ORGAN DER EINREITSGEIilERRSEHRETEN OER RRREITER, ANGESTELLTEN ONO BERUHEN
7. Jahrgang
Saarbrücken, Januar 1952
Nr. 2
JAHRESWENDE
Wenn wir am Ende des alten und .mit
Beginn des neuen Jahres auf das staats-
und wirtschaftspolitische Geschehen zu
rückblicken, dann müssen wir mit Bedau
ern feststellen, daß der seit sechs Jahren
von Millionen schaffender Menschen er
sehnte Friede auch heute noch auf sich
warten läßt. Der kalte, die Menschheit
zermürbende Krieg geht unverändert wei
ter, Unser alter Kontinent ist immer noch
in zwei Teile getrennt. Der Koreakrieg
hat das bestehende Mißtrauen zwischen
den beiden großen Mächtegruppen wei
ter verstärkt und ein Wettrüsten zur
Folge, das Milliardenbeträge verschlingt
und zu einer Verteuerung aller Güter des
menschlichen Bedarfes geführt hat, eine
weitere Verschlechterung der Lebenshal
tung der schaffenden Menschen mit
sich brachte und damit die Lasten der
Aufrüstung zum großen Teil den schaf
fenden Menschen auf er! egt.
Angesichts dieser Entwicklung kommt
man zu der Schlußfolgerung, daß die Ver
nunft bei der Menschheit allgemein noch
nicht Platz gegriffen hat, daß das grau
same Erwachen nach dem Zusammenbruch
des zweiten Weltkrieges bei einem gro
ßen Teil der Menschen wieder in Ver
gessenheit geraten ist und daß diese ver
gessen haben, daß verantwortungslose,
verbrecherische Menschen sie jahrelang
bestohlen, belogen und betrogen haben.
Den gigantischen staats- und wirt
schaftspolitischen Auseinandersetzungen
steht die heutige Gewerkschaftsbewegung
im Ringen um eine Neuordnung der ka
pitalistischen Wirtschaft, um Gleiehbe-
tigung und Mitbestimmung in dem Be
wußtsein gegenüber, eine bessere Zukunft
für die schaffenden Menschen zu errin
gen und mit den erarbeitenden Milliar
denwerten nicht die Wahnsinnsideen to
talitärer Staatsmänner in die Tat umzu-
setzen, noch die Mittel zur Herstellung
von Granaten, Panzern und Atombomben
zu verwenden, sondern die Erträgnisse
der Arbeit denen zugute kommen zu las
sen, die die Schöpfer dieser Werte sind.
Die Auseinandersetzungen zwischen K a -
italismus undArbeit, um Gleich-
erechtigung und Mitbestimmung sind im
zurückliegenden Jahr in ihr entscheiden
des Stadium getreten und müssen im
neuen Jahr mit unverminderter Energie
weitergeführt werden, wollen wir zu ei
ner von sozialer Gerechtigkeit getragenen
Wirtschaft kommen, oder aber wir sehen
bei einem Versagen der Arbeitnehmer
schaft das privatkapitalistische Wirt
schaftssystem mit all seinen Auswirkun
gen erneut wieder auf Jahre verankert.
Im Saarland selbst ist im alten Jahr
für die Arbeitnehmerschaft manche Hoff
nung unerfüllt geblieben. Das Nichtzu
standekommen eines Friedensvertrages
hatte zur Folge, daß auch die endgültige
Lösung der politischen Frage des Saar
landes unerledigt geblieben ist. Dessen un
geachtet hat die Wirtschaft des Saarlan-,
des, nicht zuletzt als Folge des wirtschaft
lichen Anschlusses, eine Vollbeschäf
tigung zu verzeichnen, die in einer nie
erreichten Beschäftigungszahl von rund
300 000 Menschen zum Ausdruck kommt.
Unsere Gewerkschaftsbewegung stand
im Jahre 1951 vor vielfältigen Aufga
ben. Eine nicht abreißende Kette von
Sitzungen und Verhandlungen, Arbeitsge
richtsverfahren, Verfahren bei den Spruch-
behörden usw. legen Zeugnis ab von der
gewerkschaftlichen Aktivität und der Be
deutung der zu behandelnden Probleme.
Waren schon mit Beginn des Jahres 1951
wesentliche soziale undpolitische
Spannungen vorhanden, so hat bis
Ende des Jahres ein Zustand sich ent
wickelt, der die sozialen und wirtschaft
lichen Spannungen vergrößerte und zu ei
ner sehr scharten Stellungnahme gegen
über der Regierung geführt hat.
