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2. Jahrgang
Juni 1947
Nummer 6
Wieder Arbeitsgerichte im Saarland
von Frau Oberregierungsrat Dr. Schaufler
Im Amtsblatt Nr. 28 der Verwal¬
tungskommission des Saarlandes
vom 12. 6. 47 ist eine Rechtsanord¬
nung veröffentlicht, die einen wei¬
teren, sehr bedeutsamen Meilen¬
stein auf dem Wege der Neuord¬
nung des Arbeitslebens in unserer
Saarheiroat darstellt. Es ist die
Rechtsanordnung über die
Errichtung von Arbeits¬
gerichten und das Verfah¬
ren in Arbeit ss tr ei11 gk ei-
ten vom 1. April 194 7. Die
.Wiederaufnahme der Tätigkeit der
Arbeitsgerichte steht somit unmit¬
telbar bevor.- Hierdurch wird eine
Lücke in der Rechtspflege-Organi¬
sation geschlossen, deren Vorhan¬
densein in den Kreisen des Wirt¬
schafts- und Arbeitslebens als
nahezu unerträglich empfunden
werden mußte. Auf die Gründe, die
den Stillstand der. ’ Arbeitsrechts¬
pflege seit nunmehr mehr als zwei
Jahren herbeigeführt haben, sei im
folgenden kurz eingegangen.
- Der Zusammenbruch des natio¬
nalsozialistischen Deutschlands im
Mai 1945 beschränkte sich bekannt¬
lich nicht auf die militärische Nie¬
derlage; es stürzten vielmehr, alle
Säulen ein, auf denen der National¬
sozialismus im Innern des Landes
seine Gewaltherrschaft1 aufgebaut
hatte. So brach auch die gesamte
Rechtspflege zusammen,, die, ausge¬
richtet nach dem nationalsozialisti¬
schen Glaubensatze „Recht ist, was
dem Volke nützt“, den verhängnis¬
vollsten Irrweg gegangen war, den
je die Justiz eines Staates einge¬
schlagen hatte.
Als nun der Interalliierte Kon¬
trollrat in Deutschland seine Tätig¬
keit aufgenommen hatte, betrach¬
tete er es als eine seiner vordring¬
lichsten Aufgaben, die Rechtspflege
sowohl "von der nationalsoziali¬
stischen Irrlehre als auch' von deren
Verfechtern zu säubern und sie auf
den Boden demokratischen Gedan¬
kengutes zu stellen. Als erste 'ge¬
setzgeberische Maßnahme auf diesem
Gebiete erließ er die Proklamation
Nr. 3 vom 20. Oktober 1945, in der
er die Grundsätze für die Umge¬
staltung der Rechtspflege in demo¬
kratischem Sinne niedergelegt sind
und die Sondergerichte der Nazis
abgeschafft werden. Unter Hinweis
darauf, daß mit der Ausschaltung
der Gewaltherrschaft Hitlers durch
die Alliierten Mächte das terro¬
ristische System der Nazigerichte
abgeschafft worden sei, heißt es-in
dieser - Proklamation, daß an die
Stelle des überwundenen Systems
eine Rechtspflege, treten müsse, die
. sich auf die Errungenschaften der
Demokratie, Zivilisation und Ge¬
rechtigkeit gründet. Die Prokla¬
mation bestimmt sodann die Wie¬
derherstellung det Grundsätze der
Gleichheit aller Bürger vor dem
Gesetz ohne Unterschied von Rasse;
Staatsangehörigkeit oder Religion
und der Unabhängigkeit des, Rich¬
ters, der in der Ausübung seiner
richterlichen Tätigkeit frei von
Weisungen der ausführenden Ge¬
walt handelt und nur dem Gesetz
unterworfen ist
Ergänzend hierzu erging sodann
am 30. Oktober 1945 das Kontroll-
rata-Gesetz Nr. 4 über die Umge¬
staltung des Deutschen Gerichts¬
wesens. Dieses Gesetz ordnet die
Wiederherstellung der ordentlichen
Gerichte (Amts-, Land- und Ober¬
landesgerichte) an und regelt deren
Zuständigkeit Damit war aber die
Wiedererrichtung der Arbeitsgerichte
noch nicht ausgesprochen. Um dies
zu erreichen, bedurfte es eines wei¬
teren gesetzgeberischen Aktes sei¬
tens desKontrollrates, der erst
durch das Gesetz Nr, 21 vom 30. 3.
