IK:54
UV
AAN
- „Wl
«fl
"än
|
|
u]
"as
„ET
N.
EE. 4
if
M6
df
-,
ei mame=.,
j'
m
N
GE
+4
ür,
GEBRÜDER
HOFER A.6.SAARBRÜCKEN
VMZ a rr dk
k
Telegramm -Adresse:
RÖCHLING SAARBRÜCKEN
Tel. Nr. 1, 3(720- 3411
Reichsbank - Giro - Konto
| "stscheck-Konto:
% "741 FÜR MARK
S2 1 = VEN Nr. S
Fc... RANKEN
STAMMHAUS ABT ZZU 1
Wilhelm - Heinrichstr. 16
=
WIEDERLASSUNG IN BERLINW 3&
YEIGANSTALTE:
AGENTUR IN BAUMHOLDER
Taarbrüdken Z(Sst. Johann)
* lzias 1 aar)
". V/endel, Merzig (Saar)
. .Sunk&irchen (Saar)
&aarlouis
N ölklinjen (Saar)
Zweibrücken, Birkenfeld
ERLEDIGUNG ALLER BANKMÄSSIGEN GESCHÄFTE
STAHL-KXKAMMER, SCHRA. |KFÄCHER
&. „1! SELBSTVERSCHLUSS
Saarbrücken in Eis und Schnee. Zur Erinnerung an den Winter 1929. den härteſten ſeit 50 Jahren
Aufnahme von Vilar Went
„Nur das Dolk verdient die Sreiheit, das ſeine
Eigenart ho<hſchätzt und in ſelbſtbewußtem Stolz
keine Knedhtſhaft dulden will.“
Admiral Sheer +.
[(Ausſeinem Geleitwortfür den Saarkalender1927.)
Ein Dolksbu für heimätliche- Geſchichtsforſchung, Kunſt,
Naturwiſſenſchaft, für ſaarländiſche Literatur,
Statiſtik und DolkShumor
Vi! Jahrgang
Herausgeber Albert Zühlke, Saarbrücken
Druck und Verlag von Gebr. Hofer A.-G., Saarbrücken, Völklingen
? HUF 23-40
Zz
.
KE
=
) €
Ehe.
-/
Irie-
Don dieſem Buche ſind hundert Exemplare auf
Kunſtdruckpapier hergeſtellt, in Halbleder gebun-
den, numeriert und vom Herausgeber ſigniert
En,
an die
„AssSociation francaise de la Sarre“.
Vom Weſten tönt ein wild Geſchrei,
Es heßt die Gier in trübem Scheine:
„Allons enfants, die Saarbaftei
Gibt frei den Weg zum Rheine!“
„Ihr raubtet allem Recht zum Hohn
und ſchlugt uns tauſend Wunden,
Glaubt ihr, man lockt mit ſüßem Ton
Die Saar, zerſchlagen und zerſchunden?
Ihr klopft bei uns vergeblich an,
Euch wurmt's, daß wir aus feſtem Holze,
Hier trägt ſein Volksfum jedermann
In Trußz und Treu mit freiem Stolze.
Was Glück und Freiheit uns verheißt,
Das leuchtet in des Reiches Fahnen:
Iſt deutſche Würde, deutſcher Geiſt,
Im zähen Kampf der Mut der Ahnen.
Wir werden nie zur Unheilsfahrt
Der wc./ſchen Habgier uns verſchreiben:
W./ ſind von uralt ?zutſcher Art
Und wollen's ewig bleiben!“
NZ:
Dem Saarkalender1930zum Gele?s
am achten Male geht der Saarkalender
in die Welt: über das verwirrende Parteigezänk wollte er das Einigende wah-
rufen, die Heimatliebe wollte er aufleuchten laſſen, damit die Hingabe an das
aroße Deutſche Daterland in ihr einen kraftvollen Uährboden finde.
Den Weg, lieber Saarkalender, biſt du gegangen mit ruhiger Sicherheit
und mit ſchönem Erfolg: wer wollte den Anteil leugnen, den du daran gehabt
haſt, daß das Parteigezänk an der Saar zurückgetreten iſt hinter das Einigende,
daß die Heimatliebe an der Saar und zu der Saar in der ganzen Welt leuchtet
wie der Stern von Bethlehem und daß die Hingabe an das große Deutſche Dater-
land an der Saar zu wundervoller Blüte gediehen iſt.
Uo<h dauert das Unre<t. Aber es dauert auch das ſtandhafte Ringen um
die Befreiung:
Keine Wälle, keine Wauern,
Jeder nur ſich ſelbſt bewußt
Feſte Burg, um ausSzudauern,
Iſt des Mannes ehrne Bruſt!
Ceicht ſchwillt angeſichts des klar zu Tage liegenden deutſ<en Weſens
und Wollens an der Saar die trügeriſche Hoffnung an: lange kann es niht
mehr dauern, der Tag der Befreiung iſt nahe!
Ceicht ſtellt ſich aber auch verzagte Fur<t ein angeſichts der klar zu Tage
liegenden Mlachtgelüſte und Machtmittel zäher Begehrlichkeit: es war ſchon
wieder einmal nichts, wir werden no<h unterliegen!
Zwiſchen dieſen großen Menſchenfeinden -- leichtfertiger Hoffnung und
verzagter Fur<t -- wandle du Dolk an der Saar den Weg des Redts, der
Treue und der Klugheit: unverdroſſen, Shritt vor Schritt auf ſteilen Pfaden!
zum
Dein Ret iſt es, ſelbſt über dein Schickſal zu beſtimmen, deine Treue
zieht dich zu den Brüdern des Blutes, der Sprache und der Geſittung, und deine
Klugheit zeigt dir über dürre Augenbliksgebilde hinweg die geſunden Triebe
deiner Wirtſ<aft im Daterland.
Wir von den Saarvereinen im Reich haben es als eine natürliche Aufgabe
empfunden, dir beizuſtehen im heiligen Befreiungskampfe: dein Redht ver-
fechten zu helfen, deine Treue der Welt zu offenbaren. Das iſt unſer be-
ſcheidener Anteil an dem großen Kampf, den du allein auszukämpfen haſt bis
zum Siege:
der Rückkehr ins Daterhaus!
Frankfurt a. Ul., im Juli 1929
Z "u
-.
Senatspräſident,
Erſter Dorſigender des Bundes der Saarvereine.
Ztwor..
ies Buh ſchließt ſich, wie ich hoffen dar),
würdig ſeinen Dorgängern an. ES ſoll in erſter Linie ein klares Spiegelbild der
Stimmung unſerer Heimat ſein und zunächſt die kleine Zeitſpanne umfaſſen, der es
gewidmet iſt. Daneben will der „Saarkalender“ aber auch diesmal Sinn und Cha-
rakter der Bevölkerung vergangener Tage kennzeichnen, Schönheit und Tragik des
Landes aufleben laſſen. In dem beſchränkten Rahmen dieſe Aufgabe zu löſen, 1jt
j<wierig, doh zugleich allen willkommen und damit dankbar. Ob mir aud jeßt der
Wurf gelang, ſteht meinem Empfinden nah bei der Liebenswürdigkeit der vielen
tauſende von alten Freunden, denen die Schrift bisher ein willkommener Hausgaſt
geblieben iſt.
Aus aller Welt Gegenden meldeten ſich wieder unſere Heimatgenoſſen mit Dank
und freundwilliger Anerkennung. Uur einer hatte auch einen Tadel auf Cager.
Unſer CTandsmann U. S. in Gueiras in Braſilien drückt mir in ſeinem Schreiben
zunächſt im Geiſte die Hand vor Glück, „einmal wieder von ſeiner alten Heimat zu
hören und ſie tapfer und entſchloſſen zu wiſſen“. Er ſchreibt dann u. a.: „I< erhielt
den Saarkalender 1929 aus Buenos Hires durd einen aus St. Ingbert ſtammenden
Geſchäftsfreund. Wel<h" ſonnige Freude nach 40 Iahren Fremde für einen waſc-
echten Spreben! Doh Ihr habt Eu< ſehr verändert. Im Kalendarium ſteht ſtets
Sonnabend, ſol<e Bezeichnung für den lezten Wochentag kannte man garnicht. Wir
ſagten Samstag. Bitte ändern Sie das beim nächſten Buh.“ „Dem Manne kann
geholfen werden!“
Eine beſondere Freude und Genugtuung iſt es mir, daß einer der verdienſtvollſten
Inänner in dem aufreibenden Kampfe um unſer Recht, der Senatspräſident O. Andres-
Frankfurt a. M., dieſem Iahrbuche das Geleitwort gewidmet hat. Ihn traf unter
Roults Gewaltregiment unſeligen Angedenkens die Derbannung von Herd und
Sdqolle. Aber ſie machte ihn nur zu einem der tatkräftigſten Vorkämpfer und An-
walt unſerer gerehten Sache vor dem Dolksgericht der Welt, zu einem Herold unſerer
Qual in der ſo dringend notwendigen Aufklärung der Dolksgenoſſen im weiten
Reid.
Als Erſter Dorſikender an der Spiße des Bundes der Saarvereine, denen wir nie
genug danken können, ſteht er ſeit langen Jahren ſelbſtlos in raſtloſer Sorge und
Ulühe um unſere Befreiung von der Fremödherrſ<aft. Und wenn heute die Saarfrage
alle Deutſchen in Atem hält und aufregt, ihre politiſche und wirtſchaftliche Bedeutung
= ii kik EE IL
endlic< gewürdiat wird, ſo wiſſen wir, daß die Saat dieſer Ernte die ZSaarvereine
ſtreuten, deren führender Geiſt Senatspräſident Andres iſt.
In Wort und Scrift ſtemmt er ſich erfolgreich Gewalt und Habſucht entgegen.
So iſt er u. a. der Derfaſſer der juriſtiſch meiſterhaften und überall anerkannten
Studie „Grundlagen des Rehts im Saargebiet“ (Berlin 1926); durd
Klarheit und Wahrheit in der Saartragödie das Shwert gegen übermütige An-
maßung und gegen die Schliche der erbitterten Hauptregiſſeure mit ihrer krummen
welſchen Politik. Sold) vielfältige, völlig uneigennüßige Hingabe für das Siel
unſerer Sehnſucht wollen wir mit goldenem Griffel in den Erzblättern unſerer Ge-
ſchichte feſthalten.
In den Worten, mit denen Senatspräſident Andres die ihm ſo dankbare Heimat
grüßt, ſwingen die Gedanken, die uns alle bewegen. Prägen wir den Grundakkord
in Seele und Sinn zu kraftvoller Tat:
„Feſte Burg, um auszudauern,
Iſt des Mannes eh'rne Bruſt!“
Bei dieſer Gelegenheit möchte ich auf die vielen Zuſchriften zurückkommen,
in denen fortwährend ältere Jahrgänge des Saarkalenders erbeten werden. Dieſe
Wünſche konnten leider oft niht Erfüllung finden. Typiſch iſt die faſt regelmäßig
wiederkehrende Bemerkung, man habe das Bud verliehen und niht wieder erhalten
können. Vlir wird viel Arbeit erſpart, wenn man davon Uotiz nehmen mödte, daß
im Derlag Gebr. Hofer A.-G., Saarbrücken 1, nur noh Saarkalender der Jahre
1927, 1928 und 1929, und zwar in beſchränkter Zahl vorhanden ſind. Dur< Zufall
läßt ſich allerdings auch ein früherer Iahrgang als die vorgenannten beſorgen.
Für die freundliche Mithilfe danke ich hiermit allen in treuer Geſinnung. Der
Wünſche waren aud diesmal zu viele, als daß es mir gelingen wollte, ſie ſämtlich
zu berückſichtigen. Uehmt, was ih hier geboten, in demſelben Sinne und der Freude
hin, mit der das bunte Moſaikbild geſchaffen iſt. In jedem ſaarländiſ<en Herzen
wird es ein E<ho wecken und in der Familienbücherei noh Kindern und Kindes-
kindern eine Quelle ſein, an der ſie unſer Saarvolk ſtudieren können. Dergangen-
heit und Gegenwart, Luſt und Ceid ſoll es künden, in trüben und heiteren Bildern
den Pulsſ<hlag unſerer Seele fühlen laſſen. Das war wenigſtens meine Abſicht,
fehlte auch die volle Kraft dazu, den guten Willen bitte ich anzuerkennen.
Allen Freunden des „Saarkalenders“ daheim, im Reiche und Ausland treuen
landsmänniſchen Gruß. A. Z.
ju
Saarkalender für das Iahr 1930
Januar oder Schneemond 1930
Im Elſaß gebt es e Ulalaiſe,
Un mir han grad ſo voll de Uäſe.
1. Woche
Mittwoch
Neujahr
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
je
Kn
--
|>:56
2. Woche
Sonntaq
Montag
Heilige3 Könige
Dienstag
Mittwoh )
Donnerstag
Sreitag
Samstag
Dat.
3. Wo<He
5
Sonntag
5
Montag
"Sox.
7
Dienstag
3
Mittwoch
3
Donnerstag
10
Sreitag
11 | Samstag
Dat.]
12
13
| 14
15
16
17
| 18
4. Woche
Sonntag
Montag
Dienstag (
Mittwoch
Donnerstag
Sreitag
Samstag
Dat.)
19
20
21
22
23
21
25
5. Wode
| Dat
Sonntaq
, 26
Montag
27
Dienstag
28
Mittwo<h & 29
Donnerstag
30
Sreitag
Zi
Größe und Bodennußung des Saargebiets.
Das Saargebiet hat eine Größe von 1880,69 Quadratkilometer. Hinſichtlich der
Bodennußung erhalten wir nachſtehende Ueberſicht:
978 “km
ee
56
Ze
9
5? % Adkerland,
Wieſen,
Gebäudefläcen,
Wald,
2% Gärten, Weinberge, Obſtanlagen, Wege, Ge-
wäſſer und Oedland.
Don den 564 Quadratkilometern Wald waren urſprünglich 96 Prozent mit Laub-
hölzern und hier in erſter Linie mit Buchen und Eichen, daneben in geringerem
Ausmaße mit Birken, Eſchen, Linden, Weiden, Pappeln uſw. bepflanzt. Erſt im
19. Iahrhundert, mit dem Aufblühen der Bergwerke, wurde der Anpflanzung des
Ladelholzes beſondere Bedeutund- beigemeſſen. Der Wald des Saargebiets beſteht
heut2 aus folgenden Holzarten: 75 Prozent Laubholz und zwar 43 Drozent Buchen,
27 Prozent Eichen, ſowie 25 Prozent Uadelholz. Beim Uadelholz iſt die Fichte vor-
herrſchend. Das beſte, begehrteſte und teuerſte Eihenholz wächſt im Fiſchbacher Forſt.
Die Eißenſtämme dieſes Bezirks werden ihrer beſonderen Eigenart und Qualität
wegen beſonders geſhäßt und begehrt. Bei Derſteigerungen finden ſich Käufer aus
dem ganzen Rheinland, beſonders aus Solingen, ein, aber auch Intereſſenten aus
dem übrigen Reid, ſelbſt aus der Tſ<e<hoſlowakei, ſind hier Käufer. Das Holz wird
vor allem zu feineren Holzarbeiten, meiſt aber zu VUeſſerſtielen für Tafel- und
Taſchenmeſſer verwendet.
SERRE.
Saarkalender für das Jahr 1930
Der Hammer, Saarlands Ehrenzeichen.
(Zu unſerem Umſ<lagbilde.)
In hoc Signo vinces! (in dieſem Zeichen wirſt du
ſiegen). Wahlſpru< des zum Kreuz bekehrten römiſc<en
Kaijers Konſtantin des Großen.
Des Saargebietes ſtolz Symbol
Der Hammer iſt's in Hütt' und Hallen;
Des Candes Wert, der Heimat Wohl,
Des Fleißes Zeichen gilt er allen.
Wo heißen Werktags Ceben brauſt,
Im Tageslicht, im tiefſten Stollen,
Da tönt, ſo oft er niederſauſt,
Aus jedem Schlag ein heimlich Grollen.
Wenn flammend helle Funken ſprüh'n,
So höre im im Kling und Klange,
Daß unſre Herzen heiß erglüh'n,
Sein trußig Lied in wildem Zange:
„Ob Ceib und Seele uns umkrallt
Das Unheil mit der Hölle Schwere
Und dich mit frevelnder Gewalt
Uo<h kränken mödte an der Ehre;
Für deutſ<e Freiheit, deutſches Ret,
Da darf dein ſtarker Arm nicht zagen,
Du biſt kein Ambos, biſt kein Knecht
Und mußt di< mit dem Schickſal ſchlagen.
So laß es deine Arbeit ſein,
Den Sinn zu läutern und zu heben,
Don allen Schladen zu befrei'n,
Um deutſ<em Geiſte ganzzu leben!“
Und bebend mahnt der letzte Shlag'
„Es mag nun bredhten oder biegen,
Glückauf, ſo trübe auh der Tag,
In dieſem Zeichen wirſt du ſiegen!“
HA. 5.
1.
ES iſt der größte Irrtum und der wahre Grund aller übrigen Irrtümer, welche
mit dieſem Zeitalter ihr Spiel treiben, wenn ein Individuum ſich einbildet, daß es
für ſich ſelber da ſein und leben und denken und wirken könne. Fichte,
Saarkalender für das Jahr 1930
Februar oder Hornung 1930
Ginagd bei ſo'me Maſc<hkezores
De ganze Schwindel nur Kkapores.
5. Wo<hHe
Samstaq
| Dat.
6. Wo<He
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerst. J
Sreitag
Samstag
Dat.
3
5
/
ww
7
(3
7. Wo<e
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwod
Donnerst. )
Sreitag
Samstag
Dat.
93
10
27
12
| 13
14
15
8. Wo<he
Dat. |
Sonntag
19
Montag
27
Dienstag
18
Mittwo<
1.19
Donnerst. (( | 20
Sreitag
21
Samstag
57
9, Wo<He |Dat.
Sonntag
23
Montag
24
Dienstag
25
Mittwod
26
Donnerstag
27
| =-
Sreitag G&
238
Bevölkerung und Verwaltung.
Das Saargebiet zählt insgeſamt 782 767 Einwohner. Mit 415 Seelen auf einen
Quadratkilometer iſt es der di<htbevölkertſte Landesteil des Deutſchen Reiches. Die
kommunale Derwaltung gliedert ſi in ſieben Landrats- und BezirkSämter und
82 Bürgermeiſterämter. Dieſen Behörden obliegt die Derwaltung von a<t Städten
jowie 281 Landgemeinden und Dörfern. Der Konfeſſion nah ſett ſich die Bevöl-
kerung zuſammen aus: 207 801 Proteſtanten, 566 242 Katholiken, 4779 Iſraeliten
und 3845 Anhängern anderer Bekenntniſſe oder Diſſidenten. Aus nachſtehender Tabelle
iſt die Derteilung der Einwohner nach Bekenntniſſen auf die einzelnen Kreiſe und
BozirkSämter zu erſehen.
Stadt Saarbrücken
Candkreis Saarbrücken
Kreis Ottweiler
Kreis St. Wendel
Kreis Saarlouis
Kreis Wlerzig
Bezirk St. Ingbert
Bezirk Homburg
Geſamt«-
EFinwohner-
zahl
125 848
207 117
141 032
32 428
137 672
37 650
54 228
46 6,2
782 767
Ei
Ratholiken Proteſtanten Iſrael.
Sonſtige
Bekennt-
niſſe
68 232
) 39 884
93 035
27222
131.922
36 235
46 121
me]
54 281
95.1]
46 622
5 060
4 697
1 009
7 279
25355
KT
2228
Mb
560
116
1007
1730
795
20
89
904
343
137
"39
13
=]
160
566 242
207 801
4779 3845
“
Saarkalender für das Jahr 1930
Saarweinlied.
Herbei, ihr neunmal Weiſen,
Magiſter und S<olar,
Im frohen Lied zu preiſen
Das Weinland an der Saar!
Denn ſeine prickelnde Cabe,
Doll Duft und funkelndem Sdein,
Iſt kKöſtlihe Heimatgabe,
Geſchaffen, das Herz zu erfreun.
Um Rupp' und Felſenhaube,
Euf Pfarr- und Herrengut
Gedeiht die Saarweintraube
In herbſtli<-ſatter Glut.
Und wenn ihre Beerlein ſich ründen,
Dann leuchtet es weit und breit,
Und krachende Böller verkünden
Der .Ceſe lokende Zeit.
Zu Saarburg ſprachen früher
Die Fürſten gerne ein.
Herr Balduin von Trier
Hielt viel von Jagd und Wein.
Und Rat und Ritterlein lobten
Das Wunder der ſonnigen Lei;
Sie lobten mand' Wachstum und
probten
Und ſchwangen die Humpen dabei.
So hat man ſich vertrieben
Derzeit ſjH<on Grill' und Weh
Der Saarwein iſt geblieben,
Derlt herrlicher, denn je.
In ſeinem friſchen Erleben
Wird Auge und Herz uns klar --
Gott ſhirme die wonnigen
Reben
Der Heimat am Strande der
Saar!
Albert Korn, Saarbrüden.
Saarheimatgruß.
Uickende Halme am Wieſenhang,
Schwellender Saaten Gebreite,
Wipfel darüber im Knoſpendrang
Schenken uns Wandergeleite.
Stätten der Arbeit im Wälderkranz
Brauſen gen Himmel Choräle.
Burgen und Städt<hen im Morgenglanz
Füllen mit Sonne die Seele.
Reben an ſonniger S<ieferwand,
Strombett in Rauſch und Blüten:
Saarland, mein liebli<es Heimatland,
Mlöge dich Gott behüten!
Albert Korn, Saarbrücken,
Möge das deutſche Dolk fortfahren, im Gedanken an Daterland und Zukunft
perſönlichen und politiſchen Streit zu überwinden und zu unterdrücken. Dann wird
unſerem ſchwer geprüften Dolke Geſundung und eine beſſere Zukunft beſchieden
jein, an die ich mit Ihnen unerſchütterlich glaube.“
Hindenburg. (Beim Ueujahrsempfang der diplomatiſchen Dertretungen. 1. Ian. 1929.)
"
Saarkaſender für das Toahr 1930
"Z;ärs oder Lenzmond 1930
Uimmeh lang, dann ſingt de Lerd)'
Iwwern deitſ<he Winterbera.
9. WoHe I|Dat.|
Samstag | 1
10. Woche |Dat.] 11. Woche |Dat] 12 Wode |Dat] 13. Woche |Dat.| 14. Woche |Dat
Sonntag
I
ded
Sonntag
3
Sonntag
16
Sonntaq
23
SonntagS | 30
Montag
3
Montag
10|
Montag
17
Montag
24
Montag
31
Dienstag
FSaſtnacht
4
Dienstag
1:1
Dienstag
18
Dienstag
25
Mittwoch
| 5
Mittwoch
| 12
Mittwo< 19
Mittwoch
26
Donnerst.
6
Donnerst. 13
Donnerst.
20
in ds
Donnerst. | 27
Sreitag
Eg
LIT
Sreitag & 14
Sreitag
21
Sreitag
28
Samstag ) | 8
Samstag | 15]
Samstag (( | 22
Samstag 29
Berufe.
Es iſt ſehr intereſſant, die einzelnen Berufsgruppen einmal näher zu betrachten.
Gerade dieſe Zahlen ſind größtenteils unbekannt und bringen manche Ueberraſchung.
Wer hätte gedacht, daß im Saargebiet 416 Aerzte, davon 19 weiblichen Geſchlechts, den
Kranken zur Verfügung ſtehen? In Saarbrücken allein üben 127 Aerzte ihre Praxis aus.
Von den genannten 416 Aerzten ſind insgeſamt 78 Zahnärzte. Zu dieſen kommen als
Helfer der Zahnkranken noch 130 Dentiſten. Dieſer Beruf wird nur von 11 Frauen aus-
geübt. Das Saargebiet zählt 80 Apotheken, wovon auf Saarbrücken allein 16 entfallen.
Rechtsanwälte ſind im Saargebiet 68, Notare 21 zu zählen.
Das große Heer der Arbeiter und Angeſtellten im Saargebiet findet in folgenden
Privat- und Staatsbetrieben Beſchäftigung.
Gewerbe Angeſtellte Arbeiter Jnsgeſamt
Baugewerbe
Bekleidungsgewerbe
Brauereien
Chemiſche Induſtrie
Elektro-Induſtrie
Glasinduſtrie
Handel
Handwerk
Holzinduſtrie
Keraminduſtrie
Landwirtſchaft
Lederinduſtrie
Mühleninduſtrie
Nahrungsmittelinduſtrie
Papierinduſtrie
Schwerinduſtrie
Transportgewerbe
Weiterverarb. Eiſeninduſtrie
Bergbau
Staat5- und Gemeindebetriebe
9 235
1 853
1201
1 083
1480
2 470
14 613
9 523
1957
9012
2 798
326
324
2770
1279
36 810
2 338
16 560
63 026
11.482
19026 171112 190138
Saarkalender für das Jahr 1930
Ehre, Freiheit, Daterland!
„Im Saargebiet hat der Dölkerbund verſagt, Die ſchwere Mißwirtſ<haft der
Saarregierung hat unſere DYolksgenojſen zuſammengeſ<weißt. Es gibt keinen
deutſ<Gen Gau, wo dem Ankömmling das Uationalbewußtſein geſchloſſener und
oinheitliher entgegenſc<lägt.“
Graf Weſtarp.
(Aus jeiner Rede auf der Rhein- und Saartagung der
Deutſ<nationalen in Godesberg am 28. Okt. 1928.)
Der Feinde Haß, ihr dunkler Pakt, er rüſtet, ſinnt und ſchafft,
Daß ſich der Deutſche ohne Wehr mag jeder Ehr' begeben;
Uun ree ſich in's Himmelsli<t der Glaube an die eig ne Kraft,
Ein Wollen ſoll und ein Gefühl in allen Herzen leben!
Und feilſchen ſie um's Zaarrevier, ſo ſei es ewig unſer Ruhm:
„Kein Opfer dulden wir vom Reich!“ Ob au in tauſend Uöten,
Hier türmt ein neues Ehrenmal der Grenze altes Heldentum;
Sein Geiſt, der in uns lebt und webt, den können ſie nicht töten.
Es iſt der Heimat feſte Burg der deutſchen Seele heil'ge Mat,
Ihr könnt ſie nun und nimmermehr von ihrer Mutter trennen!
Den feſten Willen krönt der Sieg, und naht der Tag, der ihn gebracht,
Wird ſternenglei< die Treu der „Saar“ am deutſchen Himmel brennen.
AZ;
„Was uns am Saargebiet unvergleichlich höher ſteht als ſein materieller Reich-
tum, ſeine Wirtſ<aftsgüter und ſeine Technik, das ſind ſeine Menſ<en. Uur mit
Stolz können Deutſche von ihren Landsleuten an der Saar ſprechen . . .. Ihr
Denken und Fühlen iſt ſo rein deutſch geblieben, wie es im Laufe langer Jahr-
hunderte immer war. Im Gegenteil, das Bewußtſein, ein lebendiges, unlöSliches
Glied der deutſ<en Dolks- und Kulturgemeinſc<aft zu ſein, hat ſich, ſofern dies noh
wögli< war, in den Iahren der Derwaltungstrennung no gefeſtigt. Bei jeder
Gelegenheit iſt es ſpontan zum AuSdruck gelangt, am erhebendſten bei der JIahr-
tauſendfeier der Rheinlande im Iahre 1925. Die Deutſchen an der Saar haben ſelbſt
die beſte Widerlegung der einſtigen Behauptungen von einer „gemiſchten“ Bevöl-
kerung des Saarlandes geliefert.“
Reichsaußenminiſter Streſemann.
In der „Saarnummer“
der Zeitſ<rift des Derbandes Deutſcher Diplomingenieure
„Tehnik und Kultur“. Okt. 1928
Saarkalender für das Jahr 1939
April oder Öſtermond 1930
Im Saarneſ<d leiht e GugukSei,
Der Gugquck is no frech dabei.
14. Wo<He | Dat.
Dienstag
1
Mittwoch
I
iu
Donnerstag
-
-
Sreitag
4
Samstag
[ auf
4%
15. Wo<He
Sonntag J)
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
3
7
3
9
15
11
12
16. Wo<He
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwod
Donnerstag
Karfreitag
Samstag
| Dat.]
13
14
mf
15
16
117
18
' 19
17. Woche |Dat.
Oſterſonnt. ( | 20
Oſtermontag 21
Bi 17 4.
Dienstag
22
Mittwod
23
Donnerstag
24
Sreitag
25
Samstag
26
18. Wo<He | Dat
Sonntag
27
Montag S&
| 28
Dienstag
29
Mittwo<
"9
Das Gejdäftsleben.
1. Baubranche.
Acuvßerſt intereſſant iſt die Zählung und Sichtung der einzelnen Geſhäfts-
branden. Der beſſeren Ueberſicht wegen werden hier die einzelnen Branden in beſon-
dere Kategorien wie Baubranche, Lebensmittelbranc<e uſw. zuſammengefaßt. Die
Baubrande hat insgeſamt 664, wollen wir ſagen prominente Dertreter. Die kleinen
unbedeutenden Geſchäfte auf dem Land ſind überhaupt ſtatiſtiſQ nicht zu erfaſſen,
dami au iſt ihre Exiſtenz ſelten von langer Dauer. Do gibt es auh dort bekannte
Firmen, die ſelbſtverſtändlich mitgezählt wurden. Bei Betrachtung nachſtehender
Tabelle iſt es beinahe unverſtändlich, daß die Kalamität der Wohnungsnot nod) nicht
behoben iſt. Wir ſind aber mit dem Leſer der Ueberzeugung, daß die reſtloſe Be-
ſeitigung der Wohnungsnot nicht etwa von der Leiſtungsfähigkeit der Firmen,
ſondern von ganz anderen Urſachen abhängig iſt. Bier wie überall iſt's das
leidige Geld.
Saarbrücken
Siegeleien
Baumaterialiengroßhandlungen 9
Baumaterialienhandlungen 38
Bauunternehmungen
Bild- und Steinhauereien
3
1.8
Saargebiet Insgeſamt
7.4
Z9
16
90
328
128
426
yz
+ IL
55
497
664
STIEL...
m
. „x
Saarkalender für das Jahr 1930
Deutſcher Karfreitag.
„Selig, die da Heimweh haben,
Denn ſie kommen einſt na< Haus.“
Georg Oertel.
Gethſemane! Der Herr, er flehet im Gebet,
Und Gottes Liebe ſtrahlt in ſeines Leidens Stunden;
Des Ueberwinders Bild vor unſrer Seele ſteht,
Ein Hau< der Ewigkeit, o Haupt voll Blut und Wunden!
Am Kreuze Jeſus Chriſt mit letztem Seufzer ringt,
Es ſinkt das Haupt herab, verzeihend im Erblaſſen,
Dom Dornenblut umhau<ht, die dunkle Klage klingt'
Warum in meinem Weh haſt du mich Gott verlaſſen?
Die acht ſie weiht, er lebt, von Himmelsglanz umweht,
Ein Gottesgruß das Kreuz, das nie umfaßt vergebens,
Wo todeswund ein Herz um Hilf und Rettung fleht
Im wilden, wirren Kampf des leidumfloſſ'men Lebens.
Es ſank der deutſche Stern, die Sonne trüb und bleich,
Dod) heilig Leid erhebt, es löſet Wunſch und Wille;
Der du die Herzen lenkſt, wir bangen um das Reid,
So gib des Friedens Geiſt, ma<h' Seel' und Sinne ſtille
In deiner Liebe Macht laſſ' Hand in Hand uns geh'n,
Und was an Zwietracht lebt, an Bruderzwiſt, das töte.
Doran dur<4 Ua<ht zum Licht! Ein Wunder wird geſcheh'n:
Das deutſche Oſtern glüht in gold'ner Morgenröte.
A 57:
Das Streben na< Einheit iſt das ſchönſte Weihgeſ<enk der Wlenſchheit, ein
Gott, ein Daterland, ein Haus, eine Liebe. Und das Einheitsverlangen iſt das erſte
Sichſelbſtbewußtwerden eines beginnenden Dolks. Wo es noh ſ<lummert, kann
es immer neu geweckt werden durc; Uatur und Wahrheit, ohne Künſteln und
Gängeln. Zur Sonne ſ<wingt ſi; der Adler mit erhabenem Flug, auf der Erde
kriecht die Schlange in krummen Windungen, und die gerade Bahn iſt der kürzeſte
Weg zum Ziel. Sie heißt Teilnahme der einzelnen Staatsbürger am Wohl und Weh
des Ganzen, Entfernung der Abſonderung, Hinleiten zum Gemeinweſen.
Aus den „Denkmälern der Deutſchen Dichter-Gedähtnis-Stiftung“, Hamburg 1928
e
Saarkalender für das Jahr 19309
„Jai oder Wonnemond 1930
E WMaikips brumſert im Gebiſ,
Mir brumſern um e leere Tiſch.
18. WoHe | Dat.
Donnerst.
Sreitag
df
Samstag
9
19. Wod<e
Sonntaq
Montag >)
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
4
5
6
T
3
9
10
20 Wode
Sonntag
Montag 35
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
11
12
13
14
15
16
17
21. Wo<He 'Dat
22. Wodhe
Dat
Sonntaq
18
Sonntag
25
Montag
19
Montag
26
Dienstag C
20
Dienstag
27
Mittwoch
21
Mititwo<h & | 28
Donnerstag
22
Donnerstag 29
Thr. Himmelf.
Sreitag
23
Sreitag
30
Samstag
24
| Samstag
31
Das Geſcäftsleben.
2. Lebensmittelbrance.
Wir brauchen nicht zu hungern. Erſtens wächſt ſehr viel, und zweitens ſind
zahlreiche Geſchäfte der Lebens- und Genußmittelbran<e nur aus dem Grunde da,
um für unſer leibliches Wohl in beſter Weiſe zu ſorgen. Troß der ungeheuren Be-
völkerungsdic<te unſeres Saargebiets dürften die Geſchäfte dieſer Branche voll-
ſtändig genügen. Auch hier iſt dauernder Wandel die Regel. Uachſtehende Tabelle
vermittelt die neueſten Zahlen.
Cebensmittelgroßhandlungen
CLebensmittelhandlungen
Feinkoſt und Fiſche .
Eier, Butter uſw.
Candesprodukten-Groß- und Kleinhandlungen
Bäckereien
Konditoreien
WMeßgereien
110
2429
iz
260
909
975
175
611
Sdqade, daß nicht von allen dieſen Branc<en Derbrauhsangaben vorliegen.
Lediglic) der Fleiſ<verbrauc< und Zuckerverbraud iſt feſtgeſtellt, und es iſt gewiß
intereſſant, zu erfahren, daß pro Kopf der Bevölkerung umgerednet jeder Ein-
wohner des Saargebiets, ob Säugling, Greis oder UMuhme, im JIahr 112,5 Kilo
Fleiſch ißt und mit 20 Kilogramm Zucker verſucht, ſich das Leben zu verſüßen.
*
Saarkalender für das Jahr 1930
Die Wahrheit marſciert!
Die Ulationen ſind wie die ſchönen Frauen. Jede hält ſich für unwiderſtehlich.
Das iſt menſ<lich. Frankreich war alſo zu der Hoffnung berechtigt, die Herzen
der Saarbevölkerung zu erobern. I<h glaube jedoch, daß heute jedermann über
dieſen Punkt im klaren iſt. Armand Tharpentier-Paris,
Hod) will mein Schwert ich ſchwingen --
Mein Schwert, das iſt mein Wort --
Es ſoll die Luft dur<dringen
Und ſoll das Unrecht zwingen
Und Lug und Trug an jedem Ort!
Wie hat man do gelogen
Don dir, Land an der Saar,
Du ſei'ſt dem Feind gewogen,
Wo dod) ſtets unverbogen
Und gerade deine Treue war!
Biſt du nicht deutſcher Sitte
Allzeit getreuer Hort,
Spricht man in deiner VNlitte
In Jubel, Trauer, Bitte,
Uicht echtes, deutſches Wort?
„Geh hin und lerne kennen
Das Dolk dort an der Saar!
Du wirſt dic) glükli< nenncn,
Wenn du in Treue brennen
Die Herzen ſiehſt dort immerdar!“
Und du, du Cand der Treue,
Bleib ſtill, verzage nicht,
Sag' dir es ſtets aufs neue:
„Ob aud) der Feind ſie ſcheue,
Die Wahrheit kommt ans Licht!“
Studienrat Friedrich Shön, Pyrit in Pommern.
FERRE w?+-fSwenmmmeenmee
Die Reichsregierung betrachtet es als eine ihrer vornehmſten Aufgaben, die
Löſung der Saarfrage ſorgfältig nach allen Richtungen hin vorzubereiten mit dem
Siel, das Saargebiet entſprecßend dem klar bekundeten Willen ſeiner Bevölkerung
ungeteilt und ohne die geringſte territoriale Beſchneidung mit dem Daterlande
wicder zu vereinigen. Streſemann,
Saarkalender für das Jahr 1930
juni oder Noſenmotnd 1930
Das RöSsde blieht im ſh<eenſ<de Duft,
Wir han no< immer dicke Luft.
23. Wode | Dat.
Sonntag
Montag
„,
&
Dienstag )
Ed
er
Mittwod
A
Donnerstag
r-
| =
Sreitag
6
Samstag
"
4
24. Wod<e
Pfinaſtſonnt.
Pfingſtmont.
Dienstaq
Mittwoch >
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
3
9
10
(11
12
13
14
25. Wod<e
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwod
Donnerst. C
Sronleihnam
Sreitag
Samstag
| Dat. |
5
19
27
18
19
20
31
26. Woche
| Dat.
Sonntag
22
Montag
23
Dienstag
24
Mittwod
25
Donnerst. &
| 26
Sreitag
57
Samstag
28
27. Woche |Dat
Sonntag
29
Montag
30
(Gewerbe.
1. Alkohol.
Der Untertitel ſtimmt nic<t ganz und dody iſt er richtig. In nachſtehender Ta-
belle ſoll das alkoholproduzierende und -verkaufende Gewerbe dargeſtellt werden. --
Der Menſd) ſoll ni<t nur eſſen, er ſoll auch das Trinken nicht vergeſſen. Daß wir
au<h mal eins gehörig über den Durſt trinken können, dazu iſt uns reichlich Ge-
legenheit geboten. Im Saargebiet gibt es
Brauereien
Biergroßhandlungen
Bierniederlagen . .
Bierhandlungen
Reſtaurants und Gaſtwirtſchaften
Branntweinbrennereien
Wein- und Spirituoſenhandlungen
Weinſtuben .
18
52
312
66
2758
91
285
2
Daß die Gelegenheit, die hier in ſo überreichem Maße geboten, auch ausgenüßt
wird, iſt daraus zu erſehen, daß auf den Kopf der Bevölkerung jährlich 112,5 Liter
Bier und 1,2 Citer Branntwein kommen.
„Id) ahne eine Derjüngung des alten ehrwürdigen Deutſchen Reiches und 1n
dem Reiche ein Großvolk, das zur Unſterblichkeit in der Weltgeſchichte eine hehre
Bahn wandeln wird. Es wird ein anderes Zeitalter für Deutſchland kommen und
eine e<te Deutſ<heit wieder aufblühen!“ Friedrich Ludwig Jahn.
ZER Te
«a
"
Saarkalender für das Jahr 1939
Die Saargeier.
„Der Dölkerbund wird es nicht zugeben, daß die Saarländer, heute frei
und glückli<, in das deutſc<e Gefängnis zurückkehren müſſen, um dort als
unglükli<e nationale Minderheit behandelt zu werden.“
Bommelaer, Dizepräſident des Comite des Forges de la Sarre,
auf einer. Pariſer Derſammlung franzöſiſ<er Wirtſ<aftler.
Es ſchimmert der Saal, er gleißet und glänzt, Wir dulden nicht der „Saar“ Verhängnis,
PU Mane FR Mem mMn dropt das prtußiſhe Geſänmtist
X fi : as wär" für Frankreich ein Skandal,
Des Feſtmahls p. t. Publikum. Wo bliebe Freiheit und Moral!
Um blinkendes Gold, den Herrſcher der Welt, Sie fordern, daß vor Preußens Ketten
Sj. ihnen die Sanr das goeutoſeid. Die Welſchen dieſe Grenze retten.“
Seht der Wirtſchaft Machtfaktoren, ' : ;
Kriegsgewinnler, Senatoren, SEO Meukt m Cue Ni
Von England gar viel ſmarte Gäſte, -- Mein Freund, Senator Ordinaire
Sie ſind vereinigt bei dem Feſte, “ : : 0.
| ; : Iſt mir und Euch doh wohl Gewähr --
Allwo ſie zwiſchen Fiſch und Braten ; ;
Des Saargebietes „Glück“ beraten Au fa ſter Kit ihr aha es ſhon,
' „ ; ei feſter Kitt die Zollunion.
Und ſieh, ſchon naht von ungefä Und kein Franzoſe läßt ſich's träumen
Der De fon naht vor Rt Je dieſe Poſition zu räumen;
Und er erhebt ſich, ſohlt und kohlt Da können wir ſie kneifen, faſſen,
Der ſich ſo gut bei'uns erholt“ ! Es füllen ſich die welſchen Kaſſen,
Einer iſt's der Haſardeure, : Der reichen Saar viel goldner Kies
Das Clairon der Shwadroneure. vſt ſtets willkommen in Paris.
Hier machte er ſich ſehr „geſund“. Da iſt gloire uns unabwendlih, ;
Von welſcher Weisheit trieft ſein Mund: Und überdies, dann kommt ſie endlich,
. Us BVerkündet's alle weit und breit
„Der Völkerbund, ihm Preis und Dank Der Verſöhnung Herrlichkeit!“ ,
Sohl te am TET FEE Saat Da reckt ſich auf Herr Bommelaer
Der liebe Herrgott tauſend Jahr. Yon Schwindein und vom Weine ſchwer;
Wenn undankbar das Volk auch wimmert, S ! „Wie ſpißen ſie die Ohren,
Das welſc<he Glück hat Genf gezimmert. Sie hören wie im Traum verloren
Wir fühlen uns als Herr im Haus, Als Schluß der ſchönen Melodie: “
Und mit dem Deutſchtum iſt es aus! „Die Saar ſei Frankreichs Kolonie!
Wie auch das Saarvolk drüben tobt, Für ſolche Rede ſelbſtverſtändlich
Der Völkerbund ſei hochgelobt, Zeigt ſich die Runde ſehr erkenntlich;
Wie Jahves würdige Propheten Die Worte haben wohlgetan,
Mit Harfen, Pauken und Trompeten!“ Der Beifall brauſt wie ein Orkan.
N 0 ISTt Die Kunſt, das Recht in Unrecht fälſchen,
Für oldie Fede ſelbſtverſtändli<h Das ſcheint mir der esprit der Welſchen;
3 g ſich ie Runde ſehr erkenntlich; Das Herz tief unten in den Hoſen
Reh ERN Ai 2 Wem iſt es eigen? Den Franzoſen!
Die Worte haben wohlgetan, Vom Frieden ſchwätzen und Verſöhnen
Der Beifall brauſt wie ein Orkan, 0 mi der, Tat das NR ER Erne pennen!
rx zu! randenden ahren
Gedankenvoll, die Stirn gerunzelt, Wohlan, wir wollen's treu bewahren.
Zi June kreuzvergnügt geſchmunzelt, Hier lebt ein ſtolzes, de n ſchr 5
üllt weiter er in eitel Dunſt , . | H
Die Gäſte durch der Rede Kunſt: Mithartem, zähem Kämpfermut.
zDas Voik der herrlichen Gloire, Drummerkedir's, Herr Bomme-
ie's edelmütig immer war; aer,
Es kann es über's Herz nicht bringen, Ihr packt es nun und nimmer-
Der Deutſchen Plan darf nicht gelingen; : mehr.
Die „Saar“ will heim, zum Reich zurück, AlsChHhorauſ<tobdeinesFalles
Wir ſchüßen ihres Volkes Glück; Einbrauſend: Deutſchland über
Mon Dieu! Mit Schaudern denk' ich dran, alles!
Der Trikolore braver Mann, AZ.
Saarkolender für das Jahr 1930
Juli oder Heumond 1930
Bloß gutt, daß mir e Bahnſhuß han,
Sunſ<d hätt' mir kei mehr Eiſenbahn
27. Wod<e | Dat.
Dienstag
Mittwoch
2
Donnerst. )
„F
Sreitag
3
Samstag
5
28. Wode
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerst.(&)
Sreitag
Samstag
Dat.
6
7
3
9
10
11
12
29 Wode
| Dat. |
Sonntaq
13
Montag
14
Dienstag
15
Mittwoch
16
Donnerstag
17
Sreitag
18
Samstag ( | 19
30. Wode
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwod
Donnerstag
Sreitag SG
Samstag
| Dat
20
21
22
23
| 24
| 25
(26
31. Woche
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
| Dat
27
28
' 29
30
(31
Induſtrie.
a) Bergbau.
Die Grundlage der ſaarländiſchen Induſtrie bildet der Bergbau.
Die Preußiſ<-fiskaliſ<en Gruben zählten im Jahre 1816 eine Geſamtbeleg-
j<aft von 917 Mann, welche eine Förderung von etwas über 100 000 Tonnen
leiſteten. Der ſtärkſte Aufſ<wung des Saarbergbaus fällt in die Zeit zwiſchen 1880
und 1910, der Zeit des allgemeinen induſtriellen Aufbaus in Deutſchland. Im Jahre
1880 wurden im Saarbergbau 23 140 Mann (Förderung 5 200 000 Tonnen), im
Jahre 1910 bereits 53 000 Mann (Förderung 11 716 000) beſchäftigt. Innerhalb
30 Jahren iſt die Belegſchaft um genau 30 000 Mann, die geförderte Kohlenmenge
um 6 516 000 Tonnen geſtiegen.
Der unglükli<e Ausgang des Krieges brachte uns die Uebereignung der
Kohlengruben an den franzöſiſ<en Staat. Seit der Uebernahme der Gruben durc)
die Franzoſen iſt bis zum Jahre 1926 ſowohl die Förderung wie au< die Beleg-
ſ<aft dauernd geſtiegen. Den Hödſtſtand erreichte die Förderziffer im Iahre 1924
mit 14032 118 Tonnen bei 74 138 Arbeitern. Dur<h eine re<t unglückliche Der-
kaufstaktik haben die Franzoſen den größten Teil des deutſchen Abſaßmarktes
eingebüßt. So mußte, wie zu erwarten war, auh die Förderung wieder einge-
ſ<ränkt werden. Zurzeit weiſt der Bergbau bei einer Belegſchaft von 59 757 Ar-
beitern eine Förderung von 13 106 718 Tonnen Kohlen auf. Die Koksproduktion be-
trug im Jahr 1928 rund 267 400 Tonnen. Gegenüber dem Hödſtſtand von 1924
werden heute genau 14 421 Arbeiter im Saarberabau weniger beſchäftigt, troßdem
iſt die Förderung nicht weſentlich geringer. Derbeſſerung der Abbaumethoden ſowie
ein raffiniert ausgedahtes Antreiberſyſtem ſteigerten die TagesSleiſtung des
einzelnen Arbeiters ganz gewaltig.
ku
= =i
Saarkalender für das Jahr 1930
öu Hilfe!
Erlaubt die Frage inhaltsſ<wer:
Wie ſteht es mit dem Militär?
Wir wären es ſo gerne los,
Es ſiht vergnügt in Saarlands S<hoß
Als Bahnſ<uß nur, nanu, verdammt!
Do< ſo zu ſagen: Ehrenamt!
Wir danken ſc<ön für ſol<& Pläſir,
Uun ſagt mir bloß, was will es hier?
AZ;
Uanu! jeßt hats aber Dreizehn geſchlagen,
Jeßt, wo die Bahnſ<hußherrſchaften es wagen
Die Frauen im Saarland als Freiwild betrachten,
Da wirds höd<ſte Zeit, ſie na< Haus zu verfrachten
Das wird mit den Herrſchaften hier immer bunter
Und ſchließlich, da iſt das wahrhaftig kein Wunder,
Denn wenn man jahraus, jahrein müßig muß gehen
Soll das ſolchen Ceuten den Kopf nicht verdrehen?
Sie haben denn au<h ſchon mand< Gaſtſpiel gegeben
Was mußten wir hier nicht ſhon alles erleben?
Wenn's ihnen beliebte, mit Siegerallüren
Sid) freimütig bei uns aufzuführen.
Und niemand vermag uns vor ihnen zu ſhüßen.
Daß wer dazu da iſt, was kann es uns nüßen,
Wenn ſich keine Hilfe von dorten will zeigen.
Man hört leider nichts. -- Der Reſt, der iſt Schweigen!
Was nun? ſo frägt jeder ſich heute mit Shaudern
Id) denke, da gilt es nicht lang mehr zu zaudern,
Wir werden, wie ſchon einmal, an das Gewiſſen
Der Dölker der Erde uns hinwenden müſſen,
Wie damals der Ruf an die Dölker tat frommen,
So wird uns au heute von da Hilfe kommen.
Die Herrſ<aften mögen ſich drehen und wenden
Es wird die Dernunft dieſen Zuſtand beenden!
Friß Kühner, Saarbrüden,
Herausgeber des humoriſtiſch-ſatiriſ<en Wodenblatts „„Saar-Großſtadtbrille“,
ſehr aufmerkſam geleſenes und auch bezügli< der Zahl und Dauer der Derbote
von den fremden Machthabern am meiſten ausgezeichnetes Blatt im Saargebtet.
"
Saarkalender für vas Jahr 1930
Nouoauſt oder Erntemow9 1930
De Sunn brennt Blohdere uff de Sohle,
Unn im Warndt ſtrippt man ſich Kohle.
31. Wode |Dat.
Sreitag )
1
Samstag
2
32. Woe |Dat.|
Sonntag
rm
«7
Montag
5
Dienstag
5
Mittwoh
| 6
Donnerst.
| 7
Sreitag
8
Samstag)| 9
33. Woche |Dat.|] 34. Woe |Dat.] 35. Woche |Dat.|] 36. Woe |Dat
Sonntag
10
11
Sonntag C
17
Sonntag 24
Sonntag ) | 31
Montag
M.»
+4
Montag
18
Montag
25
Dienstag | 12
Dienstag
19
| 26
Mittwod | 27
Mittwo<h | 13
Mittwoch
[.20
Donnerst. 14
Donnerst.
27
Donnerst, | 28
Sreitag
15
Sreitag
22
29
Samstag | 30
Samstag |16
Samstag
123
Induſtrie.
Berabau. Der Beramann.
Für die Bodenſtändigkeit des Saarbergmanns und die Liebe zur heimatlichen
ShHojJie zeugt am beſten, daß rund 23 000 Bergleute HauSeigentümer ſind, die dazu
auh meiſt noh LAeker und Wieſen beſizßen. Den prozentual ſtärkſten Anteil an
Bergarbeitern ſtellt der Kreis Ottweiler mit 14,09 Prozent, dichtauf folgt der
Landkreis Saarbrücken mit 11,97 Prozent. Das größte Bergmannsdorf im Saar-
gebiet iſt Dudweiler mit 2700 Knappen bei 25 000 Einwohnern, dann folgt Pütt-
lingen, Ueunkir<en, Elversberg, Sulzbach, Quierſchied, Bildſtok, Heiligenwald,
Spieſen, Altenwald, Merdweiler, Wiebelskir<hen, Friedrichsthal und Sdiffweiler.
Insgeſamt ernährt der Saarbergbau mit den direkten Angehörigen der Bergleute
ungefähr 142 000 Perſonen.
Das Märchen von den 150 000 Saarfranzoſen wird am ſc<lagendſten dur< die
Hationolität der im Saarbergbau beſchäftigten Bergleute widerlegt, denn von der
Geſamtbelegſ<haft ſind geboren (1927):
im Saargebiet in Deutſchland in Frankreich in ſonſt. Ländern
58 000 10 900 495 143
Da im Saargebiet vor dem Krieg keine Franzoſen geboren wurden (was jeßt leider
niht zu verhindern iſt), ſo bleibt nur feſtzuſtellen, daß die wenigen hier als Berg-
leute beſchäftigten Franzoſen einen derart geringen Bruchteil gegenüber der Ge-
ſamtbelegſc<haft darſtellen, daß wir dieſe, ſelbſt bei außerordentliher Fruchtbarkeit,
in die große Abrechnung von 1935 nicht einzubeziehen brauchen.
&
„=
Saarkalender für das Jahr 1930
Der Schulkampf im Saargebiet.
„Hab Acht, uns drohen üble Streich'!“
Rich. Wagner (Hans Sachs in den „Meiſterſingern“.)
Da waren ſie zunächſt betreten.
(Auf ſie führt unſrer Frage Spur,
Das Bergamt iſt der Erbe nur.)
Es drängt Paris: Befehl allein
Kann hier noh unſer Retter ſein!
Da ſpielt man Doktor Eiſenbart,
Kuriert nach welſcher Eigenart.
Man geht an's Werk, der Bogen klirrt,
Der Pfeil auf unſ're Jugend ſchwirrt.
Die Schule ſoll franzöſiſch plappern,
Damit die welſchen Mühlen klappern.
Da macht der doofen Welt man
klar:
„Es lebt ein Miſchvolk ':an“ der
Saar!“
Esiſt der ganzenUebung Zweck,
Sie wollen nie mehr von uns
weg.
Der Jugend gilt der Sturm, der wilde,
Im kranken Völkerbundsgebilde;
Der deutſchen Schule Geiſt und Sinn,
Sie welſch zu färben, welch' Gewinn!
Verſailles hat es ſo ſchön ſerviert:
„Die Sprach und Shul iſt garan-
tiert!“
'So feſt man dies dereinſt verſprochen,
Vergeſſen iſt es und gebrochen.
Das Saarſtatut ruht irgendwo
Im hohen Miniſterio.
Das Ding hat längſt ein großes Loch,
Indes, zu Recht beſteht es noch.
Wir klagen laut die Treuhand an,
Bei Gott, ſie hat nicht wohlgetan;
Die Schule rief, doh kurz und fix,
Aus ihrem Schutze wurde nix!
Die Jugend hat, wie allbekannt,
Des Landes Zukunft in der Hand.
Der Franke ruft: „Ein neu Geſchlecht
I< ſchaff" es hier, mit Macht geht Recht!
Ih fälſch' der Schüler weiche Seele,
Damit am Ende gar nichts fehle.
Nicht deutſ<hſei dies Gebiet
allein,
3wei Sprachen ſollen heimiſch
fein.
Das geht mit Dampf, man ſieht im Nu
Das Saarland voller „Parlezvous“.
Ha, wie der Franken Hafer blüht,
Wenn neuer Lug die Welt durchzieht:
„Dies Volkkann nur franzöſiſch
ſprechen
Und deutſ<ein wenig rade-
brechen!“
So blöd auch der Reklametrick,
Er drehte doh der „Saar“ den Strick.
Mit tauſend Federn wird gelogen
Die Wahrheit zehnmal umgebogen.
Vor Weh wird die Entente erblaſſen,
Und Frankreich nie die Saar verlaſſen.
Und ſchweigend ſäh' die ganze Welt
Am Volk das Unrecht nur um -- Geld.
Zehn Jahre ſchon, „lang, lang' iſt's her“,
Begann den Kampf das Militär,
Das kam zur Saar mit ſtolzem Hoffen
Und ſah bereits den Himmel offen,
Doh, als die Wahrheit ſie vernommen
Daß hier die Böſen und die Frommen
Zum alten deutſchen Herrgott beten,
Das Volk zerſchlug zu unſerm Glück
Der welſchen Schule Bühnenſtück.
Wohl fliegt noh tückiſch mancher Speer,
Wohl wogt der Kampf no<h hin und her;
Kein Druck iſt, den ſie nicht geübt,
Kein Zwang, der ihnen nicht beliebt,
Doch längſt iſt ihnen ſonnenklar:
In dieſer Suppe liegt ein Haar.
Im eiſenharten Grenzesſtamme,
Da lodert noh der Freiheit Flamme.
Wir haben kein Franzoſenblut,
Was in uns lebt, iſt deutſche Glut.
Sie ſehen da mit bangem Schrecken
Den Siegfriedsgeiſt empor ſich recken;
Ins Herz geſenkt, kann er nicht ſterben,
Der Franken Kunſt ihn nie verderben.
Als Licht in dunkle Zukunftsweiten
So wird er immer uns geleiten,
Ein jedes Herz trägt er empor,
Das Ehre nicht, noh ſich verlor.
Und keines Winters Strenge
kettet
Die “-Kn.oſpe, die am'Stamm:ge-
Hettets.
Die Jugend fällt euh nicht zum
Raube,
Sie hebt und'trägt Germanen*-
Glaube,
Und, wasſieauchbedrängenmag,
Sie blüht am deutſchen Früh-
lingstag. AZ
[
u
Saarkalender für das Jahr 1930
&-““ember oder Herb'ämond 1930
De ganze Welt voll Friedensgequaſſel
Bloß mir allähn ſin im Schlamaſſel.
36. Woche | Dat.
Montag
Dienstag
4
-..
Mittwoch
"
Donnerstag
|:
Sreitag
5
Samstag
6
37. Woche
Sonntag
Montag &*)
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
7
3
9
10
111
12
13
38. Wode
Sonntag
Montag C
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
14
15
156
17
18
159
20
39. Wo<he |Dat.|
Sonntag
.4 |
Montag G&G
22
Dienstag
23
Mittwo<
24
Donnerstag
25
Sreitag
25
|
Samstag
La
40. Wod<e
Sonntag
Montag )
Dienstag
| Dat
28
| 29
30
Handwerk.
Handwerk hat immer noh einen goldenen Boden. Tauſende finden im Hand-
werk Beſchäftigung und Derdienſt. Wenn au< die fortſ<reitende Dertruſtung der
Großbetriebe, die Mechaniſierung der bisher individuellen Arbeit dem Handwerk
immer mehr den Boden nimmt, ſo wird doh noh mand Wäſſerlein rinnen und mand)
Döglein geboren werden und ſingen, bis das Handwerk als ſol<hes im Großbetrieb
auſgegangen iſt. Gerade im Saargebiet, dem ausgeſprochenen Induſtriegebiet, hat
das Handwerk ſeine führende Stellung zu behaupten gewußt, wie nachſtehende
Tabelle zeigt: Maler, Anſtreicher, Tapezierer . . 573
Schreinereien 652
Shmiede . 297
Sqhuhmader 845
Friſeure . 576
Sd<loſſereien 254
Klempner, Inſtallateure
Sdneidereien
Damenſdneidereien
Uäherinnen .
Wenn man nidts Beſſeres an die Stelle zu ſeen weiß von etwas, was einem
nicht vollſtändig gefällt, jo tut man immer, meiner Ueberzeugung nach, beſſer, der
Sdqwerkraft der Ereigniſſe ihre Wirkung zu laſſen und die Sache einſtweilen ſo ZU
nehmen, wie ſie liegt. Bismard.
n
[IM
il
5 zi
Saarkalender für das Jahr 1930
Dem neuen Saarbund im Warndt.
„50 ſei doH höflic<!“ -- Höflic mit dem Pak?
Wit Seide näht man keinen groben Sad.
Goethe (Zahme Xenien, V.)
Im Warndt des deutſchen Geiſtes Waffen glänzen,
Der dort der Preußen Kohlen ſtiehlt,
Mit Dorn und Diſteln würd" er einſt bekränzen
Das tapfre Dolk, wenn er befiehlt.
Um bitt're Uot beſto<'ne Büttel ſchleichen,
Ob nicht der Troß dem Golde weit,
SAuf ihrer Stirne brennt das KainsSzeien,
Ihr glaubt, daß man die Hand eu<h reiht?
Eu ſpuckt ein jeder in's Geſicht,
Dergeßt es nicht!
Geſindel iſt es, deſſen Uarrenſ<h<ellen
Uod) keinen an der Saar betört,
Das heut der Grenze fern und dunklen Zellen
Auf's neu den Frankenſ<einen ſ<wört.
Im Bund mit ihm der Ulicum Siechen,
Die wurzellos ſich ſelbſt entmannt,
In Sklavendemut vor dem Welſchen kKriedhen,
In Haß und Bruderpein gebannt.
Ein Judas ſeid ihr deutſcher Pflicht,
Dergeßt es niht!
Wir ſeh'n den Warndt aus tauſend Wunden bluten
Durd) rauhen Werktags kargen Cohn;
Und doh, es flammt empor in heißen Gluten
Ein heilig Feuer, dem Derrat zum Hohn.
Dergebli< winkt das Geld in euren Händen,
Wo tapfer ſich der Knappe wehrt,
Im Wagen, Wollen und Dollenden
Den Wappenſd<ild der Heimat ehrt,
Es hilft ein Gott, wo Freiheit fit,
Dergeßt es niht!
Die Schande folget eurer Ruh im Grabe,
Das wild umkreiſt der Raben Scar;
Sie krähzt und ſchreit, ſie ju<t des Galgens Gabe,
Ein Redht, das ihr noh immer war.
Mit eurer Tat entweiht ihr noh im Sterben
Der Heimaterde kühlen Sdoß,
Und eure Kinder werden weinend erben
Des ehrvergeß'nen Daters Cos.
Die Hölle lohnt mit Hodgericht,
Dergeßt es niht!
1...
2.424:
„== 9
1. Nus
'
Saarkalender für das Jahr 1930
D&cicber ode* WVeinmond 1930
Mir ſin hier nicht in der Etapp,
Drum made mir ſo leicht nit ſchlapp.
40. WoHe | Dat.
Mittwoch
Donnerstag
3
ds
Sreitag
3
Samstag
a
41. Wodhe
Sonntag
Montag
Dienstag &)
Mittwod
Donnerstag
Sreitag
Samstag
| Dat.
5
6
7
8
9
10
TI
42. Woche
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch C
Donnerstag
Sreitag
Samstaqg
| Dat.
|
12
13
14
15
16
17
18
43. Woche
| Dat.
Sonntag
19
Montog
20
Dienstag & | 21
Mittwo<h
22
Donnerstag
23
Sreitag
24
Samstag
25
44, Wo<he | Dat
Sonntag
26
Montag
"27
Dienstag
| 28
Mittwo<h J) | 29
Donnerstag
| 30
Sreitag
|
Derkehr.
1. Eiſenbahn
Das Saargebiet beſikt ein ſehr dichtes Eiſenbahnneß. Im Iahre 1927 wurden
von den Zügen insgeſamt 6 391 109 Zugkilometer oder 269 842 987 Wagena<s-
kilometer gefahren. An den Fahrkartenſ<altern wurden insgeſamt 16 219 317
Fahrkarten ausgegeben. Im Güterverkehr wurden 22 233 177 Tonnen befördert.
2. Dot.
Die Poſt unterhält 234 Poſtanſtalten, Agenturen und Hilfsſtellen. Der Oeffent-
lichkeit ſtehen 865 Briefkaſten zur Derfügung. Im Poſtdienſt werden 2229 Beamte
und Angeſtellte beſchäftigt.
3. Kraftfahrzeugverkehr.
8644 Kraftfahrzeuge zählte das Saargebiet am 31. 12. 28. Hiervon entfallen auf
Perſonenwagen
Krafträder ;
Caſtkraftwagen
Spezialfahrzeuge
Einwohnerzahl und Kraftfahrzeuge zueinander in Beziehung geſetzt, ergeben, daß
auf je 90 Einwohner ein Kraftfahrzeug entfällt.
Freiheit iſt über Silber und Gold,
SpruH am Rathaus zu Baſel.
ir
-
Saarkalender für das Jahr 1930
-- <dühlh
Saarwaldwunder.
Size im Dämmerſd<ein
Im Wald allein.
Träume ſtill vor mich hin,
Froh, daß ich wieder zu Hauſe bin!
Plößlich raſ<helt's im dürren Laub,
Im Lichte leuchtet der Blätterſtaub,
Und vor mir rekt ſich, ſo hoh er kann,
Ein klein-winziger Wichtelmann.
„Uanu, du kleiner, wohin, woher?“
Der ſah ſich um und ſeufzte ſ<wer:
„Id bin ja nur ſo ein Wichtelzwerg
Und komme da aus dem tiefen Berg,
Wo ihr Menſ<en die Kohle grabt,
Da hab ic ſeit Iahren die Wache gehabt.
Id) habe die Knappen beſchirmt und beſhühßt,
Wenn das Wetter droht und das Feuer blißt.
Dod fröhlich paßte im immer auf,
Erſchallte ihr dankbarer Gruß: Glückauf!
„Aber,“ und da fing der kleine Mann
Gottsjämmerlih zu weinen an,
„Da ſind ſo böſe Menſchen gekommen,
Die haben mir alle Freude genommen.
Da fahren die Knappen unter Tag
So traurig, daß ic<'s nicht ſehen mag.
Sie tun ihre Pflicht, verdroſſen, geknickt,
Als ob eine ſ<were Caſt ſie drückt.
„Glückauf“, das haben ſie lange vergeſſen,
Sie ſprechen vom „Franken“ und ſprechen vom „Eſſen“,
Und öfter treff ich ſo man<hen Mann,
Der nicht mal deutſch verſtehen kann.
Du, lieber Venſ<, ich bin ſo betrübt,
Weil alles das tot iſt, was ich geliebt.
Einſt ſang iM dem Heuer zur Arbeit die Lieder,
Wann kommen die glücklihen Zeiten wieder?“
Da hab' ic dem Wihtelmännden geſagt:
„Hiht lange mehr iſt's, bis wieder es tagt,
Und hörſt du unten den Jubelſhrei,
So wiſſe, wir oben ſind wieder frei,
Und dann wird alles wie früher werden,
Dann iſt an der Saar au „Frieden auf Erden!“
Friß Bartels-Hamburg,
LL
I
y
Saarkalender für das Jahr 1930
Nevember oder Windmond 1930
Shwäßt nure nix vun liberte,
Wo Herrgott is das Portmonneh
44. Wo<he |Dat.| 45. Woche |Dat
| 46. Woche |Dat.] 47. Woche |Dat.] 48. Woche |Dat| 49. Woche |Dat
Sonntag
2
Sonntag
9
10
Sonntag
1.16
117
Sonntaq
Totenfeſt )
23
24
Sonntag
Advent
30
Montag
FPS
Montag
Montag
Montag
Dienstag
1 4
Dienstag
131
Dienstag
| 18
Mittwod
112
Mittwoch | 9
Mittwoch Zu
1 20
[25
| 26
Donnerst. | 27
Mittwo<h | 5
Donn. &)
6
Donn. C
1:13
Donn. &
Sreitag
14:7
Sreitag
(14
Sreitag
21
Sreitag )
| 28
Samstaq
Aller Heilig
SE,
aid
Samstag | 8
Samstag
| 15
Samstag
k'22
Samstag | 29
Unternehmerformen, Firmenbewegung.
Das geſchäftliche Leben bringt nicht nur Erfolge und hohe Dividenden, ſondern
auh -- Konkurſe. Dod) ſoll, wie man des öfteren hört, auch der Konkurs mandmal
nod) ein gutes Geſchäft ſein. In den meiſten Fällen wird dies aber wohl nicht der
Fall ſein. Es ſei in nac<ßſtehender Tabelle dargeſtellt, wie ſich das geſchäftliche Auf
und Ab im Saargebiet entwickelte.
Ueueintragungen von Firmen
Cöſ<ungen
Konkurſe
Im Saargebiet befinden ſich rund 230 Aktiengeſellſ<aften. Auch das Genoſſen-
j<aftsweſen iſt im Saargebiet ſehr ſtark vertreten, zählen wir doh insgeſamt 375
Genoſſenſ|<aften, und zwar:
Kreditgenoſſenſ<aften
Wareneinkaufsgenoſſenſ<aften
Werksgenoſſenſ<haften .
Genoſſenſ<. 3. Beſchaffung von UMaſchinen
Produktionsgenoſſenſ<aften . .
Konſumgenoſſenſhaften . .
Wohnungs- und Baugenoſſenſc<haften
Sonſtige Genoſſenſchaften
222
R
u
„Aus dem Leid wuchs immer des deutſchen Dolkes höchſte Kraft.“
v. Hindenburg.
g
€
Saarkalender für das Jahr 1930
Ae Eiladung.
Ae Gewitter, deß wär doh ä Glanzidee,
Unn ih glaab, ſell mißt uns aa<h glike,
Die Deleſ<ierte vum Delkerbund, --
Zu lootſe noo< Saarbrice.
Do kennte die Herre an Ort unn Sdtell
Sich betrachte die ganz Beſcherung:
Deß wär doh unner uns geſaht,
Die änzig richtig Belehrung.
Unn wann ſe hunn alles geſiehn und gehort,
Do kennte ſe werklich endede,
Daß deß Saargebiet -- ehr WMißgeburt --
Schä langſam duht verrede.
Drum miße ſe bei de Ankunft in Genf,
-- -- Tage -- unn beſchließe ſogleich:
Deß Saargebiet muß widder häm,
Sofort zum Deitſhe Reid.
Iß deß dann geſ<ehe, ſo ſag' m'rn ſchä Dank,
Unn ih bin als Pälzer ſo frei,
Unn lad" de ganze Delkerbund,
Uff de Derkemer Worſ<dmark mol ei.
Pälzer S<orſch.
Flughafen St. Arnual,
Aufnahme von Plax Went
uur
n
'
Saatkaolender für das Jahr 1930
Dezember oder Thriſtmond 1930
Die ſollen 's Elſaß erſchd verdaue
Un dann es Saarland welle klaue
49. Wo<he | Dat.
Montag
1
Dienstag
7"y
it
Mittwoch
„.
«J
Donnerstag
A
Sreitag
5
Samstag (5)
H
50. Wo<e | Dat.
Sonntag
Du 5
Montag
3
=
Dienstag
3
Mittwo<
15
Donnerstag
11
Sreitag C
12
Samstag
13
51. Woche |Dat.|
Sonntag
14
Montag
15
Dienstag
19
Mittwoch
7
Donnerstag
13
Sreitag
19
Samstag & | 20
52. Wo<he
| Dat.|
Sonntag
21
Montag
22
Dienstaq
23
Mittwoch
24
HI. Chriſtfeſt 25
Sreitag
2. Weihnachtstag
a
3
Samstag
Sicy
53. Wo<he |Dat
Sonntag )
28
Montag
29
Dienstag
30
Mittwod
Silveſter
A
Derbrau.
Tabak.
Man kann mit größter Sicherheit behaupten, daß faſt jeder Mann irgend
etwas, ſei es Zigarre, Pfeife oder Zigarette raucht. Selbſt kleine Buben verſuhens
mand<mal. Und ſeit das Rauchen auch bei den Damen UWMode geworden iſt, iſt es
den Aktionären dieſer Brande etwas wohler geworden.
An Tabakwaren werden im Saargebiet jährlich verbraucht:
Sigarren
Zigaretten
Seinſhnitt
Dfeifentabak
2
g&
'%*
34 510 211
571 960 300
bezw. kg
5 281
6 252
Dro Kopf der
Bevölkerung
44 Stü
728 Stü
0,671 kg
0,795 kg
Unſere Brüder, die nicht mit uns in einem Staate vereint ſind, leiden die
ſ<werſte lot und kämpfen den härteſten Kampf. Wenn ſie ausharren in dieſem
Kampfe, werden ſie Dorbilder für alle Deutſchen werden. Sie ſind nicht dem Deutſch-
tum veroren, ſie ſind von der Geſchichte berufen, unſere Erzieher zu werden.
Profeſſor Ernſt Horneffer (Gießen);
Saarkalender für das Jahr 1930
Saarlands Weihnacht.
„Die religiös-ſittlihe Erneuerung iſt die
Deutſ<lands KEufſtieg zu alter Kraft und Blüte.“
Grundbedingung für
Profeſſor Zierer.
O wunderſame, heil'ge Uacht,
Wenn unſrer Seele tiefes Sehnen,
Dom Kerzenſ<immer hell entfaht,
Zu Gott im Himmel greift in Tränen.
Marien Kindes Lichtgeſtalt
Umrauſht der Weihnacht traute Weiſe
Und zieht mit holder Allgewalt
Uns himmelan in ſel'ge Kreiſe.
Wie Heilandsroſen unterm Sdnee
Im Blütengruß vom Lenze ſingen,
Soll uns in düſterm Weltenweh
Des Heiles frohe Botſchaft klingen
Es kündet uns der Kerzen Lit:
Des Ceides Dunkel geht zu Ende,
Dertrauet nur, verzaget nicht,
Daß Gott au uns den Heiland ſende.
Er iſt es, der empor uns reißt,
Caßt dieſe Kraft uns halten,
Sie hebt und trägt den deutſchen Geiſt,
Und Gottes iſt ihr Walten.
Das deutſ<e Hoffen iſt erwacht
Im Sang von Engelsdören;
O wunderſame, heil'ge Uacht,
Herr Gott, dein iſt's Erhören!
A
Ein
1“
/
Wenn vergangene Geſchlechter zuweilen mit unbegreiflicher Sorgloſigkeit den
Kampf deutſcher Dolksgenoſſen um ihr Deutſchtum unbeachtet ließen, ſo hat das
Ceid der Gegenwart alle Deutſchen in und außer den Reichsgrenzen ihre Sc<hidſals-
verbundenheit erkennen gelehrt. Profeſſor Dr. Hans Cießmann (Berlin).
4]
Landſchaftsbild aus dem bedrängten Warndt.
Aufnahme von Ulax Wenk.
Der kluge Hans. Die Mutter macht ihrem gelehrigen Sprößling die Begriffe lahm
blind, taub uſw. klar und exerziert ſodann mit ihm. „Was iſt der, der nicht ſehen kann?“
„Blind.“ Und wer nicht gehen kann? „Lahm.“ „Na, und der nicht hören kann?“ „Un:
gezogen,“ iſt die prompte Antwort.
/
ain
468
--
', a
be
===
Lk
“nn
-
|
5
SAU
*
€
y
ß
Tian
!
FERNSPRECHER:; 4, 3501-3505
POSTSCHECKKONTO : KÖLN 325,
FRANKFURT A.M. 25325 SAARBRÜCKTN 22
AALEN INS
4
2 .** uSEZITR+39
2 NR. 3509, 3510 UND 3511
. . Xt :XK. NTEN:
LUDWIGSHAFEN 852, SAARBRÜCKEN 77
NEL
F
">-JIEN AM PER SAAR
- NUM R 3041, 3042, 3043
PUSTICHEUKKUNTEN : KOULN 99386. SAARBRÜCKEN 3040
HOMBURG “(35AARGEBIET)
FERNSPR2- HER 92 UND 93
POSTS. AEIKKYINTEN:
LUDWIGSHAFEN 85066, SAARBRÜCKEN 339%
ILLINGEN (SAARGEBIET?)
FERNSPRFTHFR NR. 81 "IND 82
POSTSCHECKKUNTEN : KULN 108740. SAARBRÜCKEN 3965
LEBAS:
FERNSPRFCHER NR. 94
POSTSCUHEUKKONTO SAARBRÜCKEN NR.5591
<«5S A A R?)
G. F. GROHE-HENRICH
NEUSTADT A. D. HAARDT
PIRMASENS / MUNCHEN
Fg"
vr
wu
k
2“
Wk
(Fc2n
%
Ln.
UE
1 ANKE. Iba vv IN „> 8 at
Vom. Ludwigsgymnaſium. Prof. Dr. Sh-r. war wegen ſeines ätzenden Spottes ge-
fürchtel Er trifft einen alten Schüler: „Nun, mein Lieber, aus Jhrer Familie waren doch
drei Brüder auf dem Gymnaſium?“ „Ja, Herr Profeſſor, zwei intelligente, und mich, dern
dritten, nannten ſie ſtets einen perfekten Dummkopf.“ Prof. Sh--r. ſchmunzelnd: „Nun,
ſagen Sie mal, was iſt aus den beiden anderen aeworden?“
“
5
SA
DO
ME ANTA
RAL TIE N
EL... AEZ it.
FERUNGT-ANTAT
THIERC ARTNER uMBH,, BADEN Ba
FASENWERK KAISERSLAJYTE.
SAA. RÜCKEN 3
ROTENBERGSTRASSE NR; 21
07008
Al'gemeine
Sarnrtörücken
erd A
Teana 10
/
-»)
14
ie
EE
l
EE
Y
„4
Berſicherungs-Aktien-Geſellſchaft
Feuer-u,. Cinbruchdiebſtahl-Verſicherg.
Unfall- u. Haftpflicht -Verſicherungen
ie...
."."
Günſtige Prämienſäße - Höchſte De>ungsſummen
Raſche und kulante Chadensregulierung
Unverbindliche Offerte - Vertreter an allen Orten
“ge
"eumiſche Verſicherungs-Geſellſchaft dieſer Art im Saargebie!
RE
Saarkalender für das Jahr 1939
UHundſchau 1929.
Im weiten welſchen Blätterwald
Ein Cocken uns wie Hohn erſchallt,
Man ſ<reit in alle Welt hinaus:
„La France iſt Saarlands Daterhaus!
Es iſt der Deutſchen letter Trumpf
Beſtoh'ner Tumpe trüber Sumpf;
Diel Gelder werden dran geſeßt,
Es iſt das Reih, das ſchürt und heßt.
Das Dolk iſt glücklich, reich und frei
Durd) unſern Schuß vor „Tyrannei“!
Wir wiſſen auch, was wir ihm ſchulden,
Und werden's nie und nimmer dulden,
Daß welſ<er Grenze alte Eiche
Die Heimkehr finde zu dem Reihe!“
Ad), ſie ballern ganz enorm
Ob unſ'res Glückes neuer Form;
Sie fühlen ſ<on erreicht das Siel
Durd<h ſ<öner Worte buntes Spiel.
Wie malen ſie ein Gaukelbild
Dem „Sarrois“ ſo hold und mild.
Sie hören ſchon zu Frankreichs Ehre
Des Saarvolks flehend Miſerere:
„Es wird gar bald die Waffen ſenken
Dor unſ'rer Trikolore Shwenken
Und ſingt mit hoherhob'ner Uäſe,
Für uns entflammt, die Marſeillaiſe!“ --
Sie reden ſich die Lippe wund
Und leichthin kündet es der Mund:
„Mas ſ<erteu<h denn das Daterland,
So nehmt das Heil aus unſrer hand!“
Ein Glück, daß auh zu dieſer Zeit
Mitunter no<4 Dernunft gedeiht.
Ihr habt -- das ganze Saarland la<t --
Die Rechnung ohne Wirt gemadt.
Wie wenn ein Dold) ins Herz ſich bohre,
Iſt uns verhaßt die Trikolore.
Was ſ<windelt ihr von Saarlands Heil,
Ibr-wollt im nur das. Gegenteil.
us
Saarkalender für das Jahr 1930
ii
Die Phraſe rauſcht auf's neu empor
Und trägt uns dieſen Kantus vor:
„Was dient zu eurer Wirtſchaft beſten,
Das findet ihr allein im Weſten,
Drum bleibt mit uns im Zollverband
Als eurer Wohlfahrt Unterpfand.
Hod) wölbe ſich des Glückes Dom,
Wir wollen, daß ihr autonom
Und ſchenken eu<H ein Parlament,
Oder, was man do ſo nennt.
Regieren, das ma<ht nur Beſchwer,
So laßt's der Treuhand wie bisSher.
Und Genf breit' ſegnend ſeine Hand
Aud) ferner über Dolk und Land.“
Das iſt die neueſte Muſik
Der blau-weiß-roten Republik.
Sie kreiſchen wie ein Kakadu
Und ſ<wäßen ohne Raſt und Ruh,
Sie kohlen an die ganze Welt,
Um ſich zu ſichern -- unſer Geld.
Habt A<h<t! Sie weben ſ<on am Ueß,
Und ſinnen, wie man's Meſſer weß'!
Ein Glück, daß auh zu dieſer Zeit
Mitunter noM Dernunft gedeiht.
Franzoſenkünſte, das iſt klar,
Sie gieren nah der deutſchen Saar,
Die lebt in ihrer Phantaſie
Als welſ<e Beute-Kolonie.
Der Saarbohe mit dem ſteifen Rüden,
Er wird ſich nimmer vor eu< bücken,
Und-das erlebt ihrſic<her niht,
Daßrer dereinſt zu Frankreich ſpricht:
„Marianne. ich bin müd und.zahm,
I< küſſe Ihre Hand, Madame!“
L
1
ir
4
kL
kr ks
|
Saarkalender für das Jahr 1939
Zu neuem LCug der alte Senf,
Zu neuem Trug das alte Genf,
Das brachte Unheil Zug um Zug,
Don dieſem Segen iſt's genug,
Denn der Bedarf iſt, mit Reſpekt,
Durd< eure Treuhand längſt gedeckt.
Hört auf mit eurer Offenbarung,
Wir kennen ſie ja aus Erfahrung.
Dor der Franzoſen heißem LCieben
Iſt uns die Puſte weggeblieben.
Was jeßt ihr wollt, wir wiſſen's ſchon:
In Worten ſüß, die Taten Hohn!
Die Herrſ<aft an der Futterkrippe
ZSög bald um unſern Hals die Strippe
Erſt feſt und dann auf immer zu
Und Landesſ<ikſal -- Friedhofsruh.
Ein Glück, daß auc zu dieſer Zeit
Mitunter noh Dernunft gedeiht!
Geduld! Es hängen Uürnbergs Knaben
Uo< keinen, wenn ſie ihn nicht haben.
Wir ſingen eu<h kein Vliſerere,
Wir ſeßen tayfer uns zur Wehre;
Und was 4% 25 redet was ihrſhreibt
Die "“e.,l Ie Tiebe, dieunstreibt,
Denf:.'ſenfeſten deutſ<en Glauben
Kann“.ineCrdenmacGtunsrauben.
WaSSlei"“t, wie Sau<derHho<Hmuttriebe,
DaS iji Sie alte Heimatliebe,
WaSsunbeſiegbarſicherweiſt,
DaSiſtderfreie deutſ<e Geiſt!
Ihn ſc<<ließet in die Herzen ein,
Er ſoll der Seele Kleinod ſein.
Er ſprenget jede fremde Feſſel,
Erlöſt uns aus dem Hexenkeſſel,
Bis keiner mehr die „Saar“ bedrückt
Und uns der Freiheit Krone ſchmückt.
-
.d
Saarkalender für das Jahr 1930
Fe
EEE NEEE
Ein HRohlenlied aus dem Jahre 1865
Mitgeteilt von Prof. Dr. Fritz Kloevekorn.
