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Vereinsbank Saarbrücken
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Gründungsjahr 1873
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unserer Kundschaft wird gegenüber jedermann strengste Verschie- i
genheit zugesichert.
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„Iſt es gleich Nacht, ſo leuchtet unſer Recht!“
Schiller („Wilhelm Tell‘)
Der Saarkalender
Ein Volksbuch für heimatliche Geſchichtsforſchung, Kunſt, Natur-
wiſſenſchaft, für ſaarländiſche Literatur, Statiſtik
und Volkshumor
*
1927
V. Jahrgang
Herausgeber Albert Zühlke, Saarbrücken
Druck und V erlag Gebr. Hof er A.- G., Sa ar brü <> en
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Von dieſem Buche ſind
hundert Exemplare auf Kunſtdruckpapier her-
geſtellt, in Halbleder gebunden, numeriert und
vom Herausgeber ſigniert.
*
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D as war in einer (Nacht,
da wie im Traum verloren
Aus Wintergram und Sturm
der Frühling ward geboren.
Aus dunkler Scholle Daft
quoll überreicher Segen,
Ein neues Leben wuchs
dem neuen Tag entgegen.
Da dacht’ ich an das (Volk,
dem nun ſeit langen Jahren
Nur Elend, Schmach und Teid
die (Weggenoſſen waren,
(Und ich frug bang mein Herz,
ob wohl für deutſche Erde
Aus dieſer (Winterzeit
auch einſt ein Frühling werde ?
Da ſchwang ſich durch die Iuft
ein (Wort von tauſend Jungen,
(Mir war's, als ob im Sturm
: ein Gott das (Wort geſungen :
Es kommt der Frühlingstag;
in ſeiner Sonne Glühen,
Da wird das neue (Reich
in altem Glanze blühen.
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Dem Saarkalender 1927 zum Geleit.
IM stoe als die Hodenſchätze des Saargebiets iſt für das Reich dio
Erhaltung des deutſchen Dolkstums der Saarländer.
Ihre wirtſchaftliche und kulturelle Selbſtändigkeit als Grundlage weiterer Ent-
wicklung iſt nur gewährleiſtet in dem nationalen Derband, den das Reich
darſtellt, in Derbindung mit den Dolksgenoſſen gleicher Abstammung, gleichen
Hlutes, die dieſelbe wunderbare dentſche Sprache reden, die der Ausdruck
ihres innorſten Empfindens, ihres tieſen Gefühlslebens iſt.
Aber mehr noch als der Wunſch, daß wir im Reich nicht oin weiteres Stück
deutſchen Hodens verlieren möchten, iſt die Tat wert, die die Saarländer durch
ihre vorbildliche Treue und Widerſtandskraſt leiſten, mit der ihre nationale
Geſinnung sich als ein kräftiges Hekenntnis zum deutſchen Staat kundgibt.
Denn in der Not der heutigen Zeit glauben viele, das Heil auf andere Weiſe
finden zu können.
Im VWoltkrieg hat sich dio Stärke des nationalen Gedankens offenbart, im
Gegensatz zu dem des Imperialismus, der zu einer Derſchärfung der Intereſſen-
gegenſätze führte, die zum kriegeriſchen Austrag drängten. Imperialismus iſt
ohne Unterdrückung von Fremdvölkern nicht denkbar. -
Deutſchland, als Linheitsſtaat auch zu wirtſchaftlicher Macht emporgewachſen,
wurde als ein Kindringling in die wirtſchaftspolitiſchen Machtſphären der großen
Weltvölker angeſehen, angefeindet und gehaßt. In der uns angeborenen
Gutmütigkeit und Rechtlichkeit glaubten wir bei anderen Dölkern auf dieselbe
Geſinnung, des Willens zum friedlichen Wettbewerb, rechnen zu können.
Wir hatten unterſchätzt das ſtarre Feſthalten der Angelſachſen an der Auffaſſung,
das von Gott zur Weltherrſchaſt auserſehene Volk zu ſein,
das VDorwvärtsdrängen der einſt von den Deutſchen zurückgehaltenen ſlawiſchen Flut, :
die gekränkte Eitelkeit des „an der Spitze der Biviliſation“ marſchierenwollenden
franzöſiſchen Dolkes, das seit Jahrhunderten die Dorherrſchaft auf dem euro-
päiſchen Kontinent als ihm gebührend anſieht und als Ziel ſeines ehrgeizigen
Strebens nicht aus dem Auge verliert.
All dieſen Machtgeltiſten ſtand Deutſchland im Wege, dem in wachſenden I
Wohlſtand unbekümmert dahinlebenden, deutſchen Volk schlug plötzlich der
neidvolle Haß einer ganzen Welt entgegen. Das brachte ihm die inſtinktmäßige
Erkonntnis von der Notwendigkeit, auch als Nation zu handeln, wie uns die
anderen anſahen und empfanden, mit einem einheitlichen Willen zur Selbſt-
behauptung.
Unerwartet große Widerſtandskraſt vermocht es, von diesem Gedanken befeelt,
zu entwickeln. Wir wiſſen leider, daß er ſich nicht bis zum Schluß behauptet
| het OL uglqrsls Energie der anderen Völker, geſtützt durch ihre Überzahl,
Nber einen Gewinn hat der große Kampf doch gebracht: das Erwachen der
unmuündigen Dölker zu nationaler Selbſtändigkeit, auch bei solchen, deren leidvolle
Geſchichte ſie ſchon mit der Unterdrückung hatte abfinden laſſen.
Türken, Ägypter, Inder, Chineſen und andere, ſa selbſt die ſchwarzen wollen
sich von ihrem Joch befreien.
Sie haben den Zwang und die Härte der Fremdherrſchaſt erkannt, aber auch
ihre Schwäche, ſobald der Dille, ſie nicht zu erdulden, ſich feſtigt.
Und da mutet man dem deutſchen Dolke, bewährt in ungezählten Siegen, zn,
ich den Zwangsmaßregeln des Schmachfriedens von Verſailles zu unterwerfen
und will es betrügen mit dem Phantom eines Dölkerbundes, in welchem man
ihm eine Ausnahmeſtellung zuweiſt, da es weder über den Ertrag seiner Arbeit
ſelbſt verfügen, noch ſich nach eigenem Ermeſſen die Wehrmacht halten darf,
die es zum Schutz der nationalen Arbeit für nötig und im Derhältnis zu der-
jenigen ſeiner Nachbarn angemeſſen hält.
Menn die Welt nach Frieden verlangt, nachdem die Folgen des Weltkriegs
überall hin ſich verbreitet haben, so darf es keine Unterdrückung des Willens
zu ſtaatlicher Selbſtändigkeit geben.
Deutſchland hat den gewaltigſten Kampf für seine Gleichberechtigung gekämpft,
es hat wehrhaſt und wahrhaſt für eine wirkliche Freiheit gerungen und obwohl
es Undank genug dafür geerntet hat, würde es mit Recht heißen
„Deutſchland als Hefretier“
wenn wir uns dieſen Ruhm nicht verſcherzen durch die unwürdige Art, mit
der wir ſelbſt am wenigsten Gebrauch machen von dem Recht, wofür wir ſtritten :
dem Recht der Perſönlichkeit als Dolk und Staat, oder kurz geſagt „der Nation“.
Freilich, nur das Volk verdient die Freiheit, das ſeine Ligenart hochſchätzt, dem
die Erinnerungen an ſeine Ruhmestaten wert erſcheinen, den Nachkommen als
Dorbild zu dienen, und das in ſelbſtbewußtem Stolz keine Knechtſchaft dulden
will. Darum, du teures Saarland, gib dem deutſchen Daterland weiterhin das
Heiſpiel unerſchrockener und unbengſamer Standhaftigkeit in nationaler Treuo.
Die Enlſchloſſenheit des Mutigen reißt die Schwachen mit ſich fort.
Weimar, im Juli 1926.
1.2. x w t;
Etaubenlefc auf Weingut Würzberg a. d. Saar.
Vortvort.
Mit dem alten friſchen Mut, wenn auch nicht mit rheiniſch heiterer Miene begrtißt
der Weltbote des Saarreviers die Heimatgenoſsen nah und fern. Er ist in seinem Aeußeren
umfangreicher geworden und, wie ich hoffe, auch seinem inneren Werte nach. Er hat
wieder viel zu melden und neues, bisher unbekanntes aus verstaubten Akten und ber-
gilbten Papieren ans Licht gezogen. Noch mehr aber bleibt zu berichten aus unseren
Tagen der leidvollen Verbannung, die uns immer wieder auf die Schanzen ruft, ver-
briefte Rechte und deutsche Freiheit zu verteidigen. Die düistere Zeit findet uns alle noch
deutſch ohne Zagen, trutzig im Wagen mit der Kraft im Entsagen und den Mut im
Ertragen. Wie wohltuend bertihrt da die Teilnahme der Saarländer draußen in der
Welt, deren Liebe zum alten Grenzland auf's neue entfacht iſt. Viele, viele Zuſchriften
aus allen Erdteilen bekunden Stolz und Genugtuung, daß hier das Vermächtnis der
Väter je länger, je lieber mannhaft gewahrt wird. Mögen uns auch Meere und Länder
trennen, Herzen und Seelen sind eins. Es ist wohl so, wie ein Heimatgenoſse aus
Argentinien schreibt: „Es steigt mir heiß ins Angesicht die Rührung, wenn die Heimat spricht."
Auch den Freunden im Reich und der wohlgesinnten Presse sei an dieser Stelle mit
Dank gedacht. Sie sind mit ihrem Entgegenkommen nicht allein Wegbereiter des Jahr-
buches, sondern zugleich auch Schrittmacher für die leider noch so notwendige Aufklärung
über das Saartal und seine wirtschaftliche Bedeutung, vor allem aber über den Charakter,
Gesinnung und Kampßpf eines Grenzlandes, der dem Deutschtum in seiner Gesamtheit
ein Vorbild sein sollte. Die freundliche Aufnahme des Saarkalenders in vielen städtischen
Bibliotheken trägt gewiß dazu bei, daß man uns nicht mehr in Lothringen sucht. Diese
beklagenswerte Lücke in dem deutschen Wissen läßt es sehr wünschenswert erscheinen, dem
Buche Eingang in die Schulen zu verschaffen. Jedes deutsche Kind sollte und mtißte
es wissen, worüber in den inneren Gauen des Reichs heute noch Professoren stolpern:
Das harte, selbſtbewußte Germanentum der Saar steht in einem unüiberbrüickbaren Gegen-
satz zu jedem Volksteil jenseits der Grenze. Ein Unterschied wie Feuer und Waser,
wie harter Eichenſtamm zum schwankenden Sumffrohr.
In der vorliegenden Schrift iſt der Versuch gemacht, eine Datenchronik der Saar-
geschichte aufzustellen, eine Arbeit, die auf unerwartete Schwierigkeiten stieß. Oft ließen
sich trotz aller Mühe selbst in wichtigen Sachen genaue Daten nicht mehr festlegen, z. B.
in unserer Theatergeschichte. Die Akten sind, wie ich höre, bei einem Unfall verbrannt.
Es sei hier die Bitte ausgesprochen, zur Vervollſtändigung der an sich sicher begrüßens-
werten Tabelle durch kurze schriftliche Mitteilungen an den Verlag beizutragen. Eine
Chronik dieser Art wird als Richter bei manchem heiß durchgefochtenen Streit in der
Familie und am Stammtisch willkommen sein.
Ohne freundwillige, tätige Anteilnahme Gleichgesinnter läßt sich ein Jahrbuch, wie es
auch diesmal wieder vorliegt, nicht fertigstellen. Ich gedenke daher mit Dant aller, die
sich freuten, am Werke Mitarbeiter zu sein.
Eine ganz besondere Ehrung iſt diesmal dem Heimatbuch widerfahren durch Se. Ex-
zellenz den Admiral Scheer, den Chef der Hochseeflotte und Befehlshaber
der deutschen [Seestreitkräfte in der Skagerrakſchlacht. In der Geschichte
unseres Vaterlandes [leuchtet sein Name, die Erinnerung an den Ruhmestag vom
31. Mai 1916 wird in allen deutschen Herzen fortleben. Ihm flogen bei seinem Er-
ſrcheinen im Saargebiet zur zehnjährigen Gedenkfeier des großen, für uns so ehrenvollen
Tages die Herzen begeistert zu. Er überzeugte sich von unserer Not, aber auch von dem
felſenfeſten Willen, in dem Kampf um die Erhaltung der hohen Güter unserer deutschen
Kultur nicht nachzulaſsen, noch mtide zu werden bis zur Stunde der Befreiung. Der
Sieger der Skagerrakschlacht hat liebenswtirdig dem Saarkalender 1927 das Geleitwort
geschrieben, das uns mit freudigem Stolz erfüllt. Was er uns in markigen Strichen
zu sagen hat, wollen wir uns tief einprägen und ihm folgen. Es wird auf ein frucht-
bares Feld fallen und mit uns wird der Sieg sein, wie er ihn einst durch seine Tapferkeit
an die deutsche Flagge zu fesseln wußte. f
So möge allen, denen wir anverwandt, lieb und wert sind, der neue Saarkalender von
unserem Geschick berichten, von unserer aufrechten Haltung undJunserer Hoffnung, die
mit uns wandert bis zur lichten Höhe des neugewonnenen Oltickes. Allen Freunden
des Saarlandes ein herzlich Oltickauf. A. Z.
*
Es neie Johr had angefang
Mr dengd als driwwer noh,
Wie's werre kinnt, wie's werre wird,
Ob glicklich odder ſchroh.
Fanuar oder Hchneemond 1927
Doch weil mr wääs, et nutzt jo nix.
Mb mr grummeld odder brummd,
Do ſahd mr wie gewehnlich ſich :
Mr drahts halt, wie's grad kummd.
H. G.
î j Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
Wochentage bz: Über Daten in Induſtrie und im Bergbau ſiehe Saarkalender 1923
Über saarländische Aktiengeſellſchaften ſiehe Saarkalender 1924
Sönuabend | 1 i Ur L; r " s ' 1) U VIU Ft E 19:6
Neujahr Luftangriff auf das Saarinduſtriegebiet, Flieger über Lisdorf, Bombenabwurf 1915 — Beginn
des neuen Jahres nach deutſcher Zeit im Saargebiet gefeiert 1925
Sonntag 2 | St. Arnual durch Saarbrücken ringemeindet 1896 —~ Ende 1923 Saargebiet 773 764 Seelen
Hiostag @ | > {| IGS E HN DUS EMU EL NM F §g n 1924 ast 11. Pes.
Dienstaa | 4 | Huren ß, zer heran 77d hrM§kr T Fd 1 U; kußr Vis rte ur R?
Mittwoch 5 | Ir Geizlautern ere Br rr § p rer lter; V Uk re Uhl ker rattert tüv:
Dannerstag 6 | Die franz. Militärverwaltung verbietet Aufenthalt auf der Straße nach 1/211 Uhr nachts 1919
Freitag ; 7 Schwarze Huſaren in St. Johann, Sprengung der alten Brücke 1814. – Erster Berufsbürger-
meister Saarbrückens, Feldmann gewählt 7. Januar 1884.
Sönuabend | g { !)"! Niers v§t zr rr04.1 "zZ ¿n 1274.30). hlä;cs. vor rt kt
Wirtſchaften 1915 ~ „Sonntagsglocken" und „Großſtadtbrille' verboten 1925.
Sonntag 9 | Separatiſt Heinz Orbis in Speyer erſchoſſen 1924.
Eiſenbahndir. geteilt in 2 ſelbſtändige Direktionen 1920. 1. im Saargebiet gelegene Strecke,
Montag ) | 10 Z. zei éer ſriheren kfrerlion ci g e L “zin zk. Nytur-zaa ryr. Int Ire 188
Schwering b. 1913, Breuſing b. 1917 u. Broſche. ~ Zollabſchnür. d. Saargeb. v. Deutschl. 1925"
Dienstag 11 | Blücher zieht in Saarbrücken ein 1814.
Mittwoch 12 | Proteſt der politiſchen Parteien gegen Errichtung der franzöſiſchen Schulen 1923
Donnerstag 13
Freisg f 14 | Y UL H HL D F § H CE N 12s 7 Stuben
Sonnabend 15 | Volkstrauertag, würdiger Verlauf im _ c crhcktet 1923. ;
Sonntag 16
Montag ) “17 | General v. Moßner, Stellv. Komm. des 21. und 16. Armeekorps verläßt Saarbrücken 1918.
Dienstag 18
Mittwoch 19
Donnerstag T56- Revolutionsſchwindel Adler-Rollin als Lug und Trug in Genf gebrandmarkt 1925.
Freitag 21
Sonnabend 22
Sonntag 23 Et: An eige der Buchhandlung Heinrich Sieberts in der Saarbrücker Zeitung y
olf Köllners grundlegende Forſchung über das Saargebiet 1864.
Montag 24 21. Armeekorps nach dem öjſtlichen Kriegsſchauplatz 1915.
Dienstag 25
Mittwoch C | 26 putbezrat?bjhlah : Beſchlagnahme von Brotgetreide und Mehl mit Wirkung vom
Neues Rathaus geweiht 1900 - Kataſtrophe durch ſchlag. Wetter auf Grube Reden, 150 Tote 1907
Donnerstag | 27 | Zr Cole tiker er ggg noted qeſ Fer hun t94 13% §eh.BereiGn. Jud Rigi Graf Wötkher 1860.
| Seit 1876 in Saarlouis — 27. Jan. 1889 Feldart. Rgt. 8 erhält Bezeichnung Feldart. Regt.
v. Holtzendorff in Saarlouis. Reit. Abtlg. 1897 in Saarbrücken
Freitag 28 |
Sonnabend | 29 | Erſter Ausverkauf des Saarreviers durch die Lothringer beginnt 1920
Sonntag | 30 | Unabſetzbarkeit der Richter im Saargebiet ausgeſprochen 1923 :
Montag | 31 Saarbrücker Zeitung und Saarbrücker Vslkszeiting, auf 2 Tage verboten 19018 ~ 6sö KUrieger-
und Militärvereine des Saarlandes gründen den Deutſchen Saarkriegerbund 1926.
10
Saarkalender für das Jahr 1927.
Saarbrücker Hafen im Schnee. Phot. Wentz, Saarbrücken.
. rr
Wo liegt Saarbrücken?
Graf Alex war's von Wartenberg, als Reiter hoch geehrt, Viel Briefe flattern ins Revier aus Gauen weit und breit,
Der Garde Stolz, dem Becher hold und ſchneidig wieſein Schwert, Wie fit: ſie die Herzen tief mit herber Bitterkeit,
Gar finster iſt ſein Blick und Sinn, er ſtößt ſein Glas zurück: Du alte Grenzwacht deutſcher Art,was kränkt man dich so ſchwer,
„Befehl von Sr. Majestät raubt Freude mir und Glück ; Sie wiſſen nichts von deinem Kampf und welſchem heiß’ Begehr,
Werd’ Oberſt fernab an der Saar – — Dragonerregiment, Sie ſuchen dich sogar „en France“, im Reichsland ſicherlich.
Den Globus her, eilt Ordonnanz, Kreuzbombenelement ! Im Bruderzwiſt, ſo wüſt und toll, wer denkt da noch an dich !
Wo iſt die neue Garniſon ?“ Er ſucht wohl kreuz und quer Undſelbſt ein Herr Profeſſor ~ mich wurmt's wenn ich's erwähn'
Und fingert an dem Globus rum und find't ſie nimmermehr. Ur GE UG eReU h, da steht es ſchon „Saarbrücken en Lorraine !“
„Ha, wo in der verrückten Welt, mir ahnt's, Gott ſei's geklagt, Iſt das der Dank, daß wir für euch in Sturm und Wetter ſtehn,
Der Hund miaut, die Katze bellt, da ſucht es mir und ſagt Ihr solltet doch mit vollem Stolz auf eure Hochburg ſeh'n!