1946 (Deutsches Arbeitsgerichtsge¬
setz) geschaffen wurde und es den
einzelnen Ländern ermöglichte, nun
ihrerseits auf dem Gesetzgebungs¬
wege die Arbeitsgerichte, in ihren,
Gebieten Wiedererstehen zu lassen.
Im Saarland ist dies durch die ein¬
gangs erwähnte Rechtsanordnung
geschehen. .
’■ Den * Arbeitsgerichten ist " die
äußerst wichtige Aufgabe der Re¬
gelung solcher Reehtsstreitigkeiten
übertragen, die in Arbeits- oder Be¬
schäftigungsverhältnissen begründet
sind, und sich zwischen Arbeitneh¬
mern und Arbeitgebern oder deren
Vereinigungen oder zwischen Ar¬
beitnehmern untereinander abspie-
Jen. Dieser fest umrissene Zuständig¬
keitsbereich, ferner die Besetzung
der Arbeitsgerichte mit Beisitzern
aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber¬
kreisen verleiht ihnen den Charakter
von Sondergerichten. Die in der
Proklamation Nr. 3 und dem Gesetz
Nr. 21 aufgestellten Grundsätze für
die Rechtspflege sind natürlich auch
für sie verbindlich. Bel ihrer Son¬
derstellung ■ innerhalb der übrigen
Rechtspfiegeorgane war es geboten,
darüber hinaus noch weitere Vor¬
aussetzungen zu schaffen, die eine
Gewähri für ihre Arbeitsweise in
demokratischem Sinne bieten. Vor¬
sitzende und Beisitzerdieser Gerichte
müssen außer ihren anerkannt de¬
mokratischen Anschauungen auch
die beruflichen Erfahrungen und
Kenntnisse auf arbeitsrechtlichem
und sozialem Gebiet besitzen, die
sic für die Ausübung ihres Amtes
erst geeignet machen. Dafür, daß
dies der Fall ist, sind die Arb.ei t -
nehmar* und.Arbel-tgeber-
verefnigungen verantwortlich,
die allein berechtigt, aber auch ver¬
pflichtet sind, Vorschläge für die
Besetzung dieser Ämter bei dem Mit¬
glied ;■ der Verwaltungskommission
des Saärlandes für Arbeit und Wohl¬
fahrt einzureichen.
Organisation und Zuständigkeit
Uber die Organisation und die
Zuständigkeit . der Arbeitsgerichte
ist folgendes zu sagen: • j
. Die Arbeitsgerichtsbar¬
keit wird in drei Instanzenzügen
tätig. Jede arbeitsrechtliche Streitig¬
keit ist zunächst bei dem Gericht des
ersten Rechtszuge* dem Arbeits¬
gericht, anhängig zvi machen.. Für
das Saarland sind drei Arbeits¬
gerichte YorSeSehen* und zwar in
Saarbrücken, Saarlouis und
Neunkirchen. Ihre Bezirke
fallen mit denjenigen der Amtsge¬
richte an den genannten Orten zu¬
sammen. Jedes Arbeitsgericht ver¬
fügt über eine Arbeiterkam¬
mer, eine AngeStellten-
kammer und ein Handwerks¬
gericht, das Arbeitsgericht Saar¬
brücken außerdem über eine Eisen¬
bahnfachkammer, alle in der
Besetzung mit einem hauptamtlich
tätigen Vorsitzenden ' und einem
ehrenamtlich tätigen Arbeitnehmer
sowie Arbeitgeberbeisitzer. Beru-
jtungs- und Beschwerdegericht ist
das L a n‘d e s a r b e i ts g e r i c h t
in Saarbrücken, das nur. eine allge¬
meine Kammer in der Besetzung
mit einem Vorsitzenden und grund¬
sätzlich mit Je zwei Arbeitnehmer-
und Arbeitgeberbeisitzern besitzt.'
