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Sind die Preise im Saarland übersetzt?
Saar-Handel“ gegen Preisvergleich unter Beteiligung der Gewerkscha ten
Abweichende Auffassungen —
Die Frage, ob die Preise im Saarland über
setzt sind, wird durchaus nicht einheitlich be
antwortet. Wolil bestehen keine Zweifel dar
über, daß das Preisniveau im franco-saarlän-
dischen Wirtschaftsraum sehr hoch liegt (siehe
Kurven der .Lebenshaltungskosten), darüber
hinaus werden wir seit langem von Ver
brauchern — nicht nur Arbeitnehmern — dar
auf hingewiesen, daß zwischen der Saar und
dem benachbarten Lothringen erhebliche
Preisunterschiede zu Ungunsteri des Saarlan
des bestehen. Daß wir an diesen Hinweisen
nicht achtlos vorübergehen und «eit einiger
Zeit eigene Preisvergleiche anstellen, dürfte
wohl nicht nur unser gutes Recht sein, son
dern auch unsere verdammte Pflicht, um so
mehr, als wir seit dem Frühjahr 1953 ver
geblich auf die vom Amt für Preisbildung
und Wirtschafttfkontrolle zugesiagten Preis
vergleiche unter Beteiligung der Gewerkschaf
ten warten mußten.
Auf Grund unserer Preisvergleiche, die wir
mit aller Versäht durch Fachleute anstellen
ließen, stellten wir fest, daß in der Tat eine
ganze Reihe von Lebensmiteln, besonders
aber Fleisch im Saarland teurer verkauft
wird, als im benachbarten Lothringen,
während das Amt für Preisbildung
und Wirtschafts-Kontrolle durch eigene
Preisvergleiche zu der Auffassung kam, daß
wesentliche Preisunterschiede zwischen dem
Saarland und Lothringen nicht beständen, und
in einer von ihm veranstalteten Pressekonfe
renz am 14. Juni 1954 durch seinen Amtsleiter
und verschiedene Sachbearbeiter zur Preis-
Situation im Saarland entsprechend Stellung
nahm.
Nun wird uns kein vernünftiger Mensch
verargen, daß wir in dieser Pressekonferenz
unsere eigenen Feststellungen der amtlichen
Auffassung in durdraus sachlidier Form ent
gegensetzten. Lediglich der „Saar-Handel“,
das offizielle Organ des saarländischen Han
dels, nimmt ganz im Gegensatz zu seiner
sonstigen Übung Anstoß an der Skepsis ge
genüber amtlichen Äußerungen, die dodi
nach seiner Auffassung, weil sie eben ganz im
Sinne des saarländischen Handels liegen,
endlich Klarheit in der umstrittenen Preis-
ßituation des Saarlandes gebracht hätten.
„Eine Klarstellung“ nennt er seine Ausfüh
rungen, die sich als ausgesprochene Polemik
erweisen.
Wir haben Dun nicht die Absicht, den Bo
den der sachlichen Auseinandersetzung zu
verlassen, wollen auch keineswegs den Er
gebnissen der Preisvergleiche vorgreifen, die
nach allzulangem Zögern vom Amt für
Preisbildung und Wirlschaftskontrolle endlich
unter Beteiligung der Gewerkschaften ge
startet werden, doch müssen wir unser Be
fremden darüber ausdrücken, daß der „Saar-
Handel" aus prinzipiellen Erwägungen her
aus diese Untersuchungen unter Beteiligung
der Gewerkschaften und natürlich auch des
Handels ablehnen zu müssen glaubt. Wenn
der Handel die neuen Preisvergl eiche nicht
fürchtet, dann müßte er unseres Erachtens
geradezu darauf bestehen, daß sie durchge
führt werden, nachdem nun einmal bei den
Verbrauchern die Auffassung besteht, daß
man im Saarland viele Waren teurer einkauft,
als im benadibarten Lothringen.
Nun ist es keineswegs so, daß das Amt
für Preisbildung und Wirlschaftskontrolle in
der Pressekonferenz am 14. Juni 1954 unsere
im einzelnen vorgetragenen Feststellungen
mit der nötigen Gründlichkeit widerlegt
hätte, sondern lediglidi ganz allgemein fest
stellte, ein wesentlicher Preisunterschied zwi
schen Frankreidi und der Saar zu Ungunslen
des saarländisdien Verbrauchers bestände
nicht. Daß Preisvergleidre in verschiedenen
Wirtschaftsgebieten wegen abweichender
Verbraudisgewohnheiten sihr problematisdi
sind, wußten wir ohnehin, und es hätte einer
Belehrung durdi den Amtsleiter des Amtes
für Preisbildung und Wirtschaftskontrolle
nidit bedurft. Wir sagten es schon, daß vir
unsere Feststellungen durch Fachleute tieffen
ließen, wir hatten auch davon Abstand ge
nommen, Ergebnisse zu veröffentlichen, ehe
sie durch wiederholte Untersuchungen über
längere Zeiträume und in verschiedenen Or
ten der Vergleichsgebiete genügend fundiert
waren, doch sind Äußerungen des Amtsleiters j
des Amtes für Preisbildung und Wirtsdrafts-
kontrolle, daß die Preise in Saarbrücken nicht
mit kleineren Grenzorten im benadibarten
LotWingen, sondern mit Paris verglidien wer- j
den müßten, nicht dazu angetan, unsere Zwei
fel gegenüber der amtlkhen Feststellung j
eines ausgeglichenen Preisniveaus in Frank
reich und an der Saar zu beheben. Audi diese !
Polemik von amtswegen lehnen wir ab, da i
sie einer saelilidien Diskussion alles andere
als dienlidi ist, oder soll sie die alte For
derung der Gewerksdiaften stützen, daß die
Löhne und Gehälter im Saarland in der glei-
dien Höhe wie in der Vergleichszone Paiis
festzulegen sind?
Eine Gegenüberstellung der Indices der
Lebenshaltungskosten in einer Reihe von
Ländern, darunter auch im Saarland und in
Frankreich, stützt unsere These von der über
teuerten Lebenshaltung an der Saar (siche
auch graphische Darstellungen):
Indices der Lebenshaltungskosten
1950 = 100
S ä
USA
Öster-
reidr
Schweiz
Italien
Bel
gien
Lux.-
burg
Bundes-
repl.
Frank
reidi
Saar
land
II. Quartal 1951
105
119
104
110
HO
109
107
115
117
III. Quartal 1951
108
136
106
111
110
HO
108
118
122
IV. Quartal 1951
110
141
108
112
112
109
112
127
136
I. Quartal 1952
109
144
108
113
113
HO
111
133
142
II. Quartal 1952
110
145
108
114
110
109
109
330
138
III. Quartal 1952
111
145
108
115
110
Hl
109
130
140
IV. Quartal 1952
111
145
108
116
110
HO
110
130
141
I. Quartal 1953
111
145
106
116
110
HO
109
132
143
II. Quartal 1953
111
143
107
118
109
109
108
131
142
III. Quartal 1953
112
143
107
116
110
110
108
129
139
IV. Quartal 1953
112
144
107
117
111
110
107
127
139
I. Quartal 1954
111
145
107
112
110
108
129
141