehmens gegen die be-
stehende Ordnung als Opfer seines eigenen,
persönlichen Strebens.
Das Rittergeschlecht von Sickingen be-
saß zahlreiche Lehen geistlicher und welt-
licher Herren. Man stößt auf ihre Namen
als pfälzische Hofmeister und als Vögte
zu Heidelberg und im unteren Elsaß. Der
Großvater Franz von Sickingens, Reinhard
von Sickingen, erhielt 1448 von dem Pfalz-
grafen Friedrich und dem Markgrafen
Jakob von Baden deren Anteil der Ebern-
burg bei Kreuznach. Reinhard war schon
1445 mit 10 Pfund Turnosen (Silbermünzen,
nach der Stadt Tours benannt) zu St. Arnual
sowie mit dem, dem Saarbrücker Grafen-
haus gehörenden Hof zu Fremersheim (bei
Alzey) von Graf Johann II. bedacht worden.
Der Fremersheimer Hof war zwar 1285 von
der Gräfin Johanna der Abtei Wadgassen
zum Teil verkauft worden, muß aber später
wieder in den Besitz des Grafenhauses
übergegangen sein. Reinhards Sohn,
Schwicker oder Schweickhard genannt,
wurde 1481 außerdem mit 10 Gulden zu
Saarbrücken belehnt. Schwicker erwarb
sich 1482 die gesamte Herrschaft Ebernburg
mit den dazugehörigen Ortschaften. Seine
Gattin, Margarethe von Hohenburg, brachte
ihrem Gemahl nach dem Tode ihres Bruders
Richard den ersten Teilbesitz von Land-
stuhl und Hohenburg. So wuchs der Fami-
lienbesitz zu einem recht stattlichen Kom-
plex von Gütern, dem allerdings jede
territoriale Geschlossenheit fehlte. Unter
sechs Kindern war Franz, der am 2. März
1481 auf der Ebernburg geboren wurde,
der einzige Sohn.
Franz war, nach Ulrich von Huttens
Urteil, ein Mann ,,sine litteris", ohne
wissenschaftliche Bildung, aber eine scharfe
Urteilskraft befähigte ihn, auch ohne diese
Grundlage Fragen von hoher geistiger und
111
religiöser Bedeutung ein eingehendes Ver-
ständnis entgegenzubringen. Von Jugend
auf ward er zu kriegerischen Übungen an-
gehalten. 1495 war er auf dem Reichstag
zu Worms zugegen, wo der ,,ewige Land-
friede" verkündet wurde. Von seiner
weiteren Tätigkeit ist urkundlich zunächst
nur ganz wenig überliefert, doch hat er
nach des Vaters Tod den Familienbesitz
und dessen Stelle als Amtmann in Kreuz-
nach geleitet. Seine Fehde gegen die Stadt
Worms war sein erstes selbständiges
Unternehmen, dem Bedeutung zukam.
Wegen Besitzstreitigkeiten über eine Sil-
bermine kam es 1516 zwischen dem Herzog
Anton von Lothringen und Graf Gangolf
von Geroldseck zu Kampfhandlungen.
Sickingen schloß sich Geroldseck mit über
1000 Reitern an, und bei Limbach, unweit
Homburg, vereinigten sich die beiden, um
gemeinsam Lothringen zu verwüsten. Bald
wünschte Herzog Anton den Frieden, und
gegen Erstattung der Kriegskosten zog
Franz seine Truppen aus dem Land, ja, da
Anton sehr an dem freundschaftlichen
Verhältnis zu Sickingen gelegen war, trat
Franz in des Herzogs Dienste. Dieser
Kriegszug hatte Sickingens militärischen
Ruf begründet. Sein Name begann ein
Faktor zu werden, mit dem man rechnen
mußte.
Im Herbst 1516 weilte Franz von Sik-
kingen am französischen Hof bei König
Franz I. und trat gegen eine jährliche
Pension in dessen Dienste, die er jedoch
1518 mit denen Kaiser Maximilians I. ver-
tauschte. Im August dieses Jahres sagte er
der Stadt Metz den Kampf an. Auf seinem
Zug an die Mosel passierte Sickingen
unsere Heimat und verwüstete bei dieser
Gelegenheit die Deutschherrenkapelle und
die umliegenden Gebäude vor der Stadt
Saarbrücken. Metz erkaufte Sickingens Ab-
zug mit 25 000 Gulden. Noch im Feldlager
vor Metz beschloß Franz, sein Heer gegen
denLandgrafen Philipp von Hessen zu führen,
der, obwohl erst 14jährig, gerade für voll-
jährig erklärt worden war und die Herr-
schaft über sein Gebiet angetreten hatte.
Schon am 23. September mußte sich
Philipp zu einem Friedensvertrag mit dem
,,Reichsritter" bequemen. Am 26. Sep-
tember zahlte die Stadt Frankfurt 4000
Gulden, damit Sickingen sein Heer nicht
nach Frankfurt führen solle.
rRANClSCW-Vo.TN ^f.KlNGEN V
Franz von Sickingen,
geb. 2, März Ik&l auf der Ebernburg bei Kreuz-
nach, gest. 7. Mai 1523 auf der Feste Landstuhl
(Radierung von Hieronymus Hopferj
Inzwischen hatte Franz eifrig die Be-
festigung seiner Burgen betrieben. Die
Ebernburg war so stark ausgebaut worden,
daß man meinte, sie könne dem ganzen
,,Römischen Reich" widerstehen. Weniger
von Natur begünstigt war seine Burg
Landstuhl, verschiedentlich Nanstuhl oder
Nanstein genannt, die er 1519 in seinen
Alleinbesitz gebracht hatte. In diesem Jahr
hatte er auch den Anteil des Saarbrücker
Grafen Johann Ludwig, der sich seit 1402
im Besitz der Grafen von Nassau-Saar-
brücken befand und ein Sechstel des
Ganzen betrug, erworben, wofür er 3000
Gulden zu zahlen versprach. Graf Johann
Ludwig behielt sich das öffnungsrecht zu
Landstuhl vor und ein Haus für einen
Diener, der dort wohnen solle. Bei dieser
Gelegenheit verzichtete Franz auf den Hof
in Fremersheim, mit dem sein Vater und
Großvater belehnt worden waren, sowie
auf die Renten in Saarbrücken und
St. Arnual. Franz bezahlte jedoch die Ab-
lösungssumme nicht, so daß ein Sechstel
von Landstuhl bis 1692 als Saarbrücker
Besitz galt und das Geschlecht von Sik-
112
kingen demnach als Lehnsleute der Grafen
von Nassau-Saarbrücken angesehen wurde.
Ob Franz von Sickingen bei diesen Ver-
handlungen selbst einmal in Saarbrücken
gewesen ist, kann nicht nachgewiesen
werden.
Wegen seiner Verdienste bei der Kaiser-
wahl erhielt Sickingen am 23. Oktober 1519
von Karl V. seine Bestallung als könig-
licher Rat, Kämmerling und Hauptmann.
Auch bei Karls Krönung in Aachen war er
zugegen und schoß dem Kaiser auf dessen
Wunsch 20 000 rheinische Gulden gegen
seine Handschrift ohne Zinsen vor. Daß
Karl sich an ihn wandte, beweist die Be-
deutung, die man ihm beimaß. Seit Karls
Wahl zum deutschen Kaiser war die
Spannung zwischen ihm und Franz I. von
Frankreich ständig gestiegen. Graf Heinrich
von Nassau, ein Verwandter des Saar-
brücker Grafenhauses, wurde zur Maß-
regelung des übermütigen Reichsvasallen
Robert von der Mark, Herzog von Bouillon
und Herr zu Sedan, in dessen Besitztümer
an die Maas geschickt. Zur Unterstützung
Heinrichs erging Anfang Juli 1521 an
Franz von Sickingen die kaiserliche Auf-
forderung, Truppen zu Roß und zu Fuß auf
seinen Kredit anzuwerben und ins Feld zu
führen. Etwa 12 000 Soldaten und 3000
Reiter folgten seinem Ruf. Nach der Kapi-
tulation Sedans traten Heinrich von Nassau
und Sickingen auf französisches Gebiet
über, doch bei der Belagerung der Feste
Mezieres kam es zum Zerwürfnis zwischen
den beiden kaiserlichen Feldherren, die
Anfang Oktober 1521 die Belagerung auf-
gaben. Sickingen, der zuerst aufgebrochen
war und sein Heer inzwischen aufgelöst
hatte, scheint dadurch am kaiserlichen Hof
in Ungnade seiner Stellung enthoben wor-
den zu sein, zumal die Stimmung vieler
Einflußreicher schon früher gegen ihn ge-
wesen war, da er aus seinen Sympathien
für Luther kein Geheimnis machte.
Ulrich von Hutten, dem Franz von Sik-
kingen auf seinen Besitzungen bis zum
letzten Angriff gegen ihn selbst Schutz
und Gastfreundschaft gewährte, hatte den
Freund für Luthers Ideen gewonnen. Im
Laufe des Winters 1520 ließ Sickingen
wiederholt Luther auf die Ebernburg ein-
laden. Trotz Luthers Ablehnung haben ge-
rade diese Vorschläge Sickingens wesent-
lich zu seiner Ermutigung beigetragen.
Zur Zeit des Wormser Reichstages fand
sich auf der Ebernburg Martin Butzer ein
und wurde im Mai 1522 zum Pfarrer von
Landstuhl ernannt. Auch dem ehrwürdigen
Reuchlin hat Sickingen die Gastfreund-
schaft seiner Burgen angeboten, als die
Arbeit seiner Gegner diesen in zunehmen-
dem Maße verfolgte. Uneigennützig hat
Franz von Sickingen so manchem Gelehrten
geholfen und sich damit Erasmussens Lob
erworben.
Anfang August 1522 trat auf Sickingens
Ausschreibung eine Versammlung der
Ritterschaft in Landau zusammen, wo man
eine politische Organisation schuf, die die
Grundlage für die erneute Bedeutung des
adeligen Standes sein sollte. Zum Haupt-
mann des Bundes ward Franz von Sickingen
erkoren. Dieser erstrebte einen Macht-
zuwachs in Form einer Säkularisation der
geistlichen Territorien, um dann eine Re-
form der ritterlichen Verhältnisse zu unter-
nehmen. Diese Säkularisation sollte Sik-
kingen die Mittel zur Erlangung einer
fürstengleichen Stellung geben. Einen
natürlichen Kristallisationspunkt für die
Errichtung einer selbständigen Herrschaft
an der Mosel gaben ihm seine Besitzungen
ab. Wie wenig es gerade bei dieser Aus-
einandersetzung um Glaubensfragen ging,
beweist die Tatsache, daß sowohl Land-
graf Philipp von Hessen als auch Kurfürst
Ludwig von der Pfalz, die beide die Reform
begünstigten, sich mit dem Erzbischof von
Trier gegen Sickingen verbanden.
Schon 1521 soll sich Franz von Sickingen
mit dem Gedanken getragen haben, mit
dem Erzbischof von Trier anzubinden, der,
obwohl mit Sickingen verschwägert, bereits
1518 auf dem Reichstag zu Augsburg, als
jener Hessen angegriffen hatte und Frank-
furt bedrohte, sich in harten Worten über
dieses Unternehmen aussprach. Sickingen
Nur mit Zucker gesüsst.
Ist rasch beliebt geworden
und wird täglich mehr verlangt.
8
113
Burg Naimstein
Bei Lartdstuhl.
hatte ihm das nicht vergessen. Wegen einer
Nichtigkeit übersandte er am 27. August
1522 dem Erzbischof Richard von Trier die
Kriegserklärung, die diesem am 29. August
auf dem Ehrenbreitstein ausgehändigt
wurde. Richard eilte sofort in seine alte
Bischofsstadt an der Mosel. Auch Sickingen
war gleich zur Tat geschritten und hatte
sich vom Westrich her auf das befestigte
Städtchen St. Wendel, die Grenzwarte des
trierischen Gebietes, geworfen. Richard
hoffte, St. Wendel werde sich so lange
halten, bis seine Bundesgenossen, Land-
graf Philipp und Kurfürst Ludwig, zu Hilfe
kämen und man dem Ritter gleich an der
Grenze vereint entgegentreten könne, doch
hatte er sich hierin gewaltig getäuscht. Am
2. September begann Sickingen die Be-
schießung St. Wendeis, und nach drei-
maligem Sturm gelang es ihm am folgenden
Tag, die Stadt zu erobern. Als die Ge-
fangenen ihrem Überwinder vorgeführt
wurden, versuchte dieser, sie gegen ihren
bisherigen Oberherrn anzuwerben. Die
umliegenden Dörfer wurden gebrand-
schatzt und auch das damals zu Trier ge-
hörende Blieskastel besetzt. In St. Wendel
ließ Sickingen eine Besatzung unter seinem
Sohn Johann zurück und zog dann weiter
nach Tholey, wo schon die Herrschaft
Schaumburg huldigte. Nach einer Notiz im
Archiv der Stadt Straßburg, dessen Bischof
noch immer versuchte, zwischen den Geg-
nern eine gütliche Verhandlung herbeizu-
führen, soll er sich dann südwärts gewandt
und über einen Tag bei Malstatt gelegen
haben, um dann die Saar abwärts zu ziehen,
wo ihm bei Vaudrevange Verstärkungen
zugekommen sein sollen. Doch erscheint
diese Angabe wenig glaubhaft, da Franz
von Tholey aus zunächst nach der im
Wadrilltal gelegenen Grimburg zog, wo er
am 7. September anlangte. Da die Burg
gegen die Heeresmacht Sickingens sich
nicht hätte halten können, hat der damalige
Domprobst Johann von Metzenhausen sie
räumen lassen. Sickingen legte eine Abtei-
lung Reiter zum Schutz der Straße hinein
und zog weiter. Die südliche Schwenkung
nach Malstatt wäre also aus zeitlichen
Gründen nur bei einer Teilung seiner Trup-
pen möglich gewesen. Am 8. September zog
Franz von Sickingen mit etwa 10 000 Sol-
daten jedenfalls über den Marsberg vor
die Stadt Trier, doch gelang es ihm nicht,
diese völlig einzuschließen. Mit der Be-
schießung wurde gleich nach der Ankunft
begonnen, aber die in sie gesetzten Erwar-
tungen gingen nicht in Erfüllung. Zum
erstenmal, abgesehen von Mezieres, waren
114
Überraschung, Drohung und Gewalt fehl-
geschlagen. Alles war gescheitert an dem
starken Willen eines Mannes, dessen un-
vermutete Gegenwart Eifrige und übel-
gesinnte, zu den Waffen Geborene und
Jünger friedlicher Beschäftigungen eisern
zur Gegenwehr zusammenhielt. Als Philipp
von Hessen und Ludwig von der Pfalz im
Anmarsch waren, mußte Franz am 14. Sep-
tember in höchstem Unmut die Belagerung
aufheben und zog mit fliegenden Fahnen
moselabwärts unverfolgt davon. Land und
Leute hatten den Ingrimm des unglück-
lichen Feldherrn hart zu spüren. Dem Erz-
bischof von Trier war zunächst mehr an
einer Wiedereroberung von St. Wendel
als an einer schnellen Verfolgung Sickin-
gens auf die Ebernburg gelegen. Am
23. September erschienen die trierischen
Truppen unter Führung des Grafen Ger-
lach von Isenburg vor dem Bliesstädtchen.
Johann von Sickingen lehnte die Auffor-
derung zur Übergabe ab und nahm mit
seinen Reitersleuten die Miene an, den
Ort bis zum äußersten halten zu wollen,
aber unter dem Schutz der Nacht gelang
es ihm, unbemerkt vom Feind ein Loch in
die Mauer zu brechen und mit Mann und
Roß zu entkommen. Am 24. September er-
griff der Erzbischof wieder Besitz von seiner
Stadt.
Da der Winter vor der Tür stand, sahen
die Fürsten von einer weiteren Verfolgung
Sickingens ab und benutzten die Zeit, um
ihre Rüstungen zu vervollkommnen. Auch
Franz warb überall um Bundesgenossen,
doch sein Name hatte bereits viel von
seinem Glanz eingebüßt. Nur wenige
Ritter schlossen sich ihm an. Da er glaubte,
daß der erste feindliche Angriff der Ebern-
burg gelte, begab er sich selbst nach Land-
stuhl, um dort ein Entsatzheer zu sammeln.
Doch er hatte sich erneut verrechnet. Nicht
um den Besitz einer Burg ging es den
Fürsten, sondern um die Person Sickingens.
Als die Fürsten von Sickingens Anwesen-
heit auf Landstuhl erfuhren, rückten sie
am 29. April 1523 mit ihrer gesamten Hee-
resmacht vor die Festung und begannen
sogleich mit deren Beschießung. Schon am
ersten Tag wurden über 600 Schüsse auf
das Schloß abgegeben. Sturm und Wetter
hatten die zwar dicken, aber noch neuen
Mauern nicht gehärtet, die bereits nach
drei Tagen stark mitgenommen waren. Am
dritten Tag wurde Sickingens Niederlage
entschieden, als er selbst ein Opfer der
Beschießung wurde, indem ein zerschmet-
tertes Balkenstück ihm in die Seite drang
und deutlich sichtbar Lunge und Leber
bloßlegte. Aus seinem zerschossenen Zim-
mer brachte man den Todwunden in ein
Felsengewölbe, in welches kein Lichtstrahl
drang, das aber Schutz vor den feindlichen
Kugeln gewährte. Der Sturm auf die Feste
war von den drei Fürsten auf den 7. Mai
früh festgesetzt worden, doch am 6. Mai
brachte ein Trommelschläger die Kapitula-
tion Sickingens in das feindliche Lager. Am
anderen Morgen suchten die drei Sieger
den Ritter in seiner Felsenhöhle auf. Als
sie ihn wieder verlassen hatten und noch
die eroberte Festung besichtigten, trat
Sickingens Tod ein. Am Abend desselben
Tages wurde er ohne jeden Prunk in der
Kapelle des Dorfes Landstuhl beigesetzt.
Franz von Sickingens Versuch, die Rit-
terschaft zum entscheidenden Faktor neben
dem Kaiser zu machen, mußte fehlschla-
gen, weil die Zeiten vorbei waren, da das
Rittertum die tragende Schicht des geisti-
gen und politischen Lebens gewesen war.
Indem Sickingen das verkannte, zeigte er
sich noch in ritterlichen Fiktionen begrif-
fen, die unwiderruflich der Vergangenheit
angehörten, denn schon waren die Tage
der Staatsraison und des absoluten Fürsten-
tums im Aufdämmern begriffen.
115
Das Saarland ist ein sdhönes Land
Von Walter Kr e mp , Ottweiler
Der Fremde, der die Gelegenheit nicht
versäumt, das Saarland etwas genauer
kennenzulernen, der aus den Mauern
der dichtbesiedelten Orte hinauskommt, ist von
der landschaftlichen Schönheit unseres Raumes
überrascht und freut sich der angenehmen Ab-
wechslung, die unsere reichen Wälder, Feld-
fluren, Höhen und anmutigen Täler bieten.
Ganz abgesehen von den Höhepunkten der
Landschaftsschönheit, wie sie beispielsweise das
Niedtal, das Bliestal mit seinen Nebentälern, die
Saarschleife bei Mettlach, der Schaumberg oder
Weiselberg, ja sogar die nähere Umgebung von
Saarbrücken oder Neunkiichen mit ihrem herr-
lichen Wälderkranz und viele andere Stellen
darbieten. Das Saarland ist ein schönes Land.
Läßt sich im Rahmen der heutigen Entwick-
lung die Schönheit der Landschaft erhalten?
Hat nicht die land- und forstwirtschaftliche
Nutzung des Bodens, neben dem industriellen
Charakter unserer Heimat, unsere Saargegend
schon ausschlaggebend beeinflußt? Sind nicht
die Eingriffe des Menschen in den Wasserhaus-
halt der Natur, als einem sehr wichtigen Faktor,
so weit vorgeschritten, daß es zu einem regu-
lierenden, schützenden Mahnruf zu spät ist? Hat
der moderne Verkehr das Landschaftsbild schon
nachteilig beeinflußt?
All diese Fragen dürften gestellt werden, und
immer wieder können die Bewohner des Saar-
landes mit Stolz behaupten, unser Land an der
Saar habe sich dank einsichtiger Erkenntnis trotz
des riesenhaften Emporstrebens der Industrie
in allen seinen Teilen gut erhalten. Die Maß-
nahmen zum Schutze der Natur wirken sich
günstig aus. Hoffen wir, diesen Natur- und
Landschaftsschutz für alle Zeiten erhalten zu
können! Oft unterschiebt man dem Naturschutz
schwärmerische, sentimentale Tendenzen. Dem
ist, vom Standpunkte des naturkundigen Hei-
matforschers gesehen, nicht so. Vielmehr sind
es hygienische, dem Volkswohl dienende und
wissenschaftliche Erwägungen, die den öffent-
lichen Schutz der Heimatnatur verlangen. So
wurden vor fast 50 Jahren bereits eine ganze
Anzahl Landschaftsteile, die sich durch beson-
deren Reiz auszeichnen, zu Schutzgebieten er-
klärt und damit im wesentlichen erhalten, eine
Maßnahme, die in fast allen Kulturstaaten ge-
troffen wurde. Im Jahre 1907 wurden z. B.
größere Teile des Saartales, des Bliestales und
des Ostertales vor Verunstaltung gesichert.
Später traten dazu noch neun allerdings im
Raume wesentlich kleinere Naturschutz-Reser-
vate, Flächen, in die jeglicher Eingriff fast voll-
kommen ausgeschlossen wurde. Es handelt sich
hier um kleine Reste ursprünglicher Lebens-
gemeinschaften, die aus dem Untergang der
Urlandschaft sich bis heute gerettet haben. Sie
sind gewissermaßen ein Vermächtnis des freien
Waltens der Natur. Es sind zwei Waldgebiete
in den Kreisen Homburg und St. Ingbert, vier
Orchideen-Schutzgebiete in der Kalklandschaft
der unteren Blies und mittleren Saar, eine
Steppenheide mit interessanten und seltenen
Vertretern aus dem Reiche der Flora und
Fauna und zwei besonders geologisch beach-
tenswerte Gebiete im nördlichen Saarland.
Diese Naturschutzgebiete sind unentbehrliche
Diener der Naturforschung und von höchster
Bedeutung, insofern sie dem Beobachter seine
Erkundungen in unverfälschtem und urtüm-
lichen Zustande darstellen. Für die Floristik ist
der Naturschutz ein unentbehrlicher Helfer, wo
es gilt, Fundorte bemerkenswerter Pflanzen an
den Grenzen ihrer Verbreitungsgebiete zu er-
halten oder vom pflanzensoziologischen Stand-
punkt ganze Pflanzengesellschaften zu er-
forschen.
Zu jenen gesicherten Gebieten erster Ord-
nung kam dann in jüngster Zeit, im Sinne der
Weiterentwicklung des Naturschutzgedankens,
unter dem Begriff Landschaftsschutz eine statt-
liche Anzahl schöner Landschaftsteile, die vor
unberechtigten, schädigenden Übergriffen be-
wahrt sein sollen. Veränderungen in diesen Ge-
bieten untergeordneter Bedeutung werden je-
weils in Verbindung mit den zuständigen Natur-
schutzbehörden behandelt. Richtlinien dazu sind
auf dem ersten internationalen Kongreß, der
1923 in Paris stattfand, festgelegt worden (Pro-
tection de la Nature: Faune et Flore, Sites et
Monuments Natureis). 1931 fand wiederum ein
internationaler Naturschutz-Kongreß in Paris
statt, und zuletzt tagte das internationale Komi-
tee 1938 in Rouen.
Die Naturschutzbehörden sind heute in der
Lage, die Landschaft als Ganzes zu bewahren,
soweit es sich darum handelt, verunstaltende,
die Natur schädigende oder den Naturgenuß
beeinträchtigende Änderungen von ihr fern zu
halten. So können z. B. auch einzelne Bestand-
teile, die zur Belebung der Landschaft dienen
oder die im Interesse der Tierwelt erhaltungs-
wert scheinen, in Betracht kommen, d. h. ein-
zelne Bäume, Baumgruppen, Alleen, Hecken,
116
Das Bliestal bei Biiesdalheim
Feldgehölze und dergleichen werden im Sinne
des Naturschutzes gebührend berücksichtigt.
Vom Standpunkt der Landschaftspflege ist dies
sehr bedeutungsvoll, weil sie die eintönige
Fläche in erfreulicher Weise gliedern und in
anmutig umgrenzte Räume zerlegen. Bäume als
Natur-Denkmäler fügen sich als Wahrzeichen
auf Berghöhen oder an sonst bemerkenswerten
Stellen der Landschaft hervorragend ein. ln
diesem Sinne dient der Naturschutz weitgehend
der Landschaftsplanung. Oft stehen solche
Einzelobjekte im Mittelpunkt volkstümlicher
Feste — z. B. die Dörrenbacher Buche — oder
religiöser Bräuche —- Wegkreuze und Kapellen
zieren Altbuchen — und verdienen aus diesem
Grunde sorgfältiger Schonung.
Eine solche Auffassung des Be-
griffes Landschaftsschutz geht
von den seelischen Bedürfnissen
des Volkes aus. Daraus ist klar
ersichtlich, daß der soziale Ge-
sichtspunkt in der Bedeutung
des Landschaftsschutzes in den
Vordergrund rückt, und diese
Fragen scheinen gerade in un-
serer Industriegegend wichtig
zu sein. Es soll aber niemand
glauben, daß damit die Wirt-
schaft gehemmt wird, eine
richtige und erfahrene Natur-
schutzstelle will nur wesent-
liche Störungen des Land-
schaftsbildes ausschließen.
Gibt es im Saarland Natur-
denkmäler und sogar beacht-
liche? — Dieser Zweifel taucht
immer wieder auf. Hier in
einem Land voll Rauch und
Ruß, wo Hochöfen qualmen und
Seilscheiben auf hohen Förder-
schächten tanzen? Wo sind
diese Naturschönheiten?
Das bedeutendste Natur-
denkmal unserer Heimat ist
unser herrlicher Saarwald. Ei
lieferte schon vor der umfang-
reichen Kohlegewinnung das
Holz den alten Schmelzen und
Glashütten bereits in römische]
Zeit. Dieses kostbare Betriebs
kapital war früher in fast un-
erschöpflicher Fülle vorhanden,
und noch heute bedeckt der
Wald über 30 Prozent der Boden-
decke im Saarland. Der Warndt,
der Wald des Fischbach- und
Sulzbachtales, der Kirkeler
Wald, der Kammerforst bei
Merzig und der Schwarzwälder
Hochwald bei Weiskirchen sind
jedem Saarländer bekannte
Namen und Vorstellungen. Buchen, Eichen und
in den letzten Jahrhunderten besonders die
Fichte sind die Hauptvertreter der Waldbäume.
Von vielen Gemeinden unseres Industriegebie-
tes liegt der Wald kaum eine halbe Stunde
entfernt, bei vielen steht der Wald dicht vor
der Tür. So ist es zu verstehen, daß die Be-
wohner des Saarlandes sehr mit ihrem Wald
verbunden sind. Die älteren Bergleute kennen
auch alle noch die beliebten Berg- und Wald-
feste, die früher alljährlich im Sommer von
den einzelnen Berginspektionen abgehalten
wurden. Für viele Veteranen der Arbeit ist der
Wald die Erholungsstätte während ihres Ruhe-
standes. Die Pensionäre machen tagtäglich im
Die Dörrenbacher Buche
117
Wald ihre Spaziergänge. Der Wald ist dem
werktätigen Saarländer ein Stück Natur, nahe
und bereit, ihn nach den Tagesmühen aufzu-
frischen.
Der Wald ist ein Feuchtigkeitsspeicher, er
reguliert und erhält den Grundwasserstand; als
Windschutz bewahrt er die angrenzende Kultur-
und Ackerlandschaft vor Versteppung.
Im Schatten mehrhundertjähriger Bäume wer-
den Schnurren und Erzählungen aus vergange-
nen Tagen zum besten gegeben oder auch bei
Kartenspiel Späße und
geselliges Zusammen-
sein gepflegt. Natur-
denkmäler aus der
Baumwelt sind in al-
len Gebieten unserer
Heimat bekannt. Nur
einige sollen erwähnt
werden. Es sind mei-
stens ehrwürdige Ge-
stalten, Wahrzeichen
der Landschaft oder
historische Stätten, an
die sich Erzählungen
und Sagen knüpfen.
So berichten z. B. von
der sogenannten 1000-
jährigen Dorflinde in
Stennweiler — die,
altersschwach, sich
nicht mehr allzulange
behaupten wird — die
Urkunden, daß an ihr
ein hölzerner Gong be-
festigt gewesen wäre,
um bei wichtigen An-
lässen die Bewohner
zusammen zu trom-
meln. Sie war nämlich
eine Gerichtslinde, die
wohl nur noch die
Furchweiler Dorflinde
als gleich ehrwürdigen Patriarchen im Saarland
neben sich kennt. Selbstverständlich haben wir
in unserer Heimat noch eine große Anzahl von
alten, stattlichen Linden, die auch als Natur-
denkmäler gesichert sind, z. B. die 300jährigen
Linden an der Kapelle in Erbringen an der
Saar, aber an kulturgeschichtlicher Bedeutung
können diese sich mit den beiden genannten
nicht messen.
Als ältesten kerngesunden Baum unserer
Gegend muß die 500- bis 600jährige Eibe im
Hofe des Gutes La Motte bei Lebach hier an-
geführt werden. Die Eibe ist ein in Mittel-
europa aussterbender Waldbaum, der früher,
wie viele Ortsnamen es bezeugen, häufig vor-
kam. Jüngere, auch schon mehrhundertjährige
Eiben sind noch bei uns vorhanden, sie sind
ebenfalls unter Naturschutz gestellt.
Weitaus die meisten Vertreter der Natur-
denkmäler der Bäume stellt die Buche. Unter
ihnen sind wegen ihres bizarren Wuchses die
bekanntesten die Apostelbuche — 12 Stämme
— bei Altenkessel, die „neunstämmig Buch”
bei Ottweiler, die „Groß Buch" bei Altheim
und die „Spielmannsbuche" zwischen Bildstock
und Merchweiler. Im ganzen Oslertal kennt
jeder die „Rund-Buch" bei Dörrenbach, eine
Tanzbuche, im Volke auch „Baibich" genannt.
Hier findet jährlich das Dorffest statt. Diese
Buche, auf einer An-
höhe vor dem Dorfe
stehend, trägt eine
wohl 50 m im Durch-
messer schattende
Krone auf kraftstrot-
zendem, kurzen Stam-
me, der über 5 m Um-
fang hat. Leider ist
auch sie vor einigen
Jahren empfindlich be-
schädigt worden. Sol-
cher Riesenbuchen wä-
ren noch eine ganze An-
zahl zu nennen, z. B.
die Heidenbuche bei
Oberthal, die Varus-
buche bei Tholey, die
dicke Buche am Stie-
fel, die Große Buche
bei Hierstein, die
„Stations-Buche" bei
Altheim usw.
Sehenswert ist ein
kleiner Buchenhain
auf der Höhe bei Lei-
tersweiler, Kreis St.
Wendel. Diese Leiters-
weiler Buchen —
Hornbäume —- sind
durchschnittlich 400
bis 450 Jahre alt, viele
davon sind hohl, aber eine kraftvolle Rinden-
schicht, eine Umwallung des schadhaften Kern-
holzes erhält manchen dieser wuchtigen Rek-
ken, die einen Stammumfang von 4—4,50 m
haben, noch Jahrzehnte. Außerdem füllt eine
natürliche Verjüngung die entstandenen Lük-
ken bald wieder aus. Vom Rande dieses Hain-
buchenbestandes hat man weite Ausblicke in
die Umgebung, die zu den schönsten des Saar-
landes gehören.
Die Eiche tritt oft als Grenzeiche, auch in
Gruppen am Waldessaum auf. Mächtige ein-
zelne Bäume sind in allen Teilen unserer Heimat
anzutreffen. Oft führen sie merkwürdige Na-
men, wie die Hexeneiche bei Ober-Homburg,
die Biereiche im Kammerforst bei Merzig, die
Unnereichen bei Tholey, die Napoleonseiche
bei Riegelsberg. Stehen solche hervorragenden
Die Leitersweiler Buchen
118
Der ,,Stiefel” bei St. Ingbert
Eichen oder Eichengruppen an sonst baum-
freien Stellen, so bilden sie Richtpunkte und
Merkmale einer Gegend.
Es können bei weitem nicht alle berühmten
Bäume unserer Heimat hier erwähnt werden,
so viele stattliche Baumriesen sind unter
Naturschutz gestellt. Um nur einige Baumarten
ins Gedächtnis zu rufen, nenne ich: Platane,
Ahorn, Esche, Nußbaum, Zeder (Paterhof bei
St. Wendel), Maulbeerbaum (Saarbrücken und
Neunkirchen), Edelkastanie, Wachholder, Stech-
palme u. a. m. Ein sehr beliebter, aus dem
Gebirge Nordgriechenlands stammender Baum
ist die Roßkastanie. Sie ist unser eigentlicher
Frühlingsbaum im wahrsten Sinne des Wortes.
Zur Blütezeit gibt sie Dorf und Stadt durch ihre
weißen Blütenkerzen ein festliches Gepräge.
Als schnellwüchsiger Baum wird sie heute sehr
gern angepflanzt.
Aus der Gruppe der ausländischen Baum-
arten will ich nur den Mammutbaum oder die
Wellingtonie nennen. Bäume bis 40 m Höhe
sind bei uns keine Seltenheit. In Saarbrücken,
Mettlach, auf dem Hof Großwald, Kreis Saar-
brücken, und dem Freihauserhof bei Böck-
weiler sind solche zu finden. Auch Gledit-
schien, Tulpenbaum (Liriodendrum), Gingko,
Sumpfzypresse, Hickorynuß u. a. sind in un-
seren Anlagen anzutreffen.
Pflanzengeographisch ist zu beachten, daß
unsere Heimat im Ausstrahlungsgebiet der
mediterranen, sowie der atlantischen Floren-
provinz liegt. Vertreter südlicher Herkunft
treffen wir vor allem auf den im Sommer sich
stark erwärmenden Böden der bebuschten,
waldfreien, grasigen und trockenen Muschel-
kalktriften mit ihrem Orchideenreichtum an.
Von den atlantischen Arten seien nur zwei
Der Felsenweg im Stiftswald bei St. Arnual
Charakterpflanzen unserer Ge-
gend genannt, der Besenstrauch
und der rote Fingerhut, die oft
so massenhaft auftreten, daß
sie zur Blütezeit das ganze
Florenbild beherrschen. Die
vielen Seltenheiten aus der
Flora können hier nicht ange-
geben werden.
Berühmte Felsklötze sind im
Buntsandstein der Stiefel bei
St. Ingbert, ein beliebtes Wan-
derziel der Saarbrücker, der
Pilzfelsen im Leukbachtal, der
sogenannten Collesleuker-
Schweiz, einem richtigen Fel-
sental, der Felsenweg und der
Römerkopf mit der Teufels-
kanzel im Stiftswald bei Saar-
brücken - St. Arnual. Andere
geologische Naturdenkmäler
aus der gleichen Formation
sind die Schlangenhöhle bei
Schwarzenacker und die Schloßberghöhlen bei
Homburg.
Im Muschelkalkgebiet des Niedtales ist es
die sehenswerte Tropfsteinhöhle und der
Sudelfelsen bei Niedaltdorf.
Zwar greifen zuweilen auch frühgeschicht-
liche Kulturdenkmäler oder sonstige von
Menschenhand geschaffene Veränderungen mit
119
Die Heidenkapelle am Haiberg bei Brebach
ursprünglichen geologischen Formen ineinander
und bilden somit Natur- und Kulturdenkmäler
von hoher wissenschaftlicher Bedeutung, wie
z. B, die Heidenkapelle am Fuße des Haiberges
bei Brebach, das Kanapee und die Jungfern-
treppe im Kaasbruch bei Neunkirchen, die
Zimmermannskanzel bei Hangard im Ostertal
oder der Brennende Berg bei Dudweiler-Sulz-
bach u. a. m. Doch es würde zu weit führen,
all diese Sehenswürdigkeiten hier aufzuzählen.
Ich nenne deshalb nur noch einige bekannte,
wie die Steinrausche bei Dirmingen, den Iltis-
felsen im Hölzbachtal der Gemeinde Weis-
kirchen, die drei Topel im Blauloch bei Vaudre-
vange, den Quarzitfelsen — Grauer Stein —
auf dem Litermont, die Holler-
löcher bei Kirkel, damit soll es
diesmal genug sein.
Mit diesen Einzelobjekten
sind auch meistens die Land-
schaftsteile, in denen sie sich
in auffälliger Weise dem Na-
turfreund zeigen, mehr oder
weniger geschützt. So erstreckt
sich z. B. der Landschaftsschutz
im allgemeinen über das ge-
samte Massiv des Schaumber-
ges, des Weiselberges mit sei-
nem interessanten ,,Steinernen
Meer", des Litermonts, auf die
Namborner Schlucht, auf den
Schloßberg bei Hofeld, auf den
Kirkeler Berg mit Burgruine,
auf das Kirkeler Tal, auf das
gesamte untere Bliestal, Bicken-
albtal, Grumbachtal, Ruhbach-
tal bei Sulzbach, auf Partien
bei Gräfintal, auf das Ober-
thaler Bruch usw.
Auch schöne bemerkenswerte
Quellen sind teils aus Pietäts-,
teils aus wissenschaftlichen
Gründen gesichert. Ich erwähne
nur die Silberquelle — das so-
genannte Donnerloch — wegen
seiner sagenhaften Entstehung,
den Erlenbrunnen bei Neunkir-
chen, die Odilienquelle — ein
früherer Wallfahrtsort am Kirch-
heimerhof im Bliestal ein-
schließlich der stattlichen Baum-
gruppen von Maßholder und
Roßkastanien, dann die Felsen-
quelle des Frauenbrunnens bei
Kirkel mit schöner Umgebung,
den Salzbrunnen bei der Bietze-
ner Brücke im Saartal, den
Wasserfall mit Felsblock am
Eulenbach bei Besseringen usw.
Eine ganze Anzahl herrlicher
Weiher zieren ebenfalls unsere
Heimat. Der Deutschmühlen-
weiher, der Würzbacher Weiher, der Furpacher
Weiher bei Neunkirchen sollen nur genannt
werden. An der Spitze aller geschützten Land-
schaftsteile stehen aber die wissenschaftlich
wertvollen Naturschutzgebiete, in denen jeg-
liche Veränderung der Natur ausgeschlossen
ist. Im Saartal ist es der Heiligenkopf und Teile
des Berges nahe der Siersburg im Saar-Nied-
winkel, die trockenen Triften des Nackberges
bei Merzig, ein bestimmter Ausschnitt der Süd-
hänge des Beckinger Berges und der eigen-
artige Steingeröllhang, der Urwald von Taben.
Nahe bei Saarbrücken, im Kalkgebiet bei
Fechingen, wurden vor Jahren der Wuster-
Pappeln auf der Biesinger Höhe vor Blieskastel
120
hang und Teile des Birnberges zu Naturschutz-
gebieten erklärt. Schließlich haben wir noch
bei Homburg ein Waldareal, das Jägersburger
Moor und bei Hofeld im Kreise St. Wendel den
Schloßberg, ein Mesodiabas im Eruptivgestein
des Hunsrückvorlandes, ein Schutzgebiet von
geologischer, botanischer und faunistischer Be-
deutung. Mit dieser Auswahl der Landschafts-
schönheiten und Naturschutzgemete ln unserem
Saarland soll es genügen.
Die Heimat in ihrer Eigenart und Schönheit
zu schützen und zu pflegen, ist das Wesen des
Naturschutzes. Uns Saarländern liegt die Liebe
zur Natur, und wir dürfen hoffen, daß man für
die Erhaltung und Pflege der schönen Heimat-
natur eintritt.
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I. Von Merzig nach Nennig
Die äußerste Nordwestecke des Saarlandes
ist von Saarbrücken aus wie folgt zu erreichen.
Es ist zweckmäßig, die Eisenbahn bis Merzig
zu benutzen und in den Autobus umzusteigen,
der zwischen Merzig und Perl hin- und herfährt.
Wir wollen das tun und sehen, was wir an
besonders markanten Punkten unterwegs finden
werden, übrigens ist es eine Fahrt, die auch
den Schönheitssucher befriedigen kann, ja, ihn
entzücken muß, denn die Landschaft ist über-
aus reizvoll. Dem Blick öffnen sich manche still-
verschwiegenen Waldtälchen, und freundliche
Dörfer mit ihren obstbaumbestandenen Fluren
werden passiert. Wenn der Wagen aber die
höchste Erhebung des Saargaues vor Sinz er-
klettert hat — wobei zu erwähnen ist, daß über
diese Höhe die römische Straße von Metz nach
Trier verlief —, eröffnet sich uns eine wahrhaft
überwältigende Sicht in das obere Moseltal bis
weit ins Luxemburger und Lothringer Land
hinein.
Der Wagen fährt über die Saarbrücke, und
wenn er das gegenüber von Merzig am andern
Saarufer gelegene Hilbringen, erreicht, fällt ein
stattlicher, hochragender Bau inmitten des
Dorfes auf, der mit seinem Portal, seinen
Fensterreihen und seinem steilen, abgewalmten
Dach die vornehme Herkunft nicht verleugnen
kann. Es ist das Hilbringer Schloß. Der es er-
bauen ließ (oder vielleicht besser gesagt, er-
baute, denn er soll mit eigenen Händen beim
Bau mitgeholfen haben), war ein Heinrich Josef,
Herr de Maurice. Sein Vater war als loth-
Fon Merzig nach Nennig
ringischer Rat und Amtmann auf der Siersburg
1708 durch den Herzog von Lothringen geadelt
worden, Keil (Geschichte des Kreises Merzig)
gibt 1745 als Jahr der Erbauung an. Das ist
nach der Überlieferung nicht richtig; das Schloß
soll in den Jahren 1760—64 erbaut worden sein.
Auf diese Zeit deutet auch eine in einem Wohn-
zimmer der ersten Etage am Kamin befindliche
Takenplatte hin, auf der das Urteil des Salo-
mon dargestellt ist und die die Inschrift trägt
,,de Maurice — de Humbert 1764". Heinrich
Josef war nämlich mit einer Angehörigen des
weitverzweigten und auch im Saarland festzu-
stellenden lothringischen Geschlechts de Hum-
bert verheiratet.
Die Familie emigrierte in der französischen
Revolution, erhielt aber später ihre Hilbringer
Besitzung wieder zurück. Ihre allmähliche Ver-
armung war freilich nicht aufzuhalten. Trotzdem
im Jahre 1830 Agidius v. Maurice in die preußi-
schen Adelsmatrikel eingetragen wurde, wozu
er den Antrag gestellt haben muß, war er nach
dem Kirchenbuch doch nur mehr „Ackerer".
Schon sein Sohn war nicht mehr imstande, das
Schloß zu halten und mußte es 1854 an den
Gerbereibesitzer Michel Altmeyer verkaufen.
Dessen Familie ist bis heute im Besitz des
Schlosses geblieben. Das äußere Bild des Baues
hat durch die Kriegseinwirkungen nicht viel
gelitten. Noch immer thront es in abweisendem
Stolz hoch über den Häusern des Dorfes.
Unser Wagen läßt sich Zeit. Dorf um Dorf
zieht an unseren Augen vorüber und dann
taucht Orscholz auf. Wir sind damit in der Nähe
eines der schönsten Landschaftsbilder unserer
Saarheimat angelangt. Wenn wir aussteigen
würden, könnten wir nach kurzem Spaziergang
r
123
die Cloef erreichen, jenen berühmten, oft und
oft abgebildeten Aussichtspunkt gegenüber der
Mettlacher Saarschleife und dem Burgberg von
Montclair. Aber auf diesen Genuß wollen wir
dieses Mal verzichten. Doch sollen noch ein
paar Worte über Orscholz selbst gesagt werden.
Der Name wird auch den Geologen aufhorchen
lassen. Er erinnert ihn an den Orscholzer Insel-
berg, eine erdgeschichtliche Merkwürdigkeit,
dessen rätselhafte Entstehung noch nicht voll
geklärt ist. Der Historiker bezeichnet diese
etwa 15 m hohe Felsmasse als Burgfelsen. Aber
auch er wird dabei nachdenklich
werden, denn auch ihm gibt der
Felsen Rätsel auf,
Als nämlich der Erzbischof Bal-
duin 1351 die Burg Montclair be-
lagerte, errichtete er nach seinem
schon in anderen Fehden erprobten
System vier sogenannte Belage-
rungsburgen, um den Widerstand
der starken Feste zu brechen. Wäh-
rend nun drei dieser Burgen nach
Einnahme von Montclair sofort
wieder aufgegeben wurden, war
der vierten, die man Saarstein
nannte, eine etwas längere Lebens-
dauer beschieden, denn sie hat
etwa hundert Jahre bestanden und
hatte die Aufgabe, die Saarschiff-
fahit zu schützen, bis sie nach dem
Wiederaufbau von Montclair ab-
gerissen wurde.
Wackenroder (Die Kunstdenk-
mäler des Kreises Saarburg) ver-
mutet nun, daß Saarstein auf dem durch Stein-
bruchbetrieb arg verwüsteten Burgfelsen von
Orscholz gelegen habe. Aber dort hätte die
Burg ihre Aufgaben — Belagerungsburg für
Montclair und Schutzburg für die Saarschiff-
fahrt — nicht erfüllen können. Sie muß not-
wendigerweise gegenüber von Montclair, und
zwar dicht an der Saar gestanden haben. Und
tatsächlich gibt v. Briesen in seiner Geschichte
des Kreises Merzig an, sie habe ,,der Spitze des
Montclairer Burgberges nördlich gegenüber, auf
dem linken Saarufer" gestanden. Man hat sie
daher an der Stelle der Cloef suchen wollen.