ÑDer Deibel hol's, das walt’ die Sucht, ich fall’ gleich auf Wo ſind ſie, die durch ihre Treu aufs neu den Ödler ſchmrücken ?
Worliegt Saarbrücken ? [den Rücken ~ Wo liegt Saarbrücken ?
Der Weſtmark Wacht, wir hielten ſie und haben uns gewehrt,
So oft auch fremder Uebermut ſich gegen uns gekehrt.
Verheerend flog der Sturm durchsLand,dasHerz blieb unberührt,
Es hat durch allen Wettergraus uns deutſchec Geiſt geführt.
Ein Edelſtein ſo hell und rein, echt deutſchen Weſens ein Kriſtall,
Durch hundertfaches Leid geſtählt, ein einz’'ger Männerwall,
Wo jede Hand, die im Gebet ſich fromm zu Gott erhebt,
Doch nur ums liebe Vaterland und ſeine Freiheit bebt.
Wo kampferprobtein deutſcher Stamm um ſeine Scholle ringt,
Und wo um mnanches Heldenthal das Lied der Freiheit klingt,
Wo's unsern Feinden nie gelang und nimmermehr wird glücken:
Da liegt Saarbrücken !
Ehrende Erinnerungsblätter.
„Auch ich Habe die unerſchütterliche Ueberzeugung, daß im Jahre 1935, ygtr; zeil und hoffentlich ſchon viel früher,
die treuen Männer und Frauen des Saarreviers ihren Unterdrückern die richtige Antwort auf all das geben werden, was
ſie zu erdulden hatten, heute noch erdulden und wohl noch zu erdulden haben werden. Wenn überall in den abgetretenen
und beſetzten Gebieten unſeres armen zerſchlagenen Vaterlandes ein Geiſt herrſcht wie im Saarrevier, dann wäre mir um
die Zukunft des Vaterlandes nicht bange."
Ehem. Präſ. der Bergwerksdir. Geh. Bergrat Dr. Hilger (OKt. 1925, Schreiben an den Saarbrücker Kriegerverein).
41
'S is Faasſenachd, 's is Faaſenachd!
Ureiſchd de Beijas, plärrd de Booz.
Se tuude, ſchlahn em mit dr Britſch
Un mache vill Gefooz.
Februar oder Hornung 1927
Geh, lajſe noh! Mir han jo ſchun
So Narrekrom ſeid Johr un Dah,
Un ſinn mit allerhand vor Booz
Un Beijaſſe genuch geſchlah.
H. G.
Wochentage g- Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
Dienstag 1 zr!qb z 'eſtlagnghme pon Eubter: msel Zinn, Aluminium, Antimon und Hartblei 1915
Mittwoch © 2 pt rr er Y : Forer. zzud Perſonalausweis führen 1919 -- Wucher und Schieben
Donnerstag Z §eztrtmsfeahtiqn protestiert V Rgthhau der Bergwerksdirektion. Gefährdet Schnappach,
y s ,
Freitag 4 Polizei verweigert Saarländern Einreiſe, die über ein Iahr dem Saargebiet fernbleiben 1924
Sonnabend 5 Zr zt zer Hergtente ns! > Feprugr. bis zum 15. Mai 1923 - Landesrat verlangt u. a.
Sonntag 6
Montag 7 [Regierungskommission hält Staatsanwaltſchaft an, die Spitzelrevolution nicht zu verfolgen 1925
Dienstag 8
Mittwoch ) 9 | Statt Kartoffeln Grieß und Kohlrüben 1917.
Donnerstag 10 U. que wal rküiziſcher Mundartdichter, in St. Ingbert geb. 1834. Er ſtarb in Straßburg
Freitag 11 | Backen von Kuchen verboten, nur Roggenbrot iſt herzustellen 1915.
Sonnabend 12 | Handwerkerbund verlangt die Reichsmark 1925.
Sonntag 13
Montag 14 | Durch Fürſt Ludwig Leibeigenſchaft aufgehoben 1793.
Dienstags | 15 | F YEN N E EL L UE S E FE 56-5 366
Mittwoch © | 16
Donnerstag | 17
Freitag 18 j
Sonnabend 19 | Ufegres Lngrs, gen Zreigrüßen verwtſtet Völſlingen, Malſtait und Burbach 1471.
Sonntag 20
Montag 21 zſcutcher. Fsarkriegerbund- tagt in Völklingen, 265 Abgeordnete vertreten, 10000 Mit-
Gienstas | 22 [ SLU EG E:s § Nr s § Th V§ UR:, üer Bug rs
Mittwoch 23 : -
Donnerstag ( 24 | Saarbrücker Zeitung verboten bis 3. März 1920.
Freitag 25 | Ausbeutung der Gruben. Reingewinn 99,919 364 im Iahre 1922.
Sonnabend 26 | Die Regierungs-Kommiſſion beginnt ihr Regiment 1920.
27. Febr. 1784 ſtürzt Alte Brücke durch Hochwaſſer zuſammen. Brücke einſt erbaut 1546~1549
Sonntag 27 “z eit C z126 JE !: Fl eau er euer er Hgrßehr berg.ben:
franzöſiſche Truppen im Saargebiet 1925.
Montag 28 | Im Saargebiet würdige Feiern für die gefallenen Helden. Volkstrauertag 1926.
12
Saarkalender für das Jahr 1927.
Romaniſche Kirche in Merzig. Phot. Wentz, Saarbrücken.
Einigkeit!
Es ſteht ein Wort, wie Fels im Meer, Es mahnt das Wort am ſchwerſten Tag:
Die Wogen donnern laut und branden, Weh denen, die mich niemals fanden,
Es brauſt der Sturm darüber her, Den immer trifft der Schickſalsſchlag,
Doch klirrt das Wort wie ſtarke Wehr Und ſtets das Volk noch unterlag,
Weit über Aufruhr, Raum und Zeit: Dem nicht das eine Wort bereit :
Einigkeit! Einigkeit!
Es glüht ein Wort tief in der Bruſt, Darum seid eins! Ein einig Band
Haſt Du es Deutſcher wohl verſtanden ? Umſchling' in allen deutſchen Landen
Es ſchenkt Dir Kraft und Lebensluſt, Vas deutſche Herz. Und Vaterland
Wird Dir das eine Wort bewußt, Sei dieſer heil'ge Bund genannt.
Das Wort, der Sinn von Einst und Heut: So ſiegt auch über ſchwerſtes Leid
Einigkeit! Einigkeit!
Fritz Bartels.
Belehrende Erinnerungsblätter.
„Es Hat in Frankreich nie eine Partei gegeben, weder Legitimiſten noch Konſtitutionelle noch Republikaner, welche
gewußt hätte, was Gerechtigkeit und Humanität iſt. Deutſchland mag ſich vor dieſer franzöſiſchen Nationalität in acht
nehmen, welche ſich ohne Zweifel mit jedem, auch dem verworfensten Despoten, verbünden würde, um das linke Rhein-
ufer auf dem Altar der Gloire der Pariser niederzulegen."
Johannes Scherr, Zürich, demokratiſcher Hiſtoriker. (Im Jahre 1858 über die Franzoſen.)
„Kein Haufen verlumpter ausgehungerter Beduinen kann so mit der raubgierigen Wut über das Gepäck der ge-
mordeten Reiſenden herfallen, mit welcher dieſe Schurken über das Eigentum unſeres Fürſten hergefallen sind."
Horstmann, Hofbeamter des Fürſten Ludwig. (Die Franzoſen in Saarbrücken 1793.)
13
Dr Donon ziehd sei Winderhaub
Un ſahd zur Mamfell Saar:
Ft a b §§.199f ſo ſchnell De kannſchd,
märz oder Lenzmond 1927
De gudde Deitsche rings im Land:
Br. “chne r LUd us . 2h "als ganz
Dr Frihling, der wär doh.
H. G.
Wochentage Da- Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
Dienstag 1 Egcrirüken Uns St. Johann Stadtrechte 1321 — Ablieferung der Kirchenglocken 1917 In
Fastnacht Cätiqt eit feen: ſü!;:. Mütcärpolizeigericht, Kriegsgericht 1919 ~ Volkstrauertag um die
Mittwoch 2
Aſchermittwoch
Donnerstag 3 | Friedensschluß mit Rußland 1918 - Minister Hektor legt ſein Amt nieder (Falſcheid) 1923.
, Inſtrumentalverein gegr. 1847, aufgelöſt 1893, Germania 3. Iuli 1853, Sängerbund 1860.
Freitag 4 | 1861 ptzpersrſaugverty „Eintracht“, von dem ſich 1885 „Harmonie“ abzweigt, „Geſellſchaft
der Musikfreunde“ gegr. 1898.
Sonnabend 5 | Major v. Peſtel wird Kommandeur des Ulanen-Regts. 7 1869.
ZONES ESCH CE EES
Montag ? [ Putt cl 6t§; ut tes fm C IR ZZ FV e
laß zu erwirken f. Nachſteuer Schickkonzerns. Gegen Gesetz u. Recht 400 000 Fr.erlaſſen 1926
. Freiherr v. Stumm gest. 1901 ~ Robert Donald nennt das Saarrevier „Europas Wetterwinkel“
Dienstag 8 | Ein ſpäter viel zitiertes Wort 1925. Aufsehen erregt Enthüllung der Landesztq. über Sprit-
__| schiebungen des franzöſiſchen Schickkonzerns. Saarland und Reich schwer geſchädigt 1925.
Mittwoch 9 Raults letzter Streich gegen die Beoölkerung mit Ankündigung, die französischen Euxusſteuern
———|.am 1. April im Saarland einzuführen 1926.
Beginn der revolutionären Bewegung im Saargebiet 1848. Adreſſe an den König 742 Unter-
Donnerstag ) 10 | ſchriften ~ Saarbrücker Turnverein gegr. 1848 - Landgericht ſpricht den Saarbeamten An-
__| Fpruch auf gleiches Gehalt wie Reichsbeamten zu 1925.
Freitag 11
Sonnabend 12 Saarlands überwältigende Kundgebung für Deutschtum und Freiheit 1920 ~ Die „Notver-
ordnung“, Zuchthausgesſetz tritt in Kraft 1923.
Sonntag 13 | Bismarckbrücke dem Verkehr übergeben 1915.
Montag 14
Grube Rofett Schlagwetterexploſion 78 Tote, 12 Schwerverletzte 1907 – Bruch des Seiles
Dienstag 16 | th St cle Fl Mathuped. q! Zrubz Serhard êt Tote. 107 t RL
j, zuerkannt 1922 ~ Völkerbund ernennt
Koßmann zum ſaarl. Mitglied der Regierungs-RKomniiſsion 1924.
Mittwoch 16
Donnerstag n F ybernbatajtrophe us Grube Camphauſen 185 Tote 1885 ~ Saarbrücker Abendblatt bringt
eldung, daß franz. Truppen im Saarl. ungeniert Schießübg. abhalten u. sogar wildern 1926
Freitag © | 18 | Rom lehnt schroff Bildung eines Saarbistums ab 1925 + Rault in Genf abgeſägt 1926.
Sonnabend 19 | Neunkirchens erſte Bliesbrücke 1835.
Sotitita 20 Vapelegts . Lohn gzborgr. Zu jetter tren; mußte Saarkrühen telern. .. Die z Siebo-t Eichen“
g [ ©. [ gts LZ S' E. LU:; (? M L §§2
Maontag 21 | Gebr. Stumm erwerben Neunkirchener Eiſenwerk 1806. Karl Ferd. v. Stumm leitet das Werk 1856
Dienstag 22 | Grundſteinlegung zum Rathaus in St. Johann 1897 -- Einweihung des Bismarcksdenkmals
auf Schloßplatz 1899 ~ Erste Ausweiſungen 1919.
Mittwoch 23 | Saarbrücker Zeitung und Landeszeitung verboten auf 24 Stunden 1918.
Donnerstag | 24 | L UL u Ftr~ Bt§ler zus ZL, Err 188 — Volksſmme, feun-
Freitag 25 Ulanen-Regt- 7 feiert ſein 5s0jähriges Beſtehen 18665 = Deranftalter der Spitzelrevolution
erhalten Belohnung, Adler 108 000 und Rollin 27 000 Franken in Gestalt einer péoule 1925.
Sonnabend (
26
Abſturz der Förderſchale auf Zeche Remeau bei Merlenbach, 80 Knappen abgeſtürzt, unter
den Toten 23 Saarländer 1925.
Rault gibt Beſtand der Truppen im Saargebiet auf 5040 Mann an, die politiſchen Parteien
Sonntag 27 melden dem Völkerbund, es ſeien etwa 10000.
Oberbürgermeiſter Mangold von Franzoſen ausgewieſen 1919 - polzeipsjer Dörfert erhält
Montag 28 vom Obergericht Saarlouis 18 Monate Gefängnis 1925 ~ 28. und 29. Dr. Eckener im Saar-
gebiet (Saarlouis und Saarbrücken) 1926.
Bienstas | 29 | Ep: EO EO HIS brqlchen vers?
Mittwoch 30 | Freiherr Karl v. Stumm geb. 1836.
Donnerstag | 31 | Hümmer sat nd VE mie hütrs rhte EU ie lin? Vircmer zur Vorfügung 1998.
14
Saarkalender für das Jahr 1927.
Saarburg. Phot. Wentz, Saarbrücken.
Wie merſch treibt, ſo geht's.
Es gebd doch langſam Luft un Licht Das han die Herre iwerſiehn
Aweile in BGnaabrigge. Bei ihrem dolle Treiwe.
Un alles, was nit heergeheert, Un dofoor han ſe alles jetz
Das ſcheint ſich ſe verdrigge. Sich ſelwerſchd zuſeſchreiwe.
Mer hat gemennt, mer breicht bei uns Die par Bchigahner, wo ſe ſich
Nur ſo ſe kummediere, For Geld un annre Bache
Dunn däht e Feder gleich uffs Wort Bo noh un noh geangelt han, ~ ~
Un meisfjeſchdill pariere. Do war ken BHchdnaad ſe mache.
Die Rechnung, die is falſch gewehn, De Auswurf aus em Baargebiet
Dans Volk hie war so willig. War ſchließlich dord beinanner.
Doch, wiſſe ner, Gnabrigger Blut Bie han ſich allegar geglich,
Das is ken Buddermillich. Bo wie ähn Eifſ em anner.
Mir halle an der Heimaad feſchd, Fetz hat mer im geloobde Land
Wie alle echte Bchbrääwe. DVenrzicht' uff dene Bchwindel.
Wer uns for dumm verkaafe will, Die Gelder, die ſin ausgeblieb,
Der kann e Schbaß erläÄäwe. Un plott war das Geſindel.
Die Grieder ſin fetz iwel draan.
Was han ſe jetz? Ach lääder!
Es heiſchd: „Ich achte den Verrat,
Doch niemals den Derräter!"
€ Maoncher ſoll an der Geſchicht
Bich jetz e Beiſchbiel holle.
Dann ſo geht's de Derräter all,
Wo Fudas ſchbiele wolle. Fritz Kühner.
Ehrende Erinnerungsblätter.
Am 9. Auguſt 1874 wurde das Winterberg-Denkmal geweiht. Bei dieſer Gelegenheit überraſchte der Regierungs-
präſident von Wolff die Bevölkerung mit einem Erlaß Kaiſer Wilhelms I., nach welchem „den Städten Saarbrücken und
t ) U LU ;g r re rage §. uo spſez z .]llse Nattung wahrend.des legten trieger
„Hier ſprechen Berg und Tal, Gräber und Steine eine laute Sprache. Hier erinnert uns jeder Schritt durch die
Stadt und die Namen der Straßen an große Zeiten, an eine höhere Geſinnung, an eine edle Auffaſſung. Hier ſteckt noch
der alte, echte deutſche Geiſt! Hier lebt noch die feſte, mannhafte Bürgerſchaft, die bei Beginn des Krieges 70/71 durch
ihre Haltung die Bewunderung des ganzen deutſchen Volkes erregt."
Generaloberſt v. Eichhorn. (In einer Rede über Saarbrücken am 23. Nov. 1912.)
15
Es Wedder wechſeld jed Halb Stunn,
Bloß mir, mir ſinn beſtännig,
Draus rähnds emol, ball ſcheint die Sunn,
Mir ſinn nit wedderwännig.
April oder Oſtermond 1927
Die Narre ſchiggt mr, wo mr will;
Mir laſſe uns nit ſchigge.
Mir bleiwe immer, wer mr ſinn,
Bei uns duhd ne nix gligge. H. G
Wochentage y.: Erinnerungstage des Saarreriers bis einſchl. 1925
„Saarbrücker Zeitung gegr. 1761 – Austreibuug von Kühen und Schweinen in St. Iohann
Freitag SEC ESEG ESE E G C E
Die 70 er von Hiedentofsy nach Saarbrücken verlegt 1888 ~ö 1909 Saarbrücken
Großſtadt – Feldmann in Ruheſtand 1909 ~ Einführung der Lohnsteuer 1922.
Sonnab end 2 Westf. Drag. Regt. Nr. 7 von Stendal in Saarbrücken eingerückt 1878 ~ Die hiesigen fran-
zöſiſchen Beamten nicht auf Saargebiet vereidigt 1925 (Landesrat).
Sonntag Z | Reit. Abtlg. des 8. Feldartillerie Rgts. v. Holtzendorff rückt in St. Arnual ein 1897.
Montag 4 | Left Lt hr Rr Dent tic" U B mts 2721 Prpcutk
1893 – Eingabe der Saarpreſſe nach Genf gegen Notverordnung 1923
Dienstag s | 31,. U) E,). Vds CT cue FL nes. 1917 rLrc a zr kt;
eine Woche verboten 1919
Mittwoch 6 | Die Malſtatter Kirche geweiht 1502 — Miniſter Lambert (Belgier) ſchikaniert durch Ober-
poſtdirektion die Saarbevölkerung 1925.
Donnerstag 7
Freitag § sis ". rh. Vogel. Frs. ui ue! fs tre Hyzsht verbannt 1919 ~ Oberſter Gerichtshof
Sonnabend 9 | Beginn der Verwüſtung des Saargebiets durch kroatische Regimenter 1627.
Sonntag 10 | Sranzoſen verbannen große Zahl Bergarbeiter aus dem Saargebiet 1919 - Sulzbacher Volks-
Palmsonntag zeitung und Saar- und Blies-Zeitung auf drei Tage verboten 1923.
Montag 11
Dienstag 12 | Neunkirchen gründet höhere Knabenschule 1875.
Mittwoch 13 Bz! ſchwindelt der Welt eine Saarrevolution vor, die ſog. Spitzelrevolution 1923 ~ Saar-
er Zeitung auf 14 Tage verboten 1923.
Donnerstag | 14 | M
Gründonnerstag
Freitag 15
Karfreitag
Sonnabend 16 Pg leon ! gr.. Sqarhröten 2.20" Preußen und Ruſſen 1813 — 6. Uriegsanleihe, Saar-
Sonntag 17 P:!F gegen Hausſuchungen im Saargebiet, Forderung eines Gerichtsverfahrens von den
Oſtern etroffenen 1923.
Montag 18 | 8. Kriegsanleihe, Saarbrücken zeichnet 63 Millionen 1918.
