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Zwei Zeugen der Arzeit.
Die Gallensteine von ^entrich und Glieskastel.
eht man vom Sl. Johanner Stadtwald über
den Sattel zwischen den: großen Bartenberg
und dem Gehlberg und dann rechts hinüber
in das Scheidter Tal, so fuhrt der steilabfallende Fu߬
pfad zu den ersten Häusern des kleinen Orts Rentrich
und wir kommen auf ein¬
mal an einem merkwürdigen
Denkmal vorbei. — Es ist
der Rentricher Men¬
hir oder Dolmen, eine
Säule, oder besser gesagt,
ein Keil aus Konglomerat,
der sich vierkantig, rd. 5 m
hoch, 1,5 bzw. 1 m breit und
dick in einem kleinen einge¬
zäumten Gärtchen vor einem
kaum größeren Haus mit
der Spitze gen Himmel reckt.
Seiner Gestalt wegen gab
ihm das Volk im Mittelatter
den Namen „Krimhildespiel"
(Krimhildens Spindel), oder
man nannte ihn auch „Krim-
melspfeil". Heute heißt ,er
gewöhnlich „Spillstein" oder
„Sellenstein". — Ein zwei¬
ter derartiger Stein steht,
ungleich imponierender, weil
frei und einsam auf weiter
Höhe, bei Blieskastel, wenn
man von der Pfarrkirche
aus, an der Orangerie und
hinter der Gnadenkapelle
vorbei, die Höhen erstiegen
hat, um absteigend hrnseits
die Straße nach Alschbach zu
gewinnen. Er sicht, wie ge¬
sagt, weithin sichtbar, un¬
gleich imponierender und
auffälliger da, als der am
abfallenden Berg und heut zwischen Häusern versteckte
Rentricher Stein. Er wird allgemein fieit altersher
der „G o l l e n st e i n" genannt, ein Name, dessen
Deutung bis heute noch zweifelhaft geblieben ist.
Zeugen der Urzeit nannten wir diese Steine. Die
Funde aus dieser Zeit hier in unserer Saarheimat
sind verhältnismäßig häufig, ein Beweis, daß das
Saargebiet durchaus nicht eme urwaldähnliche Wild¬
nis war, sondern daß sich schon in uralten Zeiten hier
Menschen angesiedelt hatten, die schon auf der Höhe
einer gewissen Kultur standen. Wie es bei diesen
Leuten aussah, ist vor 3 Fahren im Beramanns-
kalender 1925 in dem Aufsatz „ein Tag in Pärigord
vor 15.000 Jahren", eingehend geschildert. Da nun
die hiesigen Funde wesentlich jünger sind (jüngere
Gollenstein.
Steinzeit 5000—2500 v. Chr.), so können wir uns das
Leben und Treiben der Ureinwohner unserer Heimat
wohl ähnlich vorstellen. — Steinbeile aus jener Zeit
fand man in allen Teilen des Saargebiets. Bei Tuns¬
dorf (Kr. Saarburg) grub man sogar ein Veilchen
aus kostbarem, grünem,
weißgeädertem Material
(Jadeit) aus dem Boden;
ein ähnliches Stück fand
man hier in Saarbrücken
am Reppertsberg. Somit
können wir nach Dr. Fox,
dem Verfasser der „Saar¬
ländischen Volkskunde" *)
wohl annehmen, daß schon
in der Steinzeit Jadtzit-
ware aus den Alpenländern
ier eingeführt wurde, also
chon ein gewisser Handels-
bzw. Tauschverkehr bestand.
Aus der folgenden Bronze-
und Eisenzeit sind die Funde
reichlicher. Besonders reiche
Funde machte man in und
bei W a l l e r f a n g e n.
Wer diese Urbewohner
des Saargebiets waren, ist
zweifelhaft. Im Wege der
vergleichenden Sprachwissen¬
schaft, gestützt auf alte Orts¬
namenformen und ihre Suf¬
fixe (Nachsilben) hat man zu
beweisen versucht, daß es
Ligurer gewesen seien, deren
geschichtlicher Stammsitz die
Seealpen waren, und die
von dort aus sowohl Süd¬
srankreich wie Oberitalien
beinflußten. Man nahm also
auch ihr von Nordostenkom¬
men an.
Indessen bleibt diese Erklärung zweifelhaft, da man
gleichartige Suffixe auch in anderen indogerma¬
nischen **) Sprachen findet. — Die ersten g e -
schichtlich nachzuweisenden Bewohner
unserer Heimat waren dann Kelten, die von ihrem
Ursitz aus, dem Zentrum Europas, im 7. Jahr¬
*) Fritz Klopp Verlag G. m. b. H. Bonn, 1927.
**) Unter Jndogermanen, so genannt nach den östlichsten und west¬
lichsten Völkern der Gruppe, auch Jndoeuropäer genannt, versteht
man die Gesamtheit aller eine der 8 indogermanischen Sprachen
redenden Völker. Diese Sprachen, Indisch-Iranisch, Armenisch. Al¬
banisch, Baltisch-Slavisch, Griechisch, Italisch, Keltisch. Germanisch,
sind als Weiterentwicklung einer nicht mehr erhaltenen, aber in ihrem
Formenbestand durch Vergleichung ziemlich sicher erschließbaren Ur¬
sprache eineZ Volkes, das schon eine gewisse Kulturhöhe, insbesondere
Ackerbau und Viehzucht kannte, anzusehen.