In den Jahrzehnten nach 1815 haben die Franzoſen in Fortſezung ihrer Jahrhunderte
alten Rheinlandpolitik immer wieder verſucht, die Saargegend, die ſie in der Revolutions-
zeit gewaltſam annektiert hatten, in irgend einer Form ſich anzugliedern. Jedesmal,
wenn b«egehrliche Stimmen von Weſten her laut wurden, ſchallte es von der Saar mit
nicht mißzuverſtehender Deutlichkeit zurück: „Wir wollen nicht! Unſere Herzen ſchlagen
für Deutſchland!“ Beſonders kritiſche Jahre für die Bewohner der Saargegend waren die
ſechziger Jahre, als Napoleon Il. die Zeit gekommen glaubte, um ſeine Saarpolitik aus
der Sphäre politiſcher Kombinationen hinüberzuleiten in die politiſc<e Tat. Aber, je
unverblümter die franzöſiſchen Anſprüche auf die Saar in Reden, Preßartikeln und poli-
tiſ<en Broſchüren in die Erſcheinung traten, um ſo heftiger wurde in der Saargegend
der Widerſtand. Die Stadtverordneten von Saarbrücken und St. Johann betonten im
Jahre 1865 in einer Adreſſe an den König von Preußen aus Anlaß der 50. Wiederkehr
d2x preußiſchen Beſitzergreifung, daß dieſer Landesteil dem preußiſchen Staate einen
Zuwachs gebracht hat, der nicht nah Quadratmeilen, ſondern nach den unermeßlichen
Schäßern in der Tiefe und nah der Geſinnung der Bewohner zu bemeſſen ſei, deren höchſtes
Streben dahin gehe, auf dieſer Grenzmark eine feſte Stätte deutſcher Art und deutſcher
Sitte zu erhalten. Die Menſchen der Saargegend waren den Franzoſen höchſt gleichgültig,
ihr Intereſſs konzentrierte ſic auf die wirtſchaftliche Ausbeutung, vor allem der Kohlen-
gruben. In folgendem zeitgemäßen Kohlenlied, das nag der Melodie des bekannten
Becker'ſ<en Nheinliedes geſungen wurde, wurde in volkstümlicher, launiger Weiſe die
Ablehnung aller franzöſiſ<en Hoffnungen und Wünſche formuliert:
Sie ſollen es nicht haben
Das reiche Bergrevier,
Die anonymen Raben
Und Er, der gute Sir!
Sie können's nicht erſtreben
Das ſchöne Kohlenland,
Der König hat gegeben
Dafür ſein Wort zum Pfand.
So lang noh Preußens Knappen
Mit Glückauf fahren an,
Soll er es nicht erſchnappen
Der ſchlaue Frankenmann.
Sie können's nicht erſtreben
Das ſchöne Kohlenland,
Der König hat gegeben
Dafür ſein Wort zum Pfand.
Sie ſollen es nicht kriegen
Das ſc<öne Kohlenfeld,
Wir werden ſie beſiegen
Und brauchen nicht ihr Geld.
Sie können's nicht erſtreben
Das ſchöne Kohlenland,
Der König hat gegeben
Dafür ſein Wort zum Pfand.
So lang ein Schlägel ſchallend
Auf's harte Eiſen ſchlägt,
So lang das Flöz ſich knallend
Aus tiefem Schramm bewegt.
Sie können"s nicht erſtreben
Das ſchöne Kohlenland,
Der König hat gegeben
Dafür ſein Wort zum Pfand.
Sie dürfen ihn nicht haben
Den Sc<haßz am Saaresſtrand
Wir wollen ſelbſt dort graben,
Glück auf für's Vaterland!
Sie können's nicht erſtreben
Das ſchöne Kohlenland,
Der König hat gegeben
Dafür ſein Wort zum Pfand.
EITE“
en u ien
Saarkalender für das Jahr 1930
n= . jl
Zum Tode verurteilt!
Jakob Johannes, cin Schuldkonto des franz. Kriegsgerichts zu Saarbrücken.
Von A Z.
Herbſt 1919, Sturm fegt durch die Täler und Bergwälder des Saarreviers,
Sturm auch über die Herzen des vielgeprüften Landes. Es ſind die Tage des
ſpartakiſtiſchen Aufruhrs, voll von drückender, verwirrender Sorge. Sie ließen
für die Geſamtheit der ſaarländiſchen Bevölkerung die Affäre des Eiſenbahners
Johannes. ein für Frankreich beſchämendes ECreignis, faſt unbemerkt vor-
übergehen. Nicht in aufregender, rauher Kriegszeit, ſondern im Frieden wurde
di2 Tat begangen in einem Volk, das allerdings die galliſche Eitelkeit durc
ſtolze Abweiſung bitter enttäuſcht und gekränkt hatte. Wie einſt im Jahre 1793
zwei arme Bübinger Bauern von den Franzoſen zur Guillotine geſchleppt wur-
den, um Furcht und Schrecken zu verbreiten, ſo ging es auch diesmal nicht ohne
ein unſeliges Vorgehen ab. Nach der Tat
verlor man aber anſcheinend den Mut, ſie
vor aller Welt zu bekennen. Man erinnere
ſich, daß die Zeitungen gezwitngen waren,
jedes Urteil des Kriegsgerichtes zu ver-
öffentlichen, aber vergeblich ſucht man nach
der Tragödie vom 20. Oktober 1919.
Die Preſſe war geknebelt, ihrer Frei-
heit beraubt und troß ſtrengſter Vorzenſur
oft genug auf Tage und Wochen verboten.
Soweit ich mich erinnere, drangen damals
über den Fall Johannes in die mit Arbeit
und Sorgen aller Art überhäuften Redak-
tionen nur Gerüchte, die bald beſtätigt, bald
wieder als unwahr und erfunden bezeichnet
wurden. Die ſich überſtürzenden Ereigniſſe
politiſ<Ger und wirtſchaftlicher Art, eine
quälende Notzeit des Ganzen und des
Einzelnen, ließen eine bitter traurige An-
gelegenheit, die von den meiſten heute noch
angezweifelt wird, in den Hintergrund
treten und vergeſſen. Die Stinkbomben | |
aber, von Frankreich no<4 immer mit Vorliebe geſchleudert und jetzt von
Belgien geworfen: trieben mic<ß erneut zur ernſten Erkundung des auf-
regenden 3wiſchenſalles. Sie geſtaltete ſich zur Ehrenrettung eines Mannes,
der als tapferer Soldat den Krieg mit all ſeinen Schrecken vom erſten bis zum
letzten Tage ehrenvoll dur<kämpft und mir von ſeinen Kameraden als treu,
geloſſen und menſchenfreundlich geſchildert wird.
Jakob Johannes wurde unmittelbar nach dem Ausbruch des Weltkriege2s
als Erſatz-Reſerviſi bei dem Inf.-Rgt. 174 eingezogen und erhielt dort ſeine
kurze militäriſche Ausbildung. Er kam ſodann zu dem Regiment 166 und
kämpfte in vielen Schlachten an der Weſtfront bis 1917. Dann führte ihn ſein
Geſchick an die Oſtfront bis zum Ende des Kampfes 1918. Nad einer Ver-
wundung vers er. kaum hergeſtellt, wieder an die Front zurück; für ſein
tapferes Verhalten zeichnete ihn ſein Kommandeur mit dem Eiſernen Kreuze
aus. Und dieſen Kämpfer riß in der Heimat ein tragiſches Geſchick aus dem
Leben, ein Los, das uns in ſeinen Einzelheiten erſchüttert.
-.*
Saarkalender für das Jahr 1930
dme
Die nunmehr enthüllte Wahrheit ſoll hier reden, zeugen ohne Zorn und
Eifer. Sie erfüllt eine Ehrenpflicht gegen einen friedliebenden Mann, deſſen
Gedächtnis wir alle ho<halten wollen und werden.
Die düſteren Oktobertage des Jahres 1919 unſeligen Andenkens zogen
herauf. Die ſpartakiſtiſc<e Bewegung hatte auc< im Saargebiet nach not-
erfüllter Kriegszeit feſten Fuß gefaßt. Rauf- und raubluſtiges Geſindel ſah in
voller Zügelloſigkeit das Evangelium wahrer Freiheit, das es mit der Tat
ſofort beſiegelt zu ſehen wünſchte. Der Exnſt der Lage zeigte ſich am Abend
des 6. Oktober, an dem, ungehindert von der franzöſiſchen Beſatzung, von den
verwilderten Maſſen viele Geſchäfte geplündert wurden. Der Schaden ließ
ſich allein in Saarbrücken auf 7 Millionen Mark beziffern. Es iſt nicht anders,
es kann nicht anders ſein, eine ſeeliſche Krankheit, wie im Mittelalter der
Veitstanz hatte jene Maſſen gepackt, die von gewiſſenloſen und redegewandien
Agitatoren aufgehett, jedes menſ<lihe Gefühl eingebüßt hatten. Verſtändigen
Leuten iſt es unmöglich geweſen, die plündernden Rotten über das begangene
Verbrechen aufzuklären. Sie hielten ihre Raubzüge für ihr gutes, ſittlich
unanfechtbares Recht.
Dem Unheil zu ſteuern, erließ General Andlauer am 7. Oktober abends um
6.25 Uhr eine Proklamation, in der es u. a. heißt: „Seit 4 Uhr nachmittags
beſtehen Unruhen in den Straßen Saarbrückens und ſind verſchiedene Läden
geplündert worden. Um Ruhe und Ordnung aufreht zu erhalten, verhängt
der Oberſte Verwalter des Saargebietes zunächſt den Belagerungszuſtand über
das Sacirgebiet.“
An dieſem Abend ſitzt eine Geſel von aht jüngeren Leuten bei einem
Glaſe Bier in der Malſtatter Wirtſchaft „Zur Erholung“; unter ſeinen Freunden
auch der als harmlos und ruhig allen ſeinen Kollegen bekannte Eiſenbahner
Jakob Johannes. Jm Verlaufe der Unterhaltung in der Wirtsſtube zeigt
einer der Gäſte einen Revolver und erklärt deſſen Konſtruktion. Ein anderer
nimmt die Piſtole und feuert mit der Waffe einen Schuß in die Luft nach der
Hofſeite des Bebäudes. Kurz darauf erſcheint eine Patrouille von fünf
Marockkanern, glaubt ſich aber zum Eingreifen anſcheinend nicht zahlreich genug
und geht wieder, um Verſtärkung zu holen. Dieſe Zeit benutzen die Anweſenden,
aus dem Lokal zu verſchwinden, nur Johannes bleibt, da er ſich völlig unſchuldig
fühlt. Er holt den unter das Büfett geworfenen Revolver hervor und legt ihn
auf den Tiſch. Nach einer anderen Bekundung hatte Johannes, ſich nieder-
beugend, die foeben hervorgezogene, ungeladene Waffe noh in der Hand, und
ſo trifft in dieſem Augenblick den an der Schießerei völlig Unbeteiligten eine
zwölf Mann ſtarke Patrouille der Marokkaner. Troß ſeines Proteſtes wird
Johannes feſtgenommen und in das Arreſtlokal in der Alexanderſtraße ab-
geführt Dort feſſelt man den Aermſten mit Ketten und mißhandelt ihn ab-
dhjeulich in brutalſter Art.
Am nächſten Morgen (8. Oktober) ſteht er ſchon in der Dragonerkaſerne
vor dem Kriegsgericht und wird kurzer Hand, ohne daß auch nur ein deutſcher
Zeuge vernommen wird, zum Tode verurteilt.
Verleumdung, wenn auc allzu fadenſcheinig, muß, wie ſich ſpäter heraus-
ſtellt, herhalten, das Shreckenszurteil zu bemänteln. Ein dunkles Gerücht von
dem unvermuteten, unglaublich erſcheinenden Ausgang der Verhandlung dringt
zu den Arbeitskollegen des ſeeliſch und POLE Gemarterten. Sofort wird
von den aus dem Lokal geflüchteten Freunden des Verurteilten der wahre Sach-
verhalt klargelegt, worauf ſich ver Gewerkſchaftsſekretär Matthias Biehler
und der Bezirksleiter Fx itß Kuhnen bei dem Oberſten Verwalter des Saaxr-
gebieies, General Andlauer, melden laſſen. Sie klären ihn auf und bitten um
ufhebung des ungerechten Spruches ſowie um eine neue Verhandlung mit den
„fe
zien
Saarkalender für das Jahr 1930
deutſchen Zeugen des Vorganges. Andlauer zeigt ſich wohlwollend, verſpricht,
der Sache nachzugehen und git die beiden Arbeiterführer voller Hoffnung
auf eine glückliche und gerechte Wendung. Am 9. Oktober wird der Beſuch
wiederholt. Man hat in Erfahrung gebracht, daß das Kriegsminiſterium in
Paris das Urteil zu beſtätigen habe. Auf Grund des wahren Sachverhalts
erſuchen beide, unter Mithilfe des als menſc<henfreundlich bekannten Generals
einen Gnadenerlaß einzureichen. Andlauer erklärt, ſein Möglichſtes zu tun,
damit. das Todesurteil nicht vollſtreckt werde. Man möge den Erfolg ſeines
Schreibens abwarten, er werde Nachricht geben. Da bis zum 15. Oktober keine
Meldung eintrifft, erſcheint Biehler, beunruhigt, nochmals bei Andlauer, der ihm
mitteilt, daß bisher no< keine Antwort aus Paris eingetroffen ſei. Aud
Pfarrer Bengert aus Burbach bemüht ſich unabläſſig, den Unſchuldigen zu
retten. Es trifft auch inzwiſchen bei der Militärbehörde ein Schreiben des
unvorſichtigen Schützen ein, das die Vorgänge in der Gaſtſtube erklärt. Alles
vergebens! Ter raſende See will ſein Opfer haben.
Am 20. Oktober, abends 5 Uhr, wird dem Jnhaftierten die unmittelbar
bevorſtehende Vollſtreckung des Urteils angekündigt. Man bietet ihm Kognak
an, er verweigert die Annahme, ihm wird ein franzöſiſcher Geiſtlicher zugeführt,
den er zuräckiveiſt. Er bittet um einen deutſchen 'Pfarrer, und Dr. S<mli eilt
herbei. „Ih habe in meinem Leben manchen ſchweren Gang getan, aber Dies
war der ſchwerſte“, ſagt er ſpäter zum Bruder des Ermordeten. Der Geiſtiiche
findet Johannes gefaßt und ergeben. Mit wehem Herzen beten beide, dann
tröſtet der erſchütterte Seelſorger den Todgeweihten mit dem heiligen Sakra-
ment. Schon bricht der Herbſtabend herein, ein Laſtauto fährt in der Däm-
merung hinaus zum Schießplatz der Siebziger. Man ſieht auf dem Gefährt
Dr. Schlich und Jakob Johannes feſt Hand in Hand. Die Gefühlsroheit
der galliſchen Raſſe tritt auch hier wieder in Erſcheinung. Der Sarg wird auf
demſelben Wagen mitgeführt, ſo daß das Opfer ihn ehen muß. Welche Seelen-
qualen mögen noh ii dieſem Wege erduldet ſein! Eine Abteilung Marokkaner
und nicht weniger wie eine ganze Shwadron Kavallerie umgeben den traurigen
Zug, der den Schlageter Saarbrückens zum Tode hinausführt. Johannes bleibt
ſtandhaft bis zum letzten Augenblick. Die Franzoſen wollen ihm eine Binde
über die Augen legen, er reißt ſie weg mit den Worten:
I< bin unſ<huldig, ih bin ein deutſ<er Mann
und.kann furchtlos dem Tode ins Auge fehen!“
Die Schüſſe krachen, Johannes ſinkt lautlos zuſammen, ein edles Herz iſt grau-
jam vernichtet -zur höheren Ehre Frankreichs, das ſeiner Enttäuſchung und
ſeines Zornes nicht Herr werden kann, die ihm das Saarvolk entgegenträgt.
Kaum iſt das Echo der Salve im abendlichen Walde verhallt, da ſchleppen
auch ſchon auf einen Wink des Offiziers Marokkaner den Sarg herbei. Der
Erſc<oſſene wird hineingelegt und in eiliger Fahrt geht es vem Südfriedhof zu,
der bei voller Dunkelheit erreicht wird. Auch hier macht ſich wieder eine ſelt-
ſame Furcht der Franzoſen geltend. Das ganze Gelände iſt durc< Reiterei ab-
geſperrt, die, um die Sicherheit beſorgt, unruhig umhertrabt. Selbſt ein Panzerxr-
auto iſt erſchienen. Wehe dem, der ſich harmlos dem geheimnisvollen Zug
genähert hätte! Der Wärter wird gerufen. In einem umfangreichen Reihengrab
wird haſtig der Sarg herabgelaſſen, keine Erde bedeckt ihn, wie von Furien
gepeinigt, eilt ſoſort die ganze Kavalkade nac< Saarbrücken zurück.
- Am nächſten Morgen, wie man mir verſichert, erſcheint auf wenige Stunden
ein Anſchlag, wohl nur um Form und Vorſchrift zu genügen. Er iſt in dem
4
Saarkalender für das Jahr 1930
ee
damals unruhigen Leben nicht beachtet worden, nur ein Freund des Johannes
weiß darüber Auskunft zu geben, er hat den Wortlaut notiert:
Erſ<hoſſen wurde Jakob Johannes „wegen Mord-
verfüh an einer' franzöſiſchen Abteilung“.
Das iſt, wie aus dem ganzen Sachverhalt heruorpecht; eine Verleumdung,
ein Phantaſieprodukt typiſcher Franzoſenangſt. Tragiſc;) bleibt es, daß aus
militäriſchem Gehorſam der wohl unterrichtete General Andlauer, an deſſen
ehrenhafter Geſinnung nicht zu zweifeln iſt, mit ſeinem Namen hier die Ge-
walttat des Kriegsminiſteriums zu Paris deken muß.
Pin
No< am Abend des 20. Oktober erfahren die Geſchwiſter das Geſchick des
Bruders. In aller Frühe des nächſten Tages ſind ſie auf dem Friedhof und
umſtehen weinend die Grabſtätte im Anblick des ſchmuckloſen, von Erde noch
unbedeckten Sarges Während der Inhaftierung haben die Franzoſen ein
Wiederſehen jtets beharrlich, gefühllos und jen verweigert. Man will den
Bruder aber noch einmal jehen und Abſchied nehmen. Der Sargdeckel wird
emporgehoben, nur eine Schußwunde in der Nähe des Herzens wird ſichtbar.
Ein namenloſes Grauen erfaßt alle, denn der gange Körper iſt von Mißhand-
lungen entſetzlich zugerichtet, blutunterlaufen, mit Riſſen und Striemen bedeckt,
Löcher in den Armen, ein Bild unendlichen Jammers. Der kräftig gebaute
Mann innerhalb weniger Tage nur noch ein Skelett.
Eigenartig bleibt, daß ſich die Franzoſen weigern, einen Totenſchein aus-
uſtellen, der Kampf hierum dauert eine Woche. Ein Bruder des Jakob Johannes
keit als Andenken an den Verſtorbenen deſſen Uhr, die Franzoſen ſchweigen
verlegen, die Uhr iſt -- geſtohlen. Vertreter der Gewerkſchaften, unbekümmert
um Politiſche Richtungen, treten ſofort in der Stille zuſammen und beweiſen
dem ſo verhängnisvoll in die Franzoſenhände gefallenen Kameraden Treue und
4
m
Saarkalender für das Jahr 1930
liebevolles Gedenken. Einhellig werden die Mittel bereitgeſtellt für ein Einzel-
grab und einen künſtleriſchen Denkſtein. Ein ſchönes Denkmal iſt er zugleid)
für das Geſühl der Kameradſchaft unſerer Arbeiterkreiſe und ihren Gerechtig-
keitsſinn gegenüber Gewalt und Unrecht. Das im Bilde beigefügte Ehrenmal
trägt die Inſchrift:
„Gewidmet von den Arbeitskollegen der
Eiſenbahn-Hauptwerkſtätte Burbach.“
Ueberzeugt von der Unſchuld des ſo tragiſc<q grauſam geendeten Lebens
eines Saarländers, der vier lange, harte Jahre auf manchem Sdcladtfeld ge-
kämpft und gelitten hat, iſt es für uns alle eine Ehrenpflicht, das Andenken
des Getreuen zu bewahren. Wir grüßen in ſchmerzlicher Teilnahme ſein Grab,
das uns ſiumm und do ſo beredt erinnert, was unjer harrt an Unrecht und
Bitternis, wenn wir nicht das Letzte an die Erlangung unſerer Freiheit ſetzen.
Das Saarland wird und darf nicht vergeſſen, daß Jakob Johannes nach unſerem
Fühlen ein Opfer des Haſſes geworden iſt, der uns allen gilt.
Die Kugel, die dein Herz zerſchoß,
Es traf auch uns das welſche Blei;
Das Blut, das aus der Wunde floß,
Uns allen unvergeſſen ſei.
Wir denken dein, Getreuer du,
Mit grünem Lorbeer eilt herbei,
Und über deines Grabes Ruh'
Hör' klagend unſres Schmerzes Screi:
Herr. mach uns frei!“
Aufnahme von Max Wenß.
St. Ingbert beging im Sommer 1929 die Hundertjahrfeier der Verleihung des Stadtrechts.
c 1 "
Saarkalender für das Jahr 1930
u“
oo Jn u
Ueber Begräbniſſe in der Peſtzeit
nad) einem Erlaß des Grafen von Saarbrücken vom 28. Juli 1574
EIA
Mitgeteilt von Prof. Dr. Kloevekorn.
An die Befehlshaber, Inwohner, Geiſtlichen und weltlichen
Untertanen der Städte und des Landes!
Wir laden den Zorn Gottes und Plagen auf uns durch. Undankbarkeit, Sündhaftig-
keit und unbußfertiges Leben, Trägheit des Gebets. Darum wir mit Krieg, teurer Zeit
und ſchweren Kriegsläuften und Jrrungen, greuliche, vergiftige Suchten (Seuchen) heim-
geſucht werden. Es werden neben den Sonntagen genugſame Feiertag- und Wochen-
predigten in den Städten und auf den Dörfern gehalten, aber zur Zeit, wo die meiſten
bei ihrer Arbeit ſind. Es ſollen überall, wo böſe Luſt oder Krankheit einreißt, alle Kirhen-
diener, die uf ihren Pfarren ſien, neben der ſonntäglichen Predigt und Kinderlehre in
der Woch? eine Predigt uf Mittwoch und die anderen Werktage des Morgens um 5 Uhren
und des Abends um 7 Uhren ihr Frei- und Abendgebet neben einer kurtzen Ermahnung
oder Auslegung eines Pſalmen aus dem Propheten David mit einem Zeichenleutten halten.
Welche Pfarrer nicht bei ihren Kirchen ſitzen, ſolle alle Woche einen Bettag halten.
Pfarrer ſollen alle 14 Tage in den Kirchen das Nachtmahl des Herrn verkünden und
reichen. Der Diakonus ſoll in den Städten helfen, damit der Kir<hendiener nicht einem
jeden Kranken das Nachtmahl zu geben nötig habe, er ſoll aber hingehen, wenn der Kranke
ſelbſt ihn begehre oder wenn dieſer durch gefallene Beſ<hwernis oder Fantaſeien in der
leßten Stunde lebe. Jn den Kirchen ſoll man da, wo böſe Luft regieret, bei Verſamm-
lungen mit Wachholder oder Weyrauch gut Rauch machen. Gaſſen ſind rein zu halten.
Schweine dürfen nicht herumlaufen. Gaſſen ſind vom Gericht aus zu beſichtigen, auch
Nachis nach den acht Uhren.
Wo in einem Haus ein Kranker oder Toter, dürfen die Leute nicht in Backhaus,
Metzig, Bavſtube, Tür und Gaſſen ein Geſ<hwaz (Geſc<hwäß) halten, müſſen zu Haus
bleiben, ſollen tauglihe Manns- und Weibsperſone geſucht werden, die die Kranken
warten. Bis jetzt ſind die Toten von Saarbrücken nach St, Arnual gebracht. Für Be-
gräbniſſe in St. Johann ſoll vor dem Spital außerhalb der Statt bei dieſelbige Cappel ein
Gottesaker gemacht werden. In jeder Stadt ſollen zwei Totengräber beſtellt werden.
Sie ſollen Alle, die des Todes verfallen, einnehen und verwahren mit oder ohne Schein,
Aben55 oder Morgens. Gräber ſollen vier Schuhe tief ſein in Reyen. Sie erhalten vom
Toten, ſo niht zum Nachtmahl gegangen, 2 Albus und von anderen 3 Albus. Dieſe Leute
ſollen auch Tote auf Wunſch nach St. Arnual bringen. Es darf aber erſt 12 Stunden nach
Tod begraben werden. Zünfte müſſen neben Schulmeiſter und Jungen mit ihren Zunft-
brüder:1 zum Begräbnis gehen. In dieſen Zeiten ſoll nicht geleutet noch Leichenpredigt
gehalten werden, es wäre denn jemand adelig, Herr oder Stadtdiener und Gerichts- oder
alie betagte Perſonen.
Sonſt darf kein Markt gehalten werden außer Samstag auf der Brücken. Brot und
Fleiſch, Korn und Salzkauf täglich unter der Brücke. Alle Scherer ſo ſich bisher des
Hardwerks gebrauchen, ſollen hingehen, wo ſie gerufen werden. Vor Ader ſc<lagen er-
halte 1 ſie vier Baen. Für Trenk oder Pflaſter beſonders. Jn St. Johann iſt ein gräf-
licher Medicus, der ſich erboten, guten Rat und Remedia zu geben, von gemeinen Geſind
od2r Perſonen erhält er einen Dickpfennig oder von vermöglichen Leuten einen halben
Gulden. Wenn einer nichts zu zahlen hat, ſo ſoll er aus dem Gotteskaſten vergnügt
werden. So lange die Krankheit beſteht, ſoll von je 3-4 Nachbarn auf den Gaſſen des
Abends und Morgens ein oder zwei Feuer gemacht werden, doh ohne daß dadurd
Schaden geſchieht.
/
IT":
L
.. „M
Saarkalender für das Jahr 1930
„Sreiheit, Bildung, Wohlſtand!'
Von A. Z.
In den früheren Jahrgängen des „Saarkalenders“ ſind über die ſaarländiſchen
Dorgänge des Revolutionsjahres 1848 mehrere, bisSher unbekannte Einzelheiten
gemeldet worden. Hierdurch veranlaßt, ſtellen mir Freunde no< einige Sachen zur
Derfügung, die ebenſowenig mir, noh ſonſt jemand bekannt ſein dürften.
Abgebildet erſcheint hier ein S<huldſ<ein, der mir von einer Saarbrücker
Familie zur "*“jügung geſtellt iſt. Er gibt Kunde vonder erſten Anleihe
zugunſten einer deutſ<en Republik unter dem Wahlſpruch: „Freiheit,
Bildung, Wohlſtand!“ Unterzeichnet iſt das „freiwillige Anlehen“ von Struve. Der
Advokat Hecker und der feurige Journaliſt Struve, die badiſchen Führer der großen
DolkSbewegung, ſtanden auf dem äußerſten linken Flügel und forderten bei der
Umgeſtaltung Deutſchlands die ſozialdemokratiſche Republik. Ua<h dem unglück-
lichen Ausgang der Revolution flüchtete Hecker na< Amerika, Struve wurde bei
einem Sharmüßel mit regulären Truppen gefangen und nac<h Bruchſal gebracht.
Sdqhon im Jahre 1847 verfügten beide in Baden über einen bedeutenden Anhang,
ven ſie am 12. September in Offenburg verſammelten. Unter großer Begeiſterung
beſ<hl?83 man hier einhellig, „die Errichtung der deutſ<en ſozial-
dem?kratiſ<henRepublik“ anzuſtreben. Zum Kriegführen gehört aber Geld.
Und ſa mag wohl Ende 1847 „Die Geſellſchaft deutſcher Republikaner“ zu dem Ent-
j<luv * gekommen ſein, ein „freiwilliges Anlehen“ aufzulegen. Der freiheitliche
Sinn rx Saarländer ließ ſie hier wohl manches Opfer bringen. „Gutfür 700 Fl.
vder 579 Thaler“, bedeutet für damalige Derhältniſſe eine re<t erhebliche
Summe Geldes. Sie ſollte allerdings mit 5 Prozent verzinſt werden, aber die In-
haber der Anleihe haben ſicher nie einen Pfennig geſehen. Don wel<h' hohen Idealen
die Bewegung getragen war, zeigt das Wort: „Die Bruderhand allen Dölkern!“ Der
unter dem Bilde der Freiheitsgöttin verzeichnete Bibelſpruc<h: 1. Buch Samuelis 8,
10-17 hat folgenden Wortlaut: 10. Und Samuel ſagte alle Worte des Herrn dem
Dolk, das von ihm einen König forderte. 11. Das wird des Königs Ret ſein, der
über eu<h herrſchen wird: Eure Söhne wird er nehmen zu ſeinem Wagen und
Reitern, die vor ſeinem Wagen hertraben; 12. Und zu Hauptleuten über tauſend
und über fünfzig und zu Akkerleuten, die ihm ſeinen Acker bauen, und zu Shnittern
in ſeiner Ernte, und daß ſie ſeinen Harniſch, und was zu ſeinem Wagen gehöret,
madhen, 13. Eure Töchter aber wird er nehmen, daß ſie Apothekerinnen, Köchinnen
und Bäderinnen ſeien; 14. Eure beſten Aeker und Weinberge und Oelgärten wird
er nehmen und ſeinen Knechten geben; 15. dazu von eurer Saat wird er den Zehnten
nehmen und ſeinen Kämmerern und Knedten geben; 16. und eure Knechte und Mägde
und eure ſchönſten Jünglinge und eure Eſel wird er nehmen und ſeine Geſchäfte Ca-
mit ausrichten; 17. von euren Herden wird er den Zehnten nehmen und ihr müſſet
jeine Knedte ſein.
Das Blätthen ſelbſt iſt nict allein eine Rarität, ſondern na<h all meinen Er-
kKundungen darüber ein Unikum, alſo ein Exemplar einzigartig und gerade wegen
unſerer heutigen Derhältniſſe von Intereſſe.
Uod eine kleine, ſeltſame Erinnerung an 1848, die unſere Sprachen- und DolkSs-
kunde treibenden Kreiſe beſchäftigen dürfte, meldet mir mein Freund Kl. aus Dud-
weiler. Er ſchreibt: Die Bürger von Dudweiler ſchloſſen ſim 1848 der freiheitlichen
(u.ö
Saarkalender für das Jahr 1930
eee
„Jrr pÖk:
=O.
LP 6 408. “Tk
Ne Ei
ei FR 1
ENTE YZ TTV EE KRUG VI YOLA TE YM
Fr
miT ke,
wit
3.yom Hundert
verzinslich.
wirs
Freiwilliges Antehen zü Gunten der deutschen Republik
SCHUWVL DSCH Eu
für Gülilen + AU EI. vd. 400.hl.
Mie Gevellichaft eleitöchen "öRwepublikane:
(
%
wer
wr
FEES
a. kh
Zuck
aM,
u 28...
Bewegung an. Als äußeres Zeichen ihrer Geſinnung rammten ſie bei der Saarberg-
ſtraße gegenüber der damaligen Wirtſchaft des alten Detter Hanikel Blatter an
dem dort zu jener Zeit noh exiſtierenden Weiher einen rieſigen rot geſtrichenen
Pfahl ein. Ein Tannenbaum wurde daran befeſtigt, von deſſen Krone die ſc<warz-
rot-goldene Fahne flatterte. Der „rote Poſhten“ blieb als Wahrzeichen bis zur
Umgeſtaltung des Geländes, der den Weiher verſchwinden ließ. Iene Stelle war aber
noh) Jahrzehnte ein beliebtes Stelldichein unſerer Iugend nach der Schicht. Ein Lied
aus dem Jahre 1848 klang dann mit wehmütiger Melodie immer noh, wenn au im
Caufe der Zeit na< DolkSart ſeltſam umgeſtaltet. Es mag hier folgen:
Meinen Brüdern im Friedrichshain*)
Soll dies Lied gewidmet ſein,
Denn ſie fohten, fo<hten ja für mid,
Für die Freiheit ritterlic.
Welche Farbe hat die Prat,
Die midh einſt ſo reizend macht",
Grün, a<h grün iſt Wald und Flur,
O, wie ſchön iſt die Uatur.
Hätt" iM nur ein Königreich
Und wäre der Uatur ſo glei,
Dann all' die Vlädhen jung und ſchön
Müßten grün gekleidet gehn.
Meine Brüder im Friedrichshain
Mußten ſterben und ſchliefen etn,
Aud ich möht' gern in ihren Reih'n
In kühler Erd' begraben ſein.
- *) Die Opfer der Revolution in Berlin am 18. und 19. März 1848 wurden am 22. März
im Friedrichshain beerdigt. 20 000 Menſchen gaben dem Trauerzuge das Geleit.
4
5
;
Saarkalender für das Jahr 1930
Aufnahme von Hofphotograph Eic<ha>er, Kaiſerſtraße 2Z.
Die Jugend tummelt ſich auf der Eisdecke der Saar. 5. Februar 1929.
Aufnahme von Weingard.
5. Februar 1929. Die Saar trägt Eisdecke. Zuletzt im Jahre 1908.
/ iet
Saarkalender für das Jahr 1930
dr
Die Ausländer im Saargebiet
Das „Carnet d'Adresse“ (Adreßbuch), herausgegeben von der franzöſiſchen Bergwerks-
direktion, erlaubt einen intereſſanten Einblick in den Umfang der ausländiſchen Invaſion.
Der Teil der Namen iſt in ſieben Abteilungen gegliedert: Saarregierung, Obergericht
Saarlouis, Militär, Zoll, Bergwerksdirektion, Induſtrie, Handel, Banken, Kultus uſw.
Die Saarregierung weiſt überwiegend Franzoſen auf. Das Obergericht Saarlouis
iſt international zuſammengeſetzt. Von der Bahnſ<ußtruppe ſind nur Offiziere und
Beamie auſgeführt, Franzoſen und Belgier. Die Engländer legen anſcheinend keinen Wert
darauf, in dieſem Buch vertreten zu ſein.
Die Saarregierung erſcheint mit 72 franzöſiſchen Namen, davon wohnen 61 im Saar-
gebiet, die übrigen in Elſaß-Lothringen. Obergericht Saarlouis 13, Militär 31, Zoll 122,
Bergwerksvdirektion (nur Saargebiet) 826, Induſtrie uſw. 189, Kultus (Geiſtliche) 6. In
Summa 1248, gegen 1400 (ohne Militär) vor drei Jahren. Zu dieſen 1248
muß man, um die vollſtändigen Zahlen zu erhalten, noh die rund 600 Mann Bahnſchuß-
truppen zählen, die in Saarbrücken, Sulzbach und Neunkirchen garniſoniert ſind. Das
wären dann insgeſamt 1848.
Für die größeren Saarortſchaften ergeben ſich folgende Zahlen: Saarbrücken ins-
geſamt 1240: (in dieſer Zahl ſtecken die 600 Bahnſchüßer, einſc<l. Sulzbach und Neun-
kirchen). Die Ortſchaften von Brebah bis Hanweiler weiſen 32 Namen auf, Dud-
weiler 22 Bergfranzofen, Sul z3bad deren 48, 3 Militärs, Landsweiler-Reden-
Heiligenwald 25, Neunkirden 49, einſchl. 2 Militärs, 1 Kultus, St. Wendel
10, meiſtens Zöllner, St. Ingbert 22 aus Jnduſtrie und Bergwerk, Ho mburg 27,
vorwiegend Zöllner, Luiſenthal-Rockershauſen 29 Bergfranzoſen, Völk-
lingen mit Hoſtenbac<h 8 Bergfranzoſen, Saarlouis-Fraulautern-
Beaumarais 27 von faſt allen Kategorien, 11 Obergericht, Dillingen und Um-
gegend von Bergamt und Induſtrie 27, Merzig 9 Zöllner, Mettlad, Zoll und Berg-
amt 7, Wallerfangen (Vaudrevange) 2 Mitglieder der franzöſiſchen Handelskammer,
Fürſtenhauſen-Velſen-Fenne 16 Bergamt und 11 auf Glashütte.
Ein erheblicher Prozentſaß der Saarfranzoſen wohnt im benachbarten Elſaß-
Lothringen und noch darüber hinaus. In Saargemünd wohnen 51, davon ſind
tätig bei Saarregierung 4, Zoll 1, bei der Bergwerksdirektion 46, Forbach entſendet
138; Saarregierung 5, Bergwerksdirektion 118, Induſtrie uſw. 15, aus dem übrigen
Lothringen und Frankreich kommen 113: Saarregierung 2, Bergwerksdirektion 97, Jn-
duſtcie uſw. 14.
Offenbar ſtecken in dieſen Zahlen nur die ſog. Prominenten. Das Proletariat und
die vorübergehenden Geſchäftemacher dürften wohl kaum aufgeführt ſein. Auch die wenigen
ehemaligen Deutſchen, welche die franzöſiſche Nationalität erworben haben, dürften kaum
Aufnahme gefunden haben. Sonſt müßten die mit ſo großem Aufwand betriebenen Natu-
raliſationen mehr in die Erſcheinung getreten ſein. Selbſt die Grube Velſen, welche
bekanntlich ein Sammelplat der Frankophilen und Naturaliſationslüſternen ſein ſoll,
weiſt mit ihren 16 Franzoſen einen normalen Stand gegenüber andeven Gruben auf. Oder
ſind die Neufranzoſen noh nicht würdig, in das Adreßheft aufgenommen zu werden?
Während alle ſaardeutſchen Orte mit ihren deutſchen Namen aufgeführt ſind, erſcheint
der genau ſo deutſche Ort Wallerfangen als Vaudrevange, wohl eine Konzeſſion an die
beiden dort wohnenden Mitglieder der franzöſiſc<h-ſaarländiſc<hen Handelkammexr Fabvier.
Auffallend groß iſt die Zahl der franzöſiſchen Lehrperſonen mit 121, darunter Männ»
lein, Weiblein, beſonders katholiſchen Schweſtern. Zu dieſen wäre dann noch das deutſche
Perſonal zu zählen. Rette, was retten mag!
Allgemein betrachtet geben die Zahlen einen Anreiz, über die Probleme Woh-
nungsnot und Arbeitsloſigkeit nachzudenken.
Man erſicht, daß wir es noh immer mit einer ſtarken weſtlihen Invaſion zu tun
haben, di» ſic<, abgeſehen von Frankenbecker und Konſorten, ziemlich klein hält, wohl aus
vem Gefühl heraus, eine faule Sache zu vertreten.
Q
|/
m
.
Saarkalender für das Jahr 1920
EIE IE mm.
<<
Ein Shußbündnis
der Bürgerſ<haft von Saarbrücken und St. Johann gegen die
fürſtliche Regierung zur Seit der franzöſiſ<en Revolution.
Mitgeteilt von dem Stadtarchivar Prof. Dr. h. c. Ruppersberg.
Bei dem Ausbruch der franzöſiſchen Revolution i. J. 1789 beſchloſſen auch die Bürger
von Saarbrücken und St. Johann, ſich der Willkür und der Uebergriffe der fürſtlichen
Negierung zu erwehren, gegen die ſie ſchon längſt mit Beſchwerden und Prozeſſen beim
Reiche kammergericht angekämpft hatten. Die Bürger hielten Verſammlungen ab und ver-
langten Abſtellung der einzeln aufgeführten Beſchwerden. Der Fürſt Ludwig antwortete
nicht ungnädig, ſprach ſeine Zufriedenheit über die ruhige Haltung der Bürger aus, er-
klärt: ſich zu einigen Zugeſtändniſſen bereit und entließ den die Regierung leitenden
Präſidenten v. Hammerer, der vor der Volkswut nach Brebach geflüchtet war. Die Bürger
aber waren damit nicht zufrieden und erhoben weitere Forderungen. Um ſich jedoch gegen
Vergeltungsmaßregeln der Regierung zu ſchützen, ſchloſſen ſie eine Vereinigung zu gegen-
ſeitigem Beiſtand. Dieſer Beſchluß, der bisher noh nicht veröffentliht worden iſt, hat
folgende*t Wortlaut:
„Weil bei der dermalen vorhabenden Erörterung derjenigen Beſchwerden, welche hie-
ſiger beider Städte Bürgſchaften gegen ihre gnädigſte Landesherrſhaft haben, jedem von
uns erlaubt ſein muß, über die in Beratſchlagung kommenden Articul ſeine Meinung und,
was er vor gut hält, mit aller Freimütigkeit, jedoch mit gehörigem Reſpekt und Beſcheiden-
heit zu ſagen, hierbei aber bei einem oder dem anderen die Furcht entſtehen könnte, daß
eine ſolche ſich nehmende geziemende Freiheit ihm verdacht und er deswegen bei andern
Gelegenheiten ungleich behandelt und in Verdruß, Schaden und Unglück gebracht werden
möchte, ſo verſprechen wir hierdurch, einer dem andern, daß wir uns eines ſolhen etwa
wider Berhoffen gekränket und ohne behörige Unterſuchung unbillig und widerrechtlich
behandelt werdenden Mitbürgers jezt und zu beſtändigen Zeiten ebenſo, als ob es uns
allen geſchehen wäre, in behöriger Ordnung und, wie es die Rechte erlauben, annehmen
und ihm Beiſtand leiſten wollen. Wobei jedoch ausdrücklic) vorbehalten bleibt, daß dieſe
Bereinigung keinem von uns zu einiger Ausſ<weifung und Unordnung Anlaß geben,
ſondern jeder, ſo dergleichen begehrt, ohne daß wir ihm beiſtehen wollen, davor, wie es
ſich gebührt, büßen und den daraus ihm zuwachſenden Schaden ſich ſelbſten beimeſſen ſoll.
Saarbrücken und St. Johann, den 11ten November 1789.“
Folgen 431 Unterſchriften.
Durch dieſe einmütige Haltung haben die Bürger der Städte ihrem Fürſten die Be-
freiung voa den drückendſten Laſten abgenötigt. Das Einrücken der Franzoſen im Anfang
des Jahres 1793 zwang den Fürſten zur Flucht und führte ſchließlich die rehtswidrige
Vereinigung des Saarbrücker Landes mit der franzöſiſchen Republik herbei, die erſt im
Jahre 1815 durch den zweiten Pariſer Frieden wieder rückgängig gemacht wurde.
(ky
Hochzeit der Gänſegretel und des Fürſten Ludwig am 28. Februar 1787.
Aufnahme von Max Wenß.
Delgemälde im Kreishauſe 3u Ottweiler.
Saarkalender für das Jahr 1930
(VEN VM NSM SSM NSM VIM VIM VIM US NNSTOZ M NEM UZ M NIMUS MAZ MAS MES MND!
Zum 100jährigen Todesfag der Gänſegretel
Jürſtin von Raſſau-Saarbrücken
11. Dezember 1929.
Von A. Z.
ver Erinnerung unſerer Grenzmark leben aus der großen Reihe der
"attinnen der Saarbrücker Grafen und Fürſten nur no<h die Gräfin Witwe
Eleonore Clara, die von den Franzoſen na; Meß abgeführt und dort
gezwungen wird, |Frankreich den Lehnseid zu leiſten. Und neben ihr das
„Gänſegretel von Fechingen“. Die eine als edle Dulderin, die andere
als prunkliebende Courtiſane, die dur< die Sitte oder vielmehr Unſitte ihrer
Zeit hochgetragen wird. Dies ſcharfe Urteil über die lezte Fürſtin werden wir aber
doch in etwa revidieren müſſen. In guten Zeiten koſtſpieligen Vergnügungen und allen
Weltfreuden mit Liebe und Luſt hingegeben, zeigt ſie ſich zugleich klug und durch ihren
Geiſt weit über das ganze Shranzentum des Hofadels erhaben. Nach hartem Sc<ickſals-
ſchlag iſt ſie die unermüdlich ſorgende Gattin. Aufopfernde Liebe zu dem erkrankten
Fürſten und ihren Kindern bleibt da das hervorragende Moment ihres Weſens. Hilfsbereit
triti ſie uns entgegen und vergißt weder Herkommen noch Heimat. Das ſind Charakter-
cigenſchaften, denen wir gerne Achtung zollen und die dem inneren Bild der ſchönen Frau
troß allem einen verſöhnenden Zug verleihen.
Die Glücksgöttin ſteht niht an ihrer Wiege, denn mit Not und Sorgen kämpft der
ſhickſalsgeprüfte Vater, der Kleinbauer Johann Georg Keſt in Fehingen. Er lebte, wie
ſich jezt noch feſtſtellen ließ, in dritter Ehe mit Anna Barbara Wohlfahrt aus Dirmingen,
die ihm am 1. März 1757 Margarethe in die Arme legt. Da gilt es, fleißig zu ſein, denn
acht Kinder ſind ſeinen Ehen entſproſſen. Die kleinen Hände müſſen helfen, Gretel
(Katharina nennt ſie ſich erſt ſpäter) hütet die Gänſe der Bauern. Sie iſt 5 Jahre, als
der Valter ſtirbt. Wegen Erbſtreitigkeiten mit den Kindern aus erſter Ehe zieht die Witwe,
völlig verarmt, 1771 mit ihrer 14jährigen Tochter nach Saarbrücken.
Dort ſißt auf dem Thron ſeiner Väter Se. Hochfürſtliche Durchlaucht Ludwig. Dorh-
läuchting iſt aber ein Windbeutel, er liebt Wein, Weib, Geſang, Theater und Jagd. Seine
Gattin lebt wie in der Verbannung auf dem Halberger Schloß Mon plaisir. Der Landes-
vater huldigt dem Waidwerk, der Schürzenjägerei. Zur Kennzeichnung ſeines Charakters
hier nur eine Szene. Winter 1791/92 regiert er nah ſeiner Art in Neunkirchen, d. h. un-
unterbrochen tobt ſich ſein wilder Sinn in Bällen, Feſtlichkeiten und Jagden aus. Die
Sonntage ſehen ihn mit glänzendem Gefolge vornehmlich auf Parforcejagden. Da geſchieht
das Unverhoffte, den lezten Sonntag im Februar 1792 hat der Gottesdienſt ſchon begonnen,
als Se. Durchlaucht mit der geſamten Hofgeſellſchaft in der Kirche erſcheint. Pfarrer
Lucius, ein Gottesmann nach dem Herzen Melchiſedeks, verlieſt zunächſt in aller Ruhe
würdevoll ſeinen Bibeltext, wendet ſich dann aber an den verblüfften Fürſten direkt und
hält ihm als dem Sonntagsſchänder eine zornbebende Strafpredigt. Sereniſſimus wird
rot vor Wut. Er klirrt und klappert, ſo laut er kann, mit der Säbelſcheide, die Höflinge
verſtehen ſofort den Wink und rappeln mit ihren Säbeln, um die Kapuzinade unverſtänd-
WS
Saarkalender für das Icahr 1930
“m
lich zu machen. In ſittlicher Entrüſtung nimmt der unerſchrockene Pfarrer den ihm damit
angebotenen Wettkampf auf, und das weihevolle Gotteshaus dröhnt ſchließlich vom
Sc<wertergeklirxr und der allen Lärm übertönenden ſc<hmetternden Stimme des wackeren
Seelſorgers. Zitternd und bebend um das Schickſal ihres Geiſtlichen verläßt die Gemeinde
die Kirche. Schon am ſelben Tage hat er die Quittung für die hriſtliche Herzſtärkung von-
ſeiven der „geheiligten“ Perſon. Lucius muß mitten im Winter unverzüglich ſeine Sachen
packen, auf Befehl mit ſeiner Familie naß Jugenheim abreiſen und bei hoher Strafe
ſpäteſtens innerhalb acht Tagen ſeinen Amtsantritt von dort aus melden.
KA+
A Jer tarn "MAFVAS NDL. „DW. ““ Qenanns
„zwingen Gezeichnet von A Lud Shund 1879/Jetzt Kekkor m.
Mutter und Tochter Keſt erſcheinen in der Reſidenz und ernähren ſich zunächſt recht
und ſ<le<ht dur Arbeit in Herrſchaftshäuſern. Bald aber geht der Schickſalſtern des bild-
ſchönen Landkindes auf. Sie wird Kammerjungfer bei der derzeitigen Geliebten des
FÜrſten, des Geheimrats Dern Tochter, die der Don Juan dankbar zur Frau von Dors-
bery erhebt. (Dies Frauenzimmer wohnte in dem heutigen Hauſe der bekannten Farb- und
Trogenhandlung von Sander, Ecke Wilhelm-Heinrich- und Eiſenbahnſtraße.) Die Maitreſſe
bemerkt, wie ihr Galan bald mit der munteren Zofe zärtliche Blicke tauſcht und ver-
prügelt die Unſchuld in aufwallender Eiferſucht. Das iſt zuviel für das hoc<hfürſtliche, be-
reils in neuer Liebe entbrannte Herz. Der glimmende Funke wird ſofort zur verzehrenden
be.
Saarkalender für das Jahr 1930
Flamme wilder Leidenſchaft. Für die Geheimratstohter wird in aller Eile ein Gatte ge-
ſucht; der Höfling Maldiß heiratet ſie und avanciert für dieſen wenig ehrenvollen Liebes-
dienſt zum Hofmarſchall. Die ſüße Margarethe wird nach Met geſchickt, um, wie der Saar-
brücker ſagt, „Bildung zu lernen“. Sie kehrt als „vollendete“ Dame zurück. Geiſtig hoch-
ſtehend, hat ſie mit Erfolg ſtudiert und kennt nun auc alle jene verteufelten Kniffe, ihre
Anmut und Schönheit mit Shminke und Schönpfläſter<hen ins rechte Licht zu ſtellen.
Reichsgräfin von Ottweiler mit ihrem älteſten Sohne.
Fürſt Ludwig iſt entzückt und ſchwärmt für ſeine Katharina, wie ſie ſich nunmehr
nennt. Sie avanciert ſchnell zur Frau von Ludwigsberg, ihrem Wohnſiz. Am
19. Juni 1775 ſchenkt ſie ihvem Verehrer das erſte Kind. Bis zum Jahre 1789 folgen ſechs
weitere Sproſſen.
Die lange Zeit kränkelnde Gemahlin Ludwigs, Wilhelmine, ſtirbt 1780. Nunmehr hat
Katharina freie Bahn für ihren Ehrgeiz. Sie imponiert dem Volke durch reiche Pracht-
entfaltung. Die Bürgerſchaft ſieht ſie in einem vergoldeten Prunkwagen von auserleſener
EIE
4
Saarkalender für das Jahr 1930
une
Kunſt, das Geſpann zeigt die edelſten Pferde des Marſtalls. Jhre Feſte ſind Glanz und
Ueppigkeit. Dabei weiß ſie durch natürliche Anmut und Liebenswürdigkeit die ſteifleinene
Sofgeſellſchaft für ſich zu gewinnen. Der Fürſt liegt ihr zu Füßen und macht ſie zur
Gräfin von Ottweiler. Bald ernennt ſie auch der Kaiſer zur Reichsgräfin
von Ottweiler und erhebt zugleich ihre Kinder in den Grafenſtand. Nicht genug da-
mit, ſie will die rechtmäßige Fürſtin werden und ſetzt ihren Ehrgeiz dur<. Am 28. Februar
1787 vollzieht Konſiſtorialrat Bartels die Trauung, ſie iſt damit Fürſtin von Naſſau-
Saarbrücken. Die nach dieſem Ehepakt geborenen Kinder werden ſogar für nach-
folgefähig erklärt. Zwei Jahre nach der Hochzeit ſchenkt ihr der Fürſt die Herrſchaft
Dillingen und ſie erhält den Titel einer „Herzogin von Dillingen“.
Die Sonne ihres Glücks neigt ſich zum Untergang mit dem Ausbruch der franzöſiſchen
Revolution. Der Bogen der Selbſtherrlichkeit iſt zu ſtraff geſpannt, er zerbricht. Das
Volk erwacht nach hartem Fronden zur Freiheit. Zur Entſchuldigung der alten Plagegeiſter
unv Genießer und ſomit auch unſeres Fürſtenpaares kann man manches ſagen. Der Zeit-
geiſt des Sonnenkönigs läßt es alle ehrlich glauben, daß Gottes Wille viele mit Ritter-
ſtiefeln und Sporen auf die Welt kommen ließ, um vergnügt auf Arbeitskraft und Fleiß
der anderen herumzureiten. Ehrenpflicht und innere Berufung für jene Herrſchaften ſeien
gottgewollt einzig und allein 'amusement. Ein einſichtsvolles Empfinden über die ſinn-
loſe Verſchwendung am Fürſtenhofe und damit die Erkenntnis des Unrechts gegen Land
und Volk fehlt daher auch dem ſonſt ſo klaren Geiſte einer Katharina. Dieſer Punkt läßt
ſich in einer gerehten Beurteilung ihrer Perſon nicht übergehen.
Unglück iſt der Probierſtein für den inneren Halt und Gehalt des Menſchen. Da reckt
ſich mit dem widrigen Geſchick tapfer ringend die Geſtalt der „Gänſegretel“ empor, ein
rechtes, echtes Saarlandskind, nunmehr eine Heimatgenoſſin, die unſere Achtung und
Sympathie verdient. Der Fürſt bricht zuſammen, 'er flüchtet vor den franzöſiſc<en Häſchern
vom Neunkirhner Schloß aus. Mit ihm, unabläſſig um den Erkrankten tätig, ſeine Gattin.
Baden-Baden wird aufgeſucht, bringt aber troß aller Bemühungen der hingebenden
Pflegerin keine Hilfe. Man geht nac< Mannheim, damals ſchon, wie unter Raults Aera
mir und vielen Leidensgenoſſen, der beliebte Aufenthalt für die aus dem Saarland Ver-
bannten. Im Januar 1794 will der Fürſt Aſchaffenburg aufſuchen. Im Scneegeſtöber vor
Durmſtadt verirren ſich die Vorreiter, ſie ſind vom Wege abgekommen, das Gefährt droht
umzuſtürzen. Man hüllt den Leidenden in Decken und Kiſſen, Katharina hilft ihn tragen
und bringt ihn mit vieler Mühe in Sicherheit. Als ſie am nächſten Tag Aſchaffenburg er-
reichen, fühlt Ludwig ſein Ende herannahen. „Dieſen Ort werde ich nicht lebend verlaſſen“
ſagt er traurig in Todesahnung. Am 2. März 1794 ſtirbt er in einem Alter von 49 Jahrea.
No<h in ſeinen lezten Stunden atmet jedes Wort innige Dankbarkeit für alle Treue und
Güte, die ihm ſeine Gattin erwieſen. Mit 35 Jahren iſt ſie Witwe.
Ihr Domizil ſucht ſie in der veichen Handels- und Kunſtſtadt Mannheim, wo ſie lange
Zeit mit geringen Mitteln ſehr haushälteriſch wirtſchaften muß, um ihren ſieben Kindern
eine gute Ausbildung zu ſichern. Sie iſt nicht „ho<hgeboren“, nicht ebenbürtig, daher helfen
die naſſauiſchen Verwandten nicht. Sie lernt in endloſen Prozeſſen mit dieſer auf-
geblaſenen Geſellſhaff die ganze Bitterkeit eines Witwenlebens kennen, bis ſie, müde
des Streites, auf alle, ihr von Ludwig geſicherten Anſprüche und Vermächtniſſe verzichtet
gegen eine Rente von 9000 Gulden. Ein Unglück kommt aber nie allein. Neben wirtſchaft-
lichen Sorgen weicht häuslicher Kummer nicht von ihrer Schwelle. Jhre fünf Söhne ſterben
im jugendlichen Alter. Wel< hartes Geſchick, welch" ein Weh für das Mutterherz, mit
dem wir fühlen, weil die Betroffene uns nun menſc<li< nähertritt. Am härteſten trifft
die Leidgeprüfte das tragiſche Ende ihres Lieblings Adolf, den der Gatte zum Nachfolger
|,
EE... H
Saarkalender für das Jahr 1930
auf dem ſaarbrückiſchen Fürſtenſitz beſtimmt hat. Der junge Prinz tritt als Offizier in
das württembergiſche Heer und muß in dieſem Kontingent 1812 an Napoleons Feldzug
gegen Rußland teilnehmen. Seine Tapferkeit trägt ihm hohe Auszeichnungen ein; auf
dem Rückzug wird er aber verwundet und erliegt Wunden und Entbehrungen in Wilna.
Die Mutter kann und will nicht an den Tod ihres lezten Sohnes glauben. Sie hofft 17
lange Jahre auf ſeine Rückkehr, ſie denkt an ihn als Gefangenen in Sibirien. Nichts kann
ihren Glauben hieran erſchüttern, denn noh in ihrem Teſtament vermacht ſie ihm Haus
und Garten in Mannheim. Zurückgezogen, mit ihren beiden Töchtern wegen deren Heirat
entzweit, vereinſamt und liebeleer ſchließt die arme Frau im Alter von 72 Jahren ihre
Augen am 11. Dezember 1829. No<h vor 10 Jahren wollen Mannheimer den Grabſtein
mit der Aufſchrift „Reichsgräfin von Ottweiler“ geſehen haben, heute iſt er nicht mehr
aufzufinden.
Die aufopferungsfähige, dem Geſchick trogende Gattin, die in ihrem Exiſtenzkampfe
ſorgenreiche Witwe, das um den frühen Heimgang ihrer fünf Söhne tiefwunde Mutterherz,
das Mitgefühl mit ihren armen Verwandten, das alles gibt dem Bild, wie es bisher unter
uns lebte, ein ganz anderes Kolorit. Prunk und Pracht haben hier nicht, wie ſonſt ſo
ſ<nell und leicht, Gemüt und Tugend erſtickt, ſie blühen auf, wie ein grauſames Geſchick
darum anhielt. Aber ſelbſt im goldenen Schimmer zeigt ſie ſo etwas wie ſoziales Empfinden,
denn 1789 ſchreibt Schubart von ihr: „Ludwigs Gemahlin iſt eine geiſtreiche, warmherzige
Dame. Sie hat eine Summe von etlichen tauſend Gulden ausgeſetzt, von denen jährlich ein
armes tugendhaft befundenes Mädchen ausgeſteuert wird. Freudig will ich die Eichkronen,
die Lorbeerzweige und die Blümchen alle ſammeln, womit die guten deutſchen Fürſten
ihr Haupt bekränzen.“ Dem Fürſten iſt ſie auch in ſeiner Glanzzeit viel mehr geweſen als
ein glizerndes Spielzeug ſeiner hochmögenden Laune. Aus der Leidenſchaft wächſt durch
ihre Klugheit und ihren Geiſt eine innere Gemeinſchaft, ſonſt hätte er nicht nach 12 Jahren
einer Art moderner Kameradſchaftsehe geſchrieben: . „Ueber mein Leben mit der nun-
mehrigen Frau Gräfin von Ottweiler habe ich noh nicht die mindeſte Reue empfunden,
keine, keine!“
Hundert Jahre ſind ſeit dem Tode der zweifellos volkstümlichſten Geſtalt der
Fürſtinnen von Naſſau-Saarbrücken dahingegangen, denn noch lebt die Erinnerung an ſie
im ganzen Lande in allen Volksſchichten. Aber das Bild iſt bisher verzerrt, ein Unrecht
gegen die Dulderin. Wir ſahen es bisher mit einer ſtarken Doſis ſpießerhafter Selbſt-
geſälligkeit und Ueberhebung. Es klang da ſtets wie etwa: „JH danke dir, Gott,
daß ich nicht bin“ uſw. Wenn wir uns jetzt nach dieſer Lebensſkizze des „Gänſegretels
von Fechingen“ erinnern, wird die Zeihnung menſ<lich verſtändlich, eindrucksvoll und
verſöhnend. Auch ihr haben die Franzoſen das Lebensglück zertrümmert und alles ge-
ſiohlen, was nicht niet- und nagelfeſt war; auh ſie teilt das kummervolle Los unſerer
Mütter, die ihren Liebling im Kriege verloren haben und dieſen Verluſt nie überwinden.
Wie wir, ſtand ſie vor den Trümmern äußeren Glanzes, aber wie das Glück ſie empor-
getragen, wirft das Unglück ſie nicht nieder. „Reiß" den Menſc<en aus ſeinen gewohnten
Verhältniſſen, und was er dann iſt, das iſt er!“ An dieſem Goethewort gemeſſen, mag
nunmehr die Erinnerung an ſie fortleben als an ein wetterfeſtes Saarlandskind fröhlich
in ſonnigen Lebenstagen, unverzagt im bitterſten Leid.
eren Än mmm em
Die Fürſtin hat durc< die Franzoſen Hab und Gut eingebüßt. Ihre Sc<löſſer ſind im
Namen der Brüderlichkeit in Flammen aufgegangen. Vom goldenen und ſilbernen Prunk-
und Tafelgerät bis zum letzten blanken Meſſingknopf in der Geſchirrkammer hießen die
welſchen Nachbarn alles mit ſich gehen. Wie eine Sage klang es bisher, daß ſich noch
Je
Soarkalender für das Johr 1930
Briefe von ihr erhalten hätten. Fleißige Nachforſchungen hatten für den „Saarkalender“
ein erfreuliches Reſultat. Ein alter Schreibtiſc< Katharinas befindet ſich durch eine wunder-
liche Fügung des Scickſals heute noh im Beſitze des Herrn Lehrer Kern in Jägers-
freude. Bei der Reparatur dieſes Möbels entdeckte der Tiſchler ein Geheimfach mit einigen
Briefſchaften der Fürſtin. Die Ermittelungen bei den Nachfahren in Güdingen hatten den
ſchönſten Erfolg. Herr Adolf K ö ſt (die alte Familie Keſt ſchreibt ſich heute Koeſt und Käſt)
iſt noh im Beſize von zwei Briefen, die die Reichsgräfin von Ottweiler von Mannheim
aus an einen Sohn ihres Bruders Daniel gerichtet hat. Beigefügt erſcheinen ſie im Fak-
ſimiledruck in natürlicher Größe als einzigartige, beſondere Fundſtücke, mit deren Ber-
öffentlichung ich allen eine ſchöne Stunde zu bereiten hoffe. Jh habe die Briefe einem
Schriftendeuter vorgelegt. Nach einem kurzen, prüfenden Blick ruft er: „Das iſt eine
prächtige Handſchrift, jeder Zug verrät Klugheit und ausgeprägten Schönheitsſinn!“ Man
ſtudiere die Schreiben aufmerkſam und leſe zwiſchen den Zeilen, beachte 3. B. bei aller
hilfsbereiten Zuneigung für die Verwandten doch die Art, wie ſie immer wieder Diſtanz
zu wahren weiß. Und klingt es nicht wie eine geheime Heimatſehnſuht, wenn ſie u. a.
gerne wiſſen möchte, ob die Kinder ihres Bruders Karl noh am Leben ſind. Das „Paquet“
mit 50 Gulden, für jene magere Zeit eine anſehnliche Summe, zeigt ihr freigebiges und
mitfühlendes Herz.
34 Jahre lebt ſie 1827 ſchon in der Fremde, aber Heimat und Herd kann ſie nicht ver-
geſſen, auch ſie bekundet damit einen der ſchönſten Charakterzüge aller Saarländer. „Und
hegt auf dem Herde, wo hold ich die Tage der Kindheit verträumte, die Flamme ein
Fremder, Heimat, Heimat, dein gedenk' ich,“ das iſt der wehmütige Akkord, der mir in
Hunderten von Zuſchriften aus aller Welt entgegenklingt und mich bewegt.
Von einer armen Gänſehüterin auf den Bergen Fechingens bis zum viel bewunderten
Mittelpunkt eines glänzenden Hoflebens und wieder in die beklemmenden Niederungen
äußerer Sorge geſtoßen, ſo ſchuf das Schickſal jene Geſtalt, die noF heute in unſerer
Volksſeele lebt und lange, lange leben wird. Das Gefühl, ihr gerecht zu werden, trieb
mich zu dieſer Lebensſkizze, die Dichtung zerſtört und Wahrheit zum Rechte führt.
Sul ie
iis R <i
Briefumſchlag zu den nachfolgenden in Fakſimiledruck wiedergegebenen Briefen.
„SERRE“
0
Ge ; x. -
| GCurennfmrwn aAmwy. 1
rr HEU „> 's 3 14 iti -
zu-fr Hin Sifu rd ewz Baars:
[s
-
733% Fo .
erwnn vi Ppjem 151% Tage fl Duff Ie
. . “A
182625 Du Pros, Wium Pax wu, 907 bmd mf ar
| i Ö . ; „un
Axwonfcn Wwex, 1m 2) on 19 bfr Parfl Har |
FC wewwnnringg Fa ET Bends 4. For wr
CF ;
' 0:4 . ZM | 7 253
Jücp-r% Olin Imex 40x BYR R: 9 =
zi s Zt 7 4:3. u
ED werf Sox Sd wes TAnfracffe ft
Rf. 5437 E24 EREN, EE DEN 52 M
rf = Le Grp il So
REET EEN ER iE zie 4 I 4 Zah
EE H wel Hei IM
Gab We
17€ ai EE Ei ei 3007 5
tri en.
Mir ; “ 2.» : Ner 1 ; 5 «
Emir Sc llgnb Earl. 8 hi
Mien dr, WEITRA
„lä
4.
4“
BEUR
4
al
1 dE
" Sui
b.|
kü
5
"-
i
<==
+ M
„we Km F
Wr
"25
AN
j En TETE Win Dg
x EIN Inbels EE IP iN GN 2:
. + En RE 45 jo 8 u ie 18 EI Ed
Nw. EEN KAY OYY Wk 3% CU. ES Ler
2 - s ee m wn Ed If NE
Ee 40 IE
"MSS
2
K
4
= likes
6
ZB
=
dt rr 1
DU wd, <P nn |
"4
Mate
MES:
Gm
mut Inf PA
4 ifa. :
% „A
R 1 . 36 -
" 3 Sb 7 Birner x ühhe u Ax 0
! «u Efie
| “4 ir
(4 j- |
-*
ed
pe iK
: k 72:
k WE ESL SL EEGN
EE EK RIDIILE
4 R vm ds BE EEE p
„€ * ne + TIE 20
EZ EU 52.210001 WIE PER 10.0 mE
N wr ES lld 9 258 En
n PE AND EN in.
RENEE rF "AU ri 4
„p-
HM
“
erg
|
5 “d
G r
“ .
FF 5
*
KAF +
3 auf
„ZJ
=
mie uml
4
zr
„
„5
ALA
ex
“m 44
„verl
F
“6
Be
y;
ZENT
EED.
Ta ng
wi
H
Mie “rmfgen mn e
| 17 Fac! Ei In
FTG /40: 70 2 29/7 STIM BUER
BLANESIE
My)
Sui Sl mb? än fn BA wr“
SEI ven ec SAE EE BG HAUEN Heu 2 PUH ÖD
EEE „arb UÜBELLIlRu
HD Ai SR KECBR Doof owe bek bb FIBRE
Te HEEAREILSTERSEEL MEG
wu M nte Gem intpun EIE „ie
EDER
. a 1. I PLL GE EE SES 2 15 6
ee 5 S GE IEE AIT FE dE 9. 6 250528 zn
GE 2 NE 3 EE R RE
EE 02201 BREITE +7 ak Ec 4 E es un ,„ "e ES 3 WF Ze
200 u] dn 13 2 5 7 c | EE II Sn iw“ ED
A En zi | EZ Ef IEEE 5 38
4 004.08 2 SEE 2022700)
44. 558 * IEEE wn „FF IE
„*Y+Y iE 14 ith
HELENE iE =
. % 4 in iN 8 HÜTTE
. FE ZIREN u u .: M
5 3 RE NI INEN
u eg in
ail. 1 MIC 150
wv
JK.
8.20:
n ie
" ji“ GER A 4.044 1 4 : % "
gn daes ie. ; Ei
IE IEE
DEr SI
4-4 SH
m SE
ri er 3:
Ere - |. -
Mn i2
. 4:14 NE IEEE i
En „SB 5.4. 4. u:
] 0. Fi 1994.08
EE er ZURN EI ie NIE.
uE 4.“ 8 ddt: d: €
"et: & “ ' - Fl=g.. y
9
Fe df €
Wü
4y6
'r
Das Rätſel des „Eheproblems“ gelöſt.
Der hier fakſimilierte Eheſchein iſt wohl der älteſte, der ſich in einer ſaarländiſchen
Fainilie erhalten hat. Er befindet ſich im Beſitze des Herrn Julius Becker-St. Johann und
ſtainmt aus der Ehe einer ſeiner Urgroßmütter. Wer klaren Blicks in die Nöte ſo vieler
modernen Ehen ſc<aut, wird nicht ohne Rührung die aus einem gottgetreuen Herzen
niedergeſchriebenen Worte leſen, die den Lebensbund auf den unerſchütterlichen Grund
religiöſen Empfindens ſtellen. Damit allein empfängt die Ehe eine Weihe, die ſie in allen
wirtſchaftlichen Kämpfen vor äußerlicher Verwilderung und innerer Zerrüttung und
Verfall bewahrt. Wieviel Gelehrtes wird heute über das „Problem der Ehe“ geſchrieben,
mir viel Kraftaufwand Kameradſchaftsehen, Zeit- und Stufenehe und anderer moderner
Unſinn verteidigt! Auf dem kleinen vergilbten Papier iſt das Rätſel gelöſt: Verwirklichung
einer Liebes- und Lebensgemeinſchaft in dem Bewußtſein einer untrennbaren Zuſammen-
gehörigkeit durc beiderſeitige volle Hingabe an den Ewigen, in deſſen Willen der eigene
aufgeht wie der Strom 1m Meer. Religiöſe Herzensgemeinſchaft iſt einzig und allein
das Fundament für den Auf- und Ausbau einer Lebensgemeinſchaft. Der einfache, biedere
St. Johanner hat das tiefſte Weſen des Eheglücks aufgedeckt, ſeine ſchlichten Worte
leuchten in die vielen dunklen Ehewirrungen und Jrrungen unſerer Tage und zeigen
den Weg zur Heilung: nicht äußere Güter entſcheiden hier, ſondern die in Gott gebun-
denen menſchlichen Werte der Tüchtigkeit und Geſinnung. A. Z.
antennen gr
.4 mi. 7 JT
«I AS MN (Fetitiel/r
FN? 44
un. Mt „5 17 + 7 . . Su 5 u 7 0... r | | .
“ €. 7. Bir Gefr rau Ziterft WHZ Matten: "Aeat
0. “jeuzetittt y Feen dD bor Hue lliig, grrberiie dige
[Ms 2-27 = 7 Au . .
Me beiti] (Fer EE ALERT 4 » PHAE 10087 09 07 A Wrerageernn M.
2 ler dig“ "20046 ar es wertet ae dos 142 4 EE
"3% 3 AH '
ae EASE mfg An SEE
WE
wee
j 5
.> Mr
«4
0.
4
4
zu |
ume iin Dy
Saarkalender für das Jahr 1930
gpg izn 1
Der Luftkrieg gegen das Saargebiet
|]. Die Angriffe auf die untere Saargegend
Nach archivalen Quellen zuſammengeſtellt von R. Rud. Rehänek.
Der 25. Auquſt 1915.
Ein heiterer Sommermorgen liegt über dem Saargau. Blau in blau weitet ſich der
wolkenloſe Himmel, und ſangesfrohe Lerchen trillern hoch in den Lüften. =- Plötzlich miſcht
ſich in das Jubilieren der befiederten Sänger ein anderer Ton -- erſt ganz ſchwach wie
ein fernes Singen, dann ſchnell ſtärker werdend. Grell wirft die Sonne ihre Strahlen, die
von der Panzerung der majeſtätiſch gleitenden Maſchinen ſpiegelnd aufgefangen werden.
Leer ſind plößlich die Häuſer -- ſtill die Werkſtätten geworden. . . .
. . . Fünfundzwanzig . . . dreißig . . . . ſechzig? -- Unfaßbar erſcheint es den
Menſchen . . . ſoviel Flugzeuge? =- Vergeſſen iſt ver blutige 9. Auguſt von Saar-
brücken . . . . nod) will man es nicht glauben, daß die Schrecken des Krieges gierig ihre
eiſernen Arme bis in das ſtille Saarland, nach der wehrloſen Bevölkerung ausſtrecken! =-
„Feindliche Flieger! Jrgend jemand hat es gerufen. Da -- ſſt... ſſſt --.ein
Krachen zerreißt die Lüfte und hohnlachend fordert der Moloch Krieg ſeine Opfer . .
Dillingen: Bombenwirkung am Hauſe Kaiſer-Friedrichſtraße 52 bei dem Fliegerangriff
am 10. 11. 1916.
u 4
Saarkalender für das Jahr 1930
Mm ==
Die erſte Bombe fiel gegen 10.25 Uhr, und zwar in Fraulautern, etwa aht Meter
vom Bürgermeiſteramt und dem daſelbſt errichteten Lazarett entfernt und richtete an
der Weſtfront einen Schaden von etwa 1500 Mark an. Kurz darauf folgte eine zweite
Bombe, die auf ver Viehrampe neben den Sägewerken Donnevert & Leroy krepierte und
einen Schaden im Werte von über 1000 Mk. verurſachte. Außer einem Gemeinde-
angeſtellten, der eine leichte Verlezung davontrug, waren in Fraulautern ſonſt keine
körperlichen Schäden zu verzeichnen. Die Flieger bewegten ſich etwa 20 Minuten über dem
Ort und verſchwanden dann in weſtlicher Richtung. Zur gleichen Zeit überflog eine andere
Abteilung den benachbarten Induſtrieort Dillingen und bewarf den Ort und die Hütte
mit 91 Bomben. Die amtliche deutſche Meldung über den Angriff lautet:
„wtb 26. Auguſt 1915. Ein franzöſiſches Flugzeuggeſ<wader ſuchte geſtern den
Kreis Saarlouis auf und warf Bomben auf Fraulautern, Wallerfangen
und Dillingen. Sachſchäden von irgend welcher Bedeutung ſind nicht verurſacht.
Leider aber iſt es unſeren Feinden wieder geglückt, Menſchenleben zwecklos zu ver-
nichten. Es wurden in Dillingen fünf Perſonen tödlich und 25 teilweiſe leiht und
teilweiſe ſchwer verletzt. Der Fliegerangriff gibt erneut den treffenden Beweis, wie
wenigderFeind das Rote Kreuzad<htet. Sowohl in Fraulautern wie auch
in Dillingen ſind Bomben in unmittelbarer Nähe der Verwundetenlazarette nieder-
gegangen.“
Bombenvolltreffer in den Dampfſammler der Dillinger Hütte am 10. 2. 1917
u 1 "s
Bombentreffer in die Dillinger Hauptſtraße.
Saarkaiender für das Jahr 1930
eo
a äi
Die franzöſiſche Darſtellung:
„ - - Am 25. Auguſt überflog ein “Geſchwader von vier Gruppen, zuſammen 62
Flugzeuge, die Hochöfen von Dillingen (Geſchoß- und Panzerplattenfabrik), nördlid)
von Saarlouis, worauf mit Präziſion (auf wehrloſe Menſchen. D. V.) über 150 Gra-
naten, darunter 30 großen Kalibers, abgeworfen wurden.“
Von den Schwerverletzten verſtarb ein Mann bereits in den erſten Tagen, ſodaß nun-
mehr ſechs Tote zu beklagen waren. Die Namen der unglücklichen Opfer ſind: Heinrich
Paris-Dillingen, Obermeiſter im Feinblec<hwalzwerk (58 Jahre); Daniel Ruß-
hardt-Diefflen, Tieſofenmann im Ble<hwalzwerk (42 Jahre); Johann Schmitt-
Diefflen, Laufjunge (14 Jahre); Martin Friedel-Dresden, Landwehrmann;
bann die Kriegsgefangenen Ruſſen: Bauer Jwan Sudanov, 142. Inf.-Regt. (32
Jahre); Bauer Jegor Sacharow, 141. JInf.-Regt. (30 Jahre).
Unter den Verletzten befanden ſi< auch mehrere Mädchen. Zur Beerdigung der un-
ſchuldigen Opfer ſchrieb die „Dillinger Zeitung“ u. a.: „Dillingen den 28. Auguſt
1915. Die feierliche Beerdigung der Fliegeropfer fand heute nachmittag 3 Uhr nuter
gewaltigem Andrang hier ſtatt. Behörden, Vereine und Bürgerſchaft wetteiferten in dem
Beſtreben, den Opfern die lezte Ehre zu erweiſen. An der Spiße des Trauerzuges, der
vom Krankenhauſe ſeinen Ausgang nahm, ſchritt die Kapelle des 1. Erſ.-Batl. Inf.-Regt. 30,
Trauerweiſen ſpielend, ihr ſchloſſen ſich Landſturmmannſc<haften, die Militär- und ſonſtigen
Bereine Dillingens mit umflorten Fahnen und die Geiſtlichkeit an. Hinter den ſechs
Leichenwagen, die ſämtlich mit zahlreichen prächtigen Kränzen geſchmückt waren, gingen
die näheren und ferneren Angehörigen der . Verſtorbenen. Am offenen Grabe hielt Herr
Pfarrer Dr. Prior, der mit der geſamten katholiſchen Geiſtlichkeit an der Trauerfeier teil-
nahm, eine tröſtende Anſprache. Vaterländiſche Töne ſchlug auch der evangeliſche Pfarrer
Herr de Haas in ſeiner Trauerrede an, die ebenfalls tiefen Eindruck machte. (Sämtliche
Opfer ſind auf dem Ehrenfriedhof in Dillingen beigeſeßt.)
Die Folge dieſes Ueberfalles, den ſich die „grande nation“ als zweite „Ruhmestat“
wohl gebucht haben wird, waren umfangreiche Schuß- und Abwehrmaßnahmen. Ein be-
ſonderer Fürſprecher und eifriger Förderer dieſer Maßnahmen war Herr Kommerzienrat
Dr. bh. €. Hermann Rödling. Auf Grund perſönlicher Vorſtellungen bei der
Oberſten Heeresleitung, dem Erſten Generalquartiermeiſter v. Lwdendorff
und dem Chef des Stabes für das geſamte Flugweſen, Oberſt Thomſon, wurde die
O. H. von der Notwendigkeit überzeugt, das ſüdweſtdeutſche Induſtriegebiet gegen Flieger-
angriffe zu ſhüßen. Es wurden deshalb dieſem Gebiet (Saar, Lothringen) überwieſen:
10 Flak AK. Züge, 1 Motorbatterie, 18 große Sheinwerfexr mit einem
Durchmeſſer von 90-4100 Zentimeter, 1 Ballonabwehr-Batterie, 30 Ma-
ſhinengewehre (deren Zahl ſpäter auf über 100 geſteigert wurde) ſowie mehrere
Kampfflugzeuge. (1916.) Das Saargebiet erhielt als beſondere Maßnahme
eine Shußzkette von Ballons, die auf den Höhen längs der Saar, beginnend bei
Brebacd abwärts bis Dillingen und auf dem anderen Ufer zurück unter Einſchluß
von St. Ingbert ein einheitliches Shußnetz ſchufen. Die Ballons wurden in einer Ent-
fernung von durchſchnittlich 400-500 Meter ſtationiert, ſodaß ungefähr 180 Stück zur Ber-
wendung kamen. An dem Seil der Feſſelballons waren in beſtimmten Abſtänden wiederum
Drähte angebracht, an deren Enden ſogenannte „Windtüten“ befeſtigt waren. Die
Windtüten ermöglichten nun das Schweben der Drähte in horizontaler Richtung. Die
Ballons ſelbſt konnten bis zu 2000 Meter hochſteigen. Wenn auch durc dieſe Maßnahmen
noch kein abſoluter Shutz gegen Fliegerüberfälle geſchaffen war, ſo diente die oben-
beſchriebene Schußkette weſentlich zur Beruhigung der Bevölkerung und bildete anderer-
ſeits ein nicht zu unterſchäßzendes Hindernis für die feindlichen Flieger, deſſen Auswirkung
mehr nah der moraliſchen Seite hin berehnet war. Nach einer Ueberſicht der ſpäteren
Angriffe wird man feſtſtellen können, daß troß der zahlreichen Ueberfälle verhältnismäßig
wenige Schäden zu beklagen ſind.
I
aet ee.
EKMADSEERE
Saarkalender für das Jahr 1930
1916
Ueber ein Jahr hatte die Bevölkerung Zeit, ſich von den Schrecken des erſten Ueber-
falles zu erholen, als wieder der unerwünſchte Beſuch wie ein Spuk auftauchte und Ver-
derben verbreitete. Nach zwei Ueberfällen ohne Bombenabwurf (10. und 11. September)
erfolgten in der Nacht vom 12./13. September in einer Stunde drei Angriffe, wobei 24
Bomben abgeworfen wurden, die jedoch größtenteils, ohne Schaden anzurichten, im Felde
niedergingen. Von einem weiteren Angriff vom 12. November 1916 liegt folgender amt-
liche Bericht vor:
„Dillingen, 12. Nov. 1916. Nachdem in der Nacht vom 10./11 d. Mts. durch bis
jetzt feſtgeſtellte zehn Bomben ein bedeutender Schaden hauptſächlich in dem gänzlich zer-
trümmerten Hauſe Kaiſer-Friedrichſtraße 52 angerichtet worden iſt, wobei die
Nachbarhäuſer wenig in Mitleidenſchaft gezogen wurden und eine ver ſchüttete Frau
mit drei Kindern ohne Schaden zu nehmen geborgen werden konnten, iſt Dillingen
auch in vergangener Nacht von Fliegern überfallen worden. . . . Es ſind bis jetzt 14
Bomben feſtgeſtellt, von denen vier auf das Gebiet des Hochofens, ſechs auf das übrige
Hüttengelände und vier in den Ort gefallen ſind. . .“
Beſchädigt wurden bei dieſem Angriff das Bürogebäude der Hütte, das Haus
Kaiſer-Wilhelmſtraße 44, das Nachbarhaus N r. 46, dann das Haus Nr. 42
(Wirtſchaft Haſenohr) und das Haus Saarlouiſerſtraße 4. In dem Bericht heißt
es dann weiter: „. . . Bei Haſenohr ſind von den im Saale untergebrachten belgiſchen
Arbeitern vier in vorwitziger Weiſe in den Hof gegangenen Arbeiter verleßt worden,
einer davon ſchwer. . .“ (Der Schwerverletzte iſt nach einigen Tagen verſtorben.) =- Die
Aufſtellung der Geſamtüberfälle von 1916 ergibt folgendes Bild:
Zahl der Bomben-
Angriffe Abwürfe
Datum
10. 9.
11. 9.
12./43.:9
14. 9.
24. 9.
51.40:
99..10.
10. 11.
14241:
93.11;
24.10
97:42:
94
36
3
13
IZ
a
]
zuſammen 30
[
MH
“
1...
“4
Der in ſeinen Folgen ſchwerſte Angriff von 1917 war am 9. Februar. Bereits um 9.30
Uhr abends ſetzte der Höllenlärm der Abwehrgeſchüße ein, gemiſcht von den nervenzer-
reißenden Exploſionen der Bomben, um dann nach vier kurz aufeinander folgenden An-
griffen um 1 Uhr nachts endlich ein Ende zu finden. Außer fünf Schwerverletzten fanden
zwei Perſonen ein jähes Ende. Es waren dies der ac<t Jahre (!) alte Shüler Franz
Wagner-Dillingen und die 20jährige Hüttenarbeiterin Roſa Schmitt-
Dillingen. In der darauffolgenden Nacht dauerten die Angriffe dre Stunden. Der da-
malige Bürgermeiſter von Dillingen, Wagner, ſchrieb von dieſer Nacht: „. . . Das Ab-
werfen der Bomben und das Abwehrfeuer machten einen Höllenlärm. . .“ Von 22 Bomben
fielen ſieben in das engere Hüttengelände, dabei krepierte eine auf dem Dampfſammlexr der
Keſſelanlage und richtete arge Verwüſtungen an. (Siehe die Aufnahme.) Die übrigen 15
Bomben fielen in den Ort, ohne jedoch nennenswerten Schaden anzurichten. Von dem
Veberfall in der Nacht zum 5. Mai liegt folgender Bericht vor:
fin;
4
Saarkalender für das Jahr 1930
2000
„ - - Der Ueberfall dauerte mit kurzen Unterbrechungen von 12-2% Uhr. . . . Ob-
wohl fünf Angriffe gezählt wurden, gelang es erſt beim lezten um 2 Uhr einſezenden An-
griff Bomben abzuwerfen, und zwar in den Dillinger Waldweg nach Düppenweiler hinter
der Schlacenhalde, wo eine Batterie mit Scheinwerferſtellung ſich befindet. Es wurden
25 Bombenlöder vorgefunden. . . “
VNeberfälle und-Alarmierungen 1917.