Dienstag 19
Mittwoch 20 Weyer : Fasses Schwarz-weiß-rot Klage in Völklingen gegen Röchling und Kleber. Es erfolgt
R.-eK. bt eu Beſoldungsordnung den Beamten Statt 13 Gruppen 18 mit Berückſichtigung
E Nager
ge[zen bet Ypecn Hau Oberförſterei in Karlsbrunn errichtet 1817. ier rh
Freitag 22 In den französischen Schulen für deutſche Kinder Feier zu Ehren der Schutpatronin Frank-
reichs, Jungfrau von Orleans 1924.
Sonnabend | 23 haus gesch aufzuheben 1926 " - “Zaarrsgierung \nterſagt. Landräten “r Learltragt; su:
eamten nnd Schulen Beteiligung an Jahrtauſendfeier 1925. ; .
Sonntag 24 Feuer zerſtört Roden, von 210 Häuſern 125 eingeäſchert. 156 Familien obdachlos 1820 ~ Be-
ſuch Kaiſer Wilhelms 11. bei Stumm auf dem Halberg 1892.
Montag 25 Komm. General bringt ſcharfe Verordnungen gegen Sthleichhandel 1917.
Dienstag 26 [Stadt verbietet Freiverkauf von zucker, Zuckermarken eingeführt 1916.
Mittwoch 27 ur nor er U L§r HG Fqarbrücher : Fürſtengeſchlecht erloſchen 1797 – Ablehnung
Donnerstag 28 | Im Sitzungssaal des Landesrats deutſche Kernſprüche auf Befehl der R.-K. verhängt 1924.
Freitag :29-
Sonnabend 30
16
Saarkalender für das Jahr 1927.
Blick ins Saartal bei Gersweiler. Phot. Wentz, Saarbrücken.
Ostergruß!
Pf; unsern Bergen lacht des Frühlings Leuchten, Der Welſchen Neid und Haß sind stumpfe Waffen,
Doch Saarlands Leid grüßt noch kein wärmend Lich, Was man an harter Fron auch uns ersinnt,
Und wehmutskrank will sich das Auge feuchten Der Saar hat Gott ein Kämpßpferherz geschaffen,
Nach deutscher Bruderhand, so treu und schlichte. Und Machtgelüiſt vor Mut und Recht zerrinnt.
Ersſcheinſt du, Oſterſonne, strahlend wieder Den Sinn gestählt, das Auge klar und offen,
Erlösung kündend, endend unsre Qual? ~ Die Ehre ruft! Schon sproßt die neue Saat,
Dem Friedensfürsten klingen Siegeslieder, Es weicht die Nacht, uns trägt ein Oſterhboffen:
Doch kalter Nebel bannt noch unser Tal. Wir ſprengen doch das Orab durch deutsche Tat |
Wie heil’gen Oſtergruß laßt’s hell erklingen:
„Den Brüdern Heil, dem Reiche Auferstehn;
Die Saar läßt sich nicht niederzwingen,
Der Freiheit Stunde kommt: Auf Wiederſehn!“ HA. Z.
Belehrende Erinnerungsblätter.
„Deutſchland Hat ewigen Bestand, es iſt ein kerngeſundes Land."“
Heinrich Heine.
n je ein Deutſcher etwas Großes tat, geſchah es in der Not, im Zuſtande der Tapferkeit, der zuſammen-
gebiſte s "Zähne. der geſpannten Beſonnenheit. Fr. Nietzſche.
„Der Franzoſe ändert ſeine politiſche Meinung wie seine Kleidung; nur im Haſſe gegen Fremde und vorzüglich
gegen die Deutschen bleibt er ſich gleich.
Böchking an Görres, den Herausgeber des „Rhein. Merkur“ am 7. Juli 1815.
„Auf Gott vertrau’, dich tapfer wehr’,
Darin beſteh’ dein Ruhm und Ehr';
Denn wer auf Gott herzhaftig wagt,
Wird nimmer aus dem Feld gejagt.
(Alter kurbrandenburgiſcher Fahnenſpruch.)
17
Saarkalender 1927 2
In Buſch un Feld is Fräd un Juwel,
Die Bähm ſchlahn aus, un alles blihd.
Es ſtrahld die Sunn am blaue Himmel,
Mr wird ganz dusmah im Gemihd.
mai oder Waonnemand 1927
Es grawweld em an alle Egge,
Mr machd e Buckel wie e Kadz,
So wohlig gehds em durch die Glieder.
Wer had in ſore Zeid ke Schatz ?
H. G.
Wochentage ?: Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
Es 6 | T EE N E E E r z nE
Montag 2 [Die R.-K. ſchädigt Koalitionsrecht durch Verbot Streikpoſtensſtehens 1923.
Nach 540 jähriger Vereinigung trennen ſich St. Iohann und Saarbrücken 1859 ~ Gründung
Dienstag 3 fr zrz;[aarl. Hude lehamzier bet hc Oruéeto Leg ts Vr z L. îfeut
| bei dem Völkerbund.
Mittwotn. . 4
Donnerstag 5
Freitag 6
Sonnabend | 7 | Neunkirchen notiert 40000 Einwohner 1924.
Sonntag ) § | Erweiterungsbau der St. Jakobskirche geweiht durch Biſchof Korum 1907.
Montag 9
Dienstag 10 Hrobr Sgarrebatte, Un je." Unterhqur. Hie „Notverordnung“ als ungeheuerliches
Mittwoch . Napoleon | auf ſeinem Zuge nach Rußland in Saarbrücken 1812.
Donnerstag 12
Freitag TI
Sonnabend 14 Eiyweitrns des Hratalz Kgtſer pilztn I auf der Alten Brücke 1904 ~ „Deutſche Saar-
Sonntag 15 S ifahrr Sf 55 s eröffnet 1866 (35 SM eue. IT IGT 9
12 feindl. Flieger werfen über Saarbrücken 17 Bomben ab. Einige Tote. Ein engl. Flugzeu
Montag © | 16 | d. Lt. Zilleſſen brennend abgeſchoſſen 1918 ~ Landesrat lehnt t als Uv ug: ſich
: über Notverordnung zu äußern 1923.
biss | rr [ü E EEE OG O O YE 19
Mittwoen. s- Auflöſung der Bürgerwehr, Ablieferung der Waffen. Auflöſung des Turnvereins 1849.
Donnerstag | 19 | Thi 4921 Gunke. 29 Mtill., 1922 Gmür 80 Mill. Durchſcmittl. Gewinn 4,70 Gm. pro Tonns:
Freitag 20 | Polizeiverwaltung verweigert deutſcher Fußballmannſchaft Einreiſe ins Saargebiet 1923.
Sonnabend 21
E (2 [EG E CE E E f r r 1rf
Montag 23
Dienstag C | 24 | Pfalzgraf Ludwig von Zweibrücken verwüſtet das Köllertal 1471.
Mittwoch 25 Bar Lagxbrücken—Erier ps; Nahebahn Neunkirchen-Bingerbrück eröffnet 1860. Letztere
Donnerstag | 26 | Miltitaer Dinnels Fahn Saarbrüdten ' Ctier sröffart 1860 >. Neugründung des Turavbreins
Chr. Himmelf..
von 1848 im Jahre 1860 ~ Geheimer Kommerzienrat Carl Röchling + 1910.
füsg sr [Ny N LLS F] s 7707; hs Rdn
Sonnabend 28 | Die R.-K. verbietet Gemeinden, Zuſchüſſe für Jahrtauſendfeier zu geben 1925.
Sonntag 29
30. Mai 1680, Himmelfahrtstag, nach der Reformation wieder zum ersten Male in einer Kapelle
Montag © | 30 | boſüsle KUrché; dieſe wird baufällig. 1794 Grundſlein zur! Kathe Uirche in St Johann! ger
weiht 8. Januar 1758. '.?
Dienstag 31
18
Saarkalender für das Jahr 1927.
Kirſchblüte im Bliestal. : Phot. Wentz, Saarbrücken
Bismarck und Rault!
Eine mitternächtliche Schloßplatz-Begebenheit.
Als Viktor vom Saarland Abſchied nahm Und es wuchs des Riesen erzernes Bild,
[lf eq. ;;! Bismark voritezhn Bus Arth buht 2s rug Ut hei Haar ~
Den er so gerne dem Deutſchen Reich Da tvurde Viktor mit Schrecken gewabr,
In seiner Rolle als Präsident gespielt, ~ Daß der Alte ihn schroff zu gehen hieß,
Da hat ers mächtig im Buſen gefühlt, Wie er selber einst Deutsche des Landes bertvies.
Daß ihm der Alte da auf dem Sockel Da packt ihn ein Zweifel: War es recht,
Das Konzept berdorben mitſamt dem Gockel. Daß ich regierte ſo hundsteufelſchlecht,
Drum stellt er noch einmal sein Köfferchen hin Oder habe ich nur auf Paris gehört
Und bedachte sich sſo in seinem Sinn, Und am Ende mich selber dabei betört?
Wie es seit 20 faſt Jahr um Jahr Er wollte ſprechen ~ der Alte blieb stumm,
Mit dem Regieren im Saarland war. Ein grauſes Schweigen brütet ringsum,
Doch als er so dachte, der gute Mann, Und starr bleibt gereckt die stählerne Hand,
Da schaut ihn der Bismarck gar grimmig an, Es schlottern die Knie dem welschen Trabant,
Und es hob sich die stählerne rechte Hand, Und als kein Bitten, „Pardon“ nicht verfing,
Den Finger drohend nach Westen gewandöt, Da weinte er still eine Zähre und ging.
Ehrende Erinneruugsblätter. §ohvig Brach.
„Die Einwohner von Saarbrücken erinnern ſich mit gerührtem Danke der huldreichen Teilnahme, mit der Ew.
Exzellenz unſere Abgeſandten aufgenommen, da die Schlechtigkeit es dahin gebracht hatte, uns durch
Ränke und Lügen von unserem teueren Vaterlande abzureißen. Vielfach ſind die Leiden, die wir ſeit-
dem erdulden mußten : die deutſchen Beamten wurden uns genommen und dafür der Auswurf der Franzoſen an die
Stelle geſchoben.' B öck ing an den General-Gouverneur Grun er (10. Juli 1815).
„Jedes nationale Volk empört ſich gegen den Gedanken, von Fremdlingen beherrſcht zu werden. Noch größer
und tiefer iſt die Empörung bei dem Gedanken, daß nicht ein Fremder, sondern ein Kollegium von Fremdlingen die
Herrſchaft ausübt und das Dolk zum Gegenstand der Vermittlung eines Intereſſenausgleiches fremder Staaten gemacht
wird.'“ Abg. L e v a ch e r Landesrat, 17. Nov. 1925).
„Um Vorabend des ſchwärzeſten Tages für das Saargebiet, das ſich vom 10. Januar ab infolge der zwangs-
weiſen zollpolitiſchen Angliederung an Frankreich leider als sichtbar losgelöſt vom deutſchen Mutterlande betrachten
muß, des vorbildlichen und feſten Ausharrens d s treudeutſchen Saarvolkes im Kampf um die Deutſcherhaltung unserer
Saarheimat in Dankbarkeit und in Treue zu gedenken, iſt Ehrenpflicht für alle Deutiſchen. Unſere Brüder an der Saar,
welche dem ganzen deutſchen Volke in ihrer Treue Vorbild und Multer ſind, werden ihrem deuiſchen Mutterlande diese
Treue halten, bis die Stunde der Befreiung ſchlägt." Oberlandesgerichtsrat Andres, Vorsitz. d. Bundes d. Saarvereine.
(Auf der Grenzmarkkundgebung der Saarvereine Jan. 1925.)
19
Aweil ſchdehd alles voll in Prachd.
Dehemm werd's em ze eng un klän.
Mr ſchnirt ſei Ruckſack un ziehd los
Enaus ins Land, ſoweid die Bähn
Funi oder Raſenmond 1927
Em drahn. Bei Serrig an der Klaus,
Bei Monclair, Tholen, Gräfindahl
Blihd unser ſchennes Land em ſchdill entgäje
So lieb, verdrähmd, un doch so hard wie Schdahl
H. G.
Wochentage Da-
Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchließl. 1925
Mittwoch | 1 | Ulanen-Denkmal auf Schloßplatz 1913 — Die roten Personalausweise werden eingeführt 1919
Donnerstag 2 ;
I- Erſter ſaarl. Katholikentag, 70000 Teilnehmer, Grundsteinlegung der St. Michaelskirche.
ss | s [C- § s N E C RR r G
s: ; s .
Sonnabend 4; St. Johanner Marktbrunnen vollendet 1759 ~ Grundstein zur Ludwigskirche gelegt 1762.
Sonntag 5
ingsten
re... 6 Erneuter Prot. d. deutſch. Reg. gegen Aufenth. franz. Truppen im Saargeb. 1924 ~ Tagung
Saarv. in Hannover. Bund zählt 90 Ortsgr. mit 20 000 Mitgl. 1925. ~ Sbr. Ruder.-C. gegr. 1886
Dienstag ) 7 Hilshuro y! Bieazed weiht Kriegerdenkmal 1925 –~ Weihe des Kriegerdenkmals auf Ehren-
Mittwoch 8
Donnerstag 9
reita 10 Nach Vortrag Th. Vogels in Bremen beſchließt Norddeutscher Lloyd seinem nächſten Dampfer
§ g den Namen Saarbrücken zu geben 1922.
Sonnabend 11
Sonntag 12 ßgsrbangl Saargenihrh.—Luiſenthak eröffnet 1865 – Deutſche Regierung Proteſt gegen Ein-
Montag 13
Dienstag 14 | Kaiser Karl V. in Saarbrücken 1544.
... .,. . | ,. [| Einweihung des Denkmals für die 1870 71 gefallenen Maſſtatt-Burbacher 1901 - Französ.
Mittwoch ©) | 15 Prortgentaviett „drr Neue Saar-Kurier“ z 1919 – Glänzender Erfolg der Ruÿrſpende
Donnerstag | 16 [In Genf beſchloſſen die Kollektiv-Verantwortlichkeit der R.-K. 1924.
Fronleichnam
; Saarbrücker Strafkammer erklärt Verbot der ſchwarz-weiß-roten Flagge durch die R.-K- für
Freitag 17 vgs 1:5 ZO brohſtatt Sgarbrückens Bürgermeijtér wird Mangold, tritt am 17. Juni
Sonnabend 18 Notverordnung durch h r zs ersetzt. Preſſe ungeſchützt, leidet weiter 1923 ~ Jugend
eröffnet ſaarl. Jahrtauſendfeier im Lune 1925.
Sonntag 19 | Einführung der Eiermarken 1916. ; ;
Montag 20 Hegeriände aus Uurſerhnt U ferlegierungen ten eingefordert 1917 ~ In hinreißender
Dienstag | 21 Frigdnitz.h" E § cas; suit 1, gros Ü ZZ Um 15s
_ | Gründung Saarbrücker Eiſenhütten-Gefellſchaft. Burbacher hütte 1856 ~ Erweiterungsbau des
Mittwoch C | 22 Saarbriuker Kaihguſes hL Beſtimmung übergeben 1925 --. „Neunkirchener Volkszeitung'*
Bayer ſtürmen das von 300 franz. Nationalgardiſten beſetzte St. Johann. Dabei werden auch
Donnerstag 23 | eine Anzahl Bürger verwundet, 7 tot, 28 Bürger verhaftet, nach erwieſener Unschuld freige-
laſſen. In Saarbrücken ein Toter 1815.
Fs [ [UO KOF E OTE S k
Sönnabend 25 Erft Enßesraiznat;en. “F pntrum. is. Zualscn. 5. tiv. e Mc § aue und Land-
6 F :ctfc Ankunft in GT EER 1770 - Nächtlicher Sliegerangriff auf Saarbrücken, 11
Fountaz 26 | bontty Le UO L OU Rh.! ! t 19zu Me Sendarmen vetagery
montag | 27 | L221§ t U, ct UG n rer Hergrevier Mahregelurgen
Verſuch mit einem Dampfwagen Verbindg. Püttlingen mit Saar mißglückt 1819 ~ Hektor als
Dienstag 28 str r§ct.tsr. L tz für Peris eine Erklärung des Stadtrats 1919 — Stapel-
Mittwoch @ | 29
Donnerstag 30 | In der Nacht vom 29. auf 30. Fliegerangriff auf Saarbrücken, 12 Bomben 1918.
20
Saarkalender für das Jahr 1927.
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ZSaarheimatdorf.
Heimatzauber, mein Dörfchen traut, Heimathoffnung, du Sonne des Seins,
Giebel und Türme voll Schwalbenlaua,, Spende dem Jagen den Troſt deines Scheins.
Schlehenblüte am (Wieſenrain, (Mag es dann wettern, mag’s leuchten und blühn:
Schimmernder, lockender Frühlingsſchein ~ Heimatliebe umfriedet ihn —
Heimat, holde Heimat! Heimat, heilige Heimat !
Heimatfriede, du (Mutter wert, Heimatglück, einſt nannt’ ich dich mein ~ ß
Die mich die Hände falten gelehrt. Ach, nur als Fremdling noch trifft mich dein Schein.
Trauliche (Weiſe beim JHerdflackerſchein, (Blauende (Wälder, ihr rauſchenden Döhn,
Eilandſtilles Geborgenſein + Laſſet mich einmal noch wiederſehn
Heimat, traute Heimat! (Meine Heimat! Albert Rorn.
Belehrende Erinnerungsblätter.
„Es gibt tatſächlich ein Volk, in dem weite Kreiſe den Begriff der nationalen Ehre nicht zu kennen vorgeben,
tir vols. B den zz !sven und Abermillionen behaupten, daß die Ehre der Nation, ihr Ansehen, ihre Größe, ſie eigent-
Mit tiefer Beſchämung müſſen wir sagen: Es iſt das deutſche Volk, das sich dieſe in der Geſchichte des völkischen
Gedankens in der Welt einzig daſtehende Ungeheuerlichkeit leiſtet. Es iſt, als hätten Luther und Kant, Goethe rund
WL G c ate u sttcs CM S g ON? att gelebt. oder als wären ſie ist Veutjhe. ep zr .zze
.. „Die Geschichte läßt es auf die Dauer nicht ungeſühnt, wenn man willkürlich ſtaatliche Grenzen durch due:
gehörige Yallegeblate zieht aber yes zie herzen der meſcer uud. Volksgenossen kann überhaupt keine Gewalt der
rde eine Grenze ziehen, und ſo bleiben wir auch ſ ch uns getrennten Deutſchen in inniger Gemeinſchaft.
Oberſchleſiſcher aj erUer yr uu “in, 29. März 1926)
21
Wochentage
Es ſchdeigd die Sunn uns Termomeder,
Es Hemd, das kläbd em uff dr Haud,
Am liebſchde ging mr ohne Uläder,
Es fähld em awwer do
Da-
Fuli oder Heumaond 1927
Mir han noch nit genungk „Kultur“,
For nackiſch do erum ze laafe,
Drum drahn mer unſer ald Mondur
Un duhn se vor ke Geld verkaafe.
H. G.
die Traud.
Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
tum
Gründung der Saarbrücker Knappſchaftskaſſe 179n. –~ Eingezogen für den Krieg gegen
Öſterreich 214 aus Saarbr., 193 aus St. Johann, 256 aus Malstatt-Burbach u. 99 St. Arnual.
itag 1 [ 166 <.. U r Vr Uh. VZ 22L 1.02;
Frei 1. Iuli 1919. Gründung des Saarvereins, hervorgegangen aus Saargebietsſchutz. Leiter Geschäfts-
ttt Uerrez! r§ zctzt r 0°W 31) zzz ze5rsherſr. 9H Ch. vogel.
Sonnabend 2 Yetlegurs der Bergwerksdirektion nach St. Johann 2. Juli 1880. ~ Rückkehr der 7. UI. aus
em Krieg 1871. –~ „Saarbr. Ztg." von der Rheinland-Kommission auf einen Monat verboten.