Der Arzt und Burgenfreund Hewer aber hat
schon vor hundert Jahren geglaubt, eine Spur
gefunden zu haben, denn er fand ,,in großem
Umfange ganz überschüttete und von Bäumen
überwachsene Mauerreste, die teils aus Sand-
steinquadern, teils aus Grauwacke bestehen
und sich gerade gegenüber von Montclair be-
finden, wo das Saartal sich am engsten zu-
sammenzieht, auf der Höhe eines rundlichen,
vorspringenden Bergabhangs, ganz in der Nähe
unterhalb des sogenannten Stickplatzes und nur
wenige Minuten entfernt von der Cloef".
Den Namen Saarstein trägt übrigens auch
noch ein zu Dreisbach gehöriger Wohnplatz.
Welche Burg war es nun, die Wackenroder
auf dem Burgfelsen in Orscholz gefunden hatte?
Von ihr ist nicht der geringste urkundliche
Nachweis vorhanden. Nur die Gesta Trevi-
rorum berichten, Erzbischof Ratbod (883-—915)
habe die Burg Orkesvels von Kaiser Ludwig
erhalten. Und außerdem erscheint im Jahre 1167
ein Arnoldus de Orkesvels aus einem Ge-
schlecht, von dem dann keine Spur mehr zu
finden ist. Der genannte Arnold muß not-
wendigerweise in diesem Orscholz (Orkesvels),
von dem er seinen Namen trug, seinen Sitz
gehabt haben. Die Erinnerung an seine Burg
hat sich in den Flurnamen „an, bei oder auf der
Burg", der Burgstraße im Ort und dem Ortsteil
„Burgecken" erhalten. Der Burgfelsen selbst ist
heute ohne jede Spur einer Burganlage. Nach
Wackenroder sind die „Reste der Ruine, ein
Mauerwerk aus Grauwacke, auf der Ostseite
des Felsens in der Ebene zu Gartenmauern und
als Pflaster verwertet worden". Es ist jedoch
abwegig, den dort 1926 gefundenen Kopf einer
Pilasterfigur (Pilaster = flacher Wandpfeiler),
eines Türken, der dem 16. oder 17. Jahrhundert
zugesprochen wird, mit der Burg in Zusammen-
hang zu bringen. Im 16. Jahrhundert kann die
nie urkundlich erwähnte Burg nicht mehr be-
standen haben, sondern war sicherlich schon
seit Hunderten von Jahren nur mehr eine
Ruine. Es ist daher auch abzulehnen, wenn
Wackenroder vermutet, bei der Häusergruppe
„Burgecken" habe es sich um Gesindehäuser
der Burg gehandelt. Diese war sicherlich in der
kurzen Zeit ihres Bestehens nur eine ganz ein-
fache Befestigungsanlage von geringem LImfang.
Leider liegt das schöne Leukbachtal außer-
halb des Saarlandes. Der Wagen quert es nur
in seinem oberen flachen Teil bei Oberleuken.
124
Dann kommt eine Steigung, und bevor wir
Sinz erreichen, haben wir die schon genannte,
wahrhaft paradiesische Fernsicht nach Westen
in die gesegneten Gefilde des Moseltales. Unser
Ziel Nennig können wir freilich von hier oben
noch nicht sehen. Dieses Dorf mit seinen Er-
innerungen an die Römer- und Ritterzeit er-
blicken wir erst, wenn wir uns ihm auf der Mett-
lacher Straße nähern. Wenn wir den Fahrer
bitten, hält er kurz und läßt uns aussteigen,
denn rechts der Straße liegt hinter einer
Mauer Schloß Bübingen, Leider muß ich, mich
selbst berichtigend, sagen: liegen die Ruinen
des Schlosses Bübingen.
Da ist zunächst der Name. Er sagt uns, daß
an der Stelle oder in der Nähe des Schlosses
ein Dorf mit Namen Bübingen gelegen hat,
nach dem es benannt worden ist. Dieses Dorf
aber wird zum ersten Male um das Jahr 930
als Bubiacum genannt und weist in dieser
Namensform auf einen keltischen Personen-
namen Bubios hin, den Mann, der offenbar der
Gründer des Dorfes war.
An der Stelle dieses Dorfes oder, falls es
noch bestanden hat, in seiner Nähe wurde um
1340 eine Wasserburg erbaut. Man nimmt an,
daß der Schöffe Gobel v. Remich aus dem am
andern Moselufer inmitten seiner Weinberge
gelegenen luxemburgischen Städtchen der Er-
bauer war. Seine Familie, die den Namen
v. Bübingen annahm, konnte sich bis in die
zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts im Besitz
der Burg halten, die dann aber an eine ganze
Reihe von ritterbürtigen Geschlechtern kam.
Im Jahre 1668 wurde sie von den Truppen des
Marschalls de Crequi geschleift. Der Neubau,
der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
von der Familie v. Maringh aufgeführt wurde,
hatte keinen Wehrcharakter mehr, war also ein
Schloß. Von der mittelalterlichen Burganlage
blieben nur ein Turm, der allerdings um ein
weiteres Geschoß erhöht wurde, und ein Teil
des Erdgeschosses erhalten. Auch der alte Wall,
der die Burg außerhalb des Wassergrabens um-
gab, ist noch heute sichtbar. Die Familie
v. Maringh blieb bis in die Neuzeit Eigentümer
dieses Schlosses, das erst in unserem Jahr-
hundert in Staatsbesitz überging. In den
dreißiger Jahren wurde der Bau modernisiert
und zu einem Lehrerinnenseminar eingerichtet.
Dann raste die Kriegsfurie durch die Lande und
schlug dem Bau tiefe Wunden. Das Dach stürzte
ein und auch die Außenmauern erhielten
Granattreffer. Wenn wir den Bau betreten —
Fenster und Türen fehlen —, so können wir
zwar noch über die Trümmer bis in das erste
Stockwerk Vordringen, aber es ist nichts mehr
zu finden als Schutt und Moder. Im Erdgeschoß
verrostet in der Küche der große moderne
Kochherd, man erkennt noch die Reste von
Kaminen, und aus dem Schutt lesen wir Reste
von Schulbüchern und Schreibheften auf. Die
letzten Aufsätze stammen aus dem Frühjahr
1944 ... Es ist alles so, als wenn die Zerstö-
rung erst einige Monate zurückliegen würde,
aber nicht schon fünf Jahre.
Nicht viel mehr als eine Viertelstunde am
Bahnhof vorbei und durch den Ortsteil Wies
haben wir zu gehen, um Schloß Berg zu er-
reichen. Aber schon unterwegs sehen wir, daß
das Schicksal ihm nicht gnädiger gesinnt war
als Schloß Bübingen.
Eigentlich handelt es sich um zwei Burgen,
die heute noch deutlich als Ober- und Unter-
burg zu unterscheiden sind. Aber sie heißen
und hießen zusammengefaßt Berg. Das Ge-
schlecht, das sich nach der Burg benannte, war
ursprünglich ein freies Herrengeschlecht. Es hat
wohl schon vor 1200 die erste Burganlage hier
errichtet, hat sie auch einige Jahrhunderte lang
besessen, bis sie dann in die Hände mehrerer
Geschlechter geriet.
Die nach der Burg benannte Herrschaft, aus
Nennig, Wies und Wochern bestehend, war
gemeinschaftlicher Besitz von Luxemburg und
Lothringen, bis 1769 die landesherrlichen Rechte
an Frankreich fielen. Die Burg selbst mit vielen
Wald- und Feldparzellen wurde um 1880 von
der auf Schloß Bübingen ansässigen Familie
v. Maringh erworben. Doch wurden nach und
nach fast alle Grundstücke durch Verkäufe ab-
gestoßen, bis die letzte Erbin des Geschlechts
125
im Jahre 1910 die Burggebäude mit dem Hof
und einem Morgen Gartenland für 7000 Mark
verkaufte. Und dann kam 1939 der Krieg und
legte Ober- und Unterburg in Trümmer. In den
Wirtschaftsgebäuden wohnen einige Familien,
die Landwirtschaft betreiben, die Burggebäude
selbst sind unbewohnbar geworden. Mit leeren
Fensterhöhlen und geborstenen Mauern steigen
sie vor uns auf, und wir finden nur geringen
Trost, wenn wir feststellen, daß der schöne
Brunnen im Hof und die Renaissanceportale
noch erhalten geblieben sind.
Gehen wir weiter in Richtung Nennig. Wir
werden hier als Schlußpunkt unserer Wande-
rung gleichzeitig ihren Höhepunkt kennen-
lernen, die Überreste des römischen Nennig,
den berühmten Mosaikboden. Er hat den Krieg
besser überstanden als Berg und Bübingen, und
einige durch Feuchtigkeit entstandene Schäden
sind beseitigt.
Hier lag in den ersten nachchristlichen Jahr-
hunderten mit langen Säulenreihen eine rö-
mische Prachtvilla, ein Schloss, würden wir
heute sagen. Es muß ein reicher römischer
Großgrundbesitzer gewesen sein, der sich hier
seinen luxuriösen Landsitz schuf, denn dieser
stand an Pracht und Ausdehnung dem Palast
des römischen Kaisers Valentinian bei Konz an
der Mündung der Saar in die Mosel in keiner
Weise nach. Der Festsaal der Prachtvilla hatte
einen aus Ornamenten und Bildern geschmückten
Mosaikfußboden, der durch Zufall im Jahre
1852 unter der Erdoberfläche gefunden wurde.
In den folgenden Jahrzehnten hat man dann
die Mauern der Villa zum größten Teil aus-
gegraben. Uber dem Mosaikfußboden errichtete
man ein Schutzhaus. Das war durchaus gerecht-
fertigt, denn der Mosaikfußboden gehört zu
den wertvollsten und schönsten Resten aus der
Römerzeit auf nord- und mitteleuropäischem
Boden, und ganz bestimmt ist in ganz Deutsch-
land kein Mosaik zu finden, das ihm gleich-
kommt.
Wir betreten das Schutzhaus und können von
der Galerie aus den Boden in seinen frischen
Farben mühelos bewundern. In
seiner ganzen Ausdehnung von
10 zu 16 Metern liegt er unter uns.
Das Muster besteht aus sechs
großen achteckigen Sternen, zwi-
schen denen außer dem Platz, auf
dem sich ein Springbrunnen erhob,
acht Bilder verteilt sind. Diese
Bilder stellen Szenen aus Spielen
in der Arena eines Zirkus dar.
Da findet sich eine Orgel mit einem
Hornbläser, eine Bärenhetze, ein
Fechter nach seinem Sieg über
einen Panter, ein Zweikampf mit
Stock und Peitsche, ein unter den
Klauen einer Tigerin verblutender
Esel, ein Löwe mit Wärter und auf dem großen
Hauptbild zwei Fechter im Netzkampf mit einem
Aufseher. Und das alles von einer erstaunlichen
Frische und Lebendigkeit aus Tausenden von
verschiedenen Sternchen zusammengesetzt.
Danken wir dem Geschick, das uns diesen
seltenen Fund aus der Römerzeit durch alle
Fährnisse der Zeit hindurch erhalten hat.
II. Von Tholey nach Wadern
Diesmal benutzen wir die Eisenbahn für die
Anfahrt und wollen uns dann unseren Schuh-
sohlen anvertrauen. In Tholey verlassen wir
den Zug und bald geht es steil in die Höhe.
Und wenn wir oben etwas außer Atem ange-
langt sind, so stehen wir unmittelbar am Fuße
eines gewaltigen Turmes, von dessen Vorder-
seite überlebensgroß das Bild des Erlösers
hernieder blickt. In den 30er Jahren ist der
Turm als ernstes Mahnmal zum Gedächtnis der
Opfer des ersten Weltkrieges erbaut worden.
Die in den Fuß des Turmes zur besinnlichen
Einkehr eingebaute Kapelle ist leider seit dem
letzten Krieg verwüstet. Haben wir den Turm
erstiegen, so erschließt sich dem entzückten
Auge eine einzigartige und abwechslungsreiche
Rundsicht in das Saarland. Von den ernsten,
bewaldeten Höhen des Hochwaldes über die
Kuppen und Täler des Westrich bis hin zu den
rauchenden Schloten des Industriegebietes
schweift der Blick,
Tief unter uns liegt Tholey mit seiner ehe-
maligen Klosterkirche. Vor mehr als 1300
Jahren schufen Benediktiner hier ein Kloster,
das durch 11 Jahrhunderte hindurch kirchlicher
Mittelpunkt der Gegend war. Erhalten blieb die
Kirche mit mehreren Gebäuden des Kloster-
rings, der von oben deutlich zu erkennen ist.
Es war uralter Kulturboden, auf dem die
Mönche siedelten, lagen doch an der Stelle des
Dorfes Tholey und im Wareswald (amtlich'
„Varuswald") über dem Eisenbahntunnel zwei
römische Siedlungen. Hier war ein römischer
Verkehrsknotenpunkt, hier trafen sich von allen
Wadern
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Von Tholey nach Wadern
Tholey
126
Seiten Straßen, und man nimmt daher an, daß
sich zu ihrem Schutz auf dem Schaumberg ein
römisches Kastell befand. Durch Funde be-
wiesen ist allerdings diese Annahme bis heute
nicht. Kein Wunder, denn später wurde der
Berg bebaut, entstand zum Schutze des Klosters
eine mächtige Burg in einer Ausdehnung von
100 auf 150 Meter. Ursprünglich im Besitz des
Grafen von Blieskastel, kam sie über die
Luxemburger an Lothringen. Im Dreißigjährigen
Krieg ist die Burg
offenbar schon zer-
stört worden, doch
standen ihre statt-
liehen ’ Ruinen noch
bis ins vorige Jahr-
hundert, dann wur-
den sie als Baumate-
rialienmagazin ausge-
beutet und verschwan-
den sang- und klang-
los. Nur noch einige
Mauertrümmer und
-zinken sowie die
Wälle und Gräben
nach der Theleyer
Seite hin sind noch
erhalten.
übrigens hat man
schon 1914 mit dem
Bau eines Aussichts-
turmes, des Kaiser-
Wilhelm-Turmes, be-
gonnen, und als man
1928 die Kriegerge-
dächtniskapelle zu
bauen anfing, da
stand noch ein etwa
5 m hoher Stumpf die-
ses durch den Aus-
bruch des ersten Weltkrieges unterbrochenen
Bauwerkes. Und nicht zu vergessen — auf dem
Berge finden wir heute wieder eine Sommer-
wirtschaft und eine Wetterwarte.
Wir wollen in Richtung Westen weiter-
wandern, am Schaumberger Hof vorbei — Vor-
sicht vor den bissigen Hofhunden! — und
nehmen mit Interesse zur Kenntnis, daß dieser
Hof im Jahre 1723 von dem damaligen loth-
ringischen Amtmann Le Payen erbaut worden
ist. Sein Wappen mit Jahreszahl ist in die Haus-
wand eingelassen. Von hier ist es ein schönes
Wandern bis zu der idyllisch gelegenen Blasius-
kapelle auf dem gleichnamigen Berg, den wir,
da wir von oben kommen, gar nicht erst zu
ersteigen brauchen. Sie war jahrhundertelang
die Wallfahrtskapelle des Klosters Tholey, und
an Wallfahrtstagen war hier immer großer
Markt, Die drei bemerkenswerten Barockaltäre
der Kapelle sind leider vernachlässigt, über
dem Haupteingang befindet sich unter dem
Steinbild eines Abtes ein Chronostichon. Die
Inschrift lautet:
CoLLapsa per IgneM DenVo resLa VratVr
(„Die durch Feuer zusammengestürzte wird
wieder hergestellt’'). Die großen Buchstaben
zusammengezählt ergeben die Zahl 1716 als
Jahr der Wiederherstellung.
Von der Kapelle steigen wir steil den Berg
hinab zur Lachmühle, von wo wir in einigen
Minuten auf der Landstraße die Kreuzbuche
erreichen. Es ist eine
fast hundertjährige
Hainbuche, in Kreuz-
form geschnitten, die
von einer Familie aus
Bergweiler seit meh-
reren Generationen ge-
pflegt wird. Schräg
gegenüber sprudelt die
Ertzquelle, nach dem
Erbauer der Straße,
dem Kreisbaumeister
Ertz, genannt, über
dem Rohr ist eine
eiserne Tafel in die
Steinfassung einge-
lassen mit einem Vers
des verstorbenen Hei-
matforschers L. Blatter
aus Ottweiler.
Nach kurzer Rast
durchschreiten wir
schnellen Schrittes den
Doppelort Hasborn-
Dautweiler (hier lebte
der aus dem großen
Streik der neunziger
Jahre bekannte alte
Warken) und kommen
dann in über 500 m
Höhe durch die „Langheck , einen Wald, den
wir in einzig schöner Wanderung immer der
Grenze des „Saargebiets“ von 1920—1935 ent-
lang durchqueren. Die Grenzsteine „S“ und „D"
(Saargebiet und Deutschland), sind noch längs
des Waldweges erhalten.
Nur eine kleine weltverlorene Ansiedlung
„Altland“ berühren wir, wenn wir wieder ab-
wärts ins Tal der Prims niedersteigen. Aber
bevor wir in dieses Tal einbiegen, gehts noch
einmal bergauf. Steil steigt der Weg durch den
Wald an, bis die Höhe erreicht ist. Einige ver-
witterte Mauerzinken, zwei tiefe Abschnitts-
gräben und eine Kapelle fallen uns sofort ins
Auge, Und hier laßt uns noch einmal rasten, an
dem Platz, an dem einst die Schwarzenburg
stand und wo man die Berge um Wadern über-
blickt bis hin zu dem langgezogenen Kamm
des Err-Waldes, dessen südlichste Erhebung
— wir wollen sie Weiskircher Höhe nennen —
mit rund 695 m wahrscheinlich der höchste
Punkt des Saarlandes ist.
Kreuzbuche im Bergweiler Tal
127
Ertzbrunnen im Bergweiler Tal
Hier ist die Stelle, wo wir
kurz die Geschichte der Burgen
und Schlösser in und um
Wadern erzählen wollen. Die
älteste Burg hat wohl in Lock-
weiler gestanden, dem Dorf,
das vor uns liegt. Im Jahre
1314 versprachen nämlich die
Brüder Johann und Wilhelm
v. Schwarzenberg dem Erz-
bischof Balduin von Trier, das
von ihnen zu erbauende feste
Haus zu Lockweiler zwischen
den von einem älteren Bau noch
vorhandenen Gräben in der Art
aufzuführen, daß das Haus zwei
Stockwerke und einen Keller
haben, zwei Wände von Stein,
die beiden anderen aber von
Holz erbaut, das Haus auf
ewige Zeiten dem Erzstift Trier
geöffnet und die Gräben niemals vertieft oder
verbreitert werden sollten.
Es haben also die beiden Ritter v. Schwarzen-
berg an der Stelle einer älteren, sonst nicht
genannten Burg einen bescheidenen Wehrbau
aufgeführt. Aber von wegen „ewige Zeit"! Um
diese Zeit begann bereits der Verfall des Ge-
schlechtes und ihr Bau in Lockweiler war 1467
schon verfallen. Ich weiß nicht, ob noch der
eine oder andere die Stelle kennt, wo sie ge-
standen haben könnte. Überlieferungen aus
Urvätertagen können oft erstaunlich lang leben-
dig bleiben.
Etwas länger hat die Herrlichkeit der Schwar-
zenburg gedauert, an deren Platz wir uns be-
finden. Es war die Stammburg des Edelherren-
geschlechts v. Schwarzenberg, eines wehrhaften
und fehdelustigen Geschlechtes, das mit den
Herren v. Hagen auf Motten bei Lebach stamm-
verwandt war. Als Besitz dieses Geschlechtes
wird die gleichnamige Burg schon im Jahre 1197
genannt. Bereits im Jahre 1263 wird sie in einer
Fehde von dem Erzbischof von Trier belagert
und erobert, dann aber wieder zurückgegeben.
Und — erstaunlich! — im nächsten Jahre teilen
die Ritter v. Schwarzenberg einen bei der Burg
liegenden Weinberg. Der lag am Südhang des
Burgberges, zog sich also in das dort liegende
idyllische Waldtälchen mit seinem Fischweiher
hinab. Heute ist natürlich in der ganzen Gegend
keine Spur mehr von einem Weinbau erhalten,
selbst jede Erinnerung daran ist längst erloschen.
Dreißig Jahre später erging es der Burg
nicht mehr so gut, als der Erzbischof von Trier
und der Herzog von Lothringen erneut mit
starker Macht und Kriegsmaschinen heran-
rückten und sie belagerten, Nach fünfwöchiger
Belagerung wurde die Burg erstürmt und dann
von Grund aus zerstört. Wenn zwei mächtige
Fürsten sich vereinigen mußten, um die Burg
zu bezwingen, dann kann sie nicht ganz unbe-
deutend gewesen sein. Und tatsächlich werden
in dem Teilungsvertrag von 1263 außer dem
Turm und Pallas noch mehrere Gebäude und
neun Burgmannensitze erwähnt. Wenn wir uns
den durch zwei Abschnittsgräben deutlich um-
grenzten Bezirk der Burg ansehen — mit wenigen
Schritten können wir ihn durchmessen, denn er
mißt nur 15 auf 30 Meter — so muß uns das
erstaunlich Vorkommen, selbst wenn wir be-
denken, daß Burgmannensitze meistens nur
kleine bescheidene Häuschen waren oder gar
nur einige Stuben in der Burg umfaßten.
Nach ihrer Zerstörung ist die Burg bald wie-
der von den Brüdern v. Schwarzenberg aufge-
baut worden, allerdings nicht mehr als ihr
freies Eigentum, sondern als Lehen des Erz-
stiftes Trier. Einige Jahrzehnte später ver-
zichtete das verarmte Geschlecht zugunsten des
Erzbischofs ganz auf die Burg. Sie war noch
1600 bewohnt, ist aber dann verfallen und nicht
wieder hergestellt worden.
Auf den spärlichen Ruinen der Burg wurde
im Jahre 1837 von den Freiherren Lasalle
v. Louisenthal die Johnskapelle erbaut. Vor
einigen Jahren war sie noch in einigermaßen
repräsentablem Zustand, wenn auch ungepflegt.
Im Jahre 1945 ist sie dann im Innern mutwillig
zerstört worden. Das Dach blieb zwar erhalten,
das von der 1890 gestorbenen Freifrau Oktavie
Marie Elisabeth Lasalle v. Louisenthal gemalte
reizende Deckengemälde ist aber zum Teil zer-
stört, zum Teil in hoffnungslosem Zustand. Von
dem noch erkennbaren Teil wurde im vorigen
Jahr von einem aus der Gegend stammenden
Maler eine Kopie angefertigt. Der steinerne
Untersatz des Altars blieb damals erhalten. Er
zeigt das Wappen der Freiherren Lasalle
v. Louisenthal und die Inschrift: „D'apres le
voeu du pieu et loyal J. de Lasalle de Louisen-
128
Geschlechter (an Stelle der
v, Pittingen später deren Er-
ben, die Herren v. Criechingen,
an Stelle der v. Brucken die
Herren v. Fiersheim) besaßen
nun die Burg als Gemeinherren
(Ganerben), und seit dieser Zeit
war die Burg eingeteilt in vier
„Küchen", wie man die Anteile
hier nannte. Im 16. und 17.
Jahrhundert ist viel an der
Burg gebaut worden, die eine
sehr bedeutende Feste gewesen
sein muß.
Schloss Dagstuhl
Alter Bau der Grafen non Oettingen-Katzenstein-Baldern
thal, Lieut. de Cuirassiers au Service de
Baviere ne en Amerique, Ile St. Lucie en 1804,
mort ä Dagstuhl le IX. Octobre 1836". (Nach
dem Willen des frommen und ehrenhaften J. v.
Lasalle v. Louisenthal, bayer. Kürassierleutnant,
geboren im Jahre 1804 auf der Insel Santa
Luzia, gestorben in Dagstuhl am 9. Oktober 1836).
Heute liegt auch dieser Stein, von Bubenhand
umgestürzt, im Schutt, der den Boden der Ka-
pelle bedeckt.
Wir wollen weiter wandern nach Dagstuhl,
und zwar zunächst nach der Ruine der Burg
Dagstuhl, die zwar hoch auf dachsteiler Höhe
liegt, aber infolge der hohen Bäume erst sicht-
bar wird, wenn wir unmittelbar vor ihr stehen.
Die Burg ist von dem Ritter Boemund aus dem
Geschlecht der Edelherren von Saarbrücken im
Jahre 1290 erbaut worden. Der Name mag auf
eine fränkische Thing- (Ge-
richts-) stätte zurückgehen, es
mag auch schon vorher hier
eine andere Burg gestanden
haben. Jedenfalls ist es weiter
nichts als ethymologische Spie-
lerei, wenn im 17. Jahrhundert
Kurfürst Philipp Christoph von
Soetern die Burg Sedes Dago-
bertina nannte, also annahm,
daß ein König Dagobert der
Erbauer gewesen sei.
Die Burg blieb im Besitz von
Boemunds Geschlecht bis zu
dessen Aussterben • Ende des
14. Jahrhunderts. Erben wurden
die vier Schwiegersöhne des
letzten Saarbrückers auf Dag-
stuhl, Heinrich v. Fleckenstein,
Arnold v. Pittingen, Johann
und Jakob v. Rollingen und
Johann v Brucken. Diese vier
Zwischen 1613 und 1625 wur-
den sämtliche Anteile der ge-
nannten Familien durch den
Kurfürsten Philipp Christoph
v. Soetern zur Bildung eines
Fideikommisses ( = unverkäuf-
liches Familiengut) für seine
Familie um den Preis von 70 500 Talern auf-
gekauft. Aus diesem Anlaß wurde auch die
Burg wieder ausgebaut, allerdings im Jahre
des Westfälischen Friedens 1648, der den
Dreißigjährigen Krieg beendete, infolge einer
Unvorsichtigkeit des Soeternschen Amtmannes
geplündert. Die Burg fiel im Erbgang an den
Grafen v. Öttingen-Katzenstein-Baidern. Im
Jahre 1733 wurde sie nach Ausbruch des Pol-
nischen Erbfolgekrieges von dem Kurfürsten
von Trier mit Zustimmung des Besitzers ge-
schleift, „um zu verhindern, daß sie von den
Franzosen besetzt werde". Seit dieser Zeit liegt
sie in Trümmern. Am meisten ist noch von dem
am Südende gelegenen Bergfried erhalten ge-
blieben, der allerdings auf der einen Seite
von unten bis oben aufgerissen ist. Sonst sind
nur noch die Zisterne und die Fundamente der
Schloss Dagstuhl
Bau der Freiherren Lasalle non Louisenthal und Schlosskapelle
9
129
Burggebäude erhalten. Wie allerdings eine Ab-
bildung um 1860 zeigt, stand damals von letz-
teren und auch von der Burgmauer noch be-
deutend mehr.
Als 1690 der letzte der Familie v. Soetern
starb, fiel — wie bereits angedeutet — die
Herrschaft Dagstuhl an seine mit einem Grafen
v. Öttingen-Katzenstein-Baldern verheiratete
Tochter Sidonia. Die Grafen residierten in Bal-
dern in Schwaben bis 1763. Dann wurde die
Hofhaltung nach Dagstuhl verlegt und am
Fuße des Burgberges ein Schloß erbaut. Das
Ehewappen des Erbauers und seiner Frau,
einer Prinzessin v. Schwarzburg-Sondershausen
befindet sich über dem Portal. Im Jahre 1807
wurde das Schloß von dem bayerischen Major
ä la suite Freiherr Lasalle v. Louisenthal mit
1500 Morgen Gelände erworben. Diese Familie,
die bis heute im Besitz des Schlosses geblieben
ist, hat als Verbindung zwischen Schloß und
Kapelle einen weiteren Bau aufgeführt und
hier ihr Wappen anbringen lassen. Der letzte
Krieg hat dem Schloß keinen Schaden zuge-
fügt. Unversehrt liegt es hinter seinen Anlagen
zur Seite der Straße.
Als 1763 die Hofhaltung nach Dagstuhl ver-
legt wurde, erbaute der Graf außer dem Schloß
Dagstuhl in Wadern ein Schlößchen und viele
ansehnliche Gebäude zur Unterbringung seines
Hofstaates, wodurch der armselige Ort, der zu
dieser Zeit nur aus etwa 17 bis 18 mit Stroh
gedeckten Häuschen bestanden haben soll, erst
zu seiner späteren Bedeutung für die Umgebung
kam. Nach der französischen Revolution er-
warb ein Gastwirt das Schloß, in dem später
das Amtsgericht untergebracht wurde.
Ich habe immer angenommen, das den oberen
Abschluß des Marktes bildende, freistehende
Gebäude aus dem 18. Jahrhundert sei das gräf-
liche Schloß gewesen. Und wer dieses Gebäude
in seiner stolzen Lage inmitten des Ortes
kannte, mußte, wenn er ortsfremd war, zu dem
gleichen Ergebnis kommen. In Wirklichkeit
handelte es sich um eine Hofbeamtenwohnung,
die von dem Kommandanten der Dagstuhler
Militärmacht (die übrigens zum Schluß nur aus
12 Mann bestand), einem Leutnant v. Valette,
gleichzeitig Hofkavalier und Stallmeister, er-
baut wurde. Dieses hübsch gelegene Gebäude
ist am 16. März 1945 durch Fliegerbomben und
am nächsten Tage durch Artillerietreffer so
stark beschädigt worden, daß 1947 die Vorder-
front einstürzte.
Das gräfliche Schloß selbst steht in beschei-
dener Lage und Gestalt in der auf den Markt-
platz stoßenden Straße und enthält auch noch
heute das Amtsgericht
Wir sind damit am Schluß unserer Wan-
derung angelangt. Sollte sie Ihnen Freude ge-
macht haben, so werden wir uns nächstens auf
den Spuren der Geschichte eine andere Ecke
unserer Heimat erwandern.
Rezepte und Ratschläge
für die Hausfrau
Von der Verwertung kalten Bratens
Vom gestrigen Festessen sind Ihnen einige
Bratenscheiben übrig geblieben. Es ist wirklich zu
schade, das ausgesucht zarte und saftige Fleisch
durch den Wolf zu geben.
Lassen Sie es deshalb in sei- ____
nem Zustande und bereichern \
Sie es mit einer Sauce, einem
Salat oder einer anderen Er-
gänzung, die seiner Qualität
entspricht und den nahrungs-
mäßigen Wert steigert:
Haben Sie wenig Zeit, so
umlegen Sie die schön geord-
neten Bratenscheiben mit klei-
nen, runden Essiggurken, Ra-
dieschen, abgekochten Selle-
rie- oder Möhrenscheiben.
Eine weitere köstliche Gar-
nierung bildet ein fester Kopf-
salat, folgendermaßen ange-
macht: 1 Messerspitze feines
Salz gibt man auf den Boden
einer Salatschüssel, dazu eine
Prise Pfeffer, 1 Eßlöffel Weinessig und 3 Löffel
Oel. Der so angemachte Salat bildet eine ausge-
zeichnete Vervollständigung.
Eilt es nicht so sehr, richten Sie für jede Person
einen Teller Pommes frites; mit dem kalten
Fleisch und dem Salat bilden die heißen, knus-
prigen Frites ein ausgezeichnetes Mahl.
Läßt sich nicht auch eine Mayonnaise dank
der vermehrten Oelzuteilung machen? Sie gelingt
nicht immer. Oft verursachen Kleinigkeiten wie
schlechte Konzentration, ein Ei zu wenig, zuviel
Essig oder ungenügendes Schlagen das Mißlingen
dieser delikaten Sauce. Folgen Sie deshalb genau
unseren Vorschriften: In eine kleine Salatschüssel
mit ausgerundetem Boden bringen Sie 1 oder 2 Ei-
gelb, von dem Sie zuvor den Keim entfernen,
fügen eine Prise feines Salz und Pfeffer sowie
einige Tropfen Weinessig hinzu. Diese Zutaten
werden mit dem Schneeschläger gut geschlagen
und dann wird zunächst tropfenweise, später
strichweise das nötige Oel (gewöhnlich 300 g aus
einer kleinen Flasche) dazugegeben. Dies hat lang-
sam unter stetem Schlagen zu geschehen. Am
besten ist es, wenn zwei Personen zugegen sind,
wovon die eine schlägt und die andere die
Schüssel hält. Metallene Schneeschläger sind hierzu
gut geeignet. Wird die Sauce zu dick, kann man
sie mit einigen wenigen Tropfen Essig verdünnen.
Der in der Sauce enthaltene Essig darI im ge-
samten jedoch nicht mehr als Vs Eßlöffel voll be-
tragen. Ist das Oel auf diese Weise der Sauce
einverleibt, kann man nach Bedarf noch etwas Salz
hinzufügen. Darauf gießt man die Mayonnaise in
die Sauciere oder gibt sie gleich über die Braten-
scheiben und umlegt dieselben mit einigen Salat-
blättern. Die Mayonnaise erhält einen pikanteren
Geschmack, wenn man an Stelle des Essigs Zitronen
verwendet.
130
VOM WANDERN
JÜ^CfoCUiVcfoctyCfo Ufo Sü&ctüfod
Von I. M a r g a i t, Saarbrücken
Im Frühjahr, wenn ein weicher Wind die
Schneewasser aufgetrocknet hat, wenn die
Kraft der Sonne zunimmt und die Knospen an
den Bäumen schwellen, dann hält es die Jugend
und alle die, die sich
ein junges Herz be-
wahrt haben, nicht
mehr hinter dem war-
men Ofen in den
engen Stuben. Der
Lockruf der Land-
straße packt sie un-
widerstehlich. Wan-
derlust erwacht in
ihren Herzen — und
eines Sonnabends,
wenn die Sonne hoch
und warm am Himmel
steht, schnallen sie
sich ihre Rucksäcke
um — — und „gehen
auf Fahrt".
Manche Menschen
vielleicht, die inner-
lich müde geworden
sind, oder die über-
sättigten, die nur ge-
wöhnt sind, die Land-
straße von ihrer Auto-
perspektive aus zu
sehen, mögen ver-
ständnislos den Kopf
schütteln, wenn sie
unsere Jugend mit
staubigen Schuhen und
und heißen, verbrann-
ten Gesichtern am Rande ihres Weges
vorbeiwandern sehen. Vielleicht werden sie
denken, daß es sinnlos sei, sich an den harten
Steinen der Straßen die Füße wund zu laufen
und daß sie auf all ihren Reisen immer nur
dasselbe gefunden hatten: Berg und Tal —
Wiese, Wald und Feld — und Wasser — und
den Himmel darüber, der an manchen Tagen
eine glühende Sonne trug, die auf die Schädel
dieser Wandervögel stach oder der sich grau
über die Landschaften spannte und die Kleider
der Wandernden mit kaltem Regen netzte.
Hörst du die Landstraße,
wie sie lockt und ruit,
schnür dein Bündel — komm!
Aber nur in deren Hirn keimen diese Ge-
danken auf, die bisher in ihrem Leben immer
an allen Schönheiten der Natur vorbeigegangen
oder -gefahren sind, ohne sie zu erkennen. Die
noch nie das weiße,
schmale Band der
Landstraße unter den
Füßen hatten, das sich
durch die Felder zieht,
auf denen in der Frühe
die grauen durchsich-
tigen Fahnen der Mor-
gennebel wehen und
am Mittag die Sonne
flimmernd steht, die
niemals auf tauigen
Pfaden in die Stille
der Felder und Wäl-
der eindrangen und
dem Morgengesang
der Vögel lauschten,
die die Zuflucht nach
heißem Marsch unter
schattigen Bäumen
nicht kennen und die
Wohltat des leichten
Windes, der unsere
Stirnen kühlt. Sie wis-
sen nicht, daß kein
Fleck der Erde dem
anderen gleicht, ja,
daß ein und dieselbe
Landschaft immer wie-
der ein anderes Ge-
sicht trägt, je nach
der Jahreszeit, der
Stunde und der Beleuchtung, daß sie — wie
das Menschenleben — in steter Entwicklung
ist, die — mag auch ein Tag dem andern
gleichen —■ sich im Ausdruck niemals wieder-
holt.
Aus diesem Grunde ist auch der berufstätige
oder der an die Schule gebundene Jugendliche
nicht betrübt darüber, daß er an seinem kurzen
Wochenende seine Fahrten meist auf die Hei-
mat beschränken muß, die eng begrenzt dem
eifrigen Wanderer nicht allzu viele Neuig-
keiten bieten kann. Dessen ungeachtet wird er
131
Jugendherberge Homburg-Sanddorf
Jugendherberge Dreisbach
immer wieder mit der gleichen
Wanderfreude durch die großen,
rauschenden Wälder des
Warndts laufen, und mit der
gleichen Ehrfurcht das stille
Bild der Saarschleife in sich
aufnehmen oder zwischen den
alten Bäumen des „Urwalds"
umherstreifen, jenes Natur-
schutzgebietes am Kaiserweg.
Mit der gleichen Aufnahmebe-
reitschaft wird er durch die
Vorläufer des Hunsrücks wan-
dern oder durch das idyllische
Ostertal. Sei es nun an der
Blies, an der Saar, an Prims
oder Nied — sei es an irgend
einem Fleckchen der Heimat,
der echte Wanderer wird bei
seinem aufnahmebereiten Her-
zen immer wieder etwas Neues
finden, und er wird überall
die Schönheit sehen und trotz
all seiner Fröhlichkeit im rech-
ten Augenblick schweigen ler-
nen vor der Größe und Stille
der Natur.
Unlängst bin ich auf den
Schaumberg gelaufen. Ich habe
schon viele Wanderungen auf
den Schaumberg gemacht —
aber ich werde nicht müde,
immer wieder hinzugehen. Erst
hebt sich der Berg als blasse
Kuppel vom lichtlosen Himmel
ab, der sich wie ein zarter,
grauer Schleier über die leicht-
gewellte Erde breitet. Gelb
blüht der Raps und an den
Hängen golden der Ginster,
als habe er die Sonne vom
Himmel eingefangen und strahle
sie kraftvoll zurück in das
lichtlose All. Die Umrisse des
Berges werden schärfer und
schon erblicke ich die ersten
Häuser von Tholey. Ich steige
den oft begangenen Weg em-
por, der durch Felder von der
Tholeyer Seite aus sich zum
Gipfel des Berges hinanwindet.
Es zieht ein Gewitter auf. Ich
eile auf den Turm. Von Nor-
den her droht es dunkel heran.
Der Wald, die Felder und
nächsten Dörfer rücken ganz
dicht heran an den Berg, klar
und scharf gemeißelt in der
Form. Aber im Hintergrund
132
Blick vom Abhang des Schaumberges nach Theley
haben sich schwarze Wolkenbänke geöffnet und
verwischen mit undurchdringlichem Grau die
Sicht. Nur auf der Südseite hält sich noch das
Licht. Ein eigenes, undurchdringliches Hell. Es
rückt die Landschaft ab, senkt sie tief hinab in
einen zwielichtigen Schacht und umgibt sie mit
einem ganz unwirklichen Schein. Das flächen-
hafte Gewürfel der Felder und Wiesen, die
körperlosen dunklen Streifen ferner Wälder,
die Punkte der Häuser und Dörfer — dies alles
ist viel mehr eine Landkarte größeren Maß-
stabs als eine wirkliche Landschaft. Der
schmale, lange Rücken des Schaumbergs —
man sieht ihn von hier oben aus endlich in
seiner richtigen Form — bildet die Lichtscheide.
Auf der anderen Seite, dicht an der Grenze,
die die Natur sich gezogen, liegt eine vier-
eckige Waldwiese. Immer schon lag sie da —
und man sah meist über sie hinweg, denn die
Ferne zog den Blick stärker an. Aber heute
in dieser eigenartigen Stimmung ist sie von
einem derart sonderbaren, glanzenden, samte-
nen Grün, daß man das Auge nicht von ihr
wenden möchte. In diesem Augenblick wird
mir so recht bewußt, wieviele Gesichter die
Natur in sich birgt und wieviel verschiedene
sie uns weist, wenn wir sie nur wahrzunehmen
vermögen.
Vor dem drohenden Unwetter bin ich in die
Jugendherberge von Tholey geflüchtet. Die
beiden großen Tagesräume sind noch leer. In
gerader Reihe stehen die Schemel vor den
Tischen. Der Herbergsvater weist mir den
Schlafraum zu, Ich habe die Wahl, mir mein
Bett auszusuchen — dort dicht am Fenster —
das obere. Es ist schön hier, einfach und
schlicht wie in allen Jugendherbergen — aber
ich habe auch schon in solchen genächtigt, die
mehr Unterschlupf als Herberge waren — ohne
Tagesraum — ohne Küche und ohne Wasser,
es sei denn der kleine Brunnen, der in der
Nähe rauschte. Hier in Tholey ist es komfor-
tabler. Neben jedem Schlafraum liegt ein heller
Waschraum und im Keller gibt es ausreichende
Duschgelegenheit. Nachdem ich mich frisch
gemacht habe, finde ich auch Gesellschaft —
nicht die Gesellschaft von Kameraden. Es ist
noch zu früh dazu — auch geht ein leiser
Regen nieder, Sie werden sich irgendwo unter-
gestellt haben und erst gegen Abend an-
kommen. Aber hier in der kleinen geschmack-
voll eingerichteten Leseecke habe ich Bücher
gefunden — Bücher von guten deutschen und
französischen Schriftstellern, die, wie der Her-
bergsvater mir erzählt, vom Haut-Commissariat
gestiftet wurden und deren Anzahl durch lau-
fende monatliche Zuteilungen immer noch er-
weitert wird. Ich greife eine Reisebeschreibung
heraus und sehe fremde Landschaften vor mir
auftauchen — fremde Menschen und fremde
Sitten.
Gegen Abend hat sich der Himmel wieder
aufgehellt. In der Herberge herrscht nun das
übliche Treiben. Jungen und Mädel laufen
in der Küche umher und bereiten sich
133
emsig ihr einfaches Abendbrot. Draußen in den
Tagesräumen werden Rucksäcke und „Affen"
ausgepackt. Bucklig geschnittene dicke Schei-
ben Brot werden bestrichen, Dosen mit Kar-
toffelsalat stehen herum — einige Emsige haben
sich eine Suppe gekocht und andere Tee —
die Tische sind belagert, es raschelt von Papier
— Eier werden aufgeschlagen — Würste ge-
schnitten — der eigene Geruch der Rucksäcke
und des Durcheinanders der Eßwaren erfüllen
den Raum. Nach einer Stunde etwa sind die
Tische wieder blank. Gemeinsam wurde auf-
geräumt. In einer Ecke sitzt eine Schar Jungen
und Mädel und singt zur Gitarre die alten,
ewig jungen Wanderlieder, während die frische
Abendluft durch die offenen Fenster strömt.
Der Wunsch, auch größere Wanderungen zu
unternehmen, bisher unbekannte Gegenden
kennenzulernen — etwas zu erleben, ist bei
unserer Jugend natürlich stark ausgeprägt.
Seine Erfüllung steht und fällt mit der Über-
nachtungsmöglichkeit. Von diesem — wie über-
haupt vom Gesichtspunkt der Jugendpflege aus
- - ist es sehr zu begrüßen, daß das saar-
ländische Jugendherbergswerk seine Arbeit
wieder aufgenommen hat und die Interessen
der Jugend in dieser Hinsicht vertritt. Im
Sommer 1947 fanden sich durch die Initiative
des Schweizer Zweiges des Internationalen
Zivildienstes saarländische Jugendliche in Lud-
weder zusammen, um die durch Kriegseinflüsse
zerstörte Jugendherberge wieder aufzubauen.
Das war der Auftakt zur Wiedererstehung des
Jugendherbergswerkes an der Saar. Dank der
Förderung der Jugendoffiziere bei der damaligen
französischen Militärregierung und des neuge-
schaffenen Jugendreferates bei der saarlän-
dischen Regierung wurde es möglich, die Jugend-
organisationen, Schulen und Sportvereine in
einem Verwaltungsausschuß zusammenzufassen,
der die vorhandenen Jugendherbergen, die als
NSDAP.-Vermögen unter Zwangsverwaltung
des Landesamtes Saar stehen, mietweise über-
nahm und sich gleichzeitig die statutenmäßige
Grundlage gab. Im April 1948 erfolgte die
Ein
Qualitätsbegriff
LEIMBACH & KLEIN b h:
Das führende Fachgeschäft
für 3-fei ren und 3\nabenbekleidung
Saarbrücken 3 * Rathausstrasse 3
Anerkennung durch die Regierung des Saar-
landes. Inzwischen konnten 12 Jugendherber-
gen wieder ihrer Bestimmung übergeben wer-
den, deren Anschriften wir nebenstehend*)
bekanntgeben.
Darüber hinaus hat sich das Jugendherbergs-
werk mit den verschiedenen JH-Bewegungen
in Frankreich, mit dem Hauptverband für
Jugendherbergen und Jugendwandern in den
deutschen Westzonen und mit dem Schweizeri-
schen Bund für Jugendherbergen in Verbin-
dung gesetzt und Verträge über die gegen-
seitige Anerkennung der JH-Ausweise und
über Maßnahmen zur Erleichterung des Jugend-
austausches abgeschlossen. Dadurch ist es ohne
weiteres möglich, die Jugendherbergen in die-
sen Ländern zu benützen.
Damit hat das saarländische Jugendherbergs-
werk den Anschluß an die entsprechenden
Jugendverbände aller Welt gefunden und dem
Wandern einen hohen Sinn gegeben, der weit
über das bloße Bewundern der Natur hinaus-
gehend, dahin strebt, die Kameradschaft der
durch gemeinsame Interessen und Ideale ver-
bundenen Wanderfreude auch auf die Jugend
anderer Nationen auszudehnen und dadurch
ihren Beitrag zu leisten zu der Verständigung
aller Völker untereinander.
* Bachem — Krs. Merzig, Bahnstation Bachem.
Blieskastel.
Dreisbach — Krs. Merzig (Nähe der Saar-
schleife), Bahnstation Besseringen — 4 km
entfernt — Herbergsvater: Heinr. Schwartz
Tel. Mettlach 71.
Homburg-Sanddorf — Krs. Homburg, Bah?i-
station Homburg — 3 km entfernt — Her-
bergsvater: Walter Jacobi — Tel. Hom-
burg 243.
Höchsten b. Steinbach — Omnibus bis Stein-
bach -— V2 Std. Fußweg — Herbergsvater:
Johann Haupenthal.