Datum
93..1.
34.4.
9,29)
10:.:2.
43:2;
95:9
16. 3
99.-3
1.4.
96. 5.
3. 6.
4. 6.
10. 6.
16. 6,
24. 6.
6. 7
7:7.
16. 9.
20.9:
1::410.
5.10.
16. 1.
17. 109.
19. 10.
21. 10.
24. 10.
20. 10.
Zahl der Bomben-
Angriffe Abwürfe
Nrn
Tote
Verwundete
zuſammen
Nach einer Notiz vom 21. Oktober wurden bei dieſem Angriff zwei feindliche
Flugzeuge abgeſ<oſſen, die in Lothringen landeten.
1918.
Aus den amtlichen Berichten vom 18. Februar 1918:
„. - - Während die Abwehrmaßnahmen beim erſten und dritten Ueberfall die Wirk-
ſamkeit der feindlichen Flieger verhinderten, waren beim zweiten Ueberfall Verluſte an
Leben und Eigentum zu beklagen. In der Saarſtraße (Dillingen) ſind im Garten des
Sauſes Nr. 13 und den anſtoßenden Grundſtücken vier Bomben niedergegangen, von denen
drei Krepierten. . . Ein Bombenſplitter traf die in der Küche des Hauſes 13 (Hofſeite)
befindliche Frau Nikolaus Kiehn, Barbara, geb. Burger, geboren am 26. 10. 1874,
Mutter von neun Kindern, im Alter von 7--24 Jahren. Sie blieb ſofort tot. Eine weitere
Bombe zerſtörte das Haus Nachtweidſtraße 40 völlig; in der Herrenſtraße
wurden die drei Häuſer Nr. 26, 28, 30 ſtark beſchädigt. . “
Der nächſte Angriff war am 26. 2. 18. Die dabei abgeworfenen a<t Bomben fielen
hauptſächlich auf das Hochofengebiet der Dillinger Hütte. Von den Geſchoſſen explodierten
ſechs Stück; zwei Blindgänger blieben im Scienengleiſe liegen. Einer derſelben zeigt
wÄ
Dillingen: Volltreffer in einem Haus der Paulinenſtraße, wobei der Beſitzer verſchüttet
wurde am 13. 3. 1918.
"ELT
Saarkalender für das Jahr 1930
=
uns eiii ſeltſames Bild. Obwohl die Bombe auf eine eiſerne Schwelle aufſchlug, kam dieſe
jedoch nicht zur Exploſion, ſondern durchſchlug die Schwelle wie ein Stück Blech und blieb
dann darin ſtecken! "(Siehe Aufnahme!) -- In einem Bericht vom 13. März 1918 heißt
es: „. .- - Soweit bis jetzt feſtgeſtellt werden konnte, ſind ac<t Bomben niedergegangen.
Bier davon haben in der Paulinenſtraße erheblichen Schaden angerichtet. Das
Haus Paulinenſtraße Nr. 16 iſt völlig zertrümmert. Die Bombe ſcheint durch das Dad
und das Obergeſchoß bis in die Küche gedrungen und dort zur Entladung gekommen zu
jein. Wenigſtens deutet darauf der Umſtand, daß im Kellerraum des Nachbarhauſes
Damde die Giebelwand durchbrochen iſt. Während die übrigen Mitglieder ſich im Keller-
raum des Nachbarhauſes haben ſchüßen können, iſt Herr Kammer ſelbſt (der Beſitzer)
von den zuſammenfallenden Steinmaſſen verſchüttet worden.“
Zwei Bomben ſind einige Meter voneinander entfernt vor das Haus Nr. 28 gefallen
und haben dort zwei große Trichterfelder mit einem Durchmeſſer von 4,5--5 Meter und
einer Tiefe von etwa 1% Meter geſchaffen. Hierbei wurde die Waſſerrohrleitung durch-
ſc<lagen. Eine weitere Bombe, die das Haus Nr. 91 traf, durchſchlug hier das Dachgeſchoß,
das Ober- und Erdgeſchoß und blieb als Blindgänger im Fußboden des Kellers ſtecken. --
Von den am 9. Juni abgeworfenen Bomben fielen je eine in die Schulſtraße,
Blumenſtraße und auf den Eiſenbahndamm. Eine weitere Bombe fiel in den
Garten des Hauſes Lentes, Nelkenſtraße. Dabei wurde die Hinterfront des
Hauſes erheblich beſchädigt. Der Sprengtrichter der Bombe hatte einen Durchmeſſer von
ſieben Meter und eine Tiefe von vier Meter.
Bei dem Ueberfall am 13. Juni desſelben Jahres traf eine Bombe u. a. das Haus
Schubertſtraße Nr. 3, welches vollſtändig zuſammengeſchlagen wurde. Gleichzeitig
ſchlug eine Bombe in einen Viehtransport von 14 Stück Rindvieh. Durch die Splitter
wurden ſämtliche Tiere derart getroffen, daß ſie abgeſchlachtet werden mußten.
Ueberfälle 1918:
Zahl der Angriffe 95, Bombenabwürfe 85, Tote 3 und Verwundete 2.
Ein tragiſches Geſchick traf bei dem Angriff vom 2. September den Landſturmmann
Peter Gergen vom Landſturm-Infanterie-Erſatß-Bataillon XV1/8 Saarlouis. Bei
dem jtarken Abwehrfeuer ſchlug ein Blindgänger eines Abwehrgeſchüßes durc< das Dach
in die Küche und traf den genannten Landſturmmann, der ſich einige Tage bei ſeinen
Angehörigen in Fraulautern auf Urlaub befand, derart, daß der Tod auf der Stelle
eintrat. -- Nach einer Notiz wurden bei dem Angriff vom 16.. September ein Flieger an-
geſchoſſen, der bei „Serrig notlanden mußte. Am nächſten Tage gab es hier durd. eine
Exploſion der mitgeführten Bomben 12 Tote und 35. Verletzte. -- Jnsgeſamt ergibt ſich
folgendes Bild:
Zahl der Angriffe und Alarmierungen Bombenabwürfe
E/5
172
382
Tote Verwundete
4:
Soweit. die trockenen Tatſachen. Wieviel Elend, Kummer und ſchmerzvolles Gedenken
durch dieſe völkerrechtswidrigen Ueberfälle in unſer Gebiet hineingetragen wurde, kann
keine Statiſtik überliefern. Feſtgeſtellt iſt nur die Anzahl der direkten Opfer der feind-
lichen Bomben. Aber wieviel kranke und. altersſchwache Perſonen mögen ſich den Tod
allein ſchon durc< Aufregung und Erkältung beim Transport in feuchtkalte Keller geholt
haben?
Nachleſe.
Wie die Vorſehung manchmal die Geſchicke lenkt, zeigt folgende kleine Epiſode aus
ver Leidenszeit des Saarlandes während der feindlichen Ueberfälle.
mn |
er
Saarkalender für das Jahr 1939
Es war in Dillingen. Unaufhörlich krachten die Granaten der Abwehrgeſchüße,
zeitweiſe übertönt von dem dumpfen Donner der Bomben. -- Soweit man eben konnte,
batte jeder Unterſchlupf in den mehr oder minder feſten Keller geſucht. Wo jedoch ein
ſolcher nicht vorhanden war, drückte man ſich in die Zimmerecken, um wenigſtens Schuß
vor etwaigen Bombenſplittern zu finden. =- So war auch eine Familie im Stübchen ver-
ſammelt -- «ls plößlich eine Bombe das Haus traf und alles in Schutt und Trümmer
legte. Opfermutige Mannſchaften eilten troß der Gefahr herbei, um zu retten, was nod
zu retten war. Während man nun die ganze Familie faſt unverletzt retten konnte, blieo
vas jüngſte Glied derſelben, ein etwa 14 Jahre altes Kind, verſchollen. Unter äußerſter
Kraftanſtrengung räumt man vorſichtig weiter. Wer aber beſchreibt die freudige Ueber-
raſchung, als man unter zerſplitterten Balken und Steingeröll das totgeglaubte Kind
unverſehrt findet. -- Ein gewaltiger Querbalken war ſo über das Bettchen des Kindesz
gefallen, daß er wie ein ſchüßendes Dach über demſelben lag und die nachſtürzenden
Maſſen abhielt.
Das Reformationsfeſt
Von L. D.
Nein Vetter hat immer eine Marotte. Aber er verſteift ſich nicht auf die-
jelbe. Er wechſelt mit ſeinen Marotten. Einmal trinkt er keinen Tropfen
Alkohol mehr, ſondern nur Waſſer und er ſetzt ſeine Gäſte bei feſtlichen Gelegen-
heiten in Verlegenheit, indem er ihnen drei Gläſer hinſtellt und er ſelbſt ſitzt
hinler ſeinem Waſſerkrug verſchanzt: „J< trinke keinen Wein!“ Dann hat er
gelejen, Kalk ſei geſund. Nun ſoll die ganze Familie plößlich Kalk eſſen. Er
jtürkt die Nerven oder ſonſt etwas, alſo Kalk.
Seine Frau weigert ſich. Sie macht Marotten nicht mehr mit, ſeit ſie von
dem rohen Blumenkohl ſo krank geworden iſt . . . Das war im Frühjahr, als
mein Vetter ſich von Nüſſen und rohen Gelbrüben nährte und Rohkoſt auf
der Tagesordnung ſtand. Seine Söhne ſtehen vom Tiſche auf, ehe der Kalk
ſerviert wird, die kleine Ilſe weint helle Tränen, wenn Papa ſagt: „Wenn
du artig biſt, bekommſt du auch ein Stück . . . Kalk... “
„Papa, dann erbreche ich mich,“ ſagt das arme Kind. Es hat ſchon Familien-
auftritte gegeben um dieſes geſunde Nahrungsmittel, mit dem man ſo gut die
Obſtbäume düngt.
Seit er geleſen hat, daß in einer Stadt Mitteldeutſchlands die Leute
Schlange geſtanden haben, um aus der Landeskirche auszutreten, iſt er ein
eifriger Kirchgänger geworden. Jeden Sonntag Morgen um halb acht zieht
ſich Albert ſchwarze Glacehandſchuhe an und fordert die Familie auf, ihn in den
Frühgottesdienſt zu begleiten. Auch im Winter, wenn's regnet und ſchneit. Das
iſt einerlei. Mama weigert ſich, ſie will ſich keine Erkältung dort holen, die
Söhne ſchüßen ſportliche Veranſtaltungen vor und die blonde Ilſe hat ihre
Freundinnen eingeladen, ſie wollen kochen . . . „Kochen kannſt du immer,“
jagt der Vater im Gehrock, „jetzt marſch in die Kirche . . . Sor Alle . . . Mama
ouch . . .“ Sie bekommt den Mantel an und ſie gehen zur Kirche, die zwanzig
Minuten weit entfernt liegt. Und es gießt.
Eines Tages iſt eine Kuſine aus Düſſeldorf zu Beſuch gekommen und hat
das Haus auf den Kopf geſtellt. Es geht ſehr fidel zu und der Vetter, der gerade
ſeine wee ſMnerzliche Periode hat, wo er allem Weltlichen abhold iſt, ſchüttelt
den Kopf. Die Lachſalven im Eßzimmer gefallen ihm nicht. „Weshalb ſollen
wir traurig ſein, lieber Vetter?“ ſagt die blonde Düſſeldorferin, „ich habe
keinen Grund dazu . . “
|
upp] 3. dy
Saarkalender für das Jahr 1930.
Jn
Br TEGLERÄÖ:
„Am Sonntag gehſt Du doch mit?“ fragt er.
„Wohin?“
„Zur Kirche, um acht.“
„Dann ſchlafe ich Sonntags noch,“ ſagt die Kuſine.
Albert ſchweigt. „Am Sonntag, mache ich Euch alle darauf aufmerkſam, iſt
Reformationsfeſt, da. wird einfach gegangen, verſtanden?“
Niemand antwortet. Die Familie ſchweigt. Es iſt auch das beſte . . . Der
Sonntag naht. Samstag abends kommt Albert immer ſpät von der Fabrik.
Da iſt Auslohnung und allerlei vorzubereiten, er kommt dann nie zum Eſſen
heim. So haben ſie zu Hauſe das Grammophon aufgedreht, die Jungens holen
Wein herauf, Mama bringt Trauben und Nüſſe und enthüllt die friſchgebackene
Torte. Sie werden mal luſtig ſein heut, da Vetter Alberts Eſſigmiene nicht
ſichtbar iſt . . . Und man tanzt zum Grammophon . . . Auf einmal, gegen neun
Uhr, öffnet ſich lautlos eine Türe und der Vetter ſteht da. „Was geht denn
hier vor2“ fragt er mit einem vernichtenden Blick auf die fröhliche Tafel-
runde, die Torte und den Wein . ..
Alles ſchweigt. Nur die Düſſeldorfer Kuſine faßt ſich ein Herz . . . „O“2ber
Vetter, wir feiern eben h e ute ſ<on das Reformationsfeſt!“
ir
Morgengloden.
Wenn die WMorgenglode ſprit:
„Landmann, ſäume nicht!“,
Und der heimatlihe Klang
Weithin über Flur und Hang
WMahnt zur Pflicht,
Wenn der Hammerſ<lag
Grüßt den jungen Tag,
Und der Häuer eilt zur Shit:
Dann ruht Gottes Blick
Freundlich auf der Welt;
Und von Sonnenglück
Iſt ihr Tag erhellt.
Albert Korn, Saarbrücken.
Man muß die Feſte feiern wie ſie fallen! Das hört man oft von Leuten ſagen, die uns
von einer wohlgelungenen Feier erzählen und von den dargebotenen Genüſſen noh ganz
entzückt ſind. Es iſt heute auch kaum denkbar, irgend ein Feſt zu feiern, bei dem Speiſe
und Trank fehlen ſollten. Wie froh ſind deshalb alle, die ebenfalls zu einem Gaſtmahl ver-
pflichtet ſind, wenn ſie ſhon vorher wiſſen, was ihnen eine rückhaltloſe Anerkennung eintragen
wird. Das iſt nicht zulezt der würdige Abſchluß der Feſttafel mit einem köſtlihen Oetker-
Pudding, den man ſchnell und leiht aus Dr. Oetker's Puddingpulver herſtellen kann. Mit
vielen Sorten, von den einfachen bis zu den Oetker-Feinkoſt-Puddings, kann der anſprucs-
vollſte Geſ<Hmac> zufricdengeſtellt werden, =- Zur Kaffeetafel aber gehört der Oetker-Kuchen
oder die Detker-Torte, wenn ſie allſeitig befriedigen ſoll. Sie backen nach Dr. Oetker's leicht
verſtändlihen Rezepten wirklich kinderleicht und finden willkommenen Anhalt für die Aus-
ſtatiuno des Gebäks in den naturgetreuen farbigen Abbildungen in [Dr. Oetker's RezeptbuH,
usgabe F. Alle mit Dr. ODetker's Backpulver „Backin“ gebackenen Kuchen werden ſchön
groß, loKer und ſind leiht verdaulih. Jhre gute Bekömmlichkeit iſt ein nicht zu unter-
ſjhäßender Vorteil bei feſtlihen Gelegenheiten.
Saarkalender für das Jahr 1930
“ "="
Eine ſaarländiſche Faſtnachtsgeſchichte".
Von Liosbot Dill.
Wem er es zu verdanken hatte, daß man ihn, kurz vor dem Beginn
des Kölner Karnevals von Köln nach X. verſetzt haite, wußte er nicht. Er war
tief empört, mitten aus dem Getriebe einer rheiniſchen Großſtadt in einen Ort
verſeßt zu ſein, der ſich zwar Stadt nannte und auch ein Amtsgericht hatte,
aber wie ein Dorf ausſah, das nichts aufzuweiſen hatte an Reizen als das Gaſt-
haus „Zum Löwen“, in dem er mit den Bergreferendaren mittags aß.
Er hatte ſich vorgenommen, Karneval zu Hauſe zu bleiben, nichts davon
zu ſehen und zu hören, aber es kommt ja meiſt anders als man denkt. Adolf
Compes war Rheinländer, und es genügte eine Reihe Larven, die er an einem
grünen Wollfaden im Laden ſeines Friſeurs hängen ſah, um in ihm den
Karnevaliſten zu erwecken. Er hatte inzwiſchen auch entdeckt, daß es hübſche
Damen in dieſem Neſt gab, und daß es ſich vielleicht doh lohnte, einen Ball
zu arrangieren, obwohl er wenig Hoffnung auf deſſen Gelingen ſetzen durfte.
Er wurde jedenfalls in den Vorſtand der „Concordia“ gewählt. Sein Vorſc<lag,
einen Maskenball im „Löwen“ zu geben, drang durch ...
Sobald bekannt war, daß Referendar Compes, der einſt die „Prinzeſſin
Karneval“ im Faſtnachtszug zu Bonn dargeſtellt hatte, die Leitung des Balles
übernommen hatte, erwartete man große Dinge. Da ſich in X. nichts verheim-
lichen ließ, wußten bald alle Einwohner, daß die „Concordia“ einen Masken-
ball gab, und ein geheimnisvolles Treiben begann in den Straßen und Häuſern.
Beſorgte Mütter eilten troß des Sc<hneetreibens und der Dunkelheit abends
durch die Gaſſen, um Näherinnen zu erobern, andere durchſtöberten die Läden
nach glänzendem Atlas, rotem oder grünem Tarlatan, Samt zu Miedern und
Hauben. Die jungen Damen ſtickten in ihren Kränzchen ſtatt langweiliger
FCisdecken und Nachttaſchen Grethenhauben und Sibelleuſſügel, hefteten Silber-
ſhuppen und goldene Sterne auf Gewänder und Fräulein Binz gab einen
großen Damennaſſoe, Sie war die reichſte Dame des Städtchens und in ihrer
Jugend ſehr begehrt worden, aber ſie hatte keinen Mann dieſer Ehre gewürdigt,
ondern es vorgezogen, einſam in ihrer hochgelegenen Villa auf dem Bubbes-
berg, ſo hieß der Gartenberg, wohnen zu bleiben. Auf dieſem Kaffee erfuhr
man alles, was man vorher noh nicht gewußt hatte, Referendar Compes war
der Löwe der Geſellſchaft geworden, denn die Vorbereitungen zum Ball hatten
egonnen.
Der Verein „Concordia“ ſchwoll plößzlich an wie ein Bach nach einem
Gewitter. Leute, die ſeit Jahren ausgetreten waren, meldeten ſich ſchleunigſt
wieder an, andere, die ſich ſeit zwanzig Jahren nicht mehr in den Feſträumen
des „Löwen“ hatten blicken laſſen, erſchienen und verlangten ihre Eintritts-
karten. Familien, die mit vier Töchtern geſegnet waren, bekamen auswärtigen
Beſuch; Nervöſe, die ſonſt wegen eines Piſtonbläſers in der Nachbarſchaft an
die Polizei ſchrieben, wollten ſich „die Sache auc; mal anſehen“. Seit das
Schild „Karten zum Maskenball ausverkauft“ an allen Schaufenſtern hing,
drängten ſich täglich immer neue Scharen hinzu. Der Wirt mußte den Saal
ſchließen. Leute, von denen man glaubte, daß ſie das Zeitliche längſt geſegnet
hätten, verlangten dringend Eintrittskarten. Das Telephon im „Löwen
klingelte vom Morgen bis zum Abend. Man lauerte Compes auf, wenn er zum
Amtsgericht ging. Um die letzten Karten gab es ſogar eine Prügelei, bei DEr
*) Dieſe Skizze beruht auf einer wahren Begebenheit, deren Hauptperſonen heute nod)
leben. Hoffentlich haben ſie Humor genug, ihr Pech heute mit fröhlichem Lachen zu quittieren,
zumal Orts- und Perſonennamen rückſichtsvoll verſchleiert ſind.
M
Saarkalender für das Jähr 1930
dem Proviſor der Apotheke der Kneifer zerſchlagen wurde. Kurz, X. ſtand auf
dem Kopf. Herrn Compes blieb die Ausſchmückung des Saales überlaſſen, die
Dekorationen waren veraltet, er ließ neue malen, man ſprach von großartigen
Ueberraſchungen, ſogar von einer Rutſchbahn, als dem „Clou“ des Abends.
; Der Friſeur Duft flog mit Brenneiſen und klappernden Scheren DUrd)
die Straßen, die jungen Damen übten Blues und den neueſten Charleſton
initeinander, die Nähmädchen ſchliefen des Nachts in ihren Kleidern auf Tar-
latanwolken und Flitterſtoffen und die Mütter trugen Papilloten im Haar.
Der Feſtabend war gekommen, es ſchneite dichte Flocken. Um neun Uhr
ſchlüpften die erſten Masken vermummt und eilig in den hellerleuchteten „Gol-
denen Löwen“. Die Fenſterreihen des Tanzſaales ſtrahlten hell in die dunkle
Winternacht. Eine bunte, kniſternde, rauſchende und waffenklirrende Schar
Seeräuber, ſpaniſche Ritter, Meerkönige, Tirolerinnen, Schäferinnen, Rokoko-
damen, Rotkäppchen und Nixen wallten und wogten die enge Treppe herauf.
In den Garderoben ſchälten ſich aus braunen und grauen Hüllen lichte Shmetter-
linge aus der Raupe, Engel mit Flügeln, Fiſcherinnen und Königinnen mit
langen Schleppen, goldenen Kronen und bunten Blumenhüten. Alles drängte
nach der Rutſchbahn, die inmitten des Saales aufgeſtellt war. Die Muſik blies
einen Tuſch, alles verſtummte, die Flügeltüren flogen auf und in königlicher
Haltung, mit einem hohen Turban und klirrenden Waffen und einem unge-
ſeuren, mit falſc<en Edelſteinen beſezten Krummſäbel, in weiten ſeidenen
luderhoſen, betrat ein großer, ſtattlicher Türke mit ſchwarzem Bart den Saal.
Referendar Compes, Arrangeur des Abends, wandte ſich an die nächſt-
ſtehende Dame, eine zierliche Polin, die in roſa Seide, in einem etwas zu
kurzen Roc, aber mit ſehr kleinen Füßen, am Eingang ſtand, verneigte ſich und
ſchwang ſich mit ihr als erſter auf die Rutſchbahn.
Damit war das Eis gebrochen und die Bahn eröffnet. Die anderen
Rletterten hinterher und kamen in ſauſender Fahrt herabgeſchoſſen. Aber man
hatte vergeſſen, auf den Fußboden ein Polſter zu legen und die Polin, die
zuerſt unten ankam, ſchrie plößlich hellauf. Alle hielten das für einen Freuden-
ſchrei und ſtimmten ein. Niemand bemerkte in dem Gewühl, daß der Türke
ſich unterdeſſen bemühte, der Polin aufzuhelfen, die ſich an ſeinen Hals klam-
merte und wimmerte: „O Gott, o Gott! Mei Been, mei Been . . .“
Es war unmöglich, einander bei dem Gedränge und Stimmendurceinan-
der zu verſtehen. Er brachte ſeine Dame nach der Garderobe und half ihr auf
as Sofa.
„Ach Gott, im glaab, im han mei Been gebro<h!“ jammerte die Polin.
Bergeblich ſuchte der Türke ſie zu beruhigen. Sie wiegte ſich hin und her, rief
nach Hilfe, weinte und wollte nach Hauſe.
„I< werde Jhnen einen Wagen holen,“ rief der Türke und ſtürzte
hinaus. Mit klirrenden Waffen durcheilte er die Säle, das Billardzimmer, das
Kaffeezimmer, niemand hörte auf ſeine Rufe. „Jawohl, jawohl“ riefen die
Kellner und eilten mit fliegenden Rokſchößen davon. Jeder war beſchäftigt.
Aus dem Tanzſaal dröhnte Muſik und das Schleifen von Tanzſchuhen. Die
Wagen waren alle wieder fortgefſahren. Der Omnibus des „Löwen“ ſei auf dem
Bahnhof, ſchrie ihm der Hausknecht nach.
So machte er ſich denn auf den Weg nach dem Bahnhof. Mit großen
Schritten ſtrebte er durch den Schnee, der flokend auf ſeinen Turban ſank.
Und ſeine Ritterlichkeit wurde belohnt. An der Weggabelung begegnete er dem
zurückkehrenden Omnibus, der leer wiederkam und er ſprang hinein.
Eine halbe Stunde ſpäter ſaß die Polin wohlverladen, eingemummt bis
ans Kinn, in dem Omnibus.
„Wohin fahren wir?“ fragte der Großmogul mit dem beſchneiten Turban.
Fi
]
Saarkalender für das Jahr 1939
„Auf den Bubbesberg,“ rief die Polin. „Eine Villa in einem Garten,
ganz oben.“
Der Omnibus arbeitete ſich dur<h den tiefen Schnee. Auf der Bahnhof-
ſtraße brannten einige Laternen, dann hörten ſie bald auf, denn der „Bubbes-
verg“, eine Villenkolonie, lag weit draußen vor der Stadt. Auf dem ganzen
Weg jammerte die Polin ſehr. Endlich hielt der Kutſcher vor einem Hauſe,
das dunkel in einem Garten lag. Die Polin regte ſich unter ihren Hüllen.
„Da ſin mer. O jeſſes, mei Fuß . . . Wann Sie nur das Schloß uffkriege,
Sie nahe es ganz falſch, das Schlüſſelloh is viel weiter unne. Jeſſes, jo, na,
jeßt gehts.“
Das verſchmitte Schloß öffnete ſich widerſtrebend und die Tür tat ſich
auf zu einem beſchneiten Garten. Der Türke führte das jammernde Fräulein
vorſichtig über Kohlköpfe und Buchsbaumrabatten ſtolpernd und die Polin
jammerte unaufhörlich: „Mei Fuß, mei Fuß = -- Un mei Mädche is nit dahem,
das is danze gang . . . das kummt vor morjen frieh nit hemm. Die Diehr is
verſchloß, awer der Schlüſſel leiht unner der Matt. Han Sie ihn? Na, endlich.“
Auch dieſe Tür tat ſich endlich auf, ein dunkler Flur und ein Treppenhaus
wurden ſichtbar. „Wo ſin die Wachsſtreichhölzher?“ jammerte die Polin. „Gen
Se mer Jhre Arm, ſo!“
Oben war alles dunkel. Sie fanden in einem mit Sitßmöbeln angefüllten
Salon ein Sofa, worauf ſich die Polin niederließ, während ſich der Türke
auf die Suche nach Streichhölzern begab. Er tappte durch dunkle Räume, ſtieß
ſeine Knie an ſpißen Tiſcheken, geriet an ein Goldfiſchbaſſin, an einen Leim-
topf, fand Ofenrohre, Schlittſ<huhſchlüſſel, Nagelbohrer, aber die Streichhölzer
fand er nicht . . . „So Männer ſin doh zu ungeſchickt, die ſin zu nix zu ge-
brauche. In meinem Schlofzimmer miſſe ſe ſin! Gleich unner der Standuhr uff
der Kommod! O Jeſſes, ich halt es nit mehr aus.“
A Gott ſei Dank, da waren ſie au<. Er entzündete ſie und ſuchte die
Lampe.
„In der Kich uffem E«Kdiſch ſteht die Lamp, gleich am Eingang.“ . . . Ein
Eimer raſſelte, ein Stuhl wurde geſchoben, dann hatte er auc<h die Lampe.
Aber es war kein Petroleum mehr darin . . . „Das Petroleum is in der Speiſe-
kammer, gleich links is die Diehr, der Schliſſel hängt an der Wand, dort ſteht
die Kann, gieße Se nur in.“
Die energiſche Dame kommandierte. Der Großmogul gehor<te grimmig,
aber hilfsbereit, weil er ein Türke war . . . Er fand die Kanne, es gelung ihm,
die Lampe zu füllen, ohne UÜbernößin viel Petroleum zu verſchütten. Die Lampe
brannte endlich, er ſchraubte ſie hoh. Dann ſtreifte er die Aermel auf und
trat entſchloſſen vor.
„Es wird ſich um eine Verſtauchung handeln, ich werde ſofort = =“
„Bleiwe Sie mir um Gotteswille vom Leib. Der Sanitätsrat ſoll kumme.
Hole Sie ihn! Aber ſchneide Sie mir erſcht de Schuh uff. Ich halts nit me aus.
Die Schere leiht im Nähtiſch im dritt Zimmer am Fenſchter in der zweit Schub-
ad links.
Der Türke ſtieß in den dunklen Zimmern umher wie ein Seefahrer im
Nebel und ſuchte nach dem Nähtiſh. Er fand die Schere und ſchnitt den Schuh
auf. Die Polin atmete erleichtert auf, trocknete ihre Tränen und hörte zum
erſtenmal mit Jammern auf. ..Emohl Faſenacht und nit wieder,“ ſagte ſie und
lehnte ſich ächzend in das Sofa zurück. In dem Referendar regten ſich ähnliche
Gefühte, aber er ſchwieg. Als er aus dem Hauſe trat, war der Wagen fort-
gefahren.
Er eilte die ſteile, dunkle Gaſſe hinunter in die Stadt zurück, um den
Doktor zu ſuchen. Der Scnee trieb ihm ums Geſicht und in die Augen, er
keuchte den Berg hinauf nach dem Lazarett, aber dunkle Fenſter, geſchloſſene
di
Saarkalender für das Jahr 1930
Läden empfingen ihn. Der Sanitätsrat war eben erſt aus dem nächſten Dorf
heimgekommen, hatte ſich einen Punſch gebraut und ſich dann ſchlafen gelegt,
als ihn dröhnende Schläge an die Haustür weckten und lang anhaltendes Geläut
der Hausglocke. Mißmutig ſteckte die alte Wirtſchafterin ihren mit einer Nacht-
müße bekleideten Kopf heraus und verkündete: „Da unne ſteht e Tirk mim
e große Säwel.“ Offenbar ein Verrückter, der den Herrn Sanitätsrat zu
ſprechen verlange.
„Schick den Kerl zum Deiwel,“ knurrte der Sanitätsrat und drehte ſich
auf die andere Seite. Der Türke donnerte gegen die verſchloſſene Tür und
ſprach von Menſc<henpflichten, er ſchellte ſo fürchterlich, daß der Sanitätsrat
ſic) aus ſeinem warmen Bett fluchend erhob. Er ſprach kein Wort unterwegs
und der Türke auch niht. Sie ſtolperten über die erfrorenen Kohlköpfe des
Binzſc<hen Gartens, fanden die Haustür, die dunkle Treppe. In einem erleuch-
teten Zimmer auf dem Sofa ſaß die jammernde Polin, die verzweifelt ihren
Fuß in den Händen hielt.
„Endlich,“ rief ſie, „das hat ja gedauert! J< bin ſchon faſcht geſchtorb.“
Aber der Türke blieb erſtarrt auf der Schwelle ſtehen: die Dame hatte
doh vorhin weißes Haar gehabt und ein roſa Atlaskleid? Vor ihnen ds eine
Mohrin mit ſchwarzem Haar, ſchwarzen Händen, ſchwarzem Kleid und ſchwarzen
Stiefeletten, auf ihren Wangen hatten die Tränenſpuren lange ſchwarze Striche
gezogen und das Zimmer ſah aus wie ein Bergwerk, es war erfüllt vom dunklen
Rauch der qualmenden Lampe, die er zu hoch geſchraubt hatte.
„Die Lamp blakt wie dortig.“ Die Polin wies mit ihren ſchwarzen
Händen nach dem rauchenden Schlot der kleinen Lampe. „Ja, guck Sie nur,“
wandte ſich die Polin an den Türken. „Wie Sie mich zugericht han!! Und ich
kann mich nit bewege. O Jeſſes, wann ſo ein Mann ebbes macht! Mei jchrene
Möwel, meine gutte helle Seſſel, wie ſieht das aus! Kohlſchwarz geblakt von
der Lamp... .. die Decke, Tapete, Kille ...“
Als die Polin abgewiſcht und geſäubert war, unterſuchte der Sanitätsrat
den verſtauchten Fuß. Sie trugen die Polin gemeinſam zu Bett, der Türke
ſchürte das Feuer, hielt die Lampe, holte Waſſer aus der Küche, trug Schnee
aus dem Garten herbei, rollte Bandagen auf und lief in die Apotheke En
eilte, um eine T-Sciene zu holen, nach dem Lazarett, und muſte den Wärter
aus dem Schlaf trommeln. Als er, die T-Schiene unter dem Arm, durch den
Garten ſtürmte, bemerkte er, daß er den Weg bereits kannte, er ſtolperte nicht
mehr über Kohlköpfe und Buchsbaum.
Der Wintermorgen dämmerte. Es war Aſchermittwoch, Tag der Buße
nach fröhlich durhwachter Nacht, als der Sanitätsrat das Haus verließ, auch
das tanzluſtige Mädchen war nun heimgekehrt. Die Polin lag, befreit von
Schmerzen, ſanft entſc<hlummert von den Aufregungen ihres Karnevals in dem
Alkoven, den Fuß in der Sciene, die Lampe blakte nicht mehr, und der Türke
konnte nun auch nach Hauſe gehen.
Den mit falſchen Edelſteinen beſetzten Säbel an der Seite, ſchritt er
dur< die morgenſtillen Gaſſen, in naſſen Schuhen, einen feuchten, ſchiefſigenden
Turban auf dem Haupt . . . Alle Häuſer hatten die Augen geſchloſſen, auch im
„Löwen“ war die Tanzmuſik und das Johlen der Masken verſtummt, die
Lichter wurden eben gelöſcht, eine bunte Konfettiſpur zog ſich durch den Schnee
über die Treppe, und die letzten Masken verließen eben das Haus. Als ſie dann
den langen Türken in ſeinen ſeidenen Pluderhoſen die Straße entlang kommen
ſahen, ſchwenkten ſie ihre Hüte: „Hurrah, es lebe der Großmogul! Ein herr-
liches Feſt! Wir danken auch ſchön, wir haben uns ausgezeichnet unterhalten.
Gute Nacht, gute Nacht!“
: Der Türke warf ihnen einen wilden Blick zu, aber er mußte ſo oft hinter-
einander nieſen, daß man ſeine Antwort nicht mehr verſtand . ..
“ü
)
Saarkalender für das Jahr 1930
4.4
/
1 ""
M
FE OA
7
(Der hoc<hbetagt verſtorbene Herr Garellh machte jeden
Tag ſeinen Tritlerſpaziergang und fühlte ſich friſch und
geſund. Gefragt, welcher Arzt ihn behandelte, antwortete
er: „Ei, der Herr Dokter Triller!
Wenn du kummſchd vun Röchlings Brü"
Un gehſchd weiter .durc<'s Gebüc,
In'r Richtung Lerchesflur,
Oann haſchd du die richtig Spur,
Dann biſchd du, das merke dir,
In Dokter Trillers Haaptquartier.
Such' nur jo kei Wartezimmer ;
Denn de Dokter, de hut immer
Dune Bääm un Sträuch un Hede,
hut ſich vor de Leit verſteke,
Un beeinflußt ſyſtematiſch dere Krankhät telepathiſch.
Alles macht er ganz umſunſcht,
Is froh, wenn du widderkumm]<d.
Doch ſei Kur ſin ohne Qual, dafür awwer radikal.
Sei Rezept ſin Licht un Luft, Bogelſang un Blieteduft.
Un de gudde Mudder Orien fawwreziert de Medizin
Meiſchdens muß e Patient
Emſig rühre Bään un Haus,
Itpweral zu jeder Zeit ſicht mer darum fleiß'ge Leit :
Grawe, hake, reche, ſäe, planze, poſſe, ernte, mähe
Buddle, huddle, knoddle, zawwle
Troſſe, trappe, ſchaffe, krawwle.
Ann're gehe fein ſchpaziere,
Dhun die Schaffer inſchpiziere, |
All die Leit auf weider Flur ſin in Dokter Trillers Kur
Holle ſich dort rote Backe,
tärte ſich vum viele Place.
Rumme's häm dann, mied un matt,
Kriehd ſe ball kä Menſch meh ſatt,
Sin zefriede, ſtillbergniegd, -
Rönne ſc<loofe wie gewiegt.
Ernſt Paul, Saarbrücen-
k'
I inh
/-
i.-
||
+
]
:
)
,
J
-
in:
Saarkalender für das Jahr 1930
=»
Militäriſches aus alter Fürſtenzeit.
Von R. Rud, Rehänek,.
Das Preußiſche Staatsar<hiv in Koblenz verwahrt zm Saarbr. Rep. u- a, mehrere
vergilbte Üktenſlüke aus der Bliesgegend, die uns ein vortreffliches Bild der ver-
worrenen Zeitverhältniſſe des 18. Jahrhunderts entrollen. .
Erſchienen da eines guten Tages anno 1755 im damals noch pfalzgräfl.-zweibrückiſchen
Dörfchen Bliesransbacd einige Franzoſen in voller Uniform und errichteten im Dorf-
wirtshaus ein militäriſches Werbebüro. Luſtig wirbelten die Schlägel auf der Trommel
und lockten alt und jung herbei. --
Freigiebig aber traktierte man die ſtämmigen Bauernburſchen mit Branntwein.
Hei! Wie gleißte da auf einmal die blitßſaubere Uniform der Werber =- wie lockten
plößliG verführeriſch die als Handgeld verſprochenen Silberlinge!
Bis ſich dann endlich einige Burſchen anwerben ließen. . .
Was ſcherte ſie das Poltern der Bauern, das Weh im verhärmten Antliß der Mutter,
vie verſtohlenen Tränen der Dorfliebſten? --
Ein wildes Soldatenlied auf den Lippen -- ſo zog ein kleiner Trupp aus der Heimat
der nahen Grenze zu. . .
Pflichtſchuldigſt hatte der Dorfmeier das Eintreffen der fremden Werber nach der
Reſidenz Zweibrücken berichtet. Als dann endlich der berittene Eilbote mit dem
Befehl):
„Gerichtsmann Matthis Becker hat denen recrutten, welche angeworben
worden, bey Verluſt ihres Vermögens anzubefehlen, daß ſich keiner
unterſtehen ſoll, mit weg- und außer Landes zu gehen, auch der Werber, fallß
er nochmals dahin kommt, arretieren zu laßen und ſogleich durch einen
erxpretten anhero zu berichten“
wieder in der Gemeindeſtube ſtand -- waren die fremden Vögel ausgeflogen und mit ihnen
die angeworbenen Bliesransbacher Burſchen. --
Unter einer Kanzleitätigkeit, wie ſie gründlicher nur in jener pedanttſchen Zeit
gehandhabt werden konnte, ſollte nun das. Vermögen der jungen Burſchen, „die ohne
Herrſchaftliche Erlaubnis unter franzöſiſche „Trouppes“ als Soldaten ſich hätten engagieren
laſſen, nemblich
Matthias Nieß, Hanß Nickel Nießen daſelbſt Sohn,
*?g9ghannes Beer, Johannes Beeren allda Sohn, und
7acob Catz, Johannes Caßzen allda Sohn“
mit Beſchlag belegt werden. Da aber die Eltern der Miſſetäter noch alle am Leben und
die Vermögen unter den Kindern noh nicht aufgeteilt waren, verfügte die zweibrückiſche
Regierung, daß die Angelegenheit einſtweilen beim Alten bleiben ſollte.
Somit hätte nun dieſe ganze Werbegeſchichte vielleicht ihren Abſchluß gefunden --- wenn
nicht ausgerehnet um dieſe Zeit die alten, ſeit vielen Jahren zwiſchen den beiden Landes-
1) Staatsarc<iv. Abt. 22 St. 3537.
4
|
?
| .7
4
Saarkalender für das Jahr 1939
regierungen Pfalz-Zweibrücken und Naſſau-Saarbrücken beſtehenden Grenaſtreitigkeiten
einen friedlichen Abſchluß gefunden hätten.
Bis zum Jahre 1755 war nämlich die Herrſchaft Homburg gemeinſchaftlicher Beſitz
von Naſſau-Saarbrücken und" Naſſau-Weilburg. Die im Jahre 1714. verfügte Schleifung
der alten Feſtung Homburg, die zudem von dem übrigen fürſtlichen Herrſc<haftsgebiet
getrennt lag, machte den Beſitz für Naſſau-Saarbrücken ziemlich wertlos. Fürſt Wilhelm
Heinrich (1741-1768) verzichtete nun im Jahre 1755 auf ſeinen Homburger Anteil?)
zugunſten Pfalz-Zweibrücken und erhielt von dieſem die Dörfer Niederbexba,
Frankenholz und - Bliesransbad, womit gleichzeitig die leidigen Grenz:
ſtreitigkeiten ihr Ende fanden*).
Der neuen Herrſchaft wurden nun etwa ein Jahr nah der erfolgten Werbung eben-
falls ein „Pflichtmäßiger Bericht“ von den damaligen Vorfällen gemacht und gleichzeitig
um „Verhaltungsordre“ gebeten, da durch den inzwiſchen zuſtanden gekommenen Gebiets-
austauſc<h die Frage entſtanden ſei, „ob die ehemalige Zweybrückiſche oder nun-
mehrige hießige Landes Herrſchaft ſothane Strafen zu erheben habe?“ -- Die Zwei-
brücker würden ohne Zweifel darauf hinweiſen, daß ſie allein zur Erhebung der Strafen
berechtigt ſeien, da „ſolHhedur<die AnnehmungfremderKriegsdienſten
bereits verwürkt und nur deren Erhebung differiert ſeye und es allhie hieße:
dies cedit Sed nondum venit.“ --
Die fürſtliche Regierung zu Saarbrücken aber klärte dieſes Dilemma durch den
ſalomoniſchen Beſcheid: die in Frage kommenden Erbverfälle ſind einſtweilen zu notieren;
nach erfolgtem Tode der Eltern würde es ſich zeigen, ob von Pfalz-Zweibrücken Rechts-
anſprüche darauf geltend gemacht werden! --
Während die Vermögensanteile der beiden Burſchen Nieß und Beer tatſächlich
ſpäter von Saarbrücken eingezogen wurden, berichten die Akten, daß das Erbteil
des ebenfalls in franzöſiſche Kriegsdienſte getretenen und dann im fernen Lande ver-
ſtorbenen Jakob Caß*) auf Fürbitte des fürſtlichen Oberamtes dem „noch lebenden
ſehr alten und gebrechlichen Vatters zum eigenen Unterhalt gdt (gnädigſt) verabreichet
werden moechte“, was dann durch folgenden Erlaß des Fürſten Lud wig (1768--1793)
bewilligt wurde:
„Wir verwilligen vorwaltenden Umſtänden nach hiemit gnädigſt, daß das
cubricirte dem Fisco ſonſt verfallen geweſene Erbtheil wieder freygegeben und
des verſtorbenen Cazenes noh lebenden alten gebrechlichen Vater zur beßeren
Subſiſten3 überlaßen und ausgehändigt werde,
Saarbrücken den 22 Okt. 1771
LEP Zi INNSS-“
(Ludwig, Fürſt zu Naſſau-Saarbrücken.)
2) Mit Ausnahme der Dörfer Ober- und Mittelbexbach.
3) Vergil. Ruppersberg, p. 195.
*) Von derſelben Familie ſtanden alſo zwei Brüder, Jakob und Franz, im, franzöſiſchen Sold.
Eins diesbezügliche Notiz berichtet, daß der Letztere bereits vor der Publizierung des Verbotes
in fremd2 Kriegsdienſte getreten und deſſen Vermögensanteil alſo nicht konfisziert werden konnte.
1 E
SGESETS
en W
3 A
ES
B.
F
815
4,
.“.
y"
Ae
„.
45
a
EN
„“
+
>
"8
M regraum
der zur Einweihung
des neuen St. Johanner GotteSackers
am 24. Juni 1846 ſtatt findenden Heyer.
Sum TEN: EN IEE EN, Eat IN 473 P EE 3 umme
8. 1:
3: Theilnehmer der Feyer verſammeln ſih an Dem genannten Tag,
des Nachmittags um 3, Uhr in der evangeliſchen Kirche zu St, Johann,
EN *
Um 4 Uhr begiebt ſich die Verſammlung unter dem Geläute der Glocken
und Muſikbegleitung in feyerlihemſZuge nach dem bisherigen Beerdigungs
plaße.
Hier wird die Feyer mit AbſiFimg Ves Liedes Ak W9B8 (ih. Sefa
buches: „O wie ſelig ſcyd ihr doch ihr Frommen“ c. eröffnet, ſodann
eine Mede gehalten, Darauf das Lied: „Wie ſie ſo ſanft ruhen“ von
dem Sängerchore vierſtimmig geſungen und zulekzt mit Gebet und Segen und
dem vierſtimmigen Beſange: „Auferſtehn wirſt du“ der alte Gottesacker
für ſeine bisherige Beſtimmung geſchloſſen.
" ir
er Es
Hierauf zieht die Verſammlung unter dem Geläute der Glocken, unter
Abſingung des Liedes wa 279: E3 iſt noch eine Nuh' vorhanden“ und
mit Muſikbegleitung nac dem neuen Gottesacker.
8, 3.
. „Sobald ſie auf demſelben angekommen iſt, ſingt die. Gemeinde da3 Lied
Na 252: „Die auf der Erde wallen.“ Darauf wird eine veſonvere Feſt:
liturgie mit vierſtimmigem Chor abgehalten, durch Gebet und Predigt der
heue Gotteöacker eingeweiht und die ganze Feyer mit dem vievſtimmigen
Thorale;. „Jeſus meine Zuverſicht“ und dem Segen beſchloſſen.
Borſtehendes Dokument iſt im Beſitze des Herrn Julius Becker, St. Johann.
Ti
|
Mir = ui
Saarkalender für das Jahr 1939
Das Rezept .
Von Liesbet Dill.
Bis heute hat er noch nicht begriffen, weshalb ihm eigentlich gekündigt di
und weshalb der Herr des Hofes ihn damals mit ſo wütenden Augen angebrüllt
hat: „Hinaus, hinaus, mit Euch . . .“ und ſo oft ers im Wirtshaus den Freunden
erzählt, weiß er nicht, weshalb ſie das noh lächerlich finden. Denn es iſt gewiß
nichts Lächerliches dabei, wenn einer Halsentzündung bekommt, mitten in der
Weinleſe, wo man ſie wahrhaftig niht gebrauchen kann, beſonders wenn ein
geſegnetes Jahr iſt, wo ſie nicht Fäſſer, nicht Arme und nicht Kübel genug
hatten, um den Wein zu faſſen . ..
Es regnete und war kalt, wie meiſt zur Leſe an der Saar, die Männer
hatten Wollſ<hals umgewickelt, die Frauen ſtanden in dicken wollenen Jacken
zwiſchen den feuchten Reben. Und der Herr war überall dabei und beaufſichtigte
das Leſen, aber in hohen Waſſerſtiefeln und einer Lederjoppe.
Wenn man in der Stadt krank wird, holt man den nächſten beſten Doktor,
in zehn Minuten iſt er da mit ſeinem Auto. Aber hier auf dem abgelegenen
Hof, der keine Bahnſtation hat, iſt 5as nicht ſo einfach, ein Telephon beſeß
Bulles damals noch nicht, als die Geſchichte paſſierte. Alſo, der Herr hatte ſi
hingelegt, mitten in der Leſe und konnte nur noch ganz leiſe flüſtern, was
man an ihm wahrhaftig nicht gewöhnt war. Er glaubte ſchon, es ſei hin mit dem
Reſpekt, denn der Joſeph machte ſo ein albernes Geſicht, als er den Herrn im
Boit ſien ſah in den dicken Federkiſſen. das wollene Halstuch umgeſchlunger.
„Was grinſt Jhr, he?“ ſagte der Herr mit unnatürlich demütiger und leiſer
Stimme. „Was iſt da zu gloßen? I< hab Fieber, ich lieg niht zum Spaß im
Bett.“ Und er erteilte dem Sepp den Auftrag:
„So raſc<; wie möglich das Gefährt aus dem Stall, den beſten Schimmel
vorgeſpannt und zur Stadt gefahren, zum Doktor.“ Von dem ſoll er ſich das
Rezept für den erkrankten Hals geben laſſen und ſo fix wie möglich heim-
kommen. Und der Sepp hatte geſagt: „Jo, jo, Här, ich machenet ſchon ſo . . .“
Er bekam es noc<hmal expliziert von der dicken Amie, der Haushälterin, wo der
Doktor wohnte, denn der Joſepp war aus der Eifel und noch in ſeinem Leben
nicht in der Stadt geweſen. Und er fuhr los, in die neblig-feuchte Nacht hinein ..
Die Abendglocken läuteten, als er aus dem Hof fuhr, und der fiebernde
Harr mit ſeinem geſchwollenen, brennenden Hals rechnete aus: dreiviertel Stond
hin, dreiviertel zurück, eine Viertelſtunde für den Doktor, eine halbe in der
Apthek, alſo kann er in zweieinhalb Stunden zurück ſein. Und er legte ſich ver-
dieht wieder hin.
. Die Stunden rannen unendlich langſam dahin. Der Kranke ſah immerfort
nach der Hör: er fluchte leiſe -- laut ging es nicht mehr -- vor ſich hin. Die
Amie, die ihm heiße Milc< brachte oder ihm einen Löffel Honig aufnötigte,
verſuchte ihn zu tröſten. Sie fragte, ob ſie ihm etwas zum Zeitvertreib aus der
Bibel vorleſen dürfe, aber auc, dazu war Herr Bulles nicht in Stimmung.
Nicht einmal den „Saarkalender“ wollte er ſehen . . . Er wollte, daß der Kerl
aurückkäme und ihm die Arznei brächte, daß er ſein Halsweh loswürde und
wieder Stimme bekam. Er lauſchte angeſpannt auf das Rollen eines Wagens
und ſah fortwährend nach der Uhr .. . . Er ſchwißte und dachte an den Sepp
mit dem Schimmel, der oft ſeine Mucken hatte. Sollte etwas paſſiert ſein
unterwegs? Endlich, endlich hörte man das Rollen eines Wagens. Es näherte
ſiH. . . . Und bald darauf ratterte ein Wagen in den Hof. Oben auf der Treppe
ſtand die Amie und rief in den dunklen Hof: „Biſt Dau et, Sepp?“
„J9, ich bins,“ antwortete die Stimme des Knechts aus der Dunkelheit.
„Haſte alles Kritt 2“
=
„1
Aufnahme von Wax Wenß.
Ulanendenkmal auf dem Sc<loßplaß.
Aufnahme von Max Wenß
Altes Denkmal der Siebziger im Ehrental.
Tr 3 3HAHA
Saarkalender für das Jahr 1930
„Ic, ich hannet.“ Man hörte das Wiehern des Pferdes und der Knecht kam
die Treppe herauf. Er tappte in die hellerleuchtete Schlafſtube, wo ſein Herr
mit rotem Geſicht und geſchwollenem Hals, verpackt wie ein Wattebündel, in
ſeinem Bett thronte und ſchwenkte triumphierend einen langen Zettel, worauf
mit zierlicher, nur für einen Apotheker lesbarer Schrift einige Buchſtaben
hingemalt waren. „Da han ich das Rezept.“ |
Der Herr fuhr aus ſeinen Kiſſen auf . . . „Das Rezept?“ ſagte er. „Na,
und die- Medizin? Wo habt Jhr die?“
Sopp ſtand erſtarrt. Medizin? Davon hatte man ihm nichts geſagt . . . Er
war zum Doktor gefahren in ſchnellſtem Trab, daß der Schimmel faſt unterwegs
auf der Höhe krepiert war und hatte den Doktor zu Haus getroffen, der hatte
ihm das gewünſchte Rezept eingehändigt und er hatte damit Kehrt gemacht
unv war zurückgerattert, „ſo fix et ging.“ Und das da, hatte der Doktor geſagt,
ſoilte der Här alle Stond dreimal im Hals gaukeln. Und er ſchwenkte den
PRapierzettel.
kit „Und die Apthek 2?“ ſchrie Bulles, der ſeine Stimme plößlich wiedergefunden
atte.
„Die Apthek ?“ Aber, davon hatte ihm doch kein Menſc< etwas geſagt.
„Wat wäs ich, wat en Apthek is . . .“
„Hinaus,“ brüllte der Herr. „Hinaus!“ Und die Amie hatte erbleichend die
Hände überm Kopf gerungen, weil Sepp mit ſolcher raſenden Schnelligkeit das
Rezept beſorgt hatte.
Seitdem war's Na Ende mit ſeiner Dienſtzeit auf dem Hof. Mitten in der
Weinleſe . . . Die Menſchen ſind undankbar, denn der Joſepp kann doch nichts
dafür, daß er noch nie in einer Apotheke geweſen iſt . .
Wiegenlied
Von Otto Bruchhaus.
(Neunkirhner Mundart.
Schloof Kind<he -- ſchloof,
Mach ſcheen dei Aue zu;
Schdeck dir dei Deimhe
Enn dei Mund
Unn träum enn ſieſer Ruh.
Sc<loof gud, mei Liewer,
Unn ich bitt',
Loß heid dei Kreiſcherei,
Verſchdrammbel mir
Die Kiſſe nedd
Un treib kä Deiwlerei.
Unn wann de muſchd
Irgend wo hien,
Dann duh dei Mudder
Wecke,
Unn loß dei Vadder
Scheen enn Ruh
Sich no e bisje
Schdrecke. :
Schloof Kindhe -- ſc<loof!
Der ſchönſte Garten
Einen ſchönen Blütengarten
hab ich --.
Doch --
der ſchönſte --
liegt da draußen
vor den -Toren =
traumverloren.
Tauſend Blumen blühen dort.
und doch trägt man
immerfort =-
neue Blumen,
Blütenkränze
Him.
zu dieſem ewigen
Lenze.
MUC 4:
an ſeinen Blumenbeeten
ſtehen Menſchen ſtill
UND 2.26%
beten.
Otto Bruchhaus.
u.
eM
Saarkalender für das Jahr. 1930
der
Ein Seitbild aus dem 30jährigen Urieg.
Duellaffäre des Grafen Johann von Saarbrücken im Jahre 1627.
Nach Akten des Preuß. Staatsarchivs von R. Rud. Rehänek.
Nachdruck verboten.
Der 30jährige Krieg hatte mit der Pfalz auch das Saargebiet ſchwer heim-
geſucht, verödet lagen Städte und Dörfer, in verwüſteten Aeckern roſtete die
Pflugſchar. Der alternde Graf Ludwig von Naſſau-Saarbrück mußte in ohn-
mädtiger Wut das Elend über ſein Land ergehen laſſen. Ueberdies drückten ihn
häusliche Sorgen, ſein zweiter Sohn war im Kriegsdienſt umgekommen. Eine
neue Hiobspoſt traf von den Räten aus Jöſtein ein, deſſen Herrſchaft mit Wies-
baden die Saarbrücker Grafen im Jahre 1605 geerbt hatten. Dort vertrat den
Vater der älteſte Sohn Johann. Ein Konflikt mit frechem, herausforderndem
Kriegsvolk bot den Anlaß, daß ein berüchtigter nud gefürchteter Raufbold jener
Tage, der Rittmeiſter Alexander von Enß, den jungen Grafen auf Leben und
Tod forderte. In dem Schreiben der Räte hierüber heißt es u. a.: „Daß des
Hochwohlgeborenen Unſeres Knedigen alten frommen Graven, Unſer auch
Knediger Herr, ſein junges Leben an einen Haſardiren verlieren ſoll.“
Noc< am gleichen Tage (3. Mai 1627) reiten Eilboten vom Saarbrücker
Schloß nadh allen Richtungen. Der Brief des Vaters an den Sohn macht darauf
aufmerkſam „falls der Rittmeiſter beim Duell erliegen würde, der Oberſt, die
Offiziere, ja, das ganze Regiment den Rittmeiſter rächen und plündernd in das
Saarbrücker Land einfallen würden.“ Zum Schluß befiehlt der alte Graf dem
Prinzen ernſtlich, „ſich unter keinen Umſtänden in den Handel einzulaſſen“. Ein
Schriftſtück an den Oberamtmann von Jöſtein erſucht dieſen, ſich ſofort zu dem
Kurfürſten von Mainz zu begeben, er möge „bey itziger gewaltthetiger zu-
nötigung zur Verhütung allerhandt gefehrlicher außlebens die Sache dergeſtalt
durch dero hohe authorität zu vermitteln und dirigieren helfen, u eine Art,
wie er es am beſten halten“. Der Kurfürſt wendet ſich ſofort an den Regiments-
kommandeur des Raufboldes, den Freiherrn von Gürtzenich. Er ſchildert ihm
die Landesnot, betont, daß der Kaiſer die ganze Angelegenheit „ungern ver-
nehmen werde“ und ſchließt, daß es ein Unrecht ſei, daß „dijenigen Ständte, ſo
dem Kayſerl. Volk in dero Landen quartier und Unterhalt verſchaffen, und nicht
jedesmahl den Kriegsoffizieren ihren Willen und Gefallen thuen, als dann
ſchuldig ſeyn ſollen, ſich mit ihnen zu balgen und die Sache mit der Rauf und
Duello außzuführen“.
. Nach einer Mitteilung des Geforderten an ſeine Vettern Otto und Wolff-
Friedrich, Rheingrafen zu Dhaun, hat der junge Graf die Forderung angenommen
und dem Rittmeiſter Ort und Zeit des Duells beſtimmt. Die beiden Vettern
werden gebeten, am nächſten Sonntag in Kreuznach „in der Herberg zum weißen
Roß“ zu erſcheinen und beim Duell aufzupaſſen, daß ihm „kein betrüglich auff-
ſaß begegne“. „Der dritte um Hilfe erſuchte Vetter, der Graf zu Solms auf
Greifenſtein, bittet in ſeiner Antwort, ſich unter keinen Umſtänden mit dem
Rittmeiſter von Enß einzulaſſen, den Duelltermin hinauszuſchieben und unver-
züglich Erkundigungen über verſchiedene unehrenhafte Händel des Kontrahenten;
„ſo er bis dato noch nicht beglichen“, einzuziehen.
Wenige Tage nach dieſen Vorgängen teſt in Saarbrücken die ſehnlichſt
erwartete Antwort des jungen Grafen ein. Nach einer Verſicherung ſeiner tiefen
Kindesliebe ſchreibt er: „Was den von Entz anlanget, iſt er auf Montag, den
18. Aprilis hieher (Wiesbaden) kommen, und hat (wie ich allererſt. her-
nacher vernommen) die rede herausgeſioßen, wenn man Jhmo nicht hier Quar-
tier geben würdte, ſo wollteerdenOrthinbrandtſtekenlaſſen:
nui mu
Saarkalender für das Jahr 1930
Als er nun für mich kommen und Jnquartierung angeſucht, habe ihm dieſelb
nicht Verwilligen wöllen . . .“ „Jh habe ihm ſoviel demonſtration getan, daß er
zufrieden geweſen, ſein boßament übernacht zu Erbenheim zu nehmen, und iſt,
nachdem man einen Trunk zuſammen gethan, mitt gutem Willen wieder von
mir geſchieden . . .“ Der wilde Rittmeiſter erſcheint indeſſen nach einigen Tagen
wieder vor Wiesbaden, denn es heißt in dem Brief: „Alß er uf Donnerstag
wieder zurückkommen, undt Jhm der Schlagk furm Thor nicht ſobald uffgemacht
können werden, weil man nach den Schlüßeln gehen müſſen, ſo hat er derſelben
nicht erwarten wöllen, ſondern ein Holz neben dem Sclagk abreißen laſſen.
Undt iſt alſo neben dem Schlagk hereingeritten.“ Das getreue Abbild ſeines
raufluſtigen und händelſuchenden Herrn iſt der Quartiermeiſter, von dem es
heißt: „Weil der Quartiermeiſter des Rittmeiſters dem Schultheißen hier Vier
Streich mit bloßer Wehr übern Kopf in ſeinem eigenen Haus geben, die durch
den Hut gangen, aber nur Beulen uf den Kopf gebracht, auch einen gefährlichen
Stich nach ihm gethan, ſo habe ich dem von Enß ſagen laſſen, mir den Quartier-
meiſter zu henden (Händen) zu ſtellen, hat er dagegen begert, man ſollte Jhmo
den Schultheißen zu henden ſtellen ...“ Auf das Drängen des Grafen Johann
zieht endlich der erzürnte Rittmeiſter mit ſeiner Truppe nach Bierſtadt. „Ueber
Nacht iſt er daſelbſten geblieben und hat viel ſchimpflichen Reden laufen laſſen.“
yn ſeinem Aerger verleumdet er den Saarbrücker Grafen bei dem Oberſt
des Regiments, Johann habe deſſen in verächtliher Weiſe gedacht und, zum
Duell wegen übler Nachrede gefordert, „habe der Graf nicht das Hertz gehabt,
J3mo zu erſcheinen.“ Hiergegen verteidigt ſich der Angegriffene dem Oberſt
gegenüber mit den Worten: „daß der von Enß gelogen hette wie
ein Schelm!“
Der Rittmeiſter wird von ſeinem Vorgeſetten zur Rede geſtellt und ihm der
Verluſt ſeiner Kompagnie angedroht. Darauf heißt es in dem Brieſe weiter:
„Als auch der von Enß geantwortet: „er pliebe bei ſeiner reden, wollt freudig
darüber ſterben auch aljobaldt einen Rittmeiſter undt zwei Cavalier angeſprochen,
mir ein Carthell zu präſentieren, welches ſie of ſic) genommen, da hatte der
Obriſt Jmo ſeinen ſ<warzbraunen Hengſt darzu verwilliget, auch ſeine Wehr
außgezogen, daßelbe etlich mahl über den Tiſch geſchlagen, hernacher dem von
Enß (ge)geben und deßelben Wehr dagegen genommen, auch Jhme ein paar
guter Piſtolen zuſtellen laſſen.“
Graf Johann von Saarbrücken iſt entſchloſſen, das Duell durchzuführen und
bittet den Vater, ihm „ſolch Vätterlich zu gut zu halten, allerweil mir es ſchmerß-
lich wehe thuen ſollte, daß ich bey anderen in den Verdacht kommen würdte, als
ob J< nicht den muth hette, meine Ehr ſo, wie es einem Cavalier zuſtehet, zu
verteidigen“. Die mit Fleiß angeſtellten Erkundigungen über das Anſehen ſeines
Gegners ſind für dieſen ſehr betrüblich. Selbſt der Kaiſerliche Kommiſſar läßt
melden, daß der Graf von Saarbrücken mit von Enß ohne Verletzung ſeiner
gräflichen Standesehre nicht fechten könne, da dieſer „kein Cavalier von Merite,
ſondern (den Auftrag hatte) Jhrer Hochw. Gnaden Herrn Hertzogen von Sachſer
lauwenburg compagnien zu werben, auch geld empfangen, aber ſeine paroll
alß ein coyon nicht gehalten hette“. Außerdem habe ſich der Rittmeiſter „mit
gemeinen Leuten gerauft“ und mit ſeiner Kompagnie als „Mordbrenner“ betätigt.
Da inzwiſchen der feſtgeſezte Termin für das Duell verſtrichen iſt, läßt der
ungeduldige Rittmeiſter ſeinem Gegner folgendes Schreiben zuſtellen:
. „Herr Graw, Er wird ſich zu wiſſen erinnern, was vor übel Nachredt Er
in praeſents von meinem Herrn Obriſten undt andern Ehrlichen Kavaliers mir
in meiner abſents geredet hat; dieweil ich mich an meiner Ehren offene!
befinde, ſo begere ich zur Salwirung meiner Ehren, daß er wolle mit Zeigern
dießes (beſtimmen, ob er) alſobaldt uff ernanndten Platz ſelb ander oder allein
)
47
Saarkalender für das Jahr 1939
erſcheinen wöll.“ Jn der ſofort abgegebenen Erwiderung des Grafen erklärt er,
daß der Rittmeiſter ſich
„an einem freien Platz, nemblich uff dem Velde zwiſchen Creußnach undt
Bonſingen gelegen, uff nechſt vorſtehenden Montag -- wirdt der 17. dieſes
Monats May ſeyn -- umb 8 Uhren des morgens zue Pferde, ohne
Wambſt,;imHembt, miteinemguttenDegeninderFauſt,
ohnePiſtolen“
einzufinden habe. Da jedoch der Rittmeiſter bis dato „ſeine Sachen mit dem
Churfürſtl. Maintzziſc<en Berittenen, der Jhmo vor dieſem herausgefordert habe
undt mit dem Fürſtl. Sächſiſchen Obriſt Wachtmeiſter Auros, der ihn Lügen
geſtrafft, wie auch mit dem Fürſtl. Sächſ. Regiment wegen ſeines abſchieds noch
nicht erledigt habe, außerdem mit ſeinen Söldnern in den gräflichen Landen wie
ein „Mordbrenner“ gehauſt bette,“ könne der Graf die Forderung des Ritt-
meiſters erſt nach deſſen „redlicher purgation von ſolchen ſ<hmutlichen Händeln
annehmen, da derſelbe eine Tadelhaffte Perſon ſei, mit der ohne Verletzung
Unſerer Gruwlichen Ehren einige Tuelliren nit committiren kann.“
Einige Tage ſpäter übermittelt Graf Johann von Naſſau-Saarbrücken ſeinen
Sekundanten die Meldung, daß ihre Anweſenheit in Kreuznach nicht mehr not-
wendig ſei. In dem glücklich abgewendeten Zweikampf ſollten alſo nach der Ab-
madhung die beiden Teilnehmer, nur mit einem Hemd bekleidet, auf feurigen
Hengſten gegeneinander anſprengen. Dann ſollten ſie ſich mit ihren Degen
jolange bearbeiten, bis einer von ihnen das Leben fief: Das dürfte ein Komment
ein, von dem man bisher noh nichts gehört hat. Äber andere Zeiten, andere
Sitten! Graf Johann von Saarbrücken wird nicht weniger wie ſein alter
Vater heilfroh geweſen ſein, die peinliche Sache vermieden zu haben, denn dem
fechtgewandten, ſäbelkundigen Rauhbein gegenüber hätte er nach menſchlichem
Ermeſſen die Verteidigung ſeiner Ehre mit dem Leben gebüßt.
Humoriſtiſches
Das „Gußche“ (ſiehe ſaarländiſc<e Anekdoten und Wiße Saarkalender 1923) war
eine ſtadtbekannte und mit Recht bemitleidete Perſönlichkeit. Er hatte im Leben jung den
Anſchluß verpaßt und konnte ihn nicht mehr finden. Behagli< Zigarrenſtummel
ſ<H<mauchend, die er irgendwo ergattert hatte, trottete das verhußelte, lockenumwallte
Männchen dur< die Straßen, den Kopf ſelbſt an den heißeſten Sommertagen mit einem
dicken, zerſchliſſenen Pelzpudel bedeckt. Betteln kannte er nicht, er ernährte ſich recht und
ſ<leHt als „Brückenbarbier“. Unter einem Bogen der alten Brücke befand ſich ſein
Atelier. Ein Felsblok, das einzige Möbel, auf dem ſeine zahlreiche Kundſchaft ſich kunſt-
geredht niederließ und abgefertigt wurde: 5 Pfg. raſieren, 10 Pfg. Haar ſchneiden. In ſeinem
Salon erſcheint infolge einer Wette unter den Stammgäſten S., ein angeſehener Bürger, und
wünſcht nach einem etwas länglich geratenen Frühſchoppen im „Alten Münchner Kindl“,
von ſeinen Bartſtoppeln befreit zu werden. „Gußhe, Eich ſoll mich raſiere!“
Verwundert und zugleich ſtolz über ſo vornehmen Beſuch ſagt der Alte, mit vornehmer
Handbewegung auf ſeinen „Barbierthron“ weiſend, kurz: „Hocken Eich do!“ Er nimmt
mit gelaſſener Ruhe Raſierſeife aus einem Beutel und ſpuckt mit ganzer Lungenkraft
dreimal darauf. „Awwer Dunnerkiel, Gußhe, was machen 'r do alleweil for Shweinerei?2“
ruft angeekelt der Gaſt. „Shaum muß ſin“, iſt die Antwort. „Ei, machen Jhr das do
immer ſo?“ „Ne, ne, meiner gewöhnlich Kundſchaft ſputz ich einfach ins Geſicht und reib'
mit Seif noh!“ S. ſpringt, wie von einer Tarantel geſtochen, auf und rennt zu ſeinen
Freunden: „Kellner, ſor mich zwei Kognaks und for die Herre e Tournee, ich han mei
Bett' verlor!“
=NH IE R
"
*:
?
-;
BEESE Mien
Saarkalender für das Jahr 19330
Eine Saarbrücker Begebenheit.
Alſo, da heert ſich doch alles uff,
ſagte der Schorſch, was mir do neilich
paſſiert is. Und er ſteckte ſich ſei Tu-
wakpfeif gemächlich an vor der auf-
horehenden Stammtiſ<hrunde in der
„Ziddi“.
IH han doch, wie jeder Menſch, e
Schwijermudder ... No, was das is,
das brauch ich Eich jo nit zu verzähle.
Das wees e jedes. Mancher ſteht ſich
gutt mit ſeiner Schwijermudder und
mancher nit. Das kummt ganz uff die
Beleichtung ahn oder uffs Tempera-
ment. Mit meiner ſtehn ich mich ganz
gutt, wann mir nit zuſammen kumme.
Sie kann nämlich ſo wietige Aue mache,
wann ihr ebbes nit paßt. Un zwiſche
uns hats viel gäb, was ihr nit gepaßt
hat. Wie mir aach noch in eenem Haus
zuſamme gewohnt han, das war e Zu-
verſiht. Alle Morje hats Krakehl gen.
Eemohl hat ſie owe ihr Blume begoß
un gerad uff mei neier hellgrauer Hutt.
Eemohl han ſie unſer Ente geniert, e
annermohl mei Kaninche, die kann ſe
nämlich nit rieche... Un ſo is es
kumm, daß mir uns das nei Haus ge-
baut han, uff der anner Seit von der
Saar und ſeitdem gehts als widder.
Vorausgeſetßt, daß mir uns nit ſiehn ...
Un da is neilich unſer Großtante ge-
ſtorb in der Gersweilerſtroß. Und weil
ſie nur ſo altmodiſche Dinges gehatt
hat, hat kens von uns ebbes davon ge-
wollt und mir hans verſteigere gelaßt.
Na, ich bin aach hingang und wie ich
do ſtehn zwiſche dene fremde Leit, die
ſiM unſerer Großtante ihr geſtickte
Fußſchemmelc<her, die Staubtuchkörb-
<her un Sofakiſſe, feſchtgeſtoppt wie
Eiſe, wie dorhtig geſteigt han, kumme
aach die alte Familiebilder drahn, die
ſonſcht iwerm Sofa in der gutt Stubb
gehenkt han. Un uff eemohl is mei
Schwijermudder drahn. E groß Foto-
grafie, Bruſchtbild, von der Sunn ver-
ſchoß, ime ſchwarze ovale Rahme, in
ihrer Pelerin, die Haub uffem Kopp
und nit grad ſcheen.
Es wird uffgeruft ... kei Menſch
ſteigt . .. Wer will dann ſo a alt Bild
han, von ſore alt Fraa... ? Na, damit
es nit leie bleibt, un am End uffem
Karre uffm Markt verſteigt wird mit
dem alt Eiſe, ruf ich, dreißig Penning.
Da ſaht hinner mir e Baßſtimm ſofort:
fuffzig. I< konnt nit ſiehn, wer das
war, dovor wars Zimmer zu voll Men-
ſche. Ih ruf alſo: e Mark. Un widder
der Baß: prompt Ens Fuffzig . . . Dun-
nerkeil, denk ich, wer kann dann ſo e
Intereſſe an meiner Schwijermudder
han? Und weil ich dene Kerl nite ſiehn
kann, kriehn ich e roter Kopp un ruf:
zwei Mark! . . . Und dann fang e Duett
ahn zwiſchen mir und dem unſichtbare
Baß. Ih will doch das Bild nit in
fremde Händ kumme laſſe, damit ſie
ſich noch iwer mich luſchtig mache, und
ich biet un biet und zuletzt ſin mir uff
finfezwanzig Mark kumm. Da han ich
uffgeheert und das Bild wird dem
Dicke hinner mir an der Wand zuge-
ſchlag.
Und wer wars? Roten emobhl...
Der Scorſ< tat einen tiefen Zug aus
der. Pfeife und ſtieß eine Rauchwolke
heraus . . . Da ſteht der Karel von Wi-
welkerche und feixt mich an mit ſeinem
breete Geſicht.
Ei biſcht Du dann vom Deiwel beſeß,
daß Du mich hochſteigſt weje dem alte
Bild, ſahn ich wietig.
Ah, ſaht er, un macht ſei unſchul-
ligſt Geſicht ... J<h han Dir nur e
Freid mache wolle, un Dir das Bild
vun Deiner Schwijermudder ſchenke.
Un er überreicht ſie mir, mei Schwi-
jermudder, in der Pelerin und ihrer
Haub'. . . Das eenzig, was mich an der
Geſchicht gefreit hat, ſin die 25 Mark,
die er dofor hat. bezahle müſſe......
8)
Saarkalender für das Jahr 1930
üer
FE
Das Sdhjikſal eines Schlipſes.
R.
Von Lisbeth Dill.
„Jed Johr, wanns Weihnachte wird“, ſagt Tante Alwine aus Sulzbach, „un alle Leit
ſi dummele miſſe, for die paar Dek<Her und Kiſſe fertig zu mache, komme ſie am
letſ<t2 Dag in meine Lade und bringe mir ihr verbruddelt Dinges. A< Gott, mei l;eb
Frau Maſer, mache Sie mir um Himmelswille doch das Kiſſe do fertig, ih han kei Zeit
meh dazu.“ Ja, ſo waren ſie, die andern Damen. Aber ſie, die das ganze Jahr des
Morgens, wenn es in ihrem Handarbeitsgeſchäft ſtill war, auf ihrem Fenſtertritt der
Bahnhofſtraße ſaß, ſie fing ſchon im Jult mit ihren Weihnachtsarbeiten für Neffen und
Nichten an. . .
Tante Alwine war eine Dame mit Grundſätzen. Und wenn es dann Winter wurde
und draußen die Chriſtbäume und die weißbeſtreuten Stollen dur<h die Straßen wanderten
und die gelben Poſtwagen mit dem kleinen trüben Lichthen paketbeladen durch die be-
ſchneiten Straßen ſ<wankten, hatte ſie alle Werhnachtspakete abgeſchickt und ihre Prä-
fente lagen pünktlich auf den Tiſchen der Neffen und Nichten. So auch dieſes Jahr. Nur
für den windigen Bob, der in Leipzig ſtudierte, aber mehr in Bars und Tanzdielen glänzte
als in Hörſälen, wollte ihr nichts einfallen. Er hatte große, dunkle, mandelförmige Augen
und trug ſich meiſt der Mode und den Jahreszeiten voraus. Endlich fand ſie in den Tiefen
ihr2x Schubläden ein prachtvolles Seidenband, ſteif wie ein Brett, zimtfarben und blau-
grün, in prachtvoll ſchimmernden Regenbogenfarben, was man im allgemeinen „ſc<hang-
ſchang“ nennt. Sie fertigte einen koketten Schlips daraus, deſſen Schnitt ſie dem Beiblatt
ihrer Modenzeitung „Mit was erfreue ich meinen Gatten zu Weihnachten?“ entnahm und
ſchickte ihn nach Leipzig an ihren Neffen.
Poßkdonner, ſagte Bob, als er dieſen Schlips erblickte. Das iſt ja tieriſ<! Da hat ſich
Tante Alwine aber mal angeſtrengt. Seine Wirtin fand ihn „ſähre eehenart<“. Er
kauft2 ſid zu dem Slips ſofort den paſſenden Mantel, zimtfarbig mit grauſchimmern-
den Knöpfen. Als er zum erſtenmal damit auf der Corpskneipe erſchien, ließ ihn der
Erſthargierte herausbitten. „Sagen Sie mal, was haben Sie denn da an? Bitte, haben
Sie die Güte, morgen mit einer anderen Krawatte zu erſcheinen, dieſer Schlips = =-
ich muß mal ſchnell einen Kognak trinken. . . “
Darauf wickelte Bob den Slips ein und ſandte ihn ſeinem Bruder, der Chefarzt
eines Krankenhauſes in Putzig war. In Pußzzig würde er ſicher Aufſehen erregen. Sein
Bruder war in Modefragen nicht ſo auf der Höhe. Er fand ihn vielleicht ſogar ſchön. . .
Ueber Geſchmack läßt ſich ja nicht ſtreiten. Die Tante aus Sulzbach hatte thn ja auch
ſchön gefunden. . . Sein Bruder wickelte den farbenprächtigen Schlips erſtaunt aus dem
Umſchlag. . . Sieh mal, Erna, ſagte er zu ſeiner Frau, da hat ſih Bob aber einmal an-
geſtrengt, troßdem er nie bei Kaſſe iſt. Findeſt Du das nicht rührend von Bob?
"Seine Frau ſagte nichts. Sie fertigte die Schlipſe ihres Mannes ſtets ſelbſt aus alten
Bluſen ay, weshalb ſie zwar nie ſaßen, aber ſie wählte immer dezente Farben, die zu
dem ernſten Beruf eines Arztes paßten. Aber ihr Gatte hatte den farbenprunkenden
Schlips ſhon umgeſchlungen und fuhr ſtolz damit zur Klinik. Unterwegs fiel ihm auf,
daß ihn die Damen in der Straßenbahn anſtarrten, als hätten ſie ihn noh mee geſehen.
Auch die Schaffner richteten ihr Auge wie hypnotiſiert auf ſeinen Schlips, die Schweſtern
und Aſſiſtenzärzte erbläßten vor -- -- Schreck oder Neid, das konnte man nicht unter-
ſcheiden. . . Und die Patienten ſtarrten immerfort auf ſeinen Hals und gaben verwirrte
Antworten.
Anderen Morgens, als er ſich die Hände im Vorzimmer wuſch, hörte er eine Schweſter
zur anderen ſagen: . . . Können Sie nicht mal Ihrem Chef beibringen, daß er ſich zu
Weihnachten von ſeiner Gattin einen anderen Schlips ſchenken läßt? Mir wirds jedes-
mal übel. . .
Vm
Saarkalender für das Jahr 1939
Zu Hauſe angekommen, verſenkte er den Schlips ſtill in eine Schublade.
Was meinſt Du, Erna, ſagte er am nächſten Morgen, als ex ſich raſierte, Dein Vater
kleidet ſich gern modern und jugendlich, wenn man ihm den Schlips. . .
Aber natürlich, rief ſie erfreut. Er wird ihm prächtig ſtehen zu ſeinem ſchwarzen Bart.
TH werde ihn aufbügeln, Du haſt ihn ja kaum zweimal angehabt. . . .
Der Schlips machte ſeinen Weg durc Pommern über Schneidemühl, er fuhr dur< die
Uckermark an Küſtrin vorbei und Berlin, erreichte Frankfurt am Main, wurde um-
geladen, überquerte den Rhein und ſetzte ſeine Reiſe an der Nahe entlang fort und fuhr
ſaarabwärts, bis er die Mſoel erreichte, das kleine Kreisſtädt<hen und das altmodiſch ſtatt-
lihe Haus am Markt des Weingutsbeſizers Wentenich in Bernkaſtel. Am dritten Feier-
tag lag er auf dem Weihnachtstiſch.
Donnerwetter, ſagte Herr Wentenich, als ihm der Schlips entgegenfunkelte. Dieſe
Farben müſſen in Putzig Mode ſein, ſowas haben die hier noch nie geſchaut. . . Er band
ihn gleich um und ging zum Stammtiſch. Man bewunderte den Schlips allgemein. Durch
da= Aufbügeln waren die Regenbogenfarben nur noh ſtrahlender geworden, die Zimt-
farbe brüllte nur ſo. . . Nur ſein Ueberzieher paßte nc<t dazu, fand der arrogante
Aſſeſſor. Zu dieſem Schlips paßte nur ein kubiſtiſ<er Mantel.
Jeder hatte ſeine Bemerkung über den neuen Schlips zu machen, das Dienſtmädchen,
die dumme Gans, ſtemmte beide Arme in die Seiten und lachte ſchallend. ... Dunnerkeil,
hörte er den Briefträger in der Haustüre ſagen, wat hat dann euer Herr ſich for en Kra=-
watt umgeſchnallt? So en Farb han ich in meinem Läwe no nit geſiehn.
Und die Leute drehten ſich auf der Straße fortwährend nach ihm um, wenn Herr
Wentenich mit ſeinem neuen Schlips erſchien. . . Eines Tages begegnete Herr Wentenich
ſecmer kleinen Nichte Maria, die inmitten einer Schar Freundinnen mit ihrem Scul-
ranzen in einer verſchoſſenen grünen Tellermüße dahergetrollt kam. Und er ſagte zu
ſeiner Frau. . . Dat Maria hat immer ſo häßliche Hüt auf, ich mein, man ſollt mal wat
für dat Kind tun. Der Schl1ps, das gäb en feiner Haarſchlopf für dat Maria. . .
So kam es, daß Maria Wentenich eines Morgens in der Klaſſe erſchien mit einer kühn
aufrecht ſtehenden, ſtarren Elſäſſerſhleife in Regenbogenfarben. Und die ganze Klaſſe
ſtarrte ſprachlos dieſe Schleife an. . .
Rein, Maria, ſagte die Lehrerin. . . So etwas kann man nicht auf den Kopf ſetzen,
das geht nicht, da wird. es mir grad ſchleht. Sag das Deiner Mutter. Und die Kinder auf
dem Heimwege ſagten es auch. Maria heulte jedesmal, wenn ihr die Mutter die neue
Schleife umband, ſchließlich verſchwand die pompöſe Schleife in einer Schublade unter
den Morgenhauben.
Als das nächſte Weihnachtsfeſt nahte, erinnerte ſich Marias Mutter, daß die Tante
in Sulzbach noch nichts von hr bekommen hatte und es fiel ihr plößlich die ſchöne Scleife
ein, die „ſo gut wie neu“ war. Sie arbeitete eine warme Morgenhaube aus friſc<hgeſtärkten
Spitzen und ſchmückte dieſe mit der Schleife, und der Regenbogenfarbige trat wieder ſeine
Reiſe an in einer weißen Schachtel.