§ onntag Z Stadt rißtet Fotrtü en étz Mitägeſſen 30 Pfg. 1916. R.-K. veranlaßt Strafarbeiten Für Rinder
Montag 4 Eifürruug L gzLiktlarter 1916. – Feſtgeſtellt wird, daß 1600 Wohnungen bei Frieden
Dienstag §
Mittwoch IJEEGSE.S E EEE EEE LG KEN
Donnerstag 7 : : ; :
Freitag 8 | Raults Antiſtreikverordnung begraben 1924.
Sonnabend | 9 §
Sonntag 10 | Gemeinde Malſtatt Stadtrecht zuerkannt 1874.
Fürſt Hardenberg auf Reiſe nach z! durch Saarbrücken 1814. ~ Neugründung des Hiſtor.
Montag 11 | Pran 1831. Hrrſgende utrier: Ur: UrodPr° 1% Tit1~Ctelcrler LN Titre;
1919. ~ Im Reiche Adler-Rollin werden Schwindeleien bei Gehaltszahlungen aufgedeckt 1925
Dienstag 12
: Gk Die Hapag beschließt den nächſten Überſeedampfer „Saarland“ zu nennen 1922. ~ 4000 ſaar-
Mittwoch 13 | ländiſche fre zum 13. Deutschen Turnfest in München 1923. ' Enthüllung des Ehrenmals -
für die Gefallenen des Ludwig-Gymnasiums 1924.
Donnerstag 14 :
Freitag 15 | Betrieb der Burbacher Hütte eröffnet 1857.
Sonnabend 16
| Nächtlicher Fliegerangriff auf Saargebiet. Saarbrücken 5 Bomben, Neunkirchen 7 Bomben 1918.
Sonntag 17 | Nach den Abrücken d. Bat. 69er treffen ein 3 Schwadronen Ul. 7 und tas 2. Bat. 40er in
Saarbrücken 1870. Peſtels berühmte Wacht an der Saar beginnt.
Montag 18 Tagung des Rhein. Hauptvereins Guſtav-Adolf-Stiftung in Saarbrücken 1925.
Dienstag | 19 Etrweihung des Flughafens in §t. Arnual 1914. ~ Eröffnung des Landesrats, Empfang durch
Mittwoch 20 E Bundesfss des age Fangerhundes 122%;76 Der erſte Tote auf Seiten Franzoſen im
r / .
Donnerstag 214 Et: Burbach–Gersweiler Verkehr übergeben 1907.
Freitag 22 (
Sonnabend | 23
Sonntag I F me Der f 1768
Montag 1 725 Y zyoleoy 1 uath dent. Friehen FV Eilfit bur Saarbrücken 1807. – Zum erſten Mal nach dem
Dienstag 26 | ;
Mittwoch 27 | 5s0-Jahrfeier der Vereinigung des Saargebiets mit Preußen 1865
Donnerstag 28 Erfter Fstrr uz er vs.; lsr Uloiver f;; Uruk so. c )! verbietet der
50-Jahrfeier des Realgnmnaſiums Neunkirchen-Saar. 1925
Freitag 29 j
Sonnabend | 30 | Gründung der Kajinoſchule 1832. ;
Sonntag - | 31 | Leſſr c ll 102%; U;) L UBC GRE g r :
22
Saarkalender für das Jahr 1927.
Blieskaſtel zur Blütezeit. Phot. Wentz, Saarbrücken.
Hört zu!
Da wollt ihr uns knechten und knuten Um Gold ein Landesverräter!
Und schlagt uns hart ins Geſicht, Du Iuvdas der göttlichen Pflicht
Wir sollen wie Sklaven verbluten! Gedenk an das Erbe der Däter,
Schämt ihr euch nicht!? Schämſt du dich. nicht!?
Ihr Dölker habt alle geſehen
Das Herz, das am Unrecht zerbricht,
Und laßt es schweigend geſchehen,
Schämt ihr euch nicht!? Fr. Partels;
Ehrende Erinnerungsblätter.
„Alles das, was wir hier erlebten, was wir hier ertragen und erlitten haben, iſt uns tief ins Herz geſchrieben,
aber auch das, was wir aufgebracht haben an trutzhafter Kraft, zähem Widerſtand, unübertrefflicher Beharrungskraft
und leidgeprüfter, leidgeklärter heiliger Treue gegen unser Vaterland. Wir können unseren Toten ſagen: Wir haben
Euer Erbe gut verwaltet, Euer Vermächtnis in Ehren gehalten, dieses hohe Gut, für das Ihr einsſt den Heldentod
geſtorben ſeid.“ Pfarrer Reichard (Volkstrauertag, 28. Februar 1926 im Ehrentat)..
„Für die Förderung des Turnwesſens hat die Regierung 1924 wenigstens noch 3000 Fr. ausgeſetzt. Im Jahre 1925
nichts. Nnd das iſt recht, beſſer ſie gibt nichts, als 3000 Fr. Man kann aber daraus ermessen, mit welcher Freundlich-
keits die Regierung den Turnvereinen an der Saar gegenüberſteht. Das iſt die Quittung für die Jahrtauſendfeier.
Aber die deutſche Turnerſchaft gedeiht auch ohne die Hilfe der R.-K. Sie wird noch lange weiter blühen, wenn die
R.-K. mit ihrem fremdländiſchen Anhang längst das Land verlaſſen haben wird."
Abg. Schmelzer (Landesrat, 17. Nov. 1925).
„Es sind Saardeutſche unter uns, und man frage ſie, wie der Völkerbund, dieſes angebliche Reich Gottes auf
Erden, ihren Heimatſinn respektiert hat. Sie würden Zeugnis ablegen für die Verachtung der Welt vor dem Selbſt-
beſtimmungsrecht heimattreuer, tapferer deutscher Volksglieder."
Miniſter Dr. Helpach (Südwestdeutscher Heimattag in Karlsruhe, 12. Sept. 1925).
„Wir grüßen die Brüder im Saargebiet und rufen ihnen zu: Harret aus bis zu dem Tag, wo Ihr mit dem
übrigen Rheinland vereint seid und Preußen und ganz Deutſchland Euch in brüderlicher Liebe f.. Dank für Euer
treues Aushalten in schwerer Zeit und in bitterer Not darbringen kann."
Preuß. Miniſterpräſident Braun (Feſtſitung des Provinziallandtages 18. Juni 1925 in Düſſeldorf).
25
Am Luluſtään do fladdre Fahne,
Un Turner mache Rieſeſchwing,
Beim Aule bruzzle braune Wersſchdſcher,
Es Schbichererbergfeſchd heiſchd das Ding.
Anuguſt oder Erntemond 1927
Aus Behme, Molſchd, Breslau, Kaldnackiſch
Do kumme ſe, vun Trier ſogar
Un feiere mit de Dag vun Siebzich
Im deitſche Ecke an der Saar.
Wochentage Har- Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
| Stadt veröffentlicht Bekanntmachung gegen Wucher, Höchſtpreiſe für Lebensmittel Fe g eser. 1914.
Montag 1 | Einführung der Bezugsſcheine für Kleider und Schuhe 1916. ~ Fliegerangriff auf Saargebiet
.. | 9 Bomben auf Saarbrücken, 5 Perſonen tot, 5 verletzt, 1918. G
vientos | 2 | UL L UU En EE G R EHF §;
mittwoch 3 | Fink Heflon tr Dl R ies Ur< wr c "§t hre Ur rafv cru. "gtx m Genf
Des | 1 [ NSN H r N EN RL ZO G
Freitag 5 [. L Ns L LULI LO Me §~ Feu gland zugelte 907. Â Fzg.
Sieg bei Sgißerr u. EZ 1870. ~ Denkmalw. v. 74. Regim. 1871. Denkmale des 53.,
Somabend | 6 | ZU OLG hr GC RR LL Or Lörée SOESRTE:
Ebenſo Neunk. ye nger Saar- und Blies-3tg. und Saar-Z3tg. 1920. j :
ss _ 7 | bt dil § ho CE TL rr oro me. na
| Weihe des alten Rathausſaales Saarbrücken gestiſtet von Kaiser Wilhelm, Bilder Anton von
Montag 8 | Werner 1880. ~ Die 70er fte): ins Feld 1914. 98 Offiziere, 2198 Mann Verluſte im Kriege.
Saarbr. Ztg. auf 1 Monat verboten 1920. ~ Fußballklub Saar 05 gegr. 1905.
König Wilhelm I. Einzug in Saarbrücken 1870. –~ Weihe des Winterbergdenkmals 1874.
; Verleihung beſ. Wappens an Schweſsterſtädte try Later 1874. ~ Feindliche Flieger werfen
Dienstag 9 | über Saargebiet Flugſchriften ab 1914. ~ Erſter iegerangriff auf Saarbrücken und Weſtpfalz.
Saarbrücken 12 Tote, 28 Verletzte; St. Ingbert 8 Tote, 2 Verletzte, 1915. ~ Eröffnung des
; Ob rſten Gerichtshofes in Saarlouis 1921.
Mittwoch 10 Z
Brandunglück bei Bäcker Brenner-St. Joh. 6 Perſ. verbrannt. Darauf Errichtnng freiw.
Donnerstag 11 Feuerwehr, 1862. ~ Gegen die Strafverfügungen wegen Hiſſens ſchwarz-weiß-roter Flaggen
erheben die Bürger Einspruch 1925 sts
Freitag 12 Feuertaufe des 21. Armeekorps bei Lagarde 1914
Sonnabend | 13
Sonntag 14 |
Aufruf ut Abgabe von Goldſachen und Juwelen gegen eiſerne Denkmünze 1916. ~ Erneute
merten | 15. | ZU LZ HCN S TO SE Tcl ; k t
Saarturnerei m. 2 Nebenläuf. v. Hanweiler u. v. Ehrental aus. Ebenso die Saarl. Turner 1925.
Dienstag 16
Mittwoch 17
Donnerstag | 18
Freitag 19 [Ehrenfriedhof geweiht. Erſte Beiſezung 1914
Sonnabend | 20
Sonntag _21 izr
Montag 22
; Die Saarseparatiſten, wegen Landesverrat Zuchthaus fürchtend, bitten durch Fürſprache Raults
Dienstag 23 | in Genf um Schutz. 1924. — Der franz. Beamte Köchlin in Bergwerksdirektion leiſtet den
Werbern der Fremdenlegion Vorſchub. 1925
Mittwoch 24 ;
Donnerstag | 25 tri br he g eyeiht res. fra tt rez Uv: Helin e § ;, der Uglier:Ltiedrit-
Kohlenrationierung w. eingeführt 1917.
Freitag 26
Sonnabend 27
Sonntag 28 Blr gart. Preſl F hrs err Heri. Reg. an Völkerbund gegen die französischen
Montag 29
Dienstag 30 :
Mittwoch Z1 | Von den Kanzeln energiſche Stellungnahme gegen franz. Schulen 1924.
24
Saarkalender für das Jahr 1927.
Kloſterruine Gräfinthal.
Phot. Wentz, Saarbrücken.
Es wird abgebaut !
Es ſchreibt der Chroniſte vom letzten Jahr :
Rücküberſchauend wird es mir klar,
Daß die franzöſiſche Saarpolitik
Trotz der an ihr geübten Kritik
Doch eine große Linie gewahrt,
Die in drei Punkten ſich offenbart:
Es fielen nämlich — zu gleicher Zeit ſchier
Der Franken, Herr Rault und der Saarkurier,
Der Franken im Werte; Herr Rault in der Gunſt.
Das Saargeſchwür trotz der ſchwindelnden Kunſt
Sehr arg chauvinistiſcher Seiltänzerei
In den Dreck!
Es läßt ſich bei dieſen Drei,
Mit Proklamationen und viel Geſchrei
Dem Saarvolk den HimmelvollGeigen weisſagten
VomVölkerbunds-Volksstaatzuſprechenwagten,
Noch ein gemeinſames Merkmal festſtellen :
Sie waren Talmi und wollten uns prellen !
Sie ſind, Gott ſei Dank, nicht weit gekommen
Und zwei haben ſchon ihren Abschied genommen,
Es fehlt noch der Dritte, die ſchwerſte Laſt.
Auch hier konſtatier' ich : Abſteigender Aſt!
Und wie überall die Linie ſich neigt,
Die einst nach der Annexion gezeigt,
Wie sie reſignieren, wohin man auch ſchaut,
So kommt es auch hier:
Die einst in edelſter Kumpanei 's wird abgebaut! Helmut Ganger.
Belehrende Erinnerungsblätter.
„Sie schreien ſo laut nach Frieden, daß es ſich eher f: Sie ziemte, mit der edlen Frechheit, die Ihnen so gut
ſteht, gegen alle die zu ſchreiben, die den Abſchluß des Friedens verzögern. . . . Ungeachtet aller Eurer Bemühungen
werde ich doch den Frieden nicht anders unterzeichnen als auf Bedingungen, die ſich mit der Ehre meiner Nation ver-
tragen. Die Leute in ihrem Vaterlande, ſo aufgeblaſen ſie von ihrer Eitelkeit und Albernheit ſind, können ſich auf
diesen unwiderruflichen Ausspruch verlaſſen.“ Friedrich der Große (Aus einem Briefe an Voltaire).
Und es praßten bei uns die Obern und raubten im großen,
Und es raubten und praßten bis zu den Kleinſten die Kleinen;
Jeder ſchien nur beſorgt, es bleibe was übrig für morgen.
Allzugroß war die Not, und täglich wuchs die Bedrückung;
Niemand vernahm das Geschrei, ſie waren die Herren des Tages.
Goethe (Hermann und Dorothea).
Ein bißchen Liebe von Menſch zu Menſch iſt beſſer als alle Liebe zur Menſchheit. Dehmel.
25
Es Laab werd rot un braun un geel,
» Grumbeerefeier raache uff de Felder,
Die Buwe laſſe Drache ſteije,
Un an dr Saar richt mer die Kelder.
Beptember oder Herbſtmond 1927
Der äne Droſchd is uns geblib:
Mir han noch Wein, e gutter Drobbe.
Un eh mer welſche Sekt duhn nubbele,
Do ludſche liewer mr am Schdobbe.
H. G.
Wochentage P;; Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
. Stab m. 3. u 4. Schwadr. d. 9. Huſ.-Rgts. Garn. Saarbr. 1820. Im Febr. 1849 d. Huſ.v. Saar-
Donnerstag 1 hrücken nch Merſeburs verlegt. – Hektor als Miniſter in Genf wieder beſtätigt. Entrüſtung
. Nächtlicher Fetter r auf Saargebiet 6 Perſ. tot, 1 verletzt, großer Materialſchaden. 1918.
Freitag 2 Üagersrgrif der Flieger auf Saarbrücken 1 Toter, 2 Verletzte. 1918. – Maſſenverſammlung
in Differten gegen die franz. Schulen 19232.
Sonnabend | 3 |
Ls s | ~ | F C O F N DE TE DFT s
Montag Tw Ut terſagt Hr. „tres. Eeſzugvereins in Menningen (Kreis Merzig), da B.dürfnis für Geſang-
2 Fliegerangriffe auf S s ctsrüäicn 5 Pers tot, 4 ſchwer, 3 leicht verletzt. 1915. ~ Veröffentlicht
Dienstag 6 zh. sr ücſef Ravtts, in dem er Einstellung des Verfahrens gegen Hektor bei Staatsanwalt-
Mittwoch t F
Perrerztss | s | PEP FSS F s s e ze mh r:
Freitag 9
Sonnabend. 10
Sonnta g © 11 Zostihleh prilipyetborn §ezhaus) Z5 # Franzoſen durch Brand Der wÜet 1793. Erbaut Wurde
Montag 12 | Das erſte Denkmal für Präſidenten Fritz Ebert wird im Walde bei Herrenſohr feierlich geweiht 1925
Dienstag 13 :
Mittwoch 14
Die erſte Bahnſtrecke des Saargebiets zur Kohlenförderung Wellesweiler-Friedrichsthal eröffnet
Pounersag.. | 15 | [zo zh der GW zt! te hett./656, s9341:;zgziene öleaſatus. legst eiter
Freitag 16 §us Haushatteptan, de F esuus. daß die Verwaltung 7,3 Mill. Fr. koſtet 1923
Sonnabend 17 E f
Sonntag C 18 ; ſula Uymeaſhr Netnhlrchens Tafel angebracht zu Ehren Raults. Schärfſter Proteſt der
a ,
Montag 19 | Lebhafte Klage der Gewerkſchaften über rapide Vermehrung der Unfälle auf Gruben 1924.
; König Friedrich Wilhelm der IV. mit Frau in Saarbrücken 1842. – Zwei Redakteure der
Dienstag 20 ſ03: jLolisttune: ohne Grund v. R.-U. verbannt 1922. ~ Kanadische Major Stephens Mitgl.
Mittwoch Fi
Donnerstag | 22
Freitag 23
Der Saar-Sänger-Bund tritt ins Leben als Moſel-Saar-Nahe-Sängerbund i. J. 1897. Es folg
i. I. 1912 der Ausschuß der Gesangvereine von Saarbrücken und Umgebung. Gebil det wir
Sonnabend 24 | sodann 1919 der Sängerverband des Saarlandes, und aus ihm entwickelt ſich 1922 der Saar
LL. Lr Zz;r! P:! Lz. gz z 202"9; gz? ?279 Vereint m. 55000 mug!
Sonntag © | 25 ;
Der S 1arſtollen in St. Johann angeſchlagen 1832. ~ 26. und 27. Sept. Weihe des Denkmals
Montag 26 [2d. 7 Ul. für die gefallenen Helden in Rhöndorf (Drachenfels trägt d. Denkmal von P.ofeſſor
Fahrenkamp.) Gefallen 23 Offiziere und 55 Mannſchaften. z
Napoleon I gegen Preußen durch Saarbr. 1806. ~ In Rhöndorf w. Denkmal UI. 7 geweiht. 1925.
Dienstag 27 uUlanen-Regiment 7 wieder in St. Johann 1896. - Peſtel Ehrenbürger ernannt 1896. ~ 27. u. 28.
j; feierliche Weihe der Michaelskirche. Biſchof Bornewasser anwesend. 1924.
Mittwoch | 28 | Üüergeben 1897. rundſteinlegung z SL Joſefskirche "in Se Ingbert 1890, vollendet 1898.
po eu E
St. Johann v. kaiſerl. Truppen unter Gallas erſtürmt und herranss atzt 1635. ~ Erſte ſaar-
Freitag 30 ländiſche Delegation nach Genf 1921. – Zum Nachfolger Eſpinoſas in R.-K. Veszenki (Tſchecho-
lloy sy beſtimmt. 1924. – Schulverwaltung geht vor gegen Schüler wegen tt ehe an
ahrtauſendfeier 1925.
26
Saarkalender für das Jahr 1927.
Neunkirchen, Geſamtansicht. Phot. Wentz, Saarbrücken.
An die Müden!
Rühret euch! Es gilt zu bauen! ' Wer da denkt: Laß andere machenl,
Jeder bringe seinen Stein! Wie verächtlich iſt der Mann! :
Deutsche Männer, deutsche Frauen, Fluch dem Feigen! Fluch dem Schwachen!
Rüttelt auf die Müden, Lauen = Du mußt kämpfen, d u mußt wachen!
Jeder soll aufs Große ſchauen, Sieh’, es geht um heil’ge Sachen,
Alle müssen tätig sein! Und auf d i ch nur kommt es an!
Sorgt, daß euch nicht werde später
Das Verſäumte ſchrecklich klar!
