Der Bergbau ein Gestalter Deutschlands!
Wir erleben es immer wieder, wie sehr der
Bergbau das Gesicht einer Landschaft ändert.
Zuerst stehen in Feldern und Äckern einige
Bohrtürme, in denen nur eine kleine Beleg¬
schaft arbeitet. Maschinen fauchen, Bohrgestänge
klirren, und ein Bohrer frißt sich immer tiefer
in die Erde, um die Schätze zu suchen, die uns
im Leben dienen sollen.
Doch um den schlanken Turm gehen noch
Pflug und Egge, sät und erntet der Bauer auf
seinem Felde, bis die Männer im Turm fündig
sind.
Dann weichen die hölzernen Türme einem
hohen eisernen Fördergerüst. Die Eisenbahn
fährt bis zum Schacht und bringt Menschen,
Baumaterial und Maschinen. Die Schacht¬
anlage dehnt sich aus, und nicht weit von ihr
wachsen Häuser um den neu erstandenen Wir¬
kungskreis.
Denn wo der Bergbau Segen bringt, da bil¬
den sich Gemeinschaften, entstehen Dörfer und
Städte, da gestaltet er das Gesicht der Landschaft
und prägt ihr und den Menschen seine Eigen¬
art auf.
Diese gestaltende Kraft, die wir heute noch
erleben, übte der Bergbau schon in alter Zeit
auf Menschen, Völker und Staaten aus.
Wenn man die Geschichtskarte Deutschlands
zur Zeit der fränkischen und sächsischen Kaiser
betrachtet, dann lieft man an der Stelle, da das
Erzgebirge aufgezeichnet sein muß, den Namen
„Miriquidi". Dieser Name bezeichnet einen
Wald, der wegen seiner unwegsamen Wildheit
bei allen Menschen verrufen war und durch den
kaum eine dürftige VerbindungSftraße führte.
Deutschen Bergleuten war es vorbehalten, die¬
sen GebirgSwald durch ihre Arbeit und Kultur
zu erobern, ihn bewohnbar zu machen und ihn
von seinen Schrecken zu befreien.
In Mitteldeutschland lag ein unwirtliches
Gebirge, der Harz. Deutsche Bergleute entdeck¬
ten hier Erze, schürften sie, bauten sie und bahn¬
ten der Kultur den Weg.
Wo in den Alpen nur selten der Fuß des
Gemsenjägers über hartes Gestein kraxelte, da
schlug der Bergmann ein und holte aus den
Felsen das Erz.
Überall in deutschen Gauen, im Thüringer
Wald, in Westfalen, am Rhein, im Elsaß, in
Schwaben, in Bayern, in der Pfalz, an der
Saar, in Franken, Böhmen, Mähren, Schle¬
sien, Österreich, Salzburg, Berchtesgaden, Kärn¬
ten, Vorarlberg, Tirol und Krain legten deutsche
Knappen in unwegsamen Gebirgen Stollen und
Schächte an und gruben die Schätze aus
Bergestiefen.
Diese Arbeitsstätten lagen fernab von mensch¬
lichen Niederlasiungen und zwangen den Berg¬
mann, sein Haus unmittelbar bei der Grube zu
bauen. Um das Haus rodete er den Wald, denn
der Bergbau verlangte ja Holz. Stempel und
Bretter mußten für den Betrieb der Gruben
hergestellt werden. Zum leichteren Hereingewin¬
nen der Mineralien wurde Holz beim Feuer¬
setzen gebraucht, Holzkohlen waren für das
Schmelzen der Erze notwendig, und auch der
Hausbrand verschlang ein gut Teil davon. So
lichteten sich die dunklen Wälder und bald ent¬
standen weite Rodungen mit Grasplätzen und
vielfach auch Wiesen. Der Bergmann hielt
Haustiere. Für den Bau der Stallungen war
ebenfalls Holz erforderlich. Vergegenwärtigt
man sich, daß in Bergorten, in denen der Berg¬
segen reichlich brach, Bergbauluftige zahlreich zu¬
strömten, daß diese Menschen fleißig den Wald
rodeten, dann wird man die Pionierarbeit am
Boden recht würdigen können, die der Berg¬
mann in der Gebirgs- und Waldwildnis leistete.
Die geförderten Erze mußten in Schmelz-
und Hüttenwerken verarbeitet werden. Wie sich
die Bergleute bei der Zeche ansiedelten, so schufen
sich die Schmelzer und Hüttenleute ihre Woh¬
nungen in unmittelbarer Nähe ihrer Hütten
und leisteten im Tale dieselbe Kulturarbeit am
Boden, wie der Bergmann im Gebirge.
Waren einmal Stollen und Schächte ge¬
trieben, standen die Hüttenwerke in Betrieb,
dann dauerte eS gerade so lange, wie der Holz¬
schlag genügend Platz schaffte, und Bauern sie-
delten stch rund um die Werke an. Sie ließen
sich von den Hüttenherren Grundstücke verleihen
und wurden in den Bergftädten der Knappen
Nachbarn.
Die rauhen GebirgSpfade forderten einen
tadellosen Beschlag für Pferde und Wagen. So
mußten Schmiede zugezogen werden. Die stetig
wachsende Bevölkerung konnte ihren Bedarf an
Lebensmitteln bester decken, wenn sich die be¬
treffenden Geschäftsleute ansiedelten. So zogen
Bäcker und Fleischer, Schneider und Schuster
in die Bergmannssiedlungen. Auch der Bergbau
bedurfte der Handwerker, Maurer für Gruben
und Hütten, Seiler und Kübelmacher waren
gesucht. Jedes Handwerk fand im Bergbau
Arbeitsgelegenheit.
Neben der Kulturarbeit am Boden, durch die
der Bergbau unwirtliche Gegenden erschloß,
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