Er fuhr an der Moſel entlang bis Trier, wurde umgeladen, ſchlüpfte dur< unzählige
Tunnels und glitt über Brücken, bis er Saarbrücken erreichte und fuhr mit dem Perſonen-
zug nach Sulzbach. Und eines Morgens hielt Tante Alwine zu ihrer Verwunderung eine
Morgenhaube in der Hand, auf der wie ein großer farbenſchillernder Schmetterling eine
ihr wohlbekannte Scleife ſaß. . . Sie ſetzte die Haube vor dem Spiegel auf, aber ebenſo
raſch ſette ſie ſie wieder ab. So pietätvoll Tante Alwine auch war, dieſe Haube ſtand ihr
wirklich nicht. . . Da in dieſen Tagen gerade ein Wohltätigkeitsfeſt ſtattfand, ſtiftete ſie
die Haube für die Tombola.
Einige Tage nach der Verloſung, als die Tante am Fenſter ſaß, ſah ſie im gegenüber-
liegenden Schaufenſter des Friſeurs auf dem Kopf einer Wachsfigur ihre Haube prangen.
Sie „Fiirzi in der Sonne und alle Leute blieben davor ſtehen. Ste war wirklich nicht zu
en.
4
Saarkaiender für das Jahr 1930
Drei Tage hielt Tante Alwine dieſen Anblick tapfer aus. Dann aber betrat ſie ent-
ſchloſſen den Laden und fragte nach dem Preis der ſchönen Haube. Die Haube? rief der
Friſeur, die kriehn Se geſchenkt. Da han Ihr ſie. Wann ich das Ding nur angucke, wirds
mir immer grien und gehl vor de Aue. . . Und er drückte ihr die Morgenhaube in die
Hand. . . Tante Alwine aber ging raſch zu dem nächſten Kanal, an dem gerade gearbeitet
wurde und verſenkte die Haube tief in das Loch und ſtieß mit dem Regenſchirm dreimal
hinterher.
Am nächſten Morgen, als ſie beim Kaffee ſaß, erſchien ein triefender Kanalarbeiter,
der ihr, triumphierend über ſeine Findigkeit, die eben entdeckte Haube auf der Spitze
ſeiner Schippe überbrachte. . . Da han ich ebbes herausgefiſcht, Madame! Und er hielt ihr
die Haube entgegen. Selbſt der Aufenthalt in der Unterwelt hatte ihren Farben nichts an-
haben können, ſie leuchteten wie Zimt und Regenbogen. . . Da hat Tante Alwine den
Schlips in ihrem Zorn in den Ofen geſteckt. Aber ſie mußte drewunal Holz auflegen, bis er
endlich verbrannte. . .
mmmmemmmmmn::
Wieviel Rinner hann ihr dann?
Sa" mol Hennrich, wieviel Kinner
Sin'r eijentlich zeſamme?
Frot der klääne Bub vumm Nachbar
So'me an're Bub ſei Mamme.
E Auweblick hat ſich bedenkt
Dr Hennrich -- an ſo ſchwere Rede
War'r nit gewennt --
Dann ſa't er: „Siwwe Kinner unn ääaän
Määde!“
Aus: „"s Saarbrigger Herz“
von Studienrat Friedrich Schön.
's erſ<hte Wort.
Mei Biibhe ſhwäßtt ſhunn manches Wort
Wie „Mam“ unn „Pap“ verſtän'ig,
Ih glaawe awwer 's kummt no nit
So recht 'm vum innwen'ig.
Ään Wert<he awwer ſa't er ſtets,
Wann's ſich aa dut geheere,
Das Werthe: - „Nä“; ſo ſa't er ſtets,
Wann ebb's er will verwehre.
Jhr werre ſa'n: „Was is dabei?“
IH hal' druff große Sticker,
Er ſprecht das Wort genau ſo aus
Wie 'n richtiger Saarbricker.
Aus: „"'s Saarbrigger Herz“
von Studienrat FriedriH Schön,
Herbſt.
Vunn Screinermeiſhder C. Schumann,
Saarbrigge.
Wer hat mir nur die Herbſchtzeitloſe
So frieh dort in die Wieſ' geſeßt,
Wo giſc<dert noh die bunde Roſe
Met ihrem Duft mein Herz ergeßt?
Es Veilche hat noh kaum geblieht,
Aus dauſend Kehle nimmermied
Geklung doch erſ<t es Friehlingslied!
Hat nit der Maikips noch geſurrt?
Im Wald die Durdeldaub gepurrt?
Das war doch ewe erſcht gewähn?
Un jeßt, wie ſoll ih das verſchtehn,
Will rings die Welt ſchon ſc<loofe geh'n?
Un doh! -- Guck die hohe Buche
Krieh'n braune Naachtklääd hingebracht,
Der Eichert, mied vumm Hußleſuche,
Hat ſchunn die Läde zugemacht.
Der Jſc<hel hat, ſcheint's, aa de Reſcht,
Der polſchdert in der Heck ſein Neſcht,
Jumpt bißje in -- bums! ſchlooft er feſcht.
Wie? -- Grabt noh dort die Wuhlmaus-
fraa?
Un aach for mich werd's langſam Zeit! --
Ob dort wohl bei der Trauerweid
Der Mann for mich das Bett bereit? =
Nebenſtehend :
Gemeindehaus Wartburg
der evangel. Gemeinde St. Johann,
Geweiht am 11. November 1928
Unten :
Guſtav- Adolf-Haus
der evangel. Gemeinde Alt - Saar-
brücken. Geweiht am 2. Dezbr. 1928
4y
Saarkalender für das Jahr 1930
Jean Lüttgens, Rheinlands Eiche.
Von Geheim. Bergrat Dr. Hilger.
In meiner Dudweiler Referendarzeit ereignete ſich eine Epiſode, die faſt
einen Schatten auf mein bergmänniſches Daſein geworfen hätte.
Wir waren eine ungewöhnlich vergnügte Geſellſchaft von Referendaren
und Befliſſenen, die unter dem im Dienſte ſtramm, aber außer Dienſt ſehr
verſtändig und menſc<lih denkenden, jovialen Bergwerksdirektor Morit
Heyder eine reizende Zeit in Dudweiler verlebte. Tages Arbeit, abends
Gäſte, ſei es im Hotel Zix, ſei es auf der „Menage“ in der Hirſchbach bei der
trefflichen alten Frau Schneider. Ueberall kamen wir, was die leibliche Ver-
pflegung, Eſſen und Trinken, anbetrifft, glänzend auf unſere Rechnung und
ſchwangen den Humpen, daß es eine helle Freude war.
Zwiſchen den einzelnen Berginſpektionen beſtand ein ſehr netter Verkehr.
Bald fuhren wir nach Heini, dann waren die Heinitzer bei uns, dann war
in der Hirſchbach „Zores“ =- der Name für eine geſellige Vereinigung ulk-
kafleſter Art, bei der auc< Pantomimen und Aehnliches dargeſtellt wurden.
Ih erinnere mich, daß wir, als auf der Grube Dudweiler unter den Pferden
die Roßzkrankheit ausgebrochen war, den Roß ſymboliſch darſtellten. Wir liehen
uns dazu ein Karuſſellpferd = in Dudweiler gab's damals viel fahrendes
Volk, bei dem ſolche Dinge zu haben waren. In jedes Naſenlo< von dem
wundervollen Schimmel leiteten wir das Ende einer gebrauchten Telegraphen-
rolle und konnten nun aus jedem Naſenloch ſo etwa einen Kilometer Rotz
herausziehen.
Mit fahrendem Volk paſſierte aber auch folgende Geſchichte.
In Dudweiler war ein Wanderzirkus, der alle möglichen Spezialitäten
batte, auch einen Ringkämpfer, der unter dem Namen „Jean Lüttgens, Rhein-
lands Eiche“, ähnlich wie der Rieſe Goliath, jeden Menſchen aufforderte, mit
ihm in den Ringkampf einzutreten, und der dem Sieger fünf Taler gleich
15 Reichsmark zuſicherte.
- Wir ſaßen abends mit unſerem Chef, dem Bergrat Heyder, dem dama-
ligen Berginſpektor, ſpäter als Berghauptmann verſtorbenen Georg Graeff
und anderen ordentlichen Männern, zu denen auch der Direktor Hallwachs
von der de Wendelſchen Kokerei auf der Hirſchbach gehörte, in dem Zirkus.
Gegen Schluß erſchien dann Rheinlands Eiche mit der troßzigen Herausforderung
an Gott und alle Welt, mit ihm zu ringen und ſich fünf Taler zu verdienen.
Eine Reihe von jungen Leuten wagte die Sache, wurden aber von Jean Lütt-
gens, Rheinlands Eiche, glatt in den Sand der Manege gelegt.
Nun verfügte ich damals über ein niht ganz gewöhnliches Maß von
Körperkräften und hatte auch im Ringen eine gewiſſe Erfahrung und Gewandt«-
heit. Auf einmal ſagte der Bergrat Heyder zu mir: „Hilger, gehen Sie mal
herunter und ſchmeißen Sie den Kerl! Wenn Sie ihn ſchmeißen, kriegen Sie
von mir noh qenf Taler!“ Alſo ich runter in die Arena. Rock aus, Weſte aus,
Kragen ab. y hatte mir längere Zeit in drei oder vier Vorkämpfen den Trick
von „Jean Lüttgens, Rheinlands Eiche“ angeſehen und mir ganz kurz einen
Pian gemacht, wie man ihn hinlegen konnte. Der Plan gelang vollſtändig,
denn auf das „Los!“ kriegte ich ihn glatt an den Nacken, drehte ihn herum
und legte ihn hin.
Das Freudengehoul von der Zirkusgeſellſhaft, die meiſt aus Bergleuten
unſerer Berginſpektion beſtand, mußte man hören! Rheinlands Eiche be-
hauptete zwar unter energiſcher Zuſtimmung des Zirkusperſonals, die Sache
ſei niht kommentmäßig verlaufen. Aber die geſamten Os nahmen noch
energiſcher meine Partei. Jh verzichtete großmütig auf die fünf Taler von
Zu
=
Saarkalender für das Jahr 1930
„Jan Lüttgens, Rheinlands Eiche“, nahm aber die von Bergrat Heyder mit
großem Vergnügen entgegen. Sie wurden gleich in eine kleidſame Bowle im
HSolel Zix umgewandelt.
Am anderen Morgen las ich beim Frühſtück die Morgenblätter und ſah
da zu meinem unbehaglichen Erſtaunen, daß meine Heldentat vom Abend vorher
ſchon verkündet wurde. Jh ließ mir mein Pferd ſatteln, ritt zur Berginſpek-
tion, brachte dem Bergrat Heyder das Zeitungsblatt mit. Auf einem langen
Ritt, den wir beide, wie faſt jeden Morgen, über die Römerſtraße machten,
überlegten wir, was zu machen ſei. Daß die Sache bekannt und nicht ohne
Schwierigkeiten abgehen würde, war klar. Bergrat Heyder und id be-
ſchloſſen ſchließlich, daß der Angriff immer die beſte Parade ſei. Jh meldete
mich am Nachmittag beim Vorſizenden der Königlichen Bergwerksdirektion
in Saarbrücken, Herrn Geheimrat Fritz Gil ert, an und 3zog, auf %6 beſtellt,
mit ziemlich ſchlechtem Gewiſſen auf die Königliche Bergwerksdirektion. Es
war in dem Raum, in dem ich ſpäter als Vorſitzender ſo manches Jahr geſeſſen
habe. J<h wurde dort von Frißhen Eilert, wie er mit Scherznamen hieß,
empfangen: „Na, liebes Kind, was machen Sie denn für Dummheiten!“ Er
pußte mich dann ordentlich herunter, wobei ich aber ſchon gleich merkte, daß
ein gewiſſes verſchmitztes Lächeln um ſeine Mundwinkel ſpielte. Was er ſchließ-
lich ſagte, war: „I< werde ſehen, daß Sie von der Geſchichte keine weiteren
Schwierigkeiten haben und gleich morgen an den Oberberghauptmann ſchreiben,
der die ganze Sache natürlich auc< brühwarm erfährt. Aber eine Bedingung:
Sie müſſen heute abend bei mir eſſen und meiner Frau die Geſchichte erzählen.“
Das tat ich natürlich mit Freuden.
Frau Mathilde Eilert, die „alldahieſige“ ausgezeichnete Gattin
unſeres damaligen Herrn Vorſitzenden, hatte volles Verſtändnis für Jugend-
ſtreiche. Erſt erzählte ich die Sache von Jean Lüttgens, dann erkundigte ſie
ſich ſehr teilnehmend nach den übrigen Herren der Berginſpektion. Mein Chef,
Bergrat Heyder, war als unverbeſſerliher Junggeſelle bei den Damen des
Saarreviers nicht gut angeſchrieben. Er hat allen Verſuchen, ihn zu verheiraten,
erſolgreich widerſtanden. Tatſächlich führten wir auf der Berginſpektion 1V
auc< einen etwas lockeren Lebenswandel. Das Sc<ekKkengeſpann der Berg-
inſpektion hat zum Entſezen der ganzen Saarbrücker haute-volee manches
Tial die Nacht hindur<h vor dem Kaſino in Saarbrücken auf uns gewartet,
und manchen Morgen, wenn die „Saarbrigger“ ſchon aufgeſtanden waren, fuhr
die ganze fidele Berginſpektion IV ſingend und ſch<erzend wieder nach Dudweiler.
Jedenfalls erhielt ich aber auch von Frau Eilert vollſtändige Abſolution.
So ging das Fällen von „Jean Lüttgens, Rheinlands Eiche“ noch verhältnis-
mäßig glimpflich ab.
Unter der raufluſtigen Jugend des Sulzbachtales hatte ih mir aber einen
guten Namen gemacht. Wenn ich ſo durch die Bergmannsdörfer ritt, hörte ich
mandhesmal, wie der eine zum andern ſagte: „Das is dän Reffendar,
der wo dän Shan Lüttjens geworf hat.“
So geſchehen in Dudweiler im Jahre des Heils 1883.
Im franzöſiſchen Unterricht einer höheren Schule. Thema: Brief an einen Freund. =-
Ein Schüler vergaß ſeine Anſchrift auf der Rückſeite des Briefumſchlages. Der Studienrat
mödte wiſſen, ob dem Schüler der Ausdruck für RüRſeite des Briefumſchlages be-
kannt iſt. Frage: „Wohin ſetzen Sie die Anſchrift des Empfängers? -- Sur le devant de
| enveloppe. -- Was heißt nun der Abſender? -- V'expediteur. -- Wohin ſekt nun der
Abſender ſeine eigene Anſchrift? =- Antwort: Sur 1e derriegre. -- Allgemeines
rinſen.
|
's,
je
Saarkalender für das Jahr 1930
auen
ee TTT
Ein Tag im Paradies.
EEN
Von A, 2,
„Hört 's, die ihr Zeiten-Bücher ſchreibt,
Daß ihr auch das mit einverleibt,
Wie wir in dieſen unſern Jahren
So hochbeglückte Bürger waren.“
Dieſe liebenswürdige Strophe und feierliche Aufforderung an die ſaarländiſchen
Chroniſten finde ich natürlic nicht in einem Po&m als Schönheitspflaſter auf unſere
unſelige Völkerbundsregierung. Gewiß nicht. Da würden 'nur Klagelieder ertönen und
Geſchrei wie weiland unter den Jſraeliten von Dan bts Berſaba bei dem nationalen
Unglück der Verbannung. Gälte es der Treuhand, ſo würde jeder Schreiber der „Zeiten-
Bücher“ die Harfe aus der Trauerweide nehmen und die beiden letzten Zeilen variieren:
„Wie wir in dieſen unſern Jahren ſo ſ<werbedrückte Bürger waren“. In längſt
vergangenen Tagen anno domini 1755 gehordhte irgendeiner der ſtädtiſchen Dichter der
gebietenden Stunde und ſchlug einen Akkord von Frohſinn und Glück an unter der Regie-
rung des Fürſten Wilhelm Heinrich (1741-1768). Das Dank- und Loblied iſt der Nach-
klang eines ſeltſamen Jdylls aus der ſonſt durchaus nicht roſigen Zeit eines unbeſchränkten
Abſolutismus mit ſeiner prunkenden Herrſchergewalt und dem Elend bedrückter Unter-
tanen.
Das Unheil klopfte an die Tore des Schloſſes zu Saarbrücken. An den ſchwarzen
Pocken ſc<wer erkrankt lag der Erbprinz Ludwig danieder. Jhn hatte das Geſchick zu
dem lebensluſtigſten, zugleich aber auch zum letzten Dorhläuhting von Naſſau-Saarbrück
beſtimmt. Er genas. Die Bürgerſ<aft war darüber aus ehrlicher Liebe und Verehrung
für den tüchtigen Vater, den Begründer der Saarinduſtrie, hocherfreut. Der 4. Juni 1755
jah am Abend beide Städte, Saarbrücken und St. Johann, in feſtlicher Beleuchtung.
Die glücklichen Eltern des Dauphin wurden angedichtet, bis dem edlen Pegaſus die hoch-
ſtrebenden Flügel erlahmten. Dieſe poetiſche Ader iſt übrigens nicht verkalkt, wir haben
ſie mit mehr oder weniger Glüc> bis zum heutigen Tage als getreue Nachfahren fröhlich
dur<geſchleppt. Damals rührte ſie ſelbſt den ho<mögenden Allerdurc<hlauchteſten Fürſten,
er ſpitzte ſeinen Gänſekiel und verfaßte ein
Decretum
Auf das Ehren-Feſt, ſo wegen meines Sohnes Geneſen,
Von beider Städte Burgerſchaft, den 4ten angeſtellt geweſen.
In dem Dekret verheißt Wilhelm Heinrich in poetiſcher Form Steuererleichterungen:
„3wey Jahre ſeyd Jhr Zehnden-frey
Von allen Stifts- und Hexrrſchafts-Früchten.
Glaubt! daß es meine Freude ſey,
Euch ein Vergnügen anzurichten.
Mein Eifer wird beſtändig ſeh'n
Auf aller Bürger Wohlergeh'n.“
Wieder ſind es auch in dieſem Gedicht die beiden letzten Zeilen, die uns heute beſonders
intereſſieren. Mir iſt's, als hätte ich irgendwo auch ſo etwas geleſen, daß die Wohlfahr!1
der Bevölkerung der oberſte Grundſatz in der Arbeit der Regierung ſein ſolle. Es bleibt
aber bisweilen nur bei den ſchönen, klingenden Worten. Bei dem Gemahl der Sophte
Erdmuthe nicht. Er wollte ſeine Freude nicht allein den Behörden, ſondern jedem einzelnen
Saſſen gegenüber Ausdruck geben und lud alle Bürger mit Weib und Kind aufs Schloß
zu einem glänzenden Feſtmahl am Sonntag, 15. Juni 1755.
4
1
Saarkalender für das Jahr 1930
Wir konnten uns bis jetzt dieſe eigenartige, vielleicht ſogar einzigartige Feier nach
unſerer Phantaſie ſchön ausmalen, näheres wußte niemand. Man ſah im Geiſte,
wie die ehrſamen Ackerbürger und Handwerker, der Hauptbeſtandteil der Bevölkerung,
ihre alten Gottstiſ<röc>ke hervorholten, ihre Perücken puderten und die verflizten Knie-
hoſen hochzogen und dann mit der in geſpreiztem Reifrock tänzelnden Mutti des Hauſes
im wunderlichen Aufzug über das holprige Powaipflaſter zogen. Sie werden der Mahlzeit
alle Ehre angetan haben, das iſt ſicher, ſo dachten wir. Aber „nichts genaues wußt man
nicht“. Es iſt dem „Saarkalender“ vorbehalten geblieben, uns über den 15. Juni 1755
näheres mitzuteilen. Der Zufall half. Herr Reh änek-Fraulautern ſtudierte vor einigen
Monaten im Koblenzer Staatsarchiv und fand dabei Abt. 22, St. 4405 ein hand-
ſ<hriftlihes „Programm zu einem Festschmause, den Fürst und
Fürstin von NasSau den Bürgern von Saarbrücken und St. Johann
gegeben“.
Dieſes Programm iſt zu ſchön, für uns zu drollig, als daß man es der Vergangenheit
anheimgeben darf. Es folgt hier eine genaue Abſchrift:
„Den Sonntag Abends um 6 Uhr.
Erstlich kommen die beyden Burgerschaften, jung und alt, ein jeder mit einem
Frauenzimmer an der Hand, doch nichts als Bürgersleute,
Handwerkspursche, Dienstmägde wie auch Schloßmägde kommen
nicht darzu, es Seyen dann Bürgerstöchter oder Söhne.
Die aus der Stadt Saarbrücken kommen zuerst, und zwar erstlich die alten,
hernach die J ung en und dann folgen die von St. Johann auf eben diese Arth und
zwar alle paar und paar hintereinander.
Die Tische Sollen auf der Terrasse unter denen Linden stehen und Sollen
Sich beyde Bürgerschaften, paarweiß wie kommen, daran Setzen.
Der W ein liegt auf dem Balcon und wirdt durch eine Hauptröhre geführet,
daß auf jeden Tisch der Wein durch kleine Grahnen kan gezapfet werden. Die
Hauptröhre wird mit grünem Laube überbunden und geben der Kiefer und der Keller
knecht Achtung, daß der Wein nich fehlet.
Das Essen wird aus der Küche warm Servirt, welches die Grenadiers,
Laquayen, Knechte bis in das Vestibu]l tragen.
Der erste Canonenschuß bedeutet den Abmarsch von beyden Bürger»
Schafften aus ihren Städten und gehen in das Schloß nach ihrer Ordnung.
Beym zweyten Canonenschuß Setzen Sie Sich an die Tische, während dem Essen
werden Gesundheiten getrunken und dabey allemahl die 12 großen
Canonen gelöset.
Wann die Mahlzeit geschehen, deutet wiederum ein Canonenschuß das Auf-
Stehen an.
Alsdann kommen die Sämtlichen Bediente und nehmen die Schüßel, Teller und
übriges auf dem Tische befindliches hinweg, und tragen es auf die Seite.
Die Tische wirft man hernach auf die Terrasse hinunter in das Tischen-Magazin.
Nachdem geschiehet wieder ein Canonenschuß und der T antz gehet an, doch Soll
niemand tantzen, als diejenigen, So an den Tischen geseßen haben.
Die großen Röhren bleiben an denen Bäumen, damit während dem der Wein
immerfort daraus gezapfet werden kan.
Der gantze Balcon muß mit Lampions besetzt Seyn Sowohl als die ganze
Face (Fassade) vom Schloße, 80 nach der Terasse zu Stehet.
Über die drey großen Fenster, so in den EßSaal gehen, muß ein Bild gemachet
werden, worauf die beyde Städte, die Brücke und der Saarfluß vorgestellt
Sind, mit der darunter befindlichen Devise:
Solang die Saar wird diesen Weg hingehn
Wünsgch Ich der Unterthanen Wohlergehn.
4]
Saarkalender für dos Jahr 1930
jm
Die Illumination wird erst um 9 Uhr des Abends angestecket, und wird So-
lange ſortgetantzet, als die Lampen brennen.
Ihro Durchl(aucht) der F ürst, Ihro Durch]. die Fürstin gind bey diesem Tracta-
ment der Wirth und die Wirthin. Ihro Durch]. der Prinz Louis, der erste
Hauskeller(meister), die Sämtliche Dienerschafft adeliche von hier und ohn-
adeliche tragen die Schüßeln auf, nach dem Rang und der Herr von Maldiss
gehet vorher und beyde Hochfürstliche Personen nehmen Selbigem
die Eßen ab und Setzen Sie auf den Tisch.
Der Versammlung wird angesagt, daß der Wein nicht ausgehen werde, und
daß aber auch keine Excesse geschehen Sollen.“
+
Ein Eſſen unter fortwährendem Böllerknallen, das überhaupt die Veranſtaltung
kunſtgere<t zu dirigieren ſchien, gab der Shmauſerei für unſere, derber Lebensluſt zu-
getanen Altvorderen ſicher einen ho<hfeierlihen Anſtrich. Das zweifellos endloſe Geſund-
heittrinken auf die großen und kleinen Plagegeiſter jener Tage mag wohl nicht ſo ganz
ehrlich geweſen ſein, aber der Wein floß in Strömen. Er blieb nicht ohne verſöhnliche
Wirkung, zumal adelige Herrſchaften in reich geſtickten Seidenröcken, mit dem naſſauiſchen
Ordenskreuz der Treue auf der Bruſt und dem vergoldeten Galanteriedegen an der Seite
den „Ober“ ſpielten. Das muß ein Schauſpiel für Götter geweſen ſein! Man kann ſich
bei dem lebensfrohen Völk<hen, das über eine geſunde Trinkluſt verfügte, die Begeiſterung
vorſtellen und das Hallo, als die Angehetterten die endloſe Reihe der Tiſche packten und
gemäß der Hodhfürſtlichen Verfügung handelten: „Die Tiſche wirft man hernach auf die
Terraſſe hinunter in das Tiſchenmagazin“. Die Begeiſterung über die damals faſt unbe-
greifliche Herablaſſung der fürſtlihen Familie hielt aber länger an als das Kopfweh
vom Haarbeutel, den wohl die meiſten, durc< die dunklen Gaſſen torkelnd, nah Hauſe
ſ<leppten. Das Anhimmeln durch Dichterei ging auc nach der Feſtivität im Schloſſe
luſtig weiter. Im Archive der Firma Gebr. Hofer A.-G. finden ſic no<h Proben dieſer
Kunſt. Wir bringen einiges davon in Fakſimiledrucken nebenſtehend, es ſind Zeugniſſe
der Dankbarkeit für einen Tag im Paradies nach einem Leben ſchwer und drückend
durch harte Steuerlaſt. Der Sänger des Feſtes, deſſen Name leider nicht überliefert iſt,
bleibt im Recht, wenn er harft:
„Man hat dergleichen nie geſehen,
Aus keiner Chronik nie gehört,
Daß Herrſchaft ſo die Bürger ehrt.“
Bierprobe.
(Stadtgerichtsprotokoll vom 13. Juli 1750.)
„Rachdem an heute das Bier in beiden Städten probiert und befunden, daß Ludwig
Wentzel noh eine Quantität ſchlechtes Bier in Vorrat hat, ſo wurde in Anſehung er noh
ein junger Bürger, demſelben erlaubet, die Maß vor 3 Kreuzer zu verzapfen, mit Ver-
warnung, ins künftige beſſer Bier zu machen bey Vermeidung, daß ſolhes ausgeſchüttet
werden ſolle.
Inzwiſc<en hat Phil. Reuther auch no< ein neu Gebräu in Vorrat, ſo ihm ebenfalls
als ſc<hle<it vor 3 Kreuzer zu verzapfen erlaubet, mit gleihmäßiger Bedrohung, wenn
er ins künftige kein beſſer Bier machen ſollte, es ausgeſchüttet werden ſolle.
Auch wurde vieles Bier bey denen Bierwirten teils ausgeſchüttet und auc teils ins
Hoſpital geſhicket, wobei denen Bierbräuern bedeutet worden, ins künftige beſſer Bier
zu machen, und ſollen die Bierbräuer das gemeinſchaftliche Brot zahlen.“
2
Saarkalender für das Jahr 1930
Surſi
zuüuhvelm
hat uns ſchön geſpeißt !
So prangen Seine beide Städte
und danden mit erfreutem Geiſt
vor ſol<e Gnade
um die Wette.
Beider Städte Dankſagung.
Su-Geber aller guten und vollkomnen Gaben /
Von dem wir alle ſind, von dem wir alles haben,
Durch deſſen Gnade wir dismal ſo Fürſtlich eſſen ;
Dein und des Fürſten Dank bleib ewig unvergeſſen!
Erhalte du ſem Haus! Sein Volk bleib ihm getreu.
Gib, daß dein Segen ſtets in ſeinen Gränzen ſeh.
Erhöre gnädiglich Dank und Gebet und Lieder ,
Füll millionen mal die leere Schüſſeln wieder.
ET.
iG ER
Drucke der Hoferſchen Hofbuhdruckerei 1755
3
Saarkalender für das Jahr 1930
we
"X lie
2%
6
"ü
68-7 .
“eO
ie Tiſche werden abgehoben :
Vergeſſet nicht , den Wirth zu loben.
Singt mit uns DEO GR ATIAS.
Stadt St. Johann , verſtehſt du das ?
Saarbruden.
St. Johann.
Der Zö<hſte Geber ſey erhoben!
Wir wollen Wirth und Wirthin loben.
Man thut uns gröſſre Ehre an,
Als unſer Mund erzehlen kan.
Saarbrüden.
Weit größre Gnade, als wir dachten,
Da wir die ſ<le<te Lieder brachten.
Kaum dankten wir vors Zehnden- Gut,
Als man uns gar zu Tiſche lud.
St. Johann.
Die Fremde ſtutzen , die's erfahren ,
Daß neunzehn groſſe Tafeln waren,
Und über tauſend Gäſte dran ,
Aus Saarbrü> und aus St. Johann.
.
Den Cammexr - Amts- Regierungs- Räthen
Beliebts, um uns herum zu treten,
Wei! ſelbſt der Ndel ſich bemüht,
Da er den Bürger ſpeiſen ſieht.
Saarbrucken.
St. Joh.
St. Johann.
Was wilt du, SHweſter, davon ſagen ?
Surſt Wilhelm ſelbſt har aufgetragen.
Du weiſt, wie ſehr man auf Ihn Jicht
Und was fein Beyſpiel nach ſich zueht.,
Saarbrucen.
Das hat die Mutter unſers Landeg /
Die Zuterin des teuren Pfandeg /
Des lieben Prinzen / auh gethan.
Wie ſchön ſtund Erdmurh Demuth an.
St. Johann.
Ja wohl! Sie iſt herum gegangen /
Und hat die Gaſte ſchön Ge:
War Speiß und Tran> von beſter Art
YTod) mehr war ihre Gegenwart.
Saarbrücken.
Was wilt du von dem Prinzen ſagen,
Der viele Schüſſeln aufgetragen ?
Man bete vor das edle Blut/
Das Burgern ſole Dienſte thut
St. Johann.
Das ſoll auch jederzeit geſchehen
Man hat dergleichen nie geſehen,
Aus keiner Chronik nie gehört,
Daß Herrſchafft ſo die Bürger ehrt.
Saarbrücken.
Und haſt Du Wilhelms Reim empfunden
Um den eilf tauſend Lichter ſtunden :
So lang die Saar vorbey wird gehn /
Soll beider Städte Wohl beſtehn
St. Johann.
» habs geſehn, mit Freuden- Thränen,
d<) bitt , du wollſts nicht mehr erwehnen.
MeinDert it weiß. Sing du uns vor,
Und führe beider Städte Chor.
Beider
Ces
af Ie
Saarkalender für das Jahr 1939
Widtiges
über das wichtigſte Recht der Saarbevölkerung.
Deutſche Juriſten über die Volksabſtimmung 1935.
Von Otto Eckler, Chefredakteur, Saarbrücken.
Nach dem Verſailler Vertrag ſoll bekanntlich die Bevölkerung des Saar-
gebiets im Jahre 1935 durch eine Volksabſtimmung die politiſche und völkiſche
Zukunft des Saargebiets m it beſtimmen. Es ſind ihr dabei drei Möglichkeiten
offen gelaſſen: einmal ſich für eine Bereinigung mit Frankreich zu erklären,
zum anderen den gegenwärtigen Zuſtand als eine Art autonomen Gebietes
unter einer vom Völkerbunde einzuſeßenden Regierung aufrechtzuerhalten und
ſchließtich als dritte Möglichkeit, bezeichnender Weiſe andie lette
Stelle gerückt, die Wiedervereinigung mit dem Deutſchen Reiche zu
verlangen.
Die mit der Abſtimmung zuſammenhängenden Rechtsfragen ſind für das
Saargebiet von größter Bedeutung. Trotzdem haben ſich Staatsrehtslehrer und
Juriſten öffentlich erſt ſehr wenig mit dieſer Frage befaßt. Uns ſind nur drei
Arbeiten dieſer Art bekannt geworden: Senatspräſident Otto Andres „Die
Grundlagen des Rechtes im Saargebiet“, Dr. Hans Weh-
berg, Mitglied des Inſtituts für internationales Recht, „Die ſtaatsredht-
liche Stellung des Saargebiets und Joſef M Jörgen-Genf
„Die Volksabſtimmung im Saargebiet“. Dieſe hervorragenden
Arbeiten ſind hier den rechtlichen Darlegungen im weſentlichen zugrunde gelegt.
Zunächſt die Frage, ob die Abſtimmung ſtattfinden muß, oder ob die Rück-
gabe auch ohne eine vorherige Volksbefragung vor ſich gehen kann. Landgerichts-
rat Andres iſt der Auſſaſſung, daß der Abſtimmungsparagraph des Verſailler
Vertrages zwingenden Charakter hat, Dr. Hans Wehberg läßt dieſe Frage offen
und Görgen ſchließt ſich der Forderung des Saargebiets an, daß man an der
Abſtimmung feſthalten ſolle, ſhon um ein für alle Mal die ſogenannten „hiſto-
riſchen Anſprüche“ Frankreichs aus dem Wege zu räumen. Görgen wird aber
hier wieder ſchwankend, indem er an anderer Stelle ſeines Buches davon ſpricht,
daß das Deutſche Reich die Abſtimmung nur gegen gewichtige Konzeſſionen
Frankreichs preisgeben dürfe, die dem moraliſchen Gewicht der zugunſten des
Reiches ausfallenden Abſtimmung entſprechen müßten. Jn politiſchen Kreiſen
ſcheint die Auffaſſung von einer auch ohne Abſtimmung möglichen Rückgabe des
Saargebiets vertreten zu werden. So hat der Reichsaußenminiſter Streſemann
in Genf gelegentlich der Aufnahme Deutſchlands in den Völkerbund von einer
„vielleicht“ ſtattfindenden Saarabſtimmung geſprochen, und der franzöſiſche Ab-
geordnete Uhry hat einem deutſchen Journaliſten gegenüber ſeine Auffaſſung
dahin klargelegt, daß die Aufrechterhaltung des Saar-Statuts mit einer deutſch-
franzöſiſchen Verſtändigung unvereinbar ſei, weshalb er es für notwendig
erachte, daß Streſemann und Briand die Wege ſtudierten, um die Abſtimmung im
Saargebiet zu vermeiden. Hier bauen alſo Politiker ſchon vor, und es kann ſich
für die deutſche Außenpolitik eine Situation ergeben, die es ratſam erſcheinen
läßt, auch ohne Volksbefragung die Saarfrage zu erledigen. Hierfür wäre aber
maßgebend eine Löſung der Rheinlandfrage, denn ohne- die Befreiung des
Rheinlandes wird an eine Rückkehr des Saargebiets zum Reiche nicht gedacht
werden können.
„Sind bisher ſ<on Schritte zur Vorbereitung der Ab-
ſtimmung unternommen? Auf das Drängen der politiſchen Parteien
<Jiet
Kundgebung des Saarvolks am Abend des 28. Juni 1929. S. Chronik und Saarecho,
Aufnahme von Max Wenk
Saarkalender für das Jahr 1939
des Saargebiets hat ſich der Völkerbundsrat im Jahre 1922 dazu bequemt,
gewiſſe Sicherheitsmaßnahmen für die Abſtimmung anzuordnen, um die Unter-
lagen für den Kreis der Abſtimmungsberechtigten zu erfaſſen. Die Regierungs-
kommiſſion legte freilich ihrerſeits keinen Wert darauf, irgendwelche Schritte
zur Sicherung des in Frage kommenden Materials zu unternehmen. Jn ihrem
10. periodiſchen Verwaltungsbericht glaubte ſie naiv die Beſchwerde der poli-
tiſchen Barteien über die eigenartige Untätigkeit in dieſer Beziehung mit der
Bemerkung abtun zu können, „daß es nicht ihre Aufgabe ſei, für
dieſe Vorbereitungsarbeiten vom Verſailler Vertrag in-
ſtalliert zu ſein.“ Der Völkerbundsrat war jedoch anderer Meinung. Er
beauftragte im Auguſt 1922 den ehemaligen Vizekanzler der ſchweizeriſchen
Eidgenoſſenſ<haft Dr. Bonzon unter Ernennung zum Kommiſſar für die Ab-
jtimmungs-Ardhjive im Saargebiet, alles erhältliche, für die Abſtimmung in Frage
gomunende Aktenmaterial zu ſammeln und für deſſen ſichere Aufbewahrung zu
orgen.
Nunmehr ſah ſich auch die Regierungskommiſſion, ſehr wider ihren Willen
genötigt, ihre Mithilfe bei dieſer Arbeit zur Verfügung zu ſtellen. Dr. Bonzon
hat ſeine Aufgabe mit großer Umſicht und Sorgfalt durchgeführt, ſo daß bezüglich
der Erfaſſung der Abſtimmungsberechtigten im Saargebiet ſelbſt ein Anlaß zu
Beſorgniſſen nicht gegeben iſt. Görgen ſtellt in ſeiner Broſchüre in Ueber-
einſtimmung mit den maßgebenden Behörden im Saargebiet feſt, daß ſich
Dr. Bonzon durc ſeine Arbeiten für die Vorbereitung der Abſtimmung große
Verdienſte um die Sicherung des wichtigſten Rechtes der Saarbevölkerung
erworben habe. Nach dem von ihm geſicherten Material können mindeſtens
2.16 oder 95 Prozent der Bevölkerung an der Abſtimmung teilnehmen. Die
bayeriſche Landesregierung hat überdies Vorſorge getroffen, daß die aus dem
Saargebiet nach Bayern verzogenen Abſtimmungsberechtigten regelmäßig er-
mittelt werden, um dafür zu ſorgen, doß an dem entſcheidenden Tage auch der
lezte Mann und die lezte Frau an die Abſtimmungsurne herangebracht werden
können. Von ähnlichen Maßnahmen ſeitens Preußens und der übrigen Länder
hat man noch nichts gehört, es wäre aber, wenn es noch nicht geſchehen ſein
ſollte, die höchſte Zeit, das Verſäumte nachzuholen.
Den Kreis der Abſtimmungsberechtigten umfaßt der 8 34 des Saar-Statuts.
Dieſer Paragraph beſtimmt, daß jede zur Zeit der Abſtimmung zwanzig Jahre
alte Perſon ohne Unterſchied des Geſchlechtes, die am Tage der Unterzeichnung
des Verſailler Vertrages im Saargebiet gewohnt (ſoll heißen, ihren geſetzlichen
Wohnſitz dort hatte) hat, iſt berechtigt, an der Abſtimmung teilzunehmen.
Taneben iſt aber die Frage aufgetaucht, ob die nah dem Waffenſtillſtand hier
zahlreich zugezogenen Franzoſen, die alſo am Tage der Unterzeichnung des
Lerſailler Vertrages hier „gewohnt“ haben, ebenfalls an der Abſtimmung teil-
nehmen dürfen und ſomit in der Lage wären, das Abſtimmungsergebnis im
franzöſiſchen Sinne zu beeinfluſſen. Als im Jahre 1921 die Regierungs-
kommiſſion ihre berüchtigte Verordnung Über die Cigenſchaft der Saareinwohner
erließ, tauchten dieſe Befürchtungen bekanntlich recht lebhaft auf. Demgegenüber
jtellen aber die oben angeführten Juriſten einmütig feſt, daß dieſe zugezogenen
Franzoſen keine Beredhtigung haben, an der Abſtimmung teilzunehmen. Andres
lehnt die Anwendung der Verordnung der Regierungskommiſſion über die
Saareinwohner-Eigenſchaft überhaupt ab, Dr. Wehberg und Görgen ſind der
Auffaſſung, daß die Verordnung ſehr wohl für die Abſtimmung Geltung habe,
weiſen aber darauf hin, daß für dieſe zugewanderten Franzoſen am Stichtage
der Unterzeichnung des Berſailler Vertrages auch nach der erwähnten Ver-
ordnung noh nicht die Möglichkeit beſtand, die Vorausſezung zur Erwerbung
eines geſetzlichen Wohnſitzes im Saargebiet zu erfüllen. Es ſteht alſoniccht
vy
Saarkalender für das Jahr 1930
ZU befürchten, DdußB dur<m die Teilnahme der zZugewan:
derten Franzoſen das Ergebnis der Abſtimmung im Sinne
Frankreichs beeinflußt werden kann.
Uebereinſtimmend ſind die Juriſten der Anſicht, daß der Verluſt der Saaxr-
einwohnerſchaft, der nac< der Verordnung nac< dem Verlauf eines Jahres
infolge des Aufgebens des Wohnſitzes im Saargebiet eintritt und erſt nach einer
neuen ſechsmonatigen Anweſenheit im Saargebiet wieder erworben werden
kann, das Recht zur Teilnahme an der Abſtimmung nicht aufhebt. Es können
ſomit auch alle diejenigen Saareinwohner, die nach dem Unterzeichnungstage
des Verſailler Vertrages von hier verzogen ſind, an der Abſtimmung teilnehmen.
Zu Beſorgniſſen bezüglich der tehniſchen Vorbereitung der Abſtimmung ſowie
über die Zulaſſung der Abſtimmungsberectigten iſt ſomit kein Anlaß vorhanden.
Ungewiſſer liegen aber die Dinge bezüglich der Entſcheidung, die der Völker-
bund nach der voraufgegangenen Abſtimmung über die Zukunft des Saargebiets
zu fällen haben wird. Nach 8 35 des Saar-Statuts entſcheidet der Völkerbund
über die Zukunft des Saargebiets „unter Berückſichtigung des durc< die Volks-
abſtimmung ausgedrückten Wunſc<es“. Die Frage ſteht ſo: muß er das Ergebnis
berückſichtigen, ſo daß es alſo für die Entſcheidung maßgebend iſt, oder braucht
er es nur zu werten, ohne jich in der Entſcheidung beeinfluſſen zu laſſen? Die
Anwendung und Auslegung der Paragraphen des Saarſtatuts über die Ab-
ſtimmung iſt ſomit für das Saargebiet von größter Bedeutung. Andres vertritt
die Auffaſſung, daß der Bölkerbund ſich bei ſeiner Entſcheidung nach dem
Ergebnis der Abſtimmung richten muß. Wehberg übergeht eine Stellungnahme
zu dieſer Frage, ſtellt aber feſt, daß die Entſcheidung des Völkerbunds in der
Richtung ergehen kann, daß nur für einen Teil des Landes die Beibehaltung
des gegenwärtigen Rechtszuſtandes (eine noc< verkleinerte Saar-Autonomie
wäre aber nod) eine größere Unmöglichkeit, als wenn man das geſamte Saar-
gebiet zu einer Autonomie geſtalten wollte) oder die Vereinigung mit Frank-
reich bzw. mit Deutſchland beſchloſſen wird. Görgen verneint einen Zwang für
den Völkerbund, ſich nach dem Ergebnis der Abſtimmung zu richten, meint viel-
mehr, daß der 8 35 die Entſcheidung des Völkerbunds völlig offen läßt. Jeden-
falls weiſt auch Wehberg auf die Gefahr der Zerſplitterung des Saargebiets
hin, die zu einer Aufteilung des Gebiets zwiſchen Deutſchland und Frankreich
unter Ausſ<hluß der Autonomie führen könnte. Dieſe Zerſplitterung könnte
aber wohl nur dann in Frage kommen, wenn die gemeinde- oder bezirksweiſe
vorzunehmende Abſtimmung in gewiſſen Bezirken zugunſten Frankreichs aus-
fallen würde. Jn ' dieſer Beziehung hat Frankreich offenbar
n.0<. niht alle Hofinungen auſgegeben, ein ſolches Er-
gebnis erzielen zu können. Sein wirtſchaftlicher Einfluß
beſonders auf die Bewohner des Warndtgebietes hat Be-
foraniſſe dieſer Art auc< auf deuiliſcher Seite ausgelöſt.
Franzöſiſche Politiker, wie der Abgeordnete Taittinger, haben ſich auch ſchon
bemüht, neben den von der Bevölkerung ausgedrückten Wünſchen bei der
Abſtimmung die wirtſchaftlichen Verhältniſſe gewiſſer Bezirke als für die Ent-
ſcheidung des Völkerbunds mit maßgebend hinzuſtellen. Hiervon iſt im Saar-
Statut aber mit keinem Worte die Rede. Man ſieht aber aus dieſen Be-
mühungen, daß die Abſtimmung noch gewiſſe Gefahren in ſich ſchließt, da alles
von der Entſcheidung des Völkerbundes abhängig iſt. Erinnert ſei nur an die
Abſtimmungen in Oberſchleſien, die den Völkerbund nicht davor zurückſchrecken
ließen, Bezirke mit großen deutſchen Mehrheiten aus angeblichen wirtſchaftlichen
Gründen Polen zuzuſ<hanzen. Nach ſolchen „Grenzberichtigungen“ geht ja auch
das Verlangen Frankreichs, und bezeichnend iſt in dieſer Hinſicht die Aeußerung
des Generaldirektors der franzöſiſchen Grubenverwaltung im Saargebiet,
6
ko
Saarkalender für das Jahr 1930
mmm
Tefline, der den Kohlenraub von franzöſiſcher Seite unter der Saargrenze
hindurch im Warndtgebiet mit einer „kleinen Grenzberichtigung“ verglich.
Vier Jahre und zehn Tage trennen uns 1930 noch von dem Abſtimmungs-
termin und troß einer zweifellos im deutſchen Sinne ausfallenden Abſtimmung
ſind wir der Entſcheidung des Völkerbundes durchaus nicht ſicher. Zwar iſt nicht
zu verkennen, daß die Abſtimmung, wenn ſie im Jahre 1935 erfolgt, in einer
politiſch doh mehr geklärten und reineren Atmoſphäre vor ſich gehen wird, die
diktatoriſche Rückſchläge wie in den Tagen nach Verſailles erſchwert. Es gilt
aber troßdem, wachſam im Saargebiet zu ſein und im treuen Feſthalten am
deutſchen Vaterlande auszuharren, bis durch eine überwältigende Kundgebung
der Saarbevölkerung für die Rückkehr zum Reiche die glückliche Zukunft des
Saargebiets im deutſchen Sinne geſichert iſt.
Gegen politiſche Erpreſſung.
An der franzöſiſchen Schule in Jägersfreude beſteht eine Kleinkinderſchule
für Kinder vorſchulpflichtigen Alters. Sie wird von 25 bis 30 Kindern
beſucht. Den Eltern dieſer Kinder wurde im Dezember 1928 -- alſo ausgerehnet vor
Weihnachten! = der nachſtehende Vordruck ins Haus geſchikt. In der Scule ſelbſt
wurden die Ueberbringer der Formulare beauftragt, den Eltern zu ſagen, daß im Falle
der Unterſchriftsverweigerung das Kind von der Weihnachtsbeſcherung ausgeſchloſſen
werde. Die Kinder der Eltern, die nicht unterſchreiben, dürfen von dieſem Zeitpunkt ab
die Kleinkinderſchule nicht mehr beſuchen. Die Kleinkinderſchule iſt alſo keine wertvolle
ſoziale Einrichtung, wie die franzöſiſche Schulleitung glauben machen will, ſondern nur
ein Mittel, einen Druck im Sinne der franzöſiſ<en Schule auf die Eltern dieſer Kinder
auszuüben.
Anmeldungsformular.
Jägersfreude, den
Der unterzeichnete Bergmann . | . » Wohnhaft in Jägers-
freude, . vin ee jEruße Nr: meldet hiermit ſein Kind
(Name) EE . geboren am . . EE RZ 55 es
zur Aufnahme in die franzöſiſche Schule in Jägersfreude für
Oſtern 1929 an.
Bitte ausfüllen und ſofort zurückſenden!
Dies iſt nur ein Beiſpiel von vielen dafür, daß den Franzoſen alle Mittel recht ſind,
um die franzöſiſchen Schulen, die von der Bergwerksverwaltung für die Kinder
franzöſiſcher Angeſtellter eingerichtet ſind, mit deutſc<en Kindern zu füllen. Sehr
oft wird bei dieſen Preſſionen auch noh die Wohnungsnot ausgenußt, indem man den
Bergleuten mit der Kündigung fiskaliſ<er Wohnungen droht oder, umgekehrt, ihnen
ſolche Wohnungen in Ausſicht ſtellt. Seit einiger Zeit wiſſen wir, wie ſkrupellos der Be-
ſuch franzöſiſcher Schulen durch deutſche Kinder von der franzöſiſchen Propaganda aus-
genußt wird zu Lügen über die „gemiſchtſprachige“ Bevölkerung im Saargebiet. Das End-
ziel iſt offenbar irgendeine Schiebung im Jntereſſe der Franzoſen und gegen die Intereſſen
der deutſchen Bergleute. Das ſollten ſich alle deutſchen Eltern vor Augen halten! Sie
müſſen ſelbſt die Abwehr gegen ſolche Erpreſſungsverſuche in die Hand nehmen. Die
Unterrichtsabteilung der Regierungskommiſſion ſieht offenbar das dieſer anvertraute Wohl
der Bevölkerung durchaus gewahrt, wenn die deutſchen Kinder in franzöſiſchen Schulen
keine einzige Sprache richtig lernen und jeder ernſten Shulzucht entbehren. A
Unterſchrift.
69
Tholey, am Fuße des Schaumberges.
Aufnahme von Ulax Wenß.
Saarkalender für das Jahr 1930
Wie in den
Naſſau-Saarbrücker Landen
der Kleebau offiziell eingeführt wurde.
Von Walter Henne, Saarbrücken.
Es war an einem Märzmorgen.
Fürſt Lud wig, der letzte in Saarbrücken reſidierende Fürſt, war ſchlecht gelaunt.
Kein Wunder! Der Staat, an deſſen Spitze E r ſtand, war no<h lange nicht auf der
Höhe, die Sereniſſimus als erſtrebenswert erachteten.
Tag und Nacht ſann Er darüber nah, wie Handel, Gewerbe und Landwirtſchaft in
den Naſſau-Saarbrücker Landen zu heben ſeien. Ein mühſeliges Geſchäft. = =- -
„Dunnerſchlag no< mal“, rief Sereniſſimus, „dieſe vertrackten Bauern! Aufhängen
ſollte man ſie! Die Nachtweiden ſind ſeit anno 64 abgeſchafft. Stört ſich keiner dran!
Cine Forſtverwaltung iſt eingerichtet mit einer kriegsſtarken Kompanie Beamten, in der
Hoffnung, endlich einmal einen geſcheiten Wald zu bekommen. -- Aeh! Verſtehen Sie
meine Herren, den ſchönſten Wald im Heiligen Römiſchen Reich Deutſcher Nation müſſen
wir hier an der Saar haben, wonach ſich zu richten gebeten wird! -- -- Und dieſe
Malefizbauern fahren mit ihrer ganzen vierbeinigen Habe in Meine Wälder! Als ob's
nicht verboten wäre. Das Laub ſtreifen ſie ab, damit ſie Winterfutter haben. Nächſtens
werden ſie noFz die Bäume dazu verfüttern.“
„So weit kommt's noch“, murrte der Herr Ober-Jägermeiſter von Fürſtenrecht.
„Durchlaucht“, wagte einer der Herren zu ſagen, „Edler Fürſt! Wenn den Bauern
nicht d a s bißchen gegönnt wird, wir würden, mit Reſpekt zu ſagen, demnächſt nach über-
ſtandenem Winter von dem Viehzeug unſerer Landleute nichts mehr ſehen. Jſt ja ſo ſchon
nichts dran, als Haut und Knochen, ſoweit es in dieſem Winter nicht eingegangen iſt.“
„Sereniſſimus erlauben, daß auch ich ganz ſubmiſſeſt meine Meinung ſage: „von Moos
allein läßt ſich kein Rind fett machen,“ ließ ſich ein anderer vernehmen.
„Ah!“, knurrte Sereniſſimus, „man will Mich belehren!? Hat nicht Mein erlauchter
Vorgänger Wilhelm Heinrich -- Gott hab" ihn ſelig! =- angeordnet, daß zwiſchen dem
erſten Schnitt und dem zweiten die Wieſen niht mehr ſo ſinnlos zu beweiden ſind? He?
Mögen ſie ſich darnach richten. Dann werden ſie Heu genug bekommen. Und über-
haupt = =- -- =“
Damit verſtummten Jhro Gnaden. Ludwig fiel plößlich etwas ein. Er dachte nach.
Das Ihn umgebende Kollegium erſtarb in tiefem Schweigen. Und dachte auch nach.
Nämlich darüber, was der Fürſt mit dem „überhaupt“ ſagen wollte. Sollte da nicht wieder
ein Gehaltsabzug oder ähnliches dahinter ſtecken?
Sereniſſimus fuhren ſich mit dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand
über die Naſe. Immer rauf, runter, rauf. Ein Zeichen, daß Er jetzt ganz angeſtrengt
nachdachte .
In der Runde wurde es immer ſtiller. Und noch ſtiller. Sogar die große Standuhc
ſetzte aus.
Endlic< hörten Sereniſſimus auf, in der beſchriebenen Weiſe die hohwohlgeborenz2
Naſe zu glätten.
„Meine Herren!“
Die Herren nahmen Haltung an.
„Meine Herren! Es muß anders werden! Und es wird auch anders! Das garan-
tiere Jh Ihnen! Entſinnen Sie ſich, auf Ihren Kreuz-. und Querzügen dur<h Lothringen
und Flandern eine ſeltſame Wieſenpflanze geſehen zu haben?“
“
fut
Saarkalender für das Jahr 1930
7»"/
M a
Allgemeines Schweigen. = - -- --
„Meine Herren! Sie ſind ganz traurige Kadetten! -- -- J<h bitte Sie dringend, ſich
dieſes wunderbaren Krautes zu entſinnen, ſowie der geradezu wundervollen Erfolge, die
man damit erzielte. Nun, wird's. bald?“
„Abh! Ah! Geſtatten Durchlaucht“, rief der jüngſten einer, „iſt das nicht ſo ein drei-
blätteriges Gewächs, von dem der lange Graf -- -- -- na, wie heißt er . denn noh
gleiH, -- -- -- Mon -- - -- --, Mon -- -- -- --, ih komme nicht gerade auf den
Namen, obwohl er mir auf der Zunge herumläuft, = -- -- -- alſo von dem eben der
lange Graf ſagte, wenn es vierblättrig ſei, bringe es Glück? Aeh! Verd = -- -- -- wie
heißt das Zeug doh noM? = -K- =-- -K- - -- --? -- --? Klee!
richtig: Klee!!!“
„Bravo!“, rief Ludwig, „ganz recht Ew. Liebden! Setzten ſie ſich einen Gehaltsplaß
herauf. Außerdem werden Sie zum Kleerat befördert. Jawohl, Klee werden Wir ein-
führen. Und wenn die ſtarrköpfigen Bauern nicht wollen, dann werden Wir ſie ſchon
zwingen. Warum haben Wir denn eine ſo wunderbare Strafordnung? Bei dieſer Ge-
legenheit möchte I< nicht verfehlen, auf das ſtets vorhandene Geldbedürfnis der Staats-
kaſſe hinzuweiſen.“
„Doh zurück zum Thema. Alſo Sie, mein lieber Kleerat, werden ſih nun un-
verzüglich an die Arbeit begeben und Mir m kürzeſter Friſt eine wohlaufgeſetzte Ver-
ordnung betr. Kleeanbau in Unſeren Landen vorlegen. Der Einfachheit halber nehmen
Sie die beabſichtigte Gründung einer Stuterei in Dudweiler mit auf, weshalb Sie ſich
mit dem Marſtallamt ins Einvernehmen ſetzen wollen. Dann geht's im einem hin. Und
es iſt auc billiger, denn die Druckſachen werden von Tag zu Tag teurer. Ja, ja, es iſt
ein Kreuz, Landesvater zu ſein, glauben Sie es, meine Herren!“
„Sie, mein lieber Lex, werden wohl dem jungen Fant etwas auf die Finger ſehen,
damit die Verordnung Hand und Fuß hat. Au können Sie ſich noh nah einigen ge-
eigneten Herren umſehen, die Wir in die ebenfalls zu bildende Klee = =“ -=- oder ſagen
Wir beſſer „Landesökonomie-Commiſſion“ berufen können.“
„Und nun, Adieu, meine Herren, Jh danke Ihnen! Um 11 Uhr, zur Parade, ſehen
wir uns wieder. Adieu!“
Einige Zeit danach vernahmen die erſtaunten Naſſau-Saarbrücker die berühmte Klee-
Verordnung, die die Klage über zu wenig „Gefütter“ eindämmen ſollte, da „Hö<ſt-
dieſelben“, der Fürſt Ludwig gedachten, „den ſo ungemein nüß-
lichen Kleebau auf allen Bännen und dadur< ſol<hen allgemach
die unſtreitig vorzüglichere Stallfütterung einzuführen, außer-
dem aber alle ſonſt mögliche Landeskulturverbeſſerung in Gang
zu bringen.“
I key
Auch ein Genuß! Zwei alte Schweſtern in Neunkirchen lebten nicht in ſonderlich guten
Verhältniſſen und begnügten ſich beide mit einem künſtlihen Gebiß. Der Volkswiß
urteilt: Zwei Seelen und ein Gedanke, zwei Mäuler und ein -- Gebiß. Sie ſind bei einer
Freundin zum Kaffeeklatſch geladen. Die Aeltere hat den Vortritt, geht zum Kränzchen
und läßt ſich die Süßigkeiten gut ſchmecken. Sie erhebt ſich aber vorzeitig unter irgend-
einem Vorwand mit der Bemerkung: „Meine Schweſter kommt nach!“ Auf einem nahe-
gelegenen Hausflur wartet dieſe bereits, ergreift ſchnell den gemeinſamen Beſit, das
Gebiß, und ſchiebt es unbeſehen eiligſt in den Mund. Da verklärt ſich ihr Geſicht, ſie
ſ<hnalzt und ſchwelgt mit der Zunge, als ſie die Platte anſaugt und bemerkt verzückt:
„Aah! hmm! wie fein, Quetſchekuchen gibt's!“ H. E.
YE
)
„„e
Saarkalender für das Jahr 1930
Bergmannslos!
Erinnerungen eines alten Saarknappen
von G. Klein, Merchweiler.
Wir ſien im Kohlrenrevier, und doh kennen nur wenige die ſchwere Arbeit des Berg-
manns. Stündlich umlauern ihn tauſend Gefahren, ein Erdbruch, ein Bergrutſch, ein
Stempelknicken, ſchlagende Wetter, alles das ſind dem Bergmann unheimliche Bekannte.
Stets ſteht Freund Hein, das Knochengerüſt, als Zuſchauer bei der Arbeit. Froher Sinn,
friſc<es Wagen und harte Pflicht helfen dem Bergmann, den Gefahren zu troen. Nicht
zuleßzt das ſtarke Gottvertrauen iſt es, das ihm immer wieder Mut und neue Hoffnung
gibt, nach vollbrachter Schicht das Licht der Erde glücklich wiederzuſehen. Beſonders die
Alten, heute grauen Kämpen im Dienſt der Arbeit, aber auch ein guter Teil der Jungen,
haben in ihrem gefährlichen Beruf man<hmal dem Tod unerſchrocken ins bleiche Antlitß
geſehen. „Für wens beſtimmt, den triffts“, iſt ein alter Bergmannsſpruch.
Es kommt nicht oft vor, daß ein im Berufe ergrauter Bergmann ſein Innerſtes x reisgibt.
Das ziemt ihm nicht, er liebt es nicht, das klingt ihm ſo nah Selbſtüberhebung, nach
Prahlertum. Dafür iſt die ehrliche gerade Natur des Knappen nicht geſchaffen. Wenn aber
durch irgend ein Erlebnis oder zufällig im Laufe der Unterhaltung die Erinnerung wach-
gerufen wird, dann iſt es möglich, daß der ſonſt harte Mann weich wird und einen Blick
tun läßt in ſein Innerſtes. Man empfindet ſofort, daß tiefer Lebensernſt, Gottvertrauen,
viel frommer Sinn in dem Herzen unter dem blauen Kittel wohnt.
Wir ſien zuſammen im Abendſchein. Blutrot ſinkt der feurige Sonnenball am
Horizont. In dem großen Nußbaum ſingt leis der Abendwind. Darunter ſteht die birken-
gezimmerte Ruhebank. Weit geht der Blick ins abendliche Land. Da beginnt der alte
Knappe ganz unvermittelt aus ſeinem ſorgenvollen, gefahrenreichen Leben zu erzählen.
„Der Tag war ſchon hart geweſen“, hob er an. „Der Acker will beſtellt ſein, wenn
die Zeit dazu iſt. IH hatte Nachtſchicht. Damals in früheren Jahren kannte der Bergmann
keine Eiſenbahn, die ihn zur Arbeit brachte. Der Weg zur Grube wurde zu Fuß zurück-
gelegt, -weil die Koſten für die Bahnfahrt geſpart werden mußten. Es war um die Abend-
zeit wie eben jetzt, als ih meinen Grubenſtecken ergriff, mein Kleiderbündel ſchulterte
und durch den Wald nach der Grube ging. Ich traf an dieſem Abend keinen Kameraden.
Vielleiht war ich etwas zu früh fortgegangen. Die Sänger im düſteren Tannenwald
waren nod nicht alle zur Ruhe gegangen, irgendwie im hohen Tann ſang eine Amſel
ihr leßtes Lied, eine Nachtigall, die man damals noch häufiger hörte wie heut, fiel ein.
Die lezten Sonnenſtrahlen erhellten in dünnen Lichtern ab und zu den dunklen Weg.
So ging ich, in Gedanken verſunken, durch die abendliche Stille. Plötzlich ſtockte der Fuß.
Ein Lichtſtrahl läßt irgend einen Metallgegenſtand auf dem dunkeln Fußweg aufblitzen.
34 hebe es auf und ſtelle feſt, daß es ein Stück eines Roſfenkranzes iſt mit dem daran
hängenden kleinen Kreuz. Schon in der Jugend wurde ich belehrt, daß man derartige
geweihte Stücke nicht verunehren ſoll, um dem vorzubeugen, ſteckte iH das kleine Stück
in meinen blauen leinenen Kittel. Ein kurzes Gebet vor der Einfahrt und mit einem
herzlichen „Glück auf“ der Zurückbleibenden ſank der Förderkorb in die grauſige Tiefe.
Wir arbeiteten vor einem ſchweren Stoß, wo die Kohle ſehr ſtark mit Felſen durchſetzt
war. Der Zugang zur Arbeit war ſtellenweiſe nur ſo hoch, daß ein beladener Wagen
gerade durchfahren konnte. Meine Aufgabe war es, die Kohle unter einem ſtark über-
hängenden Felſen herauszuſchrämen. Da die Verhältniſſe ſehr ungünſtig und die Arbeit
außerordentlich niedrig war, konnte dies nur in liegender Stellung geſchehen. Die Kamera-
den von der Mittagſchiht hatten die Kohle dur< Sprengungen ſoweit aufgelockert, daß
die Arbeit eigentlich nicht beſonders ſchwierig war. Lediglich das Schaffen in liegender
Stellung machte außerordentlich müde. Der Schein der Grubenlampe verbreitete nur ganz
ſpärliches und dämmeriges Licht. Unentwegt fuhr die Spitzhacke in das lockere Geſtein.
Große, feſte Brocken kollerten heraus. Schon hatte ich einen größeren Teil der Kohle
herausgeſchrämt. Jmmer weiter mußte ich unter die überhängende Felsplatte kriechen,
"us
Saarkalender für das Jahr 1930
wa;
als ich beim nächſten harten Schlag im trüben Licht der Lampe etwas Weißes ſchimmern
ſah. Zunächſt glaubte ich, es ſei eine der blinkenden ſilbernen Kohlenadern, den nächſten
Schlag ſchon führte ich direkt an die glißernde: Stelle. Plößlich ſah ich, daß ſich tatſächlich
ein Stück Papier mitlöſt. JH werde ſtutzig. Ih greife die Lampe und leuchte die Stelle
genau ab. Zu meinem größten Schrecken ſtelle ich feſt, daß noh ein ganzer Schuß, der
beim vorigen Schießen nicht mit losgegangen war, dort ſteckte. Nur millimeterbreit war
der ſtarke Hieb des ſpizen Pickels danebengegangen. Hätte ich die ſteckengebliebene
Ladung getroffen, ſo wars um mich geſchehen. Zu Fetzen hätte mich dieſer Schuß zerriſſen
und der überhängende Felſen hätte die lezten blutigen Reſte von mir zugedeckt. In ſtiller,
ſtummer Dankbarkeit zog ih das Roſenkranzſtük aus meinem Wams und dankte der
göttlichen Vorſehung, die dieſe ſ<were Gefahr ſo gnädig von mir abgewandt hat. Heute
noch ſchwöre ich darauf, daß das Roſenkranzſtück, das ich ſo achtlos am Wege fand, mein
Retter geweſen iſt.“
„Ein anderer Fall, der leider einen unglücklihen Ausgang nahm. Schon jahrelang
arbeiteten wir zuſammen, der Kriſchan und ich. Er war ein braver, treuer Kerl. Ein
Schaffer wie ſelten einer. Sechs hungrige kleine Mäuler hatte er zu verſorgen. Da mußte
geſpart werden, denn Auslagen für Kleider und Schuhe uſw. waren ſtets zu machen. Wir
fuhren zuſammen zur Mittagsſc<hi<ht. Schnell bringt der Shachtkorb uns in die Tiefe.
Beide gehen wir zuſammen zur Arbeitsſtelle. Ueberall ein unheilvolles Raunen im
Stüßgebälk. Dort kniſtert und knackt ein ſchwerer Stempel, dort ä<hzt unter der ſchweren
Laſt eine Bank, ſchmutzige ſchwarze Grubenwaſſer gluckſern träge zum Schacht oder zur
Pumpe. Kein Wort wird geſprochen. Schweigen. -- Kriſchan geht mit ſc<hwankendem, faſt
unſicherem Gang und irrlichtender Grubenlampe ein gut Stück vor mir. Immer noch
Schweigen. Nur das Gebirge ringsum raunt und droht. In unwirklichem Glanz bricht ſich
„as trübe Lampenlicht in ſilbernen Kohlenadern. Stempelkniſtern, rieſelnder Geſteinſtaub.
Anſicht der Grube Velſen im Roſſeltal.
WW, |)
=
Saarkalender für das Jahr 1939
Plößlich vor mir ein Getöſe. Staub, Dreck, Holzſplitter, Finſternis. Meine Grubenlampe
iſt verlöſcht. Kriſchan! rufe ich, nichts, keine Antwort. Ih ſchreie -- keine Antwort. Schnell
wird die Lampe in Ordnung gebracht. Zurück zum Schacht oder zur nächſten Arbeit. Im
Laufen treffe ih Kameraden. Stotternd, nach Luft ringend, berichte ich. Schnell iſt das
Werkzeug zur Hand und mit fieberhafter Eile wird an dem Bruch gearbeitet. „Da iſt ein
Keſſel gefallen,“ ſagt lakoniſch ein junger Arbeiter, „vielleicht lebt er noch.“ Nur wenig
Hoffnung hege ich. Immer weiter dringen wir in den Schnitt vor, aber immer noch fällt
es von oben nad. Wenn er no<h lebt, muß er Antwort geben. Jh ſchreie ſeinen Namen
in den Berg. Da, wie aus Grabestiefe kommt Aniwort durchs Geſtein. „Biſt du verletzt?“
rufe ich. „Nein!“ klingt es monoton zurück. Wir verſuchen mit allen erdenklichen Mitteln
ein Luftrohr vurc< den Bruch bis zu dem Verſchütteten zu ſtoßen. Vergebens. Der harte
Erzmantel läßt es nicht zu. Plößlih Klopfzeichen. Sofort ruht die Arbeit. Und ganz fern
dringt eine Stimme zu uns: „Sagt Frau und Kindern Lebewohl, ſagt ihnen, ſie ſollen
immer fromm bleiben und anſtändige Menſchen werden. Lebt wohl, Kameraden!“ Wir
hörten nic<ts mehr. Pikhämmer fahren in fieberhafter Schnelligkeit und mit aller Kraft
in den Berg. Bohrer ſurren. Die Schippen freſſen Meter um Meter der Schuttmaſſen weg.
Llebelriehender Shweißdunſt ſteht im Stollen. All unſer Mühen war vergeblich. Nach
Stunden erſt haben wir ihn geborgen. Er war nur unbedeutend verletzt. Zuſammen-
gekauert ſaß er tot in der Höhlung des Erzkeſſels. Vor ſi den Stock. Die erloſchene
Lampe noch in der Hand. Er war mein beſter Kamerad“, ſo ſchließt der alte Knappe und
Tränen ſtehen ihm in den Augen.
„Lange Jahre iſt's ſchon her, als ich in einer Partie von 24 Mann beſchäftigt war,
die einen neuen Schacht anteufte, der heute einer nahegelegenen Grube als Luftſchacht
dient. Das war eine für damalige Verhältniſſe gut bezahlte, aber auch gefährliche Arbeit.
Wir hatten beim Abteufen zahlreiche, ſehr ſtarke Waſſeradern angeſchnitten. Armdick
kamen einzelne Quellen aus den aufgeſprengten Schachtwänden. Die Zementierung und
Beſeſtigung der Shachtwände konnte nur von kleinen, ſeitlih angebrachten Tribünen
vorgenommen werden, die gerade ſo groß waren, daß ein Mann darauf ſtehen konnte.
Als Schuß vor der Näſſe wurde nur im Oelanzug geſchafft. Stets war unter unſeren
Füßen ein ſchmutzig trüber Waſſerteich von ganz reſpektabler Tiefe. Deshalb mußte auch
immer Waſſer abgefahren werden. Zu dieſem Zweck waren beſondere Waſſerwagen ange-
fertigl, die bedeutend größer und ſchwerer waren wie die gebräuchlichen Kohlenwagen.
460 Meter waren wir tief. Wir mußten den Schacht waſſerleer fahren, weil wir bohren
wollten, um tiefer zu kommen. Mit Oelzeug und langen Gummiſtiefeln ſtanden wir bis
zur Bruſt im Waſſer und pumpten oder ſchöpften die ankommenden Wagen voll. Nur
noh wenige Wagen, dann waren wir fertig. Plötzlich ho< über uns ein Gepolter. Ein
Fallen, Brechen, Krachen, ein Schlagen und Splittern. Entſezen lähmt uns. Kein Aus-
weg, keine Rettung in dem runden Schacht. Holz fällt auf uns herunter, Eiſenteile ſauſen
zwiſchen uns. Da ein Weheſchrei, dort hats einen getroffen, der zuſammenſinkt. Wir
ſigen zuſammengekauert, den Kopf tief zwiſchen die Schultern gezogen. Immer noch
regnets Holz und Eiſenteile auf uns nieder und über uns im Schacht ein grauſiges
Donnern und Poltern. Kein Wort fällt. Jeder weiß, für uns gibts keine Rettung. Dort
ſißt einer, ſtumm die Hände gefaltet in ſtillem Gebet, jener denkt vielleicht an ſein blond-
loKiges Kind, ſein liebes junges Weib daheim, die er nicht mehr wiederſehen ſoll, jener
ſorgt ſich um ſeine alten Eltern oder um ſein liebes Mädel, Einer ſogar betet, der ſonſt
nur Spott und Hohn für unſeren Herrgott übrig hatte. % Stunden dauert das grauſige
Toben über uns. Plötzlich ein ohvenbetäubendes Krachen und Splittern, ein einziger
Schrei, Waſſer ſpritzt auf, ein dumpfer, harter Schlag, und vor uns liegt der zur unkennt-
lichen Eiſenmaſſe zerſchlagene Oberteil eines Waſſerwagens. Einer nur wurde verleßt,
die kleinen Shrammen der anderen waren unbedeutend. Und oben an Tag raſt ein junger
Menſc<, der das Unglück verſchuldet, wie ein Jrrſinniger die Straßen des Dorfes entlang,
heim zu Vater und Mutter, um ihnen zuerſt von ſeinem gräßlichen Verſchulden und dem
Unglück, das ſeine Kameraden dur ihn getroffen, zu erzählen.“
'11'2
Saarkalender fiix das Jahr 1930
zzunüöirdicr:
Im goldnen Lamm.
Blätter der Erinnerung von Schreinermeiſter C. Schumann.
Wo heute der Marktverkehr in nimmermüden breiten Fluten ſeine Menſchenmaſſen
wälzt und der Markthalle rundbogig Tor immer neue Maſſen ſchluckt, ſtand früher, ein-
jag zwar in ihrer Form, aber wuchtig ausladend die alte Kaſerne, nicht etwa „eine alte
Kaſerne“, ſondern einfach „die“. Denn es war die Kaſerne der Bürgerſchaft, die mit ihr
lebte und, wenn es ſein mußte, litt. Schmucke Ulanen bevölkerten ſie, =-- „unſere
Hulaner“, -- wie ſie allenthalben, bei klein und groß, bei jung und alt nur hießen. Da
gab es keim Fremdtun, kein abſeitig Zieren: unſere Hulaner waren eben unſere Hulaner,
unſere Freunde, die bei uns ein- und ausgingen und denen bei Tag und Nacht Tor und
Türe offenſtanden zum fröhlichen Willkomm und mannhaften Umtrunk. Gott ja: der Drill
hatte noch nicht dem Haſten und Treiben der heutigen unraſten Zeit ſich angeſchloſſen,
immer fanden ſich Stunden und halbe Tage, die man nutßbringender als Soldat in der
Küche am heimiſchen Herd einer ſauberen Bürgerstochter im Grethenzopf und kattunener
Schürze zubringen konnte denn am ewig leergegeſſenen Spind in der Kaſerne. Aber
junge Soldaten, im beſonderen Maße Hulaner, plagt nicht nur ſtändiger, in friſcher Luft
bei fröhlichem Dienſt erworbener Hunger, ſondern ein ſchöner Durſt nach ſchaumigem,
dunklem Saarbrücker Bier iſt gewißlich in ſeiner ausgeprägteſten Form auch kaum zu
verachten. Alſo, daß auch der junge Wachtmeiſter Wahlſter den Weg vom Kaſernentor
geradeaus dur die Neben-, quer über die Altneugaſſe ins „Goldne Lamm“, deſſen Firmen-
ſchild in kleinem Maße heute noch im Sc<hlußkeil des Fenſterbogens in Stein gehauen zu
ſehen iſt, zum alten Vetter Mitſcher, öfter nahm, als eigentlich ſeinem ſchlappen Bruſt-
beutel mit der mageren Löhnung und den paar Muttergroſchen dienlih war. Da aber
der alte Mitſcher, der in ſeiner ſtillen Behaglichkeit am liebſten im weichen Großvater-
ſtuhl, des Sommers am Fenſter, im Winter neben dem wuchtigen Kachelofen ſaß, wußte,
was einem Soldaten, und beſonders einem ſolch ſtrammen, eignet und gebühret, ſo war
die Sache für die Wahlſterſten Moneten nicht gar ſo ſchlimm.
Sagte der zum Beiſpiel nach dem üblichen Gruß und herzhafter Batſchhand: „Vetter
Mitſcher, e Knuppe!“, ſo deutete dieſer nur mit einem Blick zum Krug im Schrank:
„Do, trink aus der Flaſch, ih hann grad kä Glas do!“, was dann der brave Hulaner mit
der Bemerkung quittierte: „Macht nix, Vetter Mitſcher, mein Mund hält grad für einen
Groſc<hen!“ und ſi< dann mit Inbrunſt in den Inhalt der Flaſche vertiefte. J<H hab's
niemals nachgemeſſen, aber ich wage mit jedermann zu wetten, daß das Maß ſtets etwas
gerüttelt voll genommen wurde.
Sagte er aber: „Vetter Mitſcher, e Flaſc< Bier!“, ſo wies der ihn in den offenſtehen-
den Kellerhals vor der Tür, mit der glitſchigen Treppe, die hinab in die Geheimniſſe ver-
gangener Tage führte, und meinte: „Geh runner, holl dir ſelbſcht änn eruff, ich ſtehn nit
uff, im hucke grad ſo gudd met meinem Poddegra!“ Und ſo dieſer dann nach geraumer
Weile wieder, mit einer Flaſche unterm Arm in den Bereich des Tages aus dem Dunkel
des blakenden Grubenlichtes trat, ſo hatte er ſtets einen etwas rötlich angehauchten Kopf,
eim Umſtand, der natürlich nur der Kellerfeuchtigkeit zuzuſchreiben war.
Durch den fortgeſetzten Wechſel aber zwiſchen Tag und Nacht entſtehen Jahre, entſtehen
Ewigkeiten, vergehen Zeiten, gute und ſc<lehte, und ſo kam es auh, daß unſer Freund
eines ſchönen -- oder häßlichen -- Tages, ſeine zwölf Dienſtjahre um hatte und als Dank
für ſeine treue, dem Vaterland geleiſtete Dienſte zum wohlbeſtallten Polizeidiener, wie
man die öffentliche Sicherheit damals nannte, ernannt wurde und ſomit er ſich ſelbſt, der
Bürgerſchafi und insbeſondere dem alten Mitſcher, die Treue wahren konnte.
Der war inzwiſchen auch nicht jünger worden, ſaß noch lieber wie vorher im Groß-
vaterſtuhl mit den mächtigen „Ohren“ und hatte, wenn jener immer durſtig und als richtig-
gehende Polizei oft gar noh durſtiger denn als Ulan zu ihm kam, immer wieder grade
kein Glas zum Shnapseingießen hatte und nod viel weniger Luſt, über die glitſhige Keller-
Y
Saarkalender für das Jahr 1930
treppe hinab in den Dunſt der ewig blakenden Oelfunzel zu ſteigen. Die Folge war, daß
Wahlſter ſtets und immer wieder ſeinen Mund zum Hohlmaß für die Menge, wie ſie ein
Groſchen bezahlte, zu ſeinem größten Leidweſen machen, oder ſich einen roten Kopf in
kühler Kellerfeuhtigkeit anſ<mauchen mußte.
War dies die erſte Folge, ſo war die zweite die, daß Wahlſter treu der alten Ge-
pflogenheit früherer Generationen, als Shußzmann mit 130 Pfd. Lebendgewicht eintrat
und nach einem knappen Jahre ſeine wohlgewogenen zwei Zentner in der Nachtwädter-
kluft, die er nächtlicherweile anziehen mußte, ſtecken hatte.
Und obwohl unſer alter Stadtbürgermeiſter an ſolche Dinge längſt gewöhnt, ſo war
ihm doch das zu ſchnelle Fettwerden ſeines einzigen Untergebenen nicht gerade recht, und
ver ungenierte Dämmerſ<oppen desſelben, wenn er gerade mit ſeinen Räten am
Mitſcher'ſ<en Schanktiſch die wichtigſten Geſchäfte der Stadt erledigte, ſchon längſt ein
Dorn im Auge.
Weshalb, als Wahlſter wieder einmal ihn =- d. h. den Dämmerſchoppen -- bis weit
über das Nachtglockläuten auszudehnen die unzweideutige Abſicht kundgab, der dienſt-
liche Eifer ihn packte, hinging und dem Spieß- und Tutehornbewehrten nicht gar zu ſanft
die Schulter drückte und ſprach: „Nachtwächter, mach er, daß er von hier fort und auf
die Straße kummt, die ganz Stadt kann geſtohle werde!“, worauf der mit einem treu-
herzigen Schlucker abwinkte und mit ſtierem Blick zur fröhlichen Tafelrunde antwortete:
„Ah was, wer ſoll denn bei uns ſtehle?, ihr ſeid jo alle hier!“
SEAEEEEAEEEEEEEEEEEEEEEENEENEEen. Wente
Vom Ausguk auf dem Winterberg.
„Was hat jeder Menſ<, ob dinn oder dick,
Was find ma om Kopp un nit om Genick.
Un was zum Läwe un Sterwe geheert,
Was muß do geſund ſinn un ſtets gud geſchmeert?
Die Shniß, die Schniß, die Schniß!“
Wie ich noh ſo e junger Springer von vier-, fünfunzwonzich Johr war, do honn
ic; das Liedche oft mit dem neetige Efee un mit Leib un Seel in da Kappeſitzunge gebrillt.
Domols, do ware aach noh ſc<heene Zeite un e ſcheen Fahſenacht. Do hätt man kän Blatt
fors M--und ſe holle gebraucht, ma hats geſaht, wies em graad iwa die Lewer gegrawelt
is, Heitſetac<hs, wo man in Saarabien ſo e ſtrenger Zenſor honn (i<ß konn emol denne
Jiame nit behalle, es wird emol ſputzt und zweimol genießt), do muß ma uffpaſſe, der wär
uf emol im Stond un wird em die Shn--auße zubabbeloſſe. Un die is doh for ebbes
gonz onneres do:
„Was ſchafft em im Läwe viel Sorje un Plach?
Was wickelt un freßt ball de gonze Dach?
Was wird gonz fronzlich vum viele Gebrauch?
Was ſchafft em die Kuttlät verkaut in de Bauch“
Die S<hniß, die Shniß, die Shnmß!“
Um uß die Kappeſitzung ſerickſekumme. Da kunnt ma mol ſo richtig alles vum Herze
erunna ſohn. Ma hat nit vorzebeiche gebraucht, wie die Frau im Köllerdahl. Won die ihr
Hinkele geſucht hat, do hat ſe immer gekrächzt: „Komm Bib, Bib, Bib, Hohn du aach!“
Und das nur, daß ſich de Hohn nit beleidicht gefihlt hat. Do wars frtjex doch ſcheener, aber
ich muß ſchließe, ſunſt gebt ſie mir aach noh fronzlich. Nä, ich glaab, bei mir gehts ſo:
„Un is de Honnes geſtorb in da Not,
Was muß ma kaputtſhlohn noh noh ſeinen Dod?
Die Sc<hniß, die Schniß, die Schniß!“
Honnes,
"4 7
Saarxkalender für das Jahr 1930
Der verfehmte Sängerſpruc.
„Deutſches Wort und deutſcher Sang
Hat im Saarland hellen Klang!
Klinge, ſchwinge immerdar
Deutſche Weiſe an der Saar!“
prangte von C. A. Lange-Völklingen in einem
Gaſthaus in Geislautern als Wandſchmuck.
Unſere ungebetenen Gäſte nahmen daran
Aergernis und mieden, nachdem ihnen die
Entfernung des Spruches nicht gelang, das
Lokal. In dem Spruch kommt allerdings
dreimal das Wort „deutſch“ vor -- uner-
träglich für den Franzmann und ſeme
Liebediener. Wie wär's, ſo meint Herr
C. A. Lange, mit folgendem „weſtlich-orien-
tierten“ Erſaß?:
Welſche Art und welſches Wort
Hat im Saarland keinen Hort!
Schwingen mag es immerdar
Nur =-- wett weſtwärts von der Saar!
Verſeimdi Lieb.
Von Karoline Kloß.
Er war als efdr mol verdreht,
Do is ſie's aach gewän,
Doch zwiſc<hendur<h do duhn ſe ſich
Als aariſch gudd verſtehn.
Do<h war mit annre ſie vergniegt,
Do ärgert er ſich ſchepp,
Un uff ſei Vorwirf hat ſie ihm
E ſc<nibbiſc< Antwort gebb.
So ſinn ſe garnit änig wor,
Es gebbt kenns vun ne no,
Un wann er emol nä geſaat,
Dann ſaat ſie expreß jo.