Mandcher steht dann als Verſchmähter
Und als ein vom Sturm Verwehter ~
Der fürwahr iſt ein Verräter,
Der nicht nimmt der Stunde wahr! Zi Watet
au arnlke.
Ehrende Erinnerungsblätter.
„In den techniſchen Abteilungen der Saarregierung haben ſich sachliche Beweggründe den Anlaß zur Beförderung
gegeben, aber die meiſten Beamten haben ihre höhere Stellung nicht einer beſonderen Befähigung, sondern ihrer
0pportunen Haltung und ihrem ~ man kann das wohl ſagen - Verrat an ihren deutſchen Vol sgenoſſen zu verdanken.
Hiéſen Verrttern geht es viel zu gut ZU hit reder le Ver fort Zu ctrce ufer WI artei)
„Vaterlandsliebe iſt uns etwas r o ER r t Religion geadelte acta Freist; l tactics
Herzen und Köpfe. Dieſe Liebe ſchenken wir dem deutschen Vaterlande. Keine Hoffnung auf Vorteile und Wohlergehen,
"i Guns Lern! Urs "toter §§ rcîe HU de cr cn L rlérar Ferü henug um dos
Herz des deutſchen Saarlandes vom Herzen der deutſchen Mutter loszureißen. Die Liebe zur deutſchen Heimat iſt kein
zollpflichtiger Ein- und Ausfuhrartikel." Pfarrér Franz Bun g arten
(Feſtausgabe der Saarbr. Landesztg. vom 28. Juni 1926).
„Mit den Volksgenoſſen im Reiche erſtrebt der Saarländer in heißer Liebe zur heimatlichen Scholle ein ſtarkes,
stolzes, freies deutſches Vaterland.“ Pfarrer Halke, Saarrrücken
(Südwestdeutscher Heimattag in Karlsruhe, 12. Sept. 1925).
27
De Newwel ſchdreichd durch kahle äſchd,
Die Kowwe kräächze um ihr Neſchd,
Vum Winderberch do ſiehd mr nur
De Kurort uff de Lerchesflur.
Oktober oder Weinmond 1927
Es ganze Saardahl leihd im Dunſchd.
Die Krängeler ſchdehn hoch in Gun'chd.
Un doch! Emal doa werd es wahr,
Do werd aach unſer Himmel klaar.
H. G.
Wochentage ?; Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
| Der erſte Präſident der Kgl. Preuß. Bergwerksdirektion Geheimr. Sello tritt in Ruheſtand 1857.
86. Inf.-Brigade in Saarlouis 1912. ~ 45. Kav.-Brigade, Jäger-Rgt. zu Pferde Ur. 13 und
Sonnabend 1 Lothr. Train-Bat. Nr. 16 in Saarlouis 1913. ~ Saarbrücker Schlachthaus in Betrieb 1 882.
Einführ. d. Frank. bei Komm.-Verw. 1923. ~ Verbot der Polizeiverw. Kölner Männergesſangv.
am Bahnhof zu empfangen 1922. ~ Einholen der neuen Glocken für die Lduiccttadie 1922.
s | ? Ä COR NE RE r ~t > 17-555
Montan. |. Z Die R.-K. untersagt auf Grund Erſatznotverordnung das Halten von „Saar-Freund“", 1923. ~
Dienstag: ? | 4 | HO § U. Ve GUI R k ~ L NINE VRR Tr g rr rtr brſor§ss
; z r izüsatteits: Ergebnis in Saarbrücken 42 Millionen Mk., 1916. = Neue Gehaltsregulierung
Mittwoch I [der Beamten bringt große Enttäuſchung 1923. ~ „Saarl. Schulztg.“ meldet : Von deutſchen
S Kindern beſuchen franz. Schulen 3324. Schulpflichtige im Saargebiet 112000. 1924. ;
Donnerstag 6 Jubelfeier, 75jähr. Beſtehen des Turnvereins v. 1848 am 6. und 7. Oktober 1923
Freitag + | EES F" FE U LE C M E rat EE OSO F V
Sonnabend 8 ). L. Vſichrr ErPer last ihr |rieneramen unter Dir. Belzer 1766. ~ 8.~11. Oktober
aargebie ;
[ ? [ SITZ; L LIF §777 FR CE
— | 10. Oktober 1920. In Bielefeld durch 34 Bcr trctét Fécrsceeiite gebildet C; § Us: Erster Vor-
Montag S) | 10 | jitzender Oberlandesgerichtsrat Anders, Naumburg-Saale. Geſchäftsſtelle (Berlin SW. 11, König-
: grätzerſtr. 94) Leiter Verwaltungsdir. Theodor Vogel.
? Mitte Oktober 1730 ſind 29 Kohlengruben iw Betrieb u. a. 16 bei Dudweiler-Sulzbach, im
Dienstag 11 | Köllertal, Rittenhofen, Lummerſchied, Schwalbach und Engelfangen. ~ Gründung der Bruder-
__| büchsſe 1769, Urſprung des Knappſchaftsvereins.
Mittwoch | 12 | Fut üe dz; zT vier Mien Urt. t dt rater b n. Miche rr]
_ Der ſchwarz-weiß-rote Flaggenprozeß endgültig zugunsten der Angeklagten entſchieden. 1925.
Donnerstag | 13
Freitag t- Freie Bauernſchaft des Kr. Saarlouis wünſcht wegen Dünger das Bleiben franz. Kavallerie 1923
_ | Erſte Lokomotive kommt von Ludwigshafen in Saarbrücken an 1852. ~ 40000 Demonſtranten
Sonnabend 15 im Ludwigsp. gegen R.-K. Telegr. nach Genf um Hilfe 1921. –~ Bahnverb. Saarbrücken~
St. Ingb. voll. 1879. St. Ingb. - Homb.~Kaiſersl. 1867. St. Ingb.3weibr.–Landau 1875.
Sonntag 16 | Unterzeichnung des Vertrages von Locarno 1925. Viel Geſchrei, wenig Wolle!
Montag C | 17
s Stadt Bekanntmachung, Fett und Butter nur gegen Vorzeigen des Brotbuches 1915. ~ 7. Kriegs-
Dienstag 18 | anleihe. In Saarbrücken gez. 60 Millionen Mik. 1917. ~ St. Johann ev. Gemeinde weiht in
Johanniskirche Gedächtnistafel für die Gefallenen 1925.
Mittwoch 19
Durch Félegende Wetter auf Grube Reden 1864. Tote 34, außerdem bei Rettungsarbeit tot
Donnerstag 20 | Steiger Giesemann. Erſtes größeres Unglück auf Saargruben 1864. ~ Gründung der deutſchen
Rentenb nk. Geſunduna der Geldverhä tniſſe 1923.
Freitag 21 | Einweihung der Saarbr. Snnagoge 1890 - Polizeim. Dörffert übler Französling, verhaftet 1924.
Sonnabend 22 §endergericht he!U 1:23 Sieber. Schmuggel, Preistreiberei, Schleich und Kettenhandel 1919.
Sonntag 23 | Mr tes quleUhe Bt § r§rielt? 1673. EUzpe BUS Saß zh L I4§U . Vtrb- Ms
Montag 24 ' :
Dienstag © 25 gryrtarwh . c zrzundjeler Sasrgeblete. erklärt, daß Geſamtausgaben betrugen
Mittwoch 26 | Saarkalender in Frankreich verboten 1922.
Dernersiag | 37 | E RC ERS BEN U H s S [zz s Jure
Freitag 28 | Gewerbeſchule eröffnet 1856, Oberrealſchule seit Oſtern 1894.
Sonnabend 29 Welhe ter Yrgexwehrfahne 1848. ~ Aus Ruhrgebiet treffen Micumleute und Polaken im
Sonntag so | H! Lees sz o G Rh ir i e S mvzg lr“. Ercf
Higntag | 51 | O FL URI os r r VEZ R EE ER F st
28
Saarkalender für das Jahr 1927.
Blick in die Schloßkirche zu Saarbrücken. Aufn. v. Alfred Wilkens.
Wo in der Welt sich Deutsche Je vereinen, Mag Lug und Trug auch Weltgeſchichte ſchreiben,
0b Luft, ob Schmerz schlingt um den Kreis das Band, Herz an der Saar, dich macht kein Slunkern blind.
Da schwingt so gern Ihr tiefftes Sein und Meinen Deutsch bist du! Deutsch! Und wirft es ewlg bleiben,
Sich aus im Lied – im Liedl vom Vaterland. Was auch noch Macht, Verrat und Lift erſinnt.
Und so wie das schon unſs’re Väter trieben, Es lebt ein Gott, der zwar die Prüfung sendet,
So treiben wir's erft recht und ohne Scheu, Der aber auch der Treue hilft beftehn;
Zumal uns ja kein beſſ’rer Troft geblieben Wir bleiben ftark, bis unsre Not sich wendet,
Als unser Lied ~ das Lied von deutscher Treu. Bis frei wir heim zum frelen Deutschland gehn.
Sriedrich Thamerus.
Belehrende Erinnerungsblätter.
Heimat, das war und iſt kein leeres Schlagwort und wird es für uns Deutſche niemals sein. Es iſt ja nur ein
Kleines beſcheidenes Wörtchen und dennoch die Hand voll Erde, in der die Seele wurzelt. Staat und Nation sind dem
einfachen Manne ſchwere, unklare Begriffe ; aber was Heimat heißt, das weiß er. Heimat iſt kein Begriff, sondern ein
Gefühl, das ſchon die Pflanze empfindet. Hans Helmolt. (Das Ehrenbuch des deutſchen Volkes.)
„Wenn es nur nicht umſonſt war !“
(Aus dem Ehrenbuch für die Gefallenen vom Ludwigs-Gymnaſium zu Saarbrücken.)
„Es muß in der Nation das Gefühl des Unwillens erhalten werden über den Druck und die Abhängigkeit von
einem fremden, übermütigen, täglich gehaltloſer werdenden Volke. Man muß sie mit dem Gedanken der Selbsthilfe,
der Aufopferung des Lebens und des Eigentums, das ohnehin bald ein Raub der herrſchenden Nation wird, vertraut
erhalten.“ Freiherr vom und zum Stein (geb. 26. 10. 1757, gest. 29. 7. 1831).
Ich bin sehr ein Liebhaber des Zorns und Haſſes, wenn sie aus dem Gefühl für Recht und Wahrheit entſpringen,
und rufe im Glauben der alten Zeit: Fahre die Welt lieber zum Teufel, als daß man den Teufel selbſt nicht beim
Namen nennen dürfe. Ernst Moritz Arndt (geb. 26. 12. 1769, geſt. 29. 1. 1860).
Unser aller Arbeit letzter Sinn soll immer der Gedanke an das Vaterland und ſeine Zukunft sein!
Reichspräsident von Hindenburg. Köln, 21. März 1925.
29
Rähnſchauer dreiwe welke Blädder,
E kalder Windſchdoß machd em ſchuddr'e.
De Kraache hoch, die Hänn im Sack,
So duhd mr langs der Schoſſee dudd’re.
November oder Windmoand 1927
Genau dä Dah dieſelwig Schdroß
Sinn domols die erinmarſchierd,
Wie vor ne noch ſo mancher annere,
Wo längſschd is widder reddirierd.
H. G.
Wochentage Hs: Erinnerungstage des Saarreviers bis 1925
Dienstag- Saarbrücken Sitz der 7. Armeeinſpektion (21., §. und 16. Ermeckorps). Generaloberſt v. Eichhorn
Allerheiligen 1 | 1912. 21. Armeekorps. General der Inf. v. Below 1912. Waſſerkraftwerk im Saargebiet bei
Mettlach. Jährlich 20 Millionen Kilowattſtunden. 1925. Bau begonnen 1924.
Mitwoch ) | 2 | LerLU. test "Prrrſcr U 0 IV r T Mkr RZ
___ [_3018 Mannichaft. 1912. ~ Hochwaſsſer der Saar, Pegelſtand 7 Meter 1924.
Honnerslag [ § | D' GUN CRE N R Z R E r TS
Freitag 4
Sonnabend 5
Sonnta | s | ) LG L' Uf U H LLL G ter LO HG Err ots. - B NORA
Reformationsfest Saarlouis w. Notton bloßgeſtellt als Drahtzieher politiſchen und kirchlichen Separatism. 1925
Montag + L r ê zÔztériver Ler::t 1800 Wohnungsſuchende 1923. ~ Bürgermeiſter teilt mit, daß
Dienstag - 8
Mittwoch © | 9 | Yrfh Herti Fh Lutrzios zom, L. rt. or. its. Börgerſhalt Uf. s Narerrend.
Haunersiag | 10 | RA H FL S r ZI EO Z E §s dsa rest
Freitag 11 Uh 2213/7 F!tzbattak große Bergarbeiterverſammlungen fordern Übergang zu wertbeſtändiger
Sonnabend 12 | Neben Schnappach, Kölln uſw. meldet Hühnerfeld gr. Senkungen d. leichtfertigen Grubenbau 1925.
MMI §:: L 5:::::%:55::55:5:56:4::1: Z%uhmscs«dua
Monta 14 | Proteſt Neunkirchens gegen Zuzug von Landesverrätern, Micumleuten 1924.
e 15 Zolldienſt an s 22s c t T§r9. ~ Großfeuer vernichtet in Saarlouis Kaibelkasſerne,
Schaden 1 Mill. 1923. ~ Rault beſchwindelt Völkerb. üb. Geheimorganiſ. im Saargeb. 1923.
SNES E S ESS
Buß- und Bettag 21. November zu räum n ſei, 1918. f !
Donnersta 17
. “ Chriſtianen-Anstalt in St. Johann Tsjähriges Beſtehen 1925. Anstalt gegründet 1849. ~ Beginn
sro | 's [LU L4 1447U1 Vu Rhe t.. > sort lotbcriruns his
Sonnabend | 19 | Urrrc§ts r nîr ker"(uswalt.§ "B Ic cura Wg cr vat E Edt
Sonntag 20 SOiIiIOSa>o} EE EES BN
. . en. .
Montag 21
Dienstag 22
Mittwo 23 | Beſetzung Saarbrückens durch Franzoſen 1918.
+ U s E E E Sransss Befehlsgewalt. Telefonſperre, Waffenablieferung, Verbot
Donnerstag@| 24 ke: Verſenntigen. przſr r t oh “Liatiſtither Nachweis, daß Grubenunfä e unter
MTC E L v. ss; in zs . Isis. Ä Eurner t faßres, daß Polizeidirektion den franz.
Freitag 25 Vorrttvmzer erſuchte, die ſaarl. Turner auf der Fahrt nach München nicht über den krauz:
Sonnabend 26
Sonntag sf
Montag 28 | Verherzrn hes ct Ma § §nh ct Cur trcftht baten WIE LaL Derr (Pn Un) WI
Dienstag 29 40 Verſammlg. chriſtc. Bergarbeiter fordern Einführung wertbeſtändiger Zahlung 1925.
Mittwo ch 30 Zgargebiet zzleric dury ſreshen, r keſs geremmen 1815. – Hundertjährige Jubelfeier der
30
Saarkalender für das Jahr 1927.
Marktplatz von Saarlouis (nach einem alten Stich). Phot. Wentz, Saarbrücken
Die Trikolore über den Saarstädten.
Wir find so ſchwach, weil wir uneins sind .. Nun aber riß unſer Waffengehenk,
Ueberm Wefſtertore Wir hadern und haben indessen
Des Reiches bauſcht ſich Im Sommerwind îUeber wüſtem Parteigezänk
Ueppig die Crikolore . .. Die gefangenen Brüder vergessen.
Slammte nimmer in Not und Gefahr Solang der Adler nicht fternwärts zieht,
Bruderzwist In uns allen, Nein, bei der Zwietracht Nattern
Nie wäre das heilige Land an der Saar Muß überm deutſchen Saargebiet
In Seindes Hände gefallen. Die TCrikolore flattern.
Der Edelftein in welſcher hand
Wird uns erſft wieder gehören,
Wenn alle Deutschen im Vaterland
Zu einer Sahne schwören. Caliban.
Ehrende Erinnerungsblätter.
„Es wird ein Ehrentitel des Saarlandes bleiben, daß die Menſchen, die im Saartal wohnen, die hier in ihren
Heimatsſchollen verankert ſind mit ihren Seelen, mit ihren tiefsten Wurzeln des Familienlebens und Volkstums, daß
dieſe Menſchen eher ſterben würden, als dem Vaterlande die Treue zu brechen.“
Pfarrer Reichard (Am Volkstrauertag, 28. Febr. 19265 im Ehrental).
„Die Regierungs-Kommiſsion iſt der Ansicht, daß sie in der Auslegung des Friedensvertrages hinſichtlich der
Anwesenheit sranzöſisſcher Truppen im Saargebiet etwas ganz vorzügliches geleiſtet habe. Die Soldaten, die hier liegen,
ſind nach ihr keine Beſatzungstruppen, ſondern nur Garniſonstruppen. Es ist gleichgültig, wie die Truppen heißen!
die uns in vollem Widerſpruch zum Friedensvertrag bedrücken.. An unſerem Empfinden ſcheitern eben alle Inter-
pretationskünſte. Landesratsabg. Dr. Sender (Landesrat 27. 11. 22).
Einſt waren wir ein mächtiges Volk. Was wir waren, wollen wir wieder werden, wir haben dazu die beſten
Bundesgenoſſen: Unſere Liebe und Treue zum Vaterland und die Bosheit unserer Gegner. Bismarck hat nach dem
Kriege 1870 71 überall d-n Weg geebnet für eine Derſtändigung mit dem besiegten Gegner; uns widerfährt heute ge-
rade das Gegenteil. Doch die Herren täuſchen ſich, wenn ſie meinen, etwas damit zu erreichen. Das deutſche Volk trägt
zuviel unbeſiegbare Uraft in ſich, als daß es untergehen könnte. Und nicht erſt des bin ich gewiß - unſere Söhne
und Enkel, nein, wir ſelbſt werden noch den Tag erleben, an dem Deutſchland wieder den Weg aufwärts zu ſeiner alten
Größe ſchreitet. Dr. H. Röchling (Versammlung im Saalbau am 7. Öktober 1923).
31
Dezember oder Chriſtmond 1927
Kriſchdſunndahmorje. Weit e Glock
Lait hähmlich leis. Schdill glänzd dr Schnee.
Vun weiße Dächer ſchdeihd e blauer Rauch
Im erſchde Lichd ſo friedlich in die Heh.
Do falle Unraſchd, Läd un Sorje.
Mr fihlds im Herz un wääß es klar,
Die Menſchheid kann nur gligglich werre.
Wenn Friede is vor allegar. H. G.
Wochentage D: | Erinnerungstage des Saarreviers bis einſchl. 1925
. : Eiſenbahnhauptwerkſtätte Saarbrücken ß!sr: 1857. — Saarbrücken 26 944, St. Johann 2414 ,
Donnerstas | 1 | Hiſhcütonie, ‘zit! tj "“ 'thrinding Heile te free ßchrrtkcihttg" cht
Ruppersberg 1925. ~ Das belagerte Saarlouis öffnet den Preußen die Tore 1815.
Freitag ) 2 Exrichtuns, bt Foatrrzüe Heuelskammer g§2 ~ Proteſt der Stadt Saarbrücken gegen
Feſtgeſtellt wird: Konkurſe i. I. 1924 + 79, t I. 1925 — 75 Üonkursanträge. Löſchungen
Sonnabend Z3 1925 + 420. Im Jahre 1924 waren es 220 und i. J. 1923 nur 173. Neueintragungen 1923
558, 1924 — 479 und 1925 — 287.
