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Die Krankenversicherung und Altersversorgung
der Saarbergleute
Von Knappschafts-Direktor ZIMMER
1. Allgemeines
Die Arbeitskraft ist das wertvollste Gut, das
ien Menschen von der Schöpfung mitgegeben
wurde. Sie ist selber Schöpfungskraft. Ohne
die Arbeit hätten die Menschen nicht mehr
Güter zu ihrer Bedürfnisbefriedigung und Be
darfsdeckung, als die Natur zu geben vermag.
Wir müßten uns also mit dem begnügen, was
uns die Tier- und Pflanzenwelt aus natür
lichem Wachstum darzubieten hätte. Alles, was
die Menschen darüber hinaus zu ihrer Lebens
fürsorge besitzen, verdanken sie der Arbeits
kraft — also dem arbeitenden Menschen. Das
legt der Gesellschaft diesem arbeitenden Men
schen gegenüber eine große Verpflichtung auf.
Sie muß ihn schützen und seine Arbeitskraft
pflegen sowie darüber hinaus ermöglichen, daß
ihm die Sorge für das Alter abgenommen wird.
Aus eigenen Ersparnissen kann der arbei
tende Mensch bis zu einem gewissen Einkommen
keine Vorsorge fürs Alter treffen, ja nicht
einmal für den Fall der Krankheit. Das hat
iazu geführt, daß für diese Fälle, ebenso auch
für den Fall einer Unfallbeschädigung, ein
besonderer Versicherungsschutz geschaffen
wurde. Dieser Versicherungsschutz hat seine
besondere Ordnung und Regelung gefunden in
der Gesetzgebung zur Sozialversicherung, von
der bei uns alle arbeitenden Menschen bis
zu einem gewissen Einkommen in einem be
stimmten Beschäftigungsverhältnis erfaßt wer
den. Die Sozialversicherung umfaßt im wesent
lichen den Versicherungsschutz im Falle der
Erkrankung, der Invalidität infolge Arbeitsun
fähigkeit oder Alter und im Falle einer Beschä
digung durch Arbeitsunfall. Dieser Versiche
rungsschutz hat für die Bergleute eine beson
dere Regelung gefunden, was vor allem
für den Schutz im Krankheitsfalle und im Falle
der Invalidität gilt. Sie ist landläufig bekannt,
unter dem Sammelbegriff: Knappschafts
versicherung! Unter Knappschaftsver
sicherung hat man also die Kranken- und Ren
tenversicherung der Bergleute zu verstehen.
Sie selbst benennen sie einfach und schlicht:
Die Knappschaft".
Bis kurz nach dem ersten Weltkrieg hatte
iast jedes Kohlenrevier seine eigene selbstän
dige Knappschaft, die aber alle, mit Ausnahme
der Knappschaft an der Saar, schon 1923 in der
.Reichsknappschaft" aufgingen. Erst 1935 wurde
auch die Knappschaft der Saarbergleute der
Reichsknappschaft eingegliedert. Mit dieser Ein
gliederung mußte sie auch ihre Selbständigkeit
lufgeben. Sie fungierte in diesem Verhältnis
lediglich als Bezirksorganisation der Reichs
knappschaft unter der Bezeichnung „Saarknapp-
schaft", ein Name, den sie auch jetzt, nach
dem Zusammenbruch des Hitlerreiches und der
Reichsknappschaft, weiterführt. Heute ist die
Saarknappschaft wieder selbständig.
II. Die Folgen des Hitlerregimes
a) Kürzung von Leistungen
Mit dem Zusammenbruch des Hitlerreiches
ist die Reichsknappschaft auseinandergefallen.
Der Saarknappschaft wurde durch Verordnung
des Regierungspräsidiums Saar vom 4. 12. 1945
mit Genehmigung der Militärregierung der
Charakter eines selbständigen Versicherungs
trägers wiederverliehen, so wie das vor 1935
immer war. Nun war es aber so, daß bei
Kriegsende die Belegschaft der Saargruben, also
die Beiträge zahlenden Mitglieder, sehr stark
verringert waren. Es ging nur eine geringe
Summe an Beiträgen ein im Vergleich zu den
Summen, die für Krankenhilfe und Renten ge
zahlt werden sollten. Die Situation in der Ren
tenversicherung im Juni 1945 war ungefähr
folgende:
fällige Renten monatl. rd. RM 4 700 000,—
Beitragseingang monatl. rd. RM 500 000,—
zu wenig RM 4 200 000,—
In der Krankenversicherung war es nicht viel
besser. Auch hier überstiegen die Ausgaben bei
weitem die Einnahmen. Es mußte also versucht
werden, um die ganze Versicherung retten zu
können, einen Ausgleich für die Fehlbeträge zu
schaffen. Kapitalreserven waren keine vorhan
den. Das ganze Reservekapital, das in früheren
Jahren für die Versicherung der Saarbergleute
angesammelt worden war, lag bei der Reichs
knappschaft. Dort wurde es auf Befehl Hitlers
in Kriegsanleihe umgewandelt, für welche das
Reich die Bürgschaft übernahm. Nun ist die
Reichsknappschaft völlig bankrott. Sie hatte ein
Reservekapital von rd. zwei Milliarden (zwei
tausend Millionen) Mark. Davon wären auf die
Saarknappschaft rund 200 Millionen Mark ent
fallen. So aber war dieses ganze Kapital, also
auch die zweihundert Millionen Mark der Saar
knappschaft, nicht mehr greifbar. Hätte Hitler
an die Bergleute und die Sicherstellung ihrer
Pensionen gedacht, dann hätte er nie und
nimmer Anweisung geben können, daß deren
Reservegelder im Krieg verpulvert werden; und
dann hätte die Saarknappschaft auf lange Jahre
hinaus den Bergleuten ihre Pensionen in voller