Nicht zuletzt trug das Verhalten
der Regierung und des Land
tages bei der Behandlung der verschie
denen sozialen Gesetze zu‘diesem Zustand
bei. Wenn wir auch keineswegs verkennen,
daß die sozialen Probleme im Laufe des
zurückliegenden Jahres zum Teil eine be
friedigende Lösung gefunden haben, so
müssen wir aber auch feststellen, daß die
wichtigsten Sozialgesetze, bei denen es um
die seit Jahren erstrebte Mitbestimmung
und Gleichberechtigung der Arbeitneh
mer geht, unerledigt geblieben sipd und
da, wo es um altes erkämpftes Recht der
Gewerkschaften sich handelt, von der
Mehrheit des Landtages verschlechtert
wurden.
Der Einheitsgewerkschaft gegenüber hat
die Regierung in den letzten Tagen des
alten Jahres durch Ausschalten von Ver
tretern am Verhandlungstisch einen Stand
punkt eingenommen, der unseres Erach
tens nicht zuletzt auf den Einfluß von
reaktionären Kräften zurückzuführen ist,
die den Bestand der Gewerkschaften in
unserem nationalen Leben als entscheiden
den Fortschritt noch nicht begriffen ha
ben. Fast scheint es uns, daß die Regie
rung heute schon völlig vergessen hat, daß
es nicht zuletzt die Funktionäre und Mit
glieder der Einheitsgewerkschaft waren,
die aus Schutt und Asche die Wirtschaft
wieder aufgebaut haben in einer Zeit, als
die heutigen Schützlinge der Regierung
noch nicht den Mut hatten, vor die schaf
fenden Menschen des Saarlandes zu treten.
Wir erinnern uns an eine derartige Ent-
(Fortsetzung Seite 2)
Heinrich wacher es Jahre eit
Am 18. Januar wurde Heinrich Wacker
65 Jahre alt. Aus diesem Anlaß sind dem
Präsidenten der Einheitsgewerkschaft von
allen Seiten die herzlichsten Glückwün
sche zugegangen. Damit verbunden war
der allseitige Wunsch, daß seine unbeug
same Schaffenskraft und seine großen
Erfahrungen noch lange den schaffenden
Menschen an der Saar zugute kommen
mögen.
Mit dem Namen Heinrich Wacker ist
der Aufbau der Einheitsgewerkschaft, ihr
großer Aufstieg und sind zugleich bedeu
tende soziale Errungenschaften verknüpft.
Die ausgezeichneten geistigen Kräfte und
die körperliche Rüstigkeit sind ihm trotz
aller schweren Krisen, die es in hartem
Ringen zu überwinden galt, erhalten ge
blieben.
Es liegt nicht im Rahmen dieser Ge
burtstagsbetrachtung, die Verdienste des
Präsidenten der Einheitsgewerkschaft ein
gehend zu würdigen. Der Hinweis auf die
unerschütterlich dastehende Organisation
der hunderttausend Schaffenden an der
Saar mag einen Begriff von dem Werk
geben, das mit seiner Initiative aus kata
strophalen, chaotischen Nachkriegszu
ständen heraus entstanden und gewach
sen ist. Vernimmt man dann weiter die
Stichworte: sozialer Wohnungsbau, Volks
fürsorge, Konsumgenossenschaften, so
wissen die vielen Zehntausende, die es
angeht, welch weiterer Aufgabenkreis
zwangsläufig neben dem rein gewerk
schaftlichen im Interesse der Schaffenden
bewältigt worden ist.
Die stete enge Verbundenheit mit den
Schaffenden in mehr als einem halben
Jahrhundert gab dem Jubilar immer di©
Kraft, auch in den schwersten Krisenzei
ten mit äußerster Zähigkeit durchzuhalten.
Seine langjährigen engen persönlichen Be
ziehungen zu den Trägern der großen in
ternationalen Gewerkschaftsverbände,
insbesondere zum IBFG, haben ihn in
den Stand versetzt, seinen Wirkungsbe
reich zum Nutzen der Gewerkschaftler in
vielen Fällen auch auf dieser Ebene aus
zudehnen.
Neben den Glückwünschen, die dem
Präsidenten anläßlich seines Geburts
tages zugingen, kam auch der vielseitige
Dank für seine jahrzehntelange Tätigkeit
zum Wohle der Schaffenden und ihrer Fa
milien zum Ausdruck.
ANSELM STÖRK zum Gedächtnis!
