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Saarkalender für das Jahr 1930
Notzeiten an der Saar vor 100 Jahren.
Von A. 2.
Die franzöſiſche Revolution hatte eine ſinnloſe Ausplünderung des Saargebiets durch
unſere Nachbarn im Gefolge. Der Wohlſtand war vernichtet, das Volk verarmt. Aber
nod) ſollte ihm nicht eine Erlöſung ſeiner Leiden beſtimmt ſein. Napoleons Herrſchaft und
ſeine endloſen Kriege mit ihren Laſten brachten den vollſtändigen Ruin des Landes. Das
Schreckgeſpenſt des Hungers und Elends dur<hzog vie Gaue. Die Befreiung und die Rück-
kehr zum Vaterland kamen, aber es fehlte den Landwirten an Saatkorn und allem
Nötigen, um das Land wieder ertragreich zu machen. Bis ins ſpäte Frühjahr anhaltende
Fröſte und Sommerdürre vollendeten das Unglück, unter dem alle litten. In den Spalten
der damaligen Zeitungen begegnen wir immer wieder Notizen, die von grenzenloſer
Armut und Teuerung berichten. In den Jahren 1816/17 ſchien die Not ihren Höhepunkt
erreicht zu haben. Bei einem Tagesverdienſt von 2 Fr. koſtete das Kornbrot 2,20 Fr. und
das Pfund Rindfleiſch 1,70 Fr.!
Gleichzeitig tauchten gewiſſenloſe Wucherer und Spekulanten auf, die ſich die Not
zu Nußen machten. Eine diesbezügliche Notiz in dem „Saarbrücker Intelligenzblatt“*) ver-
weiſt auf das ſc<mutßige Gebaren dieſer Menſchen und ſchließt mit der Drohung:
„. - « » Man kennt alle diejenigen ſehr wohl, welche bisher auf dieſe tadelnswürdige
Weiſe gehandelt haben, und man wird deren Namen, wenn die gegenwärtige Warnung
von ihnen unbeachtet bleiben ſollte, öffentlich bekannt machen, damit das Publikum ex-
fahre, was es von ihnen zu halten habe; denn wer ſich die Not des Augenblicks
zu Nugge machen kann, um zum -Na<hteil der übrigen Mitbürger
niedrige Habſucht auf dieſe Weiſe zu befriedigen, der verdient
nicht öffentliches Zutrauen, ſondern allgemeine Verachtung!“
Demgegenüber finden ſich jedoch wieder Aufzeichnungen, die von einer wohltuenden
Hilfsbereitſchaft einiger Mitbürger ſprechen:
„ ».. Bei den gegenwärtigen theuern Zeiten und dem großen Mangel an allen
Lebensmitteln, haben ſi<h dur<h milde Unterſtüzung der nothleidenden Menſchheit unter
andern Herr Ludwig Kleber, die Wittib Philipp, Jakob Löw von Saar-
brücken, beſonders aber Herr Balthaſar Schlachter auf das lobenswürdigſte ausgezeichnet.
Die wohlhabende Klaſſe der Einwohner beider Städte, welche größtenteils geneigt ſind,
der leidenden Armut beizuſtehen, werden gebeten, in dieſer kritiſchen Epoche ſich ferner
dieſer heiligen Pflicht nicht zu entziehen, und dur<h thätige Unterſtüzung ihrer armen
Mitmenſchen dem eingerißenen Elend zu ſteuern.
Der Oberbürgermeiſter, Kölner“).
Daß die neue Regierung ernſtlih bemüht war, der Not tatkräftig zu ſteuern, beweiſen
folgende Bekanntmachungen: „Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß zur
Vertheilung an hülfsbedürftige Unterthanen des Regierungsbezirks Trier, welche dur
den Krieg vorzüglich gelitten haben, überhaupt:
719 Pferde |
als ein Geſchenk Sr. Majeſtät des Königs, unſeres allergn. Herrn überwieſen, und der
Beſtimmung gemäß verwendet worden ſind“*).
„. » . Ein großer Theil der durc< des Königs Majeſtät Allergnädigſte Fürſorge dieſem
Kreis (Saarlouis) zur Unterſtüzung bei der jezigen Theuerung zugedachten Früchte iſt
hier angekommen, und täglich werden noh bedeutendere Zufuhren erwartet. Bei den
günſtigen Ausſichten zu einer geſegneten Erndte haben wir jezt von größerem Mangel
nichts mehr zu erfahren. . . . Aber nicht allein für die Unterſtüzung der Bedürftigſten
iſt geſorgt, auch alle jene, welche arbeiten können und wollen, ſollen an den hieſigen
Feſtungswerken Arbeit, hinlänglihen Lohn und zugleich wohlfeiles Brot erhalten. . .“*)
Der in der lezten Bekanntmachung befindliche Hinweis auf beſſere Zeiten ſollte kein
leerer Wahn bleiben: der Sommer 1817 brachte eine Ernte, wie ſeit Jahren nicht mehr
1) Nr. 28 vom 8. Nov. 1816. 2) „Saarbr. Intell.-Bl.“ Nr. 22 v. 30. Mai 1817. 3) „Saarbr.
Intell.-Bl.“ Nr. 31 v. 29. Nov. 1816. *) „Saarlouiſer J.-Bl.“, Bekanntmachung des Landrates
v. 18. Juli 1817, 5) Orig.-Staatsarchiv Koblenz. (Abt. 22/3962.)
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