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— Bist du es denn
aber auch selber? Du
strahlst ja wie die
Morgensvnne!"
„Ich weiß nicht,
Onkel; aber ich habe
dir etwas Außeror¬
dentliches mitzuteilen."
So setzte dich auf
diesen Stuhl!"
„Nein, Onkel, ich
danke; es ist nicht zum
Sitzen."
„Nun, so kannst du
stehen! Ich aber darf
doch Wohl in meinem
Sibreibstuhl bleiben.
So — und nun rede,
Wenn du magst!"
Der Vetter holte ein
paarmal recht tief
Atem.
„Du weißt es, On¬
kel," begann er dann,
„ich bin eigentlich ein
verwöhnter Mensch;
mein seliger Vater —
„Ja, ja, mein Jun¬
ge, das war ein guter
Mann; aber was denn
weiter?"
„Dann, Onkel, war
bis vor wenigen Jah¬
ren noch meine Mut¬
ter da, und als die
starb — siehst du! auch
die alte Caroline hat
es immer gut mit nur
gemeint."
Der Onkel sprang
von seinem Sitze auf
und legte beide Hände
auf des Vetters Schul¬
tern. „Christian," sagte
er, „du bist eine Seel' von einem Menschen! Aber,
was denn nun noch weiter?"
„Nur, Onkel, daß ich heute ein vollständiges Glücks¬
kind geworden bin! Die Frau Hennefeder —."
„Was? Auch die, mein Junge?"
„Aber, so höre doch nur! Frau Hennefeder, sie kam
vorhin zu mir; sie wollte mich persönlich sprechen;
aber ich weiß noch diese Stunde nicht, was die gute
Frau eigentlich von mir gewollt hat. Dann aber sagte
sie seltsamerweise, und ich habe noch immer nicht be¬
griffen, wie sie dazu veranlaßt werden konnte, von
solchen Dingen zu mir zu reden — sie könnte ja nicht
erwarten, sagte sie, daß ich eine Tochter von meines
Onkels Kontoristen heiraten werde, was denn doch
offenbar nur auf Julie verstanden werden konnte."
„Nein," sagte der alte Herr mit schelmischer Trocken¬
heit, das konnte sie freilich nicht erwarten."
Der Vetter stutzte einen Augenblick. „Doch, Onkel,"
sagte er, „sie konnte es erwarten. Denn ich für mein
Teil hatte nun genug verstanden. Heiraten! Julie
heiraten! Siehst du, Onkel, wie ein Sonnenleuchten
fuhr es mir durchs Hirn; das war es ja, was
Provencalische Landschaft (Cypresseu und Olbäume).
mir trotz dreistündigen
Rauchens gestern nacht
nicht hatte einfallen
wollen.
„Und das Mädchen
hat dir keinen Korb
gegeben, Christian?"
„Doch, beinahe, On¬
kel!" erwiderte der Vet¬
ter, und ein Lächeln
der vollsten Lebens¬
freude überzog sein
hübsches Antlitz; „denn
als ihre Mutter jene
heikle Frage an sie tat,
nämlich ob sie meine,
des Subrektors Chri¬
stian, Ehefrau werden
wolle, da schlug sie
die Augen nieder und
stand, mir zum höch¬
sten Schrecken, eine
ganze Weile stumm
und wie betäubt; nur
ihre kleinen Hände fal¬
teten sich ineinander.
Dann aber, zu mei¬
nem Glücke, öffneten
sich ihre Lippen, und:
,O bitte, wenn Sie
nichts dagegen haben!'
tönten aus dem rosi¬
gen Tore ihres Mun<
des zwar leise, aber in
entzückender Deutlich¬
keit jene Worte, die ich
bisher nur in stummer
Schrift in ihren Au¬
gen gelesen hatte. Und
nun — wenn auch
alles fest uud unwider¬
ruflich ist für die kurze
(Photo : Illustration, Paris.! Ewigkeit dieses Lebens,
mein lieber alter On¬
kel, so frage ich dich doch: Hast denn du etwas da¬
gegen?"
„Ich? Nein, mein Junge!" Und der alte Herr schloß
seinen Neffen fest in seine Arme. „Aber, Christian,
was werden die Großtante und die alte Caroline dazu
sagen?"
Die Großtante, infolge der geschickten Vermittelung
des Onkels und des Wohlgefallens, das sie an dem
Mädchen schon vordem gefunden hatte, sagte freilich
nicht allzuviel. Bedenklicher war es auf der anderen
Seite; denn während obiges im Hause des Onkels
geschah, stand in des Vetters Küche die kleine runde
Äiadame Hennefeder, die Augen noch immer in Freu¬
dentränen schwimmend, vor der alten Caroline, deren
beider Hände sie sich bemächtigt hatte, und rief eins
über das andere: „Alles in Ehren, Caroline, alles in
Ehren!" und dankte ihr in überströmenden Worten für
ihre freundschaftlichen und rechtzeitigen Bemühungen
in dieser delikaten Angelegenheit.
Die Alte sagte gar nichts; nur ihr großer Kopf
begann allmählich und immer gewaltsamer zu zittern
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