Illingen — Auf der Schmelz — Kleinjugend-
herberge, betreut durch den Bund der Kath.
Jugend, Jugendgruppe Illingen.
Kirkel — Krs. Homburg — Bahnstation Kir-
kel — Haus der Naturfreunde.
Ludweiler-Warndt — mit Straßenbahn bis
Ludweiler — Herbergsvater: Rudolf Penth.
Saarbrücken — Haus der Jugend, Lang-
gasse 10 — Tel. Saarbrücken 68 29.
Tholey — Krs. St. Wendel, Bahnstation im
Ort — Herbergsvater: Josef Peter — Tel.
Tholey 268.
Völklingen — Haus der Jugend, Villa Sonnen-
hügel, Püttlinger Str. — Tel. 038—29 46.
Weiskirchen — Krs. Merzig-Wadern, Bahn-
station Wadern — 6 km entfernt — Auto-
buslinie — Herbergsvater: Ernst Sauer.
134
Römer und Benediktiner
in der Bliesgegend
Ein Beitrag zur ältesten Baugeschichte des Saarlandes
Von D r. Josef Keller, Saarbrücken
An der Straße von Blieskastel nach Alt-
heim zwischen den Tälern der Blies im
Westen und der Bickenalp im Osten
liegt Böckweiler, ein kleines Bauerndorf,
auf einer ebenen Hochfläche am Nordosthange
des großen Kahlenbergs. Sein Boden ist frucht-
bar, die Gewässer silberklar. Mitten im Dorf
steht vor der Kirche der rauschende Linden-
brunnen und spendet in Überfülle sein quell-
frisches Wasser.
Sonst wäre nichts besonderes an dem Dorf,
das die meisten Saarländer noch nicht einmal
dem Namen nach kennen, wenn da nicht die
alte Dorfkirche wäre, die wegen ihrer Eigenart
wenigstens in interessierten Kreisen einiger-
maßen bekannt ist. Ein bescheidener Bau mit
einem kurzen Schiff, einem Ostturm mit dem
in der Bliesgegend so charakteristischen Sattel-
dach und drei Apsiden oder Konchen, die dem
Turm an der Nord-, Ost- und Südseite ange-
gliedert sind. Im Grundriß entsteht so für den
Turm mit seinen drei Anhängseln die Form
des Kleeblatts, Der Baustil Ist romanisch, und
es war von jeher ein Rätselraten um die Zeit-
stellung der einzelnen Bauteile, schon wegen
der unterschiedlichen Stilelemente, die an ihnen
vertreten sind.
Am Westgiebel ist ein romanischer Scheid-
bogen über Pfeilern zu sehen, dessen hohe und
weite Oeffnung durch eine später eingefügte
Wand ganz geschlossen ist (Abb. 1), Die Basis-
und Kämpferprofile dieser Pfeiler sind voll-
kommen anders gestaltet als die Profile an den
Pfeilern, auf denen der Turm ruht, ganz abge-
sehen von den merkwürdig dünnen Profilen am
Sockel und Dachgesims der Apsiden. Sie müssen
Abb. 1: Westseite der Kirche in Böckweiler
135
also zu verschiedenen Zeiten entstanden sein.
Innen ist das noch deutlicher zu sehen. Ob-
wohl das Schiff im 18. Jahrhundert durch vier
große Fenster und eine Empore, die ungefähr
bis zur Hälfte des Raumes vorragte, umgestaltet
war, konnte der Eindruck der schweren, roma-
nischen Verhältnisse nicht verwischt werden.
Insbesondere weil die vier Pfeiler des Turms
mit den über ihnen lastenden Bogen, das frühe
Kreuzrippengewölbe und die Apsiden durchaus
noch den originalen Zustand beibehalten haben
(Abb. 2). Es dürfte kaum möglich sein, den
sakralen Ernst eines so kleinen Raumes noch
eindringlicher zu gestalten, als es hier ge-
schehen ist. Aber dieser das Wesen der Kirche
so bestimmende Ostteil kann von Anfang an
nicht in der jetzigen Gestalt vorhanden ge-
wesen sein. Da wo das Schiff an die massigen
Pfeiler des Chorturms anstösst, stehen andere
leichteie Pfeiler, deren Kämpfer viel tiefer
sitzen als die der Turmpfeiler. Ihre Basen
stecken unter dem Fußboden der Kirche und
sind infolgedessen nicht zu sehen, lieber diesen
tieferen Kämpfern sind noch die Ansätze eines
Scheidbogens vorhanden, der in der Rekon-
struktion die gleiche Korbbogenlinie ergibt, wie
sie auch an dem großen Bogen der Westwand
(Abb. 1) erhalten ist. Der Aufriß läßt ohne
weiteres erkennen, daß der Korbbogen keine
Beziehung zu dem Bogensystem der Turm-
vierung hat. Die Kämpferprofile sind dieselben
wie an den bereits erwähnten Pfeilern der west-
lichen Giebelwand. — Das sind einige Tat-
sachen, aus denen zu folgern ist, daß das Schiff
älter sein muß als der Chorturm mit seinen
drei Konchen. Diese erste Feststellung ist für
die weitere Beurteilung des Baues wichtig; es
bleiben indes noch der Fragen viele, die be-
antwortet werden müssen.
In die scheinbar undurchdringliche Finsternis,
die das älteste Dasein des Dorfes verhüllt, hat
Kirchenrat Fritz Schunck mit dem scharfen
Lichtstrahl der Heimatforschung hineingeleuch-
tet. Sein Buch über Böckweiler, erschienen
1923, enthält alles, was über die Geschichte
seines Geburtsortes bis dahin bekannt war. Mit
hingebender Liebe zur Heimat hat er gesam-
melt, studiert, ausgegraben und das Material
verarbeitet. Der Gemeinde und sich selbst setzte
er in diesem Buch ein unschätzbares Denkmal.
Sein letzter Wunsch, in der heimatlichen Erde
ruhen zu dürfen, ist in Erfüllung gegangen.
Vor und nach ihm haben viele über Böck-
weiler geschrieben. Aber, wie es in der Ge-
schichtsforschung ist, er und sie haben auch
viel geirrt. Es ist wie bei der Entwicklung einer
Maschine. Das ältere Modell wird verbessert,
mehr und mehr durchkonstruiert. Einer baut
auf den Erkenntnissen des anderen auf, und
immer vollkommener wird das Werk. So muß
auch der Geschichtsforscher auf den Leistungen
seiner Vorgänger fußen und weiterbauen. Am
Ende ist er aber doch nicht fertig. Hat er
manche frühere Anschauung überholen und
verbessern können, so ist auch er vom mensch-
lichen Irrtum und Unvermögen nicht verschont
geblieben. Nach ihm kommen andere, die das
Werk weiterbauen werden.
Der Forschung kam nun ein merkwürdiger
Umstand zu Hilfe. Während des unseligen Krie-
ges wurde das Dorf Böckweiler schwer zer-
schossen. Man wollte großzügig wieder auf-
bauen und riß die Wohnhäuser rings um die
Kirche ab. Jetzt war der Augenblick gekommen,
mit einer umfassenden Ausgrabung anzusetzen.
Das Konservatoramt Saarbrücken führte in den
Jahren 1941 und 1942 die planmäßige Boden-
untersuchung durch. Das Ergebnis war über-
raschend; es wird in den folgenden Ausfüh-
rungen kurz erläutert. Zwar konnte die Gra-
bung wegen des Krieges nicht zu Ende geführt
werden, Eine weitere Kampagne nördlich der
Kirche ist noch durchzuführen. Auch auf dem
Gelände südlich der Kirche dürfte eine ergän-
zende Nachuntersuchung wertvolle Entdeckun-
gen bringen. Aber was bisher gefunden wurde,
drängt zur Veröffentlichung, wenn das Gesamt-
bild auch noch unvollständig ist.
Da ist zunächst der Ausgrabungsplan (Abb. 3).
Um ihn übersichtlicher zu machen, sind alle
neueren und unwesentlichen Bestandteile fort-
gelassen. Trotzdem sind, wie durch die Schraf-
fur verdeutlicht wird, vier verschiedene Perio-
den zu unterscheiden. Die weiß gelassenen
Mauern gehören der Römerzeit an. Die zweite
Periode ist durch eine schräge Schraffur be-
zeichnet. Sie ist karolingisch. Dann folgt die
romanische Kirche in ihrer ersten Konzeption.
Sie ist gekreuzt schraffiert. Und schließlich er-
scheint in Schwarz der heutige Zustand mit dem
spätromanischen Turm und den drei Konchen,
Die römerzeitlichen Bauten
Unter der Kirche und auf dem Vorplatz der-
selben, östlich und südlich zieht sich ein Sy-
stem von Mauern hin, das in seiner Ergänzung
ein großes Gebäude von 32 Metern Frontbreite
und 38 Metern Tiefe ergibt. Ein zweites, ebenso
großes Gebäude stand in einiger Entfernung
nördlich der Kirche. Es ist noch nicht vollstän-
dig ausgegraben und daher nicht in den Plan
eingetragen. Beide Gebäude waren mit einer
Hofmauer eingefriedigt. Ihre Zusammengehörig-
keit ist also erwiesen. Auch die vorzügliche
Mauertechnik schließt die beiden Gebäude sach-
lich und zeitlich zusammen, denn an beiden
bestehen die Mauern aus regelmäßigen Hand-
quadern aus Sandstein und Kalkstein. Die
Mauerfugen waren mit Weißkalk ausgefugt und
mit einem dünnen Strich in roter Farbe nach-
gezogen.
Der Grundriß des ersten Gebäudes kann nicht
als vollständig bezeichnet werden Durch die
136
Abb. 2 Inneres der Kirche in Böckweiler
Ansicht nach Nordosten
einem großen, rechteckigen Hof mit breiter Tor-
einfahrt und ringsum angeordneten Ställen und
Wagenremisen. Der Rückseite des Gehöfts sind
drei Wohnräume angehängt, von denen einer
unterkellert ist. Das ganze sieht aus wie ein
Chan des Orients, bestimmt für die Einkehr
der Reisenden und Kaufleute samt Pferden und
Wagen. Da unmittelbar an Böckweiler die alte
Römerstraße, später Dußer Straße, vorbei-
führt, ist es sehr naheliegend, dieses Gebäude
mit einer römischen mansio ; Poststation) in
Verbindung zu bringen.
Domäne — Quellheiligtum — Poststation?
Das Ergebnis nachfolgender Untersuchungen
bleibt abzuwarten. Von grundlegender Bedeu-
tung für die Geschichte des Dorfes ist jeden-
falls, daß hier auf dem Gelände, auf dem später
die Kirche erbaut wurde, eine große römerzeit-
liche Anlage von außergewöhnlichem Charak-
ter vorhanden war.
Die Bauten der Karolingerzeit
Auf dem Vorplatz östlich der Kirche liegen
die Fundamente einer Basilika. An deren Süd-
seite schließt sich ein rechteckiges Gebäude
an. Abbildung 4 zeigt die Anlage, wie sie aus
dem Ausgrabungsplan herausgezogen und im
Grundriß ergänzt ist. Die Kirche hat ein stark
vorgezogenes Hauptchor mit halbkreisförmigem
Schluß. Rechts und links befinden sich zwei
halbkreisförmige Nebenapsiden. Dem entspricht
Bautätigkeit der Jahrhunderte bis herauf in
unser Zeitalter sind viele der römischen Mauern
ausgebrochen und die Erdschichten so verwühlt
worden, daß auch einzelne Fundamentgräben
nicht mehr festzustellen waren. Immerhin ist
der Grundriß eigenartig genug. Er entspricht
nicht den Grundrissen römischer Villen, an die
man hier zuerst gedacht hätte. Auch konnte
an keinem der Räume eine Unterkellerung ge-
funden werden. Bedeutungsvoll scheint aber
das Vorhandensein eines Estrichs unmittelbar
südlich der Kirche und eines gemauerten
Wasserkanals, der unter dem Kirchturm durch-
läuft, zu sein. Aeltere Nachrichten bezeugen
auch ein Badebecken. — Bisher sind von Fach-
leuten zwei verschiedene Meinungen geäußert
worden. Die eine ist die, daß es sich um ein
Gebäude landwirtschaftlichen Charakters han-
dele. Eine römische Staatsdomäne im Hinter-
land der Metropole Trier wäre bei dem frucht-
baren Boden denkbar. Die andere knüpft an die
starke Quelle an, die in den Wiesen hinter der
Kirche entspringt und den Lindenbrunnen speist.
Nach ihr wäre das Gebäude als Quellheiligtum
zu erklären, in dem etwa die in römischer Zeit
hierzulande als Quellgottheiten vorkommenden
,,drei Matronen" verehrt worden wären.
Das zweite Gebäude hat, soweit jetzt schon
zu erkennen ist, einen klaren und vollständi-
geren Grundriß. Es besteht wahrscheinlich aus Abb. 3: Ausgrabungsplan Böckweiler
137
i MMtMla >a ss ä
.=====--^—--==3
Abb. 4: Grundriss des karolingischen Klosters
Böckweiler
die basilikale Anlage eines breiten Mittelschiffs
und zweier schmaler Seitenschiffe. Die west-
liche Giebelmauer war nicht mehr festzustellen.
Sie ist daher in der Ergänzung an die Stelle
gelegt, an der sie nach den Beobachtungen bei
der Ausgrabung gestanden haben muß. Daraus
ergibt sich, daß die Kirche verhältnismäßig
kurz war. Sie scheint aber in ihren Abmessun-
gen einer gewissen Gesetzmäßigkeit unter-
worfen gewesen zu sein. Es zeigt sich nämlich,
daß das Hauptchor aus einem quadratischen
Joch und der halbkreisförmigen Apsis besteht.
Dieses Quadrat des Chorjoches wiederholt sich
zweimal in der Länge des Schiffes, dessen Hoch-
wände auf Stützen standen, die man sich etwa
ais Säulen vorstellen kann. Von einer Säule
zur anderen schwangen sich die Bogen in
gleichmäßig rhythmi-
scher Bewegung nach
vorne. Uber dem Hoch-
altar rundete sich die
Gewölbekappe der Ap-
sis und die Tonne des
Chorjochs. Zwischen
Schiff und Chor war
der Triumphbogen ge-
spannt. Durch die hoch-
gelegenen Fenster des
flach gedeckten Mit-
telschiffs fiel feier-
liches Licht in den
ruhigen und strengen
Raum. So darf man
sich das Innere vor-
stellen. Wahrschein-
lich ist dieser knappe
Entwurf aber allzu
nüchtern, denn er be-
rücksichtigt noch nicht
die Möglichkeiten des monumentalen Schmucks
an Wandmalereien, der ornamentalen Plastik
an den Kapitellen und der übrigen Ausstattung.
Das rechteckige Gebäude an der Südseite der
Basilika ist als Kloster anzusprechen. Es be-
steht aus fünf Räumen, die etwa folgenden
Zwecken gedient haben können: ein Capitulum
(Versammlungsraum der Mönche), ein Dormi-
torium (Schlafraum), ein Refektorium (Speise-
raum) oder eine Sakristei und eine Küche. Die
Küche lag in dem Raum an der Südostecke des
Hauses, rhr Fußboden war mit einem Estrich
belegt, der den römischen Estrich aus gemah-
lenen Ziegeln mit Weißkalk haargenau nach-
ahmte. Von der Küche aus führte ein Wasser-
kanal unter dem langgestreckten Raum hin-
durch ins Freie. Die Mauern dieses Kloster-
gebäudes waren nicht so sorgfältig gebaut wie
die Mauern der Kirche. Bei der Kirche wurden
nur römische Handquadern verwendet, die ja
beim Abbruch der Ruine des römischen Ge-
bäudes in genügender Zahl anfielen.
Eine schematische Rekonstruktion des Klo-
sters mit der Kirche ist in Abbildung 5 darge-
stellt. Es ist ein Versuch, der lediglich dazu
dienen soll, das gedankliche Gebäude greif-
barer, vor dem Auge plastischer erscheinen zu
lassen. Angesichts dieses urtümlichen Baukom-
plexes erhebt sich die Frage nach seinem Alter.
Leicht ist ihre Beantwortung nicht, und es kann
hier auch nicht eine endgültige Datierung ge-
geben werden. Aus dem Grundriß allein zu
urteilen, ist etwas gewagt. Die Ansichten
schwanken zwischen merowingisch und karo-
lingisch. Das Grundrißschema karolingischer
Kirchen wird vorwiegend von der altchristlichen
Idee eines zwischen Langhaus und Chor einge-
fügten Querhauses bestimmt. Ohne Querhaus
ist allerdings die im Jahre 744 von Bonifatius
Abb. 5: Sehern. Rekonstruktion des karolingischen Klosters Böckweiler
138
und seinen Schülern erbaute ältere Kirche in
Fulda. Sie hat nur eine Apsis, die jedoch nicht
nach Osten lang vorgezogen ist wie in Böck-
weiler. Etwa 100 Jahre später wurde die Justi-
nuskirche in Höchst errichtet. Sie besitzt drei
Apsiden, folgt aber dem Schema mit Querhaus,
das sich in der Karolingerzeit in den mittel-
rheinischen Gegenden zu einem festen Typus
entwickelt hat. Es ist schwierig, unter den be-
kannten karolingischen Kirchen eine treffende
Parallele zu Böckweilerzu finden.
Die
romanische Kirche
Ihr Grundriß (Abb. 3)
war zum größten Teil be-
reits durch Schunck er-
mittelt und veröffentlicht
worden. Es war aber
nicht gelungen, die stili-
stischen Widersprüche
zwischen der kleeblatt-
förmigen Ostanlage und
dem anders gearteten
westlichen Teil zu klä-
ren. Die Auffassung nicht
nur Schuncks sondern
auch ernsthafter Kunst-
historiker und Architek-
ten ging dahin, dem Ost-
teil mit Turm und Kon-
chen ein höheres Alter
einzuräumen als dem
westlich anschließenden
Bauwerk.
Die Ausgrabung des
Konservatoramts hat die-
ses Rätsel gelöst. Zwi-
schen den Ecken des
rechteckigen Baukörpers
und den Konchen im Sü-
den und Norden des
Turms stehen leicht ge-
krümmte, schmale Mauerfläcben, gewissermaßen
als Bindeglied zwischen Rechteckbau und Kon-
chen. An der südlichen dieser beiden schmalen
Mauerflächen ist unten sogar noch der alte,
einfach abgeschrägte Sockel mit dem aufstei-
genden Rest einer Lisene zu sehen. Also konn-
ten diese schmalen Bindeglieder nichts anderes
sein als die Ansätze einer älteren Apsis. Und
wirklich wurde auch die starke Grundmauer
dieser Apsis im Inneren der Kirche unter der
Turmvierung gefunden und freigelegt.. Nach
diesem Befund war es möglich, die romanische
Kirche in ihrer ursprünglichen Gestalt zu re-
konstruieren.
Der Grundriß (Abb, 3) zeigt nun im Osten
eine halbkreisförmige Apsis. Auf diese folgt
nach Westen das einschiffige Chor der Mönche
(heute Kirchenschiff). Es ist von der Apsis
durch einen Triumphbogen geschieden. Ein
zweiter gleicher Bogen öffnet sich nach Westen
gegen das Schiff, in dem die Gemeinde
sich versammelte. Dieses besteht nach dem
Schema der Basilika aus einem überhöhten
Haupt- oder Mittelschiff und zwei schmalen,
niedrigen Seitenschiffen. Die Hochwände waren
von Pfeilern getragen, die alle dieselbe Basis
und dasselbe Kämpferprofil (Abb. 6) haben.
Diese Profile wiederholen sich an den Pfeiler-
vorlagen im Mönchschor, auf denen die großen
Scheidbögen ruhen. Chor
und Schiffe besaßen
eine flache Decke, wäh-
rend die Apsis eine ge-
wölbte Kappe trug. Die
Apsis war gegenüber dem
Chor um zwei Stufen er-
höht. Im übrigen hatten
Chor und Schiff die glei-
che Fußbodenhöhe.
Die im Grundriß (Abb. 3)
sichtbare Fortsetzung des
nördlichen Seitenschiffs
gehört nicht mehr zu die-
sem, sondern diente in
der ganzen Länge des
Chors als Sakristei, Nach
Schuncks Feststellung hat
von dieser Sakristei eine
Tür zum Chor geführt.
Außerhalb der Südwand
des Chors befindet sich
ebenfalls eine Mauer. Sie
ist in der Grundrißskizze
weiß gelassen, weil sie
nicht mehr zur Kirche
selbst gehört. Wahr-
scheinlich ist sie schon
Bestandteil eines sich
nach Süden anschließen-
den Klosterbaues, den wir
aber noch nicht kennen.
Die Vermutung, daß hier
einBenediktinerkloster stand, wird gestützt durch
das Vorhandensein eines romanischen Rund-
bogenpförichens, das die Südwand des Chors
durchbricht. Das Pförtchen war vermauert und
überputzt. Es wurde freigelegt und zeigte ein
hübsches Türgewände, das mit Holzkohle und
Wulst profiliert ist (Abb. 7). Durch diese Pforte
schritten die Mönche in feierlichem Zuge zum
Chordienst und nahmen ihre Plätze in dem
Chorgestühl, das man sich beiderseits an den
Längswänden vorstellen muß, ein. Vorne links
war ein etwas erhöhter Ambo für den Kantor.
Der gemauerte Sockel für diesen Ambo wurde
ebenfalls gefunden.
In der Mitte der Westfront lag das Haupt-
portal der Kirche. Es muss nach den gefundenen
Mauervorlagen besonders gestaltet gewesen
sein und der Westfront ihre architektonische
Abb. 6: Pfeilerkapitell
der frühromanischen Kirche
139
Note gegeben haben. Ein kleineres Portal,
dessen Mauervorlagen ebenfalls noch vorhan-
den waren, ging von Norden her in das Seiten-
schiff. Nach dem Rest eines in der Südwand
des Chors erhalten gebliebenen Rundbogen-
fensters, das beim Entfernen des Putzes zum
Vorschein kam, ist es erwiesen, daß nicht nur
das Mittelschiff, sondern auch das Chor hoch-
gelegene Fenster hatte.
Alle diese Beobachtungen zusammengenom-
men, ergaben die Rekonstruktion, die in Abbil-
Abb. 7: Rundbogen der frühromanischen Pforte
düng 8 schematisch dargestellt ist. So etwa sah
die romanische Benediktinerkirche zu Böck-
weiler in ihrer ersten Gestalt aus. — Hatte man
das gewölbte und reich gegliederte Hauptportal
durchschritten, so stand man im flach gedeckten
Mittelschiff. Von Pfeiler zu Pfeiler liefen die
Bogen in gleichmäßiger Auf und Ab-ßewegung
nach vorne. Die Zwischenräume gaben den Blick
in die schmalen und niedrigeren Seitenschiffe
frei. Ein breiter Bogen aus rotem Sandstein
öffnete sich gegen den Chorraum, der unten
durch eine Chorschranke vom Schiff getrennt
war. Ein zweiter Bogen schloß den kubischen
Raum nach vorne ab und öffnete zugleich die
Halbkuppel der Apsis. Hier stand etwas erhöht
der Altar. Ueber das Chorgestühl der Mönche
konnte der Blick zurückwandern in das Schiff
mit den fast edel anmutenden Basen und Kapi-
tellen der roten Sandsteinpfeiler. Von oben fiel
durch die kleinen Fenster des Mittelschiffs und
Chors gedämpftes Licht in den einfachen, aber
in seiner Gliederung wohldurchdachten Raum.
Der Konchenbau
Erst später, aber ebenfalls noch in der roma-
nischen Epoche, hat man die Ostapsis nieder-
gelegt und den heute stehenden Turm mit den
drei Konchen angebaut (Abb. 3). Dabei blieben
die schmalen Reste der alten Apsisansätze
stehen. Sie bilden heute die Bindeglieder
zwischen den Konchen und dem Mönchschor.
Es wäre interessant, hier auf die baugeschicht-
liche Entwicklung der Dreikonchenanlagen ein-
zugehen Es genügt aber für Böckweiler zu
wissen, dass solche Anlagen auch nördlich der
Alpen schon im 9. Jahrhundert auftreten und
noch im 12. Jahrhundert möglich sind. Der Turm
besitzt sein heute so charakteristisches Sattel-
dach erst seit der Zeit nach 1703. Ursprünglich
muß er höher gewesen sein und ein Zeltdach
getragen haben. Aus Gründen des Stils, ins-
besondere aber wegen des in die Turmvierung
eingebauten Kreuzrippengewölbes scheinen die-
jenigen richtig geurteilt zu haben, die die ganze
Ostpartie, also den Turm mit den drei Konchen,
in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts da-
tiert haben.
Damit war die Kirche um ein Stück länger,
ihre Raumwirkung differenzierter geworden. Die
ganze Länge der Kirche betrug jetzt 30 Meter.
Der Fußboden des Chors war höher gelegt wor-
den, so daß man also vom Schiff über ein paar
Stufen zum Chor hinaufsteigen mußte. —- Es
ist nicht ausgeschlossen, daß die Hornbacher
Abtei auch im 12. Jahrhundert noch ihre Be-
ziehungen zur Reichenau im Bodensee hatte
und daß auf diesem Wege das ältere Vorbild
der St. Georgskirche in Oberzell nach Böck-
weiler übertragen wurde.
In diesem Zustand war die bauliche Entwick-
lung der Kirche abgeschlossen, Hundert Jahre
später endete schon die klösterliche Gemein-
schaft und langsam begann der Zerfall der Bau-
werke. Um 1580 empfand man in Böckweiler
die Unterhaltung der Basilika als eine Last und
riß die Seitenschiffe ab mit der Begründung,
Raum für den Friedhof zu gewinnen. Damit
war aber das Gefüge des Baues gelockert. Es
kamen die Zerstörungen des Dreißigjährigen
Krieges und die Folgen der weiteren Kriegs-
ereignisse des 17. Jahrhunderts. Irgendwann
stürzte das Dach des Mittelschiffs ein. Im 18.
Jahrhundert wurde die Ruine einschließlich des
starken Westgiebels vollends abgetragen und
die Steine zum Neubau eines Schulhauses und
zur Ausbesserung der Friedhofsmauer verwen-
det. übriggeblieben sind schließlich nur der
Mönchschor und der Turm mit den drei Kon-
chen und auch dieser Torso hat im jüngst ver-
gangenen Krieg noch einmal einen schweren
Stoß erhalten. So ging durch den Unverstand
der Menschen und den bedauerlichen Hader
der Völker eine der interessantesten romani-
schen Kirchen des Saarlandes zugrunde. Aber
noch besteht die Hoffnung, die noch stehenden
Teile durch eine gründliche Instandsetzung zu
retten.
*
Böckweiler ist ein kleines Bauerndorf, und
niemand konnte ahnen, welche Geheimnisse
sein Boden bedeckte und welche anderen Ge-
heimnisse er noch verschleiert hält. Niemand
konnte sich vorstellen, daß hier schon im
1. Jahrhundert nach Christus ein reges Leben
herrschte. Römische Kaufleute mit Wagen und
140
Abb. 8: Schematische Rekonstruktion
der frühromanischen Kirche in Böckweiler
Waren kamen und gingen, Militärtransporte
machten zuweilen hier halt, die Post wechselte
hier ständig die Pferde, und vielleicht wurde
an dem köstlichen Brunnen auch den drei
Matronen geopfert.
Es kam der Zusammenbruch des römischen
Imperiums. Alamannen, Franken und andere
Völker überfluteten im 5. Jahrhundert das
Land. Der mächtige Gebäudekomplex zu Böck-
weiler verkam und zerfiel. Vielleicht war er
mitsamt den zugehörigen Ländereien in den
Besitz des fränkischen Königs übergegangen.
Im 8. Jahrhundert hatte der heilige Pirminius
seinen Einzug in das Land gehalten. Er grün-
dete das Benediktinerkloster Hornbach, eine
und eine halbe Wegstunde von Böckweiler ent-
fernt. Ohne der im Gange befindlichen Ge-
schichtsforschung vorgreifen zu wollen, sei
hier erwähnt, daß aus einer der Lebensbeschrei-
bungen des hl. Pirmin hervorgeht, er habe,
bevor er Hornbach gründete, an einem anderen
benachbarten Orte gewohnt. In diesem Zu-
sammenhänge tauchte die Vermutung auf, der
andere benachbarte Ort könne Böckweiler ge-
wesen sein. Jedoch ist in diesem Punkte große
Vorsicht geboten, da einerseits die Lokalisie-
rung des „anderen Orts" auf große Schwierig-
keiten stößt. Andererseits ist die Datierung des
karolingischen Klosters Böckweiler vorläufig
noch unklar.
Ein Kapitell, das im Inneren des romanischen
Mönchschors im Bauschutt gefunden wurde,
dürfte für die letzte Frage von großem Wert
sein. Dieses Kapitell trägt einen ganz eigen-
artigen Schmuck, der sich etwa mit der Orna-
mentierung an den Kämpfern über den Kapi-
tellen der erwähnten St. Justinuskirche in
Höchst vergleichen läßt. Die Justinuskirche
wurde vor 847 erbaut. Der Unterschied zwischen
den Schmuckformen an dem Böckweiler Kapi-
tell und dem der Justinuskirche besteht darin
daß die Formen in Böckweiler scharfkantig
herausgeschnitten erscheinen und die Augen
oben in den Falten sitzen, während in Höchst
die Augen unten in ausgerundeten Falten
sitzen. Wenn auch das Kapitell im Chor der
romanischen Kirche lag, so ist es doch nicht
möglich, daß es zu diesem Bau gehört. Es kann
nur von der karolingischen Anlage herrühren
und muß später hierher verschleppt worden
sein. Aber selbst wenn das karolingische Kloster
in Böckweiler erst nach 800 erbaut wurde, so
ist es doch möglich, daß auf Grund der römi-
schen Tradition und wegen der wasserreichen
Quelle auch schon vor 800 hier eine Nieder-
lassung bestand, und zwar ganz unabhängig
von Hornbach.
Die Hornbacher Benediktiner scheinen erst
später ihren Einzug in Böckweiler gehalten zu
haben. Die einzige Urkunde, die sich auf Böck-
weiler bezieht, stammt von dem Abte Liudolf
von Hornbach. Sie lautet: „Im Namen der heili-
gen und unteilbaren Dreieinigkeit. Da wegen
der Erlangung des verheißenen himmlischen
Reiches alle Arbeit des gegenwärtigen Lebens
als gering anzusehen ist, so hoffen wir selbst-
verständlich auf die Freuden eines größeren
Lohnes, wenn wir uns um die Ordnung und
Verbesserung der Angelegenheiten der Kirchen
Christi angestrengt bemühen. Darum sei allen
Abb. 9: Karolingisches Kapitell aus Böckweiler
141
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Christi kund getan, daß ich Liudolf, durch
Gottes Gnade Abt in Hornbach, mit all-
gemeinem Beschluß unserer Brüder die Kirche
der Heiligen Cantius und Cantianus und Can-
tianilla unserem Bruder Godeskalch, solange er
lebt und bei klarem Verstände ist, als Priorat
für alle Zukunft anvertraut und sowohl ihm wie
seinen Nachfolgern diese Vollmacht eingeräumt
habe, alle, welche an dieser Kirche Gott nach
der vorgeschriebenen Ordnung zu dienen wün-
schen, mit unserem Segen aufzunehmen und
daselbst unser ganzes Zehentrecht, mit Aus-
nahme des der Feldfrüchte, für sich zurück-
zubehalten, während er selbst seine Pfründe
lebenslang bei uns besitzen und zur Teilnahme
am gemeinsamen Gebet berechtigt sein soll.
Wenn sie nach seinem Ableben unter sich
keinen Prior finden, so sollen sie ihn von un-
serem Kloster erhalten, über den oereits ge-
stifteten oder noch zu stiftenden Besitz oder
die Zuwendung, die etwa einer von seinem
Erbe mit Zustimmung des Abtes macht, sollen
sie stets das freieste Verfügungsrecht behaup-
ten. Wenn aber einer von unseren Nachfolgern,
was wir keineswegs hoffen, auch in der be-
sonnensten Weise diese Überlieferung nach
seinem Gelüste zu bekämpfen oder einzureißen
sich untersteht, so soll er sich den Zorn des
Allmächtigen und seiner Heiligen zuziehen
und seinen Willen durchzusetzen außer stand
sein. Aber dieser Urkunde Unterschrift, die mit
dem Aufdruck unseres jetzigen Siegels bezeich-
net ist, soll giltig und unzerrissen bleiben bis
zur Trompete des jüngsten Gerichts. So ge-
schehen zu Hornbach im Konvent der Brüder
im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1149,
30. November unter der Herrschaft des Römi-
schen Königs Konrad II., unter dem Bischof
Stephan von Metz. Deß sind Zeugen: Gerval-
cus m., Marcwardus Wiericus m., Ensfridus m.,
Gotefridus m., Adalbertus, Propst von St.
Fabian, Gotescalchus, Kanoniker, und andere
mehrere."
In dieser Urkunde ist zwar nichts darüber
gesagt, was mit Böckweiler vorher gewesen ist.
Aber die Existenz eines Klosters in Böckweiler
schon in karolingischer Zeit sagt mehr. Zudem
erfahren wir aus der Urkunde, daß die Kirche
den römischen Märtyrern Cantius, Cantianus
und Cantianilla geweiht war, also einer Drei-
heit. Sollte da nicht von der Dreiheit der römer-
zeitlichen Quellgöttinnen zur Dreiheit der
christlichen Heiligen eine Linie herüberzuziehen
sein, ein Anknüpfen des christlichen Kultes an
eine altheidnische Tradition? Solche kultische
Traditionen hielten sich doch oft mit großer
Treue am gleichen Ort durch lange Zeiträume.
Sollte nicht der Bliesgaugraf als Erbfolger des
Frankenkönigs das einst römische Böckweiler
als Eigentum besessen und hier auf Grund des
alten Quellheiligtums, an dem das Volk hing,
schon sehr früh ein Eigenkloster gegründet
haben? — Wir wissen es nicht. Es sind bloße
Hypothesen, denen noch der Beweis fehlt. Viel-
leicht kommen wir auch damit weiter, wenn
sich einmal der Kunsthistoriker Professor
Schenk geäußert hat, der die Ausgrabung in
Böckweiler genauestens studieren konnte,
Natürlich kann Böckweiler nicht mit dem sehr
viel bedeutenderen Hornbach verglichen wer-
den. Außer der Urkunde von der Gründung
des Priorats gibt es nichts Geschriebenes von
Böckweilers großen Zeiten. Aber gerade die
römische Untermauerung des ländlichen Klo-
sters und die fragliche Beziehung zur Pirmi-
niuslegende verleiht dem Ort seinen geheim-
nisvollen Reiz, jünger des heiligen Benedikt
von Nursia bauten an der vielbesuchten Quelle
ihr Kloster. Unbekannt ist seine Gründung, und
ebenso still scheidet es wieder aus der Ge-
schichte aus. Schon im Jahre 1297 bestand es
nicht mehr. Niemand weiß, wann und warum
es aufgehoben wurde.
Als Godeskalch oder Gottschalk (Knecht
Gottes) das Amt des Priors in Böckweiler über-
nahm, schrieb man das Jahr 1149. Es steht außer
allem Zweifel, daß damals die romanische
Kirche zu Böckweiler in ihrer ersten Gestalt
längst stand. Sie war den Benediktinermönchen
des neuen Priorats nicht groß genug, es fehlte
vor allem der Platz für Altäre. Und so sind sie
es gewesen, die nach 1150 den Turm und die
drei Konchen bauten. Die karolingische Kirche
aber war zu ihren Zeiten schon fast vergessen.
Beim Ausheben der Baugruben muß Godes-
kalch auf die alten Mauern gestoßen sein. Er
ließ sie ausbrechen und baute mit neuen Fun-
damenten. Ob er wohl gedacht haben mag, daß
diese alten Mauern von einer dreischiffigen
Basilika stammten, die noch die Einheit des
Reiches gesehen hatte, das vom Südwestfuße
der Pyrenäen bis zur Oder und Drau und vom
Nordmeer bis über die heilige Stadt Rom hinaus
sich dehnte?
142
Ein Kapitel aus bewegter Zeit ror 2CC Jahren
35oti dürften, 6o(6aten
unö frönen Uniformen
Von Kurt Hoppstädter, Wiebelskirchen
Bei Familiengeschichtsforschungen bin ich
darauf gestoßen, daß nicht erst seit
Napoleon I. und seit der Preußenzeit
unsere Vorfahren den bunten Rock des
Soldaten getragen haben, ob er ihnen lieb oder
leid war. Schon viel früher, als noch in Zwei-
brücken, bzw, auf dem Karlsberg bei Hom-
burg, ein Herzog residierte und in Saarbrücken
der Fürst von Nassau Herr über Land und
Leute war, gab es Soldatenleid und -freud
auch bei unseren Vorfahren.
Ich fand da nämlich seltsame Vermerke in
den Kirchenbüchern, wie etwa die Nachricht,
daß Andreas Hobstetter am 1. 11. 1749 vom
Dienst bei „Cavallerie Royal-Nassau" befreit
wurde. Oder ich las, daß ein Sohn des Fried-
rich Kümmel in Wiebelskirchen am 12. 10. 1759
als Korporal bei Nassau-Infanterie „gehandet"
wurde. Das heißt, er wurde erschossen, nach-
dem ihm zuvor die rechte Hand abgehauen
war. Grund dieser strengen Strafe aber war,
daß er gegen einen Offizier das Seitengewehr
erhoben, also gemeutert hatte. Und dann las
ich wieder von einem Johannes Kleinpeter aus
Steinbach, „welcher vor 6 Jahren von dem
hiesigen Kreis - Contingent dessertiert und
unter kaiserliche Truppen hat engagieren
lassen" und dessen Vermögen deshalb ein-
gezogen wurde, weil die Annahme fremder
Kriegsdienste verboten war. Von einem Johann
Leibenguth aus Wiebelskirchen aber fand ich
1793 berichtet, „hat in fürstlichen Soldaten-
diensten gestanden und sein kürzlich verstor-
bener Vater hat ihn mit 25 Gulden davon los-
gekauft". Ich fand auch eine Nachricht über
Georg Jung aus Fraulautern, der bei Royal-
Nassau-Infanterie als Soldat eingetreten war,
zum Sergeanten avancierte und bei der Neu-
formierung der Truppen in der Französischen
Revolution als Offizier in das 96. Infanterie-
regiment übernommen wurde. Noch um 1800
lebte er als pensionierter Kapitän in seinem
Geburtsort.
Was waren das nun für Soldaten, was waren
das für Regimenter, in denen diese Leute
dienten? Ich suchte bei Ruppersberg (Ge-
schichte der Grafschaft Saarbrücken), aber was
ich dort fand, ergab kein einwandfreies und
vollständiges Bild. Also mußte ich weitersuchen,
und nach langjährigem Mühen rundete sich
mir langsam das Bild der militärischen Zu-
stände an der Saar vor rund 200 Jahren. Wenn
ich auch hier nicht alle Einzelheiten aus der
geschichtlichen Entwicklung der verschiedenen
Regimenter und Truppenteile bringen kann, so
möchte ich doch einen kurzen Überblick geben.
Auch dieser wird genügen um zu zeigen, wie
vielfältig die Möglichkeiten unserer Vorfahren
waren, den bunten Rock zu tragen. Leider muß
ich dabei darauf verzichten, die vielen Namen
von saarländischen und lothringischen Soldaten
und Offizieren anzugeben, die ich bei meinen
Nachforschungen gefunden habe.
Der Einfachheit halber beschränke ich mich
auf die Schilderungen der Verhältnisse in den
Grafschaften Saarbrücken und Ottweiler, da
sie den besten Eindruck von der Vielheit der
militärischen Erscheinungen in unserer Heimat
bieten.
An Militär gab es hier zunächst die soge-
nannten
$reteftuf>frcn.
Als Stand des Deutschen Reiches war der Fürst
des 18. Jahrhunderts verpflichtet, Soldaten zu
halten, die er dem Reich auf Anforderung zur
Verfügung stellen mußte. Das Reich war zu
diesem Zweck in Kreise eingeteilt, von denen
jeder ein genau festgelegtes Kontingent an
Truppen zu stellen hatte.
Die Fürsten von Nassau-Saarbrücken, die
zum Oberrheinischen Kreis gehörten, hatten
neben zwei Offizieren 40—50 Mann zu stellen.
Aus den Kontingenten der einzelnen Herrschaf-
ten wurden Regimenter gebildet. Diese Regi-
menter lagen in Friedenszeiten nicht in einer
gemeinsamen Garnison, da jede Herrschaft das
von ihr zu stellende Kontingent, wenn sie es
überhaupt aufstellte, im eigenen Lande behielt.
Nur im Kriegsfälle, wenn die Reichsarmee auf-
gerufen wurde, sammelten sich die einzelnen
Kontingente an einem gemeinsamen Treff-
punkt. Aber das scheint unter den beiden
letzten Fürsten von Nassau-Saarbrücken nur
einmal vorgekommen zu sein, nämlich im
Siebenjährigen Kriege, wo die Reichsarmee
bei Roßbach böse zusammengehauen wurde.
143
Wenn auch feststeht, daß viele Reichsstände
gar nicht daran dachten, ihr Kreiskontingent
jederzeit unter Waffen zu halten und militä-
risch auszubilden, so muß doch gesagt werden,
daß der Saarbrücker Fürst seine Pflichten ernst
nahm und seine Kreiskompanie immer bei-
sammen hielt und ausbildete, weil das seinen
eigenen Neigungen entsprach. Denn der Fürst
Ein Trommler
hatte Freude am Soldatenspiel und die Kreis-
kompanie war gewissermaßen die Kerntruppe
der fürstlichen bewaffneten Macht.
Der Dienst als Offizier in der Kreiskompanie
war hoffähig. Selbst Prinzen des fürstlichen
Hauses bekleideten darin Offiziersrang. Zum
Dienst waren grundsätzlich alle tauglichen
Untertanen verpflichtet. Da jedoch die Truppe
nur klein war, so brauchte in Wirklichkeit nur
ein Bruchteil zum Dienst tatsächlich heran-
gezogen zu werden.
Die anderen aber waren deshalb doch nicht
ohne weiteres vom Soldatendienst befreit. Da
die Kreiskompanie ursprünglich nicht für die
Zwecke des Fürsten bestimmt war und für die
militärischen Bedürfnisse des Landes nicht aus-
reichte, bestand neben ihr zu Anfang des
18. Jahrhunderts die
£an&miUj,
die bedeutend stärker war. Im Jahre 1722
zählte sie beispielsweise 430 Mann und wurde
von einem Major geführt. Es handelte sich
allerdings nicht um eine stehende Truppe, die
Milizen wurden vielmehr nur bei Bedarf zu-
sammengezogen. Die Landmiliz hat daher auch
keine große Bedeutung erlangt. Sie war den
Fürsten offenbar nicht repräsentativ genug
und wurde unter Fürst Ludwig (1768—1793)
ganz fallen gelassen. Als Überrest der Land-
miliz scheint sich 1779 nur mehr die Bürger-
miliz der Städte und die Saarbrücker Kauf-
mannskompanie zu Pferd erhalten zu haben.
£wtiöfruM>en
Hatte sich nämlich Fürst Wilhelm Heinrich
(1741—1768) zunächst noch mit der Kreis-
kompanie neben der Landmiliz begnügt, so
schuf er in seinen letzten Regierungsjahren be-
sondere Haustruppen, die sein Sohn, Fürst
Ludwig, nach seinem Regierungsantritt weiter
entwickelte, da Soldaten und Jagd dessen
größte Leidenschaft waren.
Zum Dienst bei diesen Haustruppen waren
die Untertanen nicht verpflichtet. Die Soldaten
mußten durch Werbungen (vorzugsweise natür-
lich im Nassau-Saarbrückischen, da darüber
hinaus die Möglichkeiten sehr beschränkt
waren) und mehr oder weniger starke Druck-
mittel zusammengebracht werden. So konnte
ein Untertan, der durch Polizei oder Gericht
bestraft worden war, dieser Strafe entgehen,
wenn er sich anwerben ließ. Dabei durfte es
sich natürlich nur um Vergehen oder Über-
tretungen handeln, Verbrecher schieden für
dieses Verfahren aus.
Die Formationen der Haustruppen waren
einem häufigen Wechsel unterworfen. Zunächst
errichtete Fürst Ludwig ein Leibgrenadier-
bataillon mit 4 Kompanien. Die stattlichsten
Leute des Bataillons wurden als Schloßgrena-
diere mit dem Wachtdienst am Fürstenhofe
und in den Schlössern betraut und stellten die
Saarbrücker Garde dar. Diese Truppe meint
auch der Freiherr v. Knigge, wenn er in einem
Brief aus Saarbrücken zwischen 1783 und 1787
schreibt:
„Außer dem Kreis-Kontingente unterhält
der Fürst eine Garde, die aus schönen Leuten
besteht und geschmackvoll gekleidet ist, und
einige Reuter. Was mich, der ich nichts vom
Soldatenwesen verstehe, am mehrsten dabey
interessiert, ist die vorzügliche gute, tür-
kische Musik auf der Parade. Sie ist besser
und vollständiger besetzt wie die, welche die
französischen Schweizer-Regimenter ehemals
hatten. Unter andern sind Posaunen und Ser-
pents dabey, die herrliche Würkung machen."
Daneben waren die Grenadiere vor allem zur
Bekämpfung des Schmuggels eingesetzt. Der
144
Verkauf von Salz und Tabak war nämlich
fürstliches Monopol und an Unternehmer ver-
pachtet, der übrige Verkauf, eben der
,,Schmuggel", verboten. Um den Soldaten wei-
tere militärische Aufgaben zu geben, wandte
sich der Fürst an die Städte Saarbrücken und
St. Johann, um sie ihnen als Torwachen und
für den Patrouillendienst aufzuschwatzen, also
für Aufgaben, die sonst die Bürger selbst
reihum versahen. Mit mehr oder weniger
„Überredung" ist ihm das auch vorübergehend
gelungen. Aber im Hinblick auf die Kosten
beschloß der Fürst, zur Erleichterung der
Bürger 1776, die „meisten Soldaten wieder ab-
zuschaffen" und sie bis auf 40 Mann zu ent-
lassen. Seit dieser Zeit bestanden die fürst-
lichen Fußtruppen nur noch aus der Kreis-
kompanie und dem Stamm der Leibkompanie.