In der Nacht vom 2. zum 3. Januar
1952 starb Anselm StÖrk, der Vorsit
zende und Geschäftsführer des Industrie
verbandes Graphik. 60 Jahre alt, stand er
40 Jahre in der Gewerkschaftsbewegung,
davon 30 Jahre an führender und verant
wortungsvoller Stelle seines Berufsverban
des. Weit über den Wirkungs- und Gel
tungsbereich seiner Berufsorganisation
hinaus trug ihn das soziale Geschick und
seine starke Persönlichkeit in führende
Positionen und mit an verantwortungs-
reicliste Stelle in der Einheitsgewerkschaft
des Saarlandes.
Die Achtung und Wertschätzung, die er
sich in seinem arbeitsreichen Leben er
worben, zeigte sich am 5. Januar 1952,
dem Tag, als wir den teuren Toten zur
letzten Ruhe bestatteten. Hunderte Mit
glieder aller Berufsverbände der Einheits
gewerkschaft, führende Persönlichkeiten
der Regierung und des öffentlichen Lebens gaben ihm das letzte Geleit.
Anselm Störk war einer der alten Gewerkschaftsveteranen, der von der
Picke auf, in einer Zeit, als die Staatsgewalt die Gewerkschaften noch als
eine Gefahr ansah, als Gewerkschaftler tätig war. Als Bezirksleiter des alten
Deutschen Buchdruckerverbandes im damaligen Saargebiet hat er bis zum Ja
nuar 1935 die Interessen seiner Berufskollegen wahrgenommen. Mit klarem
Blick erkannte er die drohende Gefahr der kommenden Diktatur und die da
mit verbundene Unfreiheit der schaffenden Menschen und hat in vorderster
Linie im Kampf gegen Hitler als überzeugter Gewerkschaftler gestanden.
Dies war auch der Grund, daß er bei der Rückgliederung des Saarlandes das
ihm so lieb gewordene Arbeitsgebiet mit seiner Familie verlassen mußte.
Schwerste Entbehrungen und Erniedrigungen in der Emigration konnten ihn
in seiner Ueberzeugung nicht erschüttern, Anselm Störk blieb seiner
Idee treu.
Unter Außerachtlassung aller persönlichen Belange war es für ihn eine
Selbstverständlichkeit, nach dem Zusammenbruch sich wieder mit seiner gan
zen Person für den Neuaufbau seiner Berufsorganisation und der Einheits
gewerkschaft einzusetzen.
Die Einheitsgewerkschaft hat mit seinem Tode eine ihrer markantesten
und beliebtesten Persönlichkeiten verloren. Der Geist, der in ihm gelebt, war
mit eine der Kraftquellen unserer Bewegung. Vorbildlich in seiner Hilfsbereit
schaft gegenüber seinen Mitarbeitern und Kollegen war Anselm Störk ein
Mensch von edelstem Charakter und seltener Lebensgröße. Sein persönliches
Auftreten, seine mannhafte Haltung und sein klares Urteil in allen Fragen
des wirtschaftlichen und sozialen Lebens trugen ihm nicht nur die Achtung
seiner Kollegen, sondern auch die Achtung derer ein, mit denen er am Ver
handlungstisch im Bingen um die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse
seiner Kollegen saß.
Nun ist er für immer von uns gegangen. Mitten aus seiner Arbeit heraus
hat ihn der Tod ereilt. Dank schuldet ihm die gesamte Einheitsgewerkschaft
in der Stunde des Abschieds für sein Wirken und Schaffen, das er bis zur
Hergabe der letzten Kraft der Gewerkschaft gewidmet hat. Sein Leben und
Schaffen war Beitrag für eine neue bessere Zukunft der arbeitenden Men
schen. In der Geschichte der Einheitsgewerkschaft des Saarlandes bleibt sein
Name unvergessen. Wir, die wir dem teueren Toten im Leben näher gestan
den, haben nicht nur einen guten edlen Menschen und Freund verloren,
sondern uns war Anselm Störk vie mehr. In seinem Geist und nach sei
nem Vermächtnis für Freiheit und Menschenwürde weiter zu kämpfen, sei
uns heiligstes Versprechen.
Landesvorstand und Gewerkschaftsaussehuß:
Wacker
Arbeitskammerwahl
am 16. und 17. Februar 1952
Alle Arbeitnehmer an die Wahlurne!
Am 1ö. und 17. Februar 1952 findet die Wahl zur Arbeitskammer des
Saarlandes statt. An dieser für die gesamte Arbeitnehmerschaft so
überaus wichtigen Wahl müssen sich alle Arbeitnehmer beteiligen!
Die Wahlordnung und andere Einzelheiten zu der Wahl werden be
sonders bekanntgegeben. (Sieh© auch Seite 2)