Saarkalender für das Iahr 1929
Untergegangene Induſtrie im Kreiſe Saarlouis.
Von R. Rudolf Rehaänek.
Der Fremde, der heute den Kreis Saarlouis bereiſt, wird unbedingt überrascht sein
von der Fülle und der Vielgeſtaltung der Industrie, die er hier vorfindet. Tatsächlich weiſt
der Kreis Saarlouis in seiner Induſtrie eine Mannigfaltigkeit auf, die ihresgleichen weit
über die Grenzen hinaus zu ſuchen hat. Wir finden hier neben bedeutenden Gruben- und
Hüttenanlagen die gesamte Eiſen-Weiterverarbeitende Industrie, wie Maſchinenfabriken,
Elektro-Apparatewerke, Blech- und Emallierwerke, Schrauben-, Schloß- und Kleineiſen-
fabriken, Röhrenwerke, Gießereien und Herdfabriken; Chemiſche und Keramische Werke;
Sägewerke und Möbelfabriken; Wollsſpinnereien, Kartonnagen-, Tabak- und Zigaretten-
fabriken uſw. uſw.
Und trotz dieser Vielseitigkeit gab es hier noch um die Wende des vorigen Jahr-
hunderts Induſtriearten, an die heute nur noch wenig erinnert.
1. Die Ro d ener Gerberei en.
Von der ,„Rodener Schanze“ (Saarl. Bhf.) auf dem Wege nach Roden (Saarl. II)
zeigen sich links der Straße etliche Mauerreste, die im Hintergrunde stellenweise von alten
Hechen eingeſsäumt werden. Rechts der Straße aber ſtehen verſchiedene schmucke Neu-
bauten. Diese Stellen rechts und links der Straße waren noch vor kaum einem Menſchen-
alter die Stätte einer in unserer Gegend heute vollſtändig verſchwundenen Induſtrie. Nur
dio bogr Steintrümmer, die Hecken und die Flurbezeichnung erinnern heute noch an die
„G e r b err e i e n“.
Die Gründung bzw. Entstehung dieser Induſtrie iſt innig mit der Geschichte der alten
Festung Saarlouis verwachsen. Als sich in den Jahren 1681/87 die Bürger Wallerfana nas
teils freiwillig, teils gezwungen in der neuerbauten Feſtung Saarlouis ansiedelten, wurde
mit ihnen auch der Gerichtshof (la prevoté), die Wochen- und Jahrmärkte, ſowie die Ge-
werbe-Innungen nach Saariouis verlegt. Die vorher in Wallerfangen ſseßhaften Hand-
werksmeiſter – mit Ausnahme der Gerber + betrieben nun ihr Geſchäft in der neuen
Stadt weiter. Die Gerbermeiſter mußten sich, da es ihnen in der Stadt an geeignetem
Terrain fehlte, zwecks Landerwerb in der nächſten Umgebung umsehen. Als geeignet er-
schien ihnen der Platz links der Bins. (Heute Flurdiſtrikt „Gerberei“ und ,„Reht“.) Die
benötigten Bauplätze erwarben sie teils pachtweiſe gegen einen bestimmten Zins, teils
durch Tausch mit anderen Landobjekten. Die älteſte Urkunde über einen solchen Land-
erwerb, die vorliegt, datiert vom 2. März 1718.
Jedenfalls aber standen bereits vorher Gerbhäuſer hier, da in der Urkunde ein
solches genannt wird. Nach der Urkunde verpflichtete sich der Pächter Matthias
Stein, „Bürger vndt Rotgerber“ in Sa arl o u i s, der Gemeinde Roden für ein von {hw
gepachtetes Stück Land jährlich 30 „Sous“ zu zahlen.
Bis zum Jahre 1726 finden wir in Roden acht Gerbermeiſter mit eigenen Gerbhäuſer.
Es waren dies außer dem erſtgenannten M. Stein, Jak o b Ki ef er, Joh ann e s
Creutz er (1720),, Johann es Reiter, ,gerichtsſcheffen zu paathen“ (Pachten) [1721],
Johannes Klein (1721), Nikolaus Reimsbach (1723) Jak ob Bauer
(1723) und J a k o b K i ef e r (1726), alle Bürger und Rotgerbermeiſter aus Sggrlouis'):
1736 werden in Roden 29 Gerbermeiſster mit 107 Lohgruben genannt?). Eine Lohmühle
finden wir erstmalig erwähnt 1751. Diese Lohmühle stand rechts der Saar in der Nähe
der „Rodener Schanze“ (Haus Noell), sie lieferte den nötigen Bedarf an Lohe für die
Gerberei des Besitzers. Die übrigen Gerbermeiſter bezogen größtenteils ihre Lohe von
der Nalbacher Loh mühle und von den Lohmühlen in Nunktirchen, Wadern,
Wadrill uſw. (Hochwald). Während die Nalbacher Lohe speziell zur Verarbeitung von
Ober- und Waſchleder®) verwandt wurde, diente die Hochwälder Lohe besonders zur Ver-
1) vergl. Heimatblätter (Ver. f. Heimatkunde f. d. Krs. Saarl.) Il. Jahrg. H. 5.
?) Balzer, Bd. ]. pag. 126 und 207.
3) Von „Waſschleder“ wurden spezl. Damenschuhe, überhaupt feineres Schuhwerk, hergeſtellt.
G 4