IH glaab, die zwei hann viel verſeimt,
Se ſinn ſich driwwer klar,
Daß er ſowohl als wie aach ſie
E reſchder Eſel war.
Winter 1929. Eismaſſen am Felſenweg zum Sonnenberg
|G
Saarkalender für das Jahr 1939
Der Sriederikenſhienenweg.
Das älteſte Projekt einer Eiſenbahn mit Lokomotivbetrieb in Deutſchland ſtammt aus
dem Jahre 1816 und ſollte im Saargebiet verwirklicht werden. Leider ohne Erfolg. Der
„Saarkalender“ hat in einem der früheren Jahrgänge näheres hierüber gemeldet. Das
veranlaßte einen höheren Bergbeamten, der einſt die Akten in dieſer Sache genau ſtudiert
hat, noch einige intereſſante Notizen darüber dem Jahrbuch zu übermitteln.
Bei der erſten Generalbefahrung durc< Oberberghauptmann Gerhard, Berghauptmann
Graf Beuſt und Bergamtsdirektor Sello im Jahre 1816 wurde angeordnet, daß zur
Verbindung der Grube Bauernwald (ſpäter mit der Grube Großwald zur heutigen Grube
Gerhard vereinigt) mit der Saar ein 8000 Fuß, gleich 2% Kilometer, langer gußeiſerner
Schienenweg hergeſtellt und der Transport auf demſelben durch einen „Dampfwagen“
vermittelt werden ſollte.
Letzterer, von dem ein kleines Modell bereits angefertigt und der Königsgrube in
Oberſchleſien zur Probe überwieſen worden war, ſollte in der königlichen Gießerei in
Berlin gebaut werden.
Man begann bald mit der Herſtellung der Bahn, welche den ſtolzen Namen „Friede-
rikenſchienenweg“ erhielt, und zwar zunächſt auf hölzernen Schienen, auf welche ſpäter
die nach einem Berliner Modell in der königlichen Eiſengießrei zu Geislautern anzu-
fertigenden Eiſenſchienen befeſtigt werden ſollten.
Am 22. September 1818 gelangte der Dampfwagen, wohlverpackt in acht Kiſten und
174 einzelnen Stücken in einem Geſamtgewicht von 8740 Kilogramm, in Berlin zur
Abſendung, und zwar auf dem Seewege. über Hamburg--Amſterdam, Köln, Koblenz,
Trier nach Geislautern, wo er am 4. Februar 1819 anlangte.
Unverzüglich ging es an die Zuſammenſetzung = eine ſchwierige Aufgabe für die
damalige Zeit, zumal man in Berlin keine Zeichnung beigelegt hatte. Welch ein Kopf-
zerbrechen das verurſachte, iſt aus einer alten Rechnung zu erſehen, laut welcher 3. B.
zum Dichten des Keſſels und der Zylinder u. a. nachſtehende ſchöne Sachen verbraucht
worden ſind: 1 Pfund Hanf, 2 Stück Käſe, 24 Pfund Oel, s Ellen Leinwand, 15 Pfund
Kitt, ein Kübel Rindsblut, 10 Pfund Mehl, 2 Maß Eſſig u. a. m.
Endlich war die Montage beendet und nun ſollte am 28. Juni 1819 der erſte Fahr-
verſuch beginnen. Man heizte nach allen Regeln der Kunſt, bis daß den Beteiligten
Kitt, Leinwand, Oel und Waſſermengen um die Köpfe flogen. Allein zu einer Be-
wegung war das edle Dampfroß nicht zu veranlaſſen und erſt unter
Zuziehung von a<ht Mann und einigen Winden gelang es, dasſelbe überhaupt ein wenig
vom Plate zu bringen.
- Der leitende Ingenieur gab als Urſache dieſes ſeltſamen Eigenſinns an: der Kolben
ſtoße an die Radgeſtelle (!), die Zahnräder hätten ungleiche Zähne (!) und der Dampf
ſtehe gleichzeitig an beiden Seiten des Kolbens (!). Uebrigens dürfte der Verdacht nicht
ungerechtfertigt ſein, daß die Herren in Geislautern bei der Montage doh wohl etwas
verſehen hatten. Bei einer Probefahrt auf dem Hofe der königlichen Eiſengießerei in
Berlin ſoll der Wagen auf einer 100 Fuß langen Probeſtrecke ſich tadellos vor- und rück-
wärts bewegt und dabei einen Anhänger mit 8000 Pfund Bomben gut gezogen haben.
„Mit der Lokomotivförderung auf der neu hergeſtellten „Strecke wurde es alſo nichts.
Das Ungetüm ſelbſt wurde von den gelehrteſten Leuten in die Kur genommen. Es gelang
auch allmählich, dasſelbe zu einer beſcheidenen Selbſtbewegung zu veranlaſſen. Einen
Wagen hat es nie gezogen. Im Jahre 1835 vollendete es ſeinen irdiſchen Lebenslauf, indem
Zn 334 Taler, 6 Sgr., 7 Pfg. als altes Eiſen verkauft wurde. 3116 Taler hatte es
gekoſtet.
So kam die Saargegend um den Ruhm, die erſte Lokomotive des Kontinents gehabt
zu haben. Erſt 31 Jahre ſpäter lief die erſte Saarbahn von der bayeriſchen Grenze bis
Heiniß, die im Jahre 1852 bis Saarbrücken und zur franzöſiſchen Grenze erweitert wurde.
“9
Saarkalender für das Jahr 1930
EHEN ÜR,
Der Geiſediwwel.
Von Geheim. Bergrat Dr. Hilger.
Ih bin im Saarrevier ſchon als Bergbaubefliſſener im Jahre 1878 geweſen,
zum erſten Male aber auf der Durchreiſe im Kriege 70/71, als ich zwölfjährig
von Hauſe durchgebrannt, mit einem Liebesgabentransport meiner Vaterſtadt
Eſſen die Schlacht bei Courcelles am 14. Auguſt 1870 mitmachte.
Im übrigen habe ich vom Königlich Preußiſchen Bergreferendar =- als
ſolcher 30g ich 1883 hoh zu Roß von Straßburg nach einer Uebung vom
Ulanenregiment 15 in Dudweiler ein = bis zum Präſidenten der Königlichen
Bergwerksdirektion alle Chargen in Saarbrücken durchgemacht, Bergaſſeſſor,
Berginſpektor, Mitglied der Bergwerksdirektion, Bergrat, Bergwerksdirektor
in Luiſenthal. Präſident der Bergwerksdirektion von 1900 bis 1905.
Heute möchte ich aus der Referendarzeit eine Angelegenheit richtigſtellen,
die ſeinerzeit ein gewiſſes Aufſehen erregt hat. Bekanntlich neigt die vortreff-
liche, mir ans Herz gewachſene Bevölkerung des Saarreviers dazu, den lieben
Nächſten dur< einen Spißnamen auszuzeichnen. Jh erinnere an den „Man-
ſ<ettenlouis“, den „Ulanen-Peter“, den „Kumber“ und wie ſie alle heißen
mögen. Mir hatte man, als ich Referendar in Dudweiler war, den Namen
„der Geiſediwwel“ anprobiert, und dem lag folgende Geſchichte zugrunde.
- Wir waren in Dudweiler in dem ausgezeichnet geführten Hotel Zix vier
Königlich-Preußiſche Bergreferendare und zwei ebenſo Königlich-Preußiſche
Bergbau-Befliſſene, taten ſchleht und recht unſere Pflicht und Schuldigkeit,
manchmal ein Phchen mehr, manchmal auch ein bißchen weniger, gingen aber
auch fröhlichem Scherz nicht aus dem Wege.
Der Meldearbeit zum Bergaſſeſſorexamen mußte eine ſelbſt aufgenommene
Zeichnung einer größeren Bergwerksmaſchine beigefügt werden. Mein Freund
Joſef Schäfer, der leider ſchon vor langer Zeit in Euskirc<hen als Bergrevier-
beamter geſtorben iſt, und ich beſchloſſen, die große Fördermaſchine in Jägers-
freude aufzunehmen. Sie zeichnete ſich dadurch aus, daß ſie eine ganz beſon-
dere Konſtruktion hatte, nämlich eine teils zylindriſche, teils koniſche Seil-
trommel. Konſtrukteur war der bekannte alte Maſchinenmeiſter Krane.
Wir zogen nun vormittags und nachmittags regelmäßig von Dudweiler
nach Jägersfreude und maßen an der Maſchine mit unſeren Zollſtöken und
frößeren Mitteln alles kurz und klein. So zogen wir an einem ganz beſonders
jeißen Auguſtnachmittage nach dem Eſſen auf „dem Scoſeeh“, wie man dort
damals die große Heerſtraße benannte, von Dudweiler an dem „Teifelsmihlche“
(Thomasſchlackenmühle) vorbei an unſere Arbeit. Als wir an den Berg kommen,
geht vor uns eine alte Frau, die eine recht ſtörriſc<e Ziege am Seil führt
und meiſt das Tier ziehen muß. Die Geis verſpürte abſolut keine Neigung,
den Jägersfreuder Berg heraufzumarſchieren. Wir halfen gelegentlich, edel-
mütig wie wir von jeher waren, mit unſeren Spazierſtöcken den Beſtrebungen
der alten Frau etwas nach, aber die Ziege ſtreikte plößlich gänzlich. Die Alte
machte Kehrt, und als ich ſie fragte, was iſt denn mit der Ziege, antwortete ſie:
„Jh wollte, daß das Bieſt beim Deiwel wär!“
Ich hatte damals zum Schuß gegen alle Möglichkeiten -- ich ritt manche
Nacht einſam von Heinitz, wo ich recht häufig abends mit guten Freunden den
Sumpen ſchwang, durch den Wald nach Dudweiler zurück -- einen Revolver
bei mir und fragte im Vollbeſit dieſes Schießinſtruments die Alte: „Soll ich
ſie = gotilie die Ziege -- totſchießen?“ Darauf ſagte die Alte ſehr kurz:
„Schießen Sie ſe dot, es is mer een Duhn!“ (etwa: es iſt mir gleichgültig. D. H.).
I<hH 30g den Revolver, ſchoß, bauß, da lag die Ziege, hochblatt getroffen,
im Chauſſeegraben, und bauß, neben der Ziege die Alte, hell aufkreiſc<hend.
Y
Saarkalender für das Jahr 1930
Joſef Schäfer konnte ſich vor Lachen nicht halten. Die Alte „bekriegte“ ſich
ſehr bald wieder, ſchoß wie ein wütender Tiger auf mich los und erklärte kurz
entſchloſſen: „Die Geis koſtet 14 Dhaler!“ J< fand die Forderung für eine alte
ſtörriſche Ziege nicht grade beſcheiden, aber um allen Schwierigkeiten aus dem
Wege zu gehen, bezahlte ich ihr 14 Taler gleich 42 Mark und ſchenkte der
Alten, großmäütig wie ich mich hatte, die tote Ziege, die doh eigentlich meine
wohlerworbene Jagdbeute war.
Die Sache ging natürlich wie ein Lauffeuer dur< Dudweiler und Um-
gegend. Wo wir uns in Zukunft zeigten, konnten wir uns auf dem „Scoſeeh“
vor alten Weibern mit Ziegen kaum retten, die alle ihre alten Geiſen für
14 Taler totgeſchoſſen haben wollten. Wir hüteten uns aber ſchwer. Wir hatten
in anbetracht der finanziellen Seite des Unternehmens mit dem einen Mal
genug.
Ns trug mir dann den Namen der „Geiſediwwel“ ein. Später iſt die
Angelegenheit, namentlich bei der Wahlagitation von den politiſchen Gegnern,
hart entſtellt, benußt worden. Jh wurde hingeſtellt als ein Ziegenmaſſen-
mörder, der bis an die Zähne bewaffnet auf der Landſtraße herumſtreicht und
alten harmloſen Frauen hinterrücks die Geiſen totſchießt.
So geſchehen im Auguſt 1883 in Dudweiler bei Saarbrücken.
„Uee, ih mahn nit!''
Die ſieben Bilder Antons v. Werner im Kaiſerſaal des alten Rathauſes, ein Geſchenk
Wilhelms 1. im Jahre 1880, ſind wohl allen Saarländern bekannt. Der älteren Generation
dürfte noh der Streit in lebhafter Erinnerung ſein, der etwa 1890 um den Beſitz der
Bilder entbrannte, ob Saarbrücken allein den Schatz beanſpruchen dürfe oder St. Johann
Miteigentum geltend machen könne. Die Bürgermeiſter, Stadtverordnetenkollegien, Preſſe
und Bürgerſchaft lagen darob hüben und drüben, diesſeits und jenſeits des „Jordans“
in arger Fehde, die uns heute ganz ſeltſam anmutet. Man verſteht nicht mehr den klein-
lichen Neid und die Eiferſucht zwiſchen der blühenden „Roſe“ und dem alten, ſchläfrig
gewordenen Naſſauer. „Löwen“. Jede Gelegenheit wurde gewiſſenhaft wahrgenommen,
gegeneinander zu arbeiten, nur der Gedanke einer Vereinigung blieb unberührt, das
Nächſte lag den kleinlich denkenden Kampfhähnen am fernſten. Selbſt Anton v. Werner
konnte in dem Bilderſtreit den Frieden nicht herſtellen mit ſeiner verſtändigen Erklärung,
„daß die Anerkennung, welche durch das Bilderdenkmal ausgedrückt werden ſollte, ebenſo
St. Johann wie Saarbrücken gegolten“.
Auf einem der ſieben Gemälde hat der Künſtler die Ankunft des Königs von Preußen
in Saarbrücken am 8. Auguſt 1870 in einem figurenreichen Bild wiedergegeben. Zur
Darſtellung gelangten hier aus der Bürgerſchaft zumeiſt Perſonen, die ſich im ſpäteren
Verlaufe des Krieges durch Wohltun und aufopfernde Kriegerpflege hervorgetan haben.
Man bemerkt unmittelbar vor dem Gefährt des Monarchen auch ein kleines Mädchen,
das von dem Polizeikommiſſar Wirtz etwas zurückgehalten wird. Es iſt die älteſte Tochter
des Bankiers Schlachter, die ſpätere Frau Berta Stille, deren Tod vor einigen Jahren
erfolgte. Die Kleine überreichte dem König einen Blumenſtrauß und erfreute ihn ſichtlich
durch ein frei und völlig ungeniert vorgetragenes Begrüßungsgedicht. Der Monarch
reichte dem friſchen Kinde die Hand und ſagte: „Zur Belohnung ſollſt du auch einen Kuß
von deinem König haben.“ Zu aller Anweſenden Ueberraſchung antwortete der kleine
Balg in ungeſ<hminkter Saarbrücker Mundart: „Nee, ic mahn nit!“ Der König lächelte
und fragte beluſtigt zurück: „Warum willſt du denn keinen Kuß von mir?“ worauf die
zweite, noc< überraſchendere Antwort herausplaßzte: „Du biſcht m'r zu alt!“ Während
der König über dieſe kindliche Aufrichtigkeit herzlich laßen mußte, wußten die gleichfalls
anweſenden Eltern kaum, wohin vor Entſetzen und Verlegenheit. A...Z.
«
| v
litis
Saarkalender für das Jahr 1930
mr
WWE u
Alt-Saarbrücker Lehrertypen und Schülerſtreiche.
Von einem, der dabei war.
Das alte Saarbrücker Pennal -=- ich denke in der Hauptſache an das alte Ludwigs-
gymnaſium -- läßt ſowohl an „Heldentaten“ der Schüler wie auch an Originalen inner-
halb der Lehrerſchaft viele andere der höheren Schulen Deutſchlands bei weitem hinter
ſich. Der „Saarkalender“ hat an alten Erinnerungen dieſer Art bereits köſtliche Sachen
der Bergeſſjenheit entriſſen, eine Tat, für die ich ihm ſehr dankbar bin. Noc< heute ge-
ſchieht es kaum, daß ſich zwei alte Schulgefährten aus der Saarbrücker Gymnaſialzeit ſo
vor etwa zwanzig Jahren treffen, ohne daß der eine oder der andere von ihnen ganz
automatiſch in Sprechweiſe und Haltung des einen oder anderen der einſtigen „Geſtrengen“
verfällt, und daß der andere dann laut lachend loslegt: „Ja, weißt du noch, damals . . .“
War da unter anderem ein hochgelehrter Profeſſor, der „Jeſchichte und Jeojraphie“,
gemeinhin „die Bux“ genannt -- er hat ſpäter, als ihn die ewigen Streiche ſeiner Zög-
linge auz Saarabien herausgegrault hatten, ein ſagenhaftes Daſein in den Bibliotheken
des Batikan geführt --, der mit flatterndem ſchwarzen Künſtlerſhlips, wehendem, allzeit
ein wenig feuchtem Schnurrbart, in dem abgeſc<habteſten aller verlotterten Anzüge daher-
hinkte. Ah ja, wie war es noch! Eines Tages hatten wir ihm einen aufgezogenen Wecker
in den eiſernen Ofen des Klaſſenzimmers geſtellt. Mitten in der Stunde natürlich trillerte
das Teufelsding los. Die „Bux“ ſtand entgeiſtert in ihrer üblichen Haltung am Katheder:
Auf einem Fuß, das eine Bein hochgezogen und ſpitz über das andere gekrümmlt, die linke
Hüfte in kühnem Bogen herausgewölbt, in der einen langen braunen Hand das unent-
behrlichz, iHmierige Notizbuch und ein Stümpchen von Bleiſtift, den anderen Arm in halb-
ägyptiſchen, eckigen Windungen zackig nach vorne geſtreckt und in drei Fingern ein un-
definierbares Etwas zu Kügelchen drehend, den Kopf wie ein Kranich ſchief zwiſchen die
Schultern gezogen. „Was iſt denn das jeweſen?“ knarrte ſeine blecherne Stimme los,
während aus dem Hintergrund Kichern und ein in langer Uebung ſyſtematiſch ab-
getöntes Brummen erklang. „Und nun ſind die Summer und Brummer auch ſchon wieder
am Werk!“ weinte die „Bux“ entſezt los und begann, vorgebeugten Rumpfes, lang-
geſtreckten ſchiefen Halſes, ſo ſchnell es nur ging, in den Gängen zwiſchen den Bänken
hin- und herzuſhießen. Ein Schüler, nicht weit vom Primus entfernt ſizend, erhob ſich
und meinte beſcheiden: „Der Pedell wird klingeln, Herr Profeſſor!“ „Aber die Stunde
iſt do<z; noch jar nicht aus,“ krähte die „Bux“ verzweifelt, worauf faſt ein ganzes Dutzend
Jür'glinge im lockigen Haar aufſprangen und uniſono riefen: „Soll ich mal nachſehen
geßen?“ Die „Bux“ griff nag dem Rettungsſtrick und entſandte einen von ihnen, der
ſchlic ßlich wiederkam und die erſchütternde Auskunft überbrachte: „Es muß ein phyſi-
kaliſ<es Experiment geweſen ſein, Herr Profeſſor!“ Und ſchon ſtand die unglück-
lich2 „Bux“ wieder an der Landkarte, den Zeigeſtok in der Hand, wie ein grotesker
Niggertänzer den Speer und erläuterte, auf das Herz Aſiens zeigend: „Dies alſo iſt der
Hindukuſd, der Hindukuſch, der Hindukuſch, kuſch . . kuſch . . kuſch . .“
Und dann war da der Höchſte der Hohen--nach manchem bitteren Leid deckt ihn
heute die kühle Erde ſchon --, der keinen anderen Ausweg wußte, um ſeinen Primanern
die züoelloſe Lebensluſt eines Horaz zu erklären, als indem er ihnen das Vorwalten des
„Kantiſ<en Jmperativs im geiſtigen Gehalt der Horazſchen Oden“ einzureden
verſuchte. Und dann der „Unkel“, jener behäbige, dicke Weiſe, der bei den griechiſchen
Philoſophen ſo ſehr zuhauſe war, daß er auch manchen Streich ſeiner Schülerſchar wie
ein Stoiker hinnahm, und jener ſ<hneidige, alte Herr mit flottem, weißem Shnurr-
bart. der heute in Bonn lebt als rüſtiger Penſionär, und deſſen Weisheiten gewöhnlich
in ven Spruch ausklangen: „Ac<h, a<h, ic< hab's ja immer geſagt: Mancher lernt's nie
und au dann nur unvollkommen.“ Kein Ende der langen Reihe! Wißt ihr noh von
Y
Saarkalender für das Jahr 19330
jenem Profeſſor des Engliſchen und Franzöſiſchen, der uns „fortwährend in einem
fort“ den Geiſt der engliſchen Sprache dadurch erklären wollte, daß er ſagte: „Die Eng-
länd»r haben nun fortwährend in einem fort ſol<e merkwürdigen Sprachformen, daß ſie,
jenau wie man etwa fortwährend in einem fort ſtatt „Maikäfer“ ſagen würde „die Sache
von Käfer von Maaai“, fortwährend in einem fort ſagen „The bridge of London“ ſtatt
die „Londonbrücke“, und nun wiederholen Sie mal fortwährend in einem fort . . .!“
Stundenlang, ja ſtundenlang ließen ſie ſich fortſezen die Geſchichten, aber wie wär's,
wollen wir es nicht einmal mündlich tun, etwa bei einem Glaſe Bier im Sommer oder
im Hrrbſt in einem jener Hinterſtübchen, wo wir dereinſt tagten als werdende Studenten
und uns um ſo mehr Bier einverleibten, je weniger es erlaubt war! Wie wärs'! Nächſtes
Jahr vielleicht einmal? Wer macht den richtigen Vorſchlag?
ReKkord.
v. Chr. Kl.
Durch die Preſſe ging vor kurzem eine Notiz, nach welcher eine Grube bei der Stadt
Norman in Alaska, Nordamerika, ein Grubenflöz ſeit 140 Jahren brenne und ſomit
den Rekord der Dauerbrände in Bergwerken darſtelle. Dieſe Behauptung trifft nicht zu.
Wer kennt nicht den Reichtum unſerer heimatlichen Scholle? Reichtum auf der Erde,
den herrliGß; ſchönen Wald! Reichtum in der Erde, die unſchägbaren Kohlenablagerungen,
Flöze genannt -- 41 an der Zahl -- und nicht minder, den in ſchönem Buchenhain ge-
legenen beliebten Ausflugsort, den Brennenden Berg?
Sein Wunder reizte ſchon Goethe bei ſeinem Beſuch des Saargebietes, er hat darüber
anſchaulich geſchrieben, worüber in früheren „Saarkalendern“ gemeldet worden iſt.
Unſere Kohlenablagerungen ſind nun in kleineren oder größeren Abſtänden =-- Neben-
geſtein -- ſchräg, dachähnlich einander übergelagert, erheben ſich aus bis jezt unbekannter
Tiefe herauf und treten zum größten Teil an der Tagesoberfläche aus -- Ausgehendes
der Flöze genannt.
Das mädtigſte dieſer Kohlenlager der Saardruben, Flöz Nr. 13, auch Blücher genannt,
das auh die beſten Kohlen liefert, hat ſein Ausgehendes auf vorgenanntem Berge.
Die Annalen des Saarbrücker Bergbaues verzeichnen nun, daß um das Jahr 1668
ein Hirte auf dieſem Berge Feuer an einem Baumſto>k anzündete, dieſes dur<h Einfluß
von ſtürmiſc<em Wetter durc< die Wurzel hinabgedrückt wurde, das Ausgehende des ge-
nannten Flözes ergriff und ſo in die Tiefe ſich weiter verzog. In welcher Tiefe nun dieſer
Brandherd liegt, iſt bis heute nicht ermittelt. Das Feuer iſt bis heute noh nicht erloſchen,
davon legen die aus den Felsſpalten in der Schlucht dieſes Berges ausſtrömenden heißen
Dämpfe beredtes Zeugnis ab.
Der Grundſtein, zu dem mit der Zeit ſich zur Blüte entwickelnden Bergbaues unſerer
Heimat iſt auch auf dieſem Berge zu finden, denn die erſten Kohlengräbereien, Tagebaue
-=- ſind urkundlich bis in das 14. Jahrhundert zurückzuführen.
Den Rekord des Grubenbrandes hält ſomit die Grube Dudweiler, ſie kann wohl
auch als die älteſte der Gruben auf dieſem Kontinent bezeichnet werden.
Andere Zeiten ſind geworden, denn die Schriftzeichen auf den Warnungstafeln ein-
gangs der Grubengelände: Mines Domaniales frangaises (Grubeneigentum der Fran-
zoſen) laſſen erkennen, daß ein neuer Herr eingezogen, das Szepter ſchwingt und ſich
eingeniſtet hat.
Hoffentlih kommt die Zeit bald, wo auch auf unſeren Grubengeländen wieder die
deutſche Flagge weht.
1,43
Sqgarkalender für das Jahr 1930
Sreundliche Einladung.
Eine Jdylle aus der Fürſtenzeit.
Von Screinermeiſter C. Schumann-Saarbrücken.
Jm Walde Warndt der Müller von Karlsbrunn, ein Kerl, dem Leibeigenſchaft und
Hörigkeit fürſtlicher Anmaßung, Dinge waren, die er nur vom Hörenſagen kannte und
woraus ex ſich ebenſowenig machte, wie ſein Eſel im Stall.
Der wiederum war Keiner von jener zartbeſaiteten Art, denen man mit dem Ruf,
Eſlein ſtreck dich!, nur blanke Golddukaten hervorlockt, ſondern ein rechter, e<ter Müller-
eſel, der wußte, was er ſich und ſeinem Herrn ſchuldig war und was man von der Geſund:
heit unſerer einhufigen Haustiere nicht anders erwartet.
Den führte unſer Müller mit allem andern Hausgetier jeden Morgen und Abend in
ſeinem Hof zum Brunnen, pumpte ihnen dort den ſteinernen Trog hübſch voll blinkenden
blanken Quellwaſſers, daß jedes ſich nac< Herzensluſt daran zu laßen ſich nicht genug tun
konnte, um dann ſelbander wieder zur gewohnten Krippe im Stalle zu trotten.
Zwiſchendurch ſcheuerten an demſelben Brunnen die Mägde die Milchkannen oder
ſpülten das Butterfaß, das der alte Großvater neben dem mächtigen Kamin ſo gut zu
gebrauchen verſtand, daß die Molken die ſchönſten und ſaftigſten Butterklumpen abgaben.
Und ſo wäre ſtill aber kraftvoll alles in innigſter Harmonie und Zufriedenheit, wie
ſeit Jahrhunderten auch noH Jahrhunderte weiter gegangen, wäre nicht der harte Ruf
des Knechtes eines Tages zwiſchen das Klappern der Mühlſteine gefallen, wie der ſpitze
Knall eines ſharfen Schuſſes in das Singen des Waldes: „Die Pump geht nit mehr!“
Dem Müller, dem das dumpfe Rollen der Räder mehr in den Ohren lag, wie eine
iolche Möglichkeit, hantierte ruhig an ſeinen Säcken weiter, blies nur ab und zu mit
ſchiefem Mund den Mehlſtaub von der Naſe, bis auch ſeine Frau von der Tür her ihn
mit Winken und Schreien darauf aufmerkſam macdcte, daß da etwas nicht in Ordnung ſei.
Aufnahme von Pax Wenk
Felsgebilde auf dem Großen Stiefel bei St. Jngbert.
“
'
1
Saarkalender für das Jahr 1930
Wie er dann in den Hof trat und die Frau ihm in ihrer aufgeregten Art erzählte,
daß die Magd ſchon eine geſchlagene Stunde am Brunnen ſtehe, ohne auh nur den
Küchenbottig mit den bligenden blanken Meſſingreifen halbwegs. voll zu bekommen,
vachte er in ſeiner Ehrlichkeit nur daran, ob am Ende dieſe neuangeſchaffte Pumpe, die
den Eimer an der langen Kette über der Holzwelle auf Anraten fortſchrittlicher Nachbarn
verdrängt hatte, niht in Ordnung ſei, brummte etwas von: Jetz hammerſ<! und:
neumodiſc< Gedinges! zwiſchen die Zähne, probierte aber auch ſelbſt mal ſeine Kunſt.
Wie ihm aber ſchon beim erſten Zug und Stoß der Pumpenſc<wengel wie ein ſc<hlappes
Seil aus der Hand fiel und gurgelnd ein Ton am Brunnenrohr herauflief, da wußte er:
das Rohr hing frei über dem Spiegel, der Brunnen hielt kein Waſſer!
Das war ihm nun zwar ſeit ſeiner Kindheit Tagen neu, aber nur im erſten Augenblick
unbegreiflich. Im zweiten wußte er genau, woran es hing: ſtraßenwärts hatte die
Gemeinde einen neuen Brunnen geſetzt und ihm dabei ſein Waſſer abgegraben: Aha!
Aha! ſagte auc< die Müllerin, ſagte die Magd, ſagte auch der Knecht, ſagte auch
Großvater und Großmutter, die beide aus ihrem Altgedinge, etwas ſc<werfällig wohl,
aber nicht weniger neugierig herangehumpelt kamen.
Tetz hammerſch! ſprach darauf wieder gewichtig der Müller, kraßzte ſich mit der
rechten Hand unter dem Rand der grau angelaufenen Zipfelmüße und alles ringsum
beſtätigte dur< Kopfnicken, daß er ihm aus dem Herzen geſprochen. Worauf er ſich
kurz eniſhloſſen dem Hoftor zudrehte und von allem, was Beine hatte, gefolgt, ſtrebte
er ſtracks dem Gemeindehaus zu.
Die Bauern unterwegs in ihrem ſinnierlihen Mummeln hinterm Pflugſterz geſtört,
reckten die Köpfe hoch, die Leute zu Haus, völlig verdußt, ob des ſich mehrenden
Schwarmes, der die Straße herabzog, ſtreckten neugierig Naſen und Ohren durch die
Fenſter, fragend, was da wohl in ihrer Einſamkeit ſtörend ſich aufdränge, und obwohl
die Frauen ſich die rotangelaufenen Arme und naſſen Hände noch ſchnell an der Schürze
wiſchten, wurde der Haufe immer größer.
Dem Schulz, wie ihm ſein Adjunkt ſchweratmend den langſam ſich heranſchiebenden
Heerwurm meldete, würde es nicht eintun bei der Geſchichte, nichts deſto trog aber legte
er die Faiten ſeines Geſichts in die Form fragender Harmloſigkeit: „Was führt Dich denn
zu mir ?“
- „Ha no“, kraßte ſich wieder der Müller ſeinen aufſteigenden Zorn vom Ohr, „habt
ihr mir mit euerm verdammten Brunnen am Gemeindeweg das Waſſer abgegraben, ſeht
zu, daß ihr mir anderes beſorgt! Andernfalls geh ich zu den Aſſiſen!“
- Die hohe Obrigkeit, ſelbſt wenn ſie nur in einem kleinen Bauernſchulzen ſteckt, läßt
ſich nicht drohen: Kraft ihrer Gewalt und höherer Einſicht iſt ſie nie im Unrecht, weshalb
ſie auch hier kaltlächelnd die Achſeln zuckte und es ruhig dem Müller überließ, auszu-
probieren, ob ihm am Ende die Aſſiſen beſſer ſein Waſſer zurückliefern könnten, denn
die Gemeinde, vertreten durch ihren hohmögenden Sulzen!
Nun ſagt man zwar -=- wie weit zu Unrecht, weiß ich nicht! -- den damaligen
Gerichten nach, daß ſie noh langſamer gearbeitet hätten, wie heute: wie aber mal fünf
Jahre in dem Prozeß verfloſſen waren, ohne daß des Müllers Pumpe auc nur einen
Zoll tief im Waſſer hing und weil er doch in der Stadt etwas zu erledigen hatte, 30g
er ſeinen Mauleſel aus dem Stall, warf ihm den Sattel über den knochigen Rippſtrang,
legte Zaum und Zügel an, ſchwang ſich darauf und ritt davon.
Wie er nun ſo in der geruhigen Morgenfrühe klopfenden Herzens durch den Warndt-
wald ritt, nahm er unterwegens einen grasgrün verbrämten Jäger wahr, der da wohl
auch ſeinen Geſchäften nachging, ſprang ab und hieß den, ſeinen Eſel am Hügel halten,
indes er ſelbſt die Gurt am Sattel feſter zog.
. Der Jäger, froh um die Abwechſelung in ſeiner Waldeinſamkeit, ließ drum nicht nach
mii Fragen, wohin des Weges, woher und warum?
Der hatte nun keinen Grund mit ſeiner Angelegenheit hinterm Berg zu halten,
ſondern legte haarklein aus, daß er einen langwierigen Prozeß mit der Gemeinde
habe, der nicht zu Ende gehen wolle, obwohl er ſchon an die fünf Jahre daure und weil
er nun doch mal in die Stadt müſſe, ſo ſpreche er auch gleichzeitig mal beim Fürſten vor,
der ihm, dem Müller von der Obermühle, ſiher zum Recht verhülfe.
we
1:0
Saarkalender für das Jahr 1930
Indem er das ſo in ſeiner kurzen Art erzählte, ſtute der andere, verwahrte ſich
etwas, meinte aber dann, daß wohl der Fürſt manches könne, aber in Gerichtsſachen
keineswegs ſich hineinmiſchen, ſondern daß das Redhtſprehen ganz allein Sache dex
Gerichte ſei.
Worauf der Müller, ſich erboſend, ſein Anliegen ſich ſelbſt bejahte, was den andern
aber zu der ſpißen Frage veranlaßte: „Und, geſezt den Fall, er tuts nicht, was denn?“,
worouf der Müller, nun ſeines Zornes niht mehr Herr, das ſagte, was er fünf Jahre
lang bemeiſterte, abex doch gerne ſchon den Richtern geſagt hätte, nämlich: dann ſoll er
kommen und meinen Eſel hinten rum heben!
Nun iſt das unter Landleuten eine an ſich gar nicht ſo ernſt gemeinte Aufforderung,
von der bis heute, obwohl ſchon oft im Tage gebraucht, noh niemand annahm, daß es
einem einzigen Menſchen einfiele, ſie auch zu befolgen. Aber wenn der Menſc< entfernt
vom Menſchen aufgezogen, ſeine Ausdrucksweiſe nicht kennt, keimt leicht ein falſcher
Verdacht in ihm auf, weshalb der Jäger, der als Fürſt und Landesherr im Walde Warndt
ſeinem Waidwerk oblag, mit rotgeſ<hwollenen Adern an der Stirn, leiſe durch die Zähne
pfiff, den Müller ſtehen ließ, ſein Pferd beſtieg und in ſchlankem Trab, den Müller auf
einem Seitenwege überholte, der Stadt zuritt.
Wie nun der Müller etwas ſpäter wohl, aber nicht weniger voll Zorn au dort ein-
traf, hatte er nichts ſo ſchnell erledigt, wie ſeine Geſchäfte, band darob ſeinen Eſel an
das Eiſengitter des Schloßhofes, ſodaß er ihn von allen Seiten überſehen konnte, hing
ihm. den Futterſak um und paſſierte die Wache. Die hatte, als ſei er längſt erwartet,
nichts eiligeres zu tun, als ihn zur Kanzlei zu weiſen, wo ſhon, in weichem Lehnſeſſel,
erwartungsvoll hintübergelegt in grasgrünverbrämtem Gewand der Jäger ſaß, der ihm
am Morgen den Eſel gehalten.
Wie nun der Müller ihn ſah, dachte er in ſeinem unverdorbenen Sinne, wie vor
fünf Jahren wieder: Aha! pfiff wie der Jäger heute früh au<ß dur<h die Zähne und auf
die anſcheinend ganz harmloſe Frage, was er von ihm, dem Fürſten wolle, trug er unge-
färbt ſein Anliegen vor: wie ihm die Gemeinde nun ſc<on vor fünf Jahren das Waſſer
abgegraben, wie er nun gezwungen ebenſo lange mit ihr darum prozeſſe und infolgedeſſen
ſein Beutel faſt noh leerer ſei, wie ſein Brunnen und wenn der Fürſt ein Kerl wäre,
rechtlich wie er, da ſpreche er jetzt ein Machtwort, daß die Gerichte zitterten! Worauſ
dem anderen, eingedenk des Erlebniſſes und des Hinweiſes auf den hintern Teil des
Eſels, ein heller Schalk über das Geſicht huſchte und mit der Frage, in der eine gewiſſe
Drohung ſpielte, ſic) an jenen wandte: „So, =- und wenn ichs nicht tue, was dann?"
Da neigte der Müller zum ſtummen Abſchied ſein Haupt und indem er mit der linken
Hand ſeine Müße am Beine hin und her ſc<wenkte, wie einer, der ſein aufſteigend
Blut meiſtert, beſchrieb mit der lang ausgeſtreckten rechten einen Bogen zum Fenſter,
dur< das der Eſel eben, als ſuche er ſeinen Herrn, mit erhobenem Schwanze einen Blick
warf und ſprach: „Dort unten ſteht er!“
Humoriſtiſches.
Es muß auch ſolche Käuze geben! Eine hieſige Dame, deren Reichtum etwas dunkeln
franzöſiſchen Hintergrund hat und die ſtark naß Moſchus riecht, glaubt ſich nun auch ver-
pflichtet, in ihrer Sprache ſtets die weſtliche Orientierung herauszukehren. Sie ſc<hmück!
ihre Sätze rei mit franzöſiſchen Brocken. Hier eine luſtige Probe dieſer ſeltſamen
Patſriotin: „Ah, bon jour, ma chere!“ „Wie geht es Jhnen?“ „Merci bien, ſo o la la,
o Ja la, ich bin immer ſo verſtop . . . je Suis toujours si constipucel“ Errötend, „das klingt
doh nicht ſo ordinär, wie im Deutſchen!“
Na, na, nichts menſc<liches ſei mir fremd, ſagten ſchon die ollen Römers.
Ter tüchtige Dolmetſch. Man ſchreibt mir: In Amanweiler hat ein kluger Dolmetſch
die Straßennamen franzöſiert, und zwar mit verblüffenden Reſultaten. So heißt heute
die alte Zwerhgaſſe pompös „Rue des Nains“ (Straße der Zwerge), die Quodgaſſe „Rue
de Dieu“ (Gottgaſſe).
zzz
zuu mummmemill;hlien......
Ww
4
Saarkalender für das Jahr 1930
Blinder Eifer ſ<adet nur.
Fahren da eines Vormittags mehrere Herren der Rev.ſionsabteilung der damaligen
Königlihen Preußiſchen Bergwerksdirektion Saarbrücken mit .der Bahn zur unver-
hofften Reviſion der Grubenbetriebskaſſe Dudweiler. Sie wußten zwar von vorneherein,
daß es heim Rendanten, Rehnungsrat A., keine Beanſtandungen geben würde, war dieſer
doh im ganzen Revier bekannt als die perſonifizierte Korrektheit und Gewiſſenhaftigkeit
im Dienſt. Aber Dudweiler war an der Reihe und mußte erledigt werden.
Im gleichen Abteil fuhr zufällig ein junger Zivilanwärter, welcher genannter Kaſſe
zur Ausbildung zugeteilt war. Er ſah die bekannten Herren, ſah ſie in Dudweiler aus-
ſteigen unt wußte Beſcheid. Im Laufſchritt eilte er zur Kaſſe, den Rendanten auf die
Reviſion vorbereitend, war aber ſehr erſtaunt, als ſeine Nachricht auf dieſen nicht den
allergeringſten Eindruck zu machen ſchien. „Ja, was is denn, laß ſie doh kommen! An
mir haben ſie nichts!“ ſagte dieſer ruhig. Er ſc<loß aber doc ſeine Kaſſe proviſoriſch ab.
Partie am Weiher von St. Nikolas.
Aufnahme von Plax Wenz.
Und, heute ſchien es, als ob ein böſer Geiſt die Hand im Spiel hatte, die Sache klappte
nicht. Er konnte rechnen, wie er wollte, es fehlten 10 Mk. Um zu Ende zu kommen, griff
er in die Weſtentaſche, holte ein Zehnmarkſtück heraus und legte es zu dem Kaſſenbeſtand.
-- Im gleichen Moment erſchienen die Reviſoren im Türrahmen. Darauf Händeſchütteln --
Begrüßung -- Reviſion. Der Rendant hatte ſeine Stimmung wieder gefunden; es ſtimmte
ja alles, nach ſeiner Meinung. Doch die Herren wurden und wurden nicht fertig. Immer
wieder «ddierten ſie die Zahlenreihen herauf und hinunter, zählten den Beſtand, ſchrieben
und rechneten. A. konnte das gar nicht begreifen. Endlich ſagte ein Reviſor: „I< kann
mir nicht helfen, Herr Rat, aber Sie haben 10 Mk. zuviel in der Kaſſe! Bitte
überzeugen Sie ſich!“ =- Und, richtig! Die Herren hatten recht. Er addierte noh einmal
die Reihen und fand ſogleich den Fehler. Die Kaſſe hatte einen Ueberſchuß von 10 Mk.
Daß es ſein eigenes Geld war, konnte er nun nicht gut ſagen. So mußte er es zum erſten
11€
Saarkalender für das Jahr 1930
Mate während ſeiner langjährigen Laufbahn erleben, daß er dem Fiskus 10 Mk. ſchenkte;
denn die Reviſoren konnten nicht anders, als die Kaſſe abſchließen, ein Protokoll auf-
nehmen und die 10 Mk. als Einnahme vortragen. Dann Unterſchreiben des Reviſions-
protokolls -- Abſchiedskraßzfüße -=-- Schluß.
Koum waren die Saarbrücker Herren zur Türe hinaus, als Rechnungsrat A. wütend
durch die Kaſſenräume ſchnob. Er ſuchte einen gewiſſen Jemand. „Wo is bloß Zwil-
anwärier S.?“ fragte er. „Der hat ſich gerade einen Krankenſchein geben laſſen und ſich
krank gemeldet!“ wurde ihm zur Antwort. „Na, ich kriege ihn ſchon,“ brummte A. in den
Bart, ging in ſein Kaſſenzimmer und tat ſeinen Dienſt, als wenn nichts geweſen. EP)
„Uennſt du das Land... 2?"
Don A. 3.
Wis weit wir noch 1929 entfernt ſind, die Hände in den Schoß legen zu dürfen und
nichi Hand in Hand mit dem Bund der Saarvereine unermüdlich für Aufklärung über
unſere Heimat zu ſorgen, dafür hier nur noh ein Beiſpiel. Der Kultusminiſter von Braun-
ſ<hweig, Sievers, ſollte ſich eiligſt ein Privatiſſimum über die Lage und die Bevölkerung
des Saargebiets halten laſſen, denn ſein Wiſſen ſcheint in dieſen Punkten die Note
„ungerügend“ zu verdienen. Es war dieſem Herrn Kraft ſeiner Machtvollkommenheit
vorbehalten, in den ſtädtiſchen Schulen Braunſchweigs die Verteilung von Schriften über
das Saarrevier zu verbieten. Erfreulich iſt es, daß die „Braunſchweigiſche Landeszeitung“
dem hochmögenden Beamten ſofort das Nötige eröffnete. Es heißt da zum Schluß des
Artikels: „Verſtändnislos ſteht man ſolcher von Haß gegen alles, was deutſch heißt, was
nach „national“ klingt, diktierten Maßnahmen gegenüber . . . Daß dem braunſchweigi-
ſchen Kultusminiſter jedes Gefühl für die Not ſeiner Parteigenoſſen, das Verſtändnis für
das Seimſehnen ſeiner vom deutſchen Volke getrennten Volksgenoſſen abhanden ge-
kommen iſt, dafür fehlt uns jedes Begriffsvermögen. Armer Herr Sievers! Armes braun-
ſ<weigiſches Land, das einen ſolchen Miniſter tragen muß. Armes Saarland, das auf
ſjol<;e Männer hofft!“
Kultusminiſter Sievers hat jedenfalls nur gefehlt, weil ihn ſeine geographiſchen
Kenntniſſe im Stiche ließen; er ſucht das Saarland auh wohl „in der Gegend von Met“.
Hoffentlich tut er heute Buße in Sack und Aſche und wird von einem haßerfüllten Saulus
zu einem bekenntnisfrohen Paulus.
Saargebiet (France). Man ſollte es nicht für möglich halten, aber es iſt ſo: im Reich
gibt es immer noh Leute, die über die völkiſche und ſtaatliche Zugehörigkeit des Saar-
gebietes im Zweifel ſind. Eine Brebacher Firma erhielt ein Offertſchreiben einer Braun-
ſchweiger Firma, deſſen franzöſiſch gehaltener Text den Empfängern in = Frankreich
offenbar den Warenbezug erleichtern ſoll. Wenn gewiſſe Franzoſen das Saargebiet für
Frankreich reklamieren, ſo kann man das ſchließlich mit der falſchen Information durd)
die Propagandiſten entſchuldigen. Wenn jedoch Deutſche aus Brunswick (Allemagne)
dem Monsieur le Directeur des Etablissemehnts X. Y. Brebach (Saargebiet) nahelegen,
von ihnen Balances ensacheuses zu beziehen und zu dieſem Zweck mit franzöſiſchem
Arſchreiben einen franzöſiſchen Proſpekt überſenden, ſo iſt das einfach unverzeihlich.
Gibt es in Braunſchweig eine Ortsgruppe des Saarvereins? Wenn nicht, ſo wäre ihre
ſh<leunige Gründung am Plaße.
;
kl
Saarkalender für das Jahr 1930
Die unroiſſende Firma Michelin? Die bekannte franzöſiſche Firma Michelin verſandte
an ſaarländiſche Bürgermeiſter ein deutſch abgefaßtes Schreiben, das mit folgenden
Sätzen beginnt:
„Zurzeit befaſſen wir uns mit den Arbeiten der Neuauflage für das Jahr 1929 unſeres
„Führers durch Frankreich“, wobei wir die Abſicht haben, auch Ihre Ortſchaft zu be-
ſchreiben. Da wir ganz beſonders darnach ſtreben, ein möglichſt genaues Tourenbuch zu
verwirklichen, erlauben wir uns, an Ihre werte Mitwirkung zu appellieren . . “
Die Abſicht der Firma Michelin nach Herausgabe eines „möglichſt genauen Touren-
buches“ hat auch die ſaarländiſchen Bürgermeiſter ſympathiſch berührt. Darum haben ſie
-- ſoweit ſie die Anfrage nicht in den Papierkorb verſenkten -- nah Paris mitgeteilt,
daß das Saargebiet als untrennbarer Beſtandteil des Deutſchen Reiches in einen Führer
durch Frankreich nicht hineingehört. Es wäre gut, wenn die Saarbrücker Vertretung der
Fixma das Haus Michelin etwas beſſer über die politiſchen und geographiſchen Verhältniſſe
dez Saargebiets inſtruierte.
Eeeeeeeeeemmmemmemmmntites
Die Saarbrücker Roſenjungfrauen.
Mitgeteilt von Prof. Dr. h. c. Ruppersberg.
Unter dem franzöſiſchen Kaiſerreich (1804-1814) mußte alljährlih nicht nur der
Geburtstag des Kaiſers am 15. Auguſt, ſondern auc<; der Tag der Kaiſerkrönung
(2. Dezember) in Saarbrücken gefeiert werden. An dem letzteren Tage wurde ein
unbeſcholtenes Mädchen als Roſenjungfrau (rosiere) mit einem ehemaligen Soldaten
getraut und erhielt eine Mitgift von 600 Fr. aus den Mitteln der Gemeinde. In den
Protokollen der Beratungen des Stadtrates (Munizipalität) der Mairie Saarbrücken
finden ſi; in einigen Jahren die Namen der Neuvermählten aufgeführt.
Im Jahre 1807 erhielt Charlotte Bauer von Saarbrücken die 600 Fr. in 15 Napoleons-
dor. Jhr Bräutigam war Philipp Jakob Roſenkranz vom 10. Regiment Jäger zu Fuß.
Im Jahre 1809 war Sophie Beilſtein Roſenjungfrau; ſie vermählte ſic mit Andreas
Friedrich Kugler vom 13. Regiment Jäger zu Pferd.
Im Jahre 1810 heiratete die Roſenjungfrau Katharina Eliſabeth Müller, Tochter von
Johann Matthaeus Müller und ſeiner Ehefrau geb. Siegel, den Peter Krämer vom
Grenadierregiment Ile de France.
Im Jahre 1811 wurde am 9. Juni die Taufe des erſehnten Kaiſerlichen Prinzen,
des „Königs von Rom“, durch Vermählung von zwei Paaren gefeiert: Sophie Magdalene
Köhl vermählte ſih mit Wilhelm Philippi vom 4. Grenadierregiment und Margarete
Schmeer von Biſchmisheim, das damals zur Mairie Saarbrücken gehörte, heiratete den
Johann Nikolaus Wagner in Biſchmisheim, der im 46. Grenadierregiment gedient hatte.
Damals wurden zur Erinnerung an dieſes Feſt die ſieben Eichen gepflanzt, die auf der
Höhe der Straße nach Riegelsberg ſtehen, wo der Bergmannspfad nac<h der Grube
Von der Heyd? ſic abzweigt.
Am Krönungstag (2. Dezember 1811) heiratete „Demoiſelle“ Eleonore Mohr , Tochter
von Johann Jakob Mohr, den Johann Philipp Petzinger, Militaire reforme vom 15. Dra-
gonerregiment.
Am 2. Dezember 1812 vermählte ſich Katharina Magdalene Brand, Tochter des
Shneiders Georg Brand, mit Johann Prim vom 3. Huſarenregiment.
Auch nach der Schlacht bei Leipzig wurde der Krönungstag noh gefeiert. Am
2. Dezember 1813 heiratete Karoline Brand, Tochter von Georg Brand, den Louis Baum
vom 6. Regiment Jäger zu Pferd. Der Vater Brand und ſeine Frau hatten ihre Töchter
offenbar gut erzogen.
" ds
Saarkalender für das Jahr 1930
„Stähli
ZZ zzz ene
Saaredho.
Llinbeugſam und ſtolz wie in den Wäldern die Hochwaldeiche,
So ſteht der Reſtkreis Wadern zum Deutſchen Reiche.
Schluß einer Reſolution von den Vertretern des Kreiſes Wadern.
Saargebiet und Pfalz ſind verbunden nicht nur durch Freundſchaft, ſondern durc<
gemeinſame Not, was nod ſtärker zu bewerten iſt. Wir werden alles daran ſeen, um
die geſamte ſaarländiſche Wirtſchaft und damit auc den pfälziſchen Teil des Saargebiets
ſo zu wahren, daß er nach der Rückgliederung unverſehrt zurückgegeben werden kann.
M. v. Vopelius
anm 6. Februar 1929 auf der Feier :des pfälziſ<en Jnduſtriellen-
verbandes in Neuſtadt.
Mit hochtönenden Reden vom Selbſtbeſtimmungsre<ht der Völker wurde einſt die
Schöpfung der Völkerbundskolonie „Saargebiet“ gefeiert. Glänzend ſollte die wirtſchaft-
lihe Lage von % Millionen Menſchen werden. Es war eine Phraſe. Namenlos iſt das
Elend von Hunderttauſenden mit ihren Familien. Nun aber iſt's genug! Die Arbeiter-
ſchaft des Saargebietes erhebt ihre Stimme: „Zurück zum Reich!“ Das Volk iſt wichtiger
als erpreßte papierne Verträge.
Bezirksleiter Otto Pick,
(12. Hauptverſammlung des driſtl. Metallarbeiterverbandes,
17. September 1928).
Warndtgebiet und Saargebiet iſt eine große Schickſalsgemeinſchaft, darum eine Ein-
heitsfront gegen alle Lostrennungsbeſtrebungen. Wir wollen feſt zuſammenſtehen; wir
wollen uns ſtemmen gegen jedes Fremdländiſc<h-Romaniſche, als uns weſensfremd. Unſere
Aufgab2 und Ehre iſt es, Vorpoſten zu ſein für das ganze deutſche Volk und feſtzuhalten
au Heimat und Vaterland!
Walter Würz, Leiter des Jugendverbandes „Deutſche Saar“
(auf dem Heimatabend in St. Nikolaus, Warndt, 30. Nov. 1928).
Dahin die Größe und der Ruhm, das Schwert zerbrochen, trotz aller Opfer und Siege
rieſengroß. Die dargebrachten Opfer werden niemals vergeſſen ſein. Wenn Menſchen
ſchweigen, ſollen Steine reden! Und das ſoll der Schwur an dieſer Stelle ſein: „Eher
ſoll die Zunge am Goumen kleben, die Rechte verdorren, als daß wir der gefallenen
Held2n vergeſſen! In Dankbarkeit und Liebe werden wir Eurer ſtets gedenken und Kinder
und Kindeskinder werden dieſes Mal in Ehren halten!“
Pfarrer S<ilz3, Friedrichsthal.
(Bei dex Weihe des Kriegermales, 25. Nov. 1988.)
„Es iſt eine Verwirrung der Begriffe, eine argliſtige Täuſchung, wenn der jeßige
Zuſtand des Saargebietes gleichgeſtellt wird mit Autonomie, wenn uns vorgegaukelt wird,
durch eine entſprehende Abſtimmung könnte das Saargebiet ſich eine Selbſtverwaltung,
ein unabhängiges ſtaatliches Daſein erwerben. Der jetzige Zuſtand, über den, außer den
beiden andern Möglichkeiten, allein abgeſtimmt werden kann, iſt niht Autonomie, iſt
niht Selbſtändigkeit. Er bedeutet autokratiſche Regierung eines Fünfmännerkollegiums
mit vier Ausländern, ernannt durch den Völkerbund ohne Mitwirkung der Bevölkerung.
Er bedeutet Ausſchaltung der Bevölkerung in Geſetzgebung und Verwaltung, Ausbeutung
durch Landfremde zugunſten fremder Intereſſen, bedeutet Zwangseingliederung in weſens-
jremdes Zoll- und Wirtſchaftsgebiet, die Beibehaltung einer fremden Geldwährung, auſ
deren Stand wir keinen Einfluß haben. Er bedeutet Unterdrückung unſeres Volkstums,
kurzum die Aufrechterhaltung der durch den vorliegenden Vertrag und vorliegendes
Protokoll errichteten Verwaltungsordnung, -wie es im Saarſtatut heißt, bedeutet politiſche
und wirtſchaftliche Sklaverei. Sie iſt gleichbedeutend mit dem Daſein eines unmündigen
Kolonialvolkes, und die Beibehaltung dieſes Zuſtandes bedeutet zum Schluß den end-
gültigen Verluſt unſeres Reichtums, unſerer Kohlengruben an Frankreich.“
Landesratsabg. W. S<hmelzer, Vorſizender der D. S. V
(Am 28. Juni in der Saarkundgebung,)
“
|
Saarkalender für das Jahr 1930
„Die Treue einte Volk und Führerſchaft, Biſchöfe, evangeliſc<e Kirhenbehörde und
die Geiſtlichkeit aller Konfeſſionen zu treudeutſchem Handeln. An der Treue und Wahr-
haftigkeit des Volkes im Saargebiet gingen der „Saarkurier“ und der „Saarbund“ zu-
ſjHhanden. Umſonſt floſſen die Millionen Frankreichs, die Major Richert verſchwenderiſch
austeilte, um unſer Volk „reif für den Anſchluß an Frankreich“ zu machen. Trotz Ver-
ſammlungs- und Preſſeverboten, trotz völliger Abriegelung von Deutſchland, troß maſſen-
hafter Ausweiſungen, Verhaftungen und Verurteilungen, troß Zuckerbrot und Peitſche,
troß der verlockendſten Zukunftsbilder: unſer Saarvolk blieb immer deutſch im Denken
und Handeln. Das iſt das Ergebnis, das gezogen werden muß. Wir Deutſche im Saax-
gebiet verkaufen uns nicht um materiellen Vorteil, welchen uns franzöſiſche Kreiſe vor-
ſpiegeln. Aus dieſer unerſchütterlichen Tatſache ergibt ſich unſer einmütiger Appell an
die Völker und Staatsmänner, die uns bald nationale Gerechtigkeit widerfahren laſſen
können: Laßt uns baldigſt heim zum Deutſchen Reich!“
Landesratsabg, P. Kiefer, (In der Saarkundgebung am 28. Juni.)
„Von unſerem Mutterlande laſſen wir uns nicht trennen. Auch nicht in Form eines
Scein- oder Krüppelſtaates. Wir haben Deutſchlands Aufſtieg und ſeine guten Zeiten
miterlebt, deshalb dürfen und wollen wir in Deutſchlands größter Not nicht beiſeite
ſtehen. Zurück zum Reich wollen wir und m. D. u. H. wir kommen auc zurück, denn
für uns gilt immer noh das Wort des Freiherrn v. Stein: „J< kenne nur ein Vaterland
und das iſt Deutſchland.“
Landesratsabg. Schmoll. (In der Saarkundgebung am 28. Juni.)
„Es iſt die Sorge aller Deutſchen und Europäer, insbeſondere aber unſere eigene
Saarſorge, zu verhüten, daß an der Südweſtecke des Reiches ein zweites Elſaß-
Lothringen entſtehe, das eine neue tauſendjährige Erbfeindſchaft zwiſchen zwei
Bölkern aufrichtet, deren gegenſeitige Ergänzung das Glück Europas und der Welt
bedeuten könnte!“
M. Braun, Chefredakteur, Vorſidender d. S. P, (im Schlußwort des im Verlag
Gebr. Hofer A.-G. erſchienenen Buches: „Das Saargebiet, ſeine Struktur, ſeine Probleme“).
Kunſtkeramik aus Mettlach. Jn der Steingutfabrik von Villeroy & Boch in Mettlach ſind die auf dem Bilde
wiedergegebenen künſtleriſchen Vaſen hergeſtellt. Die Erzeugniſſe dieſer Firma gehenin d. ganze Welt hinaus.
'
ee
Saarkalender für das Jahr 1930
Fre
Auf der Ludwigshafener Rheinbrücke vor 10 Jahren.
Jeder Deutſche, der Ende 1918 und noch 1919 mit Gepäck die Ludwigshafener Rhein-
brücke zu paſſieren gezwungen war, um nach der Pfalz und der Saar zu gelangen, wird
noh heute mit bitterem Gefühl an jene Zeit denken.
Von Karlsruhe kommend, langte i< anfangs Februar 1919 auf dem Mannheimer
Hauptbahnhofe an. Jh war vollkommen in Unkenntnis über die Schwierigkeiten, die
meiner harren ſollten.
Am Bahnhof ein Dienſtmann mit langem Gepäckdrückkarren. „Welle Se niwwer?“
fragte er mich. -- Ih bejahte. Schon verſtaute er mein Gepäck auf dem Karren und
dann zackerte er, gefolgt von einer kleinen Schar Gepäcbeſitzern, los. Jh dachte: Na, das
geht ja famos! Am Eingang zum Brückenvorplatz hielt der Mann und fragte mich: „Habbe
Se e Brickeſc<hoi?“ - „Ih e Brickeſ<oi? J< weiß von nix!“ war meine Antwort.
Darauf der Andere: „Ja--a, wie welle Se denn niwwerkomme! -- Ohne Schoi mal nette!
(Wachtig tuend.) Die Sache is net ſo eifach. =- Da miſſe's zuerſchd in de . . . ſtroß un ſich
änne holle. -- (Flüſternd): Wiſſe Se was? Gebbe Se mer 20 MKk., un ich gebb Ihne änne.
(Ic<h zauderte.) Welle Se odder welle Se nette? = Sunſchd leihe Se in Monnem zwei,
drei Dah un verſaufe 100 Mk!“
IH gehe nicht gerne krumme Wege, aber um das Verfahren abzukürzen, willigte
ich ein und erhielt einen Zettel in die Hand gedrückt. Nach dieſem war ich auf einmal der
Schuhmacher S. aus Pirmaſens. „Jetze miſſe Se nurre frech ſin“, belehrte mich noch- der
Karrenmann und ſchon drückte er den Gepäckwagen vor das Brückenhäuſel, wo ein
franzöſiſcher Sergeant bei ſeiner Wache ſtand. Das Gepäck wurde abgeladen. „Ouvrez vos
malles, s'1] vous plait“, ſagte der und ging in ſein Häuſel, vor dem ſtarken Regen Schut
ſuchend.“ „Uffmache! Ihr miſſen uffmache!“ verdolmetſchte überflüſſigerweiſe der Dienſt-
mann.
Schon machten wir die Koffer auf und nun ſc<hneite und regnete es unbarmherzig
auf die paar armſeligen Kleider und Wäſcheſtücke, die man damals noch hatte. Als die
Sachen genügend eingeſumpft waren, kam der Sergeant zur Reviſion,. beſah ſich ober-
flächlich die Beſcherung und ſagte: „Bon, fermez!“ Nun fing der Dienſtmann wieder an
zu treiben: „Los, los! Rin mit dem Zeigs, daß mir niwwer kumme!“ -- Was blieb uns
anderes zu tun übrig, als die quatſchnaſſen Sachen in die Koffer zu ſtopfen und dieſe zu-
zuſperren. Schon hatte der Dienſtmann ſie wieder auf dem Karren und drückte über die
Brücke. Die Brückenkontrolle machte keine Schwierigkeiten. Auch der Schuhmacher S.
aus Pirmaſens durfte anſtandslos hinüber. Auf der Ludwigshafener Seite wartete ſchon
der Dienſtmann, forderte erſt hier die 20 Mk., gab mir mein Gepäck und nahm den
Paſſierſchein wieder ab. In einem ſtädtiſchen Büro dann langes Polonaiſeſtehen zwecks
Beantragung des Fahrkartenſcheins. Es gab hier noh einen Kritiſchen Auftritt allererſter
Ordnung, als der Beamte von mir den Brückenpaſſierſchein verlangte. Doch der dienſt-
eifrige Pfälzer ließ mit ſich „redde“. J< kam in die Liſte. Am nächſten Tage konnte ich
den Schein in Empfang nehmen, die Fahrkarte löſen und heimdampfen. Ep.
Aememnenentenmmnn-5 emen
Vom Klapperſtorc<. Ein Lehrer aus dem Kreiſe Merzig ſchreibt dem „Saarkalender“:
In der Nähe unſeres Dorfes war eine Strohmiete niedergebrannt durch die Unachtſam-
keit einiger Buben, die mit Streichhölzerr' ſpielten. J<H hatte die Pflicht, meine
Schülerinnen im Alter von neun bis zehn Jahren zu warnen vor leichtſinnigem Umgehen
mit Streichhölzern. Jede Schülerin ſollte über die Belehrung einige Zeilen niederſchreiben.
Hier ein Reſultat meiner Bemühung von der. kleinen, ſonſt recht geweckten S. R.: „Brände?
werden in vielen Fällen von Kindern verurſacht. Dieſelben entſtehen durch Unvorſichtigkeit,
Leichtſinn und Spielerei.“
.» nm...
“
)
Saarkalender für das Jahr 1939
Dienſt am Dolk.
Zahlreiche Kräfte ſind heute am Werk, um nach ſchwerer Notzeit am wirtſchaftlichen
und kulturellen Aufbau unſeres Volkes zu arbeiten. Da ſteht die große weltumfaſſende
Organiſation des Roten Kreuzes mit an erſter Stelle. Was während des Krieges in
un2rmüdlicher Liebesarbeit und opfervoller Tätigkeit geleiſtet wurde, iſt in allen Volks-
ſchichten bekannt. Damit aber waren die Aufgaben, die zu löſen ſind, noh lange
nicht reſtlos erfüllt. Gerade die Nachkriegszeit brachte mit ihrer ungeheuren Verelendung
weiter Volkskreiſe für die Organiſation des Deutſchen Roten Kreuzes ein reiches Arbeits-
feld. Mit dem Wachſen der Gegenwartsaufgaben iſt die rein helfende Tätigkeit des
Roten Kreuzes in andere, neue Bahnen gezwungen worden. Notſtände jeder Art, ſowohl
wirtſchaftlicher, ſozialer, wie auch rein ethiſcher Natur galt es zu mildern. Hierm iſt
das Deutſche Rote Kreuz, in dem ſowohl die Sanitätskolonnen wie auch die Vaterlän-
diſchen Frauenvereine zuſammengeſchloſſen ſind, bahnbrechend vorgegangen. Wie das
Bild unten zeigt, hat der Kreisverein Neunkir<hen des Vaterländiſchen Frauenvereins
in hervorragender Weiſe verſucht, dem übergroßen Wohnungselend durc< Erſtellung von
Wohnkolonien zu ſteuern. Der Verſuch iſt glänzend gelungen und ermutigt dazu, das
begonnene Werk weiterzuführen. Es iſt der Beweis geliefert, daß das Rote Kreuz wie
keine andere Organiſation in der Lage iſt, durch den feſten Zuſammenſchluß ſeiner Mit-
glieder Aufgaben zu erfüllen, die wirklich als Dienſt am Volk bezeichnet werden können.
Die wielſeitige Tätigkeit des Roten Kreuzes erſtreckt ſich auf alle Gebiete. Tauſende
Frauen und Männer aller Stände arbeiten in ſelbſtloſeſter Weiſe mit an der inneren
Geſundung unſeres Volkes. Viel Arbeit wird geleiſtet, viel ſtilles, ungekanntes und
ungedanktes Schaffen trägt do& wieder Früchte, und jedem einzelnen der vielen
Tauſende, die mithelfen an dem .großen Werk, wird die innere Zufriedenheit und ie
Gewißheit, Armen und Notleidenden geholfen zu haben, Genugtuung in reichſtem
Maße ſein. G.:K;:
Siedlung des Vaterländiſchen Frauenvereins vom Roten Kreuz am Steinwald Neunkirc<en-Saar,
"ec
Saarkalender für das Jahr 1930
Nn.
Ein Aktenſtük aus Dudweilers Dergangenheit.
Don 4. 53.
Mit dem unſeren weſtlichen Nachbarn eigenen Kling und Klang erſchienen die Herxr-
ſchaften zur Zeit der großen Revolution, wie früher ſo oft, wieder einmal im Saargebiet.
In der ihnen ebenfalls beſonders erb- und eigentümlichen Zungenfertigkeit redeten ſie
auch damals unendlich viel von Völkerglück, das ihnen wie ihr Schatten folge unter
ihrem Freiheit heiſhenden Banner. Die vollendete Ausplünderung der Bevölkerung,
das Riederbrennen der fürſtlihen Schlöſſer im Jahre des Unheils 1793 zeigte die viel-
gerühmte culture frangaise, die man uns heute wieder „preiſend mit viel- ſchönen Reden“
ſhHmackhaft machen möchte. Aber Tatſache bleibt es, ſo oft die blau-weiß-rote Fahne ſich
in unſerer Heimat blähte, vertauſchten die Fremdlinge Recht mit Unreht. Sie redeten
zwar viel von ihrer Kultur und anderen ſchönen Dingen, doch die Taten blieben ſtets
weit, viel zu weit hinter den tönenden Phraſen zurück. Die Hinterlaſſenſc<haft war noch
immer ein ausgepowertes Land. Man füllte ſich auf Koſten der Bevölkerung die unerſätt-
lichen Geldbeutel und tat dann nod) ſehr verwundert, daß man nicht Liebe erntete, wo
man Haß aeſät.
Die Revolutionshelden hauſten übel, die Erinnerung an ihr Auftreten lebt nod) heute
im Lande als eine Art Muſterbeiſpiel feindnachbarlicher Geſinnung. Sobald nur ein neues
Blatt aus der dunklen Zeit irgendwo auftaucht, mildert es das alte Urteil niht. Es
weiß nur neues zu erzählen von Quälerei und Drangſalierung, von mitleidloſem Vorgehen
gegen einen friedfertigen und fleißigen deutſchen Grenzſtamm.
Im Koblenzer Staatsarchiv (Abt. 22/4052) hat man ein kleines Aktenſtück
entde&t. Es iſt vom Fürſtlichen Oberamt ausgeſtellt und enthält einen Befehl des
franzöſiſchen Generalkommiſſars in Saarbrücken vom 24. September 1793. Vierzehn
Tage vor der ſinnloſen Verwüſtung des alten, an Kunſtſhäzen reichen Schloſſes
(7. Oktober 1793) erließ der franzöſiſche Befehlshaber durh das Oberamt an den Bürger-
meiſter von Dudweiler einen Ukas, der in wenigen Zeilen das ganze Elend jener Tage
offenbart. St. Johann und Saarbrücken, damals kleine Landſtädt<hen mit faſt ausſchließ-
lih Ackerbau treibenden Bewohnern, waren bereits bis auf den letzten Zentner Korn
entblößt und hatten nichts mehr als das nackte Leben. Womit ſie es friſteten, mögen
die Götter wiſſen. Bei der Landbevölkerung war vielleicht noch etwas zu holen, jedenfalls
gingen die Plagegeiſter auch dort auf das Ganze. Der Herr Generalkommiſſar befiehlt,
und das lebte Pfund Hafer, die geſamte Ernte muß bei Androhung „ſtrengſter militäri-
ſcher Exekution“ ſofort abgeliefert werden. Das Schriftſtück bedarf keiner weiteren
Au-clegung und Erörterung, ſein Wortlaut kennzeihnet das ganze namenloſe Elend
jener Tage. Es lautet:
„Auf Befehl des franzöſiſhen M. Herrn General Commißaire wird
dem Herrſchaftlichen Meyer zu Duttweiler bey perſönlicher Verank-
wortung hiermit aufgegeben, daß jeder daſige Unterthan auf der Stelle
und ohne Zeitverluſt bey Vermeidung der ſtrengſten militaoiri»
ſhen Execution ſämtlichen Hafer, dener eingeärntet
hat, aus dero Sheur und unverzüglich zur franzöſi-
ſchen Armeehieherliefern. Zugleich hat der Meyer eine genaue
Liſte über denjenigen Hafer, der von den daſigen Unterthanen ai
dieſe Weiſe geliefert worden, zum Oberamt einzuſchicken. Endlich ſol
auch der Meyer vor morgen früh um 6 Uhr aht Unterthanen, bey
Straf, abgeholt (verhaftet) zu werden, hiehermit Aexten
aufdenSq<loßplaß beordern,;umzumDienſtder Armee
gebraucht zu werden. (!)
St. Johann, den 24ten September 1793.
Fürſtliches Ober Amt hieſelbſt.
al
ij
|
tn 282 fannt
Saarkalender für das Jahr 1930
dE EEA WR
(Am Rand:) Gegenwärtiger Befehl wird vom Meyer Unterſchrieben
zum Ober Amt zurückerwartet.
(Auf der Rückſeite): Den 25 7bris 93, haben die Leuthe ſtroh dem
Generalordenanzen geben müſſen:
1. Henrich
2. Nadel (?)
3. .P. Karl
4. Marg. Gräbr (?)
Unprogrammäßiges beim Kaiſerbeſuh 1904.
Es ſind jezt mehr als 25 Jahre her, als am 14. Mai 1904 Kaiſer Wilhelm Il. den
damaligen Städten Saarbrücken und St. Johann einen kurzen Beſuch abſtattete und
bei der Gelegenheit das Denkmal ſeines Großvaters auf der alten Brücke einweihte.
Es ſoll an dieſer Stelle niht noh einmal auf die Einzelheiten des für die damaligen
Verhältniſſe ungewöhnlichen Ereigniſſes zurückgekommen, ſondern nur einige niedliche
Epiſoden der Vergeſſenheit entriſſen werden.
Nach dem Programm ſollte der Kaiſer nach dem Feſtakt im Rathausſaale in
St. Johann zur alten Brücke fahren, dort das Denkmal einweihen, um dann im
hiſtoriſ<Gen Rathausſaal in Altſaarbrüken die Huldigung Altſaarbrückens entgegen-
zunehmen. =- Das Nec Soli cedit des Scholtz" ſchen Maſſenſänger<hors, deſſen wuchtige
Akkorde den Schloßberg hinaufrauſchten, gaben den dort in Frack und Klack harrenden
Herren die Gewißheit, daß ſie nur noh wenige Minuten von dem Ereigniſſe trennten.
Kritiſc) wurde zum letzten Male die Ausſ<hmückung des Rathauſes betrachtet, ob nicht
doch noch etwas zu verbeſſern wäre. Und richtig. Jemand hatte herausgefunden, daß
die Anfahrtſtraße no<g etwas genezt werden müſſe. Schon fingerte man am nahen
Hydranten herum. Doch, in dem Moment donnerten ſchon die Hochs von der Brücke
Alſo war es zu ſpät mit dem Netzen. In der Aufregung jedoch konnte der betr. Beamte
den Hydranten nicht verſchließen; allem Anſchein nach hatte er auf-, ſtatt zugedreht.
Ein mächtiger Waſſerſtrom ergoß ſich plößlich auf das Trottoir an der großen Treppe ent-
lang, überſ<wemmte die gelegten Läufer und ſchwemmte die Blumen hinweg, um den
Schloßberg hinunter dem Beſuch entgegenzueilen. Nur mit allergrößter Mühe gelang
es einem Stadtbaumeiſter, den Waſſerſpeier zuzudrehen, nicht ohne, daß ihm die
ſprizende Giſcht ſein feſtliches Kleid vollkommen dur<hnäßte. Als kurz darauf die
kaiſerliche Equipage vor dem Portal anlangte, hatte ſich das Waſſer verlaufen und wer
achtete in der allgemeinen Aufregung noh auf die naſſen Spuren? =- Im hiſtoriſchen
Rathausſaal dann der Feſtakt: Vorſtellung der Prominenten =- Anſprachen -- Eintragen
ins golvene Buh -- Cercle =- Schluß! Hierauf gings die Treppe hinunter. Dicke Läufer
dämpften die Schritte. Am Fuß der Korridorwände waren Girlanden gelegt. Der Kaiſer
mit Gefolge ging voran, dann die Kaiſerin mit Damen, die Bürgerſchaft und die Preſſe-
vertreter. =- Doch was iſt denn das? Plötlich läuft ein winziges Mäuslein über
den Flur von einer Girlande zur anderen, fünf Schritte hinter den kaiſerlichen Damzn. -
Furchtbare Gedanken ſtiegen den entſeßzten Beobachtern auf beim Ausdenken der Möglich-
keiten, was alles paſſiert wäre, wenn es dem kecken Mäuslein eingefallen, zehn Sekunden
früher den Weg zu machen. Todſicher hätte es dann in ſeiner Angſt in den höchſten, ja
vielleicht =- und das wäre ja gar nicht auszudenken -- in den allerhöchſten Scleppröken
Unterſchlupf geſucht und gefunden. Nach den damaligen Begriffen wäre der Vorfall auſ
alle Fälle geeignet, zum allermindeſten die größte Verwirrung in das ſtreng vor-
geſchriebene Feſtprogramm zu bringen. Zum Glück blieb Altſaarbrücken dies Ungemach
erſpart. Aber es iſt gut, daß, nachdem längſt Gras über die Sache gewachſen iſt, dieſe
kleinen Epiſoden hervorgeſucht werden, um zu zeigen, welche Tücken des Objekts mand)
mal obwalten können, um die noh ſo jorgſältig ausgearbeiteten Programme zu
gefährden. EP.
«
1.0
Saurkalender für das Jahr 1930
“=
Bilder von der diesjährigen
9. Tagung des Bundes der
Saar-Dereine vom 8.-10. Juni
1929 in Münſter.
Nebenſtehendes Bild :
Prinzipalmarkt und Lambertikirche
während der Beleuchtung am Sonn-
tag, den 9. Juni 1929 anläßlich der
großen Saartagung. Ueber 50000
Teilnehmer u. Zuſchauer befanden
ſich während der Schlußfeier auf
den Straßen und dem Domplat.
Untenſtehendes Bild:
Saarländer auf der Boniburg
al3 Gäſte der Stadt Münſter.
s
R
fe...
Saarkalender für das Jahr 1936
Die Kundgebung von Münſter i. W.
8. und 9. Juni 1929,
Von A. Z.
Fs
7 a
Münſter, die türmereiche, altehrwürdige Weſtfalenſtadt, „in langen Giebelreihen
kraftvoll ſteht, wie gottgefügt, der Bürgerſchaftsgedanke, aufjauchzend bricht zur Ewig-
keit die Shranke mand ſpitz Getürm, das ſtill zum Himmel fleht . . .“ Da lebt und
webt die Sehnſucht naß deutſcher Freiheit und alter Macht in einem tüchtigen und
frommen Geſchle<ht. In dieſen Tagen der Hoffnung und des Zweifels konnte für die
Ausſprache über die Saarnot keine glücklichere Wahl getroffen werden als der Vorort
des ernſten, biederen Stammes der Weſtfalen. Eine gewaltige Heerſchau der Getreuen
ſah die ſo gaſtfreie, im Shmucke prangende Feſtſtadt. Von nah und fern waren ſie
herbeigeeilt, die um unſer Schickſal bangen. Sie wollen helfen, nicht tatenlos die Hände
in den Schoß legen; ſie kamen auf den Ruf des Bundes der Saarvereine in der Zeit der
Klärung über große außenpolitiſche Probleme, deren Löſung uns noh manche unliebſame
Ueberraſchung und Enttäuſchung bringen kann. Jn dem Zeichen der Hoffnung und der
Sorge um die Heimat drückte man ſich zum Gruße ernſt die Hand.
Es galt, der giftigen Natter der Saarlüge vor aller Welt den Kopf zu zertreten. Es
galt, der jezt wieder einmal mit Hochdruck betriebenen Verfälſhung der Beſtimmungen
des Saarſtatuts den Garaus zu machen. Paris will heute dem politiſchen Betrug durch
Clemenceau den wirtſchaftlichen folgen laſſen und das Unheil verewigen. Man ſchreit es
in endloſen Variationen hinaus, daß unſere Zukunft nur im franzöſiſchen Wirtſ<aftsrahmen
geſichert ſei und will mit dieſem Schwindel Genf irreleiten. Die denkwürdige Tagung
von Münſter ließ die Wahrheit gegen dieſe Machenſchaften leuchten in einem Hod<klang,
der weit über die Grenzen des Reiches ſeinen Widerhall gefunden hat: „Wir ſind ein
Volk, wahr bleibt wahr; Recht bleibt Recht und deutſch die Saar!“
Auf die erhebende Geſtaltung der Saartage vom Preſſeabend bis zu der Feier auf
dem Domplatz, Stunden unvergeßlicher Erhebung und innerer Befreiung, die wir nie
vergeſſen werden, kann ich hier nicht eingehen. *) Was Münſter, Kern und Schmuck der
roten Erde, uns an herzlicher Teilnahme und Liebe geboten hat, lebt in dankbaren
Herzen fort. Eine Begeiſterung, wie ſie den Gäſten hier entgegenſc<lug, löſte uns den
trüben Bann und ließ alle verheißungsvoll empfinden: „Und wenn die Welt voll Teufel
wär', es muß uns dodh gelingen!“
Eine Krönung der unverdroſſenen Arbeit des Bundes der Saarvereine bleibt die
neunte Tagung. Dank und Anerkennung allen, die an dem Werke geſchaffen und ſich
um unſer Heil abgemüht haben. JIn der geſchäftlichen Arbeitstagung wurde ihrer in
ehrenden Worten gedacht. Zum Sc<luß der Sitzung ergriff noch der Präſident des Saar-
ländiſchen Landesrats, She uer-St. Jngbert, das Wort, um noh beſonders der zehn-
jährigen Tätigkeit der Geſchäftsſtelle Saarverein und ihres Leiters, des Verwaltungs-
direktors Th. Vogel, zu gedenken: „Nach Auflöſung des Saargebietsſchußzes wurde
die Aufgabe in ſeine Hand gelegt, auf einer breiteren Baſis eine Organiſation ſür
die Deutſcherhaltung des Saargebietes aufzubauen. Jhm iſt alſo die Gründung zahl-
reicher Ortsgruppen der Saarvereine und die Gründung des Bundes der Saarvereine
*) Der „Saarfreund“ geſtaltete für Münſter ſeine Nummer vom 1. Juni zu einer
glänzenden Feſtſchrift, die geſchichtlich, wirtſchaftlich und politiſch reiche Aufklärung über
ven Saargau bringt. Einzelpreis 50 Pfg. Nicht weniger empfehlenswert iſt das am
15. Juni erſchienene Heft des „Saarfreund“, in dem über die 9. Tagung in Münſter
ebenſo ausführlih wie anſc<haulih die Eindrücke wiedergegeben werden. Jh
verweiſe auch auf die mit prächtigem Bildſc<hmuck verſehene Schrift „Was jeder Deutſche
vom Saargebiet wiſſen muß.“ Verlag: Geſchäftsſtelle „Saar-Verein“ in Berlin 5W. 11.
Königgräßerſtraße 94.
"'
Saarkalender für das Jahr 1930
zu verdanken. Unermüdlich iſt er im Reich auf- und abgereiſt, um in beredten Worten
die Not des Saargebietes und ſeine Bedeutung für unſer Deutſches Reich zu ſchildern.
Viel zu wenig war das Saargebiet im Reiche bekannt, und wenn heute im deutſchen
Volke mehr das Bewußtſein geweckt iſt, was es im Weſten des Reiches mit dem Saar-
gebiete zu verteidigen gilt, ſo iſt das zum guten Teile auch der Erfolg der Aufklärungs-
arbeit des Leiters der Geſchäftsſtelle „Saarverein“. Wir ſehen es auf allen Tagungen
unſeres Bundes und Zuſammenkünften, wie gerade Vogel in dem Mittelpunkt dieſer
Ausſprachen ſteht. Da iſt es, niht mehr als eine Pflicht der Gerechtigkeit, dies gewiſſer-
maßen zum Abſchluß eines zehnjährigen Wirkens in Verbindung mit der ſo glanzvoll
verlaufenen 9. Tagung des Bundes der Saarvereine in Münſter i. W. anzuerkennen.“
Auch hier wurden Vogel herzliche Sympathiekundgebungen zuteil, deren Beifall bewies,
daß man ihm von Herzen zollt, worauf er mit Recht Anſpruch hat.
Die münſteriſche Tagung iſt in ihrem ganzen glanzvollen und erfolgreichen Verlauf
zu einem Markſtein in unſerem Ringen geworden. Das Mitgefühl mit unſerem Kreuz
und Leid ſichert den Weſtfalen einen Ehrenplatz in unſerem Herzen, denn die Tagung
glih einem Sonnenſtrahl in der trüben Zeit eines bleigrauen Himmels über dem
Saargau.
Aufnahme von Max Wenß.
Bild von der Saarkundgebung in der Stadthalle zu Münſter i. W. am 8. und 9. Juni 1929,
Auf dem Podium die teilnehmenden Fahnenabordnungen.
-
1
ein
Saarkalender für das Jahr 1930
Der Daarler Bub.
Mol ufner große Hochzeit
Am qgutbeſetzte Diſch,
Do huckt der kleene Peter
Und flennt bei Brat unn Fiſch.
„Was haſcht de dann, mei Liewer?“
Froht do ſei alter Padd;
„34 kann jo nix meh" eſſe,
IH bin ſo aarig ſadd!“
„Dann holl e Sticke Kuche,
Stek's in de Sack eninn,“
Do brillt er nod viel ſtärker,
„Jd) hann ſchun ſo viel drinn.'
Geh tapper doh do neewe,
Do kumſcht de aus der Klemm,
Do heilt er ganz erbärmlich,
„JH war ſchun dreimol hemm.“
Benzel.
Allerhand for Saarbriker Sprid.