Das galt wohlbemerkt nur für die Fußtrup-
pen. Denn daneben hatte der Fürst bereits 1772
zwei Dragonerkompanien errichtet. Aber bereits
nach zwei Jahren wurde eine Kompanie
wieder aufgelöst. Die andere Kompanie, Garde-
dragoner genannt, lag in Saarbrücken. Aber
das dauerte nicht lange, denn schon nach kur-
zer Zeit gab der Fürst wieder bekannt, er wolle
seine Gardedragoner mit etlichen Mann ver-
stärken, weil seine Gemahlin den Wunsch
habe, bei ihren Spazierfahrten von ihnen eskor-
tiert zu werden. Und so geschah es und blieb
es durch zwei Jahre. Dann wurden die Garde-
dragoner in eine Kompanie Leibjäger zu Pferd
umgewandelt.
Wie schon gesagt, hat die Militäreinschrän-
kung des Jahres 1776 der berittenen Truppe
nicht den Garaus gemacht. Die Leibjägerkompa-
nie blieb bestehen, wurde jedoch 1780 in ein
„Husaren-Corps" umgewandelt. Aber die Hu-
sarenherrlichkeit dauerte nicht lange. Bald
wurde aus dem Husaren-Corps die Leibgarde zu
Pferd, die bis zur Französischen Revolution be-
stehen blieb.
Auch nach der Flucht des Fürsten Ludwig
im Mai 1793 blieben die wenigen Soldaten der
Haustruppen, die noch bei der Truppe ge-
blieben waren, im Lande zurück. Allerdings
wurden sie zur Vermeidung von Zusammen-
stößen mit den französischen Truppen aus
Saarbrücken zurückgezogen und in Ottweiler
in Bürgerquartieren untergebracht. Aber die in
der näheren Umgebung beheimateten Soldaten
scheinen von hier aus einfach nach Hause ge-
gangen zu sein, so daß nur noch Soldaten
zurückblieben, die aus weiter Ferne stammten
und denen die Heimkehr nicht tunlich erschien.
Am 1. Juni lagen nur noch 13 Mann in der
Stadt, deren Namen bekannt sind. Zehn von
ihnen stammten aus dem nahen Lothringen.
Bald danach versammelten sich alle übrig-
gebliebenen nassau-saarbrückischen Soldaten
in Jugenheim, einer Besitzung des Fürsten bei
Kreuznach, wo sie nach dem Tode des Fürsten
Ludwig im nächsten Jahre von seinem Sohne
Heinrich entlassen wurden.
Nun konnten begreiflicherweise diese paar
Soldaten, die dem Saarbrücker Fürsten zur
Verfügung standen, seinen militärischen Ehr-
geiz nicht befriedigen. Zu einer Verstärkung
der Truppenmacht aber standen ihm keine
Geldmittel zur Verfügung. Da ergab sich von
selbst der Ausweg, in den Dienst des französi-
schen Königs als Offizier einzutreten und zu
versuchen, auf der militärischen Stufenleiter
in die Höhe zu steigen. Der erreichte Rang in
der französischen Armee war nun nicht etwa
eine Sinekure. Zwar waren damit ganz nette
Einnahmen verbunden, aber gleichzeitig war
der Fürst verpflichtet, im Verband der fran-
zösischen Armee Regimenter aufzustellen und
unter Umständen auch zu führen.
Auch der bedeutendste Saarbrücker Regent,
Fürst Wilhelm Heinrich, hat sich als französi-
scher Offizier ausgezeichnet. Er trat 1737 in
französische Kriegsdienste und erhielt das
Kommando über das Regiment Royal-Allemand,
an dessen Spitze er 1741 in den Oesterreichi-
schen Erbfolgekrieg zog. Er verließ die Armee
1742 infolge dringender politischer Geschäfte
und wurde am 1. Mai des gleichen Jahres zum
Brigadier, zwei Jahre später zum marechal de
camp und endlich 1748 zum Generalleutnant
ernannt. In den 40er Jahren hat er die Regi-
menter Nassau - Sarrebruck - Cavallerie und
Nassau - Sarrebruck - Infanterie angeworben
und im Siebenjährigen Krieg ein Husaren-Re-
giment Volontaires Royaux de Nassau-Sarre-
bruck aufgestellt.
Das Regiment Nassau-Infanterie war eigent-
lich für seinen Sohn, den späteren Fürsten
Ludwig, aufgestellt worden, der auch tatsäch-
lich schon im Alter von 13 Jahren, am 20. März
1758, von König Ludwig XV. zum Obersten
dieses Regiments ernannt wurde. Seit 1770 war
er dann auch Inhaber des Regiments der Volon-
taires Royaux. 1769 bereits zum Brigadier er-
nannt, beförderte ihn der König 1771 zum
marechal de camp. Im Gegensatz zu seinem
Vater hat er jedoch nie praktische Militär-
dienste geleistet und mag nur einmal hin und
wieder sein Regiment in seiner Garnison auf-
gesucht haben. Aber um so größeren Wert
legte er auf die französische Generalsuniform
und auf seine militärischen Titel. Stolz nannte
er sich „marechal de camp der Königlich-
Französischen Armeen, Obrister der Regimenter
Nassau - Saarbrücken Infanterie und Royal
Nassau-Husaren, des Königlich französischen
pour le merite Militaire Ordens Ritter". Nur
im Jahre 1788 hat er infolge der militärischen
Reformen in Frankreich vorübergehend von
diesen Titeln keinen Gebrauch gemacht.
10
145
Sein Sohn Heinrich ist bereits im Alter von
5 Jahren am 2, März 1773 zum sous-lieutenant
im Regiment Nassau-Infanterie ernannt wor-
den, hat aber von diesem Offizierspatent keinen
Gebrauch gemacht, obwohl er später die Toch-
ter des französischen Kriegsministers, des
Fürsten von Montbaray, heiratete. In der Fran-
zösischen Revolution floh er und wurde als
Oberst in die preußische Armee übernommen,
ohne jedoch dort Dienste zu tun. 1797 ist er
infolge Sturz vom Pferde in Cadolzburg in
Württemberg umgekommen.
Die von saarländischen Fürsten aufgestellten
Regimenter sind vorstehend zum Teil schon
genannt worden. Sie sollen nachstehend noch
einmal einzeln kurz behandelt werden. Diese
Regimenter sind hauptsächlich in den saarlän-
dischen Territorien rekrutiert worden. Es ist
klar, daß die Landesherren, die Inhaber dieser
Regimenter waren, alle Machtmittel einsetzten,
um ihre eigenen militärtauglichen Untertanen
zum Eintritt in die Reihen dieser Regimenter
zu veranlassen. In fremdes Gebiet konnten sie
höchstens Werbeoffiziere entsenden, um junge
Leute zum Eintritt zu gewinnen, und der Erfolg
solcher Werbungen war immer unsicher. So
blieben sie wesentlich auf ihr eigenes Gebiet
angewiesen, aber auch hier gingen sie nicht mit
Zwang vor, sondern versuchten zunächst, die
eigenen Untertanen zum freiwilligen Eintritt
zu bewegen durch Aufrufe, Werbeaktionen
und durch Gewährung von Vergünstigungen.
Soweit solche harmlosen Mittel nicht aus-
reichten, konnten die Landesherren selbstver-
ständlich auch mehr oder weniger starke Druck-
mittel anwenden. So wurden die Untertanen,
die in den Regimentern der Fürsten dienten,
von ihrer Dienstpflicht bei den Haus- und
Kreistruppen befreit. Als man die nassau-saar-
brückischen Haustruppen 1776 zum Teil auf-
löste, wurden die überflüssigen Mannschaften
größtenteils „unter Nassau-Infanterie gescho-
ben" (Köllner, Geschichte der Städte Saar-
brücken und St. Johann, S. 407).
Außer den nachstehend behandelten Regi-
mentern sind nachweislich auch im Saarland
sogenannte Freikompanien aufgestellt worden,
wie sie im 18. Jahrhundert noch vielfach in
der französischen Armee genannt werden. So
stellte ein Johann Peter Linxweiler aus Fürth,
der in der französischen Armee als Leutnant
diente, zu Beginn des Polnischen Erbfolge-
krieges im Oberamt Ottweiler eine Freikom-
panie auf. Wie ihm das trotz des bestehenden
Verbots gelingen konnte, ist nicht zu erkennen.
Jedenfalls hat das Oberamt Ottweiler, wie die
Akten zeigen, die Werbungen dieses Offiziers
sorgsam und durchaus nicht freundlich ver-
folgt. Im gleichen Jahre erschien in Ottweiler
der Leutnant Galhau (wohl aus der im Fremers-
dorfer Schloß ansässig gewesenen Familie),
Führer einer Dragoner-Freikompanie, an der
Spitze eines aus einer 100 Mann starken Kom-
panie, 50 Mann des Regiments Royal Baviere
und 150 Mann des Regiments Piemont bestehen-
den Detachements. Es ist anzunehmen, daß auch
er seine Freikompanie an der mittleren Saar
angeworben hat.
Und nun die Regimenter. Da ist zunächst das
Infanterie-Regiment
%ffau~6atrebrutf~3nfan<etie.
Dieses Regiment wurde infolge eines könig-
lichen Auftrages vom 1. November 1745 durch
den Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-
Saarbrücken aufgestellt. Nach der Aufstellung
wurde der Fürst durch Patent zum Inhaber des
Regimentes ernannt, Regimentskommandeur
wurde der Oberstleutnant Graf Christian von
Glaubitz. In den Jahren 1746 bis 1749 kämpfte
es auf den Kriegsschauplätzen in Belgien, Hol-
land und Norddeutschland und lag dann einige
Jahre in Frankreich in Garnison. Im Sieben-
jährigen Kriege kämpfte es zunächst im Ver-
bände der französischen Armee unter dem Be-
fehl des Marschalls d'Estrees in Norddeutsch-
land gegen die englischen Hilfstruppen des
preußischen Königs. Dann kehrte es zum Rhein
zurück, wo das Regiment Nassau-Usingen mit
ihm vereinigt wurde. Am Neujahrstage 1759
rückte es an der Spitze der französischen Trup-
pen in Frankfurt ein und bemächtigte sich der
Stadt durch eine Kriegslist. Es zeichnete sich
besonders während des Winters 1761 aus, wo
es im Winterquartier in Ziegenhain in Hessen
feindliche Angriffe auf die Stadt drei Wochen
lang erfolgreich abwehrte. Mit gleichem Er-
folg war es an der Schlacht bei Vellinghausen
beteiligt. Es kämpfte in der Avantgarde und
eroberte drei feindliche Kanonen.
Nach dem Kriege lag es zunächst in Metz,
wechselte dann aber häufig seine Garnison.
Doch scheint der Stammsitz oder das Depot
des Regiments immer in Saarlouis gewesen zu
sein, wo wahrscheinlich auch die Rekruten aus
der Saargegend und Lothringen angeworben
und an das Regiment weitergeschickt wurden.
Auch bei Verminderung der Saarbrücker Haus-
truppen wurden die entlassenen Soldaten in
das Infanterie-Regiment Nassau nach Saarlouis
gesteckt.
Als das Regiment 1769 in Fort Louis (bei
Hagenau am Rhein) in Garnison lag, scheint der
Regimentsinhaber, Fürst Ludwig, tatsächlich
vorübergehend den Befehl über das Regiment
selbst geführt zu haben, da er von hier mili-
tärische Urkunden unterschreibt.
Die langjährige Friedenszeit in Frankreich
wurde nur 1773 unterbrochen. Das Regiment
kam nämlich für drei Jahre nach Korsika und
hat mitgeholfen, diese Insel für Frankreich zu
erobern.
Bei Ausbruch der Revolution im Juli 1789
wurde das Regiment zum Schutze des Königs-
146
REGIMENT de -----Compagnie (jo/onü/^Q. >
^^Ous foußignc, Aumonicr da l'Hopital militaire &L (Ot&j Vi$L
certifions que U nomme &*}*.¥*, c%L <<i&ru >
La/onn/^, -----------£-------audit Regiment, natif______
jurifdiaion du. S'Y <&euLs
de. Wt4mkcdU . , _ ______
*ß didde muni des Sacremens le /cn+y' Qio mafj cßtt y$YQ-
& a he inhumc b/ivxuntvf d'Qar/t^, G/ruY^ Q*<
par nous Aumonier fufditi an foi de quo! nous avons dilwri l«
prifent Certificat, pour fervir & valair ce que de raifon.
A t^cKCCto ~ - U ’ ————-du mois dq_ ydrtzG*
Vü par nous Commitfaire / ^
des Guerres. 4t6u'(M-ce ,-C * f+,
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‘ * y^y GTAtsj**/-
\\ /<*# knr**e*4 cG* t^u~ez /ao > J. Ä//i
rfp
Todesschein
für den Soldaten Theobald Bager aus Welschbach, ausgestellt im Militärlazarett in Ajaccio
auf der Insel Korsika
schlosses nach Versailles geschickt. Hier soll
es einen Zusammenstoß mit dem Volke gehabt
und sein gesamtes Gepäck verloren haben.
Infolge politischer Meinungsverschiedenheiten
kam es in Saarlouis im nächsten Jahre zu
Streitigkeiten zwischen Soldaten der Regimen-
ter Nassau und Aquitaine. Nassau-Infanterie
wurde infolge der Vorkommnisse nach Thion-
ville verlegt und erhielt die Nr. 96. Dabei blieb
es allerdings nicht, denn nachdem es in der
bekannten Schlacht bei Valmy unter dem Kom-
mando des Konventsmitgliedes Henri de Rew-
bell mitgekämpft hatte, wurden seine Batail-
lone auf andere Truppenteile aufgeteilt.
In dem Regiment Nassau-Infanterie dienten
viele hervorragende Offiziere. So trat Bou-
chotte, der spätere Kriegsminister, 1773 in das
Regiment ein und wurde 1775 zum sous-lieute-
nant befördert, ging dann allerdings zum Re-
giment Nassau-Cavallerie über. Ebenso be-
gannen die beiden Brüder Grenier aus Saar-
louis, die es später zum General brachten, ihre
militärische Laufbahn in diesem Regiment.
Oberst v. Schaumburg, der das Regiment 1790
führte, wurde 1793 Oberbefehlshaber der Mosel-
armee. Der spätere General und Maire von
Saarlouis, Reneault, war Fahnenträger des Re-
giments gewesen. Auch der im Jahre 1794
zum Divisionsgeneral beförderte Franz Ignaz
Schaal war 1770 als gewöhnlicher Soldat in
das Regiment eingetreten.
Leider haben sich weder von diesem Regi-
ment noch von den andern genannten Truppen-
teilen Mannschaftslisten erhalten. Wenigstens
ist es mir nicht gelungen, solche ausfindig zu
machen. Ich war also auf gelegentliche Funde
in den Kirchenbüchern und in den erhaltenen
Akten angewiesen. Trotzdem gelang es mir,
das sei als Beispiel hier angeführt, die Namen
von 114 Saarländern festzustellen, die in diesem
Regiment gedient haben. Ein noch intensiveres
Aktenstudium wird natürlich noch eine ganze
Reihe von weiteren Saarländern zutage för-
dern, die in diesem Regiment gedient haben.
9Raffau~6arre6tutf"(5abaflerie
Auch dieses Regiment ist 1744 bei Ausbruch
des Krieges zwischen England und Frankreich
durch den Fürsten Wilhelm Heinrich aufge-
stellt worden. Seine Uniform war prächtig:
schwarze Filzmütze mit weiß-orangefarbener
Einfassung von Kamelhaar, vorne in der Mitte
eine Lilie, darüber ein stehender Federbusch,
schwarze Halsbinde, roter, mit weißem Lamm-
fell gefütterter Husarenpelz, verbrämt mit
schwarzem Schaffell, blauer Dolman (Pelz und
147
Dolman mit fünf Reihen weißer Knöpfe), Kra-
gen und Aufschläge des Dolmans rehfarbig,
rote wollene Feldbinde mit weiß-orangefarbig
besponnenen Knöpfen, Hose blau, Säbeltasche
rot mit einem gekrönten Löwen in der Mitte
und weiß-orange eingefaßt, weißer Tuchmantel.
Ein verschiedentlich veröffentlichtes Gemälde
(auch in dem bekannten Geschichtswerk von
Die allgewaltige Marquise de Pompadour
Ruppersberg) stellt den Fürsten Wilhelm Hein-
rich in der Tracht dieses Regiments dar.
Das Regiment wurde in Straßburg aufge-
stellt und kam dann in Winterquartiere nach
Saarbrücken und St. Johann. Von hier aus
marschierte es zum Kriegsschauplatz und hat
sich durch drei Jahre hindurch wacker gehal-
ten. Auch im Siebenjährigen Krieg hat es an
allen bedeutenden Schlachten und Gefechten
in Norddeutschland und Hessen teilgenommen.
Im Jahre 1758 hatte Fürst Karl von Nassau-
Usingen, der Bruder Wilhelm Heinrichs, das
Regiment als Oberst (Mestre de camp) erhalten,
das von da an Nassau-Ousigne genannt wurde.
Freilich nicht für lange Zeit, denn bereits am
21. 12. 1762 wurde es aufgelöst.
Erst im Jahre 1778 wurde erneut für den
Fürsten Ludwig ein schweres Reiterregiment
unter dem Namen „Nassau-Sarrebruck-Caval-
lerie" errichtet. In Saarbrücken gebrauchte
man freilich diesen Namen nicht, sondern
sprach nur von den „Nassau-Cürassieren", und
auch der Fürst nannte sich schon seit dem
18. Dezember 1778 „Inhaber des Regiments
Nassau-Cuirassiers". Gebildet wurde das Re-
giment allerdings erst 1780. Aber es hat keine
lange Lebensdauer gehabt. Bereits 1788 fiel es
den Sparmaßnahmen der französischen Regie-
rung zum Opfer und wurde aufgelöst. Die Offi-
ziere und Mannschaften wurden auf die
Husarenregimenter Bercheny, Chamborant, Con-
flans und Esterhazy aufgeteilt.
^ofotifaireä öc 9taffau~6arrefmitf
Der Siebenjährige Krieg Friedrichs II. von
Preußen gegen die Allianz seiner Gegner war
die Veranlassung, daß Fürst Wilhelm Heinrich
den Auftrag erhielt, 1756 ein Regiment leichter
Kavallerie unter dem Namen „Volontaires de
Nassau-Sarrebruck" aufzustellen. Es bestand
aus zwei Eskadronen von je 150 Mann und hat
unter Führung des Generalleutnants Sigismund
v. Wurmser (des späteren österreichischen
Generalfeldmarschalls) den ganzen Krieg mit-
gemacht. Vorübergehend hat das Regiment 1758
in Saarbrücken in Garnison gelegen. Es erhielt
in diesem Jahre den Namen „Volontaires
royaux de Nassau" und wurde bereits im glei-
chen Jahre in ein Husarenregiment mit dem
Namen „Royal-Nassau-Hussards" umgewandelt,
gleichzeitig auch auf vier Eskadronen ver-
stärkt.
Das Regiment scheint im Krieg so stark ge-
litten zu haben, daß man sich beim französi-
schen Kriegsministerium mit dem Gedanken
trug, es aufzulösen. Jedenfalls fürchtete Fürst
Wilhelm Heinrich dies und wandte sich, um
es zu verhindern, u. a. an die allgewaltige
Marquise de Pompadour und an den General-
leutnant de Tressan. Dieser berichtet auch im
Dezember 1762 durchaus positiv an die Regie-
rung. Er gab seiner Meinung dahingehend Aus-
druck, daß es den Fürsten von Nassau-Saar-
brücken gründlich verstimmen würde, wenn
man das Regiment bis zum Frieden nicht refor-
mieren würde. Er weist auf die Zuneigung des
Fürsten zu Frankreich hin, der drei schöne
Regimenter aufgestellt und eins davon seinem
Neffen, dem Prinzen von Nassau-Usingen, ab-
getreten habe, um diesen in den Dienst Frank-
reichs zu ziehen. Der Herzog de Choiseul ant-
wortet am 31. Dezember, daß das Regiment
bereits reformiert und durch Schützenkompa-
nien des Regiments Nassau-Usingen verstärkt
worden sei. Offenbar steckt dahinter der Ein-
fluß der Marquise de Pompadour, da der Fürst
dieser in einem herzlichen Schreiben dankt.
Noch 14 Jahre hat das Regiment, das fast
ausschließlich in lothringischen und elsässi-
schen Garnisonen lag, bestanden, bis es im
Jahre 1776 aufgelöst wurde.
Dieses Regiment ist natürlich nicht von dem
Saarbrücker Fürsten, sondern von dem Herzog
148
von Pfalz - Zweibrucken aufgestellt worden.
E. Drumm, der 1936 bereits die Geschichte
dieses Regimentes behandelt hat, konnte nach-
weisen, daß die Soldaten des Regiments fast
ausschließlich aus dem Herzogtum Zweibrücken
stammten. Es gelang mir jedoch, auch eine
ganze Reihe von Soldaten aus dem übrigen
Saarland festzustellen.
Das Regiment wurde zufolge eines königlich-
französischen Dekrets im Jahre 1757 durch
Herzog Christian IV. von Zweibrücken auf-
gestellt. In seinem Herzogtum wurde es auch
zusammengestellt und einexerziert. Die Leib-
kompanie lag im Schlosse Gutenbrunn bei
Schwarzenacker, die anderen Kompanien waren
in Zweibrücken, Ernstweiler, Homburg und
Jägersburg untergebracht.
Die erste Ausbildung scheint allerdings recht
mangelhaft gewesen zu sein, denn bereits im
August dieses Jahres rückte es zur Armee des
Prinzen von Soubise nach Sachsen ab. Es er-
hielt seine Feuertaufe in der Schlacht bei Roß-
bach am 5. November 1757, in der die fran-
zösische und die Reichsarmee gerade wegen der
üblen Verfassung, in der sich diese Truppen-
teile befanden, vollständig geschlagen wurde.
In seinem Rapport beklagt sich der Prinz über
die zum Teil erst neu aufgestellten Truppen,
die, vor allem bei dem Regiment Royal-Deux-
Ponts, wenig zuverlässig seien. Doch hat sich
das Regiment in den folgenden Jahren des
Krieges sehr wacker gehalten und ist oft
lobend erwähnt worden, ein Zeichen, daß die
schlechte Haltung bei Roßbach tatsächlich nur
auf den schlechten Ausbildungsstand der Sol-
daten zurückzuführen war.
Später hat dann das Regiment, wie überhaupt
die damaligen französischen Truppenteile, sehr
häufig seine Garnison gewechselt. Es lag u. a.
in Thionville, Zweibrücken, Longwy, Stras-
bourg, Saarlouis, Metz usw. Am 4. April 1730
wurde es in Brest nach Nordamerika verladen.
Es gehörte nämlich zu den vier Regimentern,
die die Generale Lafayette und Rochambeau
den um ihre Freiheit kämpfenden Nordameri-
kanern zuführten.
Die Kämpfe in Nordamerika hat das Regi-
ment ehrenvoll bestanden. Vor allem sein
Führer, Oberst Graf Christian v. Zweibrücken
und dessen Bruder, der Oberstleutnant Wilhelm
Graf v. Forbach, haben sich ausgezeichnet.
Beide Brüder waren Söhne des Herzogs
Christian IV. v. Zweibrücken aus seiner Ver-
bindung mit der Schauspielerin Marianne
Camasse. Beide traten nach der Französischen
Revolution in bayerische Dienste und sind dort
in hohen militärischen Stellungen gestorben.
Ruhmbedeckt ist das Regiment im Jahre 1783
nach Frankreich zurückgekehrt und blieb bis
zur Revolution in französischen Garnisonen.
Die politischen Änderungen in Frankreich
haben im Jahre 1791 den Herzog Karl August II.
von Zweibrücken veranlaßt, seine bei Royal-
Deux-Ponts dienenden Untertanen zurückzu-
rufen. Doch hatte dieser Aufruf keinen durch-
schlagenden Erfolg, ja der Herzog mußte es
bei der Besetzung des Karlsbergs bei Homburg
erleben, daß auch seine Haustruppen zum
Grenadiere französischer Infanterie-Regimenter;
ganz rechts Royat-Deux-Ponts
großen Teil zu der revolutionären französischen
Armee überliefen. Royal - Deux - Ponts aber
wurde als 99. Linienregiment in die republi-
kanische Armee übernommen und später auf
andere Truppenteile aufgeteilt.
jftotyd~$(Üemanö
Dieses Kavallerie-Regiment war 1671 von
dem Grafen Wilhelm Otto v. Königsmark auf-
gestellt worden und führte dessen Namen, bis
es 1688 die Bezeichnung Royal-Allemand er-
hielt. Von 1693 bis 1713 war Graf Ludwig Kraft
von Nassau-Saarbrücken Chef des Regiments,
ebenso von 1737 bis 1742 Fürst Wilhelm Hein-
rich von Nassau-Saarbrücken. Da seine Sol-
daten zudem vielfach im nassau-saarbrückischen
und lothringischen Teil des Saarlandes behei-
matet waren, so darf es in einer Geschichte
der saarländischen Regimenter nicht fehlen.
149
Das Regiment gehörte zu den Eliteregimentern
der französischen Kavallerie und trug eine
Uniform, die in der Armee immer etwas fremd-
artig gewirkt hat. Zu Lederhosen trugen die
Reiter einen dunkelblauen Rock mit roten Auf-
schlägen und Schnüren, eine ärmellose hoch-
rote Jacke mit weißer Borde und Zinnknöpfen
sowie als Kopfbedeckung eine sogenannte pol-
nische Mütze aus schwarzem Bärenfell. Selbst
durch das allgemeine französische Uniform-
reglement von 1763 wurde die Uniform nur
wenig geändert. Die Jacke verschwand aller-
dings, doch blieb das Regiment eine Aus-
nahmeerscheinung unter den französischen
Uniformen. Es hat im 18. Jahrhundert mehrfach
im Saarland in Winterquartieren und in Garni-
son gelegen. Besonders bekannt wurde das
Regiment durch seine Rolle in der Französi-
schen Revolution. Im Jahre 1789 stand Karl
Eugen v. Lothringen, Prinz de Lambesc und
letzter Herzog von Elboeuf an der Spitze des
Regiments. Im Mai dieses Jahres wurde es mit
anderen Truppenteilen nach Paris berufen, wo
es auf dem Marsfelde lagerte.
Die Absetzung des beim Volke beliebten
Ministers Necker löste damals in Paris eine
Demonstration aus. Als die Masse auf den
Platz Vendöme kam, stieß sie auf ein Detache-
ment von dem Regiment Royal-Allemand, das
auf sie eindrang und mehrere Personen ver-
wundete, worauf die französische Garde es
unter starkes Musketenfeuer nahm. Daraufhin
zog sich das Detachement in den Garten der
Tuilerien zurück, den es von den Massen
räumte, wobei in der Verwirrung ein Mann
getötet wurde. Durch diesen Angriff auf die
Pariser Volksmenge erhielt der Prinz de Lam-
besc den Namen „Le sabreur des Tuileries".
Das Regiment besetzte dann den Platz Lud-
wig? XV. (heute Place de la Concorde) und
drängte hier die durch die Rue royale anmar-
schierende Spitze des Demonstrationszuges
zurück.
Zwei Tage später erstürmte das Volk die
Bastille, das Regiment aber wurde durch könig-
liche Order nach Lothringen verlegt. Man hat
damals dem Regiment den Vorwurf gemacht,
daß es an der Verschwörung zur Flucht des
Königs beteiligt war, ist jedoch den Beweis für
diese Behauptung schuldig geblieben, die wohl
eher seinen Chef, den Oberstleutnant Michel
v. Mandel, trifft, obwohl auch das umstritten
ist. Mandel war 1749 in Fort Louis am Rhein
als Sohn eines Offiziers geboren worden,
diente zuerst als Kapitän in dem berühmten
Regiment Hussard-Chamborant, dann als Major
im Regiment Nassau-Sarrebruck. Als Oberst
des Regiments Royal-Allemand erhielt er bei
der Flucht Ludwigs XVI. von dem Grafen de
Bouille den Befehl, sich mit seinem Regiment
zum Schutze der Flucht einzufinden. Trotzdem
der Befehl wiederholt wurde, leistete ihm
Mandel keine Folge. Es kann kein Zweifel
darüber bestehen, daß die Flucht des Königs
in erster Linie durch dieses Verhalten Mandels
mißglückte. Noch 1793 verteidigten ihn deshalb
seine ehemaligen Offiziere und Soldaten als
Patrioten und treuen Diener der Nation, wel-
cher „ein großes Unglück verhinderte, indem
er mit seinem ganzen Können die Abreise des
Regiments verhinderte". Allerdings haben die
Offiziere des Regiments 1791 einen royalisti-
schen Aufruf an das französische Volk unter-
zeichnet.
Das Regiment wurde, als Ludwig XVI. in
Varennes wieder verhaftet worden war, nach
Hesdin geschickt und befand sich, als 1792 der
Krieg drohte, in Metz. Es wurde dann in
Longwy, dicht an der Grenze stationiert. Daher
war es kein Wunder, daß das Regiment, drei-
fach belastet durch seine Haltung in Paris,
durch den Verdacht der Teilnahme an der Ver-
schwörung zur Flucht des gefangenen Königs
und durch die royafistische Haltung seiner
Offiziere, hier innerhalb zweier Monate durch
Einzel- und Massendesertierungen dahinschmolz.
Der größte Teil der emigrierten Soldaten mit
ihrem Kommandeur v. Mandel an der Spitze
ging im Frühjahr 1792 bei WehrdenWölklingen
über die Saar. Die Frau v. Mandel wurde
daraufhin mit ihrer Familie von der Saar-
brücker Regierung aus Saarbrücken ausgewie-
sen. Die wenigen Offiziere und Soldaten, die
zurückblieben, wurden nach Carcassonne ge-
schickt und später in die Legion Kellermann
eingereiht.
Das letzte der Regimenter, die hier behan-
delt werden müssen, ist
5Ut>a(~$tl)ace.
Dieses Regiment hat seinen Namen deshalb er-
halten, weil es im Elsaß gegründet wurde. Im
übrigen aber ist dieses Regiment schon 1656
in Straßburg durch den Grafen Johann Ludwig
von Nassau-Saarbrücken aufgestellt worden.
Diesem Grafen wurde in seinem 1663 mit König
Ludwig XIV. von Frankreich abgeschlossenen
Vertrag wegen der Festung Homburg für sich
und seine Nachfolger der Rang eines Obersten
des Regiments Alsace mit den zugehörigen
Einkünften zugesichert, „damit sein Haus immer
die Ehre habe, einen Grafen von Nassau an
der Spitze dieses Korps zu sehen, das Graf
Johann Ludwig im Dienste Seiner Majestät auf-
gestellt hat". Der Vertrag wurde jedoch nicht
in Kraft gesetzt (es ist eine interessante Auf-
gabe, die Gründe hierfür zu untersuchen, doch
soll hier nicht näher darauf eingegangen wer-
den), und bereits vier Jahre später trat Graf
Johann Ludwig von dem Kommando des Regi-
ments zurück, das daraufhin dem Pfalzgrafen
Christian II. von Birkenfeld verliehen wurde.
Seit dieser Zeit gehörte das Regiment den Her-
150
zögen von Zweibrücken, die es zum Teil auch
anführten, bis zur Französischen Revolution.
Das Regiment hat alle Kriege Frankreichs in
den 150 Jahren seines Bestehens mitgemacht
und sich sehr häufig ausgezeichnet. Kaum ein
westeuropäischer Kriegsschauplatz, auf dem es
nicht mitkämpfte. Am bekanntesten ist seine
Mitwirkung bei der Eroberung von Prag im
österreichischen Erbfolgekrieg 1741. Es gehörte
damals zu dem unter dem Befehl des Marquis
de Ximenes stehenden Hilfskorps für den Kur-
fürsten von Bayern. Der denkwürdige Überfall
auf das Karlstor in Prag am 26. November 1741,
der das Schicksal der Stadt entschied, ist in
erster Linie auf das Konto des Regiments Al-
sace zu setzen. Es gibt mehrere voneinander
abweichende Überlieferungen dieses Vor-
ganges. Nach dem von dem Militärschriftsteller
Susane mitgeteilten authentischen Bericht hat
sich der Überfall wie folgt abgespielt:
An der Spitze der Abteilung standen die drei
Grenadierkompanien von Alsace, gefolgt von
dem Regiment Beauce. Um 1 Uhr nachts kam
diese Abteilung am Fuße der Mauer an, um
halb drei wurde eine Leiter an der etwa zehn
Meter hohen Mauer seitlich des Tores ange-
legt. Ein Grenadiersergeant der Kompanie
Leiningen des Regiments Alsace, der aus Erbach
bei Homburg stammende Jakob mit dem Kriegs-
namen Pascal, bestieg als erster die Leiter. Als
sich erst 9 Grenadiere und der Oberstleutnant
Chevert vom Regiment Beauce auf der Mauer
befanden, brach die Leiter krachend zusam-
men. Der Posten gab Feuer und entfloh schrei-
end. Die Österreicher der dadurch alarmierten
Torwache schossen gleichfalls, ohne zu wissen,
warum der Alarm gegeben worden war. Dann
machten sie die Runde, konnten jedoch im
Dunkel der Nacht die zehn Eindringlinge, die
sich flach auf einen Wallabsatz gelegt hatten,
nicht bemerken, überzeugt, daß es sich um
einen blinden Alarm gehandelt hatte, zog sich
die Torwache wieder in ihr Wachtlokal zurück.
Inzwischen wurde die Leiter wieder ausgebes-
sert. Weitere Grenadiere erstiegen die Mauer
und das Tor wurde ohne Schwertstreich ge-
nommen. Das weitere war einfach. Die Zug-
brücke wurde niedergelassen und die Truppen
zogen ein. Auf solche Weise kostete die Ein-
nahme nicht einen einzigen Mann, was aller-
dings nur durch die ausgezeichnete Haltung
der Grenadiere von Alsace möglich geworden
war, die trotz des aufregenden Zwischenfalls
an der Leiter mehr als zwei Stunden lang nicht
die Ruhe verloren. Pascal wurde sofort zum
Leutnant befördert. Im Jahre 1749 zu den In-
validen entlassen, wurde er Kapitän in einer
Invalidenkompanie, mit der er noch 1770 in
Garnison im Fort des Barraux in der Dauphine
stand.
Im Siebenjährigen Kriege hat das Regiment
sehr starke Verluste gehabt. Allein die Schlacht
von Kloster Campen in Norddeutschland im
Jahre 1760 kostete 387 Tote und 519 Verwun-
dete. Sein letzter Oberst war Prinz Maximilian
Josef von Zweibrücken, der spätere erste
bayerische König. Er hat das Regiment von
1770 bis 1791 persönlich geführt und mit seiner
Familie jeweils an dessen Garnisonsort ge-
wohnt.
Aus dem Regiment sind einige bedeutende
Offiziere hervorgegangen. Hier sei nur Karl
Ludwig de Lasalle aus der saarländischen
Familie der Freiherren Lasalle v. Louisenthal
(heute auf Schloß Dagstuhl bei Wadern) ge-
nannt. Er erhielt als elfjähriger Junge im Jahre
1786 ein Patent als Leutnant im Regiment
Alsace. Nach dem Ausbruch der Revolution
verzichtete er auf dieses Patent und trat als
Gemeiner in ein Jägerregiment zu Pferd über.
Nach einer glänzenden Laufbahn fiel er als
Befehlshaber der leichten Kavallerie und einer
der tapfersten Generäle Napoleons in der
Schlacht von Wagram.
Rezepte und Ratschläge
für die Hausfrau
Auch eine T artarensauce bildet eine ieine
Beigabe zu kaltem Braten. Man kann sie auf
zweierlei Arten herstellen: Entweder man bringt
in die oben beschriebene
Mayonnaise feingehackte
Gurken und gewiegten
Schnittlauch, oder man
bereitet aus 4 harten Ei-
gelb einen glatten Teig,
fügt Salz, Pfeffer, fein-
gehackten Schnittlauch
und ganz langsam unter
fortwährendem Schlagen
Oel hinzu.
Wenn Sie Ihre Braten-
scheiben warm auf-
tragen wollen, bereiten
Sie die dazugehörige
Sauce folgendermaßen:
In einem Aluminiumtopf
werden 25 g Butter und
20 g Mehl unter ständigem Umrühren erhitzt, ohne
jedoch die Masse braun werden zu lassen. Ist die-
selbe gut vermengt, wird sie vom Feuer genommen,
erkalten lassen. Darauf werden 400 g Bouillon oder
Wasser hinzugefügt und unter ständigem Um-
rühren das Ganze zum Kochen gebracht. Auf
kleiner Flamme wird die Sauce eine Stunde lang
kochen lassen. In einen Eßlöffel Milch oder Sahne
schlägt man ein Eigelb und fügt diese Masse der
Sauce bei, die nun nicht mehr als */* 1 messen
darf. Gut umrühren und einige Male kurz auf-
kochen lassen. Weist die so erhaltene Sauce Klümp-
chen auf, ist sie durchzupassieren. Im gegebenen
Falle gibt man noch etwas Butter, Salz und
Pfeffer hinzu. Dann gibt man die Bratenscheiben
hinein, läßt das Ganze heiß werden, und das gut
mundende Gericht ist fertig und kann sofort auf-
getragen werden.
151
Unsere Jubilare
In einem guten Buch habe ich einen Brief
gelesen, den der russische Dichter Niki,
Gogol an einen seiner Freunde über die
Frage:
„Wessen Los auf Erden das beste ist“
geschrieben hat.
Die Einleitung des Briefes hat mich, der
ich wie Ihr zu den Bergmännern gehöre, die
im vorletzten und letzten Jahrzehnt des
vorigen Jahrhunderts geboren sind, sehr
stark beeindruckt, so daß ich mich ent-
schlossen habe, Euch diese, meine lieben
Freunde und Jubilare, zur Kenntnis zu
bringen:
„Ich vermag Ihnen durchaus nicht zu
sagen, wessen Los auf Erden das schönere
ist und wem der bessere Teil beschieden
war. Früher, als ich noch törichter und
dümmer war, zog ich einen Beruf dem
anderen vor; jetzt dagegen erkenne ich,
daß das Los aller Menschen gleich be-
neidenswert ist. Alle erhielten den
gleichen Lohn — sowohl der, dem ein
Talent anvertraut war und der sich ein
zweites hinzuerwarb, wie der, dem fünf
Talente verliehen wurden und der noch
fünf weitere dafür zurückbrachte. Ich
glaube sogar, daß das Los des ersteren
noch besser ist, gerade weil er auf Erden
keinen Ruhm genossen und nicht von
dem Zaubertrank irdischer Ehren ge-
kostet hat wie der letzte. Wie wunderbar
ist doch die göttliche Gnade, die jedem
den gleichen Lohn bestimmte, der redlich
seine Schuldigkeit getan hat, ob er nun
der Zar oder der ärmste Bettler ist! Dort
werden sie alle gleich sein, denn sie alle
werden eingehen in die Freude ihres
Herrn und werden alle gleichermaßen
in Gott sein. Freilich hat Christus selbst
an einer anderen Stelle gesagt: „Im
Hause meines Vaters sind viele Woh-
nungen”; aber wenn ich mir diese Woh-
nungen vorstelle, wenn ich darüber nach-
denke, was die Wohnungen Gottes sein
mögen, kann ich mich nicht der Tränen
enthalten, und ich weiß, daß ich mich nie
entscheiden könnte, welche ich wählen
soll, wenn ich wirklich einmal gewürdigt
sein sollte, am himmlischen Reiche teil-
zunehmen, und wenn die Frage an mich
erginge: „Welche von ihnen möchtest du
wählen?” — ich weiß nur das eine, daß
ich antworten würde: „Die letzte, Herr,
wenn sie nur in deinem Hause ist!" —"
Freunde! Wir gehen dem Feierabend
unseres Lebens entgegen. Wenn wir rück-
wärts blickend in unser Leben schauen,
dann empfinden auch wir viel von dem,
was den Dichter Gogol im Innersten seines
Seins bewegte, so, als ob dieser Dichter
unser Leben gelebt hatte.
Auch wir, Du und ich, haben uns oft auf-
gebäumt gegen das, was uns Beruf war und
uns entgegenstand.
Wir hatten Ursache, mit vielem, was in
unserem Leben stand, nicht zufrieden, nicht
einverstanden zu sein.
Um die Jahrhundertwende, im Zeitalter
des Liberalismus, wurden wir in der Wirt-
schaft und im Staat nicht so behandelt und
beachtet, wie wir das auf Grund unserer
Leistung und unseres guten Willens bean-
spruchen konnten.
Wir, Du und ich, sind gegen diese Minder-
bewertung und Minderachtung aufgetreten
und haben uns als denkende Menschen da-
gegen zur Wehr gesetzt.
Wir haben uns, Einzelheiten möchte ich
hier nicht aufführen, die Gleichberechti-
gung in der Wirtschaft und im Staat er-
rungen und sind dadurch gleichwertige
Kontrahenten und Bürger mit gleichen
Rechten und Pflichten geworden.
Wir haben unser Lohn- und Arbeitsver-
hältnis durch Tarifverträge geregelt und
hierfür die staatliche Sanktion sichergestellt.
Mit Vollendung des 18. Lebensjahres wird
heute dem Schichtlöhner der volle Lohn ge-
zahlt, währenddem wir bis zum 24. Lebens-
jahre arbeiten mußten, um den vollen Lohn
zu bekommen. Wir beziehen neben dem
Lohn die Frauenzulage und das Kindergeld
und haben damit ein gesichertes Ein-
kommen, der Größe unserer Familie ent-
sprechend.
Wir haben wieder Sicherheitsmänner, die
für unseren persönlichen Schutz bei der
Ausübung unseres Berufes tätig sind.
152
Uns war leider in den ersten Jahren
unseres Arbeitslebens das Wort „Urlaub"
ein unbekannter Begriff. Wie groß war die
Freude, als 1920 dieses Wort als Tatbestand
in unser Leben gestellt wurde. Die Tat-
sache, daß z. Zt. im Jahre bis zu 24 Tagen
Urlaub im Bergbaustatut rechtlich garan-
tiert sind, ist Zeugnis der Gleichberech-
tigung.
Wir haben das Betriebsrätegesetz, durch
welches Kameraden unseres Berufes und
Vertrauens für unseres Standes Schutz und
Recht wirken können.
Die Gewerkschaften sind nicht mehr ge-
duldet, sondern staatlich anerkannt und
wirken in allen Fragen im Wirtschaftsleben
verantwortlich mit.
Wir haben die sozialversicherungsrecht-
liche Gesetzgebung gegenüber dem Stand
am Tage unserer ersten Schicht wesentlich
verbessert.
Wir haben im Betrieb eine technische
Entwicklung erlebt, die wir um die Jahr-
hundertwende nicht für möglich gehalten
hätten. Nicht immer haben wir uns mit den
technischen Neuerungen schnell befreundet,
und doch müssen wir anerkennen, daß
vieles durch die Maschine für den Arbeiter-
Menschen leichter und besser geworden
ist. Vergegenwärtigen wir uns nur einmal
unsere Schlepperzeit mit dem heutigen Zu-
stande. Denken wir auch an das Bohren im
Hangenden oder im Liegenden mit dem
Schlagbohrer, dem Schlegel oder dem
Fäustel. Welche Mühe und wieviel Schweiß
hat schon das Bohren mit dem Drehbohrer
in der Kohle gekostet?
Ich höre den Einwand — die Zeit war
doch schöner, als dies heute der Fall ist.
Hand auf's Herz, ist dies in allen Fällen
richtig? Ich weiß, die Arbeit des Berg-
mannes war Schwerstarbeit und wird es
bleiben.
Wir konnten dank dem technischen Fort-
schritt in der Zeit unseres Arbeitslebens
erreichen, daß beinahe alle Belegschafts-
mitglieder, die in dem natürlichen Rekru-
tierungsgebiet der Saargruben wohnen, täg-
lich zu ihren Familien zurückkehren
können. Was dies bedeutet, kann nur der
beurteilen, der das Leben im Schlafhaus
oder Privatquartier führen mußte. Im Jahre
1910 konnten etwa 11 000 Kameraden
wöchentlich nur einmal zu ihren Familien
zurückkehren.
Fahrgeldauslagen kennt der Saarberg-
mann nicht mehr. Es war keine Seltenheit,
daß 25 bis 30 Mk. des monatlichen Ein-
kommens hierfür verwandt werden mußten.
Wir sind auf dem besten Wege, die
Wohnungsnot, welche besonders durch den
letzten Krieg so groß geworden ist, durch
Eigenhilfe und mit Hilfe der Regie des
Mines de la Sarre vorbildlich und schnell
zu lösen.
Liebe Jubilare!
Wenn wir, rückwärtsblickend, unser
Leben als Arbeiter und Bürger im Geiste
überschauen, stellen wir Fortschritte fest,
die wir vor 40 und 50 Jahren nicht für mög-
lich gehalten haben.
Wenn wir uns jetzt, vor dem Feierabend
unseres Lebens, die Frage stellen: Wessen
Los auf Erden das beste ist? so müssen wir
bei klarer Überlegung mit demDichterGogol
bekennen: — daß das Los aller Menschen
gleich beneidenswert ist! —
Auf die Frage, ob unser Leben lebens-
wert war, dürfen wir aus ganzem Herzen
— Ja! — sagen. Ja sagen in dem Bewußt-
sein der Pflichterfüllung und im Hinblick
auf die Zukunft unserer Kinder, Für diese
haben wir gelebt und gearbeitet.
Unseren Nachkommen haben wir den
Weg in die Zukunft leichter und sicherer
gemacht, als dies in unserem Arbeitsleben
der Fall war. Die uns gestellten Aufgaben
— dies können wir mit Zufriedenheit
sagen — haben wir nach bestem Willen
und Können erfüllt.
