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Johann Kepler
zur Z00. Wiederkehr seines Todestages.
m Jahre 1539 war das Weltsystem des
Kopernikus, die Grundlage unserer heu¬
tigen Wissenschaft, wonach die Erde nicht mehr,
wie bei den Alten, als Mittelpunkt des ganzen Welt¬
gebäudes, sondern auch nur als ein Planet des
Sonnensystems anzusehen ist, durch einen Brief seines
Schülers Joachim Rhaeticus an die Nürnberger
Astronomen zum ersten Male bekannt geworden. —
Das grundlegende Werk des großen Weisen selbst,
die « Libri VI de revolutionibus orbium caeles-
t.ium » („Tie 6 Bücher von den Umlaufsbewegnngen
in den Bahnen der Himmelskörper") gelangte aller¬
dings erst 5 Jahre später, kurz nach seinem Tode, an
die Öffentlichkeit. Anfangs wurde diese neue Lehre
von den Astronomen freudig begrüßt, auch von der
Kirche, da deren leitende Persönlichkeiten in ihr eine
Hilfe für die damals schwebende Kalenderresorm fan¬
den, zumal ein größerer Teil der Beweisführung des
Kopernikus sich mit der Länge des Sonnenjahres
beschäftigte. Hingegen fand sie sofort einen erbitter¬
en Widerstand bei den Astrologen, den „Stern-
d e n t e r n"> deren Beruf damals in außerordent¬
licher Blüte stand' und von ihnen beeinflußt traten
auch einige Führer der damaligen religiösen Refor-
mationsbestrebungen gegen sie auf, an ihrer Spitze
mit besonderer Schärfe: Melanchthon. Allerdings
war die Beweisführung des Kopernikus, insbeson¬
dere über die „ konstante Lage der Erdachse", noch an
einigen Stellen lückenhaft, an anderen sogar irrig
(näher hier darauf einzugehen, wäre zu kompliziert
und würde auch zu weit führen), wie es überhaupt
ja ein Kennzeichen des Genies ist, daß es Wahr¬
heiten gewissermaßen instinktiv erfaßt und zu Grund¬
lagen feiner Arbeit macht, auch wenn Einzelheiten
des „Beweises" erst der späteren Forschung zu er¬
bringen gelingt. Deswegen hatte denn auch ein
späterhin so bekannter und berühmter Astronom, wie
T y cho B r a h e, die neue Lehre zunächst abgelehnt,
weil ihm das der kopernikanischen Theorie zugrunde
liegende Beobachtungsmaterial zu dürftig erschien.
Deshalb stellte er sich die Sammlung von möglichst
umfassenden und genauen Beobachtungen der
Himmelserscheiuungen zur Lebensaufgabe und in
jahrzehntelanger systematischer Arbeit gelang es ihn:
auch, für Mond, Sonne und die Planeten und Fix¬
sterne viele Tausende von Ortsbestimmungen aus¬
zuführen. Um diese Arbeit recht zu würdigen, müssen
wir bedenken, daß das Fernrohr damals noch nicht
erfunden, man also auf die Beobachtung durch Visier¬
apparate mit bloßem Auge angewiesen war. Immer-