Von Karoline Kloß.
Grußlich is doh e Genießer,
Doch no<h ſchrecklicher e Spießer.
Männer, die wo drauß laut brille,
Hann dehemm meiſcht gar ke Wille.
Wie kann e Fraa de Mann doch quäle,
Die wo nix kann als wie Kkragehle.
Wie ſinn die Fraue doh ſo dumm,
Wann än hackt auf der anner rum.
Nemm nit annrer Aanſicht krumm,
Dein is häufig grad ſo dumm.
Wann e Menſ< hat ke Humor,
Do behiet mich Gott defor.
Wann über dich die Leite klatſche,
Laß ſie ſeelenruhig quatſche.
Kannſt de keenem Menſc< meh traue,
Guck de Kinner in de Aue.
Mancher hädd gäre uff än Aue verzichd,
wemmer dem annern die zwei hädd nemme
kinne!
Aus der guten alten Seit 1763.
„De Krig was frilich tau Enn', oewer
dunn gung de Not irſt recht an; de Krig
hadd noh en beten Lewen in de Baud'
bröcht, aewer nu lagg Allens dal, platt dal!
Landmann un Kopmann un Handwarks-
mann verdeinten keinen Groſchen. -=-
Wil kein Gröſchens dor wiren.“
Fritz Reuter,
„Dord<hleuhting“, Kapitel 1.
Pfälzer Rinner.
Von Karoline Kloß, Saarbrücken,
Ih hann doh ämol zu viel Freid
An Leither aus der Palz,
Mer ſaat, ſi wäre aariſch grob,
Ei laß nur, mir gefallt's.
Se gauze em als grußlich aan
Un kreiſche wie am Spieß,
Se werre rot vor lauter Wut
Vum Kopp bis an die Fieß.
Un wann ſe Wein getrunk als hann,
Do kriſche ſe noFH meh,
Se fluche wie e Türk als do,
Die Ohre duhn em weh.
Se han jo kenn ſo feini Spro,
Statt Mund ſaan ſe meiſt Maul,
Un wann's ſo reht an's Scille geht,
Do ſin ſe nimmeh faul.
Wie's erſchdemol is' Vadder wor
E derwer Pälzer Mann,
Froo ich ne, was ſei Mädde macht,
Unn giftig ſaat er dann:
„E liebes Ding, doh ärgert mich,
Es hat's bei mir verſchitt,
Ma mennt, es wär' ke Pälzer Kinn,
Das Luder ſauft jo nit!“
ws
Saarkalender für das Jahr 1930
R er lRERRDEl
Wie man ſich vor 100 Jahren vom Heeresdienſt befreite.
1807. In Frankreich feiert man Napoleons Sieg über Preußen. Man will aber auch
die Lücken, die der Krieg in das Heer geriſſen hat, wieder ausfüllen. Deshalb findet
überall die Muſterung der geſtellungspflichtigen jungen Leute ſtatt. Auch die Söhne des
Saarlandes ſollen Napoleons Kriegsruhm ſichern helfen. Unter ihnen iſt einer und der
andere, der ſich troß aller Siege nicht für den Dienſt des Bonaparten begeiſtern kann.
Da iſt es ein Glück, daß man ſich durch einen Erſaßmann freikaufen kann. Man ſucht
ich alſo einen Stellvertreter, Remplacant. Wie macht man das?
Ein Vermittler iſt bald gefunden. Er geht die einzelnen Dörfer ab und ſucht nach
jungen Leuten, die bereit ſind, in des Bonaparten Dienſt zu treten für ein Jahr. Mit
Hilfe guter Freunde hat man bald einen Dummen aufgeſtöbert, und mit derſelben Hilfe
wird dann der Handel gemacht. An Trinkgeld und Weinkauf wird dabei nicht geſpart.
Der Vermittler legt am anderen Tage ſeinem wartenden Auftraggeber eine Rechnung von
33 Gulden und 18 Kreuzer vor, und dieſer iſt froh, einen gefunden zu haben, der für ihn
die Beſchwerlichkeiten und Gefährniſſe des Heeresdienſtes auf ſich nimmt.
Der Remplacant iſt alſo gefunden. Wird er aber auch von der Behörde als geeignet
angenommen? Deshalb reiſt der Vermittler mit ihm nach Trier. Die Koſten der Reiſe,
zirka 28 Gulden, trägt der ſaarländiſche Konſkript -ebenſo gerne wie jene der Werbung.
Aber was erhält der Stellvertreter für ſeinen Dienſt? Jhm werden 161 Gulden 52 Kreuzer
bar bezahlt, und damit erreichen die Koſten wegen der Konſkription 223 Gulden.
Drei Monate ſpäter fordert ein Bevollmächtigter des Remplacant als weitere Koſten
50 Gulden, deren Zuſendung 2 Gulden 58 Kreuzer erfordern.
Dem Remplacant ſelbſt ſcheint der Dienſt auf die Dauer nicht mehr zu gefallen. Eines
Toges iſt er verſchwunden. Man ſucht ihn und fängt ihn als Conscrit refracteur auf. Die
Koſten dieſer Suche darf ſein Auftraggeber zu den andern tragen; es ſind 33 Gulden
34 Kreuzer.
Gegen Schluß des Jahres 1808 geht die Suche nach einem anderen neuen Remplacant
wieder an. Der Vermittler findet einen in Tholey und reiſt mit ihm nach Trier: 20 Gulden
21 Kreuzer Unkoſten. Der dienſtbereite Erſagmann wird jedoch in Trier abgelehnt. Alſo
heißt es einen anderen ausfindig machen. Und der Vermittler hat Glück: er findet gleich
zwei, mit denen er nach Trier reiſt. Die Reiſe erfordert 110 Gulden 55 Kreuzer, und als
einer als Erſagmann angenommen iſt, wird beim Notar ein Akt getätigt, der 27 Gulden
30 Kreuzer und dazu 1 Gulden 4 Kreuzer Stempel koſtet.
1809 madhte die „Engagirung eines Remplacant“
an Unkoſten
an Schmußgeld
an den Remplacant ſelbſt
15 Gulden 10 Kreuzer,
13 Gulden 45 Kreuzer,
66 Gulden =- Kreuzer,
zuſammen 94 Gulden 58 Kreuzer aus.
Ende desſelben Jahres -- alſo wohl für das Jahr 1811 --
und Führung eines Remplacant nah Trier
und dann die zweite Reiſe dahin mit ihm (dem Sohne) ſelbſt,
als er reſormtrt (freigeſtellt) wurde
und dann einen Expreſſen für den frei Schein
Trinkgeld
1.
dr
|
%*.,
verurſachte das Suchen
86 Gulden 48 Kreuzer,
55 Gulden 23 Kreuzer,
8 Gulden -- Kreuzer,
5 Gulden 30 Kreuzer,
155 Gulden 41 Kreuzer.
12x.
> Fi
Saarkalender für das Jahr 1930
nn
Verbeſſerung der ſtädtiſq<en Finanzen im 18. Jahrhundert.
Wenn heutzutage der ſtädtiſche Haushalt einen Fehlbetrag aufweiſt, ſo müſſen ent-
weder die Steuern und Abgaben erhöht: oder eine Anleihe aufgenommen werden. Im
18. Jahrhundert harte man ein anderes Mittel, nämlich den Verkauf von ſogenanntem
Holländerholz aus den ſtädtiſchen Waldungen. Die Regierung des Fürſten Wilhelm
Heinrich) hatte im Jahre 1741 mit mancherlei Anforderungen an die Städte begonnen,
die infolge der langen Kriegszeiten in ihrem Aeußern vernachläſſigt waren und keinen
erfreulichen Anblick boten. Als im Jahre 1745 die fürſtliche Regierung von den beiden
Städten einen Beitrag zu den 500 Gulden betragenden Baukoſten der Gefängniſſe unter
den Schloßwachthäuſern verlangte, wieſen die Vertreter der Städte darauf hin, daz ſie
ſeit einigen Jahren durch Reparierung derer Stadtgaſſen und Marktplätze, 5ur< An-
ſchaffung koſtbarer Feuerſprigen und anderes große Ausgaben gehabt hätten, und bater
um die Erlaubnis, aus den Stadtwaldungen je 100 Holländerſtämme zu verkaufen, „aus
welchen etwas Erklecklihes zur Erleichterung beider Bürgerſchaften erlöſet werden
könne“, und „verharrten in Hoffnung gnädigſter deference (Willfährigkeit) mit ſub-
miſſeſter Veneration als Ew. Hochfürſtlihen Durchlaucht untertänigſt treu gehorſame
Vorſteher beyder Städte.“
[enn I
Das ganze Deutſchland ſoll es ſein!
Jener Sturmſinn, der das Kleine hinwegfegt, jener Donnerſchlag, in dem die Stimme
des Großen zu uns ſpricht, ſie werden da ſein in jenem Augenblick, da Oeſterreich von
dem allen Völkern verheißenen Selbſtbeſtimmungsre<ht Gebrauch machend, ſich dem großen
deutſc<en Mutterlande anſchließen wird. Dann geht ein brauſender Jubel durch die Lande,
vergleichbar mit dem, wenn der lette Beſatzungsſoldat deutſchen Boden verlaſſen haben
wird; an jenem Tage, an dem das Rheinland, die Pfalz und das Saargebiet wieder
unſer ſein werden. Es gibt keinen Deutſchen, der nicht in dieſer Forderung -- der Ver-
einigung Oeſterreichs mit Deutſchland und dem Abzug der Beſatzung -- das nationale Ziel
des deutſchen Volkes ſieht.
Dr. Radbrud, früherer Juſtizminiſter.
(Feier des Verfaſſungstages im Reichstag 1928.)
Unſer nationales Unglück hat die inneren Riſſe in unſerem Parteileben vertieft und
neuen Stoff des Haders hinzugefügt, und doch geht durc<h alle Parteien und Richtungen
des öffentlichen Lebens ein verbindender, gemeinſamer Pulsſchlag, das Bewußtſein, daß
alle Deutſchen diesſeits und jenſeits der durch den Verſailler Frieden gezogenen Reichs-
grenze eine naturgeſchaffene geiſtige Gemeinſchaft bilden.
Prof. Dr. Friedrich Meinecke, Berlin.
Miike bent
Wie einſt -- ſo heut!
Heinrich v. Treitſchke ſagt in „Deutſchland nach dem Dreißigjährigen Kriege“:
„ - - Das heilige Reich blieb durch ſeine Shwäche, wie einſt durch ſeine Stärke,
der Mittelpunkt und die Grundlage des europäiſchen Staatenſyſtems. = =- -- Eine ſtille
Berſhwörung des geſamten Auslandes hielt die Mitte des Feſtlandes gebunden. Die
Fremden lachten der querelles allemandes und der misere allemande; der Franzoſe
Bonhours ſtellte die höhniſche Frage: ob es möglich ſei, daß ein Deutſcher Geiſt haben
könne? Niemals früher war die Nation von den Nachbarn ſo tief verachtet worden.“
Na, durch unſern überaus ſcharfen Intellekt ſind wir ja glücklich wieder ſo weit.
4 |
Saarkalender für das Jahr 1930
Ih...“
Seittafel zur Geſchichte des Saargebietes
vom 1. Auguſt 1928 bis 30. Juni 1929*)
Zuſammengeſtellt von A. 5.
Auauſt 1928.
Auguſt: Es zählen heute die Bürgermeiſtereien
MettlaM 7 599, Sulzba< 22 553, Friedrichsthal-
Bildſtom 14 191, Illingen 17 764, Ualba< 9 285,
Schiffweiler 13 821, der Kreis Homburg 46 842
Seelen. Bekanntgegeben wird das amtliche Er-
gebnis der Dolkszählung vom 19. Juli im Kreiſe
St. Ingbert 53 401 Perſonen.
Auguſt: Am geſtrigen Tage beging das Siedhen-
haus in Saarbrücken die Jeier ſeines 25jährigen
Beſtehens.
Auguſt: Die Preſſe bringt nähere Meldungen
über den ſtädtiſ<en Sparkaſſenſkandal in St.
Ingbert. Eine Erklärung des Bürgermeiſters,
die Beruhigung bringen ſollte, verfehlt ihre
Wirkung. Die zweifelhaften Geſchäfte des FinanZz-
rates Pirh<er werden auf 60 Millionen Franken
angegeben, die größtenteils als verloren be-
trac<tet werden.
Auguſt: Der Candesrat lehnt eine Derordnung
der Regierungskommiſſjion ab, die Dereinigungen
verbietet, welche ſich mit militäriſ<en Uebungen
befaſſen, jowie ein Derbot über das Tragen von
Uniformen und LAbzeichen.
Auguſt: Die Filfsaktion der deutſchen Regierung,
um die große, dur; das Syſtem der franzöſiſchen
Bergverwaltung hervorgerufene “lot des Saar-
gebiets zu mildern, veranlaßt die fremden Treu-
händer, die Sa<e in Genf -als eine politiſche
Aktion der Deutſ<en umzudeuten. So wird ein
Werk der Wohltätigkeit herabgewürdigt. Es liegt
jederzeit in der Hand Frankreichs, im Bergrevier
menſ<enwürdige Zuſtände zu ſ<haffen.
Auguſt: Der franzöſiſche Propaganda<hef Herly
alias Revire, als „Vlagazinverwalter“ bei der
Bergwerksdirektion eingetragen, veröffentlicht in
der franzöſiſchen Preſſe Artikel, deren Inhalt an
Schwindel ihresgleihen ſuchen. Er behauptet
u. a,, das Saargebiet ſei von Ludwig XIV. bis
1871 franzöſiſch geweſen, ſpri<ht von franzöſiſch
geſinnten Saarbewohnern ujw. Dieſe Art ver-
wirrt die Gemüter jenſeits der Grenze und richtet
Unheil an.
Auguſt: Dem Feuerwehrverband des Kreiſes
Merzig gehören an 26 Freiwillige Feuerwehren
und eine Werksfeuerwehr mit insgeſamt 1268
Mitaliedern.
Auguſt: 50-Jahrfeier und Fahnenweihe des
Turnvereins Fraulautern,
j2. Auguſt: In Bubac< der Ueubau der katholiſchen
Kirhe geweiht dur< DeHant Knauf
*) In den vorhergehenden Jahrgängen des Saar-
kalenders ſind über 1809 Daten aus der Geſchichte
des Saargebietes feſtgelegt vom Jahre 600 bis 1928
Zz
nd
DQ
26
Auguſt: Mitglieder der Deutſchen Ho<ſ<hule für
CeibeSübungen beſuchen das Saargebiet. Da
Bahnpolizet dur< unglückliches Euftreten den
Empfang ſtört, empört ſi< die Menge und ant-
wortet mit WMuſik und Geſana des Uationalliedes.
Auguſt: Der Turnverein Breba< von 1878 e. D.
begeht das Jeſt ſeines 50jährigen Beſtehens. =-
Die Sektion Saarbrüken des Deutſchen und
Oeſterreichiſ<en Alpenvereins weiht den Ex-
weiterungsbau der Saarbrücker Bütte am Groß-
Tißner ein.
Auguſt: Die Frage der Dereinigung von Brebad)
mit Fechingen und Güdingen ſteht wieder zur Be-
ratung in den Gemeinden. Brebach gegen die
Großgemeinde, Fehingen 24 dafür, Güdingen mit
allen Stimmen für den Plan. Der Zujammen-
ſj<luß erſ<eint notwendig.
Auguſt: Die Freiwilligen Sanitätskolonnen des
Saargebiets halten in Wadgaſſen ihre Hauptver-
ſammlung ab. Dr. med. Kalefeld-Saarbrücen er-
ſtattet als BezirksSinſpekteur IJahresberi<t. 64
Kolonnen, dazu neu gegründet Kolonne Blieſen,
Der Derband umfaßt 2941 ordentliche Mitglieder,
3000 ausgebildete Sanitäter. Inaktive 1733 und
Ehrenmitglieder 86. An Geſamtleiſtungen feſt-
geſtellt 22 000 Fälle,
Einweihung des Kriegerdenkmals in -Hedken-
dalheim zu Ehren von 35 Kriegsopfern.
Feſtgeſtellt ſind heute die dur< Finanzrat
Pir<her verſ<hleuderten Summen der Stadtſpar-
kaſſe in St. Ingbert. Es handelt ſi< um 6,8
Millionen Reihsmark. Wan hofft ſoviel zu
retten, daß der Derluſt 5 Millionen Reichsmark
niht überſteigt.
Auguſt: Finanzrat Pir<her in St. Ingbert wird
verhaftet, Siehe die Uotiz vom 19. Auguſt.
Auguſt: Weihe des Kriegerdenkmals in Dir-
mingen, -- Die Preſſe beklagte ſeit Iahren, daß
die Regierungskommiſſion ſaarländiſ<en Lehr-
kräften Erleichterung und finanzielle Unterſtüßung
gewähre, ſofern ſie an den Genfer Kurſen für
franzöſiſ<e Sprache teilnehmen. Es werden da-
gegen große Schwierigkeiten gema<ht, wenn ſich
Cehrer aus dem Saargebiet zu JFachkongreſſen
naMH dem Rei begeben wollen. Die Kultus-
abteilung der Regierung beſtreitet dieſe Behaup-
tung, der Jahresberi<t des Generalſekretärs des
Dölkerbundes beſtätigt aber die Dorwürfe der
Preſſe.
September 1928,
September: Eröffnung der Dillinger Gewerbe-
ausſtellung. Die „Stadt der Panzerplatten“ hat
ein Werk geſc<affen, das in ſeiner Ausgeſtaltung
bewundernswert iſt. Der Erfolg konnte daher
ni<t ausbleiben. 45 000 Beſucher am Tage der
Eröffnung.
«
'
ür
Saarkalender für das Jahr 1939
2. September: Dur< die Betrügereien des FJFinanz-
rates Pir<er von der St. Ingberter Stadtſpar-
kaſſe gerät au< die Waſinenfabrik Rohrbad
in Sdcwierigkeiten. 220 Arbeiter kommen zur
Entlaſſung, konnten aber no< reſtlos entlohnt
werden.
Septemver: Sinngemäß iſt nac dem Friedens-
vertrag Frankreihs Anſpru<ß auf die Saar-
gruben als „Erſaß“ für die zerſtörten nord-
franzöſiſchen Zehen ſeit 1926 erloſhen. Für den
Förderausfall von 62,7 Millionen Tonnen hat
Frankreich bis dahin aus den Saargruben eine
Gegenleiſtung von 93,7 Millionen Tonnen er-
halten. Dom IJIanuar 1920 bis Juni . 1928 ein-
ſ<ließlih hat es 100 Millionen Tonnen aus den
Saargrüben gefördert. Der Reinertrag zuzüglid
Reſerveſtellung beträgt 1920--1926 in Franken
618 757 945, in Goldmark 143 372 573, Die nord-
franzöſiſ<hen Gruben haben längſt eine höhere
Förderung als früher. Die Saargruben bilden
daher keinen „Erſaß“ mehr für erlittenen Aus-
fall, ſondern ſind eine ungere<htfertiate Bereie-
rung.
September: Im Haus- und Grundbeſißerverein
Friedrichsthal wird beſchloſſen, die dur Gruben-
ſenkungen Geſchädigten mit Geldmitteln zu unter-
ſtüßen, um ihre Rechte gegen die nachläſſige fran-
zöſiſ<e Grubenverwaltung geri<tlih anhängig
zu maden.
September: Der Trieriſ<e Bauernverein hält eine
Derſammlung in Dillingen ab, auf der Dr. U.
Keßler in einem Dortrag erwähnt, daß die jähr-
lie Mil<produktion im Saargebiet 60 Mill.
Franken betrage, der Wert der jährlichen Kar-
toffelprobuktion rund 200 Will. Franken.
September: Die Preſſe meldet von einer aufge-
dekten Schiebung im Hauptverſorgungsamt
(orthopädiſche Anſtalt) Saarbrükens, wodur< die
ſteuerzahlende Bevölkerung um zirka eine hälbe
Million geſchädigt ſei.
September: Tagung des Deutſchen Werkmeiſter-
verbandes in Dillingen. Geſamtverband 130 000
Mitglieder, im Saargebiet 1500. Gefordert wird
u. a., daß Invaliden-, Unfall-, Kranken- und
Knappſc<aftsverſicherung zuſammen mit der Ge-
ſjeßgebung des Reiches hier zur Einführung
komme, ferner Zuſammenfaſſung der ſaarlän-
diſ<en Sozialverſiherung mit der des Reiches.
September: Der Saarverband der Zimmerer-
Innungen fordert auf ſeiner Tagung in Dillingen
beſ<leunigten Abbau der Zwangswirtſchaft und
dur<greifende Maßnahmen zur Finanzierung der
Wohnbautätiakeit.
19
1?
September: In Genf empfängt der Reihskanzler
die Saardelegationen der Sozialiſten und der
bürgerlihen Parteien. Der Kanzler verſichert
gegenüber umlaufenden Gerüchten in der Warndt-
frage (Bereitwilligkeit des Reiches gegen Kom-
penſationen das Warndtgebiet abzutreten), daß
die Reichsregierung nie daran geda<t habe, der-
artige Pläne in Erwägung zu ziehen. = Feſt-
geſtellt wird, daß es in Genf völlig unbekannt
war, wie die Treuhänder mit der Anlage von
Regierungsgeldern verfahren. Dieſe werden den
im Saargebiet etablierten franzöſiſG<Gen Banken
1%
14
15.
15.
16.
16.
"0
22.
26.
27.
7.
gegen geringen Zinsſaß zur Derfügung geſtellt.
Das Geld wird zum Schaden unſerer Wirtſchaft
jo raſ<; wie mögli< na< Paris abgeführt.
September: Uah der Preſſe führte die ungere<t-
fertigte Beſtrafung zweier Bergleute zu einer
großen Derſammlung der Knappen in Quierſchied.
Dort wird eingehend begründet die Klage über
ſ<le<htes Gedinge, ſ<leHte Behandlung, An-
treiberei und Belieferung von untauglichem Holz.
September: Dom 14. bis 16. September Tagung
der Gas- und Waſſerfa<männer in Saarbrücken,
September: Feſtgeſtellt wird über die frankophile
Anlagepolitik der Regierungskommiſſion, daß
u. a. die hieſige Filiale der Banque du Rhin
gegen einen Zinsfuß von 324 Prozent 10 Will.
Franken erhielt.
Die Banque Uationale de Credit hat durc-
ſ<hnittli< 150 Millionen Regierungs-, Eiſenbahn-
und Poſtgeld in Beſiß, dieſe Summen werden in
Paris und Berlin angelegt. Jährlicher Derdienſt
hieraus 3 Mill. Fr., Landesbank 30 Mill, Ir.
gegen 2-- 3144 Prozent Zinſen. Bank für Saar-
und Rheinland 13 Mill. Fr. Dagegen wurden
bei unſeren deutſ<en Banken nur Summen
untergebra<Ht von 500000 Fr, bis zu einet
Million, und zwar zu einem Zinsfuß von 3%
bis 515 Prozent.
September: Eine ſeit. Monaten beſtehende Lohn-
bewegung in der Hütteninduſtrie wird durch
Dermittlung des Miniſters Koßmann beigelegt.
Erhöhung der Löhne um 4 v. H. und ab
1. Ianuar no<h 1 v., DH.
September: Dom 16. bis 21. September tagt in
Saarbrükßen die 12. Generalverſammlung der
Thriſtlihen Metallarbeiter Deutſ<lands.
September: Die Bürgermeiſterei Heusweiler be-
geht feſtlih die verdienſtvolle und erfolgreiche
Tätigkeit ſeines Bürgermeiſters Meyer nac< einem
25jährigen Wirken reich an Arbeit, aber rei<
auch an allgemeiner Anerkennung nac< nie ver-
ſiegender Arbeitsfreudigkeit.
September: Aufnahme des Flugverkehrs Irank-
furt--Saarbrüken--Paris. Flugpreis beträgt 24
Reichsmark Irankfurt--Saarbrüken und 400 Ir.
Saarbrüden--Paris bei 15 Kilogr. Freigepädk.
September: Die preußiſ<e Landtagsfraktion der
Deutſ<en Volkspartei hält eine Tagung in
Saarbrücken ab.
September: Unregelmäßigkeiten in der Leitung
des Püttlinger Spar- und Darlehnskaſſenvereins
führen zur Derhaftung des Rendanten.
September: Die Preſſe meldet von einem ſen-
ſationellen Dorgang im Finanzamt. Dort ver-
ſchwanden von der Behörde beſchlagnahmte Ge-
ſhäftsbüher einer Textil-Großfirma, die wegen
Steuerhinterziehung angezeigt war.
September: Im Amtsblatt wird eine „Derord-
nung betr. Verbot militäriſcher Uebungen“ ver-
öffentlicht. Dereine ſind aufzulöſen, die ſi mit
militäriſ<en Dingen befaſſen. Derboten wird
auß „öffentlich Uniformen und Abzeichen zu
tragen“. Was das alles heißen ſoll, weiß nie-
mand.
uo
Saarkalender für das Jahr 1930
30. September: Eine der angeſehenſten Handelsfirmen
des Saargebiets, das Kaufhaus Gebr. Sinn,
blikt heute auf den 50. Jahrestag der Gründung
zurük, Im Jahre 1878 wurde die Firma ins
Ceben gerufen dur< Arnold Becker, einen Bürger,
der ſic u. a. auch um den kommunalen Fort-
ſ<ritt, unſeren Handel uſw. reiche Derdienſte er-
worben hat.
September: Enthüllung des Kriegerdenkmals in
Saarlouis vor der früheren Kommandantur
Weibe des Ehrenmals in Geislautern.
Oktober 1928,
Oktober: Die Saarbahnen hatten im September
täglid 47000 Eiſenbahnfahrgäſte. Insgeſamt
wurden. ] 449 682 Fahrkarten verkauft, im Saar-
brüker Hauptbahnhof 218 874. An Sendungen
ſind zu verzeihnen 12497, Expreßgutverkehr
27 506 Sendungen, Im Güterverkehr wurden
inſgeſamt 154 246 Wagen geſtellt, 100 847 nur für
Kohlen. An Gütern befördert 1 99 530 Tonnen.
Der Bewältigung des Perſonenverkehrs dienten
427 344 Zugkilometer und 12 486 1356 Wagenads-
kilometer. Der Güterverkehr erforderte 94 353
Zugkilometer und 11 179 307 Wagenkilometer.
Oktober: Saarlouis zählt heute 15927 Ein-
wohner.
Oktober: Die Regierungskommiſſion genehmigt
die Anpachtung des weitbekannten Exerzierplaßes
der „Dreißiger“, des „Großen Sand“, dur< die
Gemeinde Fraulautern.
Oktober: Dudweiler zählt 24 249, Bürgermeiſterei
Dölklingen 34 539 Perſonen.
Oktober: Der neugegründete Derein für das
Auslandsdeutſ<tum tritt zum erſten Male mit
einem Werbeabend an die GWeffentli<keit. 40
Millionen Deutſ<e außerhalb der Reichsgrenze.
Rei<sminiſter a. D. Külz ſpraM über „QAus-
landsdeutſ<tum und Heimat“. Anmeldungen für
die Ortsgruppe Gutenbergſtraße 11a (Dr. Maaß),
Einzahlungen von Mitgliedsbeiträgen auf Poſt-
ſjHekkonto 1892 Saarbrüden.
Oktober: Das Reihsgeriht erkennt entgegen dem
Urteil des Candgeri<hts 1 Berlin und des
Kammergerihts die Derpflihtung des preußiſchen
Staates an, die Gehälter der Saarbeamten denen
der preußiſchen Beamten gleichzuſtellen.
Oktober: Saarlouis weiht eine neue Turnhalle
(„Jahnhalle“) feierlich ein.
Oktober; WiebelskirHen wird Bahnſtation. =
Gegen einen dreiſten franzöſiſchen Uebergriff
ma<t die Deutſ<-Saarländiſ<e Dolkspartei
Front. Seit Jahrzehnten im Saargebiet wohnende
Elſaß-Lothringer, die zwar durc< den Derſailler
Pakt Franzoſen geworden ſind, aber erneut die
preußiſ<e Staatsangehörigkeit erlangt haben, er-
halten Geſtellungsbefehle. Die Regierungskom-
miſſion teilt mit, daß man die franzöſiſche Staats-
angehörigkeit nur mit Genehmigung des franzö5-
ſiſc<en Iuſtizminiſters aufgeben könne, Dies
widerſpriht aber dem FTriedensvertrag, nach
welchem eine neue Staatsangehörigkeit den Der-
luſt der anderen zur Folge hat. In einer Familie
erſ<ien ſogar ein franzöſiſ<er Soldat und drohte
einem derartig „„Geſtellungspflichtigen“ mit Feſt-
nahme. Der Präſident der Regierungskommiſſion
wird erſu<t, ſol<Hem Unfug ein Ende zu maden.
Oktober: Mit Beginn des Winterfahrplans Ein-
führung des Zweiklaſſenſyſtems „„Holzklaſſe“ und
„Polſterklaſſe“.
Oktober: Die ehemaligen Dreißiger beſchließen,
ein Ehrenmal für das alte Saarlouiſer Regiment
zu errichten.
Oktober: Als oberſter Grundſaß der Regierungs-
kommiſſion iſt ihr die Wohlfahrt der Bevölbe-
rung vorgeſ<rieben. Die Derwaltung hat infolte
franzöſiſ<er Umtriebe vollkommen verſagt, In
der lezten Zeit hat ſie u. a. 225 Mill, Ir, den
franzöſiſcen Banken zu einem niedrigen Zins-
ſaß zur Derfügung geſtellt, deutihen Banken nur
5 UWlillionen.
Oktober: Geh, Iuſtizrat Dr. K. Röchling vollendet
ſein 70, Lebensjahr. Langjähriger Landtagsabge-
ordneter, Dorkämpfer der Saar- und Moſelkana-
liſterung. Bekannt no< aus ſeinem Ringen um
dies Ziel die Worte: „Gebaut wird er doh!“
Sein Werk au< Einri<tung des Saarbrüder
Grundbuchamtes, Mitbegründer der „Harmonie“,
Dorſigender des Derwaltungsrates des Stiftes
St. Arnual Dr. Rödling rief den „Sduß des
Saargebiets“ ins Ceben; hieraus entwickelte ſich
die bedeutungsvolle Arbeit des „„Saarvereins“,
dem wir nie genug dankbar jein können.
Y
Oktober: Der Saarbrücker Stadtrat rednet
wieder einmal mit der Regierungskommiſſion ab,
da ſie die Geſundung unſerer Wohnungsverhält-
niſſe dur< übertriebene und unberechtigte Forde-
rungen erſ<wert, ohne ſelbſt wirkungsvoll ein-
zugreifen. TJeſtgeſtellt wird au<, daß das fran-
zöſiſ<e Regierungsmitglied Morize eine Steuer-
exekution bei einer großen franzöſiſc<en Jirma
verhinderte und damit dem Betrüger Gelegenheit
gab, ohne Zahlung ſeiner Steuern na<h Frankreid)
zu verſ<winden. Betont wird in der Sißung: „Die
Bürgerſ<aft proteſtiert ganz entſchieden dagegen,
daß franzöſiſche Steuerdrückeberger den amtlichen
Schuß eines Regierungsmitgliedes genießen.“
Oktober: Im 73. LCebensjahr Georg Hedel,
Seniorhef der weltbekannten Saarbrücker Draht-
ſeilfabrik, *F. Reiche Betätigung im wirtſchaft-
lihen und kommunalen Ceben, u. a. 20 Jahre
Yorſikender der Südweſtdeutſ<en Eiſenberufs-
genoſſenſ<aft.
Oktober: Oberberghauptmann Flemming, Saar-
länder, wird zum preußiſchen Oberberghaupt-
mann und Miniſterialdirektor ernannt. Geheim-
rat Flemming als Uachfolger von Schanz wird
entſ<eidenden Einfluß bei der Löſung des Saar-
problems haben. 1895 Bergreferendar, 1903 Berg-
inſpektor in Kamphauſen, 1907 Bergwerksdirek-
tor, 1911 Bergrat in Saarbrücken, 1920 Geh.
Oberbergrat.
j3
15.
Oktober: Candung des „Graf Zeppelin“ in LCake-
hurſt um 23.30 Uhr unſerer Zeit.
Oktober: Wit allen Mitteln wird die elſaß-loth-
ringiſ<e Wirtſ<aft gegen das Saargebiet mobil
gema<ht. Man will den Saarmarkt nicht verlieren,
Die Behauptung über einen jährlihen Umſaß
IG
E
im] mmer
Saarkalender für das Jahr 1530
19.
1.
>»
/4
2)
Frankreihs in Höhe von zwei Milliarden im
Saargebiet wird als Sdwindel gekennzeichnet.
Die Lieferungen des Saargebiets na< Frankreid
und deſſen Lieferungen hierher wurden dabei „des
beſſeren Eindrucks wegen“ zuſammengezählt. =
In großer Saarkundgebung in Frankfurt a. M.
ſpri<t Pfarrer Beker-Neunkir<en über die fran-
zöſiſhen Schulen im Saargebiet, für die ſi wieder
ſteigernder Druck bemerkbar machte. Unerträglich
ſei die dauernde Gewiſſensknebelung bei materiel-
ler UVot der Bergleute. Der zähe Kampf um die
deutſ<e Kultur werde zur bangen Sorge bei der
Haltung der Bergverwaltung. Wir dürften in der
Abwehr nimmer erlahmen. In Paris iſt man über
die Rede erboſt und bezeichnet ſie auf Koſten der
Wahrheit als „alldeutſ<e Manifeſtation“. Eine
Abwehr ſinnloſer Dergewaltigung ſ<eint alſo
unerlaubt.
Oktober: 50jähriges Jubiläum des Katholiſchen
Kirhen<hors „Cäcilia“ in St. Johann.
Oktober: Weihe des Kriegerehrenmals in Wehrden.
Oktober: Unfallſtatiſtik in den Betrieben des
Saargebiets, ſoweit ſie der Gruben- oder Gewerbe-
aufſict unterſtehen. Beſchäftigt im Durchſchnitt
155 960 gewerblihe Arbeiter im IJahre 1927.
71 080 entfallen auf die Gruben und 84 885 auf
die der Gewerbeaufſi<ht unterſtehenden Betriebe.
Insgeſamt 15 766 Unfälle, hiervon 10476 auf den
Gruben und 5290 auf die übrige Induſtrie, Töd-
lic verlaufen 61 auf den Gruben, 28 in der
übrigen Induſtrie, =- Im Amtsblatt vom 22. Okt,
erſcheint eine neue Derordnung über den Caden-
j<luß. Sämtliche Cadengeſhäfte müſſen danach
von 7 Uhr abends bis 7 Uhr morgens geſ<loſſen
ſein. 30 Ausnahmetage werden zugeſagt.
Oktober: Die Stadt Saarlouis hat erfolgreich die
Wohnungsnot bekämpft. Insgeſamt 267 Woh-
nungen mit einem Koſtenaufwand von 17 366 000
Franken, Unmittelbar beteiligt iſt die Stadt mit
150 Wohnungen oder rund 56 v. H., im übrigen
half ſie dur< Baudarlehen uſw. Wohnungſuhende
ſind noH 53 vorhanden. -- Wohltäter aus dem
Reich ſtiften dem Saargebiet Kartoffeln, 104 Wag-
gons zu je 300 Zentner.
Oktober: Am Zollbahnhof Einöd fand die Zoll-
madame bei einer Shar junger Mäd<hen ein Pak
Programme, deren Ueberſchrift hieß: „Deutſch iſt
die Saar“, Große Aufregung über nicht zollpflich-
tige Druckſachen. Der Oberzöllner ließ no<h einmal
das ganze Gepä> der Mädchen dur<ſtöbern. Für
ihn leider ohne Erfolg.
Oktober: Auf der ſoeben erſt vom Staatlichen
Straßenbauamt fertiggeſtellten Hauptverkehrs-
ſtre&s in Sulzbach entſtanden zwei Rohrbrüche
infolge Grubenſenkungen. = Die von Saar-
brücken mit einer Condoner Bank abgeſchloſſene
ſe<sprozentige Anleihe von einer Million Pfund
wird zum Kurs von 94 Prozent in einer halben
Stunde gezeichnet.
Uovember 1928.
Uovember: Der Turnverein Saarbrücken von
1848 feiert ſein 80jähriges Beſtehen. Ausgezeihnet
werden bei dieſem Feſte Rendant Engelbert Biß-
mann und Wilhelm Winter, beide 50 Jahre MWit-
glieder des Dereins, Heinri< Wahlſter 25 Jahre
Dorſikender.
November: Die Preſſe ſ<reibt über die ungeheure
Belaſtung des Saargebiets dur; die fremde
Sonderverwaltung. Der Präſident verfügt über
ein Jahreseinkommen von faſt 50 000 RUl,, hat
alſo mehr als der preußiſche Miniſterpräſident.
Die vier anderen Mitglieder der Regierungs-
kommiſſion ſteken jeder jährli< 25 000 RU. ein,
Der große Stab der „Miniſterialdirektoren“ und
„Miniſterialräte“, natürlich meiſtens Franzoſen,
ſäkeln von 15--19 000 RM. ein, darunter Uotton
als Leiter der Schulabteilung mit 18 000 RM,,
mithin weit über 100 000 Fr. Das Gebiet, no
nicht einen halben Regierungsbezirk umfaſſend,
würde in Preußen von einem Regierungspräſi-
denten und einigen Räten gut verwaltet werden.
Wie lange geht nun noH& der Krug zum Waſſer?
DolkSelend heißt das Urteil über das Dölker-
bundſyſtem an der Saar.
Uovember: Ein ſtarkes Stück leiſtet ſic die
Regierungskommiſſton dur< die Erklärung, daß
die Zeit, die eine Lehrperſon an den franzöſiſchen
Domanialſc<hulen verbringt, auf das Beſoldungs-
dienſtalter anzure<hnen ſei. Es iſt wahrlich an der
Zeit, mit dem Unfug aufzuräumen, dur< wirt-
ſ<aftlihen Dru franzöſiſ<e Propaganda zu
treiben und deutſ<e Kinder in der Sdulausbil-
dung leiden zu laſſen. =- Die Regierungskommiſ-
ſion lehnt die Forderung der Staatsangeſtellten
ab, den Reichstarif auch für das Saargebiet zu
übernehmen und kündigt ſämtlichen Staat5ange-
ſtellten zum 31. Dezember, um eine neue tarif-
lihe Grundlage zu ſc<haffen. Die Regierung be-
ruft ſich auf die ſc<le<hte Finanzlage des Gebietes,
Uovember: Der Saarbrücker LCiederkranz begeht
feierlich ſein 60jähriges Beſtehen. Gegründet am
17. Dezember 1868 mit 38 Mitgliedern, heute
zählt der Derein 965 Mitglieder (210 Aktive,
700 Paſſive und 55 Ehrenmitglieder). Leiter:
Pauly, Brauſh, Scholz, Hans Wolff, Philipp Stilz.
--= Die Deutſ<-Saarländiſ<e Dolkspartei erſucht
wiederum die Regierungskommiſſion um Abbau
der Wohnungszwangswirtſ<aft gemäß dem Gut-
a<hten des Candesrats.
Uovember:' Weihe des evangeliſ<en Gemeinde-
hauſes Wartburg. Der erſte Spatenſti< 6. Iuli
1927, Grundſteinlegung am 24. Juli desſelben
Jahres. Das Haus hat den größten Saal des
Saargebietes, 37 Meter lang, 23 breit und 14
lihte Höhe. Er faßt 1600 Perſonen. Ardhitekt
Seifert (Brugger Uadfolger) Saarbrücken. Aus-
führung dur< die Firmen Sohnius. Saarlandbau
und Adolf S<midt.
Uovember: Proteſtverſammlung der Eiſenbahner
des Saargebiets erhebt Einſpruch gegen die Cohn-
politik der Regierungskommiſſion und fordert,
hart bedrängt, Lohnaufbeſſerung. =- Die Deutſche
Dolkspartei der Pfalz nimmt nah einer Dertreter-
verſammlung in Ueuſtadt eine Reſolution an, in
der es zum Scluſſe heißt: „Die Pfalz will lieber
das Jo< der Beſaßung no<4 weiter tragen, als
dur; neue Opfer ein weiteres Entgegenkommen
unſerer Geaner zu erkaufen.“
IO
LS
November: Die franzöſiſ<e Induſtrie, bangend um
die Ausbeutung des Saargebiets nah ſeiner Rük-
gliederung, ſc<ließt ſi zuſammen, um ihre
„Rechte“ red<htzeitig ſicherzuſtellen.
„
i
bw.
Saarkalender für das Jahr 1330
16. UWovember: Die Preſſe meldet, daß Grube Göttel-
born unter preußiſcher Derwaltung aufs modernſte
eingerichtet und ſehr ertragreich geweſen ſei. Der
Raubbau der Franzoſen, die nur ſtarke Flöze in
Angriff nehmen ließen, rächt ſi<. Die Belegſchaft,
einſt 3000 Mann, zählt nur no< 200--300 Knappen.
-- Gegen den Wunſ< der Bevölkerung wird von
der Regierungskommiſſion die Wohnungsverord-
nung vom 27. Juni 1926 bis zum 30. Iuni 1929
verlängert.
7:
Uovember: Haskins, amerikaniſcher Profeſſor, Be-
rater Wilſons bei Abfaſſung des Saarſtatuts, hat
ein Buch erſcheinen laſſen, in dem er ein Loblied
über die gegenwärtigen vorbildlichen Zuſtände des
Saargebiets anſtimmt. Er iſt überzeugt, daß ſich
die Bevölkerung 1935 für die Beibehaltung des
Dölkerbundsſyſtems erklären wird. Mit ſol<H gro-
teskem Schwindel wird in Amerika der Wahrheit
der Weg geſperrt. Haskins ſ<eint ein intimer
Freund Herlys alias Iean Revires zu ſein. Preis-
frage: Wem gebührt die Krone im S<windeln?
8. November: Grundſteinlegung zum Ueubau der St.
Hildegardiskir<e in St. Ingbert in Anweſenheit
des Biſchofs Sebaſtian von Speyer. -- Der Krieger-
und Candwehrverein Malſtatt begeht feſtlich den
85. Geburtstag des Deteranen Bayer, eines der
wenigen noh lebenden Mitkämpfer von 1864, 1866
und 1870/71.
"Y
Uovember: Der 100. Todestag Franz Sduberts
wird im ganzen Saargebiet gefeiert. Die Preſſe
faßt die Berichte der zahlreichen Jeiern in die
Worte: „Das Saarland hat ſeine Pfli<t mit
frohem Herzen dankbaren Sinnes erfüllt.“ -=-
Dölklingen erſtrebt mit den ihm anliegenden Ort-
ſh<aften Zuſammenſ<luß und Stadtre<t. Die
Bürgermeiſterei Dölklingen zählt 34 438 Perſonen.
Uovember: Bürgermeiſter Uicola erſtattet günſtigen
Bericht über die Gewerbe-Ausſtellung in Dillingen.
Sie wurde beſucht von 140 000 Perſonen. Die
Ausſteller ſind zufrieden. Das finanzielle Ergeb-
nis ein Ueberſchuß, der zur Errichtung eines Der-
kebrsbüros dienen ſoll.
7?
Uovember: Die Mitglieder der Regierungskom-
miſſion ſtellen in Genf den Antrag auf Erhöhung
ihrer Gehaltsbezüge, eine Forderung, die bewilligt
wird. Die Herrſchaften wünſchen eine 50--60prozen-
tige Erhöhung ihrer Gehälter und zwar rüd-
wirkend auf das laufende Iahr 1928. Siehe die
Uotiz der Thronik vom 8. Uovember. -- Die fran-
zöſtſ<e Grubenverwaltung lehnt die Dergütung
für die in Quierſchied dur< Grubenſjſenkungen ent-
ſtandenen S<äden ab.
Abs
Uovember: Einweihung des Kriegerdenkmals in
Friedrichsthal für 212 gefallene Helden. Erbaut
von Joh. Linn, Werkſtätte für Grabmalkunſt in
FriedriOsthal.
-.
Uovember: Admiral Seer, ein mitfühlender
Freund mit den Ceiden des Saargebiets, auf der
Fahrt von Dresden na< Mannheim einem Herz-
ſ<hlag erlegen. Siehe Geleitwort des Saar-
kalenders 1927, ein politiſches Teſtament des Ad-
mirals. das nie vergeſſen werden ſollte.
6
el hr
'
)
27.
Uovember: Die Regierungskommiſſion unterſagt
den von den Turnern gelegentlich des Lictfeſtes
am 2. Dezember geplanten Fackelzug. =- Das
Saarbrücker Stadtparlament erläßt zur 10jährigen
Wiederkehr der Beſekung eine Kundgebung, in
der energiſ< gegen die Aufrehterhaltung der un-
ſeligen jetzigen politiſ<en und wirtſchaftlichen Zu-
ſtände proteſtiert wird. Es heißt dann u. a.: „Die
Bevölkerung hat nur den einen Wunſ<, wieder
mit dem Deutſhen Reiche und dem preußiſchen
Staate, und zwar ohne Dorbehalt und ohne jede
Beſchränkung, vereinigt zu werden.“ Am Scdluſſe
heißt es: „Die Stadt erwartet von dem Geredtig-
keitsſinn der im Dölkerbund vertretenen Uationen,
daß ſie zur Dermeidung eines nußloſen politiſchen
und wirtſchaftlichen Kampfes um das Saargebiet
für eine ſ<leunige Löſung der Saarfrage im
Sinne des Wilſens der Bevölkerung eintreten
werden.“
30
Uovember: In LCoSheim tritt der Gemeindevor-
ſteher Röder, dem man den Dorwurf machte, den
ſeparatiſtiſhen Beſtrebungen nahegeſtanden zu
haben. von ſeinem Amte zurück.
Dezember 1928.
Dezember: Das erſte Saarbrücker Lidtfeſt be-
ginnt heute abend und wird ſeine Fortſezung am
Sonntag, den 2. Dezember und Montag, den 3. De-
zember finden. Glänzender Derlauf. Allein mit
der Eiſenbahn 58 000 Beſucher, Stromverbrauch für
105 000 Glühlampen. -- Bürgermeiſter Offermann
in Wiebelskir<en tritt nam Z4jähriger, dankbar
anerkannter Tätigkeit von ſeinem Amte zurüc
und geht in den Ruheſtand. -- Der Stadtrat von
Ueunkir<en bewilligt eine neue Dollaranleihe in
Böhe von 45 394 000 Fr.
?
Dezember: Weihe des evangeliſ<en Gemeinde-
hauſes Guſtav-Adolf in Alt-Saarbrücken. Die Be-
nennung erfolgte zu Ehren des tapferen Grafen
Guſtav Adolf, der 1677 im Kampf gegen die
Franzoſen bei Straßburg gefallen iſt. =-- Der
Entwurf zum evangeliſchen Gemeindehauſe Saar-
brücken ſtammt vom Architekten Rud. Krüger,
die Bauausführung vollzog Paul Jäger,
Saarbrüßen 1, Talſtraße, Baugeſchäft mit
Zimmereibetrieb.
[
Dezember: Dertreter der deutſ<hen Wirtſc<haftspreſſe
beſuc<en Saarbrücken. Begrüßung durch die Stadt,
wobei Oberbürgermeiſter Dr. Ueikes die jeßige
unhaltbare Stellung des Saargebiets nachweiſt,
das Reih helfe hier in ſteigendem Maße von
Jahr zu Jahr, um die volle Derkümmerung der
ſaarländiſ<en Wirtſ<aft zu vermeiden. Don
Frankreich ſei nichts zu erwarten. Es ſei das
Problem zu löſen, wie das Saargebiet ohne un-
überwindbare S<wierigkeit wirtſ<aftlih dem
Reihe wieder angegliedert werden könne. Es
ſpri<t u. a. no<z Dr. H. Rödling, der dabei er-
wähnt, daß im Saarrevier 100 000 Berg- und
Hüttenarbeiter eigenen Grund und Boden hätten.
-- Die beſonderen wirtſchaftlichen Derhältniſſe der
„Saar“ werden von führenden Perſönlichkeiten den
Beſuchern in einer Reihe von Dorträgen klar-
gelegt.
Saarkalender für das Jahr 1930
4 Dezember: Die älteſte Bewohnerin Saarbrückens,
Frau Dorothea Weber, vollendet heute ihr
98. Ceobensjahr.
Dezember: In der „Saarbrücker Zeitung“ erſcheint
ein Artikel: „Die überflüſſige Staatl. Kunſt- und
Kunſtgewerbeſchule“, der mit dem Inſtitut ſc<ary
abre<hnet. Die Schulabteilung der Regierungs-
kommiſſion habe es ins Leben gerufen, um au"
hier das Saarland kulturell von Deutſ<land zu
trennen. Das ganze Unternehmen ſei zwedlos
und bringe nur Steuerlaſten in Höhe von 325 000
Franken jährlich. Es werde vom Reiche nicht an-
erkannt, ſeine Zeugniſſe daher wertlos. Redts-
widrig werde den Cehrern der Profeſſorentitel
verliehen. Die Anſtalt wird als „eine unverant-
wortlihe Derſ<hwendung öffentliher Mittel“ be-
zeichnet. =- 25jähriges Iubiläum der Werksſ<ule
der Röhlingſ<en Eiſen- und Stahlwerke. Sdule
gegründet von dem Geh. Kommerzienrat Karl
Röchling im April 1903. Anfang 1928 unterrichtet
256 Gewerbeſhüler, 144 kaufm. Schüler und 129
Jugnendlice in den Hilfsarbeiterklaſſen.
Dezember: Die „Aſſociation frangaiſe de la Sarre“
(Induſtrielle, Kaufleute, Finanziers und in ihrem
Gefolge der Derband der Kriegsbeſ<ädigten) hält
in Paris eine Derſammlung ab und zeigt ſich als
Dergifter der deutſ<h-franzöſiſchen Beziehungen. Sie
erſtrebt auc) na<Q der Rückgliederung unſeres Ge-
biets als großzügiges Spekulationsgeſhäft eine
ins Endloſe gehende Ausbeutungspolitik unter der
unſeligen Dölkerbundsregierung. „„Wir re<nen“,
ſo heißt es in der Entſchließung, „auf die Regie-
rung, die bedenken möge, daß ein Sdceitern der
franzöſiſ<en Politik an der Saar von allen Fran-
zoſen als eine ſ<merzlice Demütigung empfunden
werde.“ Welcher Politik? Die Raubpolitik iſt be-
reits aoſ<eitert und zerſ<ellt,
Dezember: In einem Dortrag Dr. Paul Keuth"s
über „Wirtſ<aftsprobleme des Saarhandels“ wird
u. a. erwähnt, daß dur< die Uachkriegsverhält-
niſſe der Kundenausfall des Saarmarktes auf
mindeſtens 30 Prozent zu ſchäßen ſei. Der Saar-
handel ſei heute auf das enge Saargebiet ange-
wieſen. Troß Derkleinerung des Abſaßmarktes
überſtarke Dermehrung der Handelsbetriebe. (1907
gab es im Saargebiet nur 7000 Handelsbetriebe
mit 15.000 beſchäftigten Perſonen.) Erfreulich
heute, daß alle Derſuc<he, hier franzöſiſ<e Han-
delsShäuſer zu gründen, faſt dur<weg geſceitert
ſeien an der ausgeſprohen deutſ<en Eigenart des
Candes. Der Saarmarkt gehöre ſei-
nem Charakter na<H reſtlos zu
Deutſ<land. Die Treuhand oder Regie-
rungskommiſſion habe ſich abgemüht, uns aud
hier weſtlich zu verankern, aber ſie bemühte ſic<
vergebens, denn die franzöſiſc<Ge Dormactſtellung
ſei überwunden. Der tatſählihe Bezug von
Waren aus Frankreich betrage etwa 1,2 Milliar-
den Franken, -- Der Candesrat nimmt heute nad
10 Jahren Fremdherrſ<aft eine Erklärung an,
in der es u. a, heißt: „Zehn Iahre bitterer Er-
fahrungen, politiſcher Entrechtung und wirtſchaft-
licher Vot haben uns gelehrt, was es heißt, von
ſeinem Daterland getrennt zu ſein. In unver-
brüchliher Treue erſehnen wir die Rückkehr zu
unſerem deufſ<en Daterlande. von dem man uns
nie hätte trennen ſollen. . . .“ Wir „warnen die
Regierung des Reiches Laſten auf ſich zu
nehmen, die die Souveränität des Reiches über das
Jahr 1935 hinaus beſchränken. Lieber wer-
den wir bis 1935 auSharxren“.
12
Dezember: Die Regierungskommiſſion beendet den
Streit mit den Beamtenverbänden und erhöht den
Umrehnungsfaktor für Grundgehalt und ſoziale
Zulagen von 5,70 auf 6,08, =- Tagung des 16er-
REusſchuſſes des Gewerkvereins <riſtl. Bergarbeiter
unter Revierleiter Kuhnen. Einmütig wird eine
neue von der Bergverwaltung in Dorſc<hlag ge-
brachte CTohnberehnung abgelehnt. Man verlangt
CQöhne ohne Multiplikator und erwartet weſent-
liHe CTohnerböhunaga aller Bergarbeiterkateagorien.
1
Dezember: 250 Mill. Fr. Dölkerbundsanleihe für
das Saargebiet zur Derbeſſerung des Saarbrücker
Hauptbahnhofs und der Poſtanlagen, Einführung
von Luftdru>bremſen uſw. wird in Lugano ge-
nehmigt. Der Dölkerbundsrat erhöht das Grund-
gehalt der Mitglieder der Regierungskommiſſion
auf 180 000 Fr. Der Präſident erhält no< dazu
für Repräſentation entſprechende Erhöhung. Und
dieſe Freigebigkeit bei dem wirtſchaftlichen Elend
des Saargebiets! = Die endgültige Aufſtellung
der Derluſte der Stadtſparkaſſe St. Ingbert dur
Finanzrat Pir<er iſt heute erfolgt, ſie betragen
7,3 WMiſlionen Vlark oder rund 44 000 000 Fr. Die
Stadt muß jährlich 4 Mill. Fr. an Zinſen und
Amortiſation aufbringen.
Dezember: Heiligenwald weiht ſeine neue kathol.
Kir<e ein. =- Die „Saar-3tg.“ in Saarlouis gibt
Eufſ<luß über den Führer der; „Aſſociation
francaiſe de la Sarre“, Canrezac, der als oberſter
Rehnungsreviſor der franzöſiſ<en Bergwerks-
direktion eingetragen iſt. Dieſe Amtsbezeichnung
iſt der Deckmantel für ſeinen politiſchen Propa-
gandapoſten, wie etwa Herly alias Iean Revire
offiziel als Materialienverwalter der Diviſion
Hirſ<ba< geführt wird. In Wirklichkeit ſind es
die Fanfarenbläſer zur Annexion des ZSanrqaebiets.
Dezember: Der Saarbrücker Stadtrat ſetzt als Ge-
meindeſteuerumlagen feſt 160 plus 20 Prozent, --
Im Sdußverein für Hausbeſisg wird bekannt-
gegeben, daß in 220 Orten des Saargebiets die
Zwangswirtſc<aft aufgehoben ſei. Die Geſamt-
ziffer der Ueubauwohnungen in Saarbrücken in
der Uachkriegszeit bis heute 6119, Die Stadt iſt
daran beteiligt mit 220 Mill. Fr. -- Auf den
Saargruben will die franzöſiſ<e Bergwerks-
direktion na< der Kündigung des alten Tarifs
mit dem neuen eine andere Cohnbere<nung ein-
führen, wodurc< die Hauergruppen eine annehm-
bare, die übrigen jedoH nur eine geringfügige
Aufbeſſerung erhalten würden. Die Gewerkſc<aften
proteſtieren dagegen, hinter ihnen geſchloſſen die
Beraarbeiter.
19
Dezember: Pachten zählt 3700 Perſonen. Der Ge-
meinderat fordert für den Ort die Aufhebung der
Wohnungszwangswirtſ<aft. =- Bürgermeiſter Aug.
Müller kann auf erfolgreiche Z0jährige Tätigkeit
in der Bürgermeiſterei Gersweiler zurückblicken,
Die dankbaren Gemeinden ehren den unermüd-
liHen Beamten. Klarenthal dur& eine „Auauſt-
„“ I
Saarkalender für das Jahr 19309
g=
2/1
Z0
Müller-Siedlung“, Gersweiler dur< Benennung
einer neu angelegten Straße „„Auguſt-Müller-
Straße“.
Dezember: In der franzöſiſGen Senatskommiſſion
für auswärtige Angelegenheit ſpri<t Senator
Ordinaire über das Saargebiet und tiſ<t dabei
unerhörten Schwindel auf. Er ſagt u. a.: „Sehe
man von der preußiſchen Bevölkerung ab, ſo laſſe
ſich feſtſtellen, daß in den rein ſaarländiſchen
Schichten eine ſtarke Ueigung für Frankreich ſei.
Beſonders dem Bergarbeiter gefalle die ſanfte Art
und die rüdſi<htsvolle, menſ<lihe Behandlung
dur; die franzöſiſ<Hen Ingenieure“ . . , „Die
Saarländer werden bis 1935 die Dorteile des
gegenwärtigen Zuſtandes immer höher einſchäßen
und ihn zu behalten wünſc<en.“ Die Kommiſſion
jubelte dem Senator zu. Die Saarländer werden
den Berrſ<aften den Star ſchon ſtehen.
Dezember: Der Zentralverband driſtl. JFabrik-
und Transportarbeiter im Saargebiet ſtellt feſt,
daß die Regierungskommiſſon ſeit ihrem Amts-
antritt 1920 von alle dem, was ſie verſprochen,
für den Arbeiterſtand nic<ts eingelöſt habe. Dieſer
ſtehe ſozialpolitiſ< und wirtſchaftlich weit hinter
dem übrigen deutſ<en Dolk zurü>k. Die Ar-
beiterſ<aft wünſ<t ſobald als möglich, die un-
natürliche Grenze aufgehoben zu ſehen.
Dezember: Weihe der neuen katholiſ<en Kirche
in Friedric<sthal. =-- Zur Abwehr des Cohndiktats
der franzöſiſ<en Bergverwaltung beſchließen die
Führer der Gewerkſchaften: Kein Abſc<luß eines
Gedinges auf Grund des Cohndiktats. Jeder dürfe
nur ſoviel arbeiten, als ſein Mindeſtlohn betrage.
Dem Beſ<luß wird Folge geleiſtet.
Dezember: Weihe der Kriegergedähtniskir<e in
FriedriOsthal dur“ DeHant Roth.
Januar 1929,
Januar: Ua< Ablehnung der neuen Cohnverord-
nung der Bergverwaltung beſchließen die Berg-
arbeiter, Shi<tlöhner und Hauer gemeinſam, das
Droſſeln der Förderung, d. h. nur den Mindeſt-
lohn zu erarbeiten. Man rehnet mit dem Rüd-
gang der Förderung auf 20 Prozent, Erſtrebt
wird eine an alle Arbeiter gere<t verteilte Cohn-
erhöhung. -- 1. Januar. 1928 verzeichnet St. Ing-
bert 555 Geburten, 253 Todesfälle und 180 Ehe-
ſ<ließungen, =- Die Bürgermeiſterei Dudweiler
zählt 24 426 Perſonen.
Januar: Einflußreihe Kreiſe in Paris erſtreben
nac< 1935 für das Saargebiet ein „regime tranſi-
toire“. Es ſoll mit dem Reiche ein Uebergangs-
zuſtand vereinbart werden, da -=- plößli< ent-
de>t Frankreich eine herzliche Ueigung zu uns --
aus der plößlihen Rüdgliederung ernſte wirt-
ſchaftliche Schwierigkeiten für die Beteiligten ent-
ſtehen. In Wirkli<keit will man nac< 1935 no<
lange Jahre die franzöſiſ<en Waren zollfrei ein-
führen. Das Saargebiet ein Bandelsobjekt.
Januar: Gaſton Roux, Stabstrompeter der fran-
zöſiſhen Schwerinduſtrie, hat Sorgen im Ge-
danken an die Rücdgliederung der „Saar“ an das
Reih. Er ſ<lägt in ſeinem Buche „Die Alpen
T
I6.
17
IR
19.
oder der Rhein“ vor, das Saargebiet müſſe durch
eine Zollunion mit Frankreich verbunden bleiben.
Sein Ideal iſt ein autonomes Saarland im politi-
ſ<en Rahmen des Reiches und im wirtſchaftlichen
Frankreihs, Das wäre eine der wunderlichſten
WMißgeburten der Uachkriegszeit.
Januar: Weihe der neuen evangeliſ<en Kirche
in WalpersShofen dur< den Generalſuperinten-
denten der Rheinprovinz Dr. Stoltenhof, -- Seinen
90. Geburtstag feiert ein Mitkämpfer von 1864,
1866 und 1870/71, der allſeitig geſ<äßte Eiſen-
bahnbeamte Gottlieb Brode.
Januar: Ua< einer Entſcheidung des oberſten
ſaarländiſchen Gerichts in Saarlouis ſind fran-
zöſtſ<e Gerihtsurteile gegen- Saarländer nidt
vollſtre&Kbar, da Frankreih die Anerkennung
ſaarländiſcher Urteile nicht verbürge, mithin die
notwendige Gegenſeitigkeit ni<t beſtehe.
Januar: Den Wiedererwerb der Saargruben dur
Deutſ<land verſuc<t die Kſſociation francaiſe de
la -Sarre dur< die Hilfe der franzöſiſchen Kriegs-
beſchädigten zu hintertreiben. Der Erlös aus der
Förderung ſoll dieſen Unglückli<hen zufließen. Das
Saarſtatut beſtimmt aber, daß die Gewinne aus
den Saargruben nur zum Wiederaufbau der zer-
ſtörten franzöſiſchen Gruben dienen dürfen.
Januar: Einer der bekannteſten italieniſ<hen
Journaliſten, Zingarelli, hat das Saargebiet be-
reiſt und ſc<reibt darüber in der Turiner
„Stampa“ u. a., daß es den Franzoſen 1935 im
beſten Falle gelingen werde, 1] v. H. der Saar-
länder für ſi< zu gewinnen.
Januar: Dollſißhung der Saarbrücker Handels-
kammer, in der der Präſident Dr. h. c.- Luitwin
v. Bo< über die einzuhaltenden Richtlinien der
Saarwirtſ<aftspolitik einen vielbeachteten Dor-
trag hält. Er warnt zum S<luß ſeiner Ausfüh-
rungen vor den jetzt häufigen Dorſ<hlägen von
franzöſiſ<er Seite, die für den Fall einer Rück-
gliederung die Derlängerung unſerer Sonder-
exiſtenz erſtreben und uns gleichzeitig mit der
deutſ<en und franzöſiſhen Wirtſ<aft vereinigt
jehen möchten. „Das Wichtigſte für das Saar-
gebiet iſt die AKufrehterhaltung unſerer Der-
bundenheit mit der deutſchen Wirtſchaft, die ſich
ſ<le<thin als die unbedingte Cebensnotwendig-
keit der Saarwirtſ<aft erweiſt. Wir dürfen dieſe
Derbundenheit au< ni<t einen Woment qge-
fährden.“
Januar: Keller, Pompinon. und Jun, die durc
Unterſ<lagung und Urkundenfälſc<hung die Saar-
louiſer Kreisſparkaſſe um 400 000 Fr. gebracht
hatten, ſtehen vor dem Sc<wurgericht. Keller
erhält 3 Jahre 6 Monate Gefängnis, Iun 2 Jahre
6 Monate und Pompinon 1 Jahr.
Januar: Die Arbeitsgemeinſ<aft der Turngaue
des Saargebiets erwarb den Kölner Turnfeſtfilm,
Der Pole Piweßki, Ceiter der JFilmzenſurſtelle der
Regierungskommiſſion, verfügte bei Dorführung
des Films die Streichung der Textzeile: „..mad
uns frei!“ -=- Der franzöſiſ<Ge Kohlenmagnat
Peyrhimoff tritt nun au< mit dem Plan hervor,
bei der Rüdgliederung des Saargebiets eine
Saar-Freizone 3u ſhHGaffen um den FIran-
<
1
mm, n.
Saarkalender für das Jahr 1930
zy
7»
ai
zoſen den ſaarländiſ<hen Abſaßmarkt zu er-
halten. =-- Die Altherrenſ<aften im Saargebiet
der im Erlanger Derbändeabkommen zuſammen-
geſc<loſſenen deutſchen Studenten hielten im Saal-
bau einen Rei<hsgründungskommers ab. Das
Ganze, getragen von dem Gedanken, in dem
Kampf um eine neue Blüte des Reiches nicht zu
erlahmen. nahm glänzenden Derlauf.
Januar: Ua< dem Iahresberi<t der unter
Miniſter Koßmann ſtehenden Abteilung Dolks-
wohlfahrt (Bericht 1927) befinden ſic; in jenem
Jahre im Saargebiet 41 allgemeine Heilanſtalten,
vier Augenheilanſtalten und eine Irrenanſtalt.
Die abſolute Derpflegtenzahl betrug 47 610. Ge-
ſtorben ſind 1927 im Saargebiet 8411 Perſonen. =-
Auf 869 Perſonen kommt im Saargebiet eine
Meßgerei, auf 707 eine Bäckerei, auf 193 ein
Kolonialwarengeſhäft, auf 649 eine Wlil<hand-
lung. Pro Kopf der Bevölkerung wurden 1927 an
FleiſM verbrau<t 51,37 Kilogramm.
Januar: Die Generalverſammlung des Dereins
ehemaliger Dreißiger in Saarlouis beſchließt, das
Denkmal für die gefallenen Dreißiger 3., 4. und
5. Auguſt mit beſonderen Feſtlichkeiten zu weihen.
Das Denkmal wird aufgeſtellt gegenüber der
Holkzendorffkaſerne. -- Der Cohnkonflikt im Saar-
bergbau beigelegt. Ein neuer Cohntarif abge-
ſchloſſen. Eine gerechtere Derteilung der Cohn-
erhöhung wurde erreicht. Die Solidarität der
Saarbergleute hat au< dieſe Feuerprobe glänzend
beſtanden.
Januar: In der Spar- und Darlehnskaſſe Heus-
weiler (privates Unternehmen) wird bei der Revi-
ſion eine Million Franken Fehlbetrag feſtgeſtellt,
Januar: Wieder einmal verzeihnen die Blätter
einen Bahnſ<ußzwiſ<enfall. Zwei angetrunkene
franzöſiſche Soldaten beläſtigten Paſſanten in der
Reichsſtraße., Eine Polizeiſtreife verhindert eine
Holzerei. Die „Saarbrücker Zeitung“ ſchließt
ihren Beri<t hierüber: „Die Diſziplin wird
lockerer, merken wir!“
Saarbrücken zählt heute infolge der traurigen
Wirtſ<aftslage 2062 Arbeitsloſe.
Januar: Die Franco - Saarländiſ<e Handels-
kammer in Saarbrücken trieb und treibt wirt-
ſ<haftspolitiſche Propaganda für Frankrei<h und
behauptet, die Ausfuhr nac Frankreich ſei für
das Saargebiet eine Lebensnotwendigkeit. Der
Derſu<, auf dem deutſchen Markt wieder feſten
Fuß zu faſſen, würde auf ſ<werwiegende S<wie-
rigkeiten ſtoßen. Entgegnet wird in der Preſſe,
daß gegenwärtig wohl der Saarbergbau ſeine
Cebenskraft aus dem franzöſiſchen Abſaß ziehe,
bei den übrigen Saarinduſtrien mache der fran-
zöſiſhe Abſaß jedoH nur einen verſ<windend
kleinen Bruchteil der Erzeugung aus. Der Export
nac< dem Reiche ſei noMm heute wie früher die
Grundlage der Exiſtenz unſerer Induit1e.
Januar: In Uaßweiler - veranſtalteten die Be-
wohner des Warndt eine ſtark beſu<te Kund-
gebung. Die Grubenverwaltung verſuchte ſie zu
verhindern durc< . Abſchalten des eioktriſchen
Stromes. Man tagte bei Kerzenli<t. LZinhbellig
angenommen unter anderem Proteſt gegen Abbau
ſaarländiſcher Kohlenſi<äße aus lothringiſchen
20
30
31
10.
12.
Sqhädten, ferner gegen den von der franzöſiſchen
Grubenverwaltung ins LCeben gerufenen Separa-
tismus, den „neuen Saarbund“ der Daterlands-
verräter Krämer und Franken-Bedker, Wirtſc<haft-
lihe Machtſtellung gemißbrau<t für politiſche
Sweße. -- In der Generalverſammlung des
Feuerbeſtattungsvereins wird bekanntgegeben,
daß eine Reihe. ſaarländiſ<er Gemeinden bereit
ſei, für den Bau eines Krematoriums das größte
Entgegenkommen zu zeigen. -- St. Ingbert zählt
200 Unterſtüßungsempfänger.
Januar: Mit 36 gegen 18 Stimmen nimmt der
Saarbrüdker Stadtrat einen Antrag an, der eine
neue Beſchlußfaſſung über den Bau eines Krema-
toriums ablehnt und um eine Entſ<eidung über
den zuſtimmenden Beſchluß von 1918 erſucht.
Januar: Das 40jährige Amtsjubiläum des Super-
intendenten D. Uold gibt der Preſſe Gelegenheit,
der ausgezeichneten und vielſeitigen Arbeits-
kraft des Gefeierten in ehrenden Worten zu ge-
denken.
Januar: Der Dölkerbund wird um Genehmiaung
einer Saaranleihe in Höhe von 250 Willionen
Franken erſucht für Ausbau des Güterbahnhofes
Saarbrücken, elektriſche Beleuchtung der Perſonen-
züge und Durcgangsluftdru>bremſe, Wohnungen
für Regierunasbeamte.
Februar 1929
Februar: Uac< einem Bericht der Regierungs-
kommiſſion ſind in der Dexſuchsperiode Sep-
tember--Oktober 1928 im Luftverkehr mit Frank-
furt und Paris vom Saarbrücker Flughafen be-
fördert worden: 139 Reiſende, 2050 Kilogramm
Waren und 30 Kilogramm Poſt.
Februar: Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt
Saarlouis beſißt eine Geſamtſtärke von 156 Mann,
zur Derfügung ſtehen fünf gut ausgerüſtete Löſch-
züge. =- Die Zahl der Erwerbsloſen in Saarlouis
ſteigt im Laufe des Ianuar von 200 auf 330. =
St. Ingbert zählt anfangs Ianuar 300, Ende des
Wonats 400 Arbeitsloſe.
Februar: Infolge lang anhaltender Kälte trägt
die Saar eine Eisde>e. Seit 1908 tummelt ſich
wieder einmal am 5. Februar 1929 die Jugend
auf dem Saareis. =- Erkrankungen an Grippe
nehmen im ganzen Grenzgebiet beängſtigenden
Umfang an,
Februar: In der Uac<ht vom 10. zum 11. Februar
verzeichnet das Thermometer 20 Grad Kälte.
Februar: Die politiſchen Parteien des Saar-
gebiets (mit Ausnahme der Kommuniſten) erlaſſen
einen Aufruf an die Bevölkerung, in dem nicht
nur vor einem Beſuch der franzöſiſ<Gen S<ulen,
ſondern auc vor dem fakultativen franzöſiſchen
Unterriht in den Dolksſchulen gewarnt wird.
Die Sache würde von den Franzoſen ausgeſchlahtet,
man ſtellt gerne das Saarrevier als zweiſprachiges
Grenzgebiet hin. Die geſamte LCehrerſhaft wird
dur< die Sd<ulabteilung der Regierungskommiſ-
ſion gezwungen, ſämtlichen Kindern im 4. Sdul-
jahr einen Zettel in die Hand zu drücken, auf
dem die Eltern ihre Zuſtimmung zur Teilnahme
ihres Kindes am fakultativen franzöſiſchen Unter-
ri<t verzeichnen ſollen, Der Erfolg minimal.
9
Saarkalender für das Jahr 1930
=
17. Februar: Die Regierungskommiſſion bewilligt
114 Millionen Franken als Uotſtandshilfe.
18- Februar: Die Dillinger Gewerbeausſtellung
brachte, wie nunmehr bekanntgegeben werden
konnte, einen Ueberſc<huß von 125 000 Xr.
Februar: Die Stadtverordneten von Saarbrücken
bewilligen für das Theater " einen Zuſchuß von
zwei Millionen, = Die Schulen von Saarbrücken
werden wegen Mangel an Feizſtoffen einige Tage
geſ<loſſen.
Februar: Der rührige Iugendverband „Deutſche
Saar“ hält ſeine JahreSverſammlung in Dölk-
lingen ab. Erfolgreich iſt die Arbeit des Derbandes
für das Grenzgebiet dur< Abhalten von Heimat-
abenden, Dorträgen, Reiſen ins Ausland uſw. Die
Zahl der Mitglieder in flottem Steigen. =+ Die
Dortragszyklen des Bundes der Saarvereine an
den deutſchen Ho<ſ<hulen werden fortgeſeßt. Dor
der Roſto>ker Studentenſ<aft ſpri<t Thefredakteur
Richard Poſſelt glänzend mit großem Erfolg über
unſere Heimat, deren baldige Rückkehr zum Reihe
eine Ehrenſa<e des deutſchen Dolkes ſei.
24. Februar: Der Dolkstrauertag 1929 wird im
ganzen Saargebiet mit würdiger JFeierli<keit be-
gangen.
Februar: Die Preſſe veröffentliht einen Bericht
über die Pariſer Tagung des franzöſiſchen Han-
dels- und Induſtrieverbandes. Gefordert wird dort
die Beibehaltung unſerer Zollunion mit Irank-
reich na< 1935. Die teilnehmenden, Poincare nahe-
ſtehenden Herrſchaften werden von den Rednern
getäuſ<Qt über die Stimmung im Saargebiet.
Bommelaer, Dorſißender des franzöſiſ<en In-
duſtriellenverbandes im Saargebiet, verſteigt ſich
dabei ſogar zu der Aeußerung: „Frankreich darf
niht zugeben, daß die Saarländer in das preußiſche
Gefängnis zurückkehren müſſen.“ Andere Unver-
ſhämtheiten folgen.
Februar: 50jähriges Beſtehen des KAerztevereins
Saarbrüken, Gegründet 22. Februar 1879. 18384
an Mitgliedern 19, 1901: 56, 1910: 83, 1919: 76,
1929: 141 Mitglieder. Geheimrat Dr. Merß ver-
faßte zur Feier eine hiſtoriſ<e Denkſ<rift.
März 1929.
3?
März: Troß aller Franzoſenzettel in Wallerfangen
iſt kein Kind für den franzöſiſchen Unterricht in
den Dolksſ<ulen angemeldet. Damit iſt dieſer
Unterricht in Wallerfangen erloſ<en. Urbain
Fabvier. wie wird dir?
März: Der Senior des Trierer Domkapitels
D. Geiſtl. Rat Ceonhard Keil in Kreuznad ge-
ſtorben. D. Keil war lange Jahre verdienſtvoller,
hohangeſebener Pfarrer in St. Johann.
März: In der zweiten Februarwohe jetzte im
ganzen Saargebiet eine Grippeepidemie ein, die
Mitte März ihren Höhepunkt erreichte. Die Zahl
der Erkrankten der Ortskrankenkaſſe Saarbrücken
ſtieg 50 Prozent höher wie im Dorjahr desſelben
Vlonats.
März: Der Siedelungs-Geſellſ<Maft werden vom
Stadtrat vier Millionen RM. zum Bau von 600
Klein- und Kleinſtwohnungen gewährt. Don. 1923
10
20
22.
23.
bis 1928 ſind in Saarbrücken 2331 Privatwoh-
nungen und 1258 Siedelungswohnungen einſchl.
der Kaſernenwohnungen erſtellt. 54 Prozent
dringender Wohnungsſucher konnten untergebracht
werden. = Der Druek der Franzoſen auf die
wirtſ<aftlih von ihnen abhängigen Eltern, ihre
Kinder an dem fakultativen franzöſiſchen Sdul-
unterricht in den Dolksſhulen teilnehmen zu
laſſen, iſt au; in Saarlouis 1 und Saarlouis 2
(Roden) völlig verpufft. Uicht ein Kind iſt ein-
gezeichnet worden.
März: Die Preſſe meldet über eine Sißung der
Handelskammer, in der die erneute franzöſiſche
Saarpropaganda beleuchtet wurde, beſonders ein
Artikel des Paul Frangois in der „,„„Journee In-
duſtrielle“, der unrichtig ſei. In Wahrheit betrage
die franzöſiſc<e Ausfuhr ins Saargebiet nict über
2 Milliarden, ſondern nur 1,2--1,3 Milliarden, die
ſaarländiſ<e Ausfuhr nac< Frankreich nur 600 bis
700 Millionen. == In Genf bringen die Delega-
tionen der ſaarländiſ<en Parteien die unzu-
läſſigen Anwerbungen von jungen und minder-
jährigen Saarländern für die Fremdenlegion zur
Sprache. Dem Generalſekretariat werden 57
Uamen vorgelegt, von denen zwei im Klter von
17 Jahren, a<t im Alter von 18 Iahren, zwei im
Alter von 19 Jahren und 11 im Klter von 20
Jahren ſtehen. Der engliſche Saarpräſident Wilton
erklärt, daß er in dieſer Sache keine Schritte zu
unternehmen gedenke. Im Saargebiet Entrüſtung
hierüber.
März: Der Derband Deutſcher Techniker im Saar-
gebiet erfährt wegen ſeiner deutſchen Haltung die
Rache der Franzoſen, Gemaßregelt wird der Dor-
ſigende, Steiger Frißk Brunner-St, Ingbert.
Er wird von der franzöſiſchen Grubenverwaltung
entlaſſen. Der Derband duldet keine Mitglieder,
die ihre Kinder in die franzöſiſ<e S<ule ſ<iken.
März: Der Beamtenkörper der Polizei Saar-
brükens umfaßt gegenwärtig 250 Polizeibeamte,
wozu no< 50 Landjäger treten. Rund 112 000 Ein-
gänge wurden erlediat.
März: Der Luftverkehr mit dem Reich und Aus-
ſand iſt für das Saargebiet erweitert. Ueben
Saarbrüden - Frankfurt und Saarbrücken - Paris
tritt die neue Fluglinie Saarbrücken-Karlsruhe-
Stuttgart-Münden. Ua kurzer Zeit ſoll die
CTinie Sanrbrüdken-Köln folgen.
Wärz: Die Dolksverräter im Warndt, der „„Saar-
bund“, verkündet, daß er mitten im Warndt ein
Dereinshaus bauen wolle, zu dem ein Mitglied
(ſoll wohl heißen die Franzoſen) 10 000 Fr. geſtiftet
habe. „Steiger“ Dahm, der Hauptſchreier für die
Franzoſen, iſt aus Dankbarkeit zum Kontrolleur
der Grube Delſen befördert worden
März: Bekanntgegeben wird für das Jahr 1927
die Geſamteinnahme der Regierungskommiſſion
mit 461,26 Mill,, die Geſamtausgabe betrug
403.23 WUlIL.
April 1929.
April: Die Preſſe warnt die Radfahrer, ohne
Radfahrkarte die franzöſiſ<e Grenze zu über-
ſ<reiten. Die franzöſiſ<e Gendarmerie benußt die
"..
Saarkalender für das Jahr 1930
Gelegenheit, in freundnac<barliher Geſinnung
dem Kartenloſen 50 Ir. abzuknöpfen. Uatürlich
fahren die Franzoſen ohne dieſen „Zoll“ bei uns
ein. =-- Die franzöſiſche Shule in Burbach iſt nach
Preſſemeldungen am 23. WMärz eingegangen,
1925/26 zählte die Schule no< 100 Schüler. Im
Jahr? 1928 waren nur no< zwei Klaſſen vor-
handen mit zwei Lehrperſonen, eine Klaſſe hatte
10, die andere neun Schüler und Schülerinnen.
Der Unterri<t wurde ſtark geſchwänzt, in ver-
ſchiedenen Klaſſen fehlte oft wo<ßenlang die Hälfte
der Sdüler.
April: Der „Saarbund“ im Warndt, der ſich ein
Kaſino dründen wollte, hat keine Heimſtätte ge-
funden, nicht einmal franzöſiſ<e Geſ<äftsleute
ſtellon der Geſellſ<aft ihre Lokale zum Erwerb,
April: Die Uac<hrichtenabteilung des Dölkerbunds-
ſekretariats gibt eine Reihe kleiner Broſchüren
heraus, worin es u. a. über das Saargebiet heißt:
„Die Bevölkerung dieſer Gegend iſt in ihrer
großen Mehrheit deutſch.“ Warum dieſer Sc<win-
del? „Die große deutſ<e Mehrheit“ beſteht in der
geſamten Bevölkerung.
A
Spril: Steiger H. auf Grube Delſen, ein Fran-
zösling, läßt Bergleute ein zum Teil verdecktes
Schriftſtüß unterſchreiben. Zu ihrem Erſtaunen
erfahren ſpäter die Knappen, daß ſie Mitglieder
des „Warndtbundes“ und der franzöſiſchen Pro-
paaanda ins Garn gegangen ſeien.
April: Quierſchied meldet erneute große Gruben-
ſhäden. Heimgeſucht iſt beſonders der neue Orts-
teil am Bahnhof, ein Wohnhaus in der Sdul-
ſtraße und die katholiſche Kir<e, eine Zierde des
Ortes.
20. April: Prinz Heinrich von Preußen im Klter
von 67 Jahren geſtorben.
21. April: Die Straßenbahn nac dem Südfriedhof in
Saarbrücken eröffnet.
22, April: Die Handelskammer von Ca Rodelle ver-
langt vom franzöſiſ<en DVerkehrsminiſterium
Tarifermäßigungen auf franzöſiſ<en und ſaarlän-
diſ<en Bahnen. Die zollfreien franzöſiſ<en Waren
können dana< bei uns nicht mehr erfolgreich kon-
kurrieren mit den deutſ<en zollbelaſteten Waren.
April: Na< amtlicher Bekanntgabe wurden i. I.
1927 im St, Johanner Sc<lad<hthof getätigt 40 992
Shla<htungen, im Burbacher Schlachthof 34 072.
Im Jahre 1928 in beiden zuſammen 80 140.
Spril: Infolge leichtfertigen Grubenbaues iſt
dur< Senkungen die Fußgängerbrükße in der
Uähe der Grube Sulzba< beſchädigt und geſperrt
worden.
2
WO
April: Vach amtlicher Meldung ſind im Dolks-
ſ<uldienſt des Saargebietes gegenwärtig 24093
Cehrkräfte angeſtellt, darunter 135 Rektoren, 109
Sdqhulleiter, 117 Konrektoren, 650 Oberlehrer und
1338 Cehrer. =- Das höhere Schulweſen umfaßt
14 Knabenanſtalten, Geſamtſ<ülerzahl 85718
Knaben und 8 Mädchen. 188 Klaſſen. Die Mäd<hen-
anſtalten werden von 1834 S<ülerinnen beſucht,
Unterri<t in 69 Klaſſen. Die gewerblichen Be-
rufsſ<ulen zählten 1928 an Schülern 9843 und
2277 Sqhülerinnen. Die Zahl der Klaſſen 533, an
Cehrkräften hauptamtlich angeſtellt 141, nebenamt-
li< 158.