Dieses Bewußtsein soll im ferneren Leben
unser Wegbegleiter sein. Für den zukünf-
tigen Lebensweg Euch, liebe Jubilare, ein
herzliches Glückauf! A. L.
*
Am 30. Juni 1949 waren in den Betrieben der
Regie des Mines de la Sarre
6 Arbeiter und
7 Angestellte beschäftigt,
die in der Zeit vom 1. Juli 1897 bis 30. Juni
1898 angefahren sind.
Außerdem waren am 30. Juni 1949
432 Arbeiter und
72 Angestellte beschäftigt,
die in der Zeit vom 1. Juli 1908 bis 30. Juni
1909 angefahren sind.
Von 102 Jubilaren war der Großvater und
Vater Bergmann; von 364 Jubilaren war nur der
Vater Bergmann. Von den Jubilaren arbeiten
182 Söhne in den Betrieben der Saargruben.
153
Zu den Jubilaren, die auf eine 50jäh-
rige ununterbrochene Tätigkeit bei den
Saargruben zurückblicken können, ge-
hört auch der Obersteiger Jakob John,
Grube Reden. John entstammt einer
alten, eingesessenen Bergmanns-Bauern-
familie aus Lummerschied, wo er
am 17. September 1884 zur Welt kam.
Im Jahre 1898 ist er als Bürolehrling
angefahren, ist aber dann in den Gru-
benbetrieb übergegangen, nachdem er
sich entschlossen hatte, Grubensteiger
zu werden. Die Bergvorschule und die
Bergschule besuchte John von 1903 bis
1906.
Am 1. Mai 1909 wurde er in Reden
als Steiger angestellt. Seine Tätigkeit
als Abteilungssteiger von 1911 bis 1922
wurde durch 4 Kriegsjahre unterbrochen. Am 1. Januar 1922 wurde er Fahrsteiger im Fettkohlen-
feld und am 1. April 1939 Obersteiger auf Grube Itzenplitz. Seit dem 1. Juli 1946 leitet John das
Ausbildungswesen des Steinkohlenbergwerkes Reden.
Friedrich Bauer, geboren am 16. 4.
1890, wohnhaft in Elversberg, Herren-
straße 45a, erlernte zunächst das Bau-
schlosserhandwerk und legte am 30. April
1907 die Gesellenprüfung ab. Da er aus
einer Bergmannsfamilie stammt, ist er
am 9. April 1909 auf Grube Heinitz an-
gefahren, hat dort seine Hauerprüfung
abgelegt und wurde im Jahre 1919 nach
der Kokereiwerkstatt Heinitz verlegt,
wo er z. Zt. noch tätig ist. Bauer ist
verheiratet, hat 4 Kinder, die alle in den
Betrieben der Saargruben, und zwar
3 Söhne auf Grube Heinitz und einer in
der Kokerei Heinitz tätig sind. Von
1928 bis 1938 war Bauer Knappschafts-
ältester. Sein Vater war ebenfalls über 40 Jahre Bergmann. Von seinen Verwandten sind 16
Vettern Bergmann, und 8 Onkel haben je über 40 Jahre auf den Saargruben gearbeitet.
Adolf Klein, geb. am 4. 6. 1884, wohnt in seinem Eigen-
heim in Neunkirchen, Jägerhol 3, und ist am 5. 7. 1898 auf
Grube König angefahren, wo er heute noch als Förder-
maschinist im Angestelltenverhältnis tätig ist. Klein ist
verheiratet, hat einen Sohn, der als Angestellter bei den
Saargruben tätig war und als Kriegsteilnehmer vermißt ist.
ln seinem Arbeitsleben ist Klein 28 Jahre als Förder-
maschinist tätig.
Johann Funk, geboren am 24. Januar
1893, wohnhaft in Neunkirchen, Schloß-
straße 78, angefahren am 25. Januar
1909 auf Grube König, ist z. Zt. noch
als Anschläger und Telefonist daselbst
tätig. Aus seiner Ehe sind 6 Kinder
hervorgegangen, wovon 2 Söhne eben-
falls Bergmann sind. Vater und Groß-
vater von Funk waren ebenfalls in den
Betrieben der Saargruben beschäftigt.
154
Das Lebensbild von Di. G u t h ö r 1, geboren
am 25. Mürz 1895 in UchtelfangenlSaar, wohnhaft
in Bildstock, lllingei Straße 41, ist besonders
bemerkenswert. Derselbe stammt nicht aus
einer Bergmannsfamilie. Seine Vorfahren waren
fast ausnahmslos Müller und Bauern zugleich.
Im Bergmannskalender 1949, Seite 17, führten
wir im gleichen Ar-
tikel aus: ,, Berg-
mann und Bauer
stellen zwei Berufe
dar, die viele ge-
meinsame Eigen-
schaften haben".
Die Richtigkeit des
dort Gesagten wird
bei Dr. Guthörl un-
ter Beweis gestellt,
denn alle sieben
Brüder sind bei den
Saargruben tätig,
davon sechs als
technische Ange-
stellte.
Seine erste Schicht verfuhr er am 5. April
1909 auf Grube Göttelborn. Von 1912 ab be-
suchte er die Werkschuloberklasse zu Göttel-
born, danach die Bergvor- und Bergschule zu
Sulzbach bzw. Saarbrücken. Da er in der
Zwischenzeit Soldat wurde, konnte er seine Ab-
gangsprüfung an der Bergschule erst 1920 mit
dem Gesamtprädikat ,,gut" ablegen. Am
1. August 1920 wurde er auf Grube Friedrichs-
thal als Grubensteiger angestellt. Dort hat er
seiner inneren Veranlagung entsprechend unter
anderem 1 Jahr lang mit einem Stab von
Bergschülern Zeitstudien im Bergbaubetrieb
durchgeführt.
In einer persönlichen Unterredung mit Dr.
Guthörl konnte der Schreiber dieses feststellen,
daß er seinen Volksschullehrern sowie seinen
Lehrern an der Bergschule einschl. Werkschul-
oberklasse und Bergvorschule ein sehr gutes
Andenken bewahrt hat. Seine späteren Berufs-
erfolge, die ihn zum anerkannten Geologen
machten, verdankt er in der Hauptsache dem
Geologie- und Mineralogie-Unterricht, der von
Bergrat Hans Willert an der Bergschule Saar-
brücken erteilt wurde. Auf seinen Grubenfahrten
hat er immer und zu jederzeit aufmerksam das
vorkommende Gestein studiert und begnügte
sich nicht nur mit Aufsammeln und Aufbe-
wahren von Versteinerungen und Mineralien,
sondern er ergründete auch, was die einzelnen
darstellten. Es war ihm Bedürfnis, in die geo-
logisch-palaeontologische und mineralogische
Wissenschaft tiefer einzudringen. Er wurde von
Fachleuten der verschiedenen Universitäten des
In- und Auslandes anerkannt, und jederzeit
wurde ihm von diesen Instituten Rat und Hilfe
zuteil. Auf Kongressen der verschiedenen
geologischen und verwandten Gesellschaften
konnte er bereits von 1927 ab persönlich Füh-
lung mit Wissenschaftlern aus den verschie-
densten Erdteilen nehmen. Seinem ehemaligen
Ing. Div. Mr. Faucher hat er es insbesondere
zu verdanken, daß er ihn im Jahre 1924 zum
Wettersteiger der Division Helene ernannt hat.
In dieser Eigenschaft kam er an alle Betriebs-
punkte unter Tage und hatte so gut Gelegenheit,
das Hangende und Liegende der Flöze auf ihre
Fossilführung zu untersuchen. Die in dieser Zeit
geleistete Arbeit gab ihm die Grundlage für
eine später vorzunehmende Gleichstellung der
Flöze des Saarbrücker Steinkohlengebirges.
Mit dem Veröffentlichen von wissenschaftlichen
wie auch allgemeinverständlichen Abhand-
lungen und Aufsätzen größeren und kleineren
Umfanges konnte Dr. Guthörl 1929 beginnen.
Die Männer des Faches in der ganzen Welt
haben ihn ohne weiteres anerkannt, und so ist
es zu verstehen, daß er im Juli 1935 durch
den damaligen Generaldirektor der Saargruben
als Sammlungskustos an die Bergschule zu
Saarbrücken berufen wurde.
Im September 1935 wurde er als Vertreter
der Saargruben zur Teilnahme am 2. Inter-
nationalen Karbon-Stratigraphen-Kongreß nach
Holland entsandt. Hier konnte er mit den
Kohlen-Geologen aller Erdteile Verbindungen
anknüpfen. Dies war um so leichter möglich,
als er mit einer Anzahl Wissenschaftler schon
jahrelang im Briefwechsel und Schriftenaus-
tausch gestanden hatte. Kurze Zeit nach seiner
Rückkehr von diesem Kongreß hat ihm die Uni-
versität Frankfurt in Anerkennung seiner er-
folgreichen Erforschung der Saar-Geologie
ehrenhalber Titel und Würde eines Doktors der
Naturwissenschaften verliehen. Einige Zeit vor
der Ehrenpromotion wurde ihm von der
Senckenbergischen Naturforschenden Gesell-
schaft zu Frankfurt a. M. aus dem gleichen An-
laß die Eiserne Senckenberg-Ehrenmünze ver-
liehen, und er wurde zum Mitarbeiter dieser
Gesellschaft ernannt.
Leider haben die geologischen Sammlungen,
die 1939 einen gewissen Abschluß erreichten,
Zwei gute Fachgeschäfte
Uhren - Opi - Lieferant der Kranken kassen
Bahnhofstresse 5
Gold - Silberwaren -
Kristall - Porzellan - Bestecke
Bahnhofstrasse 22
155
zum Teil durch den Krieg sehr gelitten.
Dr. Guthörl baut, dank der Unterstützung der
Regie des Mines de la Sarre, wieder neu auf.
Schriftstellerisch ist Dr. Guthörl in der einschlä-
gigen Literatur der Welt kein Unbekannter.
Dies gilt auch lür das Saarland. Hier hat Dr.
Guthörl in bebilderten Aufsätzen im Berg-
mannskalender und in den verschiedenen
Tageszeitungen viel zum allgemeinen Ver-
stehen der geologischen Verhältnisse unserer
Heimat beigetragen. Seit 1940. kann er die ge-
sammelten Erfahrungen — da er als hauptamt-
licher Lehrer an der Bergschule in Saarbrücken
tätig ist auch den Bergschülern vermitteln.
Eine beachtenswerte Feststellung
Unter dem 23. April 1949 hat die Ver-
waltung der Saar-Knappschaft festgestellt,
daß an 32 ehemalige Belegschaftsmitglieder
der Saargruben Pensionen gezahlt werden,
die im Jahre 1949 das 90. Lebensjahr voll-
endet hatten oder es im Jahre 1949 voll-
enden.
Diese Jubilare — deren Name, Wohnort,
Dienstzeit und letzter Arbeitsort nach-
stehend aufgezeigt wird — grüßen wir ehr-
fürchtig mit Glückauf!
Name Wohnort Beitrags- monate Zuletzt beschäftigt auf Grube:
Baltes Johann Hüttersdorf, Hauptstraße 428 Reden
Bambach Jakob Schmelz-B., Limbacher Straße 406 Friedrichsthal
Bund Georg Spiesen, Hauptstraße 331 Kraftw. Heinitz
Bilke Christian Dudweiler, Klosterstraße 511 Dudweiler
Bolley Friedrich Werschweiler, Nr. 40 381 Kohlwald
Christmann Mathias Holz, Heusweilerstraße 423 Camphausen
Dörr Valentin Oberbexbach, Hauptstraße 459 Bexbach
Ettelbrück Heinrich Saarbrücken 5, Pfaffenkopf 439 Von der Heydt
Engelmann Jakob Wiebelskirchen, Ostertaler Str. 487 Kohlwald
Fuchs Nikolaus Rubenheim, Nr. 1 415 Altenwald
Fisch Johann Nalbach, Schietstraße 176 Gerhard
Gallo Adam Münchwies, Altstraße 439 Frankenholz
Herges Mathias Sulzbach, Im Kloster 460 Heinitz
Hoffmann Niki. Wiesbach, Eiweilerstraße 420 Göttelborn
Hild Peter Saarwellingen, Lebacher Straße 408 Gerhard
Hoffmann Jakob Kutzhof, Hofstraße 247 Maybach
Jenal Mathias Saarwellingen, Puhlstraße 406 Camphausen
Kaiser August Oberbexbach, Ottweilerstraße 444 Bexbach
Klos Peter Wiesbach, Eiweilerstraße 437 Göttelborn
Limbach Nikolaus Stennweiler, Wemmetsweilerstr. 284 Reden
Mathieu Wilhelm Konstanz, Hoheneggstraße 585 Viktoria
Maier Nikolaus Ensdorf, Hülzweilerstraße 480 Ensdorf
Mosmann Wilhelm Friedrichsthal, Elversberger Str. 486 Altenwald
Mersdorf Jakob Biehl, Nunkircher Straße 312 Heinitz
Oberkircher Jakob Kirkel, Abstäberhof 281 König
Schmidt Heinrich Saarbrücken 5, Pfaffenkopf 396 Von der Heydt
Schmidt Peter Spiesen, Hauptstraße 377 . Heinitz
Schmitt Peter Wadrill, Nr. 127 318 Itzenplitz
Schwarz Johann Höchen, Websweilerstraße 411 Kohlwald
Volz Friedrich Wiebelskirchen, Kirchenstraße 531 Kohlwald
Vogel Mathias Limbach, Kirchholzstraße 402 Brefeld
Weyrich Philipp Dilsburg, Völklinger Straße 118 Brefeld
156
Kameead$cha(tlichec yeist
J'lief untec dec £>cd
Jugend - Erinnerung eines saarländischen Bergmanns
Nacherzählt von Karl Hollborn, Saarbrücken
Auf der Pensionärbank der Spieser Höhe,
zwischen Neunkirchen und Spiesen, traf
ich den alten Bergmann sitzend im
Kreise von Kameraden. Ich befand mich
auf einem Ferienspaziergang, hatte Zeit und
lauschte der Unterhaltung der alten Berg-
knappen. Sie sprachen von verhängnisvollen
Augenblicken im Bergwerk, von Unfällen und
von der Hilfsbereitschaft der Kameraden.
Neben mir saß ein alter Graukopf, dessen
Augen noch hell blinkten. Dieser nahm nach
der Erzählung eines anderen Pensionärs das
Wort und hub an: „Ich will Eich mol ebbes
verzehle, was mir als Bub in der Grub passiert
is, mei Lebdag denk ich dran." Mein Tabaks-
beutel hatte schon die Runde gemacht, ich
durfte ihn unterbrechen und sagte: „Wartet,
Vetter, einen Augenblick, ich will steno-
graphieren", griff zum Notizbuch und Bleistift
und schrieb mit. Der Alte verstand die Er-
zählerkunst, er hatte erwartungsvolle Zuhörer.
Ich wähle zur Wiedergabe seiner ausführlichen
Schilderung eines kameradschaftlichen Dienstes
zum besseren Verstehen die Schriftsprache.
„Mein Vater wurde im Streik 1893 abgelegt.
15 Jahre hatte er in Dechen gearbeitet. Mit der
ganzen Familie zog er nach Westfalen, nach
Herne. Auf der Zeche Chamrock wurde er ange-
nommen. Ich war damals 16 Jahre alt und kam
auch in die Grube, als Pferdejunge. Das war
eine schöne Zeit. Als ich vom Militär abkam,
da war mein Vater wieder in der Heimat, und
ich fuhr auf König an. Aber ich will ja er-*
zählen, was mir als Pferdejunge passiert ist
und wie mir geholfen wurde. Ich habe es schon
oft erzählt, wie es doch gute Kameraden unter
uns Bergleuten gibt, wie ich einen hatte. Eines
Tages hatte ich kurz vor Schichtschluß in eine
der hintersten Grundstrecken der 4. Sohle
von Chamrock einen leeren Zug gebracht, und
müde wanderte ich dem Schachte zu. Alice, die
treue braune Stute, trottete mit hängendem
Kopfe hinter mir her. Die Holzschuhe, in denen
ich ging, waren mir ungewohnt, sie drückten
mich schmerzlich. Die Holländer sollen die
Holzschuhe in den westfälischen Gruben hei-
misch gemacht haben. Um mich von diesen
Schuhen zu befreien, suchte ich mir unweit des
Schachtes ein Ruheplätzchen. Zur 2. Sohle, wo
der Pferdestall war, konnte ich noch nicht
fahren, weil noch Leuteförderung stattfand.
Ich zog den Gaul in eine Nebenstrecke, wo
ein „Sumpfschacht" war, hing meine Lampe
an das Gitter und warf den Zügel darüber. Der
Gaul mag wohl geträumt haben, denn kaum
hatte ich auf einem vor dem Gitter liegenden
Balken Platz genommen, warf „Alice" den
Kopf in die Höhe und damit den Zügel und
meine helleuchtende Lampe, deren Traghaken
im Zügelende lag. Ich hörte das Aufschlagen
der Lampe im Sumpfwasser und saß im
Dunkeln. Der Schreck saß mir zugleich in den
Gliedern. Die mir anvertraute Lampe, ein
Heiligtum des Bergmanns! Welch ein Verlust!
Ich muß sie wohl bezahlen? Was wird sie
kosten? Was wird der Steiger sagen und der
gestrenge Lampenmeister? Ich werde wohl ent-
lassen? Bebend glitt ich in die Holzschuhe und
tastete mich in den Querschlag. Vom nicht
allzufernen Schachte blinkten noch einige
Lampen, die letzten Leute fuhren wohl hinaus.
Da tauchte hinter mir ein Licht auf, und ich
hörte das Klipp-Klapp von Holzschuhen. Bald
hatte mich ein Kumpel, der wohl als letzter
zum Schacht wanderte, erreicht. Ich sah den
Abzieher von einem Plumpsack vor mir, dessen
Arbeitsstätte ein Ziel meiner Fahrten war.
„Was is, Jung?" fragte er in seiner ostpreußi-
schen Mundart. Ich kannte ihn nur mit seinem
Vornamen Heinrich. „Mei Lamp leit im
Sumpe", antwortete ich echt saarländisch und
dabei weinerlich. Ich mußte ihn zum Sumpf-
schacht hinführen, wo der schuldige Gaul neu-
gierig den Kopf nach uns drehte. „Ich will
Dich helfen, Du bleibst da." Heinrichs Worte
waren mir Musik, voll Freude ließ ich mich
wieder auf dem Balken vor dem Gitter nieder.
Es dauerte aber längere Zeit, bis der Helfer
wiederkam. Er war zum Schacht gegangen und
ließ von oben einige Latten und ein Stück
Draht herunterkommen. Bald hatte er ein Such-
gerät fertig. Aber alle Bemühungen, aus dem
ca. 10 m tiefen Sumpfloch die Lampe heraus-
zuangeln, schienen vergeblich zu sein. Schweig-
sam und unverdrossen angelte Heinrich mit der
157
Mit einem Drahthaken durchwühlte er den Schlamm
zusammengenagelten Latte. Mit dem Draht-
haken am Ende der Latte durchwühlte er den
Schlamm. Es verging eine Zeit, die mir wie
eine Ewigkeit vorkam. Auf einmal zog Heinrich
langsam und bedächtig die lange Stange in die
Höhe, und welch ein Glück: in dem Drahthaken
hing mit ihrem Haken die Lampe, die wie ein
Schlammklumpen aus-
sah. „Jung, da hast du
die Lamp." Wie einen
kostbaren Schatz nahm
ich die um 2 Uhr noch
so blitzblank gewesene
Lampe entgegen. Ich
konnte, voll Rührung,
vor dem älteren Manne
meine Dankesworte
nur stammeln. ,,Is schon
gut, Jung", sagte er
väterlich. Wir fuhren
mit dem Gaul zur
2. Sohle in den Stall
und dann nach oben.
Es war schon 6 Uhr
geworden,Der Lampen-
meister hatte bereits
das Fehlen von zwei
Lampen gemeldet, und
wir wurden sogleich
zum Betriebsführer ge-
schickt. Das Resultat
des Verhörs verlief
gnädig für mich, ich wurde später zur Vorsicht
ermahnt. Als wir das Zechentor passiert hatten,
kam uns die Frau des guten Kameraden ent-
gegen; sie war in Sorge um ihren Mann. Dieser
sagte nur kurz: „Ich hab gemußt dem jung
Kamrad helfen."
Hoch klingt das Lied vom braven Bergmann!
Rezepte und Ratschläge
für die Hausfrau
Schinkenauflauf
200 g gekochter, magerer Schinken wird durch
die Fleischmühle getrieben. Von 2 Eßlöffel Butter,
3 Eßlöffel Mehl und Vs I Milch bereitet man einen
Rahmbeiguß, den man Vs Std. durchkochen läßt;
hernach würzt man mit Salz und Paprika und
mengt zuletzt den Schinken, einen Eßlöffel zer-
lassene Butter, 6 Eigelb und den steilgeschlagenen
Schnee darunter. 50 g Schinken werden in
Scheiben geschnitten, mit Portwein oder Cognac
durchtränkt und beigegeben. Nun füllt man die
ganze Masse in eine Auflaufform und läßt sie
in heißem Ofen 20 Minuten aufziehen.
Bretonisehes Hammelkeulengerieht
Die Hammelkeule wird angebraten, nachdem
man sie mit 2 Knoblauchzehen bespickt hat. Da-
nach in den heißen Backofen geschoben, wo sie
eine dicke Kruste bildet und innen gut durchblutet
bleiben soll, (Pro Pfund rechnet mit V* Stunde
Schmorzeit.)
Am Vorabend werden weiße Bohnen einge-
weicht, in dem etwas gesalzenen Einweichwasser
gekocht, die Knochen der Hammelkeule, etwas
Thymian, Lorbeer, Petersilie, Zwiebeln und zwei
Lauchzehen zugegeben. Wenn die Bohnen weich
sind, werden sie abgegossen und mit etwas Sauce
vom Keulenbraten übergossen.
Die Hammelkeule wird getrennt von der Sauce,
zusammen mit den Bohnen aufgetragen.
Lammkeule und Pilzragout
Eine Lammkeule wird gebraten wie oben be-
schrieben, mit Salz und Pfeffer gewürzt und etwas
geschmolzener Butter übergossen. Die Lammkeule
ist nie so durchblutet wie die Hammelkeule. In
Scheiben aufgeschnitten wird sie getrennt von der
Sauce serviert. Lammkeule und Pilzragout bilden
ein vortreffliches Gericht.
Pilzragout
Für 6—8 Personen. 1 kg Pilze werden geschält
und gewaschen. In rohem Zustand drückt man sie
durch die Kartoffelpresse. Man erhält ein Pilz-
haschee, das man zunächst in einem Tuch gut aus-
drückt, damit das an den Pilzen enthaltene
Wasser abgeht. In einer Kasserolle läßt man ein
Stück Butter zergehen und gibt das Pilzhaschee
hinzu, das man zuvor mit etwas Zitronensaft be-
gossen hat. Nun wird das Ganze etwa 10 Minuten
kochen gelassen. Dann nimmt man es vom Feuer
und bindet mit einer ziemlich dicken Bechamel-
sauce. Mit Pfeffer, Salz würzen, einem Eigelb
binden und noclr eine Zeitlang im warmen Ofen
lassen, ohne es jedoch zum Kodien zu bringen.
158
JuUs l/et#*e
Ein Schriftsteller, der die Zukunft richtig sah
Von Studienrat Hensel, Homburg (Saar)
Nichts reizt den menschlichen Geist
mehr als die Behauptung, in die
Zukunft sehen zu können. Seit Be-
stehen der Menschheit gibt es Schlau-
köpfe, die sich dies zunutze gemacht
haben, um Kapital daraus zu schlagen. Un-
zählige Mittel und Mittelchen wurden an-
gewandt, um leichtgläubige Mitmenschen
mit der Angabe zu betrügen, die Zukunft
deuten zu können. Nicht immer lag absicht-
licher Betrug vor, oft waren die Wahrsager
von ihren Fähigkeiten überzeugt. Allein
schon die Tatsache, daß der Wahrsager
seine eigene Zukunft nicht Vorhersagen
kann, sollte genügen, um an seiner prophe-
tischen Gabe zu zweifeln.
Berühmt ist aus der Geschichte das del-
phische Orakel, ein von Priestern ein-
gerichtetes mystisches Heiligtum, das schon
viele hundert Jahre vor Christi Geburt ge-
nannt wird, über einer Erdspalte, der giftige
Dämpfe entströmten, befand sich auf einem
Dreifuß der Platz einer Priesterin — der
Pythia. Von den Dämpfen umnebelt oder
berauscht, stammelte die Pythia zusammen-
hanglose Sätze, die von der Priesterschaft
gedeutet und den Fragern nach Opferung
kostbarer Schätze mitgeteilt wurden.
Meist waren diese Deutungen doppel-
sinnig formuliert. Alexander der Große, der
vor seinem Perserfeldzug das Orakel von
Delphi um den Ausgang des Krieges be-
fragte, erhielt z. B. die Antwort: ,rO König,
wenn du die Grenze überschreitest, wirst
du ein großes Reich zerstören." Alexander
soll daraufhin den Krieg begonnen haben.
Das Reich, das er zerstörte, war aber sein
eigenes. (Nebenbei bemerkt, hätte auch
Hitler diesen Orakelspruch verdient.)
Von all den geschäftstüchtigen Dunkel-
männern — Kartenlegern, Traumdeutem,
Astrologen, Chiromanten, Hellsehern — die
behaupten, wahrheitsgetreue Aussagen über
die Zukunft machen zu können, unter-
scheiden sich nun sehr wesentlich jene
Personen, die keinen Anspruch darauf er-
heben, die Zukunft wirklich deuten zu kön-
nen, die vielmehr aus ihrer Phantasie her-
aus ein Bild der Zukunft entwerfen.
Dichter und Schriftsteller fühlen sich
bisweilen veranlaßt, Zukunftsromane zu
schreiben. Politiker, Soziologen stellen Uto-
pien auf, d. h. sie versuchen, die Geschichte
in ihrem wahrscheinlichen Ablauf vorher-
zusagen, wobei ein Anteil an persönlicher
Phantasie unerläßlich ist.
Fast jedes europäische Land und die
neue Welt haben Dutzende von Schrift-
stellern hervorgebracht, die sich an phan-
tastische Romane und Zukunftsschilde-
rungen wagten. Aber nur wenige haben
sich über ein mittelmäßiges Niveau heraus-
gehoben und sind wirklich schöpferisch,
ursprünglich und einmalig: die Engländer
Victor Bellamy, H. G. Wells; die Franzosen
Jules Verne, Villiers de l'Isle Adam, Mau-
rice Renard; die Deutschen Kurd Laßwitz,
Hans Dominik, Karl Grunert u. a. m.
Zu den besten Schriftstellern dieser
Gruppe, den Klassikern der phantastischen
Literatur, gehört Jules Verne. Geboren am
8. Februar 1828 in Nantes, schrieb er seit
1863 viele phantastische Reiseromane (82
Bände), in denen er naturwissenschaftliche
Tatsachen und Probleme der damaligen
Zeit volkstümlich verwendete. Der schlichte
einfache Stil und die Großartigkeit seiner
Ideen begeisterte zahllose junge Menschen,
denen er Interesse für Naturwissenschaften
und Technik abnötigte. Er wurde dadurch
der Wegbereiter für viele Techniker und
Ingenieure. Jedes seiner Bücher atmet einen
hohen sittlichen Wert. Es war ihm nicht
nur darum zu tun, irgendeine wertlose
phantastische Idee zu Papier zu bringen,
sondern sie unter dem Hinweis auf ein
erstrebenswertes Ziel zu kennzeichnen,
stets verknüpft mit dem Idealismus des
Forschers, mit der Verachtung eigennütziger
159
Absichten. Er gab in seinen Zukunftsbildern
keine leeren Sensationen wie viele seiner
bläßlichen Nachahmer, sondern zum großen
Teil wirklich vorausgefühlte Tatsachen. Er
starb 1905 in Amiens, ohne erleben zu kön-
nen, wie ein großer Teil seiner Zukunfts-
bilder in rascher Folge Wirklichkeit wurde.
Wir greifen einige seiner Werke heraus, um
dies zu beweisen.
Der zweibändige Roman ,,20 000 Meilen
unter dem Meeresspiegel": Ein Kapitän hat
ein U-Boot konstruiert, das durch elektrische
Batterien seinen Fahrtantrieb bekommt und
in größte Tiefen tauchen kann. Viele 1000
km legt es unter Wasser zurück. Die U-Boot-
Reisenden schildern die aufregendsten
Abenteuer. Mit Taucherausrüstungen, wie
sie viel später erst erfunden wurden, ver-
läßt man das U-Boot unter Wasser und
unternimmt Ausflüge auf dem Meeresgrund.
Viele Meerungeheuer und Tiefseefische
werden beschrieben, das sagenhafte Atlantis
wird besucht, Unterwasservulkane besich-
tigt. Unter dem Eis dringt man bis in die
Nähe des Südpols vor, um auf dem Festland
dort seine Fahne in den Pol zu setzen. Aus
dem Roten Meer gelangt man durch einen
unterirdischen Kanal zwischen Suez und
Port Said ins Mittelmeer.
Ein gewaltiger Ideenreichtum wird uns
zuteil. Was aber ist davon Wirklichkeit ge-
worden? Zunächst das U-Boot selbst. Erst
1888 gelang es dem Franzosen G. Zede, ein
tauchfähiges, elektrisch betriebenes U-Boot
zu konstruieren, das er jedoch nur für un-
mittelbare Küstennähe verwenden konnte.
Bis zur Entwicklung von Langstrecken-
U-Booten im Sinne Jules Verne's dauerte es
noch bis fast in die
Mitte unseres Jahr-
hunderts.
Die Entdeckung
des Südpols ist er-
folgt durch Amund-
sen (1911) und Scott
(1912). Man weiß
heute, daß auf dem
Südpolfestlandsge-
biet grosse, nicht zu-
frierende Seen exi-
stieren, auf denen
bereits amerikani-
sche Forschungs-
flugzeuge von Byrd
gewassert sind. Tau-
cherausrüstungen,
mit denen Menschen
auf dem Meeres-
grund in etwa 30 bis
40 m Tiefe arbeiten
können, sind eben-
falls Wirklichkeit
geworden. Die Land-
enge zwischen Suez und Port Said wurde
durch den Suezkanal durchstochen, und wer
weiß, ob nicht unterirdische Verbindungen
zwischen dem Roten Meer und dem Mittel-
meer tatsächlich noch entdeckt werden.
Ein zweiter Roman ,,Die Reise um die
Erde in 80 Tagen" ist längst wahr geworden,
sogar 20fach übertroffen.
Der Kampf um die Entdeckung des Nord-
pols, der u. a. in „Kapitän Hatteras" ge-
schildert wird, wird ausgetragen und die
Entdeckung vollzogen. Cook 1908, Peary
1909, Amundsen 1925, Byrd 1926 sind die
Namen, die sich mit der Entdeckung des
Nordpols verknüpfen.
In ,,Robur, der Sieger", schildert Jules
Verne die Erfindung eines Flugzeuges, das
schwerer als Luft ist und durch Motorkraft
gehoben wird. Nur Ballonflüge waren zu
Lebzeiten Jules Verne's bekannt. Die Vor-
hersage des Motorflugzeuges ist großartig
in Erfüllung gegangen 1904 durch die Ge-
brüder Orville und Willbur Wright.
20 000 Meilen unter dem Meeresspiegel
160
Ein sehr interessanter Band „Das Dorf in
den Lüften” behandelt die Erlebnisse einiger
Forscher, die in den Urwald eindringen und
dort unter Affen geraten, die auf den Bäu-
men leben, ihre Behausungen als Dorf in
den Lüften ausbauen und eine Existenz
führen, die der der Urwaldmenschen nahezu
gleichkommt. Die Forscher untersuchen
während ihres Aufenthaltes im Urwald die
geistigen Fähigkeiten, die Gepflogenheiten,
die Lebensweise, die Sprache, kurzum den
gesamten Charakter dieser Lebewesen. Jules
Verne läßt hier die Reisenden eine Wissen-
schaft ausüben, die man Tierpsychologie
nennt. Biologen wissen, daß solche tier-
psychologischen Studien später in realer
Form verwirklicht wurden. Die Unter-
suchungsstation auf Teneriffa wurde durch
ihre Experimente mit Affen, insbesondere
mit Schimpansen, in den Kreisen der Natur-
wissenschaftler weit bekannt. Die Intelli-
genz der Schimpansen wurde systematisch
untersucht. Einige Beispiele seien hier an-
geführt:
Es kam darauf an, festzustellen, wie weit
diese Tiere in der Lage sind, Werkzeuge zu
benutzen. Denn gerade in der Heranziehung
von Werkzeugen dürfte sich der atavistische
Mensch vom Tier unterschieden haben, das
nirgends in der Natur sich Werkzeuge her-
stellt und benutzt. Da jede Erziehung bei
Tieren über den Weg der Nahrungsauf-
nahme oder des Nahrungsentzuges geht,
sperrte man hungrige Schimpansen in einen
Käfig mit glatten hohen Wänden, die nicht
erstiegen werden konnten. An der Decke
befestigte man heißbegehrte, frische rote
Kirschen.
Durch Springen konnten die Kirschen
ebenfalls nicht erreicht werden. Im Käfig
aber befand sich eine Anzahl leichter Kisten,
die zu einer gewissen Höhe übereinander
gestellt werden konnten. Von der Höhe der
obersten Kiste waren dann die Früchte
leicht erreichbar.
Nach unendlich langen vergeblichen Ver-
suchen, die Kirschen durch Springen zu be-
kommen, ohne einen Kistenturm zu bauen,
gelang es einem Schimpansen, mehr durch
planloses Probieren im Aufbauen der Kisten
als durch sinnvolles Handeln, sich der
Kisten als Turm oder Leiter zu bedienen und
das Ziel zu erreichen. Jeder noch so primi-
tive Mensch hätte augenblicklich zu den
Kisten gegriffen und den Aufbau planvoll
getätigt. Versuche mit besonneneren grö-
ßeren Orang-Utan-Affen führten etwas
rascher zum Ziel als bei Schimpansen.
Weiter hat man die Affensprache unter-
sucht und die Tierlaute durch Schallplatten-
aufnahmen festgehalten. Später ließ man die
Platten bei bestimmten ähnlichen Verhält-
nissen wieder abspielen, um zu sehen, wie
Robur, der Sieger
die Tiere darauf reagieren würden. Man
kann mit Sicherheit sagen, daß viele Laute
immer wieder dieselben Reaktionen bei
ihnen auslösten, z. B. Warnschreie oder
Wutlaute, ebenso Rufe, die Hunger oder
Furcht, Flucht oder Sammlung bedeuten und
dergleichen.
Das „Dorf in den Lüften” behandelt in
phantasievoller Art viele derartige tierpsy-
chologische Fragen.
Greifen wir weitere Bücher heraus: „Die
Idee des Rentiers Ochs”, eine humoristische
Utopie. Eine ganze Stadt beginnt zu be-
stimmter Zeit streit- und zanksüchtig zu
werden. Zwei hervorragende Freunde und
gleichzeitig bedeutende Persönlichkeiten
der Stadt geraten ebenfalls in einen nicht
endenwollenden Streit. Im Laufe ihrer Zank-
periode aber besteigen sie einen hohen
Turm. In der luftigen Höhe der Plattform
11
161
werden sie plötzlich wieder friedlich mit-
einander. Die seltsame Erscheinung wieder-
holt sich mehrfach: in der Höhe Frieden, am
Erdboden Zank! Des Rätsels Lösung ist die
absichtliche Ausbreitung eines giftigen
Gases durch einen Chemiker, das über dem
Boden der Stadt sich anlagert, die Höhe
aber freiläßt. Wer das Gas einatmet, wird
Die Reise nach dem Mond
„giftig", wer frischen Sauerstoff bekommt,
friedlich.
Ist diese Novelle nicht der erste Hinweis
auf den Gaskrieg? Kennen wir nicht heute
allerlei Reizgase, die die menschliche Natur
wesentlich beeinflussenkönnen? Vom,.Lach-
gas" (NO*), Tränengas bis zu den mörde-
rischen Giftgasen des ersten Weltkrieges.
Viel schauriger, als Jules Verne je geahnt,
ist die Idee von Rentier Ochs verwirklicht
worden.
Eine großartige Phantasie enthält das
Werk „Die Reise zum Mond". Ein Geschoß
(Projektil) wird durch eine riesige Kanone
zum Mond abgefeuert. In dem Projektil be-
finden sich todesmutige Männer, die das
Risiko einer solchen Reise auf sich nehmen.
Alle Vorbereitungen, sich bei der gewal-
tigen Explosion des Abschusses innerhalb
des Geschosses nicht selbst zu töten, sind
getroffen worden. Besondere Sorgfalt galt
auch dem Schutz der Ohren, weil die Laut-
stärke der Detonation zweifellos das Trom-
melfell zum Platzen bringen würde. Wie
überrascht sind aber die Reisenden, als ge-
rade diese Wirkung nicht eintritt. Man er-
fährt, daß das Geschoß schneller davonflog
als der Schall. Es ist prachtvoll zu lesen,
wie hier zum ersten Male die Rede von so
schnell fliegenden Körpern ist, die dem
Schall entgehen. Heute liest man ohne be-
sonderes Erstaunen von Düsenflugzeugen,
die mit ihrer Geschwindigkeit die Schall-
geschwindigkeiten übertreffen. 1880 gro-
teske Phantasie, 1980 Alltäglichkeit!
Noch toller ist die Schilderung, wie das
Geschoß in weiter Entfernung von der Erde
der Anziehungskraft der Erde immer schwä-
cher, der des Mondes immer stärker unter-
liegt und endlich im Gleichgewicht zwischen
beiden als winziger Planet eine Kreisbahn
um den Mond beschreiben muß. Veröffent-
lichte nicht gerade vor einiger Zeit die
Presse einen Artikel: „Schwerelose Sta-
tionen als winzige künstliche Planeten im
Weltenraum?" Es handelte sich um eine
etwas verworrene Angabe, die der Bericht-
erstattung eines alliierten Kriegsministe-
riums entnommen sein sollte.
Es wurde darin gefordert, Projektile durch
Raketenantrieb in den Weltenraum abzu-
schießen, die als Beobachtungsstationen in
5000 km Höhe im Gleichgewicht zu schwe-
ben hätten, um von dort Erdunterneh-
mungen mit Radarstrahlen zu steuern.
Im Roman „Südstern" von Jules Verne
wird die künstliche Herstellung von Dia-
manten vorausgesagt, die später dem Fran-
zosen Moissan gelang.
Es ist überraschend, daß Jules Verne
chemische Probleme nur selten behandelt
hat. Seine Stärke lag fast ganz auf physi-
kalisch-mechanischem Gebiet. Man muß
allerdings bedenken, daß erst nach 1900,
d. h. also in den allerletzten Lebensjahren
Jules Vernes die Chemie durch die Ent-
deckung des Radiums (1896) jene unge-
heure Bereicherung erfuhr, die das gesamte
chemische und physikalische Weltbild um-
formte und bis zur heutigen Atomzer-
trümmerung und zur Atomkraftmaschine
führte. Zweifellos hätte uns Jules Verne
162
die großartigsten Zukunftsbilder des Atom-
zeitalters entworfen, wenn ihm bei Leb-
zeiten genügendes Wissen von den An-
fängen der Atomwissenschaft vermittelt
worden wäre.
schließen lassen. Die Temperatur des Erd-
innern kennt man nicht. Das tiefste Bohr-
loch beträgt ca. 5000 m in Kalifornien.
Bis zum Erdmittelpunkt sind es noch rund
lOOOmal so tief.
Wenn wir diesen Mann als einen Schrift-
steller ausweisen, der die Zukunft richtig
sah, wenn wir von ihm zahllose Prophe-
zeiungen als eingetreten feststellen, so sind
wir auch verpflichtet, nach den Voraus-
sagen zu fragen, die nicht eingetreten sind.
Hier nun lassen sich bei Jules Verne
zwei Arten unterscheiden. Erstens Voraus-
sagen, an deren Eintreffen der Dichter
selbst geglaubt haben mag und deren Er-
füllung sich früher oder später wohl auch
vollziehen wird. Zweitens aber Aussagen,
die nicht eigentlich phantastische Prophe-
zeiungen sein sollten, sondern die mehr
als Probleme des immerstrebenden mensch-
lichen Geistes aufgezeigt werden. Alle
diese Phantasien sollen uns beflügeln und
daran erinnern, wie klein der Mensch auf
dieser Erde ist und wie die unendliche
Natur uns immer wieder vor neue Auf-
gaben stellen wird.
Von eigenartiger Gestaltungskraft ist
das Büchlein: „Die Jagd nach dem Meteor“.
Ein Meteor aus reinstem Gold wird durch
eine sinnvolle Maschine eines Erfinders in
die Bahn der Erde gezwungen und auf diese
herabgezogen. Kaum ist die Landung des
Meteors bewerkstelligt, als die menschliche
Leidenschaft keine Grenzen kennt, sich
mit allen unredlichen Mitteln des Goldes
zu bemächtigen. Der Erfinder aber setzt
diesem schlechten Treiben ein Ende und
steuert den Meteor vom Lande in die un-
angreifbare Tiefe des Meeres.
Wunderbare Gedanken zur Frage der An-
ziehungskraft der Erde, der Schwerkraft,
werden in den Jules Verne'schen Büchern
aufgeworfen. Das Problem, der Schwer-
kraft zu entgehen oder sie zu beherrschen,
greift hinein in die Ideenwelt der jüngsten
Physik, und wer weiß, wie dereinst das
Problem der Gravitation (Schwerkraft)
noch tatsächlich beherrscht werden wird.
Ein ebenso bedeutungsvolles Problem ist
die Frage nach der inneren Beschaffenheit
der Erde. Ursprünglich glaubten die Wissen-
schaftler, das Erdinnere sei feurig-flüssig
oder gar gasförmig. Viele Anzeichen aber
sind neuerdings bekannt geworden, die auf
ein festes Erdinnere aus Nickel und Eisen
Jules Vernes „Reise nach dem Mittel-
punkt der Erde“ setzt sich auch mit diesem
Problem auseinander. Mit unglaublicher
Südstern,
Herstellung uon künstlichen Diamanten
Spannung verfolgt man die Erlebnisse toll-
kühner Forscher unter der Erde.
Jules Verne vertritt hier die Auffassung,
daß die Temperatur nach dem Innern der
Erde zu nicht gleichmäßig zunimmt, daß
vielmehr auch im Innern der Erde erträg-
liche Temperaturen herrschen könnten.
Möglicherweise ergibt sich eines Tages,
daß seine Annahme zutrifft.
Bei so vielgestaltigem Schaffen des
großen Schriftstellers konnte es nicht aus-
bleiben, wenn auch das uralte und immer
wieder neu behandelte Thema der Unsicht-
barkeit ihn zu einem Roman verlockte:
„Wilhelm Storitz Geheimnis“. Wer das Ge-
heimnis besitzt, sich unsichtbar zu machen,
wird der Beherrscher der Welt. Welcher
163
Leser wünscht sich nicht den Besitz dieser
Fähigkeit! Was würdest Du tun, wenn Du
unsichtbar sein könntest? Die Geschicke
Heise nach dem Mittelpunkt der Erde
der Welt hieltest Du in Deiner Hand. Die
Macht würde zu jeder Tat und Untat ver-
führen. Der Unsichtbare ist ebenso grauen-
voll wie mächtig, ebenso gespenstisch wie
wirksame Wahrheit. Der Unsichtbare ist
teuflisch und übermenschlich zugleich, da-
her muß vom ethischen Gesichtspunkt aus
der Unsichtbare zugrunde gehen wie
Wilhelm Storitz.
Niemand wird sich dem Zauber der
Jules Verne'schen Phantasien entziehen
können, wer ihn je gelesen hat.
Noch ein letztes Wort über den hohen
sittlichen Wert aller Verne-Bücher. In fast
keinem Roman fehlt das Gegenspiel von
Gut und Böse, aber Niedertracht, Schurke-
rei, Verbrechen wird stets besiegt von
edler, anständiger Gesinnung. Wieviel
Unglück und Leid auch manche seiner
Romanfiguren ertragen müssen, die Schuld
wird gesühnt, und die guten Werke setzen
sich durch.
Der Leser aber hat Teil an diesem Kampf.
Unwiderstehlich wird seine Anteilnahme
für Recht und Gesetz gewonnen. Welch zu-
tiefst empfundenes Mitleid spricht z. B. in
dem Werk ,,Ein Kapitän von 15 Jahren” zu
uns, wenn von den schrecklichen Methoden
der Sklaverei die Rede ist. Wir lernen den
Abscheu zu teilen, den alle charaktervollen
rechten Menschen gegen die Mißhand-
lung und Verschleppung der wehrlosen
Schwarzen empfinden, und wir begreifen
menschlich nahe den erbitterten Kampf der
Gerechtigkeit um die Abschaffung der
Sklaverei.
Jules Verne wurde uns so auch ein Vor-
kämpfer für die ewigen Symbole der
Menschenrechte, der Welt ein Beispiel von
ethisch gestaltender Kraft, ein Mann,
dessen Werke niemals vergessen werden.
Rezepte und Ratschläge
für die Hausfrau
Gefüllter Hecht,
italienische Art mit gedünstetem Reis
Ein mittlerer Hecht von etwa 1 kg wird ausge-
nommen, gewaschen, die Bauchhöhle ausgetrocknet
und mit Salz und Paprika eingerieben, etwa 200 g
geschabtes Rindtieisch mit einer eingeweichten,
ausgedrückten und durchgestrichenen Semmel,
einem Ei und dem Mark von 1—2 Tomaten gut
verrührt, mit Salz, Pfeffer, 1h Teelöffel Maggi und
gehackter Petersilie gewürzt, der Fisch gefüllt und
umbunden. Dann dünste man in 80 g Butter eine
fein gehackte Zwiebel hell, legt den Fisch auf, be-
gießt mit Büchsensahne oder Milch, setzt zwei
bis drei gehackte Sardellen sowie Kapern, Zucker
und Zitronensaft nach Geschmack zu und läßt den
Fisch gar werden. Außer Reis eventuell auch ein
Kompott als Beilage.
