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preußischen Fiskus über. Die Rechtsverhältnisse am
Unterharz (Rammelsbergs wurden erst später 1874
zwischen der preußischen" und braunschweigischen Re¬
gierung so geregelt, daß die bis dahin in gemeinschaft¬
lichem Besitz gewesenen Landesteile aufgeteilt wurden.
Das Eigentum am Rammelsberger Bergwerke, sowie
die Hütten zu Oker und Juliushütte blieben in gemein¬
schaftlichem Besitz der beiden Staaten in dem Ver¬
hältnis 4 : 3.
Als der Bergbau sich noch in den oberen Teufen be¬
wegte, wurden die Erze gleich bei der Aus- und Vorrich¬
tung mit Straßenbau gewonnen, indem man den Schacht
als Stroßengesenk vorantrieb und von diesem tiefsten
Punkt aus die Stroßenstöße bis an die Grenzen des
Feldes oder des Erzmittels regelmäßig verhaute. Die
Schächte folg¬
ten dem Ein¬
fallen des
Ganges. Als
Gewinnungs¬
arbeil stand die
Schlägel- und
Eisenarbeit,
sowie die Her¬
eintreibarbeit,
und bei ganz
festem Gestein
das Feuer-
setzen in An¬
wendung. Die
Sprengarbeit
wurde in
Deutschland
zuerst im Ober¬
harz ange¬
wandt. *)
Die größte
Schwierigkeit
für den Gru¬
benbetrieb be¬
stand bei fort¬
schreitender
Tiefe in der
Bewältigung
derWasserund Bild 2. Verschiffung
in der För¬
derung der Erze aus den tonnlägigen Schächten.
Zur Schaffung der nötigen Betriebskräfte sind
schon sehr frühe Teich- und Grabenanlagen geschaffen
worden, die den Anfang bildeten zu den für lange
Zeit mustergültigen Stauanlagen und einer umfassen¬
den Wasserwirtschaft. Die Kraftwasser sind je nach
dem Stande der Technik ausgenutzt, zuerst mit ein¬
fachen Wasserrädern unter Anwendung genial konstru¬
ierter mechanischer Übertragungsmittel der Kraft zur
Verwendungsstelle, dann mit der Entwickelung der
Wassermotoren mit Turbinen, Peltonrädern als Antrieb¬
maschinen für Generatoren für elektrischen Strom, der
leicht zu den Verwendungsstellen geleitet werden kann.
Für die Wasserlösung der Oberharzer Gruben ist im
Laufe der Jahrhunderte ein System von Stollen ge¬
schaffen worden, wie es umfangreicher und großartiger
wohl in keinem anderen Revier vorkommen dürfte.
Zu Anfang sind kleine Stollen getrieben, welche,
am Bergeshang, in der Nähe der zu entwässernden
Gruben angesetzt, diesen Wetter brachten und Wasser
abführten. Die für den Oberharz noch heute ivichtigen
Stollen sind der Lautenthaler Hoffnungsstollen, 4000 m,
der tiefe Sachsenstollen, 1200 m, der Frankenscharner-
stollen, 7400 m, der Neunzehulachterstollen, 8500 m, der
Drcizehnlachrerstollen, 8000 m, der tiefe Georgsstollen,
20500 m, der Ernst-Auguststolleu, 26000 m. Diese
Stollen haben eine Länge von fast 75000 m oder 10
deutschen Meilen. Hierbei sind die Untersuchuugsörter
mitgerechnet. Es mag hier eingeschaltet werden, daß
der Ernst-Auguststolleu im Clausthaler Revier An¬
schluß an die in demselben Niveau liegende tiefe
Wasserstrecke erhielt, die als Sumpf- und <L>chiffahrts-
strecke für einige Clausthaler Gruben diente. Die
Verschiffung der Erze erfolgte bis zum Förderschachle
in Kähnen, wie sie das Bild 2 darstellt. Seit fast 15
Jahren ist
diese Art der
Streckenförde¬
rung durch
elektrischeLoko-
motivförde-
rung unter
Tage ersetzt.
Der Ernst-
Auguststolleu
ist im Vor¬
lande des Har¬
zes beiGittelde
angesetzt und
bringt bei
Clausthal eine
Teufe von 388
m ein. Mit der
Anlage dieses
Stollens war
das Hilfs¬
mittel, die
Oberharzer
Gruben durch
Stollen zu ent¬
wässern, er¬
schöpft. Die
Wasser¬
haltungen und
der Erze in Kähnen. Förderungen
sind mit der
Zeit in saigeren Hauptschächten konzentriert. Die
Betriebswasser können bis zum Niveau des Ernst-
Auguststollens vom Tage eingezogen werden und werden
mittels Wassermotoren nutzbar "gemacht. Durch um¬
fassende Neuanlagen sind durch Zusammenlegung der
früher in Einzelgefällen ausgenutzten Kräfte elektr.
Zentral-Kraftstationen geschaffen, und die gewonnene
Energie wird leicht an die verschiedenen Betriebspunkte
geleitet zuFördermaschinen, Pumpanlagen und Antriebs¬
motoren für Arbeitsmaschinen, Transmissionen usw.
In den älteren Schächten, in denen wegen der
Tonnlage eine Förderung mit Seilkorb nicht möglich
ist, und auch in den neueren saigeren Schächten, in
denen eine Seilfahrt nicht vorhanden ist, dienen teil¬
weise auch noch heute die Pumpengestänge, die mit
Tritten und Handgriffen versehen sind, als Fahrkünste
zur Mannschaftsförderung. Beim Hubwechsel der
Gestänge tritt der betreffende Ein- oder Ausführende
von dem einen auf das andere Gestänge über. Bild 3
veranschaulicht diese Einrichtung. Die älteren Fahrkünste
') Vgl. Hoppe, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, Clausthal 188».