Mai 1929,
Mai: Die LCehrerkammer des Saargebiets tritt
wieder energiſ< gegen den fakultativen franzöſi-
ſ<en Unterricht an den Dolksſhulen auf und
leitet der ſ<werhörigen Regierungskommiſſion
eine Entſchließung zu, in der die ganze Uebeltat
gründlich beleuc<tet wird. Gefordert wird von
Uotton, die Cehrer von dem Zwang zur Kus-
ſtellung der Anmeldeformulare zu entbinden und
die Erteilung des franzöſiſ<en Unterrichts in das
freie Ermeſſen der Lehrer zu ſtellen. Die Ableh-
nung darf nicht als Dienſtverweigerung behandelt
werden, =- Die Preſſe verkündet, daß das ſaar-
ländiſ<e Aufwertungsgeſeß nach einer Derordnung
der Regierungskommiſſion am 1. Iuni in Kraft
tritt. = Die Zeitungen berichten, daß am 28, April
abends eine Bergmannsfrau von vier belgiſchen
Soldaten überfallen, mißhandelt und vergewaltigt
worden ſei.
LT
Mai: Für die franzöſiſ<e Shule hat der Gruben-
hüter A. auf Grube Delſen das Beſpißelungsamt
übernommen. Die Bergleute müſſen Auskunft
geben, welche Schulen ihre Kinder beſuchen. Auf
die Frage, aus welchem Grund die Frage ge-
ſchieht, kommt die fre<e Antwort: „Das geht
Eu< nichts an!“
A
Wai: Aus Shnappah werden wiederum umfang-
reihe Grubenſ<äden gemeldet.
8
Wai: Die Regierungskommiſſion lehnt eine be-
abſichtigte Anleihe der Stadt Saarbrücken in Höhe
von 18 Millionen ab.
Mai: Die „Deutſ<-Saarländiſ<e Dolkspartei“
hat ſi; in einer Eingabe an die Regierungs-
kommiſſion darüber beſchwert, daß vom franzöſi-
jh<en Militär Geſtellungsbefehle jungen Leuten
zugeſtellt werden, die, vorher Franzoſen, die
preußiſc<e oder bayeriſche Staat5angehörigkeit er-
worben haben, 8 47 des Saarſtatuts ſagt deutlich:
„Uiemand iſt gehindert, eine andere StaatSange-
hörigkeit zu erwerben, dieſe hat dann den Der-
luſt jeder anderen zur Jolge.“ Troßalledem ſtellt
ſi; die Regierungskommiſſion auf die Seite des
Unredts und aeht mit den Franzoſen.
12
Mai: Bezeihnende Kleinigkeit. Die Kaſerne der
Engländer in der Mainzerſtraße trägt die koxr-
rekte Aufſ<rift: „Saar Railway Protektion Service.
Britiſh Contingent („Saar - Eiſenbahnſc<ußdienſt.
Engliſche Abteilung“). Die Franzoſen können niht
die Wahrheit ſagen, ſie ſchreiben: „Forces oe Pro-
tection de la Sarre“ (Saarſ<ußtruppen). =- Auf
dem Gautag des Derbandes Deutſcher Tedniber
in Saarbrücken wird Abrechnung gehalten mit der
franzöſiſchen Grubenverwaltung, die den Gau-
vorſißenden, Steiger Friß Brunner, wegen ſeiner
deutſchen Geſinnung gemaßregelt und entlaſſen har.
Der Tapfere wurde in Anerkennung ſeiner Kal-
tung und Derdienſte zum Ehrenvorſikenden er-
nannt. Auc< äußere Zeihen der Dercheung
wurden ihm unter dem ITubel aller überreicht.
144
2 Bundesfeſt des Saar-Sänger-Bundes in Neunkirchen (Saar) am 1. und 2. Juni 1929.
Da38 2. Bundesfeſt des Saar-
Sänger - Bundes in Neun-
kir<hen (Saar) geſtaltete ſich
zu einer machtvollen Kund-
gebung des Deutſchtums an
der Saar. 14000 Sänger,
Delegierte aus allen deut-
ſchen Gauen und ſogar Ver-
treter aus Danzig waren
anweſend. Glanzvoller Feſt-
zug, Weihe der neuen Bun-
desfahne. Die Regierungs8-
Kommiſſion unterſagte troß
mehrfacher Vorſtellungen
des Bundesvorſtandes die
Verbreitung der Reden durch
Rundfunk. Das deutſcheLied,
gehegt und gepflegt, feſtigt
den nationalen Gedanken
und die Verbundenheit mit
dem Reich u. Volksgenoſſen.
Photographien von M. Wentz.
2.
„"
.
|
Saarkalender für das Jahr 1930
16. Mai: Ueunkir<en zählt 41 000 Einwohner. -=-
Ua< dem Bericht der Saarregierung an Genf
werden 485 781 166 Fr. eingenommen und veraus-
gabt 485 272 837 Fr., mithin ein Ueberſuß von
308 329 Fr
Wai: Weihe des Krieger-Ehrenmals vom Dra-
goner-Regiment Ur, 7 an der Kronprinzenſtraße
bei der Roſenanlage in Saarbrüken. Weiherede
Generalleutnant a. D. Freiherr v. Humboldt-
Dahroeden, der leßte überlebende Offizier, der
1878 den Garniſonwehſel von Stendal na< Saar-
brüken mitgema<t hat. Derluſt des Regiments
im Weltkrieg 110: an Offizieren 20, Unteroffi-
zieren 16 und Dragonern 74. Beigeordneter Dr.
Werle übernimmt das Denkmal in den Schuß der
Stadt.
„y,
Wai: Die Preſſe meldet von der Bürgermeiſterei-
vertretung Differten unmittelbar an der lothrin-
giſ<en Grenze, zum Teil dem Warndt angehörend
ein herzerfriſchendes Treuebekenntnis zum deut-
ſ<en Daterland. =- Dom 22.-24. Mai 24. Haupt-
verſammlung der kath. Cehrer Deutſ<lands.
4
Mai: In allen Orten hat die Aufhebung der
Wohnungs3wangswirtſ<aft beſſere und geſündere
Wohnverhältniſſe geſchaffen. Preſſeartikel in dieſen
Tagen bringen näheres hierüber. =- Erſchienen iſt
eine Denkſchrift der LCTehrerkammer des Saar-
gebiets über die franzöſiſ<en Grubenſ<hulen. Die
Beugung des Redhts dur< die Regierungskommiſ-
ſion und die unerhörte Erpreſſung dur< die Berg-
verwaltung werden klargelegt. Das Urteil iſt
verni<tend für die Franzoſen.
4
Wai: In der Pariſer Handelsho<hſ<hule ſpricht
Drouard, Teiter der franzöſiſ<-ſaarländiſ<en Han-
delskammer, über die „ungeheure Wichtigkeit“ des
Saargebiets für Frankreich. Seine Propaganda-
rede bezeichnet das Saarproblem als für die Ent-
wicklung der franzöſiſGen Wirtſ<aft von vitaler
Bedeutung.
Ih
Wai: Der Saarkriegerbund hält in LCandsweiler
ſeine Tagung ab. Die Geſamtmitgliederzahl des
Bundes hat 23 000 überſchritten, er umfaßt 190
Kriegerpvoereine.
=
Wai: Der LCandesrat erklärt ſim für einen [o-
ſortigen Abbau der Wohnungszwangswirtſchaft,
um der Uot zu wehren, in die dur< Aufwertung
der Hypotheken die Hausbeſiker getrieben werden.
Die deutſ<e Induſtrie läßt erklären, daß die
Cohnerhöhung zum Ausgleic<h höherer Vlieten trag-
bar ſei. Man ſ<üßt dur< Ablehnung des An-
trages allein die franzöſiſche Induſtrie und die
Beraverwaltung.
28. Mai: "Weihe der OmmerSheimer Kirhe durc
Biſ<of Sebaſtian - Speyer.
Juni 1929.
Juni: Zweites Bundesſängerfeſt des Saar-Sänger-
bundes in Ueunkirhen am 1]. u.2. Juni. Don
16 000 Mitgliedern ſind 14 000 anweſend. Die Stadt
feſtlich geſQ<mücdkt. Delegierte erſchienen aus Rhein-
[and und Pfalz, ſelbſt Uürnberag und Danzig ver-
treten. Glanzvoller Feſtzug, Weihe der neuen
Bundesfahne. Die Regierungskommiſſion unter-
ſagte Derbreitung der Reden dur< Rundfunk. Das
böſe Gewiſſen iſt ein ſta<lich Ruhekiſſen. Das
deutſche Qied feſtigte den nationalen Gedanken, in
ihm ruht die ſeeliſ<Ge Derbundenbeit aller Dolks-
Kreiſe.
„y
Juni: Die Angehörigen des Inf.-Regts. „„Mark-
graf Karl“ Ur. 60 feierten ihren 3. Wiederſehens-
tag in Saarbrüken. Dur< Maßnahme „höheren
Orts“ mußte dies ſchöne Feſt ſo gut wie unter
Ausſ<luß der Oeffentlichkeit geſ<ehen. Wieder
einmal unnötiae Anaſt der Reaierunaskommiſſion!
Juni: Der JFührer des Gewerkvereins driſtlicher
Bergarbeiter, Friß Kuhnen, heute 50 Jahre alt.
Die Preſſe gedenkt des tapferen Mannes, deſſen
treudeutſ<er Haltung das Saargebiet viel ver-
dankt, Er hat beſonnen und klug an bedeutungs-
voller Stelle mit heißem Herzen für Heimat und
Daterland gegen alle franzöſiſchen Beſtrebungen
gekämpft und die Anerkennung aller errungen.
Juni: Die Preſſe meldet, daß das Siſal der
früher blühenden Dillinger Maſchinenfabrik, voc-
mals Franz WMeguin, beſiegelt ſei. Die unfähigen
Franzoſen haben das ſ<öne Werk völlig ruiniert.
Juni: Die Pariſer Zeitung „La Croix“ bringt
einen Artikel, in dem es heißt: „Die Franzoſen,
die von einem „Saarproblem“ ſprechen, laſſen ſich
leiten von blindem, engſtirnigem Uationalismus
oder handeln im Intereſſe der Induſtrie- und
Finanzkonzerne, die Intereſſen an der Saar
haben . . . .- Im Jahre 1935 wird die Saar wie
ein Mann für Deutſ<land ſtimmen.“
Juni: Beginn der glanzvolien 9. Tagung des
Bundes der Saarvereine in Münſter i. W, mit
einem Preſſeempfang im Friedensſaal des Rat-
hauſes. Es folgten am 8. und 9. Iuni gewaltige
Kundgebungen für das deutſche Saargebiet und
gegen die Saarlüge. An der Sdclußfeier auf dem
ſtrahlend beleuchteten Domplaß beteiligten ſich
40 000 Teilnehmer. Eine Rieſenzahl von Be-
grüßungstelegrammen lief ein, u. a. auch vom
Reichspräſidenten, vom Reichsaußenminijter und
Reih<skanzler.
1]
Juni: Kommerzienrat Dr. Hermann Rödling geht
in der Monatsſhrift der Deutſchen Liga für
Dölkerkunde mit den franzöſiſ<en Saargeiern ins
Gericht, die das franzöſiſ<e Dolk für ihre raub-
gierigen Zwecke belügen und die Derſtändigung
zwiſ<en Deutſ<hland und Frankreich planmäßig
vergiften. Muſterbeiſpiel Monſieur Bommelaer,
der rücdſichtsloſeſte Profitmenſ<.
10
Juni; In Dillingen wird der 7. Derbandstag des
Einheitsverbandes der Kriegsopfer des Saar-
gebiets abgehalten.
1Z
Juni: Die Preſſe gedenkt des 70, Geburtstages des
Geheimrats Dr. - Ing. h. ce. Hilger, einer der
hervorragendſten Perſönlichkeiten im Aufbau des
Saarbergbaues, Der Gefeierte ſteht heute rund
50 Jahre als Wirtſ<haftsführer ric<tunggebend in
aufreibendem Dienſte: Im Saargebiet begann er
im Jahre 1887 ſeine bergmänniſche Laufbahn, die
ihn 1900--1905 als Präſident der BerawerkSs-
3
Saarkalender für das Jahr 1930
WEMAG dr
direktion Saarbrücken ſah. Uac< dem Ausſc<eiden
aus dem Staatsdienſt übernahm er die Generaldirek-
tion der Dereinigten Königs- und Caurahütte, ein
Unternehmen, das er zu hoher Blüte führte. Der
Weltkrieg, in dem er ſeinen einzigen Sohn verlor,
findet ihn als Major d. R. im Ulanen-Rat. 15
Unvergeſſen iſt allen Bergleuten im Saargebiet,
daß H. bei Grubenunfällen ſi< ſtets mit rüc-
ſichtsloſer Einſezung ſeiner Perſon an den
Rettungsarbeiten beteiligte, 3. B Unglück Kreuz-
gräben 1888. Treu gedenkt er der deutſchen
Saar, ihr Leid ſ<merzt ihn bitter. Er-
innerungen aus der ſc<önen Friedenszeit, den
Tagen des jugendfriſchen Bergreferendars, werden
in dieſem Buche die LCoſer erfreuen.
|
Juni: Im Derband franzöſiſcher Induſtrieller und
Handeltreibender hält in Paris ein früherer
höherer Beamter der franzöſiſ<Gen Grubenverwal-
tung, Emile Fleury, einen Dortrag über das
„Saarproblem“. Er macht die Franzoſen ſc<arf
und fordert die Regierung auf, energiſ< vorzu-
gehen, um eine Rüdagliederung des Saargebiets
aus kommerziellen und nationalen Gründen zu
verhüten. Ihn unterſtüßt in dieſer Propaganda
der Dorſißende der franzöſiſ<en Saarvereinigung,
Roſſignol. Beide Redner finden qaroßen Beifall.
Sie wünſc<en und wollen die reſtloſe franzöſiſäe
Annektion. Die ſaarländiſ<e Preſſe gab ihnen die
nötiaoe Antwort.
Juni: Hühnerfeld meldet wieder große Gruben-
ſj<äden. Die Gemeinde hat die franzöſiſ<e Leicht-
fertigkeit mit empfindlichen Unkoſten zu büßen.
-- Die Genehmigung zur erwünſchten Saaranleihe
wird vom Dölkerbundsrat in Madrid wiederum
bis September vertaat.
Juni: Im Saale der Derſicherungsgeſellſ<aft
„La Paix“ in Paris entwickeln die Saarräuber
ihren Feldzugsplan. Deputierte, Senatoren, zwei
Generäle, Großinduſtrielle und die Delegierten
nationaliſtiſ<her Dereinigungen, Kommandant
Canrezac, Monſieur Herly uſw. ſind erſchienen.
Prof. Bardoux hält die Hauptrede, fordert das
Saargebiet für FrankreiH als Glacis zwiſchen
Deutſ<land und Frankreich, denn Saarbrücken
ſei die Drehſ<eibe des Bahnverkehrs von ganz
Rheinland. Er behauptet u. a.: „Das Saary]tatut
hat ſich glänzend bewährt. Die Regierung iſt ein
ausgezeihneter Derwalter in demokratiſhem
Geiſte“ und neben dieſem blühenden S<windel
noHG man anderen Humbug. Poincar& wird
erſu<t, die Behandlung der Saarfrage bis 1935
abzulehnen.
20
Juni: DUa<4 amtlicher Deröffentlihung zählt
jeßt Saarbrücken 127 719 Einwohner.
0.
Juni: Auf die große Derſammlung der Saar-
räuber gehen die franzöſiſ<en Redtsblätter ein
und fordern, daß das Saargebiet internationali-
ſiert werde wie Danzig und das glänzende gegen-
wärtige Regime beibehalten werden müſſe. =- Der
Bau der Straßenbahn FJForbadh--Goldene Bremm
iſt heute vom zuſtändigen Miniſterium in Paris
genehmigt worden. -- Im LCandesrat wird die
Regierungskommiſſion mit Dorwürfen überhäuft
wegen ihrer notoriſchen Untätigkeit im Woh-
Y
eur:
'
22
>24
24
96
28
nungsbau, Gefordert wird dringend Abbau der
Wohnungas3wanaswirtſ<aft.
Juni: Die Preſſe zerzauſt den HausShaltsplan der
Saaregierung, die ſogar für die Unterbringung
des ſog. Bahnſ<ußes 230 000 Fr. ausgegeben hat.
Feſtgelegt wurde in Genf, daß wir nicht die ge-
ringſten Unkoſten in der Sac<he haben ſollten,
Aud) ſonſt muß die Regierung für den haushalts-
plan die ſ<werſten Dorwürfe einſtecken. |
JIuni: Kuf der 18. Tagung der Feuerwehren des
Kreijes Saarbrücken wird bekanntgegeben, daß
der Derband 71 Wehren mit 3210 Mitgliedern
umfaßt.
Iuni: Reichsaußenminiſter Streſemann erklärt im
Reihstag, daß unter endgültiger Liquidierung des
Krieges die Frage der Saar ebenſo verſtanden
werden müſſe wie die Rheinlandräumung.
Juni: Die Saarbahnen beſchäftigen 14 247 Per-
ſonen. Insgeſamt laufen 347 Cokomotiven. Kn
Poſtbetrieben zählt das Saarland 153, das Ge-
jamtperſonal umfaßt 2218 Perſonen.
Juni: Zehn Iahre nah dem .Lügendiktat von Der-
ſjailles. Eine gewaltige Kundgebung der geſamten
Saarbevölkerung in Saarbrüken. Ohne Unter-
ſchied der Partei proteſtierten Zehntauſende gegen
das Cügendiktat und fordern Befreiung der Saar
zugleih mit der Rheinlandräumung. Ua An-
ſpra;en der Parteiführer hellſte Begeiſterung.
Die eindruksvolle Kundgebung nahm einen
würdevollen Derlauf. In dem einmütigen Be-
ſ<luß fordert die Saarbevölkerung von der Welt
endlich nationale Gerechtigkeit. Geredhtigkeit und
Dölkerfrieden verlangten Wiedervereinigung der
„S0ar“ mit dem Reiche und dieſe Rückgliederung
müſſe zugleih mit der Rheinlandräumung erfol-
gen. Das Ganze geſtaltete ſic; zu einer madt-
vollen Bekundung der Reichstreue, zu einer über-
wältigenden Leußerung vaterländiſchen Empfin-
dens, ebenbürtig dem Bekenntnis vom 12. März
1920 und der unvergeßlichen IJahrtauſendfeier.
Uichts iſt den Saarräubern zur Argumentation
übrig geblieben. Da traten die Führer der Par-
teien auf, Männer aus dem Dolke, mit vielfach
widerſprehender Anſ<auung über die Dinge der
Politik und des Cebens, aber in der nationalen
Frage geeint und von gleichem Willen beſeelt, in
dieſer Frage Wortführer des geſamten Dolkes,
Träger des Willens, den ein Redner unter orkan-
artigem Beifall in folgende Formel bra<te: Wir
Deutſ<e wollen niemals zu Frankreich! Kiefer
(Zentrum) ſpra< von dem Erfüllung heiſhenden
ſittlichen Re<hHt, der Sozialiſt Braun appellierte
an das Frankreich der Menſc<enre<te, Abgeord-
neter S<hmelzer, als Sprecher der Liberalen und
Demokraten, ſtäupte die Barden der Autonomie,
die ſelbſt das Gebot- der Derſailler Shrift um des
Mammons willen opfern wollen, Dr. Kohlbeder,
der Deutſhnationale, apoſtrophierte die Re<ts-
parteien jenſeits der Grenze und verlangte An-
erkennung au< des deutſ<en Uationalgefühls,
Abgeordneter S<hHmoll endli< beſchloß den Reigen
mit einer Derwahrung, daß Spekulanten eine
politiſ<e Unterſ<eidung zwiſchen Alteingeſeſſenen
und Zugewanderten zu maren verſuchten.
K. und die Chriſtmette. Die St. Ingberter Chriſtmette wurde auch von Spieſen und
Elversberg aus beſucht. Beim Schoppen erwähnte Kriſchan, daß er zum zehnten Male die
Meite in St. Ingbert beſucht habe. Das war wieder etwas für den jetzt 60jährigen K.
„Tas is doh gar nix, ich war ſchun me wie 100mol uf der Chriſtmett.“ Das ganze Gaſt-
zimmer hat an jenem Sonntag nachmittag durch die Lachſalve gewackelt.
3
;
ENE
|
Je
TE. NABER S2-
Filialen, Zweigstelien und Agenturen an
allen größeren Plätzen des Saardgebietes
in allen Währungen zu günstigen Sätzen
Konto-Korrente -- Kredite an Mitglieder
Dahrlehn -- Wechseldiskonte
Alle bankmäßigen Geschäfte u. Umsätze
R
i
in
Wr A
EK
"= AF ſ
.
wam wrde IW - wmurts FEE
ſr
Die verdammten Fremdwörter. I< ſite, ſo ſchreibt mix Herr Ph. M., nach einer
Opernvorſtellung in der Konditorei Fretter. An meinem Tiſch erſcheinen noch mehrere,
von der Vorſtellung begeiſterte Gäſte Sie unterhalten ſich laut und lebhaft, ich höre
da u. a.: „Haben Sie ſich auch das Foner angeſehen?“ „Nein, ich bin nicht dazu gekommen
es mar immer hoeſoept!“
* K.B08 4.
wi Abl
+ zi
Z
4
„xx
wut verzinsbar und
„il
15
iSderzeit abhebbar
legen Sie auch die kleinsten Be-
träge als Spareinlage bei uns an
viärtische Sparkass2 yaarbrücken
===
aunitsielle:
„Z412
Zielie ww:
netelle in:
WZ
Rathaus, Saarbrücken 3
Saarbrücken 1, Eisenbahnstraße 58
Saarbrücken 2, Breitestraße 44
Saarbrücken 5, Ecke Berg- u. Königstraße
le
Saarkalender für das Jahr 1930
Notzeiten an der Saar vor 100 Jahren.
Von A. 2.
Die franzöſiſche Revolution hatte eine ſinnloſe Ausplünderung des Saargebiets durch
unſere Nachbarn im Gefolge. Der Wohlſtand war vernichtet, das Volk verarmt. Aber
nod) ſollte ihm nicht eine Erlöſung ſeiner Leiden beſtimmt ſein. Napoleons Herrſchaft und
ſeine endloſen Kriege mit ihren Laſten brachten den vollſtändigen Ruin des Landes. Das
Schreckgeſpenſt des Hungers und Elends dur<hzog vie Gaue. Die Befreiung und die Rück-
kehr zum Vaterland kamen, aber es fehlte den Landwirten an Saatkorn und allem
Nötigen, um das Land wieder ertragreich zu machen. Bis ins ſpäte Frühjahr anhaltende
Fröſte und Sommerdürre vollendeten das Unglück, unter dem alle litten. In den Spalten
der damaligen Zeitungen begegnen wir immer wieder Notizen, die von grenzenloſer
Armut und Teuerung berichten. In den Jahren 1816/17 ſchien die Not ihren Höhepunkt
erreicht zu haben. Bei einem Tagesverdienſt von 2 Fr. koſtete das Kornbrot 2,20 Fr. und
das Pfund Rindfleiſch 1,70 Fr.!
Gleichzeitig tauchten gewiſſenloſe Wucherer und Spekulanten auf, die ſich die Not
zu Nußen machten. Eine diesbezügliche Notiz in dem „Saarbrücker Intelligenzblatt“*) ver-
weiſt auf das ſc<mutßige Gebaren dieſer Menſchen und ſchließt mit der Drohung:
„. - « » Man kennt alle diejenigen ſehr wohl, welche bisher auf dieſe tadelnswürdige
Weiſe gehandelt haben, und man wird deren Namen, wenn die gegenwärtige Warnung
von ihnen unbeachtet bleiben ſollte, öffentlich bekannt machen, damit das Publikum ex-
fahre, was es von ihnen zu halten habe; denn wer ſich die Not des Augenblicks
zu Nugge machen kann, um zum -Na<hteil der übrigen Mitbürger
niedrige Habſucht auf dieſe Weiſe zu befriedigen, der verdient
nicht öffentliches Zutrauen, ſondern allgemeine Verachtung!“
Demgegenüber finden ſich jedoch wieder Aufzeichnungen, die von einer wohltuenden
Hilfsbereitſchaft einiger Mitbürger ſprechen:
„ ».. Bei den gegenwärtigen theuern Zeiten und dem großen Mangel an allen
Lebensmitteln, haben ſi<h dur<h milde Unterſtüzung der nothleidenden Menſchheit unter
andern Herr Ludwig Kleber, die Wittib Philipp, Jakob Löw von Saar-
brücken, beſonders aber Herr Balthaſar Schlachter auf das lobenswürdigſte ausgezeichnet.
Die wohlhabende Klaſſe der Einwohner beider Städte, welche größtenteils geneigt ſind,
der leidenden Armut beizuſtehen, werden gebeten, in dieſer kritiſchen Epoche ſich ferner
dieſer heiligen Pflicht nicht zu entziehen, und dur<h thätige Unterſtüzung ihrer armen
Mitmenſchen dem eingerißenen Elend zu ſteuern.
Der Oberbürgermeiſter, Kölner“).
Daß die neue Regierung ernſtlih bemüht war, der Not tatkräftig zu ſteuern, beweiſen
folgende Bekanntmachungen: „Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß zur
Vertheilung an hülfsbedürftige Unterthanen des Regierungsbezirks Trier, welche dur
den Krieg vorzüglich gelitten haben, überhaupt:
719 Pferde |
als ein Geſchenk Sr. Majeſtät des Königs, unſeres allergn. Herrn überwieſen, und der
Beſtimmung gemäß verwendet worden ſind“*).
„. » . Ein großer Theil der durc< des Königs Majeſtät Allergnädigſte Fürſorge dieſem
Kreis (Saarlouis) zur Unterſtüzung bei der jezigen Theuerung zugedachten Früchte iſt
hier angekommen, und täglich werden noh bedeutendere Zufuhren erwartet. Bei den
günſtigen Ausſichten zu einer geſegneten Erndte haben wir jezt von größerem Mangel
nichts mehr zu erfahren. . . . Aber nicht allein für die Unterſtüzung der Bedürftigſten
iſt geſorgt, auch alle jene, welche arbeiten können und wollen, ſollen an den hieſigen
Feſtungswerken Arbeit, hinlänglihen Lohn und zugleich wohlfeiles Brot erhalten. . .“*)
Der in der lezten Bekanntmachung befindliche Hinweis auf beſſere Zeiten ſollte kein
leerer Wahn bleiben: der Sommer 1817 brachte eine Ernte, wie ſeit Jahren nicht mehr
1) Nr. 28 vom 8. Nov. 1816. 2) „Saarbr. Intell.-Bl.“ Nr. 22 v. 30. Mai 1817. 3) „Saarbr.
Intell.-Bl.“ Nr. 31 v. 29. Nov. 1816. *) „Saarlouiſer J.-Bl.“, Bekanntmachung des Landrates
v. 18. Juli 1817, 5) Orig.-Staatsarchiv Koblenz. (Abt. 22/3962.)
iQ
j
-„»
Feyerlicher Empfang des erſten Erndteſegens3 oder Erinnerung5tafel an die, durch Gotte3 Hülfe, überſtandene Theurung von 16:
m
Saarkalender für das Jahr 19390
zu verzeichnen war. Die große Freude aber, Drang- und Notzeiten glücklich überſtanden
zu haben, wurde von der Bevölkerung in großzügig geſtalteten Erntedankfeſten
gefeiert. In der Saarlouiſer Gegend hat ſich noh ein Bild aus jenen Tagen erhalten, ein
ſeltener Fund, deſſen Wiedergabe ſicher das Intereſſe der Leſer finden wird.
Von ähnlichen Dankfeiern vor derfranzöſiſchen Revolution berichtet uns
folgende fürſtlihe Verordnung*):
„Unſern freundlichen Gruß zuvor, Hoedelgebohrener Veſt und hohgelahrter, auch
Ehrenveſter, Ehrwürdiger, Ehrſamer und Wohlgelahrte, Sonders hochgeehrter Herr
und liebe Freunde!
Für das unermüdete Wohlthun unſeres gütig und göttlichen Verſorgers, wovon wir
auch dieſes Jahr überflüſſige Proben erfahren, ſind Wir dem Allerhöchſten mit in-
brünſtigem Herten demüthigſt zu danken ſchuldig, weshalben nah bisheriger Obſervanz
auf den lezten Sonntag nah Trinitatis das gewöhnliche Erndte-Feſt und über den von
fürſtlichem Conſiſtorio auserſehenen Text Pſalm CIX. p. 64, Herr die Erde iſt
Voll deiner Güte, lehre mich deine Rete: zu Erwek- und Erbauung aller
Zuhörer gepredigt werden ſolle. Wir geſinnen demnach an Unſern hochgelahrten Herrn
und Eu, die desfalls nöthige Ausſchreiben in hieſiger Special Diveces an alle Evange-
liſche Ehr-Geiſtlihen ohngeſäumt zu Verfügen, Verſehen Uns deſſen gehorſamlicher Dar-
nachachtung und ſind zu Erweißung angenehmer Freundſchafts Gefälligkeiten geneigt
und willig.
Saarbrüken, den 3ten Novbr. 1763.
Fürſtlih Naßau-Saarbrückiſc<e zum Conſiſtorio
verordnete Geheime Director und Räthe hieſelbſt.“
5) Orig.-Staatsar<hiw Koblenz. (Abt. 22/3962.)
Funkſtation des Saargebiets auf dem Petersberg bei Saarbrücken.
Zwei Jahre hat die Regierungskommiſſion
gebraucht, bis ſie ſich entſchließen konnte,
ihre Genehmigung zur Errichtung der Funk-
ſtation zu erteilen. Ebenſolang lagen die
beiden ca. 40 Meter hohen Maſte unbenußt.
Von Roſt ſtark zerfreſſen, wurden ſie
jezt nebſt dem ſchmucken Bedienungs-
häushen aufgeſtellt. Der Radiofreund an
der Saar darf aber nun nicht erwarten, 5aß
ihm etwa von hier ein Unterhaltungspro-
gramm geboten wird. Dazu hat man regie-
rungsſeitig keine Luſt. Es iſt für die Regie-
rung ſehr ſchwer, einen Ausweg zu finden.
Uebernimmt der Sender deutſche Programme,
ſo wäre das nach der bekannten Auffaſſung
in der Hindenburgſtraße nicht richtig. Werden
franzöſiſc<e Programme geboten, ſo dürften
ſiH die Einnahmen der Poſtverwaltung
weſentlich verringern, weil die Radiofreunde
im Saargebiet ſich dies nicht gefallen ließen.
Für alle diejenigen, die einen Fernempfänger
beſigen, wäre die Inbetriebnahme des Sen-
ders zum Unterhaltungs- und Tagesfunk
ſehr ſtörend. Vorläufig werden dur<h den
Sender nur Wettermeldungen der meteoro-
logiſchen Station weitergegeben. GK;
Aufnahme von Max Went.
Wi
Saarkalender für das Jahr 1930
waergee.
Don der alten Saarbrücker Stadtverfaſſung.
Mitgeteilt von Prof. Dr. Ruppersberg.
An der Spitze der ſtädtiſchen Verwaltung ſtand bis zum Jahre 1798 der Meier, der
alljährlic< aus der Bürgerſchaft gewählt wurde. Er leitete die Sizungen des Stadtgerichts,
das ſowohl die Verwaltung der ſtädtiſchen Angelegenheiten als auch die niedere Gerichts-
barkeit handhabte. Das Stadtgericht, „die Herren Gericht“ beſtand aus ſieben Schöffen,
von denen Saarbrücken vier und St. Johann drei zu ſtellen hatte. Der gewählte Meier
war zur Annahme des Amtes verpflichtet; wenn er es ablehnte, ſo mußte er 20 Gulden
bezahlen. So finden wir im Stadtprotokoll folgende Eintragungen:
3. November 1796
Soll Philipp Köhl dahier pro dispensatione des Meier-Amtes 20 Gulden bezahlen.
30. Januar 1797
Georg Philipp Benz zahlt pro dispensatione von dem Meier-Amt 20 Gulden.
Konrad Geiſt desgleichen 20 Gulden.
Ludwig Wahlſter similiter (ebenſo) 20 Gulden.
Die Aufnahme in die Bürgerſchaft geſhah nur unter beſtimmten Bedingungen. Jeder
neuzuziehende Bürger mußte eheliche Geburt, freien Stand, die Fähigkeit, ein Handwerk
oder Gewerbe zu treiben, und ein Vermögen von mindeſtens 300 Gulden nachweiſen,
einen Feuereimer liefern und ein Einzugsgeld bezahlen, von dem nur Bürgerſöhne frei
waren. Auch mußte er einen einheimiſchen Bürger als Bürgen ſtellen und die Erfüllung
der bürgerlichen Pflichten geloben.
Dafür einige Beiſpiele:
„Actum den 3. July 1797. Wurde Carl Stehlinger von Carlsruh in die hieſige Burger-
ſhaft aufgenommen und gelobet auf die bürgerlichen Artikel geziemend an und hat vor
ſeine reception als Fremder zu zahlen 60 Gulden.*)
x) Wenn der Aufzunehmende eine Bürgerstodhter geheiratet hatte, ſo zahlte er nur die Hälfte,
Vor den ledernen Feuereimer 3 Gulden,
dem Herrn Stadtmeier 6 Z,
vor die Einſchrift vor ſich und ſeine Frau 2 Gulden.
Bürge iſt Johann Eichacker.
Den 26. Februar 1797 wurde Heinrich Chriſtian Koh, der hieſige Apotheker, ein
Burgerſohn, in die Burgerſchaft recipirt, nachdem er zuvorderſt auf die burgerlichen
Artikel geziemend angelobt und hat zu zahlen
dem Herrn Stadtmeier 6 3
vor den Feuereimer 3 Gulden
vor die Einſchrift 1 Gulden.
Bürge iſt Joh. Philipp Kraemer.
In derſelben Weiſe wurde in demſelben Jahre Heinrich Gottlieb, ein Dreher und
Bürgerſohn von St. Johann, Chriſtian Kuhn, ein Bürgerſohn und Spengler von
St. Johann, Peter Pfeifer, „ein Burgers Sohn, ſeiner Profeſſion ein Wagner,“ Jakob
Bohrer, ein Schumacher, Adam Fürſt, Paul Marſchall, Jakob Gelf, Friedri Frölich,
Philipp Geisbauer, Peter Ammon, Kaſpar Karcher, Karl Löw, FriedriH und Heinrich
Franz, Johannes Hild, Kaſpar Bur< u. a. als Bürgerſöhne in die Bürgerſchaft auf-
genommen. Ein Bürger von St. Johann, der na<h Saarbrücken hinüberzog, mußte
1 Gulden bezahlen. So heißt es im Jahre 1797:
„Ziehet Heinrich Köhl, ein Becker von St. Johann, hieher nach Saarbrücken und
hat für ſeinen Herüberzug 1 Gulden zu zahlen.“
Aber nicht alle Bewohner der Städte beſaßen das Bürgerrecht. Außer den eigentlichen
Bürgern gab es Hinterſaſſen, die kein Bürgerrecht hatten und 4 Gulden, Witwen 1 Gulden
12 Kreuzer jährlich als Abgabe bezahlen mußten. Im Jahre 1796 gab es in Saarbrücken
1
Saarkalender für das Jahr 1939
ſieben männliche Hinterſaſſen: Adam Tauſig, Henrich Hochſtraßer, Jakob Schmidt, Georg
Kuhn, Nickel Müller, Jakob Hartmann, Nickel Holzer und acht Hinterſaſſen-Witwen:
Joſef Wegſcheiders Wittib, Johannes Reincken Wittib, Katharina Burckardin, Suſanna
Remmin, Maria Katharina Michlerin, Maria Eliſabetha Holdin, Katharina Magdalena
Köhlin und Peter Carls Wittib. (Bei Frauennamen wurde die Silbe -- in -- dem Namen
des Mannes angehängt.)
Chriſtkönigskird<he
für die Katholiken des Stadtteiles St. Arnual. Geweiht am 7. Juli 1929.
Architekt der Kirche Colombo-Köln, Architekt de8 Pfarrhauſes Weiß-Saarbr.
"M
Saarkalender für das Jahr 1930
C=
' wn
Humoriſtiſche Grabinſchriften.
aus dem Rheinland, die mir Freunde des Saarkalenders für frühere Jahrgänge über-
mittelten, haben anſcheinend unſeren Heimatgenoſſen im Reich viel Freude bereitet. J<
erhielt daher wohl aus dieſem Grunde im Laufe des Jahres eine Anzahl dieſer Dichtkunſt
des Volkes, die Ehrfurcht vor Tod, Grab und Jenſeits ſtark vermiſſen läßt, als Ergänzung
zugeſandt. Im folgenden einige Beiſpiele der ſeltſamen Art, wie man in derber Form
der Entſc<hlafenen gedenkt. Aus Tußingen ſchreibt mir ein früherer Saarländer: Auf
unſerem Friedhof trägt ein Grabſtein nachſtehende Inſchrift:
„Hier ruht Paul Trin. Die Hirnentzündung
Nahm alſo bei ihm überhand,
Daß do am Ende die Verbindung
Der Seele mit dem Leib entſc<hwand.“
Ein Mitglied des Saarvereins in Stuttgart teilt mir mit: IH war in Steiermark zur
Erholung. Als früherer Saarſteiger intereſſierte mich folgender Grabſpruch, den ich in
Neuburg notierte:
„Matthias Joſef Schweiger
Im Bergamt Oberſteiger
Mußt hier mit 50 Jahren
In dieſe Grube fahren.“
Ein Neunkircher, der ſeit a<t Jahren in Hallein ſein Domizil hat, ſchreibt: Auf
unſerem Friedhof gibt es zwei eigenartige Grabinſchriften. Sie lauten:
„Jn dieſem engen, ſtillen Haus
Da ruh ich von Geſchäften aus.“
iſt recht bösartig:
„Was er im Leben übles that,
Er that es nie mit Fleiß,
Die Arbeit nicht, der Tod allein
Bracht' ihn zuletzt in Schweiß.“
Nah einer Mitteilung Stettiner Freunde befindet ſiß dort auf dem Nemißer
Kirchhof der großen Handelsſtadt das Grabdenkmal eines Eiſenbahners, das folgende
Worte ſchmücken:
„Du trateſt freiwillig in die Bahnſchienen
Zum Kuppeln zweier Wagen dar;
Statt treulich für den Zug zu dienen,
Erfaßte dich des Puffers Paar.“
Eine in Meran zur Wiederherſtellung ihrer Geſundheit weilende Saarländerin fand
auf einem Marterl in Fiſens nachſtehenden Spruch:
„Bon ſieben Stichen totgebohrt
Starb Joſef Hofler hier an Ort;
Gott, der im Himmel,
Wolle ſtrafen dieſe Lümmel.“
Aus Inzell bei Reichenhall erhielt ih von einem dort zur Kur weilenden Herrn
aus St. Wendel eine Grabinſchrift, die gläubig eine rührende Bitte in ſich ſchließt:
„Wenn's möglich iſt,
Mein lieber Chriſt,
So bet für mich,
I< bet. für di.“
Aus Ulm erhalte ich folgende Zuſchrift: In der Nähe von Ulm ertrank ein junges
Mädchen in der Donau. An der Unglücksſtätte ſteht ein Kreuz mit den Worten:
„Brucka ganga, Brucka brocha,
Abi gefalla, nau verſoffa.“
'
|
1
iui En rel
|
h““
Saarkalender für das Jahr 1939
Zwei Heimatgenoſſen in München : Auf einer Tour am Chiemſee fanden wir,
von unſerem Wirt darauf aufmerkſam gemacht, ein Doppelgrab, deſſen Denkmal der
wunderliche Spruch zierte:
„Hier in dieſer Gruben
Liegen zwei Müllerbuben.
Geboren am Chiemſee,
Geſtorben an Bauchweh.“
In Iſ<<l verunglückte nach der Meldung eines Dortmunder Mitgliedes des Saar-
vereins ein Mann beim Pflücken von Aepfeln; er fiel vom Baum und brach das Genick.
Auf ſeiner Totentafel ſteht:
„Aufi g'ſtiegen,
Abi g'fallen,
Hingeweſt:
Die Ehre ſei der heiligſten
Dreifaltigkeit.“
Kurz und bündig iſt folgender Nachruf für einen Dachdecker auf dem Friedhof in
Ziel (Tirol):
„Hier fiel Jakob Hohenkopf
Vom Hausdach in die Ewigkeit.“
Ih könnte nodhy viel überſandtes Material dieſer Art hier bringen, es mag aber für
diesmal das vorſtehende genügen. Den alten Heimatfreunden für treues Gedenken auch
an dieſer Stelle Dank und Gruß. AZ
Franzöſiſcher
Wahltrick
Searländer"
hei der
Landesratswahl
Wir wollen ſein ein einig Volk von Brüdern,
In keiner Not uns trennen und Gefahr,
Wir wollen frei ſein, wie die Väter waren!
Darum:
Ein Wahlaufruf als französ-
ſiſche Stimmungsmache zum
Landesrat. Die Liſte errang
keinen einzigen Sitz.
wählt die Liſte der
„Saarländiſchen Arbeitsgemeinſchaft'
Straßenreinigung einſt und jeßt.
Für Straßenreinigung und Müllabfuhr gibt die Großſtadt Saarbrücken jezt mehr
als zwei Millionen Franken aus, die durch eine Sonderumlage aufgebracht wurden.
Früher dagegen zogen die Städte Einnahmen aus der Straßenreinigung, indem ſie dieſe
Leiſtung in Akkord vergaben. Davon zeugt das Stadtgerichtsprotokoll vom 3. November
1796, das folgenden Satz enthält:
„Wurde heute dem Wilhelm Reppert dahier die Straße am Forbacher Tor zu ſäubern
veraccordiert, und hat davor 3 Gulden 30 Kreuzer, von jetzt über 1 Jahr zahlbar, an die
Stadt zu bezahlen.“
Der Straßenabraum wurde offenbar als Dünger für Gärten und Felder verwendet.
"4"
Saarkalender für das Jahr 1930
===
Ehrenmal des Weſtf.
DragonerregimentslUr.7.
Als Abſchluß der Kronprinzen-
ſtraße in der Roſenanlage iſt
dies Denkmal für die im Welt-
krieg gefallenen Dragoner des
alten Saarbrücker Regiments
von den Kameraden errichtet.
Die Weihe erfolgte unter
großer Beteiligung der alten
Regiment5angehörigen am
19. Mai 1929. Die Weiherede
hielt der lebte überlebende
Offizier, der 1878 den Garni-
ſonwechſel von Stendal nach
Saarbrücken mitgemacht hat,
Generalleutnant a. D. Frei-
herr v Humboldt-Dachroveden
Aufnahme Atelier Germania.
Notizen aus dem Biſchmisheimer Rir<henbuh.
Von A. 7.
Unſere Vorfahren waren ein hartes, derbes Geſchlecht, ſchwer ringend um ein kärglich
Brot lebten ſie im Frondienſt gräflicher und fürſtlicher Willkür. Ihr religiöſer Sinn hielt
ſie in ihrem menſc<henunwürdigen Leben aufrecht, was ſie aber dur<haus nicht hinderte,
ſelbſt mit ihren Seelſorgern auf geſpanntem Fuße zu leben. Das prieſterliche Ge-
wand ſ<hützteihre Träger nicht einmal inder Kirche voreiner tü:
tigenTra<ht Prügel, wie das Kirchenbuch der damals zuſammengehörigen Gemeinden
Biſc<hmisheim, Fechingen und Eſchringen gewiſſenhaft meldet. Johann Lorentz Handel, Pfarrer
zu Biſc<misheim und Fechingen, hat die Schrift verfaßt, „darinnen die getauften, confir-
mirte copvulierte und verſtorbenen ordentlich verzeichnet ſind, angefangen d. 21. November
anno 1745.“ Darunter ſteht: „Fortgeſezt von mir Johann Georg Rolle, Pfarrer allhier
ſeit d. Iten Febr. 1762.“
'
/
wa in
]
3
bB
Saarkalender für das Jahr 1930
Der in der Kirche verprügelte Seelſorger.
In der Schrift werden die Geiſtlihen von etwa 1574 ab aufgezählt, die in jener
Gegend amtiert hatten, ſoweit noch ſichere Nachrichten über ſie vorlagen. Da heißt es
an einer Stelle: „Georg Greth, von Kitzigen, des daſiegen organiſten Johann georg
grethen Sohn, war ſchon 1660 precep. clashieg. zu Saarbrücken, heyrathete 1669 des
Precep. gademanns Wittwe, ward 1672 ordiniert und den 23trin. Pfarrer zu Willhelms-
bronn und überherrn.“ Er wird dann, ſo ſchreibt treuherzig der Verfaſſer des Kirchen-
buches, „der Biſhmisheimer, Fechinger und Eſchringer Gemein als Pfarrer vorgeſtellt.
Als er zu Eſchringen einsmals den Gottesdienſt verſahe, ward er von den
layiſc<hen unterthanen auß dem Gotteshauſe vertrieben und über
die Kir<hofsmauer geworfen. Von dieſem Falle hat er beſtändig gekränkelt,
und iſt endlich 1695 d. 11ten April geſtorben und ward d. 13ten April in die Kirche allhier
begraben. Sein Sohn Jo. Jodocus greth iſt als vornehmer Apotheker zu Memmingen
in Schwaben geſtorben.“ Soweit die alte Meldung über einen, uns heute unbegreiflichen
Vorgang, deſſen Urſachen leider nicht mitgeteilt ſind. Jedenfalls hatte Paſtor Greth wohl
von der Kanzel eine Bußpredigt derbſter Tonart herabgedonnert, die aber weniger die
Seelen aufregte als die kräftigen Fäuſte mobil machte. Sie trommelten auf den armen
Seelſorger herum und expedierten den Hüfloſen mit ſolHer Wucht über die Friedhofs-
mauer, daß er ſich von dem Sturz nicht mehr erholen konnte.
Ein unwürdiger Pfarrverweſer
ſcheint nach dem alten Kir<henbuch der Paſtor Johannes Mohr geweſen zu ſein. Er war
1624 Geiſtlicher in Altenſtadt, hatte aber mit ſeiner Gemeinde nur Zank und Streit. Die
Lage wurde ſchließlich ſo übel, daß er „wegen böſer Händel mit der Gemeine“ abberufen
und nah Sceidt verſezt wurde. An Beſſerung dachte er nicht, ſein Lebenswandel war
ſo anſtößig, daß man ihn ſchon ein Jahr ſpäter 'des Landes verweiſen mußte.
Noch einige Notizen des Buches ſeien angeführt. Pfarrer Johann Eberhard Weber
konſtatiert 1625, ſieben Jahre nach dem Beginn des 30jährigen Krieges, daß Scheidt in
jenem Jahre noh ein Dorf mit 45 Häuſern und 10 Ahatſc<leifmühlen geweſen ſei. Zehn
Jahre ſpäter heißt es: „Das Saarbrücker land iſt faſt gantz ohne leute, weil der Hunger,
der Krieg und die peſt wüteten. Die Herrſchaft ſaß zu Metz und der Saarbr. inspect9or
zu ſtraßburg.“ Erſt im Jahre 1695 entſchließen ſich endlich zwei Familien, nach dem zer-
ſtörten Scheidt zu ziehen. Im Vierteljahr beſucht ſie einmal der Pfarrer, hält Predigt
und Kommunion ab.
Unvergeßliche Tage
iſt im Saarkalender 1929 eine kleine Abhandlung betitelt über Erinnerungen an die
Auguſttage 1870. Erwähnt wird darin, daß zwei Häuſer Saarbrückens in der Wilhelm-
Heinrichſtraße am 6. Auguſt verſchloſſen blieben und dadurch die Aufnahme von Ver-
wundeten erſchwert worden ſei. Als Aufklärung für den Vorfall wird mir gemeldet, es
handle ſic< hierbei niht um eine Schuld der Bewohner. Die Häuſer ſeien wegen ihrer
größeren Räumlichkeiten ſchon für die Aufnahme von Generalſtabsoffizieren und Fürſt-
lichkeiten beſchlagnahmt geweſen. Es ſeien jedoch troßdem Verwundete dorthin gebracht
worden. Nach dem Weitermarſch der Armee ſeien jene beiden Häuſer mit Bleſſierten, treu
verpflegt, bis auf den iezten verfügbaren Platz in Anſpruch genommen worden.
Dorten-Schüler bei einer Tell-Aufführung im Saargebiet. Beſtellung auf einer Poſt-
karte: „Am . . . . wird auf der Freilihtbühne . . . . „Wilhelm Tell“ mit Beleuchtung
gegeben. I< bitte ergebenſt, mir . . . . Nachricht zukommen zu laſſen, wieviel Schüler
von Dorten teilnehmen.“ =- Bei dem damals ſchlechten Papier der Poſtkarten kein Wunder
und doch komiſd, daß bei dem eckigen kleinen d die Tinte auslief und ſo durch die Macht
des Tintenteufels ein großes D entſtand. Welches Glück, daß „Wilhelm Tell mit Beleuh-
tung“ von Dorten-Schülern verſchont blieb. Man hätte vielleicht aber auch beſſer geſehen,
um ihnen heimzuleuchten.
kane)
Saarkaiender für das Jahr 1930
Re CujoX
Ee
Heiteres aus dem Saargebiet
aus alter und neuer Seit.
Geſammelt und bearbeitet von A. Z
Vom alten Sanitätsrat L. ſendet ein Sulzbacher Freund des „Saarkalenders“ noch
nachſtehende Anekdoten: An einem drückend ſchwülen Nachnmtttag unterſucht der durch
ſeine umfangreiche Praxis bereits übermüdete Sanitätsrat einen Kranken auf ſeine
Lunge. Dabei ſchläft er ſanft ein. Nachdem er eine ganze Weile auf dem breiten Rücken
des Bergknappen ausgeruht hat, ſchreckt er in die Höhe und erklärt die Unterſuchung
für beendet mit den Worten: „Merken Eich das nur, mei Lieber, ne Hand voll Sc<loſ
is gut, immer gut!“ „I< dank Eich, Herr Dokter,“ antwortet beim Abſchied der Patient.
„Nee, das muß ich ſahn, ſo grindlich han mitch noh Keener unnerſucht unn Dank aach vor
ſo billig Medizin.“ Damit drückt er dem Sanitätsrat treuherzig die Hand und verſchwind2t,
entzückt von der Heilkunſt des alten Meiſters.
FE
Der alte Steiger R. war längere Zeit leidend, er rannte in ſeiner Not zu allen
Aerzten der ganzen Umgegend, aber niemand konnte ihn heilen, ſodaß man allgemein
mit dem Ende ſeiner Tage rechnete. Eines Abends ſien wir beim gemütlichen Shoppen
in der „Poſt“, als wir das kranke Hinkel friſ<q und munter vorübereilen ſehen. „Wr
mag dem wohl geholfen haben, er lag ja ſhon halb in der Totenlad?“ „J< war's, ich
habe ihn geſund gemacht,“ erklärte der Sanitätsrat. „Womit, darf man das erfahren?“
„O ja, die Sache iſt einfach, er war ja bei einer großen Reihe Kollegen geweſen, und
ſ<ließlich rief man auch mich. Aber ih kümmerte mich als Arzt nicht um ihn, ging gar
nicht hin, na =- und da wurde er geſund.“
Nachſtehende Unterhaltung mit einem Patienten lebt noh hier in der Erinnerung
der Bevölkerung. Patient: „Jett ſahn Sie nur offe, Herr Sanidädsrad, was mir fehlt,
wo ich's han. Awwer nit uff griechiſch oder lateiniſch . . .“ „Ihnen fehlt gar nichts, Sie
haben eine Saufleber, trinken zu viel und ſind ein Faulpelz.“ = „So, ſo, un jetzt ſahn
Sie mir's noh emohl uff griechiſch, damit iHh's meiner Alden widderſahn kann.“
L. verordnete einem jungen Mädchen aus Dudweiler eine Medizin gegen unerträg»
liches Kopfweh. Nach einigen Tagen erſchien die Schöne wieder und jammerte, daß jie
keine Linderung durch die Pulver verſpürt habe. „Was ſoll ich nun machen?“ wimmerte
ſie, worauf der Sanitätsrat in aller Ruhe: „Heiraten Sie!“ „Vergehen dann meine
Kopfſhmerzen?“ „Sicher, ſicher, Sie verlieren ſie, aber der Mann hat ſie dann nod)
ſhlimmer!“
Bei L. erſcheint ein Patient unſauber am Körper, eine Nachläſſigkeit, auf die der
Alte ſtets ſehr empfindlich reagierte. „Na, hören Sie mal,“ faucht er daher den Kranken
an, „Hände und Arme hätten Sie ſich doch ſchon waſchen dürfen!“ „Awwer, Herr Dokter,
i< han's doh) nure im Hals!“
Wo ſien die Stimmbänder? In der Obertertia des Gymnaſiums hatten wir in der
Naturunterrichtsſtunde den menſc<lihen Körperbau zum Thema. Meinen Klaſſen-
kameraden E. intereſſierte dieſer Stoff aber recht wenig. Das bemerkte der Lehrer Dr. R..
der gerade die Lage der Stimmbänder erklärt hatte. Deshalb fragte er den Mitſchüler:
„Alſo E., wo ſigen die Stimmbänder?“ Das wußte E. zwar nicht näher zu beſchreiben,
aber antworten mußte er doch, und ſ9 belehrte er die aufmerkſamen Zuhörer durch die
ganz neue Entdeckung, indem er antwortete: „Hinten!“ Auf] weitere Erklärungen
aber ließ er ſich leider nicht ein, verſtand anſcheinend auch eine ganze Weile gar nicht,
warum Lehrer und Schüler in helles Gelächter ausbrachen.
d 1
Saarkalender für das Jahr 1939
[iam Kanr/lnng
pam zi "rt [706 JpPIILIID
Wenn er qui geraten LSt!
Mit. Bachi1r "back ihm noch heute,
Damit auch Du zufrieden btst!
Sie haben beim Backen mit
, „.
Dr. Oetker's Backpulver „Backin“
das wundervolle Gefühl der Sicher- Ihren Mahlzeiten an Sonn- und Festtagen
heit, daß Ihnen alles ausgezeichnet geben Sie den besten Abschluß mit einem
gelingt. Ihre Kuchen und Gebäcke
werden größer und Schönlocker, vor allen
Dingen wird der Wohlgeschmack durch „Backin“
in keiner Weise beeinflußt und bestbekömmliche
Gebäcke erzielt, Die bequeme und Sparsame
Tütenpackung, bei der nichts verloren geht, ist
von großem Vorteil und macht das Backen nach
den leicht verständlicheh Oetker - Rezepten wirk-
lich kinderleicht. - Eine Fülle von Anregungen zum
Backen von Kuchen, Torten und Kleingebäck aller
Art finden Sie in Dr. Oetker's farbig illustr. Re-
zeptbuch, Ausgabe F für 15 Pfg. - Sie erfahren
aus dem Buch auch Näheres über den vorzügl.
Back-, Koch- u. Bratapparat „Küchenwunder“, mit
patentierter Hitze - Regulierung. Neben diesem
Apparat können die Backformen „Deha“ und
„Zauberglocke“ ebenfalls bestens empfohlen
werden. In besSeren HauSha/tungsgeräte - Ge-
Schäften zu haben. ,
In Frankenwährung kostet Rezeptbuch F Frs. 1.20 und Schulkochbuch C Frs. 2.25 -- Diese Bücher
Sind durch meine Generalvertretung Otto Hüther, Saarbrücken 3, Postfach 409 zu beziehen.
„Vive l'amour.“
„Die Liebe, die Liebe iſt eine Himmelsmacht“ heißt es nicht umſonſt im
„Zigeunerbaron“. Selbſt die ſchwerfälligen Lothringer ſind da nicht ausgenommen und
begeiſtern ſi< dafür, wenn ſie längſt das bibliſche Alter überſchritten haben und damit
nach unſerer Auffaſſung die Tage verliebter Torheit ins Meer der Vergeſſenheit verſenkt
haben ſollten. „Die Franzoſen zogen im November 1918,“ ſo ſchreibt mir ein alter Saar-
gemünder Freund, „mit dem üblichen Claironsgeſchmetter bei uns ein. Nebenbei bemerkt,
iſt das für das feine deutſche muſikaliſche Empfinden nichts wie ein entſeßlicher Lärm,
von dem man mit Recht behaupten kann: „Muſik wird ſchmerzlich oft empfunden, weil
ſie ſtets mit Geräuſch verbunden.“ Die Bevölkerung, heute in mehr als einer Hinſicht
ernüchtert und enttäuſcht, damals aber durch Schreier aufgepeitſc<ht, ſchrie und lärmte
ohn Unterlaß, brüllte die Marſeillaiſe und rief ohne Aufhören: „Vive 1a republique
frangaise, vive la Francel“ Ein altes, klapperdürres, verhußzeltes Frauchen, die M. R.,
damals 78 Jahre alt, wollte nach einiger Zeit nicht mehr mitmachen. Zur Rede geſtellt,
rief ſie mit gellender Stimme: „Halte-la mit vive 1a France, krieſche m'r nu emol aach
was vernünftiges: vive l'amour!“ Alle lachten und ließen ſtatt Frankreich die Liebe
hochleben. Die Alte hat mit ihrem Proteſt und der Forderung, etwas Vernünftiges ho<-
leben zu laſſen, recht behalten, wenn ich nur der ſchweren franzöſiſchen Steuerlaſt gedenke.“
H
dies.
7
Saarkalender für das Jahr 1930
ear“
Die „Müllers“ und „Schmidts“ im 2. Bataillon 70er. „Der lette „Saarkalender“ brachte
eine drollige Epiſode von dem Beſuche unſeres Großherzogs von Oldenburg bei ſeinen
Landeskindern. Geſtatten Sie mir, eine kleine Erinnerung an meine Dienſtzeit in Saar-
brücken mitzuteilen, die uns damals viel Vergnügen machte. Jh ſtamme aus dem Gebiet
der blauroten Grenzpfähle und bin einer der „Müllers“, von denen im Nachſtehenden die
Rede iſt. Bekanntlich dienten im 2. Bataillon des 8. rhein. Infanterieregiments Nr. 70
wir Oldenburger aus dem Birkenfelder Ländel. Alle Jahre im Frühjahr kam der Groß-
herzog zur Inſpektion. Einmal war der hohe Herr beſonders gut aufgelegt und richtete
verſchiedene Fragen an einzelne Leute: „Nun, wie heißen Sie, mein Sohn?“-=- „Müller,
Königl. Hoheit!“ -- „Von wo?“ =- „Aus Jdar, Königl. Hoheit!“ =- „Gut, mein Sohn!“ --
(Zum Musketier drei Rotten weiter): „Und Sie?“ = „Müller 1, Königl. Hoheit!“ --
Sc<hmunzelnd geht der Großherzog ein paar Rotten weiter und fragt einen rotbackigen
Musketier aus dem zweiten Gliede: „Na, Sie heißen doch nicht etwa auch Müller?“ -- „Zu
Befehl, Königl. Hoheit, Müller 4!“ -- Lächelnd geht es zur nächſten Kompagnie. Der
erſte beſte Mann wird angeredet: „Wie iſt Ihr Name, mein Sohn?“ -=- Friedrich
Schmidt 5, Königl. Hoheit!“ = „Aus?“ -- „Nohfelden, Königl. Hoheit!“ =- Um nun
niht auf lauter „Schmidts“ zu ſtoßen, geht der Fürſt ganz auf den linken Flügel der
Kompagnie und fragt ein munteres Kerlchen: „Von wo ſind Sie,. mein Sohn?“ =- „Aus
Sötern!“ = Und Jhr Name iſt doh nicht etwa Schmidt?“ -- „Jawohl, Königl. Hoheit,
Heinrich S<Hmidt 3!“ -- Nun gab der Großherzog die Frageſtellung auf und bat
den Regimentskommandeur, die Kompagnien im Halbkreiſe herumſchwenken zu laſſen. Er
wollte eine kleine Anſprache an ſeine Landeskinder halten. Der Oberſt: „Herr Hauptmann
Müller, laſſen Sie die Kompagnien herumſ<wenken. (Geſchieht.) Wieder ſpielte ein
feines Lächeln um die Mundwinkel des Großherzogs, hatte es doch der Zufall gewollt, daß
er es an dieſem Tage nur mit „Müllers“ und Schmidts“ zu tun bekam.
„Die Welt will betrogen ſein!“ Etwa um das Jahr 1890 erregte in der Vorſtadtſtraße
in Saarbrücken ein Mann längere Zeit ein gewiſſes Aufſehen durch angebliche Heilerfolge,
vor allem aber durch eine an Wunder grenzende Diagnoſe, die durch einen flüchtigen
Blick ins Auge die ganze Lebensgeſchichte der Patienten erkennen ließ. „Er weiß alles!“
ſagten die Leute und ſchüttelten den Kopf über die ſo tiefe Wiſſenſchaft eines unſtudierten
Mannes. Der Kniff des Schlaumeiers beſtand einfach in dem Verfahren, Mittelsleute an
ſeinem Geſchäft zu beteiligen. Sie hatten den Auftrag, Kranke aufzuſuchen, von dem
Wunderdoktor Wunder zu melden, ſich über Leben und Leiden ihrer Opfer zu infor-
mieren und nicht zu ruhen, bis der über alles wohlinſtruierte Meiſter die Opfer empfangen
konnte. Die Sache ging zwei Jahre gut, bis eine liebevolle Unterſuchung durch die Polizei
dem Unfug ein Ende machte. Verbürgt und feſtgeſtellt wurde folgender Fall. Ein Gipſer
war inder Meßerſtraße bei ſeiner Arbeit mit einem ſchweren Sack voll Gips von einer
hohen Leiter zur Erde geſtürzt und litt längere Zeit an unerträglichen Rückenſchmerzen.
Die Zwiſchenträger überredeten den Aermſten, den „Doktor“ aufzuſuchen. „Sehen Sie
mich mal an,“ ſagt dieſer, tupft mit dem Zeigefinger in die Luft und erklärt: „J< ſehe,
Sie ſind ein Gipſer!“ „Dunnerkiel, das ſtimmt!“ ruft der Patient, nun hat er volles
Vertrauen. „Laſſen Sie mich nochmal ins rechte Auge ſehen! Lieber Mann, wie mir
das leid tut, ſo ein Pech! Sie ſind ja vor ſieben Tagen in der Meßerſtraße mit einem
Sack voll Gips, und zwar auf der dritten Stufe von oben, ausgerutſcht. Sie ſchlugen dann
noch auf die unterſten Sproſſen auf und blieben unten zehn Minuten liegen!“ Der Patient
reißt den Mund vor Staunen auf, alles ſtimmte bis in die geringſten Einzelheiten. Er
hätte am liebſten die ganze Stadt zu ſeinem „Mediziner“ gebracht, wenn nicht die
ungläubige Polizei dem Unfug ein Ende gemacht hätte. Der Gipſer blieb übrigens immer
der Ueberzeugung, daß ihn nur das Abführungsmittel, das ihm der Menſc<henkenner als
Allheilmittel für teures Geld verkauft hatte, von den auälenden Rückenſchmerzen geheilt
hab2. Und vas iſt der Humor davon!
.
Saarkalender für das Jahr 1930
Die verhängnisvolle Abkürzung. Oberſteiger D., einſt viel beneidet von ſeinen
Kollegen um ſeinen martialiſchen Schnurrbart und der ſtets ſtrammen, ſoldatiſchen Hal-
tung, machte eine Reiſe in die Schweiz. Sein Neffe, ehemaliger Gardiſt und ſpäter Steiger,
der Ihnen dieſe Zeilen ſchreibt, durfte den Onkel begleiten. Unſer erſtes Nachtquartier
ſuchten wir in Luzern in einem ſauberen Hotel auf. Wir ſchrieben uns ins Fremdenbuch
ein, zuerſt der Oberſteiger mit Angabe des Standes, dann ich als junger Dachs ohne
dieſen Zierrat. Als am anderen Morgen der Kellner den Kaffee brachte, machte er eine
tiefe Verbeugung und grüßte: „Guten Morgen, Herr Oberſt! Wünſche wohl geruht zu
haben!“ = Dann gegen mich, den Begleiter, eine leichtere Verbeugung mit: „Guten
Morgen, Herr Adjutant!“ Kalt und gemeſſen ob ſeiner neuen Würde erwiderte der Ober-
ſteiger den Gruß. „Das muß eine Verwechſelung ſein“, ſagte er leiſe zu mir. Auf dem
Tiſche lag noh das Fremdenbuch. Er blickte hinein und -- richtig, da ſtand es klar, und
deutlich und höchſt eigenhändig geſchrieben: „N. N. Oberſt“. Die Kolonne für den
Stand war ſo eng, daß er das Wort Oberſteiger hinter „ſt“ dur< Punkt abkürzen mußte.
Dem Herrn „Oberſt.“ machte bei zweitägigem Aufenthalt in dem Hotel ſeine neue Würde
viele Freude. Als aber bei der Weiterreiſe die Rechnung auch ſtandesgemäß für einen
Herrn Oberſt ausgefertigt war, meinte er mit ſtark „vergrumbelter“ Miene: „Weiſcht'
was, Karl, im nächſchte Hotel well ich doh liewer Oberſteiger ſin!“
„Gelfe Ratt“. Ohne Frage kann man ihn zu den Altſaarbrücker Originalen zählen,
den alten Gelf, „Gelfe Ratt“ genannt. In der Lenzengaſſe hatte er ein ganz gutes Unter,
bis ihn der Armenſarg aufnahm. Gelf war kein Faulenzer. Geſchafft hat er bis in ſeine
alten Tage, auf Bauten, bei den Pflaſterern, auf dem Felde. Dabei ſcheute er ſich vor
keiner Arbeit. Spezialität war das Ausleeren von Dunggruben. Ekel und Geſtank wurden
durch einen dicken Priem und einen halben Liter Shnabus überwunden. Gelf war ein
guter Chriſt. Treu und brav ging er jeden Sonntag morgen die Glocken in der Ludwigs-
kirche läuten helfen. Nach dem Läuten ſaß er dann in ſeinem abgeſchabten Bratenrok im
„Fürſtenſtuhl“ in der vorderſten Reihe und lauſchte andächtig der Predigt. Als das
elektriſche Geläute eingerichtet wurde, konnte er es gar nicht überwinden, daß das alles
nun-ſo ohne ihn gehe.
Troß ſeines etwas verwilderten Aeußern war „die Ratt“ harmlos. Er tat keinem
Kinde etwas zu Leide. Damit ſoll nicht geſagt ſein, daß er ſich alles gefallen ließ. Recht
oft war er die Zielſcheibe übermütiger Witzbolde. Einmal wurde er wegen ſeines „Plaate-
kopf“ gehänſelt. Doch Gelf gab dem Uzer eine kräftige Abfuhr: „Mei paar Mies'her uff'm
Kopp ſinn mir lang gutt. =- Hätt ich, a< lääder, lauder Miſchd im Kopp, wie Du, ſo
dähte mir die Hoor aach beſſer wachſe. =- Ih han awwer kei Miſchd im Kopp!“ -- Der
andere nahm das ſcharfe Urteil über ſeine geiſtigen Vorzüge unter dem Gelächter der
Umſtehenden mit gebührender Gelaſſenheit hin.
Die Oberrechnungskammer in Berlin, ſeligen Angedenkens, hat früher in den Büros
der Bergwerksdirektion und der Inſpektionen oft ein „Schütteln des Kopfes“ verurſacht.
Gar viele Mißverſtändniſſe mußten aufgeklärt werden, die dur< Unkenntnis der Herren
Räte in Berlin entſtanden waren. Auf der Grube Sulzbach wird heute noh ein Stückchen
vom „Hund der Oberrehnungskammer“ erzählt. Hier wurde eines Tages ein „Hund“
(bergmänniſcher Ausdruck für das Gegengewicht des Fahrgeſtelles, auf dem Wagen be-
fördert werden können) neubeſchafft. Nach der Einreichung der Rechnung, auf der der
Fachausdruck „Hund“ ſtand, kam die Anfrage aus Berlin: „Wo werden die Futterkoſten
für den Hund nachgewieſen?“. =- == =- Ein zweites Stückchen erzählte der alte Bau-
werkmeiſter Riotte am Hafen. Dieſer läßt ſich eines Tages ſeinen Stuhl polſtern. Nach
Erhalt der Rechnung fragt die Dienſtſtelle in Berlin an, warum der Stuhl gepolſtert
worden ſei. Die Antwort war: „Zur Erhaltung des Stuhls.“ Prompt kam der Beſcheid
zurü: „Der Betrag iſt beim betreffenden Beamten einzuziehen, da der Stuhl nicht zu
ſeiner Erhaltung, ſondern zum Shuße eines Hoſenbodens gepolſtert worden iſt.“
w".
31
Saarkalender für das Jahr 1930
„-
Die Bierrechnung. Im Cafe Batſchle in Altſaarbrücken herrſchte Hochbetrieb bei
Metzzelſuppe und Hausgemachten. Am langen Stammtiſch ſaßen die Stammgäſte, alte
Freunde des Hauſes: Ludwig Leiner, Eduard Haas, Gerichtsſ<hreiber Angres, die Spengler
Kuhn nud Münch, Ru5. Schriewer und Schloſſer Hohſtraßer neben einer Anzahl jüngerer
Jahrgänge. Das Geſpräch wogte hin und her, und die ſchwierigſten Weltprobleme wurden
ſpielend gelöſt. Dann wurde in alten Erinnerungen geſchwelgt. Und Ed. Haas ſagte:
„Was menne Jhr, an dem do Tiſch han ich ſchon vor 50 Johr als junger Pennäler Bier
geſuff!“ =- Darauf ein junger Kiebitz: „Na, Herr Haas, dann haben Sie aber hier ſchon
manches Hekto verdrückt!“ -- Darob dieſer, zunächſt etwas überraſcht: „Ei, wie kommeſe
mir denn vor, menneſe ich ſin e Siffer?“ =- Die Sache wurde ſpaßig und ein neuer, dank-
barer Geſprächsſtoff dämmerte auf. Launig ſagte Spengler Kuhn: „Awwer Eduard,
iwwerleh doh emohl, do brauchſchd doch kä Siffer ze ſin. Un wenn de jede Dah nuhre
ähn ähnzigs Gläshe drinkſchd, ſo macht das in 50 Johr e ganzi Maſſion!“ =- Herr Kuhn
hatte das erlöſende Wort geſprochen und nun machte ein jeder „ſpaßhalber“ ſeine Bier-
rechnung vom Cafe Batſchle, rückwirkend bis in die Jugendjahre, - wobei im Durchſchnitt
„der Wiſſenſchaft halber“ nur ein halber Liter je Tag angenommen wurde. Sehr reſpek-
table Zahlen tauchten auf. Man rechnete: 360 Halbe ſind 180 Liter in einem Jahr, mal 50,
gleich 9400 Liter oder 94 Hekto. Nach Beendigung der Rechenexempel ſtellte ſich heraus,
daß die Zahlen ſo zwiſchen 60 und 90 Hekto ſchwankten. „Dunnerkeil, is das e Bierſchpiel!“
rief Rudel Schriever, „das gebbt jo e Tirmhe Fäſſer, ſo hoch wie de Winterberg.“ = „Un
e Bach, wie de Sulzbach“, echote la<end Konrad Hochſtraßer. =- Haas, als alter Mathema-
tiker, ging noch weiter und ſagte: „Un nu rodhne mer emohl „was das Bierſchpiel uns
ſchon gekoſ<d hat!“ -- Geſagt, getan! -- Der Liter wurde zu 30 Pfennigen angenommen,
auch der Wiſſenſchaft halber. Die Endſummen ſchwankten zwiſchen 2000 und 3000 Mk. --
Tableau! = „Und die Zinſen und Zinſeszinſen“, kriſch ein junger Kiebitz. -- „Ojes, ſind
Se ſtill“, ſagte lachend Herr Angres. „Ei do han mer jo Hab und Fahrt verſuff!“ ertönte
es im Chor von der Runde. -- „Js nich ſo ſchlimm, Ihr Leit,“ ſagte Herr Ludwig Leiner,
„Ihr habt noch alle Euere großen Häuſer ſtehn!“ -- Wieder eine Lahſalve! Nehmen. wir
uns aber doch die Sach zu Herzen, hieß es dann, und trinken von jetzt ab täglich nur ein
Glas. Erſt feierliche Stille, dann allgemeine Zuſtimmung. Nur Eduard Haas blinzelt ſchalk-
haſt durc ſeine Brille: „Ja,“ ſagt er, „e Glas, awwer das Seidel muß ſo groß ſin wie e
Waſcheimer!“ E. P.
„Der Prozeß gift gewunn!“ Dieſes Wort iſt im Saargebiet ein landläufiger Ausdruck,
mit dem man gerne die vorm Gericht Reingefallenen hänſelt. Er ſtammt von dem alten
Tuſtizcat L., deſſen originelle Verteidigungsart zahlreiche Anekdoten ſchuf. Zu dieſem
humorvollen Rechtsanwalt kommt eines Tages ein als Prozeßhanſel bekannter Bauer und
trägt ihm ſeine Streitſache mit einem Nachbar vor. Am Ende ſeiner Litanei fragt er: „Wat
mennen dr, gift der Prozeß gewunn?“ Der Juſtizrat antwortet: „Der Prozeß gift ge-
wunn!“ Sich vor Freude die Hände reibend, beauftragt der Bauer den Rechtsanwalt, die
Klage anhängig zu machen. Im Gerichtstermin wird der Bauer aber mit ſeiner Klage
abgewieſen. Wütend ſtellt er darob den Rechtsanwalt zur Rede. Der aber ſagt: „Sie
haben midh gefragt, gift der Prozeß gewunn, worauf ich Ihnen erwiderte, der Prozeß gift
gewunn. J<h habe aber nicht geſagt, daß Sie den Prozeß gewinnen. Wenn zwei ſich
ſtreiten, gewinnt immer nur einer. Und das trifft zu, alſo habe ich recht geſagt!“ K.B.
Vom Thermometer. Es war in den bitterkalten Tagen des Februar 1929, jenen
Wochen, in denen unſere Damenwelt unten Gefrierfleiſch und oben eine Dampfheizung
zur Schau trug. Meine Jungens wollten da über das Thermometer etwas hören. Wir
unterhielten uns auch über dies Thema einige Stunden, ich beauftragte zum Schluß der
Belehrung die Lernbegierigen, das Wiſſenswerteſte darüber in einem kurzen Aufſaß
nievberzulegen. Einer ſchrieb folgendes: „Wenn es friert, zieht ſi das Queckſilber auf
einen Ort zurück, den man gewöhnlich mit Null bezeichnet.“
-
i
"mi Amame. 2.
=T-
Saarkalender für das Jahr 1930
Sparſamkeit in der guten alten Zeit. Annodazumal beſchränkte ſich in den Bergmanns-
dörfern das Kaufgeſchäft im Metgerladen oft nur auf „e Groſche Knoche“. Fleiſ<genuß
war eiwas für den Sonntag. So war es auh in der alten Harzer Familie F. z,uf'm
Elmerſc<berg“. Wer gemeint iſt, werden die Elversberger wiſſen, die den alten Grau-
haarigen mit dem Gardemaß und ſeine zwerghafte Frau noh kannten. Eines Tages
waltete F. als Koch und ſein kleines „Luwis“ lag krank zu Bett. Ein Junge will ſic< an
ven Suppenknodhen vergreifen, aber da ziſchte es unter dem langen weißhaarigen Schnauzer
hervor. „Lausbub, loß die Knoche leie, die ſinn vo die Mame, Du biſcht do< gar net
krank.“
Ein eifriger Dorfbeamter war der alte Bergmann K. in Spieſen. Seit ſeiner Penſionie-
rung war er als „Schitz“ (Feldhüter) tätig und als ſolcher der Schrecken der Dorfjungen
und der Leute, die ernten wollen, ohne geſäet zu haben. Eines Tages kam ein Mann zu
ihm, ihm klagend, daß ihm „Riwe und Rummele“ geſtohlen worden ſeien. Das war etwas
für K. Sofort Amtsmiene und Ausruf: „Mir grien ſe = -- de Riwe unn die Rummele.“
Der Ausruf Riwe unn Rummele hat ihn dann als Spitzname bis an ſein Lebensende
begleitet.
Vom alten Pilgram. H. B. ſchreibt mir: Eke der Wilhelm-Heinrich-Straße und Luiſen-
ſtraße ſtand früher das beſte Hotel Alt-Saarbrückens. Der Beſitzer Pilgram war beliebt
und bekannt als wißig, jederzeit nie um eine ſc<lagfertige Antwort verlegen. Er hatte nur
das Pech, ſich einer dick ausgebauten, kupferroten Naſe zu erfreuen. Einſt fuhr nach Trier,
im Abteil ihm gegenüber, eim junger, übermütiger Reiſender, den die Kupfernaſe zu aller-
hand wißig ſein ſollenden Hänſeleien reizte. Schließlich fragt er den Alten: „Darf ich mir
erlauben, Ihnen ein Rätſel aufzugeben?“ „Ei, worum denn nit, mol los demit!“ „Nun
gut, kennen Sie den Unterſchied zwiſchen einer Kruppſchen Kanone und Jhrer Naſe?“
„Nee“, antwortete Pilgram. „Nun, die Kruppſche Kanone kommt von Eſſen und Ihre
Naſe von Trinken!“ „Bravo,“ ſagt der Gehänſelte gelaſſen, „und jetze will ich Ihne aach
ens uffgebe. Kenne Ihr den Unnerſchied zwiſchen dem Kölner Dom unn Jhne?“
„Bedaure!“ „Na, Sie könne m'r den Buckel runnerrutſche, der Kölner Dom awwer net.“
Der moderniſierte Walter von der Vogelweide. Ein Lehrer ſchreibt: Mit meinen
Schülern beſpreche ich die Leiden der Südtiroler unter der Gewalttätigkeit der Italiener.
Ih erwähne dabei den größten Lyriker des Mittelalters, Walter von der Vogelweide,
und diktiere den Jungens die Worte ſeines Gedichts über deutſche Vorzüge:
Tugend und reine Minne,
Wer die ſucht und liebt,
Komm in unſer Land,
Wo's noch beide gibt.
Schon bei der erſten Niederſchrift, die ich erblicke, iſt der Dichter ſinngemäß moderniſiert,
die lezten Worte heißen dort:
Wo's noch Beine gibt.
Die gelehrten Singvögel des Saargebiets. Die Singdroſſel fühlt ſich in unſerer Gegend
wohl und iſt zahlreich vertreten. Im Frühling hört man dieſe fleißigen Sänger auf], den
Baumwipfeln unermüdlich ihver Kunſt hingegeben. Der Wetteifer mehrerer Männchen wird
zum muſikaliſchen Genuß, ſie werben um ein Weibchen wder tröſten mit wohlklingenden
Läufern und Trillern die Mutter im Wochenbett. Spottdroſſel nennt der Saarbrücker
vielfas, wenn auch mit Unrecht, dieſen Tonkünſtler. Allerdings vernimmt man, wenn
man ſiGß Mühe gibt, etwas wie „Jdiot, Jdiot“ oder „Fridolin, Fridolin“. Hinterher ertönt
dann ein richtiges „Ha-ha-ha-ha“, auch hin und wider ein „pfuiti, pfuiii“. Shmunzelnd
meinte ein begeiſterter Zuhörer, als es gerade wieder vom Baumwipfel ertönte: „Jdiot,
Jbiot“ -- „Oui vive, qui vive“ -- „Jje, ije“: „Der do Vogel kreiſcht deitſch, franzöſiſch un
ſaarbriggeriſc<h.“
ie
|
Saarkolender für das Jahr 1930
ine
Einige Stilblüten aus dem Unterricht bei Profeſſor . . . „Als Kalwin kurz vor ſeinem
Tode ſtarb, bat er darum, man möge ihm kein Monument ſeßen.“
„Triſtan ſtürzte ſich ins Meer, ſein Leib wurde die Beute gieriger Haie und dann =-
ja dann wurde er neben ſeiner Geliebten beerdigt.“
„Po8 Tauſend ja, Sie werden do) noh die paar Zahlen von den lumpigen Käiſern
behalten können!“
„Ueber die inneren Leiden ſo vieler großer Männer und auch Frauen wiſſen wir
leider ſehr häufig nichts, weil ſich dieſelben =- ich möchte ſagen -- faſt immer hinter ver-
jhloſſenen Türen und an verſchwiegenen Orten abſpielten.“
Dem Minotaurus wurden jedes Jahr Menſchenopfer gebracht, und zwar waren es
jedesmal ſieben Mädchen und ſieben Jungfrauen. (Gemeint waren ſieben Jungfrauen
und ſieben Jünglinge.)
Anno 1928. Wiedergegeben nach Stenogramm von X. Y,. Z.
Aus dem Bergmannsleben. Die Knappen waren immer, wie heute noch, zum Spott
aujjeiegt und wehe dem Menſchen, der ſich irgendwie lächerlich gemacht hat. Ein Spikß-
na', e verbleibt ihm zeitlebens. Wie einige Landsleute zu ihrem „Kriegsnamen“ gekommen
ſiad, ſoll hier erzählt werden.
Jg; denke zuerſt ans „Bohnekräut<hen“ von Sp. Das Geſtänge hatte ſich im
Querſc<lag geworfen und Pitt, der Shalksnarr vom „Elmerſc<berg“, ſagte zum alten K.:
„Hannes, ich kenn jeh e Middel, daß ſich das Geſtäng net mer werft.“ „Sa mer's“, ex-
widerte der alte Verbauer. „I< han am Sunndag, als ich in die Ker ging, geſiehn, daß
Du ſoviel Bohnekreither im Garde haſ<ht. Leg Bohnekreither unner die Schwelle,
werft ſic das Geſtäng net mer.“ Am anderen Tage ſteht K. mit einem Bündel Bohne-
kräurchen im Berleſeſaal und auf dem Wege zum Schacht ging bereits ſein Kriegsname
non Mund zu Mund und er hat ihn behalten ſein Leben lang.
Praktiſch. „Sinterwanneh“ iſt ein Wort, das man wohl eher für Hinterindiſch, oder
jo ähnlich, als für e<t Saarbrückiſch halten könnte, das aber troß5em einen Beſtandteil
unſeres Dialektes darſtellt, ein Fragewort iſt und „ſeit wann denn“ bedeutet. Bei der
lezten Kältewelle im Februar, die auch unſere Gegend ſo ſtark in Mitleidenſchaft 30g, daß
3. B. die Totengräber vierlerorts nicht in dem gefrorenen Erdreich zu Streich kamen,
geſchah es, daß auch ein biederer Knappe den Weg zum ewigen Frieden antrat. Da aber
au< kaum eine Möglichkeit beſtand, die Grube zu graben, bedeutete man der tieftrauern-
den Gattin, ihren ſich bei der Kälte gut konſervierenden Gatten vorläufig noh bei ſich
zu behalten, was ihr auch ſehr recht war. Hatte ſie doch dadurch ihren Pitter noh etwas
länger. Pitter wurde dann in ſeinem letzten Bett in den kalten Keller geſtellt und ſeine
liebende Gattin betrachtete ihn oft und ſehr lange. Endlich aber wurde doch die Beerdigung
angeſeßt. Die Verwandten fanden ſich ein, aber eh man den Deckel ſchloß, frug einer von
ihnen: „Sah' mol Kätt, ſinterwanneh hat dann der Pitt e ſo e ſchiefi Flentſch?“ „Ac<h,“
erwiderte Kätt ſchluchzend, „wääſc<de, wann ich omends in de Keller gang bin, for Kohle
ze holle, hann ich'm immer die Gruwelamp do eninn gehonk!“ C. Sch.