Schellfisch in pikantem Tomatenmus
750 g Schellfischfilets (auch Kabeljau oder
andere) einsalzen, paprizieren und mit Zitronen-
saft beträufeln. Dann kocht man 350—400 g klein-
gebrochene Spaghetti oder Makkaroni wie üblich
weich, kocht außerdem eine kleine Dose einge-
dicktes Tomatenmark mit knapp 3U 1 Wasser auf,
bindet mit 65 g mit einem Glas Weißwein glatt
gerührten Mehl, würzt mit Salz, Pfeffer, einigen
Tropfen Maggi, Muskat und gibt dies über die in
eine gefettete Pfanne gelegten Fischfilets, be-
streut mit geriebener Semmel, beträufelt mit
Butter und backt in mäßiger Hitze 25—30 Minuten.
164
Der Ursprung der Haustiere
Von Studienrat Erich Hagel, Homburg (Saar)
Alle unsere Haustiere stammen von Wild-
tieren ab. Unter Haustier verstehen wir
allgemein ein Tier, das im Zustand frei-
williger Gefangenschaft unter der Obhut
des Menschen steht, von ihm gepflegt wird und
ihm dafür Dienste leistet. Danach sind Hund,
Katze, Pferd, Rind, Schaf u. a. unbestreitbar
Haustiere. Wie verhält es sich aber z. B mit
dem Renntier, dem Elefanten oder dem Pfau?
Hier wird uns klar, daß wir mit der eben er-
wähnten Deutung nicht mehr ganz durchkommen.
Die Erklärung liegt darin, daß wir zwischen
Wild- und Haustieren die mannigfachsten Über-
gänge finden.
Vielfach waren Mut, Stärke und Gewandtheit
notwendig, um die Wildtiere einzufangen und
zu zähmen. Zahlreiche Haustiere wären längst
ausgestorben, wenn sie nicht der Mensch in
Pflege (Züchtung, Blutauffrischung) genommen
hätte. So gehörten z. B. das Pferd und das
Kamel der Vergangenheit an.
Für die Entwicklung der menschlichen Kultur
war die Zähmung von Wildtieren von unschätz-
barem Wert; denn erst als der Mensch ver-
stand, die Kraft des Tieres sich dienstbar zu
machen, da gewann er im Haustier den ersten
Gehilfen im Kampf um das Dasein. Dadurch
fand er Zeit, sich höheren Kulturbedürfnissen
zu widmen,
Die Haustierwerdung dürfen wir uns nicht
von Anfang an als die Folge einer zielbe-
wußten Handlung des Menschen vorstellen. So
fing der Mensch jedenfalls nicht zum erstenmal
ein Wildpferd ein, um es als Reittier zu be-
nutzen. Hierzu ist ein Wildpferd völlig unge-
eignet, da es viel zu schwach ist, einen
Menschen zu tragen. Desgleichen ist das Schaf
nicht seines Wollkleides wegen Haustier ge-
worden, denn die Wildschafe tragen ein Fell
von Deckhaaren, unter welchem sich nur im
Winter Wollhaare befinden. Auch das Wildrind
konnte nicht gleich als Pflugochse oder Milch-
kuh Verwendung finden und der Urmensch
konnte in diesem Tier auch nicht diese Fähig-
keiten vermuten. Zweifellos erfolgte die Haus-
tierwerdung in großen Zeiträumen, und der
Übergang zum nutzbaren Wirtschaftstier trat
wahrscheinlich erst ein, als es bereits lange
gezähmte Stalltiere gab.
Auffallend ist, daß die Mehrzahl unserer
wichtigsten Wirtschaftstiere aus Herdentieren
hervorgegangen ist. Viele Wildtiere schließen
sich zu Herden zusammen. Oft bestehen sogar
solche Herden aus Tieren verschiedener Art.
Welche Gründe hier maßgebend sind, ist für
uns Menschen nicht immer erkennbar.
Bisweilen nähern sich bestimmte Tiere dem
Menschen aus eigenem Antrieb. Das Renntier
beispielsweise ist auf den menschlichen Urin
sehr gierig, so daß es sich stets in der Nach-
barschaft der Zeltlager der Tschuktschen und
Samojeden aufhält. Im Orient wird der Reisende
in der Regel von Schakalherden begleitet. Sie
folgen der Karawane und suchen irgendwelche
Nahrungsmittel zu erhaschen. Während der
Europäer meist auf die Schakale schießt, läßt
der Orientale sie gewähren; denn durch be-
sonders starkes und anhaltendes Geheul
warnen die Schakale den Menschen und melden
ihm die Annäherung eines größeren Raubtieres
oder menschlichen Feindes. Deshalb schätzt der
Kenner der Steppe diese freiwilligen Wacht-
posten und stellt ihnen gerne seine Speise-
abfälle außerhalb des Lagers zur Verfügung.
Diese Beziehungen zwischen Mensch und Tier
bedingen jedoch noch nicht, daß man diese
Wildtiere zu Haustieren machen kann. Andere
Wildtiere, vom Sperling bis zum Steppenwolf,
leben als Halbschmarotzer bei uns, um sich von
unseren Resten zu ernähren, jedoch ohne sich
zähmen zu lassen. Wenn nun aber der Ur-
mensch sich junge Schakale einfing, sie zähmte
und an seine Wohnstätten bannte, dann hatte
damit die Haustierwerdung unseres Hundes
begonnen. Noch heute liegt im Orient die Auf-
gabe eines Haus- oder Hofhundes darin, durch
sein anhaltendes Gebell den Fremden zu
melden, nicht aber diesem den Zutritt zu ver-
wehren. Der orientalische Hund steht auch
nicht seinem Herrn im Kampf mit seinen
Feinden bei, sondern heult und lärmt nur
dabei. Der Hund hat also seine Schakalnatur
voll bewahrt.
Es genügt übrigens nicht, ein Tier anzulocken
und es bei sich zu halten, um es zum Haustier
zu machen. Es ist vielmehr notwendig, daß es
sich den neuen Umweltverhältnissen anpaßt.
Es genügt auch nicht, dem Wildtier nur Nah-
rung zu geben. Man muß ihm Lebensbe-
dingungen schaffen, die seinen natürlichen
ähnlich sind. Man hat bei uns viel mehr Tier-
arten aus wärmeren Gebieten eingeführt als
aus kälteren.
Bei der Haustierwerdung spielte auch das
Futter eine ausschlaggebende Rolle. Wir unter-
165
scheiden bekanntlich Pflanzen- und Fleisch-
fresser. Da die ersteren wegen der Futterbe-
schaffung leichter zu unterhalten sind, über-
wiegen sie auch bei unseren Haustieren. Selbst
in trockenen Gebieten gibt es immer noch aus-
reichend pflanzliche Nahrung, die z. B. dem
liitd 1: Das älteste Haustier des Menschen
Kamele genügt. Mit viel Geduld sucht das
Renntier sein dürftiges Futter unter dem
Schnee. Das Schwein als Allesfresser eignet
sich besonders zur Haustierhaltung. So finden
wir bei unseren Haustieren gewisse Eigen-
schaften, die ihre Haustierwerdung zumindest
förderten. Wenn der Hund sich unter allen
Fleischfressern ausgezeichnet hat, so liegt das
nur daran, daß er weniger begierig war als
jene und sich schnell genug an gemischte Kost
gewöhnte. Zudem sind seine Fähigkeiten so
groß und zahlreich, daß man ihm eine
Sonderstellung einräumen muß.
Bei vielen unserer ältesten und wichtigsten
Wirtschaftstieren hat das religiöse Moment bei
der Haustierwerdung eine bedeutende Rolle
gespielt. Das Tier wird bei zahlreichen Völkern
als Vermittler zwischen den Göttern und
Menschen betrachtet. Man befragt es, man
nimmt es als Wahrsager und sein Verhalten
als Orakel. Sobald der Mensch das Tier in
diesem Sinne verwendet, versucht er, es in
seiner Nähe zu halten und es an sich zu ge-
wöhnen. Zwischen diesem Zustand und dem
Versuch der Zähmung liegt ein kleiner Schritt.
Endlich dienen die Tiere dazu, die erzürnten
Götter zu beruhigen. Ursprünglich versuchte
man das durch das Menschen-, später durch das
Tieropfer und schließlich nur durch Opferung
der tierischen Eingeweide, während die Men-
schen, die das Opfer brachten, sich in den Ge-
nuß des Fleisches teilten. Hierin können wir
den Schlußstein der Haustierwerdung sehen.
Das gezähmte ,,Opfertier" wird als Haustier
ganz allgemein gehalten.
Die Anfänge der Haustierwerdung fallen nach
den heutigen Forschungsergebnissen mit dem
Auftreten der ersten Menschen zusammen.
Haustiere treten erstmals in der Jungsteinzeit
auf. Diese dauerte etwa von 10 000—2000 v. Chr.
So weiß man aus Knochenfunden, daß die
Kjökkenmöddinger-Kultur (Kjökkenmöddinger
sind Küchenabfallhaufen vorgeschichtlicher
Lagerstätten des Menschen, besonders an der
dänischen und norddeutschen Küste) den Hund
als Haustier kannte. Er war das erste Haustier
überhaupt. Während diese Kultur sich weiter
entwickelte, kamen andere im Abendland zu
größerer Bedeutung. So befanden sich damals
in Frankreich und den benachbarten Ländern
kleine Dörfer, die sich aus Rundhütten zu-
sammensetzten. Hier findet man heute Knochen,
besonders solche von Ziege, Schaf und Schwein.
An bestimmten Merkmalen dieser Tierknochen
erkennt man, daß es sich um Haustiere handelte.
An anderen Orten, namentlich in den Pfahl-
bauten der Schweiz, grub man Knochen von
den Haustieren Hund, Schwein, Ziege, Ochse
und Hammel aus. Das Pferd tritt erst am Ende
der Pfahlbauzeit in Erscheinung. Ob es schon
Haustier war, ist zweifelhaft. Geflügel, Katze
und Hase waren damals als Haustiere noch
nicht bekannt.
In der auf die Steinzeit folgende Bronzezeit
finden wir die Haustierwerdung in vollem
Gange. Sie erstreckte sich damals auf viel mehr
Arten als heute. Mit immer höherer Kulturstufe
beschränkte man sich aber auf eine begrenzte
Anzahl erprobter Arten. Heute züchtet man
trotz interessanter Versuche für unsere Klima-
zone keine neuen Haustiere mehr. Ganz anders
ist die Lage in den Kolonien, wo unsere ein-
heimischen Arten schlecht gedeihen. Hier er-
öffnet sich ein großes Arbeitsfeld zur Züchtung
neuer Haustierarten.
Die Frage nach der Heimat unserer Haus-
tiere können wir nicht für alle Arten beant-
worten. Afrika verdanken wir die Katze, das
Frettchen, den Esel und das Perlhuhn. Zahl-
reiche Arten übermittelte uns Assyrien, Meso-
potamien, Indien und Zentralasien, die lange
Zentren der Haustierzüchtung waren. So z. B.
das Pferd, das die Ägypter erst sehr spät in
Gebrauch nahmen, das Huhn und den Pfau, die
zuerst in Indien gezähmt und gezüchtet wurden,
den Büffel und den Fasan, die uns Vorder-
166
Bild 2: Aus scheuen Wildpferden wurden Ackertiere
asien schenkte, die Turteltaube und den Seiden-
spinner, die uns China gab.
Als durch Kolumbus die neue Welt entdeckt
wurde, waren die Haustiere in unserem Klima
schon lange bodenständig. Von Amerika haben
wir nur das Meerschweinchen und den kost-
baren Truthahn übernommen, von Australien
einige seltene Ziervogelarten. Zusammen-
fassend stellen wir fest, daß Europa fast keine
einheimischen Tierarten zu Haustieren ent-
wickelt hat. Jedoch sind einige von ihnen mit
auswärtigen Arten gekreuzt worden.
Wir beginnen nun mit der Betrachtung ein-
zelner Haustiere. Der Hund (Bild 1) ist das
älteste Haustier des Menschen und in sehr viele
Rassen aufgespalten. Wohl keine Haustierart
zeigt eine ähnliche Formenfülle. Als einziges
gemeinsames Merkmal aller Hunderassen wird
der nach links geringelte Schwanz angegeben,
Uber die Abstammung des Hundes sind sich
die Forscher nicht ganz einig. Die allgemeine
Ansicht geht dahin, daß die Abstammung der
Hunde keine einheitliche ist. Man nimmt viel-
mehr an, daß die Haushunde von einer Anzahl
wilder Hundearten abstammen.
Welche das sind, ist schwer zu
sagen. Die Mehrzahl der For-
scher nimmt an, daß der Wolf
als Stammvater unserer größe-
ren Hunderassen anzusehen ist.
Neben ihm kommen aber außer'
dem für die kleineren Hunde-
rassen die verschiedenen Scha-
kalarten in Betracht. Wolf und
Schakal lassen sich mit den
Hunden fruchtbar kreuzen, und
die Blutsverwandtschaft von
Hund, Wolf und Schakal ist
auch wissenschaftlich nachge-
wiesen. Dagegen sind frucht-
bare Kreuzungen zwischen Fuchs
und Hund nie sicher nachge-
wiesen worden. Gesellig le-
bende Tiere wie die Hunde
lassen sich am leichtesten zäh-
men. Es ist anzunehmen, daß
in einer früheren Zeit, in
welcher der Mensch zuerst das
Land betrat, die dort lebenden
Tiere keine angeborene oder
ererbte Furcht vor ihm hatten
und sich daher bei weitem
leichter als heute zähmen
ließen. Als die Falklandinseln
zum erstenmal von Menschen
betreten wurden, kam ein
großer Schakalfuchs ohne Furcht
zu Byrons Matrosen, welche
die Neugier für Wildheit hielten
und flohen. Für die Haustier-
werdung des Hundes war von
großer Bedeutung, daß er sich
im allgemeinen in der Gefangenschaft fort-
pflanzt. Seinen ältesten Resten begegnet man
in den Ablagerungen menschlicher Wohnstätten,
die aus den Anfängen der jüngeren Steinzeit
stammen. Damals kannten die Menschen weder
Viehzucht noch Ackerbau. In der Mitte der
jüngeren Steinzeit war der Hund bereits über
ganz Europa verbreitet.
Bei der Hauskatze läßt es sich noch ge-
schichtlich nachweisen, daß sie jahrhunderte-
lang nur sakralen Zwecken diente, ehe man ihren
Nutzen erkannte und sie zum Haustier wurde.
Im alten Ägypten verehrte man eine Göttin
Bast, der ursprünglich die Löwin geweiht war.
Als wildes Tier war diese unbequem und un-
handlich. Deshalb ersetzte man sie durch die
aus Nubien stammende Falbkatze. Sie war die
Löwin im kleinen und leichter zu halten. Beim
Tode der Katze trauerte das ganze Haus. Da-
mals wurde die Falbkatze in der Gefangen-
schaft noch nicht gezüchtet und war noch nicht
gezähmt. Das erfolgte erst später. In der Falb-
katze haben wir also wohl die Stammutter unserer
Hauskatze vor uns. Sie kommt in ganz Afrika,
167
ferner in Syrien und Arabien vor. über ihre
leichte Zähmung wird berichtet, daß im tiefen
Innern von Afrika ein Stamm lebt, der die
Katze als Haustier nicht besitzt; wohl aber
dienen ihm zu gleichem Zweck halb oder ganz
gezähmte Falbkatzen. Die Knaben fangen sie
ein und binden sie in der Nähe der Hütten
an. In kurzer Zeit sind die Katzen so weit ge-
zähmt, daß sie sich an die Wohnung und den
Menschen gewöhnt haben und in deren Nähe
dem Fange der überaus zahlreichen Mäuse mit
Eifer nachgehen.
Merkwürdig spät hat sich die Hauskatze
außerhalb Ägyptens ausgebreitet. In Europa
und Asien finden wir sie erst im ersten nach-
christlichen Jahrhundert. Heute ist sie durch die
Europäer über die ganze Erde verbreitet. Nur
fehlt sie als wärmeliebendes Tier in den
kältesten Ländern des Nordens oder dort, wo
sie bei nicht seßhaften Völkern keine Heimat
hat finden können. Die Katze ist ein Tier, das
sich nicht wie der Hund an den Menschen,
sondern an sein Haus angeschlossen hat. Des-
halb ist sie ein ,,Haus"tier im wahrsten Sinne
des Wortes.
Kein anderes Tier ist so vortrefflich zur
Mäusejagd geeignet wie das Wiesel. Es ist
äußerst gewandt, biegsam und schmiegsam und
vermag den Mäusen bis tief in ihre Schlupf-
winkel und Löcher zu folgen. Junge Wiesel, die
noch von ihrer Mutter ernährt werden, lassen
sich leicht zähmen. Es scheint erwiesen zu sein,
daß die griechisch-römische Antike das Wiesel
oder seine nächsten Verwandten, das Herme-
lin, den Iltis u. a. gegen die schädlichen
Nager in Haus, Hof und Feld eingesetzt hat.
Dieser Brauch hat sich während der ersten Jahr-
hunderte unserer Zivilisation bis zur Einfüh-
rung der Katze erhalten.
Als Vertilger der Ratten und Mäuse benutzt
man in der Berberei (Nordwestafrika) die
Ginsterkatze. Nach Berichten soll sie in
kurzer Zeit ein Haus von Ratten und Mäusen
säubern. Die Ginsterkatze besitzt die Biegsam-
keit einer Schlange und zugleich die Schnellig-
keit eines Marders.
Ein anderer fleischfressender Jäger ist das
Frettchen. Es ist nichts anderes als ein
durch Gefangenschaft und Zähmung etwas ver-
änderter albinotischer Abkömmling des Iltis.
Albinos sind Tiere, die sich durch eine weiß-
liche Färbung und rote Augen auszeichnen.
Man kennt das Frettchen im gezähmten Zu-
stand seit ältesten Zeiten. In seinen Merkmalen
ähnelt es dem Iltis. An Blutgier und Raublust
steht es seinem wilden Bruder nicht nach. Man
benutzt es zur Kaninchenjagd. In England wird
es auch zur Bekämpfung der Ratten eingesetzt.
Audi der Fischotter, ein sehr gewandtes
und flinkes W'assertier, läßt sich in Gefangen-
schaft zähmen und folgt dann seinem Herrn
wie ein treuer Hund. Ein gezähmter Otter ist
in der Lage, den Küchentisch jeden Tag mit
frischen Fischen zu versehen.
Der Jagdleopard wird vom Menschen
zur Erbeutung von Wild benutzt. Er ist ein
echtes Steppentier, das seiner Beute weniger
durch seine Kraft als durch seine Behendigkeit
habhaft wird. Er stellt eine Zwittergestalt
zwischen Hund und Katze dar und fällt nament-
lich kleinere und mittelgroße Wiederkäuer an.
Dabei bedient sich der Jagdleopard einer instink-
tiven List. Sehr geschickt, schlangenähnlich
schleicht er z. B. ein Rudel Hirsche an. Aus
nächster Entfernung stürmt er in rasender Eile
auf das nächste Tier zu. Seiner außerordent-
lichen Schnelligkeit vertrauend, zögert er auch
nicht, das flüchtigste Wild zu verfolgen, das
er auf kurze Strecke einholt. Durch Tatzen-
hiebe gegen die Läufe bringt er es zu Fall und
packt es an der Kehle. Diese angeborene List
und Jagdfähigkeit haben den Menschen ge-
reizt, das Tier als Jagdtier in seine Dienste zu
stellen, so besonders in Ostindien, in der Mon-
golei, Türkei und auch in Europa.
Die Haustierwerdung des Pferdes (Bild 2)
erfolgte sehr wahrscheinlich in Nordeuropa.
Bezeichnend ist, daß die alten Kulturvölker
Asiens, die eine Menge Haustiere züchteten,
keine Pferde besaßen. So ging die Nutzung der-
selben von Europa nach Asien über, während
in der Pfahlbauzeit in Süd- und Mitteleuropa
das Pferd als Haustier noch nicht bekannt war.
Da sich das sehr scheue Wildpferd kaum dem
Menschen anschließt, läßt es sich auch nur
schwer zähmen und züchten. Die Haustier-
werdung des Pferdes ist sakralen Ursprungs.
Das Pferd war anfänglich Opfertier und wurde
als solches herdenweise in heiligen Hainen ge-
halten. Diese Sitte finden wir beispielsweise
bei den Germanen, die das Pferd ihrem Kriegs-
gott opferten. Bei den Sachsen hielt sich daher
bis weit in die geschichtliche Zeit hinein der
Brauch, den Giebel der Häuser mit geschnitzten
Pferdeköpfen zu zieren. Da das Pferd dem Kriegs-
gott geweiht war, gehörte es auch in die
Schlacht und zog den Wagen, auf welchem der
Krieger in den Kampf zog. So wurde das
Pferd Zugtier. Später wurde der Wagen durch
den Sattel ersetzt und damit das Pferd zum
Reittier. Neben dieser Nutzung hat sich noch
bei einigen Völkern die Milch Verwendung der
Stute entwickelt. Diese Art der Nutzung blieb
aber auf die osteuropäisch-westasiatischen
Steppenvölker beschränkt. Da das Wildpferd
ein Herdentier ist und sich dabei bedingungslos
dem Leittier der Herde unterwirft, so war es
durch die Natur zu blindem Gehorsam dem
Menschen gegenüber schon vorherbestimmt.
Das Pferd hat sich allen Klimaten angepaßt.
Es fehlt nur im hohen Norden wegen der
fehlenden Weide und z. T. in der heißen Zone
wegen des Vorkommens schwerer Krankheiten.
168
Bild 3: Auch heute noch ist das Ochsengespann der Stolz des Landmannes
Ähnlich wie beim Pferd liegen die Anfänge
der Zähmung beim Rind (Bild 3). Die Wildform
dieses Tieres bewohnte die tiefen Wälder der
gemäßigten Zone. Es war scheu und zum an-
dern aber so ungemein stark, daß der Urmensch
mit seinen primitiven Mitteln an eine Zähmung
nicht denken konnte. So wurde erst vor etwa
10 000 Jahren die Haustierzüchtung des Rindes
eingeleitet. Zuerst war das Rind Opfertier und
der Göttin der Fruchtbarkeit, der Mondgöttin,
geweiht. Die sichelförmige Gestalt der Kuh-
hörner deutete man als Symbol dieses Verhält-
nisses. Die Überführung des Rindes in den
Haustierstand erfolgte wohl erst zu der Zeit,
als der Mensch einen primitiven Ackerbau
betrieb. Zunächst wurde das männliche Rind
Zugtier. Die weitere Entwicklung zum Wirt-
schaftstier war eng mit der des Ackerbaues
verknüpft. Die Milchnutzung des Rindes setzte
erst sehr spät ein. Auch die Milch wurde ur-
sprünglich, wie z. B. bei den Ägyptern, nur
zu sakralen Zwecken verwendet. Die eigent-
liche Haustierwerdung des Rindes müssen wir
nach Mittelasien verlegen. Von hier wurde es
vom Menschen bei seinen großen Wanderun-
gen in andere Klimate mitgenommen, und in
langen Zeiträumen entwickelten sich dann die
verschiedenen Rinderrassen.
Auch bei der Haustierwerdung des Schates
(Bild 4) waren religiöse Momente maßgebend,
daß sich der Mensch dieses Tieres annahm;
denn das Wildschaf besitzt keine Wolle, die
der wichtigste Nutzungsartikel des Schafes
darstellt. So war das Tier auch zuerst Opfer-
tier. Bei vielen Völkern finden wir, daß der
Widder dem strafenden, furchtbaren Gewitter-
gott geweiht war. Nach dem Mosaischen Gesetz
wurde am Versöhnungsfest Jahwe ein Widder
geopfert, die Griechen opferten ihn dem Blitze
schleudernden Zeus, die Germanen dem Donar
oder Thor. Während das Rind das typische
Tier für den seßhaften Ackerbauer war, war
das Schaf charakteristisch für den stets nach
neuem Weideland suchenden Hirten. Daraus
folgt, daß die Haustierwerdung des Schafes eng
mit dem Entstehen von wandernden Nomaden-
völkern verbunden war. In der Steppe mit
ihrer wechselnden Grasnarbe entwickelte sich
das Fettschaf. Zur Zeit des Futterreichtums
lagerte das Schaf Vorratsstoffe in Form von
Fett ab, um in Zeiten der Futternot davon
zehren zu können. Die Entstehung der Woll-
schafe muß ins Hochgebirge (vielleicht arme-
nisches Hochland) fallen, wo die Tiere im Win-
ter einer kalten Umwelt ausgesetzt waren.
Die Ziege ist nach dem Rind und wohl auch
nach dem Schaf Haustier geworden. Auch bei
ihr führte die Entwicklung über das sakrale
Opfertier. Wenn wir von der unbedeutenden
Nutzung der Hausziege als Woll- oder Fell-
tier absehen, so liegt ihr einziger Nutzungs-
wert in der Milcherzeugung. Da nun die Wild-
169
ziege nur soviel Milch gibt, als das Junge
benötigt, kam ursprünglich eine Zähmung zu
ausgesprochener Milchnutzung nicht in Frage.
Die milchspendende Ziege war dem Gott des
Lebens, dem Gott der Entwicklung und Erhal-
tung, geweiht. Das Milch- und Trankopfer ging
nach und nach in den Milchgenuß über. So
entwickelte sich die Ziege zum Milch-Wirt-
schaftstier. Im Gegensatz zum Schaf hat sie
viele Merkmale ihrer Wildform erhalten, sich
darin eine große Selbständigkeit bewahrt und
nur bedingt dem Haustierleben angepaßt.
Im Gegensatz zu den bisher besprochenen
Tieren war es für den auf sehr primitiver
Kulturstufe stehenden Menschen leicht, das
Schwein zu zähmen und zu züchten. Das
Schwein, ein Allesfresser, ist im allgemeinen
nicht scheu. Es sucht sogar die Wohnstätten
des Menschen auf und durchwühlt seine Ab-
fälle. Diese Eigenschaften haben seine Züch-
tung zum Wirtschaftstier wesentlich erleichtert.
Aber nur Ackerbau treibende Völker konnten
Hausschweine halten, denn nur sie allein hatten
die zur Mast erforderlichen Futtermengen. Bei
der Haustierwerdung des Schweines spielten
aber auch religiöse Gründe mit. Schweineopfer
wurden dem Lichtgott gebracht (Ägypten). Die
Entwicklung des Schweines zum Haustier er-
folgte wahrscheinlich in Mittelasien. Von dort
verbreitete sich die Zucht und Nutzung west-
wärts bei den nicht semitischen Völkern Afri-
kas und Europas und ostwärts bei den Völkern
Ostasiens und Polynesiens.
Recht gut sind wir über die Entwicklung
unseres Kaninchens unterrichtet. Fast alle
Naturforscher nehmen an, daß seine ursprüng-
liche Heimat Südeuropa ist. Die Wildform war
noch im Altertum auf Spanien und Südfrank-
reich beschränkt. Erst im Mittelalter wurde das
Wildkaninchen durch den Menschen über
Westeuropa verbreitet. Vielfach wurde es als
Jagdtier ausgesetzt. Im Zeitalter der Entdek-
kungen brachte man außer Ziegen auch Kanin-
chen auf große und kleine tierlose Inseln, um
lebende Fteischkammern für Schiffbrüchige zu
schaffen. Heute findet sich das Kaninchen in
Amerika und Australien, wo es ein großer
Schädling geworden ist. Im frühen Mittelalter
wurde es als Haustiei vorwiegend in Klöstern
gezüchtet, wo es in der Fastenzeit fehlende
Fische zu ersetzen hatte. Die Zähmung des
Tieres liegt aber viel weiter zurück. Sie war
den Römern und vor ihnen wohl schon den
Bewohnern der Pyrenäenhalbinsel bekannt.
Unser Haushuhn stammt nach Darwin vom
Bankivahuhn ab, das in den Dschungeln Vor-
derindiens, auf der Halbinsel Malakka, in
Hinterindien und auf verschiedenen Inseln des
Malaischen Archipels vorkommt. Bei den Chi-
nesen und Japanern ist das Huhn ein uraltes
Haustier. Auch die Ägypter hielten Haus-
Bild k: Schafe kehren non der Weide heim
170
hühner. Von Ägypten haben sich diese Tiere
wohl nach Italien und Griechenland ausgebrei-
tet. Sehr wahrscheinlich kam das Haushuhn
um das 6. Jahrhundert nach Europa. Die kelti-
schen und germanischen Völker haben aber die
Haushühner wohl nicht von den Griechen und
Römern, sondern unmittelbar vom Osten über-
nommen. Bei den Kelten der römischen Kaiser-
zeit scheint der Haushahn eine Art nationaler
Vogel gewesen zu sein.
Für die Haustaube kommt als "einzige wilde
Stammart die Felsentaube in Frage, die noch
heute die Felsenküste des Atlantischen Ozeans
und das Gebiet zwischen Mittelmeer und
Himalaya bewohnt. Mit ihr stimmen sämtliche
Haustaubenrassen in Wesen und Lebensweise
überein. So nisten sie z. B. nie auf Bäumen,
sondern suchen das Dunkel in Gebäuden und
altem Mauerwerk auf. Schon seit Jahrtausen-
den hat der Mensch die Taube gezähmt und
von ihr zahlreiche Rassen gezüchtet, die sich
in Größe, Körperform, Gefieder und dergl. sehr
voneinander unterscheiden. Die älteste Mit-
teilung über Tauben stammt aus der Zeit 3000
v. Chr. aus Ägypten, wo der schmackhafte
Vogel auf dem Speisezettel eines der Phara-
onen erscheint. Da sich die Tauben besonders
gern an Tempelbauten ansiedelten, sah man
in ihnen Gäste der Götter. Die Taube galt so
bei vielen Völkern als heiliger Vogel. Früh
finden wir sie bei Völkern Mittel- und Vorder-
asiens. Tauben werden häufig im Alten und
Neuen Testament erwähnt. Mit der Ausdeh-
nung des Römischen Reiches kamen die Haus-
tauben wohl auch nach den übrigen Ländern
Europas. Seit dem 16. Jahrhundert verbreitet
sich die Taubenzucht über Frankreich, England
und Deutschland.
Zu den ältesten unserer Haustiere zählt neben
dem Hunde die Honigbiene. Die ersten ge-
schichtlichen Dokumente sagen uns, daß schon
die ältesten Kulturvölker wie Hindus, Ägypter
und Chinesen sie gezüchtet haben. Schwierig
ist die Frage nach der Herkunft dieses nütz-
lichen Insekts zu beantworten. Der eine Teil
der Forscher nimmt an, daß die Honigbiene
aus Indien stamme, der andere Teil verlegt
ihre Urheimat nach Mitteleuropa. Eine wichtige
Stütze für die letzte Ansicht sind die Funde
einer nahen verwandten Bienenart, die sich in
dem kostbaren Bernstein des Samlandes ein-
geschlossen findet.
Rezepte und Ratschläge
für die Hausfrau
Gebratene Fischklöse mit Schwarzwurzeln
Etwa 500 g geputzte, in Essigwasser gelegte
Schwarzwurzeln werden in Salzwasser weichge-
kocht. Nebenbei wiegt
man etwa V* kg belie-
bigen Hautfisch mittellein,
gibt ein eingeweich'es
und wieder ausgedrücktes
Brötchen und 30 g Butter
zu, würzt mit Salz, Pfeiler,
gehackter Zwiebel, Sup-
penwürze, Muskat, ge-
hackter Petersilie, und auf
Wunsch einigen Kapern,
mischt alles gut durch,
formt in geriebener Sem-
mel 4—5 Kugeln, drückt
diese breit und bratet sie
in der Stielpfanne wie
üblich durch. Mit dem
Schmorsatz begossen, gibt
man die mit Bröselbutter
bedeckten Schwarzwurzeln zu und reicht Brat-
kartoffeln und einen Salat bei.
Gebratene Sardinen
Der Kopf wird entiernt, die Sardinen ausge-
nommen, in Mehl gerollt und in warmer Butter
gebraten.
Gebackene Sardinen
Nach Entfernung des Kopfes und dem Aus-
netmen der Sardinen werden dieselben mit Oel
bestrichen und 5 Minuten aut einem warmen Rost
aut jeder Seite backen gelassen. Mit warmer, mit
Petersilie überstreuter Butter auftragen.
Sardinen auf normannische Art
(ä la Normandie)
Sie werden zusammen mit Muscheln zubereitet.
Die Sardinen werden in das kochende Muschel-
wasser gegeben; danach mit Muscheln umlegt, Oel
oder Zitronensaft übergossen und mit Petersilie
bes'reut aufgelragen. Man kann sie heiß oder
kalt essen.
Aalgericht
Der Aal wird abgezogen, ausgenommen, in
Stücke geschnitten und gesalzen. Dann läßt man
Zwiebeln in Butter goldgelb dämpfen, fügt Mehl,
Rotwein, Pilzstückchen, Salz, Plelfer. Nelken, Mus-
kat und etwas Zimt hinzu und läßt das Ganze
lli Stunde lang kochen. Hernach werden die Aal-
stücke hineingelegt und 10—15 Minuten lang
kochen gelassen. Mit gerösteten Brotkrumen
auftragen.
Aal in Weisswein
Zwiebeln werden in Butter goldgelb geröstet,
die Aalstücke, Salz, Pfeffer, Knoblauch, Grün-
gewürz und Weißwein hinzugefügt. Nach einhalb-
stündigem Kochen wird die Brühe mit 100 g
Butter und Mehl gebunden. Der Fisch wird auf
einer Platte, getrennt von der Sauce, aulgetragen.
Forelle auf Müllerin-Art
Die Forelle ausnehmen, in Mehl und in einem
geschlagenen Ei wälzen, mit Weckmehl bestreuen.
In einer heißen Pfanne aut jeder Seite 5 Minuten
lang backen lassen, salzen und je nach Belieben
mit Zitronensaft auftragen.
171
BBC
Erzeugnisse
helfen dem Bergmann
in der Grube
und im Heim
BBC
liefert:
Drehstrommotoren
Schaltgeräte
Installations-Material
Elektro-Herde u. -Geräte
Kühlschränke u. -Anlagen
BBC
repariert:
Elektrische Maschinen
Transformatoren
Apparate in jeder Grösse
und jeden Fabrikates
BBC
montiert
Komplette Anlagen
jeden Umfanges
zur Erzeugung,
Fortleitung und
Anwendung der elektr.
Energie
BROWN, BOVERI & CIE A. G.
SAARBRÜCKEN - IM HELMERSWALD 2
TELEFON 7861-65
172
Die Rache des Bergmanns
Von
Matthias Lang, Biel
Den ganzen Hochwald deckt Schnee, knir-
schender, hartgefrorener Schnee, und
immer noch sickern die Flocken vom
grauverhangenen Abendhimmel. Die
leicht-trockenen Gebilde, die nach und nach zu
wirbelndem Gestöber werden, tanzen vor den
Augen des jungen Mannes, der allein durch
den verschneiten Hochwald schreitet, und lassen
ihn keinen Gegenstand seiner einsamen Um-
gebungswelt erkennen.
Aber der Heimwärtseilende denkt auch nicht
daran, in dieser Stunde Naturbetrachtungen
anzustellenj er kommt nicht schnell genug nach
Hause. Seine Gedanken fliegen seinen Schritten
weit voraus und sind schon daheim bei seiner
jungen Frau. Jetzt steht sie wohl am Fenster
und lauscht voll Ungeduld hinaus auf seinen
Schritt. Doch nur ihretwegen fuhr er heute nicht
mit seinen Arbeitskameraden von der Grube
heim; ihr zuliebe machte er die Umfahrt durch
die Stadt.
Ob ihr der Fuchspelz auch gefällt, den er
wohlverpackt in dem verschneiten Rucksack
trägt? Mit Vergnügen malt er sich die hübsche
Szene aus, die sich bald im sonnigen Heim
abspielen wird. Mit großen neugierigen Augen
und zitternden Händen wird seine Frau die
Schachtel öffnen und mit einem Ausruf er-
staunter Freude ihr Weihnachtsgeschenk ent-
gegennehmen. Glückliches Lächeln wird sein
Gesicht erhellen, wenn er indes nach ihr
hinüberschaut und sich an ihrer Freude freut.
Was wohl aus ihm geworden wäre, wenn
sie den andern, den Schmied genommen hätte?
— Er hätte es nicht verwinden können. Daß so
ein Säufer wie der Schmied überhaupt auf den
Gedanken kommen konnte, um die Hand der
Anna anzuhalten! So ein Lump!
In leisem Unmut zieht sich die Stirn des
Wanderers zusammen bei dem Gedanken an
den Schmied. Der kann es der Anna nie ver-
zeihen, daß sie ihm einen andern vorgezogen
hat. Und er verleumdet sie in der gemeinsten
Weise. Zwar glaubt kein Mensch dem Trunken-
bold; aber immerhin regt ihn, den Ehemann,
die Lästerzunge auf. Daß der Schmied ihm doch
nur einmal ins Gehege käme, — am Biertisch
tut er ja so groß bei seinen Saufkumpanen;
doch scheint er die Wirtshausdrohungen nie-
mals auszuführen.
So sinnt der Mann durch den erstarrten
Winterwald. —
Währenddessen sitzt die Frau daheim und
zerbricht sich fast den Kopf über das rätsel-
haft lange Ausbleiben ihres Mannes. Alle Berg-
leute sind längst an ihrem kleinen Haus vor-
über, und seine Schritte sind noch immer nicht
zu hören. Wenn ihm nur kein Unglück zuge-
stoßen ist!
Die Frau sitzt mit gesenktem Kopf am weiß-
gedeckten Tisch und wartet. Alles in der
kleinen Stube wartet. — Das Essen brodelt auf
dem Herd, der Hund schleicht unruhig durchs
Zimmer, die Katzenaugen flackern habgierig
beim Anblick der bereitgestellten Teller, und
das liebeglühende Herz der jungen Frau
schweift suchend hinaus in Eis und Schnee.
Aber alles Warten scheint vergebens.
Da — die Frau fähit hoch und fliegt ans
Fenster. Aufgeschreckt durch ein leises Knir-
schen im Schnee drückt sie die heiße Stirne
an die angelaufenen Scheiben und lugt ange-
strengt hinaus. Aber sie kann draußen nichts
erkennen, hört auch nichts mehr. Ein Eiszapfen
bradi vielleicht am Dach, oder ein Schnee-
klümpchen fiel vom Gesims hernieder. Und
die Frau kehrt wieder an ihren Platz ins
Stubeninnere zurück.
Da sitzt sie nun und weiß nicht, daß wirklich
einer an dem Fenster steht, der mit haßglühen-
den Augen zu ihr hinüber sieht. Und ahnt nicht,
daß gerade er es ist, an den sie nimmer denken
mag, — der Schmied. Ein Frösteln überläuft
sie stets, wenn sie ihn sieht.
Draußen aber steht der Schmied und ärgert
sich — und weidet sich an ihrem Anblick. Er
kommt aus seinem Stammlokal — betrunken,
wie gewöhnlich. Da er an ihrem Haus vorüber
muß, lockt ihn das helle Licht ans Fenster der
Verhaßten. Da sitzt sie am Tisch und starrt wie
geistesabwesend auf die weiße Decke. Ver-
dammt! — noch immer ist sie hübsch! Heißes
Begehren flackert auf in seinem Blick. Wenn
sie ihm gehörte! Und sie könnte ihm gehören!
Fluch ihr, daß sie seine Liebe nicht erwidert hat!
Größer als seine Liebe war, ist jetzt sein Haß.
Aber noch weit mehr als sie haßt er jenen
andern, der sie ihm geraubt. Er ist drinnen
nicht zugegen. Sie ist allein — ganz allein;
er will hinein zu ihr!
Doch nein, die Flammen leidenschaftlichen
Hasses züngeln höher in ihm auf und brüten
einen Teufelsplan in seinem Herzen aus. Rache!
Rache! schreit sich eine Stimme in ihm heiser.
Den Durst nach Schnaps und Bier hat er ge-
stillt; nun will er den heißbrennenden Durst
nach Rache löschen! —
173
Sein Feind ist noch nicht im Hause, aber da
er Frühschicht hat, muß er mit einem Abend-
zuge kommen. Das weiß der Schmied. Wie
dieses sichere Wissen die Racheflammen in ihm
schürt! — Er muß auf den Weg — sogleich!
Mit festem Griff greift er nach seinem Taschen-
messer, das er immer bei sich trägt. Es ist
scharf und spitz — ein rechter Stoß — sein
Widersacher muß an diesem Abend fallen!
Vollkommen berauscht, mehr von seinem
Racheplan denn vom Alkohol, den er genossen,
torkelt der Schmied an seinem Elternhause
vorüber, in dem seine alte Mutter in Ver-
lassenheit und Armut weint. Aber der Schmied
denkt nicht an sie — er denkt nie an sie —
geschweige jetzt!
Mit knirschenden Zähnen und rollenden
Augen schleppt er sich vorwärts auf dem stillen
Bahnhofsweg. Wirre Lichter tanzen vor ihm
her. Wollen sie ihn irreführen, blenden?
Fluchend tastet er nach einem Baum, alles be-
ginnt um ihn zu tanzen — er kann nicht weiter.
Woher nur dieser Schwindelanfall kommt?
Aber seinen Racheplan gibt er nicht auf. Ver-
recken muß der andere in dieser Nacht, ver-
recken wie ein Hund! — Noch kommt er nicht,
da kann er erst ein wenig ruhen. Alles ist so
heiß, so glühend, selbst der Schnee, auf dem er
liegt. Doch Verderben jenem andern, dem Ver-
haßten. — Verderben ihm um jeden Preis.
Seine harte Rechte schwört, und beim Satan in
der Hölle, er hält seinen Schwur!
Noch ein paar Flocken fallen, dann schaut
der Mond hohnlachend in ein bleiches, schlafen-
Da sitzt sie nun und weiss nicht . . .
des Gesicht. Aber selbst im Schlaf sprüht es
noch Haß. —
Der junge Bergmann ist ein gut Stück weiter-
gekommen auf dem abendstiilen Weg, aber
seine Gedanken sind noch immer bei dem
Schmied. Umsonst ist seine Mühe, sich von
ihnen loszuringen. Er fühlt, daß sie nicht in
den Rahmen dieser weihevollen Stunde passen,
kann sie aber nicht verdrängen. Sie ver-
schlingen sich mehr und mehr und lösen Vor-
stellungen in ihm aus, die schwer auf seiner
Seele liegen und sie niederdrücken. Ver-
dammter Schmied, der ihm die Weihnachts-
stimmung raubt!
Das dumpfe Gefühl, das ihn beherrscht, hat
ihn vollkommen blind gemacht für den Anblick
der Natur. So merkt er nicht einmal, daß der
Himmel jetzt ein anderes, helleuchtendes Ge-
sicht der Erde zeigt.
Wäre er doch daheim — daheim bei seiner
Frau, die im trauten Heim gewiß ihre Beth-
lehem-Stimmung fand! Wenn die bekannte
Lästerzunge sie ihr nicht verdorben hat! Aber
da ist er ja wieder an dem Schmied!
Endlos ist an diesem Abend auch der Weg,
endlos wie die Wochentage, die ihn von seinem
Weibe trennen. Aber endlich werden doch die
ersten Häuser sichtbar — Gott sei Dank! —
da------
Der Mann steht still, starrt nieder auf den
Weg — starrt auf eine Gestalt im Schnee.
Schleicht vor, beugt sich über das Gesicht —-
fährt hoch. Erkennt den Schmied. Gottlob, er
rührt sich nicht — er ist erfroren!
Gottlob? — Durch die Seele des Bergmanns
fliegt ein kalter Schauer. Aber sein Gesicht
bleibt hart wie Stein. Der Schmied ist tot —
und mit ihm der Verleumder. Sie haben Frieden
— Frieden, seine Frau und er.
Frieden? Frieden nennt er das Gefühl, das
ihn da so heiß durchläuft? Sieht so der Friede
aus, den der Heiland auf die Welt gebracht in
jener Nacht, die man dankbar feiert — heute
feiert?
Das Gesicht des Mannes wird augenblicklich
ernst und seine Züge werden weich. „Heiliger
Christ, verzeih!" haucht er voll Innigkeit, „ver-
zeih, denn ich vergaß, daß er mein Bruder ist!"
Und eilig bürdet er sich den schweren, leb-
losen Körper auf und schleppt die herab-
hängende steife Last in anstrengender Hast
dem Dorfe zu. Branntweingeruch strömt auf
ihn ein — „Gott, barmherziger Gott, wenn er
noch lebt, laß ihn nicht in diesem Zustand
sterben!" — Noch wenige Schritte und er ist
daheim — o daß Belebungsversuche nicht ver-
geblich sind? — vielleicht ist er noch nicht tot.
Da steht die Frau des Arbeiters schon auf
der Tür und weicht vor dem atemlos-schleppen-
den Mann entsetzt zurück ins Innere des
Hauses; und kommt mit großen, fragenden
Augen näher, als der Mann den erstarrten
174
Schmied im Hausflur niederlegt, und klammert
sich angstvoll wie ein Kind an den schweiß-
triefenden Mann.
Und hört sein mühsam Flüstern: „Ich habe
ihn im Schnee gefunden. Wenn nur noch Leben
in ihm ist! Wir wollen ihm zu Hilfe kommen!"
Und er nimmt Schnee und reibt Gesicht und
Brust des starren Schmiedes, — reibt immerzu
— bis Leben in den steifen Körper kommt.
Plötzlich geht ein leises Zucken durch den Leib,
die Augen öffnen sich, starren verständnislos
umher, erkennen dann die beiden, die ernst und
schweigend an seiner Seite stehen. Ein harter,
böser Fluch will über seine Lippen, aber die
ruhigen Worte seines Retters halten ihn zu-
rück: „Ich habe dich im Schnee gefunden und
brachte dich von der Straße weg. Gottlob, daß
meine kleine Mühe an dir nicht vergeblich
war!"
Da versteht der Schmied. Wie ein heißer
Strom durchläuft es ihn, und dieser Strom be-
herrscht ihn ganz. Er wagt es nicht, die Augen
aufzuschlagen und seinen Retter anzusehen.
