Saarkalender für das Jahr 1939 „Auf den Bubbesberg,“ rief die Polin. „Eine Villa in einem Garten, ganz oben.“ Der Omnibus arbeitete ſich dur<h den tiefen Schnee. Auf der Bahnhof- ſtraße brannten einige Laternen, dann hörten ſie bald auf, denn der „Bubbes- verg“, eine Villenkolonie, lag weit draußen vor der Stadt. Auf dem ganzen Weg jammerte die Polin ſehr. Endlich hielt der Kutſcher vor einem Hauſe, das dunkel in einem Garten lag. Die Polin regte ſich unter ihren Hüllen. „Da ſin mer. O jeſſes, mei Fuß . . . Wann Sie nur das Schloß uffkriege, Sie nahe es ganz falſch, das Schlüſſelloh is viel weiter unne. Jeſſes, jo, na, jeßt gehts.“ Das verſchmitte Schloß öffnete ſich widerſtrebend und die Tür tat ſich auf zu einem beſchneiten Garten. Der Türke führte das jammernde Fräulein vorſichtig über Kohlköpfe und Buchsbaumrabatten ſtolpernd und die Polin jammerte unaufhörlich: „Mei Fuß, mei Fuß = -- Un mei Mädche is nit dahem, das is danze gang . . . das kummt vor morjen frieh nit hemm. Die Diehr is verſchloß, awer der Schlüſſel leiht unner der Matt. Han Sie ihn? Na, endlich.“ Auch dieſe Tür tat ſich endlich auf, ein dunkler Flur und ein Treppenhaus wurden ſichtbar. „Wo ſin die Wachsſtreichhölzher?“ jammerte die Polin. „Gen Se mer Jhre Arm, ſo!“ Oben war alles dunkel. Sie fanden in einem mit Sitßmöbeln angefüllten Salon ein Sofa, worauf ſich die Polin niederließ, während ſich der Türke auf die Suche nach Streichhölzern begab. Er tappte durch dunkle Räume, ſtieß ſeine Knie an ſpißen Tiſcheken, geriet an ein Goldfiſchbaſſin, an einen Leim- topf, fand Ofenrohre, Schlittſ<huhſchlüſſel, Nagelbohrer, aber die Streichhölzer fand er nicht . . . „So Männer ſin doh zu ungeſchickt, die ſin zu nix zu ge- brauche. In meinem Schlofzimmer miſſe ſe ſin! Gleich unner der Standuhr uff der Kommod! O Jeſſes, ich halt es nit mehr aus.“ A Gott ſei Dank, da waren ſie au<. Er entzündete ſie und ſuchte die Lampe. „In der Kich uffem E«Kdiſch ſteht die Lamp, gleich am Eingang.“ . . . Ein Eimer raſſelte, ein Stuhl wurde geſchoben, dann hatte er auc<h die Lampe. Aber es war kein Petroleum mehr darin . . . „Das Petroleum is in der Speiſe- kammer, gleich links is die Diehr, der Schliſſel hängt an der Wand, dort ſteht die Kann, gieße Se nur in.“ Die energiſche Dame kommandierte. Der Großmogul gehor<te grimmig, aber hilfsbereit, weil er ein Türke war . . . Er fand die Kanne, es gelung ihm, die Lampe zu füllen, ohne UÜbernößin viel Petroleum zu verſchütten. Die Lampe brannte endlich, er ſchraubte ſie hoh. Dann ſtreifte er die Aermel auf und trat entſchloſſen vor. „Es wird ſich um eine Verſtauchung handeln, ich werde ſofort = =“ „Bleiwe Sie mir um Gotteswille vom Leib. Der Sanitätsrat ſoll kumme. Hole Sie ihn! Aber ſchneide Sie mir erſcht de Schuh uff. Ich halts nit me aus. Die Schere leiht im Nähtiſch im dritt Zimmer am Fenſchter in der zweit Schub- ad links. Der Türke ſtieß in den dunklen Zimmern umher wie ein Seefahrer im Nebel und ſuchte nach dem Nähtiſh. Er fand die Schere und ſchnitt den Schuh auf. Die Polin atmete erleichtert auf, trocknete ihre Tränen und hörte zum erſtenmal mit Jammern auf. ..Emohl Faſenacht und nit wieder,“ ſagte ſie und lehnte ſich ächzend in das Sofa zurück. In dem Referendar regten ſich ähnliche Gefühte, aber er ſchwieg. Als er aus dem Hauſe trat, war der Wagen fort- gefahren. Er eilte die ſteile, dunkle Gaſſe hinunter in die Stadt zurück, um den Doktor zu ſuchen. Der Scnee trieb ihm ums Geſicht und in die Augen, er keuchte den Berg hinauf nach dem Lazarett, aber dunkle Fenſter, geſchloſſene di