Auch ein Ausgleich. Ein bejahrter Fuhrmann aus „Daarle“ kam einmal vor Jahren
zu einem Barbier, der zugleich Zahnzieher war, um. ſich einige ihn ſehr, quälende Zähne
zießen zu laſſen. Der Barbier, ſehr vergnügt über den Nebenverdienſt (einen Zahn zu
ziehen koſtete immer 1 MKk.), befreite ihn alsbald von den Quälgeiſtern. Nachdem ſich nun
der tapfere Fuhrmann nach ſeiner Schuld erkundigt und von ihm zwei Mark gefordert
wurven, ließ er ſich noh einen dritten Zahn ziehen. „Un jeßt ſin's doh 3 Mk.?“ fragte
er tarauf den Barbier. Als dieſer das bejahte, ſagte der andere: „Na wääſchde, eich hon
gorkei Zohnweh 'g'hott. Awwer eich hon Eich vor e paar Wuche ä Fuhr Kolle geholl un
do ſin Jhr mir nuch de Fuhrlohn ſchullig. =- M'r muß duch mache, daß mer widder zu
ſei'm Geld kummt!“
Er weiß es beſſer! In einer Beilage der „Saarbr. Ztg.“ veröffentlichte R. Rehäneh
eine Abhandlung über Hexenprozeſſe in Fraulautern. Frau M--r. in vt. Johann lieſt
ihrem Manne dieſe mittelalterlihen Grauſamkeiten vor. Zum Schluß heißt es: „Ver-
brannt wurde an jenem Tage die lezte Hexe des Saartals.“ Darauf der Familienvater:
„Rehänek hat das geſ<rieb? Na, hat de Mann 'ne Ahnung!“
Tolephon 1898
"2 Wm v>
1
|
Yüro-Linrichlungen
Büromaterial aller Arten in nur guten Qualitäien
aue. MN Wi == Wi“
Die deutsche „KAPPEL“-Schreibmaschine
„ROTOTHEK“ das neuzeitl. Karteisystem
igprl-
„20
Äh
inn
Das reichhaltige
SNür uedarighal
fſ
“|
NEEZEED /
NF.
-P
„
„H. ooo
Saarbrücken], EiSenbahnstr.4>-
gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“
Ee
LL
(Wasche
(Leinen
Mluügsteuern
JQEDLSMENN
ba
Hoge VV ag Ner - Schaal
2 a:
Seaphpjjaken
„gargemündergiraße 131
(Strumpfhaus Horch)
Saarbrücken 3
Viktoriastraße 11b
SCSTÜNCGEL 1542
TPEIRSPIECNEr NTI. 98
Der „Babe“. Jm Dorfe zeigten fahrende Leute die Künſte von Bären und Affen.
Der kleine. Becker (die Grube Heini war jeden Werktag ſein Ziel) ſtand mit ſeiner
Familie unter viel Volk. Auf einmal erſcholl die Stimme eines kleinen Knirpſes: „Mame,
heb de Babe, daß er a die Affe ſieht.“ Die Folge: Becker hatte nicht allein einen Nämen,
ſondern einen ganzen Satz als ewiges Anhängſel.
M 22
M7
32006
==vricht- 4 1358
„nter warantie des Landkreises Saarbrücken
Hauptstelle:
“aarhrücken 1, Gerichtsstraße >
(am alten Landgericht)
Zweigstellen:
Abteilung
Sparverkehr :
Dudweiler, Heusweiler, Brebach, Sulzbach u. Püttlingen.
13 Annahmestellen in den Gemeinden des Kreises
Saarbrücken
SGZONSTIGE ZINSSÄTZE für Spareinlagen
(Geheimhaltung durch die Satzungen gewährleistet)
Üepositen- und Scheckverkehr provisionsfrei,
weisungs-Auffräge werden Sorgfältigst erledigt
"J]ber-
rs
Ausv2ahe
von .iIm-
Sparbüchsen:
zur unentgeltlichen Benutzung
En
Für die
„EE 150Zeit :
Al ISGABE VON KOMMUNAL-REISEKREDIT-
BRIEFEN
Mietweises Abgabe von feuer- und einbruchsicheren
Schrankfächern in geräumiger Stahlkammer
Mietpreis von 10 Franken ab pro Jahr, je nach Größe
AGSFEN-
STUN Gen:
81/5 bis 12!/z Uhr vorm. 3 bis 4*/2z Uhr nachmittags,
ausgenommen Samstag nachmittäg.
=“
Saarkalender für das Jahr 1930
Gut gegeben. Drei uzluſtige Städter begegnen einem penſionierten Bergmann. „Guten
Morgen, Vater Abraham!“, ſagt der eine. „Guten Morgen, Vater Jſaak!“ grüßt der
zweite. „Guten Morgen, Vater Jakob!“, ſetzte der dritte hinzu. =- Darauf der alte
Knappe: „I< ſin wedder Abraham, nod Jſaak, noc< Jakob, ſondern Saul, der Sohn des
Kis, der ausging, ſeines Vaters Eſel zu ſuchen un ich han ſe gefunn!“
Gut gemeint. Als im Jahre 1913 das deutſche Volk den einmaligen Wehrbeitrag aufs
bringen mußte zur Komplettierung der deutſchen Rüſtung, kam zu dem Gemeindevorſteher
einer Bürgermeiſterei im Kreiſe Ottweiler ein armer Teufel und wollte 15 Mk. zum Wehr-
beitrag zeichnen. Der Beamte bedeutete ihm, daß dieſer Betrag nur von den vermögenden
Stoatsbürgern aufgebracht werde und er nicht infrage käme. Der Patriot ließ ſich aber
nicht abſpeiſen. Auf die weitere Frage des Ortsvorſtehers, woher er bei der dürftigen Lage
die Mittel dazu habe, antwortete der andere treuherzig: „Ja, Herr Gemeindevorſteher,
Geld han ich käns, eich well die 15 Marke afſetßze!“ -- Der Opferwillige
hatte ſicher ſhon mandhe Mark abgeſeſſen, daher mag ihm der geniale Gedanke gekommen
ſein, ſeine „Sitzſamkeit“ auch einmal in Patriotismus machen zu laſſen. Nur ſchwer konnte
der Mann von ſeiner Jdee abgebracht werden.
Rückſichtsvoll. Der Hauptmann S. vom Regiment 70 hält auf dem großen "Exerzier-
platz eine Gefehtsübung ab. Luſtig knallen die Platzpatronen in den nahen Stiftswald
hinein, = Doch was war denn das? Aus dem Wald ertönten auch Salven. -- Sondoxr-
bar! -- Nicht lange darauf tritt ein Jäger aus dem Waldesgrün, ſchwenkt den grünen Hut
und mad)t ſich ſo bemerkbar. „Stopfen!“ ertönt das Kommando. Von der Kompagnie fällt
kein Schuß mehr. Der geheimnisvolle Jäger kommt näher und macht den Häuptling
darauſ aufmerkſam, daß im nahen Walde und auf Spicherer Bann Treibjagd ſei, an welcher
auch der Garniſonälteſte, General X., teilnehme. Er bat den Hauptmann, das Schießen
vinzuſtellen und abzurücken. Darauf gab der ſpaßige Hauptmann folgenden Befehl dem
Horniſten: „Blaſen Sie zum Sammeln, aber ſo leiſe, daß es die Haſen nicht hören!“
Wenn der Vater mit dem Sohne . . . . In Neunkirchen, in einer bekannten Wirt=-
ſchaft, ging es hoch her: „Salvatorfeſt“, In einer Eke ſizt eine feuchtfröhliche
Korona älterer trinkfeſter Bergbeamterx und die halben Literkrüge wurden fleißig
geleeri. =-- Reichlid) ſpät wird die Sitzung aufgehoben, und es geht ans Bezahlen. Ein
marltialiſcher Steiger hatte die allermeiſten Striche auf ſeinem Bierunterſaß. Die Kellnerin
zählt 21 Halbe heraus. Mit ſelbſtgefälligem Lächeln meint der Meiſtertrinker: „Gelle,
Hulda, eich menn, eich ſinn de Habſchde!“ =- „O ns,“ ſagte darauf die Hebe, „do hinne
am ronde Diſch hinnerm Biffeh ſißt e junger Borſch, der hot ſchon de 23.!“ =- Darauf
der Andere: „Denne muß ich ſiehn, brengeſe ne her!“ -- Die Hulda ging fort und kam
gleich darauf mit dem Rivalen an. Der Steiger ging hin und ſah -- ſeinen Sohn.
In den Armen lagen ſich beide . . . Heim ſind ſie aber noh nicht gegangen.
Der Kunſtkenner. Ein Berliner Freund des S. K. ſchreibt: Wir erhalten Beſuch aus
Neunkirchen und wollen dem braven Landsmann die Reichshauptſtadt zeigen, doch or
mödte nur eine Gemäldegalerie beſuchen. Es geſchieht. Wir bemerken aber ſofort, daß
ihm die Malerei und ihre Würdigung, wenigſtens bisher, ferngelegen hat. Wir nennen
3. B. bei den Porträts die Namen der Künſtler, er hält ſie für die der Dargeſtellten. Da
viele Beſucher anweſend ſind und unſer „Kunſtkenner“ ſehr laut ſpricht, wird uns die
Sache peinlich. Da ſieht er am Ende eines Saales ein Marmorkunſtwerk, auf einem Tiger
hingeſtreckt eine nackte Nymphe, die von der ſchlanken Linie nicht angekränkelt iſt. Um
uns mit ihrem Lehrer eine Schar junger Künſtlerinnen. Unſer Freund bricht mehr laut
als begeiſtert in die Worte aus: „Na, unn weris denn die Dick do!“ Da hielten
wir es aber doch an der Zeit, die Galerie ſchleunigſt zu verlaſſen, das Gelächter der
Jugend höre ich heute noch.
"etl
Saarkalender für das Jahr 1930
mu
TT "ſ«K.
Humor in der Kirche. Mein Vetter R. ſtand mit ſeinen Lehrern und Seelſorgern in
ſeiner Jugend ſtets auf recht geſpanntem Fuß. Daß er im Konfirmandenunterricht ſo
gar nichts lernen wollte, traf den Vater des Jungen beſonders deshalb, weil er dem
Kirchenrat (ſog. Vierziger) angehörte. Als die öffentlihe Prüfung in der Schloßkir<e
ſtattfinden ſollte, war der Pfarrer in einiger Verlegenheit. Uebergehen konnte er den
Sohn eines Vierzigers in der Prüfung nicht; andererſeits wollte ex dem Jungen die
Blamage erſparen, daß er nichts wußte. Deshalb fand er den Ausweg, daß er ihm die
erſte Frage, die im Katechismus ſtand, vorlegte, die lautet: „Mein liebes Kind, was biſt
Du?“ Die Antwort lautet: „I< bin ein Chriſt.“ Dieſe Frage mußte der Junge doch
beantworten können; außerdem machte es einen ganz guten Eindruck, wenn die erſte
Frage in der Prüfung an den Sohn eines Mannes gerichtet wurde, der im Kirchenrat
ſaß. Aber ſelbſt dieſe Frage war ſhon zu ſchwer, denn der Junge erhob ſich in ſeiner
ganzen, damals ſchon beträchtlichen Länge -- er hat ſpäter bei den Küraſſieren gedient --
nahm eine der Situation entſprechende und beſcheidene Miene an und antwortete
demütig mit artiger Stimme: „J<h bin ein Kind.“ Das E<ho war ein allgemeines
Räuſpern und unterdrücktes Lachen in der Gemeinde.
Aus der quten, alten Zeit, als ih noh jung und tatenfriſc<h als Aſſeſſor auf der
Grube Kamphauſen Dienſt tat -- ſo ſchreibt mir ein hoher Bergbeamter -=- vergeſſe ich
nicht ein kleines Erlebnis, das heute der famoſen ſaarländiſchen Anekdotenſammlung des
Saarkalenders vielleicht willkommen iſt. Ein Bergbote wurde tägli< mit Berichten über
dienſtliche Angelegenheiten zum Bergamt nach Saarbrücken abgefertigt. Dieſer wichtige
Bote erledigte ſodann nebenbei für uns in der Stadt noh allerlei Kommiſſionen, wie man
es damals nannte, und verſorgte uns mit allem Nötigen. Der Bergbote, ein gewiſſenhafter,
aber nicht gerade regſamer Geiſt, erhält von mir den Auftrag, Kloſettpapier mitzubringen.
Der gute Mann ſteht ſtill, als wenn er noh auf etwas warte. Jh frage: „Wollen Sie
noh was?“ „Tja, Heer Aſſeſſer, menne Sie nit aa<h, daß et richtiger wär', gleich die
Kuverts dazu mitzebringe!“
Im Wandel der Zeiten. Ein aus Nordamerika im vorigen Sommer nach Jahr-
zehnten heimgekehrtes ſaarländiſches Ehepaar zeigte noch in ſeiner Sprache unverfälſchte
Viundart. Die beiden Alten ſien in dem Cafe Adams in der Reichsſtraße und ſtudieren
mit großem Eifer über die Sehenswürdigkeiten in einem Führer dur< Saarbrücken.
Vieles ſcheint ihnen neu zu ſein, denn man hört am Nebentiſch wiederholt die Worte:
„So war no nix, als m'r nübergingen!“ Die frohe, glückliche Stimmung der biederen,
frommen Farmersleute wird plötzlich geſtört, als der Mann lieſt: „An öffentlichen
Gebäuden . . . .“ „Nanu, Jeſſes,“ ruft er, „ſo war no nix, als m'r nübergingen, ſo'n
gottlos Gedinges han ſicher die liederliche Franzoſen na<g Saarbrigge gebracht!“ An den
NRebentiſchen horht man auf, und als eer ruft: „Mit dem Gedinges ſtimmt ſc<o,“ iſ!
der Freundſ<aftsbund mit den alten Herrſchaften geſchloſſen.
Eine humoriſtiſche Kriegserinnerung. Ein Offizier, der ſhon in der Friedenszeit
bei der Saarbrücker Garniſon wegen ſeiner Rückſichtsloſigkeit bekannt war, führte im
Kriege eine Diviſion. Als deren Kommandeur erließ er eines Tages den Befehl, daß der
bei den Soldaten in den Unterſtänden unſerer Diviſion ſo beliebt gewordene Stock
verboten ſei, weil dieſer Aufzug „unmilitäriſch“ angeſehen werden müſſe. An einem der
nächſten Tage trifft er im Ruhequartier einen Mann ſemer Diviſion mit einem Stock
in der Hand. Außer ſich über die Nichtbefolgung ſeines Befehls haucht er ihn an und
ſchließt ſeine Philippika mit den Worten: „Können Ste mir einen tüchtigen Soldaten
nennen mit einem Spazierſtok in der Hand?“ „Exzellenz, der alte Fritz!“ war die uner-
wartete Antwort. Am nächſten Tag kümmerte ſich Exzellenz niht mehr um unſere
Knüppel.
«
)
1. . I
Saarkalender für das Jahr 1930
Zu gewiſſenhaft. Jh ſtehe auf dem Vorderperron der Straßenbahn. Die Straßenbahn
iſt überfüllt; auch vorne ſtaut ſich alles. Zwiſchen Tür und Führer, eingeklemmt in drang-
voll ſürc<hterliher Enge, ſteht mein Freund Bubbes. So oft der Führer die Klingel tritt,
ſ<hneidet er die blödſinnigſten Geſichter. So gut es bei dem Spektakel geht, verſtändige ich
mich mit ihm: „Was is?“ -- „Ei, der ſteht“ =- nach dem Führer deutend, „met ſeinem
Abſatz uff meinem Krähnau! Autſch!“ -- „Ei, ſahs-em doh!“ -- „I< werre mich hiete!
Do owwe ſteht doh, „Dem Führer iſt jede Unterhaltung mit den Fahrgäſten ver-
boten!“ C. Sch.
Grünanlagen werden jetzt im Saargebiet mit großem Fleiße geſchaffen, um allen Ge-
legenheit zu bieten für bequeme Spaziergänge. Vor einigen Wochen geht der Lenker und
Leiter eines ſaarländiſchen Fabrikortes mit einigen Bürgern durch ſein Herrſchaftsgebiet
und bemerkt in einem rauchigen Viertel eine Menge junger Mädchen oder Frauen mit
Kinderwagen. „Wie würden ſich dieſe armen Leute freuen, könnten ſie im Grünen mit
den Kleinen umherfahren, anſtatt in dieſer dumpfen Straße“, bemerkt Herr X. „Ach
nein“, entgegnet ihm ein kundiger Bürger, „hätten wir den ſchönſten Park, ſie wären
allegar hier. Heute iſt nämlich Lohntag, und die Mädchen lauern den jungen Buben wegen
der Alimente auf.“
Das Mann von die Katz. Bekanntlich hat die franzöſiſche Bergverwaltung, um gefügige
Arbeitskräfte zu erhalten, Bergleute aus aller Herren Länder ins Revier geſchleppt. Ein
Pole, welcher entweder gar nicht oder nur gebrochen deutſch ſprechen konnte, erzählte
eines Tages ſeinen Kameraden bei der Arbeit, daß er viele Mäuſe in ſeinem Hauſe habe
und ſich eine Katze anſchaffen müſſe. Da er aber nur eine männliche Kaße wollte, das
Wort „Kater“ aber nicht wußte, ſagte der Pole nur, er wolle „das Mann von der
K aß“. =- Dieſe originelle Bezeihnung des Kaßzenvaters trug ihm bald den Namen (er
bieß mit Vornamen „Jaſcheck“) „Katerjaſche>k“ ein
Als Kaſernenhofblüten aus der Zeit der 70er und 7. Dragoner kurſieren unter den ehe-
maligen Angehörigen dieſer Regimenter noch zahlreiche, gut verbürgte unfreiwillige Wiße.
Die meiſten ſind allerdings zu derber Natur, von den harmloſen ſei hier einer wieder-
gegeben. In einer Inſtruktionsſtunde der Siebziger ſpricht der Unteroffizier lang und
breit über Kriegsliſt: „Krebs“, ſagt er dann, „geben Sie mir nun ein Beiſpiel an über
Kriegsliſt.“ Krebs: „Kriegsliſt iſt, wenn man den Feind nicht merken läßt, daß man keine
Patronen mehr hat, ſondern immer ruhig weiter ſchießt.“
Von der 20-Groſchen-Schicht. Bergrat Ammon, Kaiſer Rotbart genannt, führte dereinſt
auf der Grube Camphauſen ein ſtrenges Regiment. Ueber die kleinſte Nachläſſigkeit geriet!
er in Erregung, jeder fürchtete ſeine Schärfe. Da trifft er auf einem Waldweg einen
Knappen, der an dem Vorgeſetzten, irgendetwas vor ſich hinmurmelnd, vorübergeht.
Ammon ſtellt den Mann zur Rede, ob etwa das Gemurmel ein ihm ſchuldiger Gruß
bedeuten ſolle. „I<h han Glückauf geſaht, Herr Bergrat, awwer für 20 Groſchen die Schicht
kann ma nit ſo hart (laut) grüße!“ Der Bergrat iſt entwaffnet, lacht und erzählte ſpäter
gerne von dieſer Abfuhr.
Im Zivilkaſino zu Saarbrücken ſaß recht oft ein bekannter Saarbrücker 0 6
guten Tropfen und war erhaben über Raum nD Se Sie AR85 SE Wt au
na<4 Mitlernacht, erſchien ſein Diener auf der Bildflä e: „ e ? I
vx ihn an. SD gnädige Frau laſſen den gnädigen Herrn zur Gardinenpredigt
bitten!“
Zweideutig. Bürgermeiſter zum Ortsvorſteher: „Nu, han ſich ſeit meinem letſchde Be-
ſuch noch viel Vagabunde ſehe laſſe?“ =- Ortsvorſteher: „Nei, ſeit Se zeletſ<d hier warre,
hat ſich kei Geſindel meh gezeigt!“
"ud
Saarkalender für das Jahr 1930
dim
Saarbrücker Schnüß! Ein Zahnarzt hat einer robuſten Marktfrau einen Zahn gezogen;
ſie ſpült gerade nach. =-- Suchend ſchweifen die Augen des Zahnarztes im Raum umher.
Vergeblich! Endlich wendet er ſich an die Marktfrau: „Ah Fraa Schmidt, macheſe doc
nohmohl uff, eich well emohl luhe, ob nich en Eixem Maul de Zang leihe geblieb is!“
Jugend von heute. Vater: „Ihr liewe Kinner! Jhr wiſſen garnet, wie gutt Jhr's
han. I< in Eirem Alder war als froh, wenn ic e Stick drucke Brod knabbere kunnd!“ =
Der kleine Robert: „Jo, Bappe, do kannſchd de jetze froh ſin, daß Du es bei uns ſo gudd
aeloobt haſc<d!“
Eine Erinnerung an den Karneval 1929. Ein beſtens bekannter hieſiger Handwerks-
meiſter, deſſen Hauptfeiertage in die Karnevalszeit fallen, torkelt zur Halteſtelle der
Straßenbahn, Linie 5, am Bahnhof. Begegnet ihm ein Shußmann, den er anhält: Kinne-ſe
-- gli -- mr nit -- gli> -- ſahn -- gli -- um wieviel Uhr is dann? -- Der grinſt,
„Sechſe!“ -- Ja -- fragt unſer Biedermann weiter „omets -- glik -- oder morjens?“
Antwort: „Natürlich morgens!“ -- „So -- ja -- glick -- ich menn -- giſchdert odder
heit2“
„Feine Familie. „Nun, mein lieber Schmidt, wie geht's Euch und Euerer Familie?“
fragte vor Jahren Landrat v. Gärtner einen ihm bekannten Daarler Bürger. =- Darauſ
dieſer: „O, Herr Londrat, e--ich ſin merci, mei Kinn un mei Fraa ſin geſond, nuhre de ald
Motterſau is ſeid vorgiſchder ebbes grangelig!“
Ein Lebenskünſtler. In Völklingen lebte ein alter Spaßvogel, ein Hüttenpenſionär.
Mit dem ernſteſten Geſicht verkohlte er die neugierigen Leute wie folgt: „Sehe Se, ich
[ebb nuhre vun Grumbiere. Zeerſchd gebb ich ſe de Saue ze freſſe und hernohde eß ich
de SauLv ſelwerſchd.“
Saarbrücker Frageſtellung. Ei, wo ſinn dann die do, vunn dem do Diſch dohin?
Richtig. Es iſt beim Abiturientenabſchied. Prof. St. hält die Abſchiedsrede, ſich ſelbſt
mit Plutarch vergleichend, der ſeine Schüler erſt zum Leben bildete und ſie dann noh mit
weiſen Lebensregeln verſehen, hinausſchickte in die Welt. „Allerdings,“ fügt er dann hinzu,
„was aus ihnen geworden iſt, wiſſen wir nicht,“ was meinen Nebenmann, einen Abi-
turienten, veranlaßt, aus tiefer Bruſt und Ueberzeugung mir mit hohler Grabesſtimme ins
Ohr zu flüſtern: „Tot ſin ſe!“ C. Sch.
Die Weiße Woche. Zu einem hieſigen Großkaufmann, der durch ſeine witzigen Einfälle
bekannt war, kommt ein Freund, ſieht die Pracht der Ausſtattung zur Weißen Woche, die
vielen ſich durch die Gänge drängenden Käufer und fragt, wie man mit dem Umſatz zu-
frieden ſei. „Schlecht, das Geſchäft iſt miſerabel, jeder macht Weiße Woche. Selbſt Boben-
rieth (bekannte Pferdemetgerei) hat Weiße Woche angekündigt.“ „Nanu, wieſo?“ „Na ja
doh, er hat einen Schimmel geſchlachtet.“
Die ſchwere deutſche Sprache. Auf einer Inſpektion (damit der Erzähler nicht erkannt
wird, bleibt der Name verſchwiegen) wurde neulich einer Abteilung vorgeworfen, daß dex
Förderungsſoll“ nicht erreicht worden ſei. Die betreffenden Bergleute beſtritten die Min-
derförberung. Aber der Herr Ingenieur =- aus Paris -- ließ nicht locker. Er rief aus:
„Es iſt nicht verbotten zu machen ein wenig zu viel.“
Die älteſten Leute. Der „Saarbrücker Zeitung“ wird am 24. Auguſt 1928 aus Simmern
gemeldet: Eine geiſtreiche Antwort gab dieſer Tage ein Ortsgewaltiger eines Hunsrück-
dorfes auf die amtliche Anfrage, wie die Namen der fünf älteſten Leute des Ortes lauteten.
Als Beſcheid kam zurück: „Iſt heute nicht mehr gut “feſtzuſtellen, da die fünf älteſten
Leute im lebten Winter geſtorben ſind.“
Lo
Saarkalender für das Jahr 1930
Die Konferenz! „Warum haſt du mid) geſtern nicht zum Eſſen ausgeführt, wie du
doh verſprochen hatteſt?“ „Ach, Kind, ich war dur<h eine Konferenz unaufſchiebbarer
Natur verhindert.“ „Mein Gott, hat deine Frau einen langen Namen!
Aus dem Ehehimmel. „Morgen werden es 25 Jahre, daß wir verheiratet ſind. Meinſt
du nicht, wir ſollten ein Huhn ſchlachten?“ „Was ſoll man denn das arme Tier ſtrafen
für etwas, was vor 25 Jahren paſſiert iſt?“
„Und die Gewohnheit nennt er ſeine Amme!“ An dies Wort Schillers mußt ich denken,
als ich zwei Frauen über eine Schar Kinder plaudern hörte, die trotz ſtarkem Autoverkehr
auf der Straße ſpielten. Einer der Buben war auffallend klein und im Wachstum zurück-
geblieben. Eine der Frauen: „Wem iſt denn der kleine Jung do?“ „Ach, der do, der ts
dem dicken Bäcker do driben, der macht ja alles ſo klein!“
Moderne Herzen. Jn der Abenddämmerung ſtrebe ich den heimiſchen Penaten zu
und komme in die Altneugaſſe. Vor mir trippeln auf hohen Stöckelſchuhen zwei hübſche
junge Mädchen und unterhalten ſich lebhaft von „ihm“. Jh höre beluſtigt zu. „Marie,“ ſagt
die eine, „meiner hat mir ſeidene Strimpfe verſprohe, awwer, wenn's druff ankommt,
guatſc<t er blos von Liebe!“
„Uffgeknöppt!“ Während einer ſtarkbeſuchten Verſammlung in einem Saarbrücker
Saal iſt eine Dame ohnmächtig geworden. Man trägt ſie in ein Nebenzimmer und ruft
einen in unmittelbarer Nachbarſchaft wohnenden Arzt zu Hilfe. Der Bote tritt bei dem
Arzt ins Zimmer und ſagt mit erregter Stimme: „A<h Gott, Herr Dokter, kumme Se fix
emohl, do is e Dahm ewe in Ohnmacht gefall, es is e hibſch jung Fraa, uffgeknöppt
han ich ſie ſchun ſelwer!“
Sogar. Bei der ehemaligen fürſtlich-ſaarbrücker Garde war, wie auch ſonſtwo, Vor-
ſ<Hrift, daß, wenn ein Unteroffizier heiratete, die Braut 300 Taler Kaution zu ſtellen
habe. Da war der Unteroffizier Siegel, gebürtig von Darlen, der ſich eine Braut in
Biſhmisheim geſucht hatte. Befragt, ob ſie auch die nötigen Heiratstaler beiſammen habe,
erwiderte er: „Dreihunnert? -- Mr munkelt ſogar vunn Dreihunnertunfünf!“
Tex Verräter. Die Familie hat Beſuch, der kleinſte Sohn kommt ſchmutzig vom
Spiel auf der Straße, um die liebe Tante zu begrüßen. Mutter: „Eh' du die Hand gibſt,
geh" in die Küche und waſche dich!“ Es geſchieht, bei ſeiner Rückkehr fragt er harmlos:
„Mutti, haſt du früher Reichsbahn geheißen?“ „Du dummer Bengel, wie kommſt du
darauf?“ „Na, auf dem Handtuch in der Küche ſteht es do<H: Reichsbahn.“
Italieniſches Saarbrücker Deutſch. Beim Zinnigießer (Zinngießer) Alberti, der lange
vor dem Kriege ſich in der Talſtraße angeſiedelt hatte und ſich ein leidlich gutes Saar-
brücker Deutſch angeeignet hatte, las ich eines ſchönen Tages an der Ladentüre:
Aide nomihdah zudispir, Gind kabut!, womit er ſagen wollte: Heute nachmittag
gei<hloſſen (zugeſperrt)), Kind geſtorben! C. Sh.
Er weiß es. In Ensheim war „Sc<nidderſch Frenz“ das früher überall übliche
Original. Bei einer Bittprozeſſion gegen Hagelſchlag und ſonſtige Schädigung der Korn-
frucht, bei der ſich die Teilnehmer dreimal um den Bann bewegten, ſtand plößlich
der Frenz mitten im Wege und winkte ab. „Ihr Leit,“ rief er, „dr gehn dreimol um
die Miehl erum, do leid" die Frucht mehr not, wie drauß in em Feld!“
Sportbegeiſterter Saarbrücker. Ein junger Sportler erzählt ſeinem Freunde begeiſtert
von dem ſiegreichen Endſpurt ſeines Bruders Robert: ,. . . . un dann iſſer gelaaft, eich
ſahn Dir gelaaft, daß ſei Knie Funke geſchlah' han! . ... “
b.-.
| "et
Saarkalender für das Jahr 1930
„Aben Sie was ßu verßollen??? =“ Jd< wette -- ein jeder von uns, der einmal über
die Grenzen unſeres lieben, vom Völkerbund ſo eigenartig „beſchüßten“ Saarländchens
gefahren iſt, hat ſhon das eine oder andere Geſchihthen mit den Zöllnern gehabt. Im
Abteil zweimal Zweiter! Wir kommen von Merzig allmählich na; Mettla< und
freuen uns über den einen Vorteil, daß wir bei der Zollreviſion nicht wie bei der Einfahrt
auszuſteigen haben, daß der Zöllner ſo liebenswürdig iſt und zu uns kommt . . . .
„Aben Sie was fu verßollen???“ So frug er jeden der Reiſenden und ſteckte ſeine
amtseifrige Naſe in Koffer, Handtaſchen, Körbe uſw. Nun war im Abteil ein altes Frau-
chen mit einem mädtigen Gemüſekorb. Sie kam jedenfalls von irgend einem Markte,
hatte aber ſcheinbar, wie das mürriſche Geſicht verriet, keine beſonders guten Geſchäfte
gemacht.
So kommt der Zöllner auch zu der Frau und ſchnarrt ſein eingedrilltes Sprüchelchen*
„Aben Sie was ßu verßollen, Madame. =- Was aben Sie in dem Korrb???“ Zuerſt ein
langes Schweigen und dann mit einem Blick -- ſo voll Verachtung: „Zundsfutten!“
Der Zöllner aber iſt im Moment verblüfft. . . Man merkt es ihm an, wie er ſeinen
deuiſchen Wortſhaß durchſucht. Dann nimmt er plößlich ſein Buch mit den aufgezetch-
neten zollpflichtigen Gegenſtänden . . . „Andtaſchen . . . Aſen . . . Emd/5:. Oni 5.227"
Schüttelt den Kopf und ſagt: „Undsfutten??? -- Nix ßu verßollen!“ .
Der „Liener“. Der alte K. in Sp. war als Aufſchneider bekannt. Wenn er beim
Sonntagsnachmittagsſhoppen ſaß, ſo hatte er ſich bald in eine Unterhaltung hinein-
gemiſcht, hatte dann viel mehr erlebt, wollte alles beſſer wiſſen uſw., dom mußte er ſich
oft ein Zerzauſen ſeines Geredes und ein Auslachen gefallen laſſen. Zwei ſeiner Auf-
ſchneivereien ſeien hier wiedergegeben.
Die erſte erinnert an das Leſeſtück vom großen Kohlkopf und der Lügenbrücke. „Heit
han ich im Dingmerter (St. Ingberter) Wald 100 Haſe geſiehn,“ ſo begann K. am Bier-
tiſch. „Das 15 ausgeſchloſſe, ſoviel Haſe gebt es gar net mer“, antwortete ſein Nachbar
zur Rechten. „Wenn ich's Eich ſan, es könne awer 70 gewehn ſinn.“ „Biſcht verrickt.“ Aus-
ruf eines vis-a-vis. „Vielleicht waren's a nur 30“, verteidigte ſich K. „Wenn Du noch zehn
geſat häſcht“ ein Dritter. „Zehn Haſe müſſen's awer gewehn ſinn.“ K. gab es nicht auf.
„Quatſc< net ſo dumm, 10 Haſe lafen net z ſamme,“ entgegnete ihm ſein Nachbar zur
Linken, „iwrigens war ich geſ<htern im Dingmerter Wald unn han Rehläppcher geſucht
unn han ke Has geſiehn, die Franzoſe han jo alles abgeſchoß.“ Und was antwortete nun
K.? „Es muß awer e Has gewehn ſinn, ich han geſiehn, wie das Gebiſch ge:vackelt hat.“
Naturgeſchichtliches. „Das Kamel kann acht Tage lang arbeiten, ohne zu ſaufen“,
erzählte Herr X. ſeiner ſehr zungenfertigen Frau. =- „Das iſt noH gar nichts,“ erwiderte
dieſe, „ich kenne ſogar ein Kamel, das acht Tage ſaufen kann, ohne zu arbeiten!“ =- Herr
X. ging ſtill ins Nebenzimmer.
Der unvorſichtige Kirmsbeſucher. Vom alten Juſtizrat L., über deſſen originelle Art
der Verteidigung der Saarkalender wiederholt gemeldet hat, wird mir noch folgender
Fall mitgeteilt. Auf einer Kirmesſchlac<ht wird einem Teinehmer mit einem Bierglas der
Schädel eingeſchlagen. Bei der Gerichtsverhandlung konſtatiert der Arzt: „Der Er-
ſchlagene hatte allerdings eine ganz ungewöhnlich dünne Schädeldecke.“ Da ſpringt L.
auf und ruft: „Aber, mine Herren Geſchworenen, wat hat ſo'n Mann mit ſo'ne dünnr
SchädeldeK uf ner Kirmes zu ſuchen. Da is min Klient dat Opfer vun ſo'nem
Leichtſinn. Der arm Mann kann doh nich für 'ne Kirmes unbrauchbar Schädeldeck ver-
antwortlich gemacht werden.“
Eiferſucht iſt eine Leidenſchaft, die mit Eifer ſucht, was Leiden ſchafft. Eiferſucht,
hier freilich gaanz unberechtigt, führte beim Jean häufig zu unerquicklichen Szenen. Rede und
Widerrede ziteten dabei troß all" ſogenannter Bildung zu derben Wünſchen aus. Wieder
brandete t.,e Galle, und die Gattin wirft ihrem einſt ſo geliebten Jean an den Kopf:
„Du mic<ß auch!“ Worauf ex, vor Eiferſucht raſend, zurückbrüllt: „Sooo? Wer denn noh?“
L.
|
4
Wie. +-=
Saarkalender für das Jahr 1930
Marktverzeidnis.
Saarbrücken-Stadt.
St. Johann : Kram- und Diehmarkt : Dienstag,
7. Ianuar; Dienstag, 18. März; Dienstag, 6. Mai;
Dienstag, 1. Juli; Dienstag, 26. Auguſt; Diens-
tag, 30. September; Dienstag, 18. Uovember
Wodenmarkt: Dienstag, Donnerstag und Sams
tag jeder Wode.
St, Arnual: Krammarkt: Sonntag, 5. Oktober; lon-
tag, 6. Oktober.
Burbac<: Schladhtviehmarkt: Montag und Donnerstag
jeder Wo<e. Wodenmarkt: Mittwo<h und Sams-
tag jeder Wode.
Malſtatt: Wo<enmarkt: Dienstag und Freitag jeder
Wode.
Saarbrücken-Land.
Dudweiler: Wochenmarkt: Vontag und Freitag jeder
Wode.
Friedrichsthal: Wochenmarkt: Donnerstag jeder Wode.
Bildſtom: Wo<enmarkt: Freitag jeder Wode.
Heusweiler: Kram- und Diehmarkt: Donnerstag,
6. März; Mittwo<, 28. Mai; Mittwo<, 1. Okto-
ber. Wodenmarkt: Donnerstag jeder Wode.
Kleinblittersdorf: Wohenmarkt: Dienstag und SamsS-
tag jeder Wode.
Ludweiler: Kram- und VDiehmarkt: Donnerstag,
15. Mai; Dienstag, 16. 'September. Wochenmarkt:
Donnerstag jeder Wode.
Großroſſeln: Wodenmarkt: MittwoM und Samstag
jeder Wodhe.
Püttlingen: Kram- u. Diehmarkt: Dienstag, 15. April;
Dienstag, 19... Auguſt; Dienstag, 21. Oktober.
Wod<henmarkt: Montag jeder Wode.
Quierſchied: Krammarkt: Sonntag, 17. Auguſt; Mon-
tag, 18. Auguſt. Wo<enmarkt: Mittwo< u. Sams-
tag jeder Wode.
Fiſ<bac<h: Krammarkt: Sonntag, 11. Mai; Montag,
12. Mai.
Göttelborn: Krammarkt: Sonntag, 27. Juli; Wiontag
28. Juli.
Güchenbac<h: Wohenmarkt: Mittwo< jeder Wod<e.
Engelfangen: Krammarkt: Dienstag, 1. Juli; Mon-
tag, 22. September. Wodenmarkt: Freitag jeder
Wode.
Sulzba<: Wodenmarkt: Montag und Freitag jeder
Wode,
Altenwald: Wo<henmarkt: MittwoH und Samstag
jeder Woe.
Dölklingen: Kram- und Diehmarkt: Donnerstag,
6. Februar; Donnerstag, 5. JTuni; Donnerstag,
5. Juli. Krammarkt: Sonntag, 21. September;
Montag, 22. September. Diehmarkt: Dienstag,
23. September. Wodenmarkt: Wittwo< u. Sams-
tag jeder Wode.
Wehrden: Krammarkt: Sonntag, 11. Mai.
Geislautern: Krammarkt: Sonntag, 17. Auguſt
Fenne: Krammarkt: Sonntag, 15. Iuni.
Kreis Saarlouis.
Sanrfowis: Suht- und Sdladchtviehmarkt: Dienstag,
28. Januar; Dienstag, 18. JFebruar; Dienstag,
29, April; Dienstag, 20. Mai; Dienstag, 1. Juli;
Dienstag, 22. Juli; Dienstag, 30. September;
Dienstag, 28. Oktober; Dienstag, 4. Uovember;
Dienstag, 2. Dezember. Krammarkt: Montag,
7. April; Montag, 1. September. Kram-, Zucht-
und Sc<hlahtviehmarkt: Dienstag, 8. April; Diens-
tag, 2. September. Sdladchtviehmarkt: Dienstog
jeder Wo<e. Jerkelmarkt: Freitag jeder Wode,
Wodenmarkt: Dienstag und Freitag jeder Wode.
Saarwellingen: Wo<enmarkt: Samstag jeder Wode.
Bettingen: Wochenmarkt: Freitag jeder Wode.
Fraulautern : Kram- und DVDiehmarkt: Montag,
10. Februar; Dienstag, 17. Iuni. Krammarkt'!
Sonntag, 15. Juni; Montag, 16. Iuni. Fohlen-
markt: Mittwo<ß, 13, Auguſt. Wodenmarkt:
Mittwo< jeder Wode.
Hülzweiler: Krammarkt: Sonntag, 10. Auguſt, Mon-
tag, 11. Auguſt. Kram- und Diehmarkt: DienS-
tag, 12. Auguſt. Wodenmarkt: Mittwo< und
Samstag jeder Wode.
CTebac<: Kram- und Diehmarkt: Mittwo<h, 8. Januar;
WMittwo<, 12. Februar; Mittwo<, 12... März;
Wlittwo<h, 9. April; Mittwoch, 14, Mai; Mittwo<
11. Juni; Mittwo<, 9. Iuli; Mittwoh, 13. Auguſt;
Dienstag, 9. September; Mittwo<h, 22. Oktober;
Mittwo<, 12. November; Mittwo<, 10. Dezember,
Shweine- und Wodenmarkt: Mittwo< ieder
Wode.
Diefflen: Wo<enmarkt: Mittwo< jeder Wode.
Felsberg: Diehmarkt: Montag, 22. September,
Berus: Krammarkt: Montag, 22. September.
Bous: Diehmarkt: Dienstag, 1. Iuli. Wochenmarkt:
Mittwo< und Samstag jeder Wod<e.
Dillingen: Kram- und Diehmarkt: Donnerstag,
20. März; Dienstag, 1. Iuli; Donnerstag,
16. Oktober. Wodenmarkt: Montag u. Donners-
taa jeder Wodhe.
Kreis Merzig.
Merzig: Rindvieh- und Sdweinemarkt: Dienstag,
18. März; Dienstag, 13. Mai; Dienstag, 5. Auguſt,
Freitag, 3. Oktober. Krammarkt: Montag,
23. Juni; Montag, 8. Dezember. Kram-, Rind-
vieh- und Sd<weinemarkt: Dienstag, 24. IJIuni;
Dienstag, 9. Dezember. Wodenmarkt: Dienstag
jeder Wohe. Wo<en- und Sh<Hweinemarkt: Freitag
jeder Wode.
Kreis Ottweiler.
Wiebelskir<en: Krammarkt: Sonntag, 14. September;
Montag, 15. September. Wochenmarkt: Dienstag
und Donnerstag jeder Wo<he.
"4 7
Saarkalender für das Jahr 1930
ell
Gttweiler: Rindvieh- und S<weinemarkt: Mittwoch
8. Januar; Mittwo<ß, 12. Februar; Ulittwoh
26. März; Mittwo<h, 9. ASpril, WMittwo<, 14. Mai;
Mittwo<, 11. Juni; Ulittwohß, 9. Iuli; Mittwoch
13. Auguſt; Mittwo<ß, 22. Oktober; Wittwo<
10. Dezember. Kram-, Rindvieh- und Sdweine-
markt: Dienstag, 30. September; Wliittwo<
26. Uovember. Wochenmarkt: WMittwoH u. SamS-
tag jeder Wode.
Veunkir<en: Schlachtviehmarkt: Vlontag jeder Wode.
Wodenmarkt: Dienstag, UlittwoM, Freitag und
Samstag jeder Wode.
Schiffweiler: Wo<enmarkt: Mittwo< jeder Wode.
Heiligenwald: Wochenmarkt: Dienstag und Freitag
jeder Woche.
Wemmetsweiler: Wohenmarkt: UlittwoH und SamSs-
jeder Woche
Illingen: Kram- und Diehmarkt: Dienstag, 11. März.
Kram-, Rindvieh- und Sc<weinemarkt: Donners-
tag, 5. Juni; Donnerstag, 11. September; Diens-
tag, 11. Uovember. Wochenmarkt: Dienstag und
Freitag jeder Wode.
Mer<weiler: Wodenmarkt: Dienstag und Freitag
jeder Woe.
Dirmingen: Kram-, Rindvieh- und Sdweinemarkt:
Dienstag, 4. März.
Spieſen: Wo<enmarkt: Freitag jeder Wode.
Elversberg: Wochenmarkt: Donnerstag jeder Wod<e.
Tholen: Rindviehmarkt: Donnerstag, 27. Jebruar;
Mittwo<, 7. Mai, Mittwo<, 4. Iuni; Mittwoh,
2. Juli; Mittwo<, 6, Auguſt; Mittwo<, 3. Sep-
tember. Krammarkt: Freitag, 13. -IJuni.
Kreis St. Wendel.
St. Wendel: Kram- und Diehmarkt:-; Donnerstag,
6. Februar; Donnerstag, 10. April; Wlittwod,
11. Juni; Donnerstag, 17. Juli: verbunden mit
6 1
KL
|
IN
2-10
Prämiierung: Dienstag, 28. Oktober; ohne Prä-
miierung: Donnerstag, 4. Dezember. Fohlenmarkt:
Donnerstag, 14. Auguſt. Diehprämienmarkt: Don-
nerstag, 4. September, Diehmarkt: Donnerstag,
6, Uovember; außerdem Diehmarkt: jeden erſten
und dritten Donnerstag im Monat. Wodenmarkt:
Wontag jeder Wo<e. Sdweine-, Frucht- und
Wodhenmarkt: Donnerstag jeder WodHe.
Bezirk St. Jngbert.
Blieskajtel: Krammarkt: Wontag, 1. September.
Wodgenmarkt: Dienstag und Samstag jeder Wodhe
Ensheim: Spiel- und Zuckerwarenmarkt: Sonntag,
29. Juni; Montag, 30 Juni.
Eſchringen: Spiel- und Zuckerwarenmarkt: Sonntag,
10. Auguſt.
LCTaußkir<en: Obſt- und Gemüſemarkt: In der Zeit
vom 1. Auguſt bis 1. Oktober Montag, Wittwo<
und Freitag jeder Wod<he.
Gersheim: Rindviehmarkt: -Montag, 6. Ianuar; Mon-
tag, 7. S&pril; Montag, 7. Iuli; Montag,
6. Oktober. Sdweinemarkt: Jeden erſten und
dritten Montag im Monat.
Ingbert: Krammarkt: Montag, 3. Februar; Mon-
tag, - 14. SEpril; WMontag, 16. Juni; Sonntag,
9. Uovember; Montag, 10. Uovember. Woden-
markt: Mittwo< und Samstag jeder Wode.
Schnappaß: Krammarkt: Sonntag, 24. Auaquſt; Won-
tag, 25. Auqauſt.
Bezirk Howburg.
Homburg: Krammarkt: Wontag, 15. September.
Wodenmarkt: Dienstag und Freitag jeder Woche.
Mittelbexbac<h: Krammarkt: Sonntag, 9. März, Mon-
tag, 9. Juni; Sonntag, 27. Juli; Sonntag,
21. September.
Limbach: JFerkelmarkt: Freitag jeder Woche
Saarkalender für das Jahr 1936
KI3WO.
„Unſer der Wille zur Wende,
Unſer der heilige Schwur:
Dein ſind Herzen und Hände,
Deutſchlands. du leuchtende Flur!“
m Haag, welc<' harfendes Gequäle!
(78 brachte nicht der Heimkehr Glück;
Doh wißt, daß dies die Seele ſtähle
Des Völkerbundes „Meiſterſtük“.
Die Heimat kennt kein dumpfes Zagen,
Sie hat auf ſturmumtoſter Wacht
In ſtolzem Trotze ſich geſchlagen
Bei Sonnenbrand und dunkler Nacht.
Und wenn der Sturm auf wildem Jlügel
Durch unſ're Buchenwälder weht,
Die frohe Mär ob Tal und Hügel
Zum fernen, fernen Deutſchland geht:
„Wir werden ſtark und einig wahren
Den deutſchen Geiſt zu jeder Jriſt;
Die „Saar“ ſo ſchön in Jriedensjahren,
Doh größer no< im Unglüd iſt.
Ein Vorbild euch, wo deutſches Leben
So ſelbſtbewußt empor ſich ringt,
Und Hand in Hand ein heldiſch Streben
Dem Reiche ſchwere Opfer bringt.
Wo jede Schranke leicht gefallen,
Sobald das deutſc<e Sehnen mahnt,
Ein einzig Wollen in uns allen
Zu neuer Höh' die Wege bahnt.“
Und du, mein Vaterland, wann findet
Der Geiſt auch dich, der Einheit bringt,
Tiefinnerſt alle, alle bindet,
Soweit die deutſ<e Zunge klingt?
(Cs hängen tief die Wolken nieder
Wohl ob dem Land vom Fels zum Meer;
Germanentkraft, ſie kehrte wieder,
Wenn nicht die wilde Selbſtſuc<t wär".
Denkt groß und bringt erſehnte Kunde,
Ein Wort nur, das die Welt durc<hallt:
„Der deutſchen Einheit ſchlug die Stunde!“
Mit ihr der fremden Oier Gewalt. A. Z.
WS
Saarkalender für das Jahr 1930
Ee ====-
=
Inhaltsverzeichnis.
Saarantwort an die As80ciation
francaise de 1a Sarre v. A. 3.
Dem Saarkalender 1930 zum Ge-
leit v. Senatspräſident DO.
Andres 272
Vorwort v. A. Z.
Kalendarium
Landſchaftsbild aus dem Warndt
Rundſchau v. A. Z.
Kohlenlied a. d. Jahre 1865
v. Prof. Dr. Kloevekorn .
Zum. Tode verurteilt, die Tra-
gödie Jakob Johannes v.A. Z.
Bild von St. Ingbert .
Begräbniſſe in der Peſtzeit v.
Prof. Dr.. Kloevekorn . . -.
„Freiheit, Bildung, Wohlſtand“
M 22 2 55
Winbterbilder von der Saar .
Die Ausländer im Saargebiet
v. Ernſt Paul . . .
Schußbündnis der Saarbrücker
u. St. Johanner v. Prof. Dr.
h. e- Ruppersberg . -
Zum 100jährigen Todestag der
Gänſegretel v.A. Z. - :
Das Rätſel des „Eheproblems“
EE 1a is .
Der Luftkrieg gegen die untere
Saargegend vw. R. R. Re-
hänek. .
Das Refovrmationsfeſt v. L. D.
Morgengloken, Gedicht v. Alb.
Korn GATT
Eine ſaarl. Faſtnachtsgeſchichte
v. Liesbet Dill . .
Wo wohnt Dr. Triller? Gedicht
v. Ernſt Paul . .
*x'
“
i-,
HB
1
)
So'*s
11
4--5
6-7
8-31
32
33....35
36
37-41
41
49
43-44
45
41
47
48--57
-4*
59-67
67-88
ß8
69--72
79
ewt.
1eDememmum
Militäriſches aus der Fürſten-
zeit v. R. R. Rehänek . . .
Programm über die Weihe des
St. Johanner Friedhofs, 24.
Juni 1846, Dokument im Be-
ſiße des Herrn Julius Becker
Das Rezept v. Liesbet Dill .
Saarbrücker Denkmalbilder .
Wiegenlied und Der ſchönſte
Garten, Gedichte von Otto
Bruchhaus, Neunkirchen . .
Ein Zeitbild a. d. Z0jährigen
Krieg v. R. R. Rehänek . .
Eine Saarbrücker Begebenheit
0. W5 Xe 4
Das Schickſal eines Sclipſes
v. Liesbet Dill . :
Dialektgedichte v. Friedr. Schön
und C. Shumann .. . -
Bilder v. Gemeindehaus Wart-
burg und Guſtav-Adolf-Haus
Jean Lüttgens, Rheinlands Eiche
v. Geheimrat Dr. h. ce. Hilger
Ein Tag im Paradies v. A. Z.
Wichtiges über das wichtigſte
Reht der Saarbevölkerung
v. Otto Ekler .. . -
Gegen politiſ<e Erpreſſung v.
32005
Bild von Tholey .
Wie an der 'Saar der Kleebau
( offiziell eingeführt wurde v.
Walter Henne . . . ;
Bergmannslos, Erinnerungen ei-
nes alten Saarknappen v. G,
Klein . .
Im goldenen Lamm v. €.
SHhumann i
Soi
m "=>
„€
74-75
76
7
78
79
80-82
83
84--86
28
R7
88--89
90---94
95--99
99
100
101-102
103---105
106-107
Saarkalender für das Jahr 1930
meet
Sy
"44;
"
Vom Ausguck auf dem Winter-
berg v. Honnes
Der verfehmte Sängerſpruch
vy. “CA. Lange... 7.
Verſeimdi Lieb, Gedicht von
Karoline. Kloß . .
Winterbild vom Felſenweg
Der Friederikenſhienenweg
Der Geiſediwwel v.- Geheim-
rat. Dr.) lh. &. Hilger!
„Nee, iH mahn nit“ v. Ernſt
Paul "> .
407
108
108
108
1009
110-411
111
Alt-Saarbrüker 'Schülerſtreiche 112--113
Rekord v. Chr. Kliebenſtein
Felsgebilde auf dem Großen
Stiefel, Bild ,
Freundliche Einladung v. C.
Schumann . .
Blinder Eifer ſchadet nur von
Ernſt“ Paul “5 -
Kennſt Du das Land? v. A. Z.
Die Saarbrücker Roſenjung-
frauen v. Prof. Dr. hh. <.
Ruppersberg .
Saareho
Kunſtkeramik avs Mettlach,
Bild: 1.2,
Auf der Ludwigshafener Rhein-
brücke vor 10 Jahren v. Ernſt
Paul 555
Dienſt am Volk v. G. Klein . .
Siedlung am Steinwald bei
Neunkirchen, Bild . .
Ein Aktenſtük aus Dudweiters
Vergangenheit v. A. Z.. . .
Unprogrammäßiges b. Kaiſer-
beſuch 1904 8
112
114
114---116
117--118
118--119
4,4
119
120--121
121
122
1922
122
124-125
1925
5
Die Kundgebung in Münſter,
8. u. 9. Juni 1929 vw. A. 3
Der Daarler Bub, Allerhand for
Saarbriker Sprich, Aus der
guten alten Zeit 41763,
Pfälzer Kinner ,
Wie man ſich vox 100 Jahren
vom Heeresdienſt befreite ,
Verbeſſerung der ſtädtiſchen
Finanzen im 18. Jahrhundert
Das ganze Deutſchland ſoli es
fein 4 7
Zeittafel zur Geſchihte des
Saargebietes vom 1. Auguſt
1928 bis 30. Juni 1929 v.
A. Z35. 4...
2. Bundesfeſt d. Saar-Sänger-
Bundes in Neunkirchen (Saar)
Notzeiten an der Saar wor 100
Jahren vv. A..3.:. ..
Funkſtation des DSaargebietes
auf dem BPetersberg bei
Saarbrücken WE RS
Von der alten Saarbrücker
Stadtverfaſſung v. Prof. Dr.
Ruppersberg .
ChriſtkönigskirHe in Saar:
brücken - . .
Humoriſtiſc7e Grabinſchriften .
Ehvenmal des Weſtf. Dragoner:
regiments Nr. 7
Notizen aus dem Biſc<mishei-
mer Kirchenbuch v. A. Z. . -
Heiteres aus. dem Saargebie!
... 4.23...
Marktverzeichnis
Schlußwort von A. Z.
Inhaltswerzeichnis
<= gn
Sp3to
196.128
129
130
131
191
132-144
142
145-147
14"
148-149
in
149
150---151
152
152-153
154--166
167-168
169
170-171
did
Seine Auffaſſung. Fritßhen (in der Zeitung leſend): „Dampfdreſchmaſchine.“ -- „Du,
Bappe, das do muß awwer ariq weh duhn'“
AE ME
EISENKONSTRUKTIONEN
HEBEZEUGE
TRANSPORT
- ANLAGEN
AUFZÜGE
SAARBRÜCKEN - BURBACH|
“m
/
|
Eine „brennende“ Frage. Der Bau des Krematoriums auf dem Südfriedhof rief
erregte Debatten in allen Kreiſen hervor. Hier ein Disput von einem Stammtiſch: „Friz,
laß dich verbrenne, das is heid modern un koſcht nure tauſend Franken.“ „Nee, dann
laß ich mich awwer erſt recht nit verbrenne!“ „Warum nit?“ „Na, denk ens an, tauſend
Franken und dabei muß mr od) noh et Material ſtelle!“
5
im“ |
dj
4
+ 8
(|
"
|
.
(S-
«v2arBbrüczen
Gegr. 1371 Telephon 3810-4;
VE NR T.R
ET UNGEN;
Ronsdorferstralße
Püsselideorf Mannheim
Cc 4.8
SKSEN- UND My 4L1-GROSSHANDLUNG
KOWOTORAE.
JerjE TYPEN
JUL BKEISS
Inhaber: Heinrich Reiss
Gegr. 1874 Landwehrstr. 9 Tel. 224
Feinstle Referenzen über
„usgetührte größ. Anlagen
7
..
IRDAPPARA:;
H
ANITÄRE EINRICHTUNGEN
Gas, Wassger, Lüftung, Dampf-
Anlagen, Wasserleitungsbau
AABBRÜCK N 3
Eg
]
3
Der neue Hut. Der Leiter eines ſaarländiſchen Geſchäfts ſchreibt mir: „Ein Ehepaar
aus Dudweiler betritt meinen Laden. Sie ſucht eine geſchlagene Stunde nach einem
Schutenhut. Endlich hat ſie den rechten gefunden. „Na, Sepp, gefällt dir mei Hutt aach?“
„Om“, brummt der Mann, „uff'm Ständer ſchaut er awwer beſſer aus!“
;
4
I“
N
F:
8
N
"
y
|
F
ZMBH - BAUUNTERNEHMUNG
GROSSHERZOG - FRIEDRICH - STRASSE 64-68
FERNSPRECH-NUMMERN 30065, 3006 UND 3040
BAUBÜRO: SAARLOUIS-FRAULAUTERN,
ENGELSTRASSE 65, FERNSPRECHER NR. 648
TELEGRAMM-ADR. RAUWALD-SAARBRÜCKEN
SAAKZREI
2ETON- U?.
EISENBETON ..
YDUSTRIEBAUTEN / HALLEN / LAGERHÄUSER
3RÜCKEN / SILOBAUTEN / WASSERBEHÄLTER
TERGBAUL. ANLAGEN / WOHNUNGSBAUTEN
4AUFHAUS
8
fJ
E
20
3
4
Bestempfohlenes Einkaufshaus für alle Bevölkerungsschichten
in Damenkonfektion, Kleider- und Seidenstoffen, Baumwol|-
waren, Woll- u. Kurzwaren, Gardinen, Wäsche, Herrenartikel
Schürzen, Strumpfwaren, Trikotagen und Aussteuer-Artikel
Fritz Kammer, Völklingen
„'Itstraße 23
Fernsprecher 145
Postsftraße 23
W|
Redeblüten. Im Eifer des Gefechts ſagte bei der Beratung über Siedelungshäuſer
ein Redner, der auch ſonſt nicht ſeine Worte geſchikt zu polieren weiß: „Was nüßt es
uns, wenn wir vorn eine ſchöne Faſſade und hinten keine Luft haben.“ Ein anderes Mal:
Der Völkerbund iſt nur dazu da, die ſtarken Zähne Rußlands auf die Beine zu ſtellen!“
DP wlSCH:
1
B
=
DF
| ]
4 |
5
„€
1
'
2
S
|
ki
x
vL IAH
AKTIENGESELLSCHAFT
NIEDERWÜRZBACH (SAAR)
HERSTELLUNG VON DRUCK-
FARBEN, WALZENMASSE, ROST-
SCHUTZANSTRICHFARBEN USW.
EINZIGES DERARTIGES UNTER-
NEHMEN IM SAARGEBIET:
ERNSPRECHANSCHLUSS ST. INGBERT NUMMER 250
'*«<lar Aufschlag noch Zinsen
zahlen Sie, wenn Sie von meinem günstigen
Ratenzahlungs-System Gebrauch machen. Um den
Gedanken des edien Photosports in weiteste Be-
völkerungskreise zu tragen, habe ich ein bequemes
Zahlungssystem auf folgender Grundlage eingerichtet
Ein Drittel Anzahlung, die Rest-
Summe auf 3 bis 6 Monate verteilt
Dadurch ist für jedermann die Anschaffung eines
Photo-Apparates nach freier Wahl möglich geworden.
Lernt die Natur künstlerisch zehen u. gestalten, werdet Photo-Amateure !
nl
'noto-Gres5ung Makzanen
ni
--
AB
nä
IEEE Ittiteik
„Sinn fan
Jm“.
«
" A
Den ſchweren Dienſt der Polizei unterbrachen bisweilen humorvolle Stunden. Man
erzuhlt mir von einer Dame im Oſtviertel, die ſich über das Tummeln von halbwüchſigen
Jungens in der Saar als für ſie höchſt peinlich beſchwerte. Von ihren Fenſtern konnte
man die kleinen Bengels gar nicht entdecken. „Bitte,“ ſagt ſie, „nehmen Sie mal das
Fernglas und ſteigen hier am linken Fenſter auf den Stuhl, dann können Sie es deut-
lim ſehen!“
Gummi
Kaltleime
Hflanzenleime
„u«agbinderkleiſter
GENIESSEN WELTRUF!
-ovdinuand Sich
<ZWISEHE FABRIK, SAARBRÜCKEN
A.-G“.
4
u is
]
-. em)
moro
? Doaufpin
„*
"'*.
KAISEPSTRASSE 31
TELEPHON NR. 259 UivD 260
REICHSBANK - GIRO - KONTO
>OSTSCHECK-KONTO
SAARBRÜCKEN 31, KOLN 80135
AYPOTHEKENABTEILUNG
GEWÄHRUNG VON HYPO.
THEKEN, NEUBAU“, GEMEINDE
UND LOMBARD-DARLEHEN
3ANKABTEILUNG
"“ONTO-KORRENT- U. SCHECK-
VERKEHR, SAFES-VERMIETUNG
VERKAUF UND ANKAUF VON
WERTPAPIEREN, PFANDBRIEFEN
U.KOMMUNALOBLIGATIONEN
Tit
Nach der Hochzeit wird Louis von Fritz gefragt: „No, wie gefall drs dann in der
Eh'?“ „O, vorläufig ganz gut, meine Fraa kocht un ich roode, was's is!“
,
IE» mu Cramm, amm, Zang] um]
ALPINA-GRUEN-UHREH
FEE
ens
IKUSTWEIZGER :;
JUWELEN, GOLD-
U. SILBERWAREN
„AAR BRUCKEN 1, EISENBAHNSTRASSE 46
|
]
Nj
u
lt
8
4!
SHT
1
1
H!
zur
-.
ij: r
; W
.“
al
Tiehharmonikas u 4 36
Violinen .- 5"
Mandolinen » 7%"
Gitarrzithern " 8" " Piaffen 89mu4-"an
larinetten » 82? " DLATTENVERZEICHNISSE
Großefläten '* 6** * 'FMRSHVOTENEE
dignalhörner » 2,5»
Trompeten "287"
jaxophone hervorragend in
3Hmmung u.Bau w1462"%%
lazzschlagzeuge i.d verschiedenste
"usammenztellungen v. 242" 58
Bandonions » 482"
Tango-Harmonikas » 902" "
Große hromatische
Harmonikas v129%* %
Große Auswahl in allem
Jazz -Zubehöry
D.-L42
me, nt“ .
Fn 00... 17
FA AIET
en rlnt
WE 27,
4 [EG AS
» Jedes Jnsfrument & ſave zur Probe. <
,
h
163
u
ras
.
“LB ilerolc.. ....
"enlhos..
“2
ALT
Saarbrücken - Burbacn
Wilhelmstr. 62 & *Telephon 2155
DAS IN JAHRZEHNTEN
ZEV/ÄHRTE KAUFHAUS
1I
-..
-
-
3
-/. KINDER-BEKLEIDUN.
41
Bei Neureichs. Arzt: „So, von dieſer Medizin geben Sie Jhrem Manne alle vier
Stunden einen Eßlöffel voll ein!“ =- Frau Neureich: „O, Herr Dokter, ich kann em alle
halbe Stund e Eßlöffel voll gebbe! Mir ſin, Gott ſei Dank, in'r Lag, daß mr met
Medizin net 3e ſpare brauche!“
Die unbedingt ſichere Gewähr für wirklich hygieniſch einwandfreie
bietet Ihnen nur die
Suhr
Saarhrüeken 1
(Hrößter und modernſter Mölkereibetrieb des Saargebietes auf gemeinnütziger Orundlage
STS*ERNATIONAL!
42)
TRANIDORTE
md (MEI,
=
>
Mime.
+
.
%"2
t= eer
„1
c
-
was H
4
BETETE Wb-
118
er
el
Kindermund. Mutter. „Du mußt jetzt ins Bett gehen, mein Kind. Es wird gleich
dunkel werden; die jungen Hühnerchen gehen auch ſc<on ſc<lafen in ihr Bettchen!“ --
Kind: „Ja, Mama, mit denen aeht aber auh die alte Glucke mit ins Bett!“
[Zo HAlOCHAPFEL GG. M. 3. H.
eiSsSenhandlung
SSarDbrücken
FPFernSPpPreagher 25 u. 3027
FRAausS- UNG KÜGCGNSENASYErYräte - Vfen + Merge + StEADSISEN
RÖhren + BIEESNhEe - Metalle + Werkzeuges + MaSEShINEeEN
Die Weibsleit, die han ſich mit Recht obeniert,
Wann junſchd ihr Gediech als mit harz war
verſchmiert,
Fetzt breiche ſe's nur in Benzitſäuf ſe baade,
Do werds tip top ſauwer un's duht em nix
ſchande.
u ut
er Seer neger eer rere
KL
"kü.
Tanvetenhaus Kalkoffen & Franke
Saarnrücken 7
„„“DeitestraßesoO
Telebnhon Nr. 171u.4314
Großnandtrung in;
NNN T areten
WandsvpannsStoffen
Linkrusta u. Linoleum
"8
Beklagenswertes Geſchick. „Jh notiere“, ſchreibt ein Lehrer, „die Geburtstage
meiner Schülerinnen. Na, Mariechen, wann biſt du denn geboren?“ „I<, Herr Lehrer,
bin iberhaupt nit agebore, i< han 'ne Stiefmutter.“
4 N bO.
„„„„SOKUGKEN 1 + GERSWEILERSTRÄSSE 5 + FERNRUF 2865
„auüischlerei u. Mübellabrik + Fabrik für Küchenmüle!
|]
is
]
ern
„wars «
7
„
.
1,
Triererſtraße Nr. 19
Telephon Nr. 205, 48292
&
axdruken 7
Wand- und Bodenplattenbeläge,
Feuerton- und Hartſteingut-
ſpülwaren, Steinzeugröhren
Kachelofenanlagen
Rirchen- u. Großraumheizungen
Anſchlußgleis und Lager:
Güterbahnhof Saarbrü>en-Burbach
1 ic m „'
<SWARENRAUS JOHAYV RIES, SAARBRÜCKE"
NEUMARKT 6 -- GEGRÜNDET IM JAHRE 1873 -- TELEPHON NR. 1000
KINDERWAGEN, KINDERMOBEL. KORBMOBEL, HAUSHALTUNGS-
3ZÜRSTEN, LIEGESTÜHLE, KÜCHENSTÜHLE, ZIMMERSTÜHLE
IFE
KUNST IM MANDWERK
RICHTER- ENGEL
722255
grr
D.v B.
zi &
| >
HY
4 fir:
Wi
SAARBRÜCKEN .
BAHNHOFSTREL TEL. 663
%
w
4
|
%..
MOB! BH,
DOE GL LS PHOBEN
SEUBMOBEKNL
fertigt u. führt in erstkl. Verarbeitung
Karl Schröder, Brebach
Telephon 1709
Gelehrtenſchmerz. Prof. Sch., Altphilologe, war wegen ſeiner Strenge bei den Pri-
manern natürlich nicht beliebt. Sie erklärten aber humorvoll ſein ſtets ernſtes, be:
kümmertes Geſicht: „Er kann den Tod des alten Sokrates niht verſ<merzen.“
iQ
ATI
py ZU
7
SAULE
empfiehlt ihr reines
Hopfen-u. Malzbier
Spezialität :
Edelbräu - Pilſener
fein gehopft von vornehmſtem Charakter 0
8
4
X
)
0-0
6
M UE
x
|
ku
x
EE 4
SKAR UCR:
Neugüßdren ]4, Telephon 4263, Gegr.]875
Woſaik- u. Terazzoböden
Kunſtiſteine jeder Art
Beton und Eiſenbeton
SPEZIALITSTEN?:S
570€ "WERKS = TREPDEN IN TERRAZZO HUND KHUNSTIZTEIN
ZEMENTWAREN » ZEMENT HUND GIPSESTRICH
"|
Aus der Schule in Püttlingen meldet man mir: Ich frage: „Joſeph, was haben wir
gehabt?“ „Wir,“ antwortet er mich mißverſtehend, „wir haben Leberklös gehabt.“ „So,
ſo, wieviel haſt du denn gegeſſen?“ „Die anderen Geſchwiſter jeder drei und ich fünf
weil ih krank bin.“
+
mW Goran mimen
SAAF TP SGR
bc
EiSenbahnstr.20 - Telephon 3687
SPEZIALGESCHÄFT FÜR
GLEI POPZELLAN=, STEINGHT=
LIND HAUSHALTUNGSARTIKEL
Besonders vorteilhafte Bezugsquelle für Wirte, Händler und Wiederverkäufer
.
60m.
1 m m ERR Dimmen... ---- ime Ge. wu. vuniten. nänom, nenen emit. mmmekmekehen
Briner nnnnnnrknns “C= ern emm mmm em
„men.
=
Avg. Rupp:
Saar - Heimat - Bilder
Photographiſche Kunſtblätter aus Stadt u. Umgebung
Saar - Heimat - Kunſtblätter
(Hroß-Photos bis 90X 120 cm.
Saat-Heimat-Kalender
Als Wandſchmuck
Alt-Saarbrücken ſeit Merian
Fakſimile-Reproduktionen nach alten Stichen
“„
'
'n Sananrbrücken bes
nN >
. u EE
ier
„„z*enbergſtraße Nr. 7
m
Etre INI
GERE
Sch VALLEUS Mv
PHEINSCHEAP"
Ee amn
VORM. KEUTH & ZEN:
=
Ff
4
bk
SAE UCEKEL
Y'2
Der vorſichtige Bankier. Vom kleinen Bankier Brach, der uns Alten noc< durch
ſeine ſchlagfertigen Antworten und ſeinen Humor in guter Erinnerung iſt, erzählt mir
ein St. Johanner: „J<h ſaß mit Brach beim Wein im Rheiniſchen Hof und wollte ihn in
vorgerückter Stunde anpumpen. Leihen Sie mir, flöte ih, bis morgen. 50 Mk., morgen
haben Sie das Geld zurück. Sie haben darauf das Wort eines Ehrenmannes.“ Der Alte
blinzelte mich durch ſeine Brille lächelnd und liſtig an. „Gut, machen wir, wo iſt der
Chrenmann*?“
das gute
|
Y
Sf
GNWEetriIwar
EE iu 3%.
Fernsprecher . 3, 4225-7
edgründet 1. 3-70
Saarbrücken
Fabrik für geSundheitstechniSche Anlagen
Zentralheizungen, Sanitäre
Finrichtungen, Gas-,
WasSer- und Dampfleitungen
Z3e- und Entwässerungen, Me-
chanische Werkstätte. Auto-
gene Schweissungen, Kühl-
SySsteme für Brauereien usw.
jAandelsabteilung
1.8
Die ſtrauchelnde Feder. Jh las in einer rheiniſchen Zeitung: „Das neue Jrrenhaus
iſt zwar noch nicht fertig, doch hofft der Kreisausſc<huß, die Anſtalt noch im Laufe dieſes
Sommexs beziehen zu können.“
RICHARD? SCHME=.?
'AMARSRUZZN EZ
MAINZE-S>SzSwSATR.. ISE 46
Telephon 136 u.736 . Gegr. 1397
GROSSHANDLUNG IN INSTALLATIONS-
UND KHANALISATIONSAPNTIKELN
wie Gußrohre, Schmiedeeiserne Rohre, Blei-
rohre, Fittings, Armaturen für Gas, Wasser
und Dampf, Sanitäre Einrichtungen usw. |||],
SAUMATERIALIEN, WIE TONROHPF, ZEMENTROHRPE UND KANALGUSS
"
zr
Ganr,. Ries
ineinfachen
4. vornehmen
Ausführungen
Saarbrücken 1
Acohenzollernstr. 9
Größtes Möbelhaus Südwest-Deutschlands
An alle Bewohner des Saargebietes!
(7
M4
5,
xy
'"%
k
%
7
'.«< | I
-. 41.
.%
w
el JA Ad! 1
(5
„zx 5
er
Stets vorrätig im Allein-Verkauf und Versand-Depot:
ADOtheke am Marki, Saarbrücken 3
(Apotheker AUGUST SCHNEIDER) MHMCHHNNHNNG
Fernsprecher Nr. 1406 +. Auch Postversand
Das beliebte große
PDFARRER HEUMAMM = RHCH
(300 Seiten, 100 Abbildungen) wird durch die Firma
LUDWIG HEUMANN & Co., Nürnberg vol!ständig
umsonst und portofrei versandt. Man wolle Seine
Adresse angeben. Postkarte genügt.
UBER 120920972
DANK=- LIND ANERKENNUNGS = SCKXZ2ZEIZEN
-
1%
Vom Geheimnis des Backens. Der Mann trifft ſeine Frau in Tränen aufgelöſt: „Was
heilſcde dann eſo?“ „Ad,“ lautet die Antwort, „ich han Kuche geback un wie ich mol e
Auweblik enaus war, hat ne der Hund gefreß!“ „Un dodefor heilſc<de, du Dummes,
back e neije!“ „Ja,“ ſtößt ſie hervor, „das wär's wenigſchde, awwer der Hund is kabutt!“
„yy-N-
EN
r
4
/
t
(
b
X '
1 M
ws pu +.
KAUFHAUS FÜR
HERREN-, DAMEN- U.
KINDERBERLEIDUNG
SAARBRUÜCKEN-BURNZACKH
BERGSTRASSE 1 U. 1a - FERNSPR. 1250 U. 38317
DBD: NLA:
Bau-Schreinerei
und Kunstmöbel - Werkstätte
GC
Anfertigung kompl. Wohnungs-Einrichtungen
Spezialität: Moderner Innen-Ausbau
&
% "
WOZ ARTIE
Tel. 4678 Richard-Wagnerstr. 17-19
„Jh
ce
Beim Arzt. Der Patient klagt über ſtarken Huſtenreiz. Der Arzt: „Bei Ihrem Huſten
jollten Sie kein Bier trinken, keinen Wein, noch weniger Schnaps und vor allem nicht
rauchen.“ „Alſo, meinen Sie, Herr Doktor, ich ſoll bloß noh huſten?“
y)
v)
1
Erne
ſ
a
s En»
„5
74
v
Inh. Friedrich u. Ad. Heinrich Schmidt)
"dd MAM EREN EC Drch 4
Göbenstraße 17
Segründet 18567 s Fernruf 91C
“DEKAGTUT-, GIDS- U. VErDUTZGESMT
Werkstätte für vornehme
Stuckdekorationen nach
gegebenen und eigenen
Entwürfen in allen Stilarten
Gipser-, Verputz- u. Rabitz-
arbeiten in allen Techniken
Leichte Zwischenwände aus
3Zips- und Zementdielen
Verkauf von Baumaiſerialien
Gips für Zzahnfechnische Zwecke
-
+ VET STAD EE
MWN.
«
BAUUNTERNEHMUNG
HOCHFAU
EFvAU
EISENBETON
SAARBAULKEN 2
LEIPZIGER STRASSE NR. 39
TELEPHON NUMMER 4541
Saarbrücken]
Gegründet 1360
Telephon Ur. 1533
Hohenzollernſtr. 11
Woll- und Strumpfwaren
Trikotagen
Hohenzollernſtr. 3
(Zrößtes Spezialhaus im Saargebiet für
ÄAoderne Handarbeiten
4“
NY
's ſchweigſame Luwis. Nach der feuchtfröhlichen Weihe des Keglerheims am Land-
wehrplatz torkelt Meiſter . . . . . in dunkler Nacht ſeinem Hauſe zu. Schon von ferne
begrüßt ihn das Trommelfeuer einer Schimpfkanonade. Die Gattin iſt's, die teure, die
dann aber ſchweigt und eiligſt verſchwindet. Auch im Schlafzimmer iſt's unheimlich ſtill.
W. entkleidet ſich im Dunkeln und tappt ſuchend im Zimmer herum. Plötlich ruft er ver:
3weifelt: „Luwis, ei kreiſch doh e enzia Mol, ich kan das .Bett nit finne'“
feste Erzeugnisse aller Art
für alle Zwecke und Hitzegrade
Spezialität: Silika-Steine
Gebrannter Ton für Stahlfosrmauſß
Bau vollständiger MH.
Gasanſtalten, Kokereien, Benzol-
Fabriken und Tecerdeſtillationen 0
Tt. Otto Saargeyjeiihaft m. v. 5.
Saarbrücken 1 » Telephon 995 + Telegramm-Adreſle: Saarotto Saarbrücken
4
Bier: und Mineralwasser-Großhandlung
“Gfbhäir-zzer ==
Lieferung Sämtlicher medizinischer Heilwässer (einschl.
Vichy-Etat) + Kreuznacher Badesalz und Mutterlauge +
Bad Reichenhaller Vollsalz + ff. Tafelwasser + Neutang-
Jaenisch-Bier (hell u. dunkel) + Kohlensäure +Limonade
SAA2ZBRUÜCKS!:IN >
Jahnstrasse 10
Telephon 11651
"xs 7
Zeitgemäß. „Marie, ich höre, du haſt neulich mit Karl geſprochen.“ „Ja, vor einig2n
Wochen.“ „Na, wenn du ihn wieder triffſt, dann erinnere ihn doh daran, daß wir ver-
[lobt ſind.“
nur noch
Bonbons, Schokoladen- und
Z uckerwaren, Dragees, Oster- u.
Weihnachtsartikel-Spezialitäten
und Neuheiten aller Art in der
"okerwarenfabrik „Lehnerol“
i. jh: |,;
wBB 0X
im wittum 1 «x Telepnun IG58
FISENWAPDENHANDLUNG
ER!
wd
|.
'
f
- NS
L 4% =.
GLS da), -
"
GESELLSCHAFT MIT BESCHR. HAFTUNG
Yl)
4
ME iu
0
k
MEY Ch:
NN 3
TELEPHON 4880 - 4884 »e GEGR. 1850
SPEZIAL-ABTEILUNGEN:
WAUS- IND
SÜCHENGERÄTT
SEPDE UND ÖFEX
STABEISEN / BLECHE / RÖHREINM
: AARBRUCKER HOLZHANDELS- GESELLSCHAF"
T7AANRBRU SEL 1
Am Schloßberg 12 'Felephon 4850
Teleoramm-AdresSe : HOLZHANDEL
SCHNITTHÖLZER ALLER ART.
Bretter, Dielen, Rahmen, Hobelbretter, Latten, Bauholz nad Liste,
Vorratsholz, Blochware in Eichen, Buchen, Kiefern, Fichten usw.
Kistenbretter. Kisten in Teilen
»rPEr... .9SL& PLATY :N LIND FEUNIERE
in allen Holzarten u. Dimensionen
RURDLMHOLZ?
Laub- und Nadelhölzer menen! Schneid- und Grubenholz
5SCAWELLEN HND MAISITEF
Wa
Schlimme Bücher. Ein Bürgermeiſter legte ſeinen Bürgern ans Herz, jene Bücher,
vie nur die Köpfe verwirren und das Herz verdrehen, zur Vernichtung abzuliefern. =- Ein
ſchlauer Geſchäftsmann brachte am anderen Tage ſeine und ſeiner Nachbarn Steuer-
büd er mit der Bemerkung, daß dieſe Bücher ihm das meiſte Kopfzerbrechen machen.
ADOLF SCHAAL
Spezialhaus für Pelzwaren
SAARBRÜCKEN, VIKTORIASTRASSE 7
im ersten Stoc
Eingang über die Saarterrasse .'. Telephon 1061
q9.«IHarffuss
Bauarbeiten
jeglicher Art.
EiSenkonstruktion
nach einges.Zeichnungen
und eigenen Entwürfen.
Saarbrücken-Güdingen
Blecharbeiten
Wasserbehälter. Silos u.s.w.
MasSsenartikel
für Gruben-u.Hüttenbedarf.
re A, n fi
=
Y
Inhaberin: LinalLeiner
OSaarbrücken
Am Schloßberg 12 und 17 (an
der alten Brücke). Teleph. 903
Aluminium und Emaille s Besen u. Bürsten
Bestecke u. Stahlwaren s Feldgeräte s Haus-
u. Küchengeräte s Holzwaren s Markttaschen
Kasten- und Leiterwagen » Wagenräder
Kinderstühle » Kinderwagen s Koffer s Korb-
waren » Leitern aller Art 6 Liegestühle
Spielwaren e Selbstfahrer e Stuhlsitze
vos
In der Straßenbahn wird ein kleiner Junge gefragt: „Haſt du auch ein Schweſter-
hen?“ Darauf Bubi: „Nein!“ „Warum denn nicht?“ „Papa iſt den ganzen Tag im Ge-
ſchäft, Mutti in der Praxis und die Köchin hat keine Zeit.“
"et
|
(]
<em> |
1
Qs
2
L
Eo iAiT Ein kaut voa
Emaille - KochgeSchlirrer
dieseMaäarke
TEE | 1:
„m: ieee m.
1
I
1
|
kk.
Je
FrAaAUIAaU iern- Saar
iT äliier- u. Stanzwerke
y 4
E Ä . E."
undOlesindgutbedient
4)
li,
„'
Ge R
DIE EINHEIMISCHE QUALITÄTSWARE
DAMPFWASCHANSTALT J. SCHAUSS & C0.
AA VSKEN
Telephon 1932 e Herbertstr.
)
]
ARCISSWASCHERE,
für Haus-, Hotel-, GeSchäfts- und Stärkewäsche
Wäsche wird durch unsere Lieferungs-Wagen in allen
Stadtteilen abgeholt u. in 8--10 Tagen zurückgeliefer!
Filiale in: Laden Dudweiler, Wilhelm Germann, Sudstr.6pg
xl mee
|
Neues vom Sündenfall. Elly lieſt in der Schule aus der bibliſchen Geſchichte über
den Sündenfall vor: „Und Eva eßte den Apfel.“ „Aß, aß,“ verbeſſert die Lehrerin. Elly:
„Und Eva. das Aas, eßte den Apfel.“
jerren - Artike,
ATT
SYPNTEIIHENTE T f
Hernen-Nüte
/
IE 4 ZEN
Ständig Eincang
“ns. jeuheitzn
N Fw D =; NE H
DOTS»,
ie
i„
der Allerbesgie!
Spar-. Ruorue
Kohlenherde
Kombin. Herde
Dauerbrandöfen
Sean Kläger + Saqrbrüß.n ;
Bahnhofstraße 8, 10 und 26
Tel. 420, 421 Bahnhofstraße 8, 10 und 26
L.
'"49'
Sind beliebte Gaststätten
empfohlen durch
vorzügliche
Speisen u. Getränke
Saarbrücken
Kaiserstraße 3 -- Beethovenptlatz
Täglich Musikübertragung
Samstags und Sonntags
Konzert
di iden
!
l
hu:
/
I