Seinen Retter, den er — verderben wollte!
So seltsam ist dem Schmied. Mit einemmal
erkennt er seine ganze Schuld. Und ein großes,
heiliges Gefühl steigt in ihm auf, brennt auf
dem Grunde seiner Seele: tiefer, aufrüttelnder
Reueschmerz.
Und die Reue öffnet ihm den Mund: „Vom
sichern Tode hast du mich gerettet, und ich —
ich wollte — dich verderben. Ich ging dir —
auf den Weg —"
Die Frau schreit auf — erschauernd klammert
sie sich an den Mann.
Der Mann steht still. Er sagt kein Wort. Aber
er wird blaß. Und seine Lippen beben. —
Der Schmied ist fort. Ohne ein Wort des
Dankes ist er davon gegangen. Aber in seinen
Augen glänzt etwas, das gleicht einer Perle.
Der funkelnde Glanz verrät, daß jetzt ein
anderes Feuer in seiner Seele brennt. Tiefe
Reue treibt ihn zu seiner alten Mutter. —
. .. eilig bürdet er sich den schweren Körper auf
Das junge Paar, das sich der Wandlung
seines Widersachers freut, sitzt an diesem
Abend noch lange Zeit beisammen. Sie sitzen
unterm Weihnachtsbaum und schweigen. Die
zarte Rechte der glücklichen Frau ruht in der
harten Arbeitshand des Mannes. Die andere
streicht hin und wieder über den weichen Pelz,
der vor ihr auf dem Tische liegt. Die Weih-
nachtskerzen brennen, die Uhr schlägt Mitter-
nacht. Emporgezogen von der geheimnisvollen
Macht der Stunde, stehen die zwei Menschen
singend am hellflammenden, geschmückten
Lichterbaum.
Und Friede weitet ihre Herzen, seliger Friede,
den das göttliche Kind gebracht, der Heilige
Christ, der jetzt mitten unter ihnen wohnt.
Rezepte und Ratschläge
für die Hausfrau
Hähnchen mit Schwarzwurzeln ,
Ein Hähnchen wird in vier Teile geschnitten
und mit Zwiebeln, Knoblauch, Thymian und Lor-
beer in Butler schmoren gelassen. Danach wird es
mit l!i 1 Weißwein übergossen. Dann nimmt man
das Hähnchen heraus und bereitet die Sauce mit
dem losgekratzten Bratenansatz und etwas Butter.
Die zuvor gekochten Schwarzwurzeln werden
kurze Zeit in Butter gegeben und über das Hähn-
chen gelegt. Darüber gießt man die Sauce und
bedeckt das Ganze mit einem Blätterteig, den man
während 25 Minuten im Backofen goldgelb wer-
den läßt.
„Praktische Winke”
Um Datteln zu entkernen, verwendet man
am besten ein Messer mit kurzer, spitzer Klinge.
Hiermit wird unter Hinzunahme des linken
Daumens der Kern entfernt, wobei Messer und
Daumen häufig in kaltes Wasser zu tauchen sind.
Damit vorher zubereitete Bananen nicht
vor dem Backen schwarz werden, be-
gießt man sie mit Ananas-, Orangen- oder
Zitronensaft.
Das Zusammenballen von Salz wird
vermieden, indem man einige Reiskörner in das
Salziaß gibt.
Bei der Zubereitung von Kartoffel-
brei vermengt man die zubereiteten Kartoffeln
mit kochender Milch, um ein plötzliches Er-
kalten zu vermeiden.
175
Der Dotteshnerfit
Von I. M a r g a i t, Saarbrücken
Christoph, der Schuster, ging mit
schweren Schritten durch sein Haus.
Und er mußte sich sagen, daß es
schön war. Die gelben Fliesen des schmalen
Ganges leuchteten wie pures Gold in
der Sonne; in Kammer und Küche stan-
den die alten, festgefügten Möbel der
Eltern, und von dem niederen Schustertisch
der sauberen Werkstatt aus sah er über
blühendenGeranien, Fuchsien und Fleißigen
Lieschen die mächtigen Buchen des Waldes
sich erheben, der sein Häuschen schützend
auf der Nordseite umgab. Ja, so sehr er
auch grübelte und seinen schwerfälligen
Kopf in Gedanken zermarterte, die über die
schlichte Einfalt seines täglichen Sinnierens
weit hinausgingen, er fand sich doch immer
wieder vor der Erkenntnis, die ihm gestern
wie eine Erleuchtung in der Kirche kam:
er war reich. Und nun, da er durch die
hintere Pforte heraustrat in den Garten, in
dem die Bohnen sich anmutig um ihre
Stangen wanden, die Gelbrüben mit kräf-
tigem und doch so zartgefiedertem Kraut
in der fetten Erde staken und der Kohl sich
langsam zu schließen begann, als er durch
die schnurgeraden Wege ging, an deren
Saum Sommerblumen in einer Symphonie
von Farben ihren Duft verschwendeten, da
wußte er, daß er nicht mehr zweifeln durfte.
Ein leiser Schmerz stand in seinem breiten
Gesicht, als er mit seiner rauhen, schweren
Hand ganz zart über eine Rose strich, die
sich morgen vielleicht mit dunkler Glut
entfalten würde. Morgen---------
Vor dem ersten Hahnenschrei verließ er
das Haus. Er verschloß sorgfältig die Tür
und legte den Schlüssel auf die Fenster-
bank über einen kleinen Zettel, auf den er
mit großen, schiefen Buchstaben ge-
schrieben hatte, daß man der Faber Lies
dies gute, warme Nest geben möge. Das
war die Ärmste im Dorfe, eine Witwe mit
vielen unmündigen Kindern.
Christoph trug das Notwendigste in
seinem Rucksack mit sich: ein frisches
Hemd, den Sonntagsanzug, Schusterhand-
werkszeug und einen Laib Brot, dazu selbst-
gemachten Käse für den ersten Hunger.
Das Dorf schlief noch. Die grünen Klapp-
läden mit den Herzen in der Mitte ver-
schlossen die Fenster; Wagen, Pflüge und
Eggen standen unbenützt auf dem freien
Platz neben den Düngerhaufen, auf denen
sich noch kein Hühnervolk tummelte.
Das Tor der Kirche war unverschlossen.
Christoph trat in die hohe Halle des Gottes-
hauses ein, an dessen weißgekalkten Wän-
den farbige Bilder mit der Leidensgeschichte
des Herrn hingen. Durch die bunten Glas-
fenster des Chors glitten die ersten Strahlen
der aufgehenden Sonne und verliehen dem
Angesicht des Gekreuzigten, das in dem
mittleren, steil aufstrebenden Fenster des
Chors eingelegt war, einen solch leben-
digen Ausdruck, daß es dem stillen Manne
schien, er habe das rote Blut des Heilands
zur Erde tröpfeln sehen.
Christoph setzte sich in eine Bank und
ließ noch einmal die Worte des fremden
Wanderpredigers durch seinen Kopf gehen,
die er vor zwei Tagen an dieser Stelle ge-
hört. Der fromme Mann mußte von weither
gekommen sein, denn sein Antlitz war
braun von Sonne und Wind wie das der
Bauern, zu denen er sprach. Er mußte viel
Elend gesehen haben und viel Hochmut
der Reichen, denn er sprach in flammen-
den Worten zu ihnen:
,,Verkaufe alles, was du hast, und gib's
den Armen, so wirst du einen Schatz im
Himmel haben. Ich aber sage euch, es
ist leichter, daß ein Kamel gehe durch
ein Nadelöhr, denn daß ein Reicher in
das Reich Gottes komme!"
Und sein Ruf wurde zum feurigen Schwert,
das sich in aller Herzen bohrte.
Den Schuster aber dünkte es, daß sein
schmuckes Häuschen am Wald und der
saubere Garten in all seiner Pracht der
Blumen, Sträucher und Pflanzen doch die
Freuden nicht aufwöge, die er beim Ver-
lust der ewigen Seligkeit einbüßen würde.
Darum verließ er es, um arm zu sein wie
die Jünger des Herrn, um ihm zu folgen
176
wie diese, um dereinst auch einmal ein
kleines, bescheidenes Plätzchen zu erhalten
in der hohen Halle dessen, den er Vater
nennen durfte. Doch wie er ihm dienen
sollte, das wußte er in seinem einfältigen
Herzen noch nicht.
Draußen vor dem Dorf schnitt er einen
Haselstock ab, schaute noch einmal zurück
auf die grünenden Felder und die freund-
lichen Häuser, die sich um den spitzen
Turm der Kirche scharten wie Küchlein
um ihre Glucke. Und Christoph schien es,
daß er nie wieder einen solch friedlichen,
vertrauten Blick auf der Welt haben könne.
Er stieß den Stock hart auf die Erde und
schritt rüstig fürbaß, ohne sich noch ein-
mal umzuschauen. Bald wölbten sich hohe
Buchen über ihm, feierlicher als im
schönsten, gotischen Dom, Vogel jubi-
lierten in ihren Zweigen, und ein munteres
Bächlein sprudelte und rauschte an seiner
Seite, sprang behende über glatte Steine
und zierte sich unermüdlich mit weißen,
blühenden Schaumperlen und -krönen.
Christoph sah dies alles und dachte bei
sich, daß es doch noch viele schöne Dinge
auf Erden gäbe.
Gegen Mittag öffnete sich der Wald nach
einem Flußtal. Weite, fruchtbare Fluren
zogen sich zu beiden Seiten hin, und die
Dörfer machten einen wohlhabenden Ein-
druck. Hier könnte ich mir Arbeit suchen,
denn mein Brot wird bald alle sein, sagte
sich Christoph — und ging auf das nächste
Dorf zu. Aber an welche Tür er auch
klopfte, er wurde mit harten Worten abge-
wiesen. Sie hatten Esser genug. Er war
wohl auch einer von denen, die aus der
Stadt kamen und nachts die Kartoffeln aus
der Erde wühlten, trotzdem sie kaum größer
waren als der dunkle,
rissige Nagel einer
Bauernhand. Ehe der
Schuster in seiner
bedächtigen Art ant-
worten konnte, fie-
len die Türen zu
und der Schlüssel
kreischte zweimal im
Schloß.
Sie sind hier wohl-
habend, dachte der
Schuster. Das Klima
ist lind, und in den
Gärten wachsen
Früchte, die ich in
meiner Heimat nie
gesehen habe. — Er
schlug den Weg in
ein Seitental ein,
mied die Dörfer und
schlief nachts auf
dem warmen Laub
des Waldes. Am dritten Tag gegen Mittag
erreichte er eine Anhöhe, von der aus er
einen weiten Blick ins Land hatte. Vor ihm
lag ein langgestrecktes Dorf, versteckt halb
zwischen dem Laubwerk üppiger Obst-
wiesen und Gärten, und jenseits der Fluren,
der reifenden, in Sonnenglast stehenden
Felder, hoben sich dunkle Gebäude und ein
schmaler Turm gegen den Horizont ab.
Christoph setzte sich auf einen Baumstumpf
und aß sein letztes Stück Brot. Heute muß
ich Arbeit finden, dachte er, sonst habe ich
nichts mehr, womit ich meinen Magen
füllen könnte.
Und während er dasaß, die Ellbogen auf
die Knie gestützt und den Kopf zwischen
den Händen, sah er zwei ärmlich gekleidete
Knaben aus dem Wald kommen. Jeder trug
ein großes Reiserbündel auf der Schulter
und stolperte mühsam unter der Last dem
Dorf zu. Kaum aber waren sie einige Meter
weit gegangen, als der Kleinere der beiden
unwillig sein Bündel zur Erde warf, sich
bückte und an seinen Schuhen nestelte. Da
bemerkte Christoph, daß der Knabe eine
/ A _.
Ls- —
Und während er da sass, sah er zwei Knaben aus dem Walde kommen
12
177
Sohle mit einem Seil festgebunden hatte.
„Hallo'1, rief er, „komm her, ich schlage
Dir die Sohle fest." Der Bursche erschrak,
denn er hatte den Fremden nicht gesehen.
Aber er kam doch eilends herbei, zog
seinen Schuh aus und reichte ihn Christoph.
Während dieser fein säuberlich Nägel in
die Sohle schlug, fragte er wie nebenbei, ob
die Buben keine Arbeit für ihn wüßten. Er
sei Schuster und auf Wanderschaft.
Arbeit wüßte er schon, meinte der
Jüngere. Sie, zum Beispiel, hätten viel zer-
rissene Schuhe zu flicken von all den
kleinen Geschwistern. Aber Mutter habe
nur wenig Geld. Vater sei auf der Grube
verunglückt und liege im Krankenhaus.
So :— auf der Grube sei er verunglückt.
Ob das vielleicht die Grube sei — dort, wo
der Turm am Himmel stehe?
Ja, das sei der Förderturm.
Damit war ihre Unterhaltung erschöpft.
Als aber Christoph einen Nagel aus seiner
Dose suchte, den letzten, den er einzu-
schlagen hatte, fragte der Älteste, der der
Unterhaltung stumm, aber nachdenklich
gefolgt war: „Könntest Du nicht doch mit
uns gehen? Einen guten Teller Suppe
hätten wir für Dich noch übrig."
Christoph sagte nicht nein. Er ließ die
beiden Knaben vorausgehen und folgte mit
dem Bündel des Jüngsten.
Die Frau empfing ihn mit frohem Gesicht.
„Dich schickt der Himmel!" Sie brachte
ihm Schuhe — viele kleine Kinderschuhe.
Als sie alle ausgebessert waren, sagte die
Frau: „Im Garten der Zaun hat eine Lücke.
Aber ich kann Dich ja wohl nicht länger
hier halten — ohne Lohn — nur für ein
Vergelt's Gott." Christoph blieb.
Am Abend, bevor der Bergmann aus
dem Krankenhaus entlassen werden sollte,
saß der Schuster sein Pfeifchen rauchend
vor der Tür des Hauses. Es war ihm schwer
ums Herz, denn er wußte, daß er morgen
wieder den Wanderstock ergreifen müßte
— und hatte doch schon Wurzeln geschla-
gen in dem kleinen Häuschen mit den
vielen Kindern. Ein altes Weiblein blieb vor
ihm stehen und strich unschlüssig mit ihren
rauhen Händen über die saubere, an vielen
Stellen geflickte Schürze.
„Unser Ziegenstall ist heute nacht bei
dem Unwetter eingestürzt. Mein Mann ist
alt — zwei so alte Leute wie wir — könntest
Du uns nicht helfen? — Einen Teller Suppe
und Brot hätten wir auch für Dich — und
gute Ziegenmilch-------um Gottes Lohn",
sagte sie leise----„um Gottes Lohn-------"
Der Herbst war gekommen. Man hatte
die Früchte des Feldes in Scheuern und
Keller getragen, der Winter hatte seinen
Einzug gehalten, und wieder war es Früh-
ling und Sommer geworden — und immer
noch arbeitete Christoph um Gottes Lohn
bei den Armen des in Gärten versteckten
Dorfes.
Man hieß ihn den „Gottesknecht", wie
ihn ein alter, nachdenklicher Bergmann
einmal genannt.
Christoph kümmerte sich aber nicht viel
darum, was die Leute sagten, und litt
auch nicht unter der Bürde seines Namens.
Er diente treu und bescheiden den Armen
und hoffte, daß er auf dem rechten Weg
ins Himmelreich sei. Des Sonntags zog er
seinen guten Rock an und ging mit den
andern zur Kirche, die nicht viel anders
aussah als das Gotteshaus in seinem
Heimatdorf. Er betete inbrünstig zu Gott,
daß er ihm dereinst die Pforten ins himm-
lische Reich öffnen möge, wo Engel und
Cherubine in himmlischen Gärten voll
seltener Blumen und Pflanzen wandelten
und Falter mit silbernen Flügeln über
herrlich duftende Blüten taumelten — dort,
wo es noch unendlich viel schöner war als
in seinem kleinen, verschwiegenen Rosen-
garten am Wald.
Seit er arm war, lebte er nach innen und
war diesen jenseitigen Gefilden schon sehr
nahe. Wie konnte er da bemerken, daß sich
das Gesicht des Dorfschusters von Tag zu
Tag mehr verfinsterte und wie konnte er
daran denken, daß das pralle Geldsäckel
desselben jetzt nur noch schlaff in seiner
Hosentasche hing. Er sah nicht den Haß,
der in den Augen des andern aufglühte,
dem er einen großen Teil seiner Arbeit
nahm, und hörte nicht die häßlichen, auf-
stachelnden Reden, die er im Dorfe führte.
An einem Sonntag, als schon die Blätter
an den Bäumen sich zu färben begannen,
versammelte der Dorfschuster eine große
Schar früher Kirchgänger um sich und hielt
an der Pforte der Kirche eine glühende,
fromme Rede, Er drohte den Leuten, daß
Gott sie mit Feuer und Schwefel ausrotten
werde, wenn sie ihn, den Gotteslästerer,
der es sich anmaßte, den Namen seines
Herrn zu tragen, wenn sie ihn, diesen her-
178
gelaufenen Bettler, noch länger in ihrer
Gemeinschaft duldeten.
Als Christoph das Gotteshaus betreten
wollte, versperrte er ihm mit hämischen
Worten den Weg, und alsogleich begann
die Menge wie besessen zu schreien:
Gotteslästerer, Gotteslästerer — und waren
doch einige unter ihnen, denen er in Treue
gedient hatte.
Christoph wankte kalkweiß davon. Das
Blut sauste ihm in den Ohren; er war wie
betäubt, und nur undeutlich wie aus weiter
Ferne hörte er ihre Stimmen.
Gotteslästerer — das Wort drang wie ein
spitzer Dolch in sein Herz und tötete ihn
— langsam — quälend — seine Seelennot
auskostend bis zur Neige.
Am nächsten Tag fanden sie ihn am
Ufer des Teichs angeschwemmt — dort, wo>
Erlen und Weiden ihn finster umstehen..
Seine Arme staken weit ausgebreitet
zwischen dem ausgewaschenen Wurzel-
werk der Bäume, und seine wirren Haare
hatten sich in den niederen Ästen eines
Weißdorns verfangen, dessen Dornen ihm
die bleiche Stirn blutig ritzten.
Wallfahrtsort Gräfinthal (Eingang zur Kapelle)
179
©eftörteö 6tänöd)en
Von Albert Korn, D i 11 i n g e n (Saar)
In der Hüttendirektorenzeit der Herren De-
france und Scheffner, als die Puddelöfen die
Werkieute schwitzen machten und die Goujons
die Puddler zu nachtschlafener Zeit vor ihren
Wohnstätten zu Schicht und Ablösung anriefen,
ging es in dem damals kleinen Hüttenort D.
noch behäbig zu, und die Feste wurden gemüt-
lich gefeiert. In diesen
gesegneten Tagen war
der alte Lehrer Barth,
der ob seiner pädago-
gischen Qualitäten von
der Elternschaft ge-
schätzt, von der Jugend
aber wegen seiner Zucht-
rute gefürchtet war, Lei-
ter des Gesangvereins.
Und Barth ließ es sich
angelegen sein, allemal
an den Geburtstagen der
hohen Direktion mit ei-
nem Ständchen aufzuwar-
ten, das stets beifällig
aufgenommen wurde. So
auch an einem linden
Sommerabend, als Direk-
tor Scheffner sein Wie-
genfest beging. Der Ge-
feierte hatte mit seiner
Familie und Anhang auf
dem breit ausladenden Balkon seiner Dienstwoh-
nung Platz genommen, um den Darbietungen
Barths und seiner Sängerschar zu lauschen, und
alles war im besten Gang. — Da überfiel meinen
guten Onkel Otto, ein damals halbwüchsiges
Bürschchen, das unter der Barth’schen Schul-
Gut und preiswert kaufen Sie immer
Das führende Spezialschuhhaus
für Alle
fuchtel gewaltig seufzte, mitten in der Auf-
führung der geradezu diabolische Gedanke,
seinem Peiniger just in dieser festlichen Stunde
gehörig eins „einzutränken"; und der einmal
gefaßte Plan reifte augenblicklich zur Tat. Otto,
der mit den Hüttenpompiers und ihren Feuer-
löschspritzen auf gutem Fuße stand und mit
Vorliebe ihren Spritzübungen beiwohnte, hatte
auf dem Dachboden der nahen väterlichen
Wohnung eine alte bleierne Klistierspritze, wie
sie damals in Schwung war, entdeckt und sich
dieselbe in der Schlosserwerkstatt zu einem
respektablen Spritzgerät umarbeiten lassen. Die
Verlängerung der Spritze an deren Mündung
war nunmehr beträchtlich, der Wasserstrahl
dick und weitreichend. Dieses Instrument kam
in den Freistunden nicht mehr aus der Hand
des Jungen, der sich wohl als kleiner Feuer-
löschmann fühlte und mit seinem Gerät allmäh-
lich eine gewisse Fertigkeit erlangt hatte. So
trug er die Spritze auch heute bei sich, als er
mit den Kameraden die Sängerschar umstand.
Mögen nun die heute wieder bezogenen Prügel
den Ausschlag gegeben haben, kurz, der Junge
schlich sich unheilschwanger von seinen Ge-
spielen fort, füllte die Spritze daheim bis zum
Rand und begab sich flugs auf den Dachboden,
von dessen Luke aus die festliche Situation
So trug er die Spritze auch heute bei sich
unbeobachtet zu übersehen war. Einen Augen-
blick nur verharrte er — und schritt dann, die
Folgen seines Vorhabens nicht bedenkend, zur
Ausführung. Das Ständchen hatte inzwischen
seinen Höhepunkt erreicht und Herr Barth mit
den Sängern gerade sein Bravourstück „Groß-
mütterchen will tanzen, will tanzen" ange-
stimmt, als Otto, weit ausholend, die volle
Wasserladung treffsicher in Barths Brillen-
gesicht hineinfeuerte. — Die Wirkung dieses
Lausbubenattentats war unvorstellbar. Barth
stand, wie vom Blitz getroffen, gleich einem
begossenen Pudel angewurzelt da. Der Takt-
stock entfiel ihm — und die Musik schwieg
still. Alles stob auseinander, der Jubilar mit
seinen Gästen erhob sich kopfschüttelnd. Wohl
sah man den triefenden Dirigenten, aber nie-
mand wußte sich den Vorfall zu erklären, noch
wo die Störung hergekommen sein mochte.
Natürlich war es mit dem Ständchen und mit
der Feststimmung vorbei. Gewitterschwüle
atmete die eben noch so friedliche Atmosphäre,
und im Nu war der Platz vor dem Balkon men-
schenleer. — Otto indessen verzog sich, als er
sah, was er angerichtet hatte, nichts Gutes
ahnend, in die hinterste Mansarde und verkroch
sich dort in ein altes Großmutterbett, um fürs
erste seinem gestrengen Vater aus den Augen
zu sein. — Das Ende der Tragikomödie vermag
man sich leicht auszumalen. Die Schlußszene
stieg am anderen Morgen, als Papa Grimmbart,
der wohl als einziger unter den Festteilnehmern
. .. als Otto die volle Wasserladung . ..
die Zusammenhänge erahnt haben mochte,
seinen sauberen Sprößling mit Vehemenz über
den Stuhl legte. Ob aber der gute Barth jemals
herausbekommen hat, wer ihm das schöne
Ständchen so verwässert hatte, ist nicht be-
kannt geworden.
7 Punkte für den Möbelkaut
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räumen zur Auswahl bereit
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181
Zeig mal deine Hände, Ursel!
Text von A. O., Zeichnungen von Beuth
Die kleine Ursel ist gerade drei Jahre alt.
Morgens, nachdem sie zierlich und sauber unter
der Hand der Mutter den Tag begonnen hat,
stürzt sie sich mit Feuereifer in ihre Spielecke.
Da steht eine große Kiste voller Dinge, die
einmal Spielzeug waren. Das heißt, es sind
die Reste einstiger Herrlichkeiten. Im Sinne der
Erwachsenen, versteht sich. Denn für Klein-
Ursel haben die Dinge erst ihren Wert be-
kommen, nachdem sie in Teile zerlegt waren.
Schließlich möchte man ja mit drei Jahren doch
gerne schon wissen, was dahinter steckt. Das
darf man Urselchen nicht übelnehmen.
Urselchen, eben noch wie ein Püppchen,
sauber und appetitlich, verwandelt sich beim
Spielen zusehends in ein kleines Schmutztier-
chen. Ist es ihre Schuld, daß die Räder vom
Holzentchen abfärben, wenn man sie mit
Spucke naß macht? Das penetrante Rot breitet
sich zuerst um ihren kleinen Mund, dann auf
das Kleidchen und die Hände und schließlich
über das ganze Kind aus. Ursel angelt tiefer in
der Spielkiste und findet tief unten Reste von
weißer Kreide, die ihr einmal eine kinderlose
Tante in ahnungsloser Güte geschenkt hat. Mit
weißer Kreide kann man wunderschöne Dinge
auf braune Schranktüren, auf Fußböden und
Tapeten malen, Ursel zögert nicht, diese Mög-
lichkeiten gründlich auszunutzen. Als sie aber
zuletzt ihr Werk, oder besser, ihre Werke be-
trachtet, kommen ihr doch Bedenken, ob man
sie verstehen wird. Da heißt es lieber vor-
sichtig sein und die Spuren verwischen. Das
Kleidchen ist leider zu kurz. Die Übergardinen
erweisen sich ebenfalls als nicht weitreichend
genug. Aber man hat ja zwei Hände. Ursel
wischt also mit ihren kleinen Fäusten kräftig
auf allen beschmierten (Pardon: bemalten)
Stellen herum. Ab und zu scheint es ihr ange-
bracht, es auch noch mit Spucke zu versuchen.
Der Erfolg ist jedenfalls verblüffend. Die Mut-
ter, der die Ruhe im Zimmer zwar etwas un-
heimlich ist, die aber dennoch erst eine ange-
fangene Arbeit beenden möchte, kommt erst
nach einer geraumen Weile wieder zu ihrer
Tochter.
Dann allerdings verschlägt es ihr die Sprache.
Das Chaos ist vollkommen, und Urselchen sitzt
als überlegene Urheberin mit glänzenden Augen
und roten Bäckchen mittendrin und verkündet
stolz und mit Würde: „Urselchen macht ganz
sauber!’1
Die Mutter schwankt, als ob sie vom Blitz
getroffen sei. Prinzipien, Erfahrung, Humor und
Erziehungsvorsätze, alles schwimmt ihr in einem
Meer von weißer Farbe und Kreidestaub da-
von, Außerstande, das Schreckliche in seiner
Ganzheit zu fassen, konzentriert sich ihr Vor-
wurf auf einen Abschnitt, sie runzelt die Brauen
und verlangt in strengem Ton: „Zeig mal deine
Hände, Ursel!“
Das begreift Urselchen, die Hände können
nicht im Sinne der Mutter sein! Schnell ver-
schwinden die beiden Fäuste auf dem Rücken
und Ursel versichert mit hochgezogenen Augen-
brauen: „Hände sind ganz sauber!“ Damit hätte
sie ja der großen Freundin nicht kommen
dürfen, denn nichts ist so sehr verpönt im
Hause als Ausreden und sogenannte Notlügen.
Ohne ein weiteres Wort, nur mit Blicken, die
voll stummer Anklage sind, holt die Mutter
die Händchen nach vorn und vor Ursels Augen.
„Sauber????“ meint die Mutter beziehungsvoll.
Und vor so viel überzeugendem Beweis streckt
Urselchen die Waffen und hält es für besser,
ein paar reuige Tränchen hervorzuquetschen.
Krokodilstränen, findet die Mutter sehr nüch-
tern. Oh, sie kennt diese kleine Kröte zur Ge-
nüge! Mit Händewaschen ist es da auch nicht
mehr getan. Ein Vollbad ist nicht zu umgehen.
Kommt hinzu: ein frisches Kleidchen und
Schuheputzen und ein unvorhergesehener aus-
giebiger Hausputz in Ursels ,,Mal”-Zimmer. Als
Ursel, bereit zu neuen Taten, wiederum sauber
und niedlich in einem sauberen Zimmer sitzt,
streckt sie strahlend und vergnügt der Mutter
die Händchen entgegen und verkündet mit
Siegesbewußtsein: „Jetzt sind Händchen aber
ganz bestimmt sauber!"
Ursels Mutter hatte gar nicht so unrecht, die
Sauberkeit der Hände zum Gradmesser der
182
allgemeinen Sauberkeit zu machen. Die Hände
sind für Kinder sozusagen die Füllhörner, alles
wird zuerst betastet und „begriffen" im wahr-
sten Sinne des Wortes. Ein schmutziges Kleid-
chen, ja selbst ein schmutziges Gesicht ist nicht
so schlimm wie unsaubere Hände, denn tau-
sendmal am Tage und mehr wandern die kleinen
Finger in den Mund und transportieren Bazillen
und Schmutzpartikelchen in die Mundhöhle.
Wirklich saubere Hände hat ja auch der Er-
wachsene nur fünf Minuten nach dem Hände-
waschen, dann beginnt schon langsam aber
sicher eine neue Verschmutzung. Besonders
muß man darauf achten, daß die Hände vor
den Mahlzeiten gewaschen werden. Aber wäh-
rend alle Kinder in hohem Maße entzückt sind,
wenn sie im Wasser plantschen dürfen, so ist
ihnen seltsamerweise das Händewaschen ein
Greuel. Sehr viel erreicht man immer mit dem
guten Beispiel. Kein Kind wird einsehen, daß
es etwas tun muß, was für die Erwachsenen
nicht gefordert wird. Also auch der liebe Papi
und die gute Oma müssen die Hände vor Tisch
waschen. Man kann ja diese Prozedur dem
Kinde etwas leichter machen, indem man das
Spielerische betont. Ein kleines Kinderseifen-
stückchen, eine kleine Kindernagelbürste, das
Handtuch an einem tieferen Haken. Und wenn
es gar nicht gehen will, dann erfindet die Mutter
wohl auch noch einen lustigen Vers oder ein
Liedchen von den fünf Fingern.
Dazu gehört natürlich Geduld und nochmals
Geduld. Und leider haben die wenigsten Mütter
Geduld, weil ihnen die Zeit dazu fehlt. Wie
notwendig wäre es, daß die Mütter außer der
Erziehung ihrer Familie keine anderen Ver-
pflichtungen hätten. Aber es hat keinen Zweck,
solch einem Idealfall nachzutrauern. Finden
wir uns mit den harten Tatsachen ab und ver-
suchen wir, von Zeit zu Zeit uns klar zu machen,
wie wichtig es ist, trotz allem und dennoch
Geduld zu haben.
So eine kleine Kinderhand ist ja nicht immer
Gegenstand mütterlicher Unzufriedenheit und
Tummelplatz von Bakterien. Sie legt sich auch
zuweilen weich und samten auf unsere Wange
und versucht ein schüchternes Streicheln. Dann
nimmt die Mutter wohl ein wenig gerührt und
verlegen die kleinen Finger zwischen ihre
großen und fühlt den pulsenden Blutstrom
in den Adern ihres Kindes und die weiche,
zarte Innenfläche, die beim kleinen Kinde noch
so sehr den Blumen gleicht. Laß uns doch mal
die Innenflächen ansehen, kleines Urselchen!
Sind da auch schon so seltsame Schicksalskurven
aufgezeichnet wie bei Vater und Mutter? Kann
man wirklich aus der Kinderhand so allerlei
über Zukünftiges, Gutes und Schlimmes lesen?
Auf jeden Fall findet man eine klebrige Stelle
vom Marmeladebrot und in den tieferen Rillen
noch Reste roter Farbe von der vergangenen
Malszene. Inzwischen sinci Ursels Hände schon
viermal geschrubbt worden und dreißigmai
wieder schmutzig geworden. Ursel, Ursel, wohin
soll das führen! Es wird einmal der Tag
kommen, an dem du zum ersten Male in die
Schule gehen wirst. Und morgen, mein liebes,
kleines Urselchen, ehe du die große Schiefer-
tafel voll lustiger Buchstaben malen darfst,
183
kommt die Lehrerin und sagt zu dir: „Zeig mal
deine Hände, Ursel!" Und da will sie sauber-
gewaschene Finger sehen und feine, saubere
Fingernägel ohne Trauerränder und ange-
wachsene Nagelhäutchen. Und das Nägelkauen
wirst du dir dann wohl endlich auch abge-
wöhnen, denn es ist nicht nur häßlich, sondern
auch sehr gesundheitsschädlich. Was soll denn
dein armer Magen, der so fröhlich bei Apfel-
mus und Schokoladenpudding ist, mit zerkauten
Fingernägeln anfangen?
Und auch hinter das Daumenlutschen werden
dir die anderen Kinder bald kommen und dich
furchtbar auslachen. So ein Lutschdaumen ist
ja immer viel heller als die anderen Finger.
Und weißt du, wohin der Schmutz von diesem
Daumen wandert? Auch in deinen Magen. Von
dort geht er ins Blut und macht deinen kleinen
Körper krank.
So werden wir also zu unserem kleinen
Mädchen sprechen und Geduld haben. Wir
wollen unser Kleines an der Hand nehmen
und ihm zeigen, wie man die Hände waschen
muß, damit kein „Armbändchen'' am Hand-
gelenk entsteht. Alle Nägel werden gebürstet
und beim Abtrocknen schieben wir mit dem
Handtuch die Haut zurück, damit wir uns eine
Das Sator-Quadrat
Von Ludw
Dieses „magische" Quadrat ist seit lan-
gem Gegenstand eifriger Forschung. Das
mag zunächst als verwunderlich erscheinen.
Denn so merkwürdig das Gebilde auch ist
— ob von links nach _____________
rechts, von rechts nach links, von oben nach S A T O R
unten oder von unten A R E P O
nach oben gelesen, im- TENET
mer lautet es gleich —, OPERA
man wird doch schwer- R O T A S
lieh geneigt sein, mehr
als ein verblüffend er-
klügeltes Buchstabenspiel darin zu sehen.
Aber dieses Spiel ist nicht nur an sich
merkwürdig, es überrascht auch durch
sein ehrwürdiges Alter und seine erstaun-
liche Verbreitung.
In Pompeji hat man das Quadrat als
Wandinschrift gefunden. Das bedeutet, daß
es vor der Verschüttung des Ortes durch
den Vesuvausbruch des Jahres 79 nach
Christus bekannt gewesen ist. Die Zweit-
älteste Fundstätte ist Duwa Europos am
Euphrat; auch hier fand sich der Spruch
Prozedur mit harten Instrumenten ersparen.
Die Nägel halten wir immer kurz und sauber,
besser als schneiden ist feilen. Bei vielen
Nägelkauern ist nämlich der Grund darin zu
suchen, daß die weichen Nägel einreißen und
das Kind stören. Weil es die Schere noch nicht
selbst handhaben kann, fängt es dann an zu
beißen und behält die schlechte Gewohnheit
bei. Durch das Feilen werden die Nägel fester
und brechen nicht mehr so leicht. Eventuell
sollte man sie auch mit ein wenig Fettcreme
nach dem Waschen einreiben.
So, nun sind Ursels Fingerchen aber wirklich
vorbildlich sauber. Rosig und warm liegt die
kleine Patschhand in der großen Hand der
Mutter. Wie in einem kleinen Bettchen. Da
deckt die Mutter ihre andere Hand schützend
darüber und möchte sie am liebsten ein ganzes
Leben lang so halten, Schutz und Zuflucht für
ihr kleines Mädchen. Aber Urselchen wird nicht
ewig das kleine Mädchen bleiben. Die Mutter
seufzt, halb froh und halb betrübt über diese
Erkenntnis. Eilig zieht Urselchen ihre Hand aus
dem warmen Gefängnis und taucht sie mit In-
brunst in ihre große Spielkiste, um sie bereits
nach fünf Minuten schwarz wie ein kleiner
Schornsteinfeger wieder hervorzuziehen.
und seine Deutung
'< g Wagner
an Hauswänden, und zwar zweimal. Diese
Inschriften gehören etwa in die erste
Hälfte des dritten Jahrhunderts nach
Christus. In den folgenden Jahrhunderten
hat das Quadrat immer weitere Verbrei-
tung gefunden. In fast allen Ländern Euro-
pas, bis nach Island hinaus, läßt es sich
nachweisen, besonders häufig in Deutsch-
land. Aber auch nach Aegypten und Abes-
sinien ist es gelangt, schließlich sogar in
die Neue Welt hinübergewandert.
Dies erklärt sich aus der Tatsache, daß
man der Formel geheimnisvolle Kräfte
mannigfacher Art zuschrieb. Ganz allge-
mein galt sie als Segensspruch, .der vor
allem Unheil behüten sollte; so verwen-
dete man sie in Kirchen und Handschriften,
schnitzte sie in Holzformen zum Aufdruck
auf Brote oder trug sie als Amulett zum
Schutz gegen Behexung und um die Gunst
hochgestellter Personen zu gewinnen. Vor
allem aber sah man in ihr ein Abwehr- und
Heilmittel gegen Krankheit bei Mensch und
Vieh, so gegen Hundebiß und Tollwut,
Schlangenbiß und Fieber, Augen- und Fuß-
184
weh. Mit ihrer Hilfe vermochte der Kun-
dige auch „Feuer zu löschen ohne Wasser".
Die weite Verbreitung und vielseitige
Verwendung hat ihren Grund darin, daß
das Sator-Quadrat in allen Richtungen
gleichlautend zu lesen ist. Es erweist sich
damit als die schlechthin vollkommene
Zauberformel. Jeder Zauber läßt sich näm-
lich dadurch aufheben, daß man den Zauber-
spruch rückwärts hersagt; das ist aber hier
unmöglich. Doch zweifellos gehört die For-
mel nicht nur ins Gebiet der „Magie". Wenn
man sie in Kirchen imMosaik des Fußbodens
anbrachte oder in Bibeln hineinschrieb, so
stand das in geradem Gegensatz zu ihrem
Gebrauch als Zauberspruch. Hier entsprang
ihre Verwendung dem frommen Glauben,
daß sie in ihrer rätselvollen Form höhere,
ja göttliche Weisheit berge und als Trägerin
solcher Weisheit heiligende und erhaltende
Kräfte in sich trage. Das heißt, die Formel
wurde als eine Art religiösen Symbols ver-
ehrt.
Es ist also verständlich, daß man das
Sator-Quadrat von allen möglichen Seiten
her betrachtet hat. Nicht nur sogenannte
Okkultisten, auch Vertreter verschiedenster
Zweige der strengen Wissenschaft haben
sich mit ihm befaßt: Theologen, Ethnologen,
Philologen, Historiker, Mediziner, Mathe-
matiker. Die Literatur über den Gegenstand
ist zu stattlichem Umfang angewachsen.
Aber alle religions- oder kulturgeschicht-
lichen, volkskundlichen oder sonstigen Be-
trachtungen, zu denen das Quadrat Anlaß
gegeben hat, treten zurück hinter der
schlichten Frage: Was bedeuten die Worte?
Diese Frage hat bis heute keine befriedi-
gende Antwort gefunden. Die Zahl der Deu-
tungen ist außerordentlich groß; so groß,
daß sie hier nicht im einzelnen angeführt,
geschweige denn auf ihre Annehmbarkeit
geprüft werden kann. Wir müssen uns damit
begnügen, auf die Hauptschwierigkeit hin-
zuweisen und an einigen bezeichnenden
Beispielen zu zeigen, wie man ihrer Herr zu
werden versucht hat.
Den entscheidenden Anstoß erregt das
Wort arepo in der zweiten Reihe. Während
die andern vier Zeilen bekannte lateinische
Wörter enthalten, ist arepo nicht als latei-
nisch nachzuweisen und spottet überhaupt
der Erklärung. Man hat zwar eine unmittel-
bare Erklärung versucht und in dem Worte
zum Beispiel den ägyptischen Serapis oder
das indische Arapa entdecken wollen. Aber
damit ist für die Deutung des Ganzen nichts
gewonnen, ganz abgesehen davon, daß es
sich hier um reine Vermutungen handelt,
für die nicht der geringste Beweis erbracht
wird. Die meisten Erklärungsversuche be-
wegen sich denn auch in anderer Richtung:
Man räumt den Stein des Anstoßes dadurch
aus dem Wege, daß man das unerklärliche
arepo beseitigt. Das geschieht
1. durch die Umgruppierung der Buch-
staben, zum Beispiel so: Sat orare poten(ter)
et opera(re) r(ati)o t(u)a s(it). Das Quadrat
enthält hiernach die Benediktinerregel:
„Viel beten und kräftig arbeiten, das sei
deine Lebensweise". Die Willkür, mit der
hier nicht nur umgruppiert, sondern auch
zugesetzt wird (elf Buchstaben), ist offen-
kundig.
Ähnlich ist die folgende Annahme: Sat
orare pote et opera rotas. Bedeuten soll
das: „Vermöge genug zu beten, und du be-
wältigst die Werke". Nur nebenher be-
merkt: ein wahrhaft abenteuerliches Latein,
der Dunkelmännerbriefe würdig. Immerhin
hier ist wenigstens nichts gewaltsam er-
gänzt. Freilich ergibt sich dafür ein neuer
Anstoß: ein Buchstabe fehlt, das n von
tenet.
Dazu ist eine grundsätzliche Bemerkung
zu machen. Jede Erklärung, die die Zahl
der Buchstaben nicht unangetastet läßt
oder sonstige Änderungen an ihnen vor-
nimmt, hat keinen Anspruch auf Beachtung;
denn sie zerstört das so überaus kunstvolle
Zusammenspiel. Die Eigenart des Ganzen
besteht ja darin, daß jedes Teilchen an
seinem Platze unverrückbar notwendig ist.
Wir haben es sozusagen mit einem „Orga-
nismus" zu tun, einem geschlossenen Glied-
bau, in dem jedes Glied seine bestimmte
Stelle und Aufgabe hat. Ein Glied ampu-
tieren oder durch ein neues ersetzen, heißt
das Ganze nicht nur verkrüppeln, sondern
vernichten.
Schon deshalb ist auch folgende Erklä-
rung abzulehnen: Sator a rapo tenet opera
rotas; denn wenn man auch hinnimmt, daß
das böse arepo zerlegt ist, die Änderung
des e in ein a bedeutet Zerstörung. Ganz
zu schweigen vom Inhalt des Satzes. Er
soll bedeuten: „Der Sämann hält in der
Hand von der Rübe durch Arbeit Räder".
Das ist so sinnig, daß der Erklärer von
vorneherein betont, es handele sich über-
185
haupt nur um einen ,,einfachen, gehalt-
vollen Sinnspruch", nicht um eine Zauber-
formel oder ein christliches Symbol.
2, Man gibt die Anordnung der Buch-
staben ganz auf und bildet vollkommen
neue Wörter. Zum Beispiel so: Petro et reo
patet rosa Sarona, das heißt: ,,Auch Petrus,
ob er gleich schuldig war, steht die Rose
von Saron offen". Damit wird das Quadrat
als rosenkreuzerisches Symbol hingestellt.
Hierher gehört schließlich ein Lösungs-
versuch, der viel Beifall gefunden hat, ja
geradezu als die Lösung gepriesen worden
ist, gegen die nach allen Regeln des „ge-
sunden Menschenverstandes" kein Einwand
mehr möglich sei. Er ist einer der jüngsten
(1936) und besteht darin, daß die Buch-
staben aus dem Quadrat herausgenommen
und in die Kreuzform untergeordnet wer-
den. Man erhält so zweimal „Pater noster"
und ,,a" und ,,o". Die Mitte des Kreuzes
bildet das N von tenet, darüber und zur
Linken stehen die fünf Buchstaben „pater",
darunter und zur Rechten „oster". Die zwei
A geben den Abschluß oben und links, die
zwei O unten und rechts:
A
P
A
T
E
R
A / PATERNOSTER / O
O
S
T
E
R
O
Das ist zwar verblüffend und bestechend,
aber ganz und gar nicht überzeugend. Die
Satorformel tritt immer wieder als Quadrat
auf. Die in ihm gegebene Anordnung der
Buchstaben ist merkwürdig genug und hat
sicherlich den Finder reichliche Denkmühe
gekostet. Man beraubt seine Leistung ihres
Eigen-Sinnes und Eigenwertes, wenn man
annimmt, sie sei nichts als Verkleidung für
etwas ganz anderes. Aber auch gewichtige
geschichtliche Bedenken sprechen gegen
diese Deutung. Wäre sie richtig, so müßte
dem Finder schon vor 79 nach Christus das
Gebet Jesu in der lateinischen Fassung ge-
läufig gewesen, ja, es müßte in dieser
Fassung allgemein in Gebrauch gewesen
sein. Das ist mehr als unwahrscheinlich,
denn jede neu auftretende Religion legt
den größten Wert darauf, ihre Überliefe-
rung möglichst in der Urform zu erhalten.
So ist selbst in dem lateinisch sprechenden
Rom die Sprache der christlichen Gemeinde
bis ins dritte Jahrhundert hinein das
Griechische geblieben. Wieviel mehr muß
dies in Süditalien der Fall gewesen sein,
das besonders in den Küstenstrichen seit
alters ganz von Griechen besiedelt war, wo
also die griechische Sprache vorherrschte.
Zudem steht fest, daß die erste lateinische
Bibelübersetzung erst in der zweiten Hälfte
des zweiten Jahrhunderts nach Christus
entstanden ist. Erst mit ihr war aber die
Voraussetzung dafür gegeben, daß die
griechische Form des Gebets durch die
lateinische verdrängt wurde. Dies wird nur
allmählich geschehen sein. Es bereits für
das erste Jahrhundert anzunehmen, wäre
verfehlt. Ebenso spricht die kreuzförmige
Anordnung der Paternosterworte eher
gegen als für die Richtigkeit des Lösungs-
versuches, denn das Kreuz wurde erst im
Jahre 680 auf dem Konzil zu Konstantinopel
zum Wahrzeichen des Christentums gewählt.
Vor allem jedoch: Die Frage, die uns
beschäftigt, ist nach wie vor unbeantwortet.