Als dritte und Revisions-Instanz
gegen die Entscheidungen des Lan¬
desarbeitsgerichts ist der .Senat
für Arbeitssachen beim
Oberlandesgericht zuständig. Er ent¬
scheidet in der Besetzung mit einem
Vorsitzenden, zwei richterlichen
Beisitzern und je * einem Arbeit¬
nehmer- und Arbeitgeberbeisitzer.
Die Einlegung der Berufung hängt
davon ab, daß der Wert des Streit¬
gegenstands mindestens 100,— Mk.
beträgt. Bei Einlegung der Revision
muß dieser mindestens 5000,— Mk.
betragen. Es kann jedoch auch dann
Berufung bzw. Revision eingelegt
werden, wenn diese vom Vorder-
gerieht wegen der grundsätzlichen
Bedeutung des Streitfalles für zu¬
lässig erklärt worden ist.
■ Unter den Begriff der Arbeits¬
streitigkeiten fallen alle
Rechtsstreitigkeiten • zwischen den
oben näher gekennzeichneten Par¬
teien, wenn diese die Verletzung
bestehenden Rechts rügen und seine
Wiederherstellung verlangen. Es
sind also Streitigkeiten, deren Ent¬
scheidung von der Auslegung be¬
stehender gesetzlicher Bestimmungen
abhängt im Gegensatz zu den soge¬
nannten Interessenstreitigkeiten,
d. h. Streitigkeiten zwischen Arbeit¬
nehmer- und-. Arbeitgebergruppen,
deren Ausgang von der Wirtschafts¬
lage und den Machtverhältnissen
der Beteiligten abhängt, mithin
Streitigkeiten, die auf die Schaf¬
fung neuer Rechtsnormen
In Gestalt von Gesamtvereinbarungen
(Tarifverträgen, Betriebsord nuugen)
abzielen. Im einzelnen sind. die Ar¬
beitsgerichte für die Entscheidung
folgender Streitigkeiten zuständig:
1. Für Streitigkeiten zwischen Ar¬
beitgebern und Arbeitnehmern aus
dem Lehr- oder Arbeitsverhältnis,
über sein - Bestehen oder Nichtbe¬
stehen, ferner für Streitigkeiten aus
unerlaubten Handlungen, soweit
diese mit dem Arbeits- oder Lehr-
'Verhältnis im Zusammenhang stehen;
• 2, für Streitigkeiten zwischen Ar¬
beitnehmern untereinander aus ge¬
meinsamer Arbeit und aus uner¬
laubten Handlungen,. soweit. diese
. mit dem Arbeits- oder Lehrverhält¬
nis in Zusammenhang stehen;
r Mit dem.. Inkrafttreten der- Be¬
triebsräteverordnung und mit dem
Eintritt der Möglichkeit, wieder
Tarifverträge abzuschließen, kom¬
men auch die Streitigkeiten.
- 3. aus der Betriebsräteverordnung
(Notwendigkeit und Errichtung von
Betriebsvertretungen, Wahlberechti¬
gung und Wählbarkeit von Arbeit¬
nehmern);
4. die Streitigkeiten zwischen
Tarifvertragsparteien oder zwischen
diesen und Dritten aus Tarifverträ¬
gen und aus bestimmten unerlaubten
Handlungen hinzu.
‘ Hervorzuheben ist, daß die aus¬
schließliche Zuständigkeit der Ar¬
beitsgerichtsbarkeit für die vorge¬
nannten Streitigkeiten nur eine
solche gegenüber den ordentlichen
Gerichten ist. -Wenn in Zukunft auf
Grund des vom Kontrollrat erlas¬
senen Gesetzes Nr. 35 vom 20. Au¬
gust 1946 über das Ausgleichs- und
Schiedsverfahren in Arbeitsstreitig¬
keiten die erforderlichen Schleds-
stellen geschaffen sein werden, wird
es den Beteiligten freistehen, ob sie
ihre Streitfälle bei den Arbeitsge¬
richten oder bei den Schiedsstellea
anhängig machen wollen.
„Conseils de Prud’hommes,,
Die Arboitsgerichtsbarkeit in ihrer
gegenwärtigen Gestalt ist im we¬
sentlichen das Ergebnis einer Rechts?
entwicklung, die in dem Arbeits¬
gerichtsgesetz vom 23. 12. 1926 ihren
Abschluß gefunden hat, und das
auch ln der Gegenwart seine Gültig-