Sonntag 4 Graf Ludwig ſtiftet das Gymnaſium in Saarbrücken 1604. ~ Biſchof Korum + 1921
Montag 5 Jteurttetten t Ew zy Lr i: I: 1800. Um Neunk. Gruben 1821 Kohlwald-König,
. Das Defizit der Ä t tz] Etc r<tk en wird auf. 15 Mill. Frs. veransſchlagt. Fachleute be-
Dienstag 6 | rechnen das Defizit auf das Doppelte. 1925. + Rentmeister Klicker meldet, daß Dölklingen nieder-
: gebrannt und ausgeraubt sei. Lebend noch 8 Untertanen 1635.
Durch Kriegsleiden Saarbrücken und St. Johann nur noch 70 Bürger, Malſtatt 15, Sulzbach 2,
. ; St. Arnual 4 und Dudweiler 4 im Jahre 1635. ~ Neunkirchen und Spieſen durch Kriegshorden
Mittwoch 7 verwüſtet, 4 Personen am Leben 1637. ~ Neunkirchner Werk durch ſpan. und lothring. Truppen
zfefrt 1635. Lebend noch 4 Untertanen. - Saarbrücker Ztg. beginnt mit Enthüllungen über
aults Spitzelrevolution durch Polizeidirektor Adler, Rollin & Co. 1924.
Zico gg >
Mariä Empf. 66 880 zzz on 20s tees Taler. Se:lo Ut ſaut rsf Okt. 1857. q : F. ü
Freitag 9 | Landrat und Polizeidirektor v. Halfern verbannt 1919.
Sonnabend | 10 [ §i§e. Lrt.tetr s üüicrtars Uinkcſtsurs Ver Ttchettäker rar s weiss
Juſtizmord der Franzoſen, Hinrichtung von 2 unschuldigen Bauern, Lohmüller-Güdingen und
Sonntag 11 | Huppert-Bübingen durch Guillotine 1793. ~ Konservator. Geh. Baurat Klein findet am Bre-
h bacher Weg Fundamente röm. Caſtells. Reſte der Römerſtraße Metz Worms 1924.
Montag 12 | Notton, Leiter der Schulabteilung wird vom Zentrum ausgeſchloſſen 1924.
Dienstag 13 | Die R.-K. lehnt Eingaben auf Erhöhung der Gehälter von Beamten und ſtaatl. Arbeitern ab. 1923.
Mittwoch 14
Kaiſer Friedrich-Brücke Verkehr übergeben 1910. ~ 15. 12. 1925 Neugründung des Deutschen
Donnerstag 15 | Sprachvereins. - Einführ. d. franz. (weſteurop.) Zeit 1918. – Knappſch.-Verein weiſt darauf
hin, daß Penſionen und Renten heute nur noch die Hälfte der Friedenszahlung betragen 1923.
Freitag C 16 Bahn : eröffnet 1858. ~ Bürgermeister von Saarbrücken teilt Abſchluß
horyabend | 17 l [SL NE 1 s? Frf Zs 1§û ~ Nr refer ps
Sonntag 18 :
Montag 19 SFinanznot ſteigt beängstigend. Stadt zahlt ſeit 3 Monaten an Stelle v. Gehältern nur Vorſchüſſe 1922.
Dienstag 20 Auf Gerücht, Frankr. wolle f. Saarl. d. Gruben zurückg., flamm. Bek. Saarl. z. Deutſcht. 1924
Mittwoch 21 KReform-Real-Gymnaſium beſchloſſen 1909. Oſtern 1910 eröffnet.
Preſſe meldet, daß Frankreich 1920 aus Saarkohlen 136 Mill. Gewinn erzielte, 1921 Gewinn
Donnerstag 22 |1o1 mill. und 152 Mill. i. J. 1922 an Gewinn (1923). + Rault wird aufgefordert zu offener
___[_Erklärg., daß er d. endl. Skandalen fernſtehe 1924. ~ „Dtsch. Saarztg.“ auf 1 Mon. verb. 1924
Freitag 23
ESE SS g _SSSENNESEESSE
Sonntag 25
HI. Chriſtfeſt Z
Montag 26 | Die Stadt Saarbrücken übergibt das neuerſtandene Heimatmuſeum der Öffentlichkeit 1925.
Dienstag 27 T
Mittwoch 28
Hürdtqprg des Lohntarifs im Bergbau 1922. Es folgt Streik vom 5. Februar bis 15. Mai 1923.
Donnerstag | 29 | Tutte 1925. " V§m 290 Dez. 15872 fammt Rlieſte Urkukte über Elſenhüitke ür Saargeb. (Gel-
lautern). 1630 vernichtet, 1730 wieder in Betrieb.
Freitag 30
: Feſtgeſtellt, daß Brauereien der Schweſterſtädte liefern tr 42 000 Hektoliter Bier 1852.
Sonnabend Y 31 | Beide Städte an Einkommen-, Branntw.-, Klaſſen-, Gewerbe- und Braumalzſteuer 42 326 Taler
1852. ~ 31. Dez. 19/10 Saarbr. zählt 105 000 Seelen.
32
Saarkalender für das Jahr 1927.
Deutſchmühlenweiher im Schnee Phot. Wentz, Saarbrücken.
Heilige Nacht, o senke dich nieder, Lange entschwanden Jugend und Lieder,
Stärke den Kinderglauben in mir, Alles versank in der Zeiten Grab.
Tönet noch einmal, ihr frommen Lieder, Heilige Nacht, mit dir die Heimat,
Klinget und singt elner Einsamen hier. Beides zuſammen war Kkindergläück,
Bilder aus meiner Kindheit Tagen, Heiliger Glaube, heilige Einfalt,
Alles lebendig rings um mich kcreift, Kehret noch einmal zu mir zurück.
Laßt mich von ferne mit bangem Zagen Sernab töne das Weltgebrauſe,
Jugend und Heimat verſchönen im Geift. Laßt mich träumen In süßer Ruh’,
Glückliche Zeiten! Ihr kehret nicht wieder, Dann mach ich gerne wle einft zu Hauſe,
Unwiederbringlich ftiegt Ihr hinab. Kindlich vertrauend die Augen zul
Srau Auguft Rahfeld.
Belehrende Erinnerungsblätter.
„Es iſt ein wahrer Jammer, zu ſehen, wie ſehr unſer heutiges Geſchlecht gott- und geiſtesentfremdet iſt und zu
wiſſen, daß ihm alles, aber auch rein alles zum Unheil ausſchlagen muß, solange das Göttlich-Geiſtige verleugnet wird.
Ludwig Hoffmann (Licht aus dem Norden).
; ji ue der Charakter der Bürger ſchafft und erhält den Staat und macht politiſche und bürgerliche §rei t
n.. „Das Wort ,„Deutſchland“ iſt uns eine Verpflichtung.“ Diederichs:
Deutschland iſt die Geſamtheit aller deutſ upfiutender dez:tich denkenden, deutſch wollenden Deutſchen : jjeder
einzelne von uns ein Landesverräter, wenn er nicht in dieſer Einſicht fich für die Eriſtenz, das Glück, die Zukunft des
Vaterlandes in jedem Augenblicke seines Lebens perſönlich verantwortlich erachtet, jeder einzelne ein Held und Befreier,
wenn er es tut. (Paul de Lagarde, 1827~18931.)
Komme, was kommen mag,
Die Stunde rinnt auch durch den rauhſten Tag.
Shakespeare (Macbeth 1. 6.).
Helft euch ſelbſt, nichts anderes" bleibt übrig! Schiller (Tell).
Hol die Peſt alle feigen Memmen und das Wetter obendrein Shakespeare (Heinrich IV. 2. 4.).
33
Saarkalender 1927 . 3
Saarkalender für das Jahr 1927.
E E E a H
Das Herz an der Haar.
Droben steh’ ich am Winterberg
Und schau’ in die blühenden Lande,
Während westwärts ſo blutigrot
Im Feuer die Sonne verbrannte.
Im Nebel lag unken die lärmende Stadt,
Der schweigende Fluß und das Feld,
Und unten lag blutend mein zuckendes Herz
Und sang ſein Leid in die Well:
Mein Land, meine Heimat iſt nicht, wie ihr glaubt
Nur Ware, nur Kohle und Eiſen, :
Um was man die Menſchen betrügt und beraubt,
Die Heimat iſt höher zu preiſen.
Mein Land, meine Heimat iſt pulſendes Blut,
Ist menschliches Wirken und Streben.
Mein Land ist mein Herz, iſt das heiligste Gut,
Das Golt einem Menſchen gegeben.
t Einslmals sitzt ihr am grünen Tiſch
Und feilſcht um des Saarlands Beſlehen:
t nRimmermehr kann die fremde Welt
Y Die fremde Heimat versſtehen.
: Euch selber iſt irgend die Heimat bestellt,
é Es blüht dort das eigene Glück,
Und wandert ihr fort in die weltweite Welt,
é Es ruſt euch die Heimat zurück.
[.:
Mein Land, meine Heimat, die ruft nicht, die ſchreit
Und klagt schon seit Iahren in Tränen
Und bittet und fordert Gerechtigkeit:
Zu Deutschland drängt unser Sehnen.
Mein Land, meine Heimat iſt heiliges Land,
Ist Hoffnung und Liebe und Glauben.
Verflucht sei auf ewig die Räuberhand,
Die mir die Heimat will rauben!
Droben steh' ich am Winterberg,
Und Nacht überflutet die Erde,
Sonne, Sonne, du hohes Licht,
O, mach’, daß es Tag wieder werde!
So dunkel liegt unten die ſchlafende Stadt,
Der ſchweigende Fluß und das Feld,
Und unten liegt blutend mein zuckendes Herz
Und singt ſein Leid in die Welt.
Fritz Bartels - Saarbrücken.
..und L ]
c E E E
E E
34
Saarkalender für das Jahr 1927.
Kurze Umſchanu.
W ump mir Moos und ſei mein Freund," ſo wimmert es heute in Europa an
I allen Ecken und Enden. Auch dem brutalen Uebermut der Ententeſtaaten
Ü | Gt lcta h. jr P Dur Vue Burt th ôts
§1 DJ für eine frühere Erkenntnis dieſer rauhen Tatſache. Der ehemalige
Schuldner iſt zum harten Gläubiger geworden, er iſt nicht mehr der gute
Onkel aus Amerika, der . dem verarmten Mitteleuropäer freundwillig aus Not und
Sorge hilft. Der Nankee tritt heute allen mit stolzer, gebieteriſcher Geſte entgegen ;
vor dem Dollarthron stehen die Bettler. Ueberall jagen sich die wirtschaftlichen Kriſen,
ihr Hintergrund bleibt allein Kapitalnot und Kreditmangel, der leere Geldbeutel. Die
Autorität Europas, ſein Monopol ist dahin. Wie sich einſt die Römer rühmten, in ihrer
Toga Krieg und Frieden der Welt zu tragen, ſo entſcheiden heute die Magnaten jen-
ſeits des großen Teiches über Armut und Wohlstand der Völker. Nordamerika mit
einem Volksvermögen von 360 Milliarden Dollar hat sich zum Kommandanten der not-
leidenden Alten Welt aufgeſchwungen. Gegenüber dieſem Riesen in der Finanz und
auch in seinem wirtſchaftlichen Streben stehen die Zwerge des europäiſchen Festland wie
eine hilfloſe Herde, durchwühlt von gegenseitigem Mißtrauen, voll von Haß und Un-
gerechtigkeit gegeneinander. Wohl dämmert den Gehetzten bisweilen die Erkenntnis
der verzweifelten Lage auf und führt die Herrſchaften z. B. nach Locarno, wohl reden
Staatsmänner mit Wirklichkeitssſinn und Weitblick von ehrlicher Einigung, aber sie
bleiben Prediger in der Wüſte, obwohl auch noch andere schwere Gefahren in der Aus-
î wirkung einer neuen Ideenwelt ſchon hart an die Tore pochen und wie der Bolſsche-
wismus in dem herrſchenden Chaos willkommenen Nährboden findet. Die einzelnen
Völker ſtehen sich noch immer wie einst unter der Kriegspſnchoſe in blindem Haß gegen-
über. Von einem Frieden kann in Wahrheit niemand ſeit dem Versailler Diktat ſprechen,
er warf die Saat, und auf dem Felde des Unrechts ſproßt das Unglück bis heute ohne
àlueſcht auf trug der „unſeligen Krankheit. „Sie können zuſammen nicht kommen,
das Meer ist gar so tief !“
In ſolcher Lage kämpft das ſo ſchwer heimgeſuchte Vaterland unter fast erdrückenden
Bedingungen um ſeine Exiſtenz. Die vollkommene Parteiwirtſchaft, von deren Haß
und Gunſt die Politik getragen wird, verliert nur zu leicht den Blick für das Wohl
des Ganzen. Trotzalledem wird sich das Reich emporringen und nach wenig erfreulichen
Jahren innerer Verwirrung nach der „Kriſis der Geſundung“ seinen Weg zur Höhe finden.
Dieſe Hoffnung geht uns im Saargebiet zur Seite und begleitet uns auf den endlo en
Stationen unseres Leidensweges. Noch trüben ſchwere Wolkenzüge und harter Weſt-
ſturm unsern Blick, aber in der Abwehr landfremder Herrſchgelüste ist doch bereits
mancher Erfolg zu buchen. Unser Wunſchzettel ist allerdings noch endlos und ſeine
Erfüllung erheiſcht Geduld. An dem Wall der Verteidigung sind jedoch die Französierungs-
Bestrebungen restlos geſcheitert. Es iſt in dieſer Hinsicht beſſer geworden wie etwa in
den Tagen der Jahre 1920 - 1924. Heute könnte wohl ſchon unangefochten eine Schoko-
ladentafel, mit einem ſchwarz-weiß-roten Bändchen geſchmückt, friedlich in einem Schau-
fenſter liegen, ohne daß eine ſtaatsverräteriſche Affäre daraus geschmiedet würde.
Menſchenjagden und ſchuldloſe Verbannungen gehören der Vergangenheit an, wie die
Behandlung gleich Verbrechern mit „Daumenabdruck“ und Gefängnis für das Singen
til)
Saarkalender für das Jahr 1927.
des deutſchen Liedes und andere ſchöne Dinge mehr im Paradies des Völkerbundes.
Aber noch vieles bedrückt und bedrängt die Gemüter, eine verzweifelte Finanzlage, der
waidwunde Franken, den die Regierung zwangsweise einführte, die gerechte Klage der
Beamten und Arbeiter, die Zwangswirtſchaft, die Frage der französiſchen sog. „Garniſon“
uſw. Nicht einmal ist die Pressefreiheit wiederhergestellt, die Erſatznotverordnung vom
Juli 1923 iſt noch in Kraft und wird auch gehandhabt, denn bis heute iſt der „Saar-
Freund“ verboten. Der Presse iſt damit der ordentliche Rechtsſchutz versagt ; nicht der
Richter spricht das Urteil, sondern auf einseitigem Verwaltungswege wird bei Kon-
flikten mit der Regierungskommission entschieden. Eine weitere endloſe Reihe berech-
tigter Klagen würde Seiten füllen, wollte man sie auch nur ſtreifen. Vorläufig hilft
auch hier die Autoſuggeſtion des guten, edlen Coué nicht, und wenn wir ihm vertrauend
auch täglich unsere Seele hundertmal gläubig zuflüſtern : „Es geht uns jetzt mit jedem
Tage besſer“, wir fühlen an der Kehle täglich doch das welſche Mesſer.
Trotzalledem hebt sich langſam der ſchwere Bann, der auf dem Lande laſtet. Sang-
und klanglos, ohne rührenden Abschied iſt Präsident Rault in der Verſenkung ver-
ſchwunden. An dem Wall der Verteidigung ſcheiterten die Pläne ſeines fanatischen
Deutſchenhaſſes. Das einst blühende Land hat er als ein Trümmerfeld hinterlassen,
wirtſchaftlich ausgeplündert liegt es heute nach ſeiner Schreckensherrſchaft, belebt allein
von der Hoffnung auf die Rückkehr zum Vaterland. Dieſer Glaube an die unzerstör-
bare Lebensgeltung des Reiches iſt die Fackel, an der sich im Saartal die Gemüter
wieder und immer wieder entzünden und aufrichten. Wir werden in unserer hiſtoriſchen
Stunde vor die Welt treten und ein dreifach Zeugnis ablegen: gegen die uns belei-
digende und verlogene Grundlage des Versailler Vertrages, für die Friedensliebe des
deutſchen Volkes und für die ungeſchwächte, durch kein Machtmittel zu erstickende
Lebenskraft des deutſchen Aars. Das Abstimmungsergebnis muß das Mittel ſein, mit
dem wir dieſe Ueberzeugung dem Weltgewisſſen einhämmern. Wenn wir zum Reiche
heimkehren, bringen wir mehr zurück als die durch fünfzehnjährigen Raubbau ver-
wüſteten Kohlengruben und eine ausgepowerte Bevölkerung. Die flatternden Fahnen,
die dann unseren Sieg feiern, werden zugleich ein Symbol unverwüſtlicher deutſcher
Uraft sein, die uns vereint wieder zur Sonnenhöhe tragen wird. Das vergewaltigte
Deutſchland hat nach dem Kriege bei den nach dem Verſailler Diktat in Szene gesetzten
Volksabſtimmungen wiederholt die Hochſtimmung erfahren, wie sie nur ein Treubekennt-
nis von Stammesgenoſsen zu Stammesgenoſssen erzeugt. Aber so gewaltig und hinreißend,
wie sich diese Stunde im Saargebiet einst gestalten wird, ein solches Erleben wird auch
mit seinem vernichtenden Urteil ein Tag ſtrahlenden, unvergeßlichen Glanzes des ge-
samten Germanentums ſein.
Du fremdes Land!
Was wirbſt du sſo um unsre Seelen, Du fühlſt dich groß, doch uns zu lenken,
Du ungeſuchtes fremdes Land? Fehlt's an Gemüt dir und Verſtand,
Glanbſt du, wir könnten frei erwählen, In deutiſches Denken ſich verſenken
Wenn wir uns liebend anvermählen? Heißt: Niemals dir die Liebe ſchenken!
Horch auf die Stimmen unsrer Ahnen, Weißt du, wie anders in den reinen
Die aus des Hlutes heil'gen Hahnen Derklärten Augen unſsrrer Kleinen
Uns ernſt und ſchicksalsdunkel mahnenl Des Chriſtbaums Lichter widerſcheinen?
Du hältſt uns für die Unerlöſten, Derſchone uns mit deinen Gabenl
Für Knechte, die man ſchlug und band; Du ſtreckſt ja doch die Krämerhand.
Du wallſt uns heilen, stärken, tröſten – Nur nach den Schätzen, die wir graben,
Und keonnſt nicht unſ’rer Wünſche größten, Denn daß wir auch noch Herzen haben,
Kannſt nicht in unsern Herzen lesen: Die duldend alles Leid ertragen
Wir wollen sein, was wir gewesen Und dennoch heiß für Deutſchland ſchlagen ~
Und nimmermehr an dir geneſen! Sprich, wirſt du jemals danach fragen?
F.D.
36
Saarkalender für das Jahr 1927.
Der Luftkrieg gegen das Banargebiet
vom 2. Auguſt 1915 bis 6. November 1918.
Von A. 53.
„In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott
über dir Flügel gebreitet.“
elche Fülle ſchmerzlicher Erinnerungen an ſeeliſche Qual umſchließen dieſe wenigen Worte; wieviel Trauer
ſteigt zurückſchauend erneut in uns auf, wenn das Saargebiet der düſteren Zeiten des jahrelangen Luft-
krieges gedenkt. Die in der Heimat Derbliebenen waren ſtündlich in quälender Sorge um die Lieben im
Kampfe mit mehr als der halben Welt. Dazu kamen in dem ſo karg bedachten, von landwirtſchaftlichen
Diſtrikten behördlich abgeſchloſſenen Grenzgebiet das aufreibende Mühen um das Notwendigſte zum Lebens-
unterhalt und die harte Prüfung, die nervenzerreibende Aufregung durch die ſchließlich Tag und Nacht erfolgenden
Bombardements. Den Gegner reizte zu ſeinen Ueberfällen das Saarland wegen ſeiner Nähe, es barg aber auch
eine Gefahr in beſonderem Maße als wichtiges Induſtriegebiet, als ein Zentrum der Herſtelung von Kriegs-
material jeder Art und Hauptknotenpunkt der Bahnen ganz Südweſt-Deutſchlands. Die Heimat bedeutete ſomit
für die Franzoſen ein Angriffsobjekt, deſſen CLebensadern, Eiſenhütten und Bahnen, sir mit aller Kraft zu zer-
ſtören ſtrebten. Welſcher Rachegeiſt riß ſie dabei nach eigenem Eingeſtändnis zu völkerrechtswidrigen Grau-
ſamkeiten gegen offene Städte und Dörfer hin. Hier zeigten sie ſich wieder einmal als die Barbaren in ihrer
Freude an ſinnloſer Zerſtörungswut. Und es zog damit eine Leidenszeit herauf, die wohl als eine der ſchwerſten
gelten darf, die das Schickſal unſerem deutſchen Grenzlande je auferlegt hat.
Jene ſchmerzbewegten Tage ſind ein Kapitel in der Geſchichte der alten deutschen Grenzbaſtei, das nicht der
Dergesſenheit anheimfallen darf und desſen gefahrvolle Stunden den Nachfahren wahrheitsgetreu zu überliefern
die Pflicht gebieteriſch fordert. Eine gütige Natur läßt uns Schweres bald vergeſſen, Leid verblaſſen, wie ſie
Freude lange nachklingen läßt und frohe Tage der Vergangenheit liebevoll golden übermalt. Daher genügten
ſchon wenige Iahre in den harten Bedrängniſſen der Nachkriegszeit, um es heute bereits zu einer ſchwierigen
Aufgabe, zu einer Geduldsprobe zu gestalten, eine zuverläsſige und ſachgemäße Darſtellung des Luftkrieges gegen
das Saargebiet notieren zu können.
Es hieß in mühevoller Arbeit unverdroſſen Material ſuchen, ſammeln, ſichten, bis allmählich Stein auf
Stein ſich zu einem klaren Moſaikbild fügte. Eine Hauptquelle bei Arbeiten ähnlicher Art, die Preſſe, ver-
ſagte hier. Sie ſtand unter strenger militäriſcher Zenſur und durfte u. a. über Fliegerangriffe bei Leibes
© Leben nur wortgetreu veröffentlichen, was ihr über dieſe Dorkommniſſe von der militäriſchen Behörde zu-
geſandt wurde. Nicht einmal die Angriffe in dem nächſtgelegenen Teile der Pfalz, in Lothringen oder im
Regierungsbezirke Trier durften irgendwie erwähnt werden. Nur bei dem erſten Bombardement, das auch
wohl die geſtrenge Zenſur überraſchte, wurde die Angelegenheit noch nicht ſo rigoros behandelt. Die Militär-
behörde machte, gewiß mit vollem Recht, darauf aufmerkſam, daß die Zeitungen mit wahrheitsgemäßen
Meldungen nur dem Gegner nügtliche Winke geben würden. Bei ſolcher Sachlage fchied die Preſſe als Unter-
lage der Darſtellung völlig aus. Private Aufzeichnungen, ſoviele ich auch in Händen hatte, waren einzeln
ſämtlich sehr lückenhaft und ungenau. Trotz dem anfänglich unentwirrbar erſcheinenden Knäuel von persön-
lichen Notizen, anderen schriftlichen Meldungen und mündlichen Erkundungen ließ doch hier Geduld das
Werk vollenden.
Sehr ſchwer hielt es auch, gute, zur Reproduktion noch brauchbare Bilder von den Zerſtörungen zu er-
halten. Photographiſche Aufnahmen waren auf das ſtrengſte unterſagt, Soldaten und Poliziſten wachten mit
wahrem Feuereifer auf die Durchführung dieſes militäriſchen Befehls. Nach langem Suchen half mir der
Zufall. Damals Knaben in einem Alter von 12 und 14 Jahren wußten die Gebrüder € i ch a < e r doch
eine Anzahl guter Bilder aufzunehmen, die ſie mir liebenswürdig zur Derſügung ſtellten.
Saarbrücken 251 mal bombardiert!
1915.
Im leichten Morgennebel des 9. Auguſt 1915 erreichten feindliche Flugzeuge unbemerkt das Saartal und
griffen vormittags in der Zeit von 8 Uhr bis 8.30 Uhr die Stadt an. Die erſte Bombe, die überhaupt bei
allen Angriffen das Gebiet der Stadt traf, ging, wie Augenzeugen meinen, hinter den Beamtenhäuſern auf
dem Kleinen Homburg nieder. Sie fiel ins Feld und richtete keinen Schaden an. Die Flieger kreiſten darauf
bei unſichtigem Wetter etwa über eine halbe Stunde über der Stadt und warfen 84 Bomben, von denen 61
explodierten und 23 später als Blindgänger entfernt werden konnten. Trotß aller Warnungen in der Preſſe,
bei Fliegergefahr ſofort die Straße zu verlaſſen, blieben die Maſſen auf den Bürgerſteigen und Plätzen der
Stadt und verfolgten den Lauf der Flugzeuge, die in bedeutender Höhe, nachdem der Nebel ſich gesenkt hatte,
wie ſilbecglänzende Rieſenvögel erſchienen. Die Fenſter, die Balkone waren anfänglich dicht von Neugierigen
beſeßzt. Niemand ſchien ſich der großen Gefahr bewußt zu sein, der er ſich damit aussſeßte. Als dann aber
die Bomben in großen Mengen mit dumpfem Krachen überall unter gewaltiger Sprengwirkung egxplodierten,
rannten alle ſchreiend in wilder Panik davon, um Schutz zu ſuchen. Einſchlag auf Einschlag erfolgte, die Häuſer
erbebten und durch den Luftdruck spritzte das Glas hunderter von Scheiben auf das Pflaſter. Die Flieger
ſelbſt wurden lebhaft durch Nlaſchinengewehre beſchoſſen, aber anscheinend ohne Erfolg, da die Flughöhe zu
groß war. Sie entfernten ſich in der Richtung nach der Pfalz und erſchienen kurz darauf in St. Ingbert,
das durch einen Abwurf von 20 Bomben erheblichen Materialſchaden erlitt. Dort forderte der Angriff 8 Tote,
37
Saarkalender für das Jahr 1927.
die von der Straße aus das ſeltene Schauſpiel genau zu verfolgen gedachten. Auch Zweibrücken litt an dem-
ſelben Dormittag, aber nicht ſo erheblich.
In Saarbrücken stürzte die Bevölkerung unmittelbar nach dem Angriff auf die Straßen und Plätze der
Stadt. Beſtürzt waren alle über die große Wirkung des Angriffs. Man sah in ſtummer Trauer Tote und
Derwundete durch Feuerwehrleute und hilfsbereite Männer wegtragen und betrachtete die Häuſer, die Ein-
ſchläge und Abſplitterungen durch das Aufſchlagen der Bombenſplitter zeigten und jedem einen Begriff gaben
von der gewaltigen Exploſionskraft der Geſchoſſe. Einzelne Straßen waren dicht und dick mit Glasſplittern
der Schauläden und Fenſter wie beſät. An Hauberiſſers Meiſterbau, dem neuen Rathaus, hatte ein Bomben-
ſplitter an einem Fenſter des Sitzungsſaales den ſtarken, aus Sandſtein gefertigten gotiſchen Schmuck in
ſeiner Spite glatt durchgeſchlagen, er lag zertrümmert am Aufgang des Rathauſes.
Die Zahl der Opfer war niederdrückend und erregte tiefes, allgemeines Mitleid, 13 Perſonen waren ſofort
tot (9 männl. und 4 weibl.). Ihre Namen ſind: Arbeiter Iakob Touſch, Zugführer Peter Franz, Architekt
Hans Zeh, Kriminalſchuzmann Karl Schmitt, Anna Glaſer, Händler Adolf Herb, Derſicherungsbeamter Karl
Müller, Iakob Spirilla, Lehrling Peter Kubler, Verwaltungsgehilfe Peter Blaſius, Margarete Roebunk,
Eliſabeth Auer, Unteroffizier Wegener. Die blutüberſtrömten Leichen wurden in einem ſchnell herbeigeholten
Möbelwagen abtransportiert. Die Zahl der Schwerverleßten betrug 27, leicht verleßt waren 17.
Der Materialverluſt ‘belief ſich auf etwa 40 000 MK., er beſtand hauptsächlich in Glasſchaden, obwohl auch
einige Häuſer hart mitgenommen waren.
Te r. !: u t \ < en A r m e en herausgegebene amtliche Heeresbericht vom 10. Auguſt 1915 ſagt
ngriſſ: :
„Geſtern wurde bei Dämmerkirch und am Schwarzen See, heute früh bei Ypern, Gondrexange und bei
Harboney je ein franzöſiſches Flugzeug durch unſere Kampfflugzeuge abgeſchoſſen. Die letten beiden Flug-
zeuge gehörten einem Geschwader an, das vorher auf die offene, außerhalb des Operationsgebietes liegende
Stadt Saarbrücken Bomben geworfen, natürlich keinerlei militäriſchen Schaden angerichtet, wohl aber neun
friedliche Bürger getötet, ſechsundzwanzig ſ<wer und eine größere Anzahl leicht verletzt hatte.“
Der fr anz ö s i ſ < e am t liche Tag e sb er i < t meldet folgendes:
„Am Montag ſtieg ein Geschwader von 33 Bombardements-Flugzeugen, von DVerfolgungsflugzeugen eskortiert,
auf, um den Bahnhof und die Fabriken von Saarbrücken zu bombardieren. Die atmosphärischen Verhältnisse
waren ungünſtig, die Täler mit Nebel überdeckt und der Himmel bewölkt. Doch erreichten trotz dieſer
Schwierigkeiten 28 Flugzeuge ihr Ziel und warfen 164 Bomben aller Kaliber auf die Zielobjekte. Die Be-
gleitflugzeuge verjagten die Aviatikflugzeuge, die dem Geschwader den Weg zu versſperren verſuchten. Zahl-
reiche Nauchwolken und Brände wurden unter den Zielobjekten beobachtet.“
Uebrr den Angriff auf Saarbrücken vom 9. Auguſt 1915 liegt noch die Aussage von zwei Nancyer Piloten
vor. Die Nancyer Piloten Martin und Pary mußten auf dem Schweizer Gebiet notlanden und erzählten
über die Expedition gegen Saarbrücken, daß ſie ſich dem heftigſten Mitrailleuſenfeuer der deutſchen Flieger
ausſeßen mußten. Martin. ſagte: „Alles verſchwor ſich gegen uns, ſelbſt unſer Kompaß funktionierte fehler- .
haft un’ iſt doch nicht deutſches, ſondern Pariſer Erzeugnis.“ – Die franzöſiſchen Flieger flunkern hier
ganz gehörig, denn von einem Mitrailleuſenfeuer deutſcher Flieger gegen das franzöſiſche Flugzeuggeſchwader
hat man in Saarbrücken nichts wahrgenommen. Die Flieger waren einem heftigen Maſchinengewehrfeuer
ausgeſeht, das von verſchiedenen Stellen im Gelände gegen ſie gerichtet wurde, bei der großen Höhe aber,
aus der herab ſie ihre Bomben warfen, mag dies keine allzu große Gefahr für sie bedeutet haben.
Aus Anlaß des Fliegerüberfalles gingen dem Bürgermeiſteramt folgende Beileidsbezeugungen zu:
Ich nehme innigſten Anteil an dem Unglück, von dem heute morgen die Stadt Saarbrücken und ihre
Bürgerſchaft betroffen iſt. Auch die durch den Fliegerangriff Getöteten und Verwundeten haben ihr Blut
für das Daterland vergoſſen und ihre Namen werden fortleben in der Heldengeſchichte der großen Zeit.
Bitte den Hinterbliebenen und Derwundeten meine herzlichſte Teilnahme zu übermitteln.
: Regierungspräſident Balh,
Ehrenbürger der Stadt Saarbrücken.
Mit aufrichtiger Trauer haben wir Kunde erhalten von dem feindlichen Fliegerüberfall, dem eine ſo
große Zahl friedlicher Bürger zum Opfer fielen. Im Namen des 21. Armeekorps bitte ich unsſer herz-
lichſtes Beileid der Stadt und seiner Bürgerſchaft zum Ausdruck zu bringen.
Eerscakletaan : uvtirt, csuöstéientsr General.
An der ſ<weren Prüfung, die über die Stadt durch den freventlichen Luftangriff gekommen, nehme ich
innigen Anteil. Saarbrücken als Wacht an der Weſtmark, gewohnt, für das Vaterland Opfer zu bringen,
wird auch dieſe Schickung erhobenen Hauptes zu tragen wiſſen. Den Hinterbliebenen der Getöteten wolle
Gott seinen Troſt verleihen, den Derlettten baldige Beſſerung ſpenden. Wenn meine ſonſtigen Dienſtgeſchäfte
es irgend geſtatten, werde ich die Heimgegangenen mit zur letzten Ruhe geleiten.
Oberpräſident Freiherr v. Rheinbaben.
Ferncr gingen Beileidsbezeugungen ein von Regierungsrat und Oberbürgermeiſter Schmook zu Zoppot und
vom Hoſſchauſpieler Hacker zu Darmſtadt namens der Darmſtädter.
38
Saarkalender für das Jahr 1927.
Am 12. Auguſt, vormittags gegen 11 Uhr, fand die feierliche Beiſekung der Opfer des Fliegerangriffs
ſtatt. In der Friedhofshalle des Ehrenfriedhofes ſtanden 11 reich mit Blumen und Kränzen und je mit
einer von der Stadi gewidmeten Schleife in den ſtädtiſchen Farben geschmückten Särge. Dort verſammelten ſich
zunächſt die Angehörigen der Opfer. Zu der Trauerfeier waren unter anderem erſchienen der Oberpräſident
der Rheinprovinz, v. Rheinbaben, der Regierungspräſident des Bezirkes Trier, v. Balz, der Landrat
v. Miquei, der Oberbürgermeiſter Mangold, Beigeordnete und Mitglieder des Stadtverordnetenkollegiums,
ebenſo der Eiſenbahndirektion, der Bergwerksdirektion und des Gerichts, die Militärbehörde war vertreten
durch Generalmajor v. Stuckrad und Generalmajor Hildebrand. Seitens der Evangeliſchen richtete zuerſt
Superintendent Nold eine Ansprache an die Derſammelten und danach seitens der Katholiken Herr Dechant
Echelmeyer. Er verlas ein Telegramm des Biſchoſs Michael Felix von Trier: „Tief erſchüttert durch das
Aufnahme von Gebr. Eichacker-Saarbrücken.
Abwehrgeſchüß auf dem Petersberg.
Dem am Telephon stehenden Artilleriſten wird ein herannahendes Fliegergeſchwader gemeldet am 16. Nov. 1916.
freventliche Attentat, das friedliche Bürger Saarbrückens ſo meuchlings betroffen hat, bitte ich Sie, Herr
Dechant, gelegentlich der Beiſetzungsfeier den Angehörigen der ſchwer geprüften Familien den Ausdruck meiner
herzlichſten Anteilnahme zu übermitteln, mit der Derſicherung, daß ich im Gebete und am Altare der un-
ſchuldigen Opfer gedenke.“
Unter den Klängen des Chorals ,„„Jeſus meine Zuversicht“ wurden die Särge von Soldaten zur gemeinsamen
Gruft getragen.
Das 12. Opfer des Fliegerangriffs, der Unteroffizier Wegener, wurde unter militäriſchen Ehren zur Bahn
getragen, um in seine Heimat Schleſien übergeführt zu werden. In den Parkanlagen des Bezirkskommandos
hatten die Schweſtern ſeine Leiche aufgebahrt und Pfarrer Müller gedachte ſeiner in ſchlichten, ernſten Worten.
Auch dieſer Sarg war mit einer Reihe von Kränzen geschmückt.
Brebach und Umgegend am 9. Auguſt 1915. Der erſte unheilvolle Tag für die Belegſchaft und die Um-
wohner der Halber g er h ü tt e zu Br e ba < war der 9. Auguſt 1915. Die Bevölkerung war nicht
informiert, ſie ſah nicht den Tod, der auf dem Rande jedes am Horizont dahingleitenden Flugzeuges ſaß.
Voller Ueugierde ſtand ſie auf der Straße und ſchaute nach den metallenen Luftſeglern. Aber unter das Volk
ſprang der Tod mit mordender Senſe. Dier Tote und acht mehr oder weniger Derlette war ſeine Ernte am
9. An.guſt 1915, morgens 8 Uhr. Wie war dies möglich? Die Bewohner der nach Brebach führenden Straße
auf der Schafbrücke, angelockt durch die Fabrikſirenen, ſtanden vor den Häuſern und ſchauten nach den ſich vom
blauen Himmel herrlich abhebenden ſilberglänzenden Flugzeugen des Feindes, die über Saarbrücken kreiſten.
Da kam der Tod von anderer Seite. Ein aus der Richtung Halbergerhütte kommender Flieger, der bereits
im Hütlenwerk unheilvolle Spuren hinterlaſſen hatte, warf eine Bombe, die mitten auf der Straße explodierte
und den Tod des Hüttenarbeiters Iakob Michel Diener, des Penſionärs Ludwig Barth, des Kindes Diener,
39
Saarkalender für das Jahr 1927.
ſowie die Derwundung von fünf Perſonen durch die Sprengſtücke herbeiführte. In der Halbergerhütte war
durch ein Sprengſtück der Arbeiter Heinrich Burgardt aus Brebach ſo ſchwer verleßt worden, daß er am
11. September 1915 ſtarb; außerdem gab es noch drei Leichtverlette.
In der Folge war die Bevölkerung vorsichtiger geworden und flüchtete beim Alarm, der oft mehrmals am
Tage und in der Nacht einsſeßte, in Unterſtände und Keller. Die Halbergerhütte erbaute zwei geräumige Unter-
ſtände für ihre Belegſchaft und vor dem Bahnhofe in Brebach wurde für Paſſanten ein Unterſtand erbaut.
Brebach ſchien vom Glücke begünſtigt zu sein, denn in den folgenden beiden Iahren paſfierte durch die Bombarde-
ments nichts nennenswertes.
Der 6. September 1915.
Am 6. September erfolgte der zweite Fliegerangriff in der Zeit von 1010.30 Uhr vormittags. Es wurden
87 Bomben geworfen, von denen 44 explodierten. Zum Opfer fielen dem Angriff fünf Perſonen, ſchwer verletzt
wurden außerdem fünf und leicht verletzt ſechs. Die „Saarbrücker Zeitung“ meldet über den Tag:
„Gestern kurz vor 10 Uhr vormittags ertönten wieder die Warnungsrufe der Sirenen durch die Stadt, um
den von ihrer Arbeit aufgeſchreciten Bürgern einen drohenden Angriff feindlicher Flieger anzukündigen. Durch
die traurigen Erfahrungen des letzten Angriffes gewitzigt, brachte ſich die Bevölkerung nach dem in ſeiner
Bedeutung erkannten erſten Zeichen des Signals eiligſt in Sicherheit. Gegen 10 Uhr wurden die erſten
Flieger gesichtet, und Detonationen, die bald in kürzeren, bald längeren Abſchnitten ertönten, verrieten, daß
der Feind an der Arbeit war. Die Flieger, die ſich wieder in bedeutender Höhe hielten, tauchten meiſt nur
einzeln aus dem Wolkenſchleier des dicht bedeckten Himmels hervor. Der Angriff war um 1411 Uhr beendet,
wenn auch einige Zeit ſpäter der Sirenenruf noch einmal die Rückkunft einzelner Mitglieder des feindlichen
Geſchwaderc anzeigte. Der dieſesmai in weiterem Umfange erfolgten Beachtung der anempfohlenen Dor-
ſichtsmaßregeln iſt es zu danken, daß die Zahl der Opfer des Ueberfalls beträchtlich hinter der des erſten
Angriffs zurückblieb, gleichwohl bleibt noch eine beklagenswerte Zahl von Menſchenopfern zu verzeichnen.
Es wurden drei Perſonen ſofort getötet, der 12 Iahre alte Schüler Hoffmann, der 23jährige Fuhrknecht
Rudolf Brenner und der 64jährige Tagelöhner Franz Willinger, außerdem wurden ſechs Perſonen, darunter
zwei Frauen ſchwer verlezt. Im Laufe des geſtrigen und heutigen Tages ſind noch zwei Perſonen ihren
Wunden erlegen: Die Schüler Ludwig Kratz und Alois Pirro. Die Zahl der Toten erhöht ſich damit auf fünf,
ferner wurden noch ſechs Perſonen ſchwer und drei Perſonen leicht verlett.
Einen erheblichen Schaden nahmen einzelne Straßen, beſonders die Häuſer in der Kaiſerſtraße zwiſchen
Karch:r- und Sulzbachſtraße und in der DViktoriaſtraßge. In dieſer Straße betrug der Glasſchaden, beſonders
der Sc avlüten in fünf Häuſern allein über 20 000 Mk. Der Gesamtſchaden am 6. September belief ſich auf
1916.
Ueber ein Jahr hatte Saarbrücken Ruhe, erſt am 11. September 1916 erfolgte der dritte Angriff in der Nacht
von 20-3 Uhr Es ſette ein lebhaftes Abwehrfeuer ein. Bomben wurden nicht geworfen.
Am 13. September 1916 wurde in der Nacht um 3 Uhr alarmiert, um 3.40 Uhr gaben die Sirenen das Signal,
üs fünf kurzen Tönen beſtehend, daß die Gefahr vorüber ſei.
Die Franzoſen hatten wohl nicht damit gerechnet, daß ſie bei ihren erneuten Angriffen auf unser Induſtrie-
geblet nunmehr mit tatkräftigem Widerſtand zu rechnen hatten. Nach der an ſich zweckloſen Derteidigung durch
Maſchinengewehre wurde hier zunächſt ein Bombengeſchwader ſtationiert, das Frontflüge unternahm, jedenfalls
zur Erwiderung der franzöſiſchen Liebenswürdigkeiten. Sodann erſchien zur Derteidiqung des Saartals eine
gut ausgerüſtete Kampfſtaffel. Ihre Aufgabe war, dem Feinde entgegenzueilen und nach glücklichen Luft-
kämpfen die Gegner zu verjagen. Fokkermaſchinen, damals die beſten Kampfflugzeuge, ſtanden zur Derfügung
unserer Verteidiger, die zunächſt unter der Leitung des Hauptmanns. Baas, bald aber unter der ſchneidigen
Führung des Oberleutnants Dolkmann und ſpäter des kühnen Hauptmanns Burghardt manch feindlichen Plan
vereitelten. Flugwachen und Abwehrgeſchütze rings auf den Höhen unſeres Gebiets ſtanden zur Begrüßung des
unwillkommenen Beſuches bereit. Zeitweiſe war auch das ganze Gebiet ,„eingezäunt“, hoch in der Luft trugen
Feſſelballons, „Himmelswürſte“ getauft, zuſammenhängende Drahtgewebe, der jeden Propeller, der ſich darin
verfing, von seiner Arbeit befreite und damit das Flugzeug zum Abſturz bringen ſollte. Den Saarländern
kam dieſer Plan etwas ſpaniſch vor, ſie machten ſich darüber luſtig. Ich habe auch von einem Erfolg niemals
etwas gehört.
Am 15. September 1916 erfolgte in der Nacht gegen 2 Uhr ein Angriff durch vier Flieger auf die Burbacher
Hütte. Es wurden acht Bomben geworfen, die ſämtlich Treffer waren. Eine Perſon, Frau Katharina Trenz,
wurde ſchwer und ſechs leicht verletzt. Mehrere Frauen erlitten Nervenerſchütterungen. Das Unglück iſt be-
zeichnend für die Weisheit vom grünen Tiſch. Die Militärbehörde hatte die ganz ſeltſame und unverſtändliche
Derfügung getroffen, daß die Hütte bei Angriffen erſt dann verdunkelt werden dürfe, wenn dazu von der
Militärbehörde Befehl ergangen ſei. So kam es, daß die Flieger bei der hell erleuchteten Hütte in aller Ruhe
ihre Ziele ſuchen und die Bomben abwerfen konnten, ehe während der Nacht die Hütte die Erlaubnis erhielt,
durch Derdunkeln ſich zu ſchütßen. Durch Beobachtungen konnte ſicher feſtgeſtelt werden, daß ein Ilieger in
größerer Höhe, wie die übrigen drei Flugzeuge durch Leuchtkugeln Zeichen gab, wohin die Bomben abzuwerfen
ſeien. Getroffen wurde das Platinwerk, Walzwerk, Stahlwerk, Blockwalzwerk und ein Geſchoß fiel hinter
das Thomaswerk. Der Materialſchaden wurde auf 8300 Mk. geſchätt. Der Erfolg des Angriffs iſt lediglich
dem Bürokratismus der Militärbehörde zuzuſchreiben. Es war nicht die erſte und nicht die lette Torheit, die
ſie fertiggebracht hat.
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Es folgen einige Angriffe, bei denen keine Derluſte zu verzeichnen ſind: 16. September, nachts von 1.40 Uhr
bis 2.30 Uhr. ~ In derſelben Nacht Alarm von 2.3092.50 Uhr. ~ 24. September, nachts von 393.30 Uhr.
25. September, nachts von 11.40~1.10 Uhr. – 7. November, um 3 Uhr nachmittags.
Am 10. November haben wir zwei Angriffe zu verzeichnen. Der erſte erfolgte abends 9.30010.45 Uhr. Die
Flugzeuge wandten sich gegen die Burbacher Hütte, auf die 24 Bomben geworfen wurden, ſieben Bomben trafen
die Koksanlage, elf die Erzhalle, davon vier Blindgänger, eine Bombe fiel ins Univerſalwerk und eine ins
Stahlwerk. 19 Bomben explodierten. Drei Perſonen wurden verlett. Der Sachſchaden betrug 20 000 Mk., der
zweite Angrisf erfolgte nachts von 11.30-12.30 Uhr. Bei lebhaftem Abwehrfeuer bleibt kein Unfall zu melden.
Am 11. November 1916 erfolgte ein Angriff in der Morgenfrühe von 3.30 4.30 Uhr. Er blieb bei ſtarkem
Abwehrfeuer erfolglos. J Am 11. November 1916 von 10 Uhr abends bis 12.55 Uhr nachts ein Angriff. ~
Am 12. November 1916 erfolgt eine Alarmierung nachts von 2.4593.45 Uhr.
Am 23. November greift ein Großkampfflugzeug die Burbacher Hütte an. Es wurden fünf Bomben geworfen,
die drei Perſonen töteten, den Schweißmeiſter Peter Weber, den 15 Jahre alten Hübſchen aus Dudweiler und
R
Aufnahme von Willi Buntkke.
Durch den Luftdruck wurde am 9. Febr. 1917 das ou Les eines Hauſes in der Triererſtraße auf die Straße
den 15 Jahre alten Willi Staub aus Saarbrücken. Verletzt wurden acht, darunter zwei ſchwer, Adolf CLeibrock
und Karl Zimmer. Eine Bombe traf das Gaswerk, die übrigen das Walzwerk. Der Schaden betrug 5000 Mk.
Alarmierungen durch Sirenenrufe erfolgen sſodann bei dem fünfzehnten Angriff am 24. November in der Nacht
von 192.30 Uhr. – Am 30. November 1916, vormittags von 12.35912.50 Uhr. – Am 30. November 1916, nach-
mittags von 202.35 Uhr. –~ Am 27. Dezember 1916 um 3.10 Uhr. –~ Am 27. Dezember 1916 von 3.50 4.30 Uhr.
=- Am 27. Dezember 1916 von 66.10 Uhr abends.
1917.
Am 14. Jayusr vor 11-12 Uhr abends. – Am 21. Ianuar von 109~1]1 Uhr abends. – Am 22. Januar von
6.45~7 Uhr abends.
Am 253. Januar 1917 griffen franzöſiſche Flugzeuge nachmittags von 3.204 Uhr an. Es wurden 26 Bomben
geworfen, unter denen ſich nur ein Blindgänger befand. 25 explodiertef?. Auf die Burbacher Hütte fielen neun.
Der Schaden wurde auf 100 000 Mk. berechnet. In der Nähe der Waggonfabrik Lüttgens wurden fünf Geſchoſſe
feſtgeſtelt. Es wurden hier nur viele Fenſterſcheiben durch die Exploſion der Bomben zertrümmert. Eine
Bombe fiel in die Gärtnerei Didier und zerſtörte eine größere Anzahl Miſtbeetfenſter. In der Nähe der
Schanzenbergbrücke und auf der Bahnſtrecke bei der Gersweilerbrücke wurde größerer Schaden angerichtet an
den Schienenſträngen und Telegraphendrähten. Am 9. Februar 1917 ertönten die Sirenen um 9.52 Uhr
abends, der Angriff währte bis 11.50 Uhr. Es wurden vier Bomben abgeworfen. Zwei Tote, eine Schwerver-
41
Saarkalender für das Jahr 1927.
lezte und zwei Leichtverletzte blieben zu beklagen. Die Getöteten und Derletten wohnten ſämtlich Triererſtraße 36
in dem dem Rentner Louis Groß gehörenden Haus. Das Dach wurde durch den Luftdruck auf die Straße ge-
ſchleudert. Die Verunglückten hielten ſich während des Angriffes im Dachgeſchoß auf. Tot blieben auf der
Stelle der Dienſtnann Johann JIuſtinger und das Kind Luise Luther. Schwer verleßzt wurde die Mutter,
deren Mann an der Front ſtand. Das Haus wurde ſtark beſchädigt, das Dachgeſchoß vollſtändig abgehoben,
Manſarden, wie die Wohnung der erſten und zweiten Etage demoliert. Der Materialſchaden wurde auf 1215 000
Aufnahme von der Fliegerabteilung St. Arnual.
Vor dieſem Hauſe in der Türkenſtraße krepierte am 17. Juni 1917 eine Bombe auf dem Bürgersteig, mit ihren Splittern
alles überſchüttend. Ein Wunder geſchah, da eine ältere, aus dem Fenſter sehende Frau völlig unverletzt blieb
Mark geſchätt. Scherben zahlloſer Fenſterſcheiben in der Nachbarſchaft der Unglücksſtätte und auch ſonſt in der
Triererſiraße bedeckten fußhoch den Bürgerſteig. In der Nähe des Ludwigsparkes krepierte eine Bombe, ſodaß
die Häuſer am Sittersweg zahlreiche Fenſterſcheiben einbüßten. Auf der Burbacher Hütte gerieten zwei Oelfäſſer
in Brand. Der Geſamtſchaden belief ſich hier auf 40 000 Mk.
Am 10. Februar 1917 nachts wurden aus einem Geſchwader acht Bomben geworfen. Die Abwehr feuerte leb-
haft, ſie konnte in jenen Stunden 13 Blindgänger verzeichnen. Man ſ|tellte bei mehreren feſt, daß die Zünder
fehlten. Dier Bomben fielen auf den Bahnkörper, davon zwei in das dadurch ſtark beſchädigte Stellwerk in der
Nähe der Trierer- und St. Johannerſtraße, die bei dem Angriff ſtarken Derluſt an Fenſterſcheiben erlitt.
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Am 10. Februar 1917 wurden die Bewohner der Provinzialſtraße zu Brebach, sſoweit ſie vor der Kokerei und
Benzolfabrik der Halberger Hütte wohnten, polizeilich zum ſchleunigſten Derlaſſen der Häuſer aufgefordert. Eine
Bombe war in einen Teerkühler der Hütte gefallen. Dieſer ſtand im Nu in Flammen und alles um ihn herum
geriet in Brand, ein ſchauerlich-ſchöner Anblick in der Nacht. Man befürchtete eine Exploſion des nahen Benzol-
lagers, und so geschah in aller Eile die Räumung der Häuser. Im evangeliſchen Gemeindehaus fanden die
Leute, die kaum das Notdürftigſte in der Haſt mitgenommen hatten, Unterkommen. Die Flucht kam ſo über-
raſchend, daß alle wirr durcheinander ſtürzten, die bejammernswerte Szene beleuchtet durch den hellen Feuer-
ſchein. Man ſah Frauen in der kalten Nacht durch die Straßen rennen nur mit Hemd und Unterrock bekleidet,
unter dem AUrm oft das Wertloſeſte des ganzen Haushalts wie Kammkäſten und Hüte. Nur eine zeigte Be-
ſonnenheit, ſie erſchien an der Unterkunftsſtelle wohl im tiefſten Negligs, aber die Schmucksachen hatte fie
zuſammengerafft und mitgenommen. Es gelang, die Benzolanlagen zu retten, doch erſt nach vier qualvollen
Stunden war die Gefahr vorüber und man durfte in die Häuſer zurückkehren.
Am 15. Februar Alarmierung von 9.55—910.55 Uhr nachts. J Am 17. Februar Alarmierung morgens von
5.2595.45 Uhr morgens. – Am 25. Februar Angriff von 3.15 4.20 Uhr nachmittags. Es wurden einige
Bomben geworfen. Die Abwehr war ſehr tätig, hat aber wieder fünf Blindgänger zu verzeichnen. –~ Am
25. Februar Alarmierung von 4.5595.05 Uhr nachmittags. – An demſelben Tage Alarmierung von 1112.15
Uhr nachts. – Am 4. März Alarmierung von 12.20-12.40 Uhr mittags. –~ An demſelben Tage um 1.15 Uhr
mittags. - An demſelben Tage von 8.3099 Uhr abends. – Am 10. März von 99.50 Uhr abends.
Am 16. März ein ſtarker Fliegerangriff von 10912.10 Uhr nachts, 20 Bomben fielen, die sämtlich explo-
dierten, Blindgänger ſind wenigstens nicht gefunden worden. Zu beklagen bleiben zwei Tote, der Kaufmann
Fritz Schrader und eine Frau, die Witwe Margarete Willinger, die vor Schreck einen Herzſchlag erlitt. Eine
Bombe ſchlug in das Hinterhaus, Hohenzollernſtraße 24, und drückte das Dach des Gebäudes vollſtändig ein.
Türen und Fenſterſcheiben im Vorderhauſe und in der Nachbarſchaft wurden zahlreich zertrümmert. Das Glas
der Fenſterſcheiben des nahe gelegenen Redaktionszimmers des Derfaſſers lag auf seinem Arbeitstiſch und im
Zimmer zerſtreut. Schrader, der augenſcheinlich am Fenster geſtanden hatte, wurde von einem Splitter getroffen
und war sofort tot. Durch explodierende Bomben, z. T. aber auch durch Blindgänger der Abwehr wurden arge
Beſchädigungen, beſonders hervorgerufen in der Deutsſchherrnſtraße, Ecke der Werder- und Françoisſtraße, im
Majſchinenhaus des Herrn Ioſef Müller in der Gersweilerſtraße, im Moltkeſchulhaus und im Jenneweg. Auf
dem Friedhof im Ienneweg, wo fünf Bomben niedergingen, ſah es bös aus. In St. Johann fiélen zwei Bomben
auf das Haus Reichsſtraße 2, der Dachſtuhl wurde abgedeckt. Eine weitere Bombe explodierte im Dorgarten zum
Bahnhofseingang. Spiegelſcheiben der Schauläden und faſt ſämtliche Fenſler in den Häuſern Reichsſtraße 15 bis
19, ferner im Eiſenbahndirektions- und Bergwerksdirektionsgebäude füllten in großen Massen die Bürgerſteige.
Ein Geſchoß explodierte auf dem Bahngleis auf der Strecke SaarbrückenStieringen unmittelbar vor einem
haltenden Personenzug. Die Bombe durchſchlug eine eiſerne Schienenſchwelle. Die Paſſagiere kamen indesſen
mit dem Schrecken davon. Durch diesen Einſchlag wurden aber die Fenſterſcheiben der in der Nähe liegenden
re .ikeyttrahe zum großen Teil zertrümmert. Der Sachſchaden dieses Angriffes belief ſich im ganzen auf
Die nächſten Angriffe verliefen. ohne Unfall und Sachschaden. Am 8. April Angriff von 8.50099.20 Uhr abends.
~ Am 26. Mai von 11.55-12.32 Uhr nachts. – Am 4. Iuni von 151.20 Uhr mittags. – An demſelben Tag
von 11.40-22.15 Uhr nachts starkes Abwehrfeuer. – Am 16. Iuni von 12 Uhr bis 12.30 Uhr mittags.
.- Sonntag nachts vom 16.–17. Iuni war wieder ein kritiſcher Tag erſter Ordnung, ſoweit Sachſchaden in Betracht
komnit. Der Angriff erfolgte von 12 bis 12.15 Uhr nachts. Es wurden 10 Bomben geworfen, die ſämtlich
explodierten und voneinander entfernte Stadtteile in Mitleidenschaft zogen. Die Flugzeuge kamen von
Saargemünd her und überflogen die Stadt in der Richtung katholiſche Kirche St. Iohann-altes Landgericht~
Gutenbergſtraße–Schanzenberg. In der Türkenstraße fiel eine Bombe auf den Bürgerſteig vor dem Hauſe
Nr. 2 und eine auf den Fahrdamm, wobei ein unbekannt gebliebener Soldat ſchwer verletzt und die Ehefrau
Döllinger leicht verwundet wurde. Eine ältere Frau, die während des Bombenaufſschlages aus dem _Fenſter ſah,
blieb wie durch ein Wunder unverletzt, obwohl die Geſchoßſplitter zu hunderten um ſie Hherumflogen. Auch die
Wallgaſſe wurde durch zwei Bomben hart mitgenommen, vollkommen abgedeckt wurde dort das Hinterhaus,
Bleichſtraße 2, das an die Wallgasſe grenzt. Leicht verlezt wurde an jener Stelle der Eiſenbahner Beckhäuſer
und seine Frau. Im Stadtteil St. Iohann fiel dann noch eine Bombe in das nach der Fürſtenſtraße zu
gelegene Hinterhaus Bahnhofstraße 2. Hier wurde das Dach abgeriſſen. Zahlloſe Fenſterſcheiben aus der
Fürſterſtraße bedeckten den Fahrdamm. In Alt-Saarbrücken wurde durch ein Geſchoß das Dach des alten Land-
gerichts völlig zerſtört und auch im Inneren des Hauſes Derwüſtungen angerichtet. Die nach der Saar zu
gelegene Mauer vor dem Gebäude wurde durch eine andere Bombe stark beſchädigt und z. T. umgeriſſen. Der
Luftdruck war ſo ſtark, daß Balken, Dachkandeln über den Fahrdamm in die Luiſenanlagen flogen. Weitere