Das Paternosterkreuz sagt uns nichts dar-
über, was für einen Sinn die Worte des
Quadrats haben, so wie sie dastehen, und
ob sie überhaupt einen Sinn haben. Trotz
allen Mühen hat sich kein befriedigendes
Ergebnis gewinnen lassen. So ist man denn
dahin gelangt, die Formel als sinnlos zu
bezeichnen. Mit Entschiedenheit erklärt ein
Gelehrter von Rang (Albrecht Dietrich):
„Es ist Torheit, einen Sinn in den Buch-
staben suchen zu wollen. Sie haben niemals
einen Sinn gehabt... In einem so kompli-
zierten Zeichenspiel einen Sinn zu er-
warten, heißt zuviel verlangen." Und er
weist darauf hin, daß alle Zauberbücher
des Altertums wie des Mittelalters auf
jeder Seite „sinnlose Gruppen von gerade-
zu unaussprechbar nebeneinandergestellten
Buchstabenzeichen" enthalten. So richtig
diese fachmännische Feststellung im allge-
meinen sein mag, den völligen Verzicht
auf Sinngebung rechtfertigt sie in unserem
besonderen Falle nicht. Wie erwähnt, findet
sich das Quadrat in einer ganzen Anzahl
von Kirchen. Diese Tatsache beweist, daß
186
man es nicht als Zauberformel betrachtete
und auch nicht als sinnleeres Zeichenspiel
ansah. Man mußte vielmehr einen be-
stimmten Sinn darin finden, und zwar
einen, der dem christlichen Glauben voll
entsprach.
In der Tat läßt sich ein solcher Sinn ohne
alle Künstelei feststellen. Den Weg zur
Lösung weist die Beobachtung, daß die
älteste Ueberlieferung die Worte in folgen-
der Anordnung gibt: ROTAS — OPERA
und so weiter, während alle späteren lauten:
SATOR — AREPO und so weiter. Daraus
ergibt sich, daß die erste Zeile der In-
schriften in Pompeji und Duwa Europos
von rechts nach links zu lesen ist. Das ent-
spricht der alten Schreibweise, die sich
durchgängig der großen Buchstaben be-
diente und daher die Möglichkeit hatte,
ebenso gut links- wie rechtsläufig zu
schreiben. (Als in späterer Zeit die rechts-
läufige Schreibung üblich wurde, begann
man natürlich mit SATOR.) Die zweite Zeile
kann dagegen nur von links nach rechts
gelesen werden. Dies folgt aus der ein-
fachen Überlegung, daß für lateinisch
sprechende Menschen nur das Wort opera
in Betracht kommt, während es ein latei-
nisches Wort arepo nicht gibt. Wir kommen
also zu dem Ergebnis: Die Wörter sind
„bustrophedon" zu lesen. Der griechische
Ausdruck besagt: „Wie sich der Stier beim
Pflügen dreht". Daß in dieser Weise in
alter Zeit geschrieben worden ist, nämlich
abwechselnd eine Zeile von der Rechten
zur Linken, die nächste von der Linken zur
Rechten und so fort, das steht fest.
Diese Leseart beseitigt jede Schwierig-
keit. Das völlig unerklärliche arepo fällt
weg, ebenso das kaum weniger störende
rotas in der letzten Zeile. Es steht nichts
anderes als: „sator apera tenet", und zwar
bustrophedon gelesen
1. waagerecht von links nach rechts, mit
der ersten Zeile begonnen;
2. von rechts nach links, mit der letzten
Zeile begonnen;
3. senkrecht von oben nach unten, links
oben begonnen;
4. von unten nach oben, rechts unten be-
gonnen.
Die drei Worte bedeuten: sator (= crea-
tor) Schöpfer, tenet erhält, opera (die, das
heißt) seine Werke. Also zu deutsch: Gott
erhält die Welt, oder: Gott ist Schöpfer
und Erhalter.
So ist es verständlich, daß das Quadrat
zum christlichen Symbol werden konnte.
Der Satz ist inhaltlich Ausdruck für die
Allmacht Gottes, seine Form kann als
Sinnbild für die Geschlossenheit, Stetigkeit,
Allgegenwart des göttlichen Wesens ge-
deutet werden. Darauf weist auch das Wort
tenet hin, das den Kern des Ganzen dar-
stellt und die Form eines (griechischen)
Kreuzes bildet.
Von der Darlegung weiterer Ausdeutungs-
möglichkeiten — es gibt deren noch
einige — soll abgesehen werden. Als wich-
tiger scheint es hervorzuheben, daß sie
nicht als Beweis für christlichen Ursprung
der Satorformel gelten können. Ihrem In-
halt nach kann diese sehr wohl aus vor-
christlicher Zeit stammen, und der Fund in
Pompeji macht diese Annahme wahrschein-
lich. Mit Gewißheit läßt sich nur sagen, daß
sie nichts enthält, was christlichem Denken
widerspricht; nicht aber, daß sie nur christ-
lichem Denken entstammen könne.
„Man kann studieren und sich tief in den
Irrtum hineinstudieren". DieserSatzLessings
findet in der Literatur über das Sator-Quadrat
eine teils verstimmende, teils erheiternde,
teils Staunen und Bewunderung abnötigende
Bestätigung. Unendlich viel Nachdenken
und Grübeln, tiefe Gelehrsamkeit und
scharfsinnige Kombination sind aufge-
wendet worden, das Rätsel zu lösen. Und
doch ist keine Deutung geglückt, die einer
ruhigen Prüfung standhielte, ja, die meisten
erscheinen als so gewaltsam erklügelt, daß
ihre Unhaltbarkeit mit Händen zu greifen ist.
Die hier versuchte Lösung ist dagegen
sehr einfach. Man muß sich wundern, daß
sie bisher nirgends gefunden worden ist.
Wahrscheinlich liegt der Grund hierfür in
nichts anderem als eben in ihrer Einfach-
heit. Mancher Beurteiler wird sie nun als
zu hausbacken und nüchtern ablehnen. Sie
aber mit mehr Gründen zu stützen, als auf
dem begrenzten Raume möglich war, er-
scheint als überflüssig. Ist sie eine wirk-
liche Lösung, so trägt sie ihre Ueber-
zeugungskraft in sich selbst.
Mathematische Merkwürdigkeit
Das Wunder der Zahl 142 857
Der Professor Zervos von der Athener
Universität hat eine sehr interessante
Zahlenstudie zur Veröffentlichung gebracht:
187
Es handelt sich um die Zahl 142 857.
Mit 2 multipliziert ergibt sie 285 714,
d. h. dieselben Ziffern mit der Änderung,
daß die beiden ersten die beiden letzten
geworden sind.
Mit 3 multipliziert erhält man 428 571,
immer dieselbe Ziffernfolge, nun ist es die
erste, die an die letzte Stelle rückt.
Mit 4 multipliziert ergibt es 571 428, die
beiden letzten Ziffern rücken an die Spitze.
Mit 5 multipliziert erhält man 714 285,
die letzte Ziffer geht den 5 anderen voran.
Mit der Multiplikation mit 6 erhält man
857 142 und man bemerkt, daß die drei
Zifferngruppen ihre Plätze ausgetauscht
haben.
Indem man die fragliche Zahl aber mit 7
multipliziert, erhält man 999 999.
Nun braucht man nur noch zu wissen,
wer Professor Zervos auf die Zahl 142 857
gebracht hat.
Mutierfragen
Der Übergang von der natürlichen zur künst-
lichen Nahrung beim Säugling
Ist beim Säugling der Augenblick gekommen, wo
er sich weigert, weiterhin die mütterliche Brust an-
zunehmen, und hat man schon einige Zeit vorher
seine Nahrung teils in natür-
licher, teils in künstlicher Form
zubereitet, so gilt es. nun ganz
zur künstlichen überzugehen.
Dieser Übergang geht jedoch
nicht ganz ohne Zwischenfälle
ab. Während ein Brustkind stets
ein gesundes Aussehen hat,
über guten Schlaf verfügt, keine
Verdauungsstörungen aufweist, i
wenn auch der Stuhl nicht im-
mer regelmäßig war und deshalb
keiner genauen Überwachung bedurfte, hat ein Fla-
schenkind unter steter Kontrolle seiner Verdauung
zu stehen, und nur eine sorgsam berechnete und
zubereitete Nahrung zu empfangen.
Die Berechnung der künstlichen Nahrung steht in
enger Verbindung mit dem Gewicht des Kindes und
man ist dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen:
Während eines Tages (24 Stunden) hat der Säug-
ling V» seines Körpergewichtes an Vollmilch und
~Vioo an Zucker und Mehlstoften zu bekommen. Hat
also der Säugling ein Gewicht von 5 kg, so müßte
die Milchzufuhr 500 g schwer sein, über das Gewicht
läßt sich sagen, daß es in den ersten drei Monaten
etwa 200 g pro Woche zunehmen soll, in den zweiten
und dritten 3 Monaten nur noch 120 bis 150 g pro
Woche, und im letzten Vierteljahr etwa 80 g. Bleibt
die Gewichtszunahme außer geringen Schwankungen
unter diesen Ziffern zurück, dürfte dies die Folge
von zu geringer Nahrungszufuhr sein.
Gewöhnlich verabreicht man einem normalen
Säugling ein Milchgemisch von 1 Teil Milch und
1 Teil Wasserschleim. Später gibt man, ungefähr ab
6 Monaten 2 Teile Milch und 1 Teil Schleim, und
wenn das Kind 3U Jahre alt ist, kann es reine Milch
genießen. Die Milch hat stets sofort nach dem Holen
abgekocht und sodann an einem kühlen Ort auf-
bewahrt zu werden.
Die Schleimzubereitung hat am besten mit zuvor
längerer Zeit eingeweichten Haferflocken oder Reis
zu geschehen. Nach dem Aufkochen wird der Schleim
durch ein Haarsieb getrieben. Man weicht die Flocken
mit derselben Wassermenge ein, mit der man den
Schleim erhalten will, zieht aber dabei die durch
das Kochen und Durchtreiben verlorengehende
Menge ab. An der Stricheinteilung der Flasche kann
man die einzelnen Mahlzeiten gut errechnen. Zum
Erwärmen wird das Gemisch in heißes Wasser ge-
stellt und an der Wange der nötige Wärmegehalt
geprüft. Nach Vollendung von Vs Jahr wird mittags
ein Gemüsebrei gegeben. Auch Obst- und Möhren-
saft sind dem Kinde dienlich.
Lebensweisheiten
Auseinandersetzungen in der Familie
„Man muß seine schmutzige Wäsche in der Familie
waschen“, sagt ein französisches Sprichwort, und
das bedeutet: Streitigkeiten und Auseinander-
setzungen innerhalb der Familie dürfen nicht die
vier Wände des Hauses überschreiten und vor
keinem Fremden ausgetragen werden. Es würde auch
nur geringen Nutzen darstellen, wollte man Außen-
stehende über die ureigensten Angelegenheiten
orientieren, um von ihnen noch eine Meinung oder
Stellungnahme zu erwarten.
Nichts ist außerdem unangenehmer und peinlicher
für einen Dritten, als Zeuge eines Familienkrachs
zu sein. Ist er einmal in einen solchen mit hinein-
gezogen und ergeht die Aufforderung einer Äuße-
rung an ihn, wem soll er dann recht geben? Wie
soll er sich überhaupt verhalten? Hat er einen ge-
hässigen und übelwollenden Charakter, bereitet es
ihm höchstens eine Freude, Uneinigkeiten innerhalb
der Familie festzustellen. Besitzt er dagegen Mit-
gefühl und Takt, bereitet ihm das Wissen um die
Unvollkommenheit in einer Familiengemeinschaft
nur Enttäuschungen und Widersprüche. Ist jedoch
bei derartigen Anlässen die Teilnahme eines Dritten
nicht zu umgehen, gibt es wiederum Möglichkeiten,
denselben so wenig wie möglich in die Affäre
hineinzuziehen. Besteht zwischen ihm und der
Familie ein gegenseitiges Vertrauen, kann oft dank
ihm das aufziehende Gewitter gemäßigt und in eine
logische Auseinandersetzung umgestaltet werden,
bei welcher er zum Schlichter und Richter werden
kann. Bestehen keine näheren Beziehungen zu diesem
Beteiligten, ist der Streit auf alle Fälle weitgehendst
zurüdczudämmen, um ihm ja nicht zu einer Mei-
nungsäußerung Gelegenheit zu geben. In jedem
Falle ist es jedoch angebracht, Familienauseinander-
setzungen zu vermeiden, wenn man sich nicht
alleine weiß.
188
Gute Sitten und böse Gewohnheiten beim Essen
Als Heinrich VIII. mit Hühnerknochen warf. . .
Oder: wie man es nicht machen soll!
Nichts einfacher als das: wenn sich lecker
und appetitanregend die Speisen vor uns sprei-
zen, wozu dann lange überlegen, wie man sie
packen soll!
Wie sind eigentlich unsere Tischsitten, wie
ist unsere Eßkultur entstanden? Etwa aus Ge-
ziertheit oder zur Betonung der Standesunter-
Kraftstrotzencle Naturen, wie der englische König ..
schiede oder aus Gesundheitsrücksichten? Oder
vielleicht aus diesen und mehreren Gründen zu-
sammen?
Als das erstemal eine zubereitete Mahlzeit
auf dem Tisch einer Familie stand, erhob sich
die große Frage: aus was und mit was? Nun,
Löffel und Gabel sind uns in Zunge und Fingern
angewachsen. „Greift nur hinein", sprach die
Hausfrau, denn, ehe man es recht bedacht,
hatte der kluge Hausherr jenen Stein gefunden,
den zwar nicht der Tropfen, wohl aber die Zeit
gehöhlt hatte und ihn als Patentschlüssel
zwischen die Seinen gestellt. Wie man erst
einmal mit der Eßkultur begonnen hatte, so gab
es nun kein Halten mehr. Man trieb es bis zu
den Tafelaufsätzen, die mit sechserlei verschie-
denen Mordbestecken geziert sind.
Zuerst lernte man, die gemuldete Hand nach-
zuahmen: da war der Löffel erfunden. Nun
konnte man schöpfen, was sonst buchstäblich
durch die Finger rann. Später erkannte man
auch, daß es unangenehm ist, wenn die vom
Köhlerhandwerk geschwärzten Finger dunkle
Spuren in den Nudeln hinterlassen. Man be-
eilte sich, das Versäumte nachzuholen und
erfand die Gabel. Aber dieses Werkzeug er-
schien unseren Vorfahren so vornehm, daß zu-
erst nur ganz große Herren damit an festlicher
Tafel prunkten. Die Gabeln waren aus kost-
barem Metall und wurden an einem Kettchen,
ähnlich wie heute die Taschenuhren, getragen.
Das war zu einer Zeit, als einfache Leute aus
holzgeschnitzten Tellern und Schüsseln aßen,
die Höhergestellten aber blankgeputztes Zinn-
oder gar Silbergerät auf weißes Tafellinnen
stellten.
Aber hier wie da nahm man es mit dem zier-
lichen und sauberen Essen nicht so genau.
Während gelehrte Herren zwischen den üppi-
gen Gängen geistreiche und tiefschürfende Ge-
spräche führten, bohrten gelangweilte Edel-
knappen mit den Fingern an knusprigen Gänse-
brüsten. Auch mußte man jung und alt er-
mahnen, das Tafeltuch nicht zum Schneuzen
zu mißbrauchen. Einige alte Sprüchlein verraten
uns die Unarten:
Wer den Mund hat voll,
der nicht reden soll!
Sieh da, das scheint doch ein unausrottbares
Übel zu sein! Ein anderes Sprüchlein aus dieser
Zeit lautet:
Auch etliche, die sind so faul,
wenn sie den Löffel zu dem Maul
tun, hängen sie den offenen Rüssel
über die Platten und die Schüssel.
Herr von Knigge wäre entsetzt! Man war
dazumal in hygienischen Dingen nicht allzu
empfindlich.
Es gibt in unserer Sprache eine Bezeichnung
für das Essen, die noch aus einer Zeit stammt,
in der sie treffend war: des Leibes Notdurft
befriedigen. Solchem Tun entspricht kein zier-
liches Handhaben von Messerchen und Gäbel-
chen, sondern ein derbes Zupacken und Ein-
packen in den hungrigen Schlund.
Kraftstrotzende und sinnenfrohe Naturen wie
der englische König Heinrich VIII. hatten für
all die hemmenden und erschwerenden Zere-
monien bei Tisch nur ein dröhnendes: ach was!,
ergriffen Huhn und Schlegel, wo ein Knochen
herausstand, nagten ab, was eßbar war und
warfen das Unverdaubare mit genialem Schwung
über die Schulter.
Noch ein anderer Monarch setzte sich über
die Tischsitten hinweg und tat nach seinem
Belieben: Friedrich der Große pflegte, nach
zeitgenössischen Berichten, das Fleisch, das er
für seine geliebten Windspiele bestimmt hatte,
mit den Fingern auf das Tischtuch zum Ab-
kühlen zu legen; Wein-, Braten- und Saucen-
189
flecken, sowie der reichlich verschüttete
Schnupftabak verzierten seinen Platz derart,
daß er selber mit ironischem Kopfschütteln
die krassesten Ausdrücke für sich gebrauchte.
Auch erzählt man sich von ihm die hübsche
Anekdote, daß er es liebte, wenn Voltaire sein
Tischgast war, Fischgerichte servieren zu lassen.
Die geistvollen Bemerkungen des klugen Fran-
zosen verlangten treffende Antworten, und da
der König mitunter solche nicht so geschwind
zur Hand hatte, als es ihm zur Wahrung seines
Ansehens bei dem großen Spötter notwendig
schien, konnte er das Aussor-
tieren der Gräten aus dem
Bissen, den er im Munde
hatte, als Vorwand ausgeben,
daß er ein wenig zauderte.
Nun, die Großen dieser
Welt haben stets eigene Ge-
setze für sich beansprucht.
Wir gewöhnlichen Sterblichen
aber tun gut daran, uns an
die allgemein gültigen Spiel-
regeln zu halten. Wir haben
inzwischen durch die Fort-
schritte in der Medizin einen
solchen Respekt vor der Hy-
giene bekommen, daß wir ihre
Vorschriften anerkennen müs-
sen und schließlich doch auch
befolgen. Manche Leute auf
dem Lande — damit sei nichts
gegen unsere Bauern gesagt
— machen sich wenig Kopf-
zerbrechen, sie löffeln nach ... ein Bild biederer Gemütlichkeit
wie vor ihren Morgenbrei aus
der gemeinsamen Schüssel, aber in der Stadt
und bei allen aufgeklärten und ängstlichen
Menschen nimmt die Hausfrau lieber die täg-
liche, unappetitliche Arbeit eines Riesen-
abwaschs auf sich.
Einzig und allein an der Hausfrau liegt es,
Hygiene und gute Sitten bei Tisch zur Ge-
wohnheit zu machen. Gerne vergessen wir die
Zeit, als eine Kaffeetasse mit Henkel fast so
selten auf dem Tische war wie früher ein
silberner Tafelaufsatz. Wir freuen uns daran,
wieder heiles und hübsches Geschirr auf den
Tisch zu stellen und ab und zu auch mal ein
Tischtuch aufzulegen. Nach wie vor besitzen
die Gesellschaftsformen, die sich durch Ge-
schichte und Erfahrung entwickelt haben, Gel-
tung, und immer wird der im Vorteil sein, der
sie beherrscht. Die Gewohnheit ist alle Zeit die
beste Lehrmeisterin gewesen. Nur der natür-
liche Anstand bei Tisch, also der Anstand, der
schon Natur geworden ist, schließt die Gefahr
einer Entgleisung, wenn es einmal wirklich
darauf ankommt, aus. Anstandsregeln und
Tischsitten, die man nur befolgt, wenn andere
Zusehen, sind hohle Formen und dienen nur
dazu, mehr zu scheinen als man ist. Der Erfolg
ist stets nur für den Augenblick. Es gab im
Mittelalter einen lustigen Kauz, der sich Mei-
ster Grobianus nannte und der den Leuten auf
recht deftige Art klarmachte, wie man sich
benehmen muß: er riet ihnen ganz ernsthaft,
gerade das zu tun, was unanständig ist. So
merkten sie am leichtesten, wo der Fehler lag.
Wir wollen es einmal ähnlich machen und
ein paar Regeln aufstellen für gute Tisch-
sitten, indem wir das Gegenteil preisen.
,,Ein sauber gedeckter Tisch macht der Haus-
frau nur Mühe, schmeiße alles
durcheinander, jeder kann
sich sein Eßbesteck ja selber
suchen, dadurch entsteht
dann Streit und Lärm, immer
eine gute und bekömmliche
Vorspeise, denn der Appetit
vergeht und man spart am
Essen. Die Hausfrau erscheine
ruhig in der schmutzigen
Schürze bei Tisch, das stört
niemand und vor allem nicht
den Hausherrn, der mit ab-
gelegtem Kragen und hängen-
den Hosenträgern immer ein
Bild biederer Gemütlichkeit
bietet. Von den Kindern ver-
lange zwar, daß sie vor der
Mahlzeit die Hände waschen,
bestehe aber beileibe nicht
darauf, sondern deute ihnen
an, daß die Erwachsenen so
etwas ja auch nicht für nötig
halten und daß deine ermah-
nenden Worte nur Ueberlieferung sind. Du bist
ja im allgemeinen ein Mensch, der viel redet,
aber es „gar nicht so meint".
Die Teller fülle recht voll, damit sie über-
laufen und sich so kleine Reserven auf dem
Tischtuch bilden. Vergiß aber nicht zu sagen,
daß man dies in guter Gesellschaft nicht tun
dürfe, damit deine Kinder merken, daß ihre
Eltern keine gute Gesellschaft sind.
Benutze die Gelegenheit der gemeinsamen
Mahlzeit, allen Ärger und alle Intimitäten zu
erörtern, die dir einfallen. Das verringert die
Bekömmlichkeit der Speisen. Schreie fortwäh-
rend deine Kinder an, damit sie das lassen,
was du selber tust: mit vollem Munde sprechen,
schmatzen, schlürfen, den Ellenbogen auf-
stützen, in den Zähnen stochern, während des
Essens vom Tische aufstehen und mit deiner
Gabei die besten Stücke aus der Schüssel
herausfischen. Du kannst ja jederzeit behaup-
ten, du wüßtest, was sich gehört, aber die
Kinder müßten es erst lernen. Sie werden das
einsehen und das nächste Mal das gleiche von
sich behaupten, während sie dein Benehmen
nachahmen."
190
Aber genug des Untugs! Zum Schluß ein ver-
nünftiges Wort, Wir leben zwar nicht um zu
essen, aber es ist nun einmal so, daß die Frage
nach dem Was und Wie recht wichtig für
unser Wohlergehen ist. Sauber, ruhig und maß-
voll soll es bei Tische zugehen. Hastige Mahl-
zeiten, die noch außerdem durch Ärger und
schlechte Gewohnheiten verdorben werden,
sind Verschwendung. Schlechtgekaute Speisen
können vom Körper nicht voll ausgewertet
werden und überlasten ihn. Darum sind viele
Tischsitten viel vernünftiger, als sie dem arg-
wöhnischen Bequemlichkeits-Fanatiker schei-
nen. In den Kriegsjahren war ein Tischtuch
fast schon ein kapitalistisches Symbol. Aber es
ist notwendig, daß wir uns daran erinnern, daß
alle guten Sitten nicht willkürliche Spielregeln
einer aussterbenden Klasse sind, sondern Aus-
drucksformen einer Zivilisation, die neben
vielen Unannehmlichkeiten doch auch genügend
Angenehmes mit sich brachte.
Wer keine Gabel hat, der nehme also bitte
nicht die Finger, sondern gehe schleunigst,
sich eine zu besorgen. A. O.
Medizinischer Ratgeber
Der chronische Rheumatismus
Der chronische Rheu-
matismus kann in ver-
schiedenen Formen auf-
treten, und man unter-
scheidet den chronischen
Gelenkrheumatismus, den
chronischen Muskelrheu-
matismus und den chro-
nischen Nervenrheuma-
tismus. Der chronische
Gelenkrheumatismus
stellt eine Affektion der
Gelenke dar; seine Entstehung ist gewöhnlich auf
Erkältung zurückzuführen, obwohl er auch ganz un-
begründet auftreten kann, da es Personen gibt, die
zu derartigen Krankheiten eine gute Disposition
haben. Die Bezeichnung „chronisch" bezieht sich
auf den Verlauf der Krankheit. Der chronische
Gelenkrheumatismus entsteht gewöhnlich aus einem
akuten Gelenkrheumatismus oder er zeichnet sich
durch langsamen Verlauf und andauernde Verän-
derung im Gelenk aus. Sein charakteristisches
Zeichen ist, daß er entweder gleichzeitig oder rasch
hintereinander mehrere Gelenke befällt. Der chronische
Gelenkrheumatismus ist an und für sich keine sehr
gewöhnliche Krankheit, bedeutungsvoll wird er erst
durch die mit ihm auftretenden Störungen, worunter
Herzkrankheiten besonders häufig sind. Der Verlauf
der Krankheit ist unregelmäßig, sie wiederholt sich
meistens in einer Dauer von 1—2 Wochen bis meh-
reren Monaten.
Der chronische Muskelrheumatismus verursacht
ziehende, reißende Schmerzen in den Muskeln, ohne
daß man äußerlich an denselben irgend eine Ver-
änderung wahrnehmen könnte. Die Schmerzen werden
durch Bewegungen der Muskeln gesteigert. Der chro-
nische Muskelrheumatismus hat geringere Bedeutung
als der chronische Gelenkrheumatismus und schwin-
det oft schon nach wenigen Tagen, wobei natürlich
ein wiederholtes Auftreten in gewissen Zeitabständen
zur Regelmäßigkeit wird.
Der chronische Nervenrheumatismus zieht die ent-
sprechenden Stellen in Mitleidenschaft und greift die
Bindegewebe an, d. h. die Schicht, die die Gewebe
zu unterstützen hat, und zwar verschiedene fett-
bildende Organe unterhalb der Haut.
Im allgemeinen gilt die Bezeichnung „chronischer
Rheumatismus" in den meisten Fällen für den Gelenk-
rheumatismus, der auch am häufigsten auftritt.
Nicht alle chronischen Gelenkschmerzen lassen in-
dessen auf chronischen Gelenkrheumatismus schlie-
ßen. Es gibt daneben Gelenkentzündungen, Gelenk-
schwamm und Gelenksteifigkeit sowie andere Gelenk-
verbildungen, die infolge von Tuberkulose, Gicht und
bestimmten Nervenkrankheiten entstanden sind. All-
gemeine körperliche Störungen oder Mißbildungen
haben auch oft Gelenkstörungen zur Folge. Die
Gelenkentzündungen entstehen infolge mechanischer
Schädlichkeiten, während der Gelenkrheumatismus
gewöhnlich die Folge einer Erkältung ist. Bevor man
auf die Behandlung dieser verschiedenen Störungen
eingeht, sollte man ihre vier Hauptfeinde, die Kälte,
Feuchtigkeit, Verwundung oder Quetschung und all-
gemeine Überanstrengung kennen und bekämpfen.
Die Ohnmacht
stellt ein vorübergehendes Aufhören oder eine ganz
herabgesetzte Tätigkeit des Gehirns dar. Der Kranke
liegt bewegungslos mit schwachem Puls und Atem
und meist offenen Augen da. Sein Empfindungs-
vermögen ist aufgehoben, sein Aussehen bleich, alle
Absonderungen mit Ausnahme des Schweißes sind
aufgehoben. Dieser Zustand kann mehrere Tage an-
halten. Die Behandlung solcher Ohnmachtsanfälle ist
folgende: Ist der Kranke gut gebettet, sorge man für
frische Luft, erleichtere das Atmen durch Entfernung
beengender Kleider, Halstücher, Gürtel. Bei Blässe
des Gesichts Kopf tief lagern. Bei rotem Aufgedunsen-
sein ist auf hohe Kopflage zu achten. Das Gesicht
und den Oberkörper mit kaltem Wasser bespritzen
und abreiben, Stirn und Schläfen mit Essig betupfen.
Unter die Nase soll ein starkes Riechmittel wie Äther
oder Ammoniak gehalten werden. Bei dieser Behand-
lung einer leichten Ohnmacht kann dieselbe ziemlich
rasch vorübergehen. Bei den schweren Fällen werden
noch kalte Begießungen, Frottieren des Rückens, der
Arme und Beine kommen müssen. Bei länger an-
dauernden Ohnmachtsanfällen ist jedoch stets ein
Arzt hinzuzuziehen.
Bei Sonnenstichen — Insolationen — ist der Er-
krankte an einen kühlen Ort zu verbringen, mit lau-
warmem Wasser abzuwaschen, zu frottieren und ihm
etwas Wein oder 10 Tropfen Äther in Zuckerwasser
zu geben. Durch Senfteige auf die Herzgegend und
Waden ist das Blut vom Gehirn — denn der Sonnen-
stich besteht in einer Gehirnreizung — abzuleiten.
191
fjämatbilbet in ]3to|a
Es müssen bestimmt nicht immer größere geschichtliche Abhand-
lungen sein, wenn wir aus der Vergangenheit unserer Saarheimat
erzählen wollen,, die an kleinen Besonderheiten geschichtlicher
Art reicher ist, als wir auf den ersten Blick anzunehmen vermögen.
Diese kleinen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten mögen
ebenso unterhaltend sein wie diese oder jene umfangreichere
Erzählung mit heimatlichem Charakter, wie diese oder jene
historische oder vielleicht noch bebilderte Abhandlung — und
nicht minder bedeutsam.
filtefte Ermahnung öes Bergbaues
an öer Saar
Vorweg sei gesagt, daß sich die saar-
ländischen Historiker über das Datum, zu
dem erstmals von Bergbau an der Saar die
Rede ist, scheinbar nicht einigen können.
Wenn es in Jungks Regesten im Jahre 1357
heißt, daß zwei Saarbrücker Edelleute
,,Renten und Kohlen in Dudweiler" als
Lehen hatten, so handelt es sich hier wohl
um die älteste bis zur Stunde bekannte Er-
wähnung des damals natürlich bescheidenen
Bergbaues, der sich mehr auf die Gräberei
am Ausgehenden der Kohlenflöze be-
schränkte. Von „Bergwerksberechtigung"
hören wir eineinhalb Jahrzehnte später, im
Jahre 1371, als Kaiser Karl IV. dem Fürsten
Johann von Nassau-Weilburg für die Graf-
schaft Saarbrücken, also für unsere engere
Heimat, die Reichslehen mit den ver-
schiedenen Freiheiten verlieh, darunter
auch „jegliche bergkwerckh-Rechte", die
für den späteren Grafen Philipp von Nassau-
Saarbrücken im Jahre 1566 erneuert wur-
den. Interessant ist weiter ein Passus im
sogenannten Schöffenweistum von Neu-
münster (Ottweiler) von 1429, in dem die
Kohle in der Reihe der verschiedenen Me-
talle aufgeführt wird. In diesem Weistum,
das die echt volkstümlichen Rechtsgewohn-
heiten in der Ottweiler Gegend aufzeigt,
die schließlich auch in der Saarbrücker
Gegend mehr oder minder Geltung hatten,
heißt es im vorletzten Absatz:
„Item hait der scheffen gewiset, daz
alle fondt, der in der graffeschafft Ott-
willre, is sie uff den lehen oder anders-
wo, under der erden oder über der erden,
is sie von golde, silber, kupfer, bly, isen,
steynekolen oder anders wie oder
was man fondt nennen mag, das der her-
schafft von Sarbrucken sy und yr mit
rechte zugehore.“
Hier wird also eindeutig gesagt, daß
innerhalb der Grafschaft Ottweiler alle
Rechte auf Gold, Silber usw. wie auch
Steinkohlen ein Regal der Herrschaft waren,
mochten sie über oder unter Tage gegraben
werden. Im eigentlichen Saarbrücker Ge-
biet war es keineswegs anders: Kohlen-
flöze, die vielerorts zutage traten, durften
ohne Genehmigung des Saarbrücker Grafen-
hauses nicht abgebaut werden. — Wir
haben diese kaiserliche Konzession deshalb
im Wortlaut gegeben, weil sie bisher meist
als die älteste Erwähnung des Steinkohlen-
bergbaues an der Saar angesehen wurde.
ÜJeinbau im Saarbrucher £anö
Mehr als eigenartig klingt dieses Wort
im Lande der Kohle und des Eisens, und
die Überschrift soll weiter nichts sagen, als
daß ausgerechnet im dicksten Steinkohlen-
revier vor mehr denn hundert Jahren rege
Weinbau getrieben wurde. Wenn wir von
Weinbau an der Saar hören, versetzen wir
uns meist an die Hänge, lieber noch in die
Dörfer und Keller der unteren Saar, wo
gewiß ein guter Wein gedeiht. Gerade weil
wir bei uns längst keinen Weinbau mehr
kennen, mutet es uns eigenartig an, wenn
wir zufällig im Amtsblatt der Trierer Regie-
rung vom Jahre 1831 eine stattliche Anzahl
Weinbaugemeinden aufgezählt finden, aus-
gerechnet in jenem Bezirk, dessen Merk-
male heute rauchende Schlote und Förder-
türme sind. Im erwähnten Jahre mußte die
Weinsteuer neu festgesetzt werden, wes-
192
halb amtlicherseits eine Aufstellung aller
jener Gemeinden des Regierungsbezirkes
Trier erfolgte, die zu den sogenannten
weinbautreibenden Orten gerechnet wur-
den. So werden uns zahlreiche Dörfer im
Prims- und Niedtal, aber auch im eigent-
lichen Saartale bis an die Grenze bei Saar-
gemünd aufgezählt: Bliesransbach, Ril-
chingen, Auersmacher, Kleinblittersdorf,
Fechingen, Bischmisheim, Gersweiler, Lud-
weiler-Warndt u. a. m. Es ist anzunehmen,
daß die Weinbauern des Saarbrücker Lan-
des durch die überraschende Entwicklung
des Steinkohlenbergbaues wie der Industrie
überhaupt allmählich den Umgang mit
Reben aufgaben, um sich einer lohnenderen
Beschäftigung auf den Gruben und Hütten
der Heimat zuzuwenden. Die ehemaligen
Rebenberge sind uns zum Teil geblieben.
Eine intereffante pnfteüungeurhunöe
birgt das städtische Archiv in Völklingen,
zu dessen Bürgermeistereiverwaltung der
Püttlinger Bezirk von 1815/16 bis 1868 ge-
hörte. Es handelt sich hier um die Anstel-
lung eines Lehrers im letztgenannten Orte.
Die Sache wäre an sich kaum von erhöhter
Bedeutung, würden wir aus diesem franzö-
sischen Schriftstück vom 29. Juni 1813 nicht
erkennen, welche Bedeutung dem Amte des
Jugenderziehers damals in Frankreich zu-
kam. Daß der fragliche Lehrer von Metz
aus seine Anstellungsurkunde erhielt, er-
klärt sich aus der damaligen Zugehörigkeit
Püttlingens zu Frankreich; denn nachdem
dieser Bezirk als französische Enklave im
Saarbrücker Land 1766 auf dem Tausch-
wege an die Grafschaft Saarbrücken ge-
kommen war, lauerten die Bewohner ange-
sichts der auf ihren Schultern ruhenden
Lasten des neuen Landesherrn auf den
Augenblick, in dem sie wieder den An-
schluß an Frankreich finden könnten; und
das war 1793 möglich, mit welchem Augen-
blick die Püttlinger zum Canton Saarlouis
und Kreis Thionville geschlagen wurden,
die ihrerseits wieder zum Departement
Moselle gehörten, Daher auch die Ausstel-
lung der Anstellungsurkunde von Metz aus.
Was uns an diesem Schriftstück auffällt,
ist vorweg der Kopf des Schreibens ,,Uni-
versite Imperiale, Academie de Metz"! In
dem eigentlichen Text wird dann gesagt,
daß der Rektor der Akademie dazu autori-
siert sei, den 42 Jahre alten Pierre Job, der
bereits 22 Berufsjahre zähle, zu beauftragen,
in der Primärschule zu Püttlingen die Funk-
tionen eines Schulleiters auszuüben. Dieser
Lehrer Job, den wir noch 1825 in Pütt-
lingen antreffen, hatte weiter nichts zu
tun, als sich vor Aufnahme seiner Tätigkeit
beim Sekretariat der Mairie Püttlingen vor-
zustellen.
Jufti3 gegen Tladitfctiroätmer
unt) Gottesläfterer
Wenn wir zum Schluß noch einige kleine
Episoden aus der Saarbrücker Fürstenzeit
bringen, dann bergen wohl die Gerichts-
akten eine Unmenge amüsanter Begeben-
heiten und Berichte. So lesen wir in einem
Aktenstück des Staats - Archivs Koblenz,
daß der Schöffe Matthias Ulrich aus Ex-
weiler gelegentlich wegen „seines ange-
wöhnten Fluchens und seines unordent-
lichen und unchristlichen Lebenswandels
wie auch des dadurch in der Öffentlichkeit
gegebenen Ärgernisses" der blasphemia
(Gotteslästerung) angeklagt worden war.
Zudem war ihm zur Last gelegt worden,
daß er sich mit seiner Frau nicht recht ver-
trage, ein Vergehen, das insofern milder
beurteilt werden sollte, als letztere ihren
Mann durch ihr Verhalten zu den gelegent-
lichen Entgleisungen gereizt hatte. Auf
Grund der notpeinlichen gerichtlichen
Untersuchung wurde dann am 6. Juli 1750
folgendes Urteil gefällt: „In Denunciations-
sachen gegen M, Ulrich, Schöffen zu Ex-
weiler, punkto blasphemia wird zu Recht
erkannt,' daß der Denunciatus (= Ange-
klagte) der ihme angeschuldigten Gottes-
lästerung halber zwar ab instantia zu ab-
solvieren, jedoch um des Ärgernisses
willen, welches er als Schöffe des Dorfes
durch sein angewöhntes Fluchen und
übrigen unchristlichen und unordentlichen
Lebenswandel seinen Mitgemeindsleuten
und anderen gegeben, in eine vierzehn-
tägige Turmstrafe zu condemnieren und
seines Schöffenamtes zu entsetzen, wie
nicht weniger auch zur reconciliation und
künftigem friedlichem Betrage mit seinem
Eheweibe, diese aber zu aller Behutsamkeit
in Worten und Werken, die ihrem Manne
zu einigem Unwillen Anlaß geben können,
mit dem Anfügen, daß sie widrigenfalls
ebenmäßig mit behöriger Strafe angesehen
werden würde, anzuweysen seye . . . etc."
13
193
War diese Strafe zu damaliger Zeit eine
recht harte, so ließen die fürstlichen Regie-
rungsräte bei der Zustellung des Urteils an
Frau und Herrn Ulrich wissen, daß letzterem
anheimgestellt sei, anstatt der Turmstrafe
ein entsprechend festzusetzende Geldbuße
zu zahlen. — Wir haben keinen Zweifel,
daß der verurteilte Ulrich es vorzog, mög-
lichst bald die Geldstrafe zu zahlen, anstatt
sich in den Turm werfen zu lassen; denn es
war keine Seltenheit, daß die im Turm
Brummenden bisweilen lange über ihre
Strafzeit hinaus liegen blieben und ver-
gessen wurden, besonders dann, wenn die
zuständigen Beamten Reisen unternehmen
mußten!
Nun eine Nachtschwärmer-Geschichte;
In einem Orte des Ottweiler Landes waren
drei junge Leute, die schon manchen
Streich auf dem Kerbholz zu haben schienen,
in den Verdacht des Diebstahls geraten,
indem man ihnen nachsagte, nachts irgend-
wo Blumen- und Lorbeerstöcke gestohlen
zu haben. So war in der Anzeige an das
herrschaftliche Oberamt Ottweiler folgen-
des zu lesen: Wir finden weiter nicht
nöthig, zu angebogenem Protokoll annoch
hinzuzufügen, als nur eine kurze Beschrei-
bung von dem caracteur (= Charakter) der
Denunciaten einem hochfürstlichen Ober-
amt zu erteilen. Jacob Stier, der junge
Glaser als die haubtperson, ist ein reno-
mierter Nachtschwärmer, welcher geraume
Zeit schon viele heimliche Bubenstücke
ausgeübet hat. Der andere, Peter Friedrich,
ist nicht viel besser und nach Zeugnis
seines letzten Brodherren desfalls ausser
Dienst gegangen. Von der dritten nämb-
lich, dem Fr. C. Philippi, hat man geraume
Zeit her zwar nichts sonderliches ver-
nommen; es scheint aber, als wenn seine
ehemalige mauserey wieder beginnt hervor
zu glimmen. Es ist demnach nicht ohne
Grund zu vermuten, dass die denunciaten
an sämtlichen blumen und lörgens stocke
raub antheil haben. Wir überlassen dem-
nach die gantze Sache der höchstrühmlich
bekannten Justiz Euers hochfürstl. Ober-
c.mts und sind versichert, dass dieselbe
solche massregeln ergreifen werden, wo-
durch die bosheit zum exempell anderer
bestrafet und gesteuert und die gemeine
Sicherheit erhalten werde. Am 19. August
1772 gab das Ottweiler Oberamt dann
folgende Bestrafung der drei Angeklagten
bekannt: 1. Wäre jeder der Denunciaten
mit 25 Stock-schlägen in der Futterwanne
zwey tage lang zu züchtigen und in Vatel
der Kosten zu verweisen, mit der Ver-
warnung, dass wenn sie sich noch einmahl,
ohne erhebliche Ursachen, nach der in der
polizey-Ordnung bestimmten Abends-Zeit
(also nach 10 Uhr abends) ausser ihrem
Logis betreffen lassen würden, sie sofort
gefänglich eingezogen und empfindlich ge-
strafet werden sollten. 2. Das Polizeiamt
dahier soll mit mehr Sorgfalt darauf sehen,
dass das Nachtschwärmen hinfüro unter-
bleiben und hierunter nach Massgab der
polizei-Ordnung verfahren werden möge.
hpb.
Medizinischer Ratgeber
Krampfadern
Krampfadern stellen eine Uberfüllung, Stauung und
Gefäßerweiterung von Adern dar, die durch eine
Ausdehnung der Aderwände sichtbar werden. Sie
können die Adern eines jeden Körperteils angreifen,
aber beschränken sich in der Hauptsache auf die
unteren Gliedmaßen, die Beine.
Mit wenigen Ausnahmen werden Kinder von dem
Leiden nicht befallen. Das Vorzugsalter hierfür liegt
zwischen 30 und 40 Jahren, wobei das männliche
Geschlecht häufiger als das weibliche angegriffen
wird. Krampfadern entstehen, wenn die Elastizität
der Gefäßwandungen die eigene Schwere der Blut-
flüssigkeit zu überwinden hat, wie dies der Fall ist
bei Personen, deren Beschäftigung ein lang fort-
gesetztes Stehen erfordert oder durch natürlichen
Verlust der Gefäßwandelastizität im Alter.
Im Anfangsstadium lösen sie das Gefühl der
Schwere und Erschlaffung an Füßen, Knöcheln und
Waden aus. Bei fortschreitender Entwicklung der
Krankheit schwellen die Füße an und die Haut über
den blasenartigen Geschwüren wird beträchtlich in
Mitleidenschaft gezogen. Die so entstandenen Be-
schädigungen vernarben nur sehr schlecht und bilden
gern den Ausgangspunkt für Blutergüsse, Blutader-
entzündungen und allgemeine Entzündungen.
Werden die Krampfadern gleich zu Beginn richtig
behandelt, ist eine Weiterentwicklung ausgeschlossen.
Bandagierungen durch elastische Strümpfe, Schnür-
strümpfe oder das kunstgerechte Anlegen einer Binde
von den Zehen bis übers Knie führen oft völlige
Heilung herbei, reduzieren aber zumindest das Leiden
auf ein Maß der Erträglichkeit.
Auch Massagen üben einen vorteilhaften Einfluß
aus. Spezielle Medikamente lindern sehr und können
selbst eine Heilung herbeiführen. Hier ist jedoch
stets ärztlicher Rat einzuholen.
Haben die Krampfadern sich jedoch bis zu ihrem
Höhepunkt hin entwickelt und ist eine empfindliche
Hautverletzung damit verbunden, wird man zur opera-
tiven Entfernung der Geschwulst schreiten müssen.
Oft entstehen Krampfadern im Laufe einer Schwan-
gerschaft, verschwinden dann aber meistens nach der
Geburt wieder.
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Kalender................................................................4—28
Die Vorentgasung............................................................31
Die Nachtigall singt an der Saar ...........................................38
Unser Preisausschreiben.....................................................44
Das Kraftwerk von Hangard...................................................45
Lustige Geschichten um die Grube Luisenthal.................................48
Kalidüngesalz, ein wichtiges bergmännisches Erzeugnis.......................52
1950: Das heilige Jahr .....................................................57
Friedliche Arbeit ..........................................................81
Das soziale Schaffen der „Regie des Mines"..................................62
Radium . . ....................................... ... 65
Vom Stollenbau zur modernsten Schachtanlage.................................70
Die Löhne im Saarbergbau....................................................72
Zahlenwunder ...............................................................74
Chinesischer Besuch.........................................................75
Von der Queen Victoria zum Bergmannsbauern..................................77
Susanne.....................................................................82
Die Entdeckung der Meere....................................................87
Das Leben im Mittelalter....................................................94
Der Pitter will es besser als der Herrgott machen........................ 104
Franz von Sickingen — Lehnsmann des Saarbrücker Grafenhauses . . . 111
Das Saarland ist ein schönes Land..........................................116
Historische Fahrten im nördlichen Saarland.................................123
Jugendherbergen im Saarland................................................131
Römer und Benediktiner in der Bliesgegend..................................135
Von Fürsten, Soldaten und schönen Uniformen................................143
Unsere Jubilare . 152
Kameradschaftlicher Geist „Tief unter der Erd".............................157
Jules Verne: Ein Schriftsteller, der die Zukunft richtig sah .... 159
Der Ursprung der Haustiere.................................................165
Die Rache des Bergmanns....................................................173
Der Gottesknecht...........................................................176
Gestörtes Ständchen........................................................180
Zeig mal deine Hände, Ursel!.............................................. 182
Das Sator-Quadrat und seine Deutung........................................184
Mathematische Merkwürdigkeit...............................................187
Als Heinrich VIII. mit Hühnerknochen warf..................................189
Heimatbilder in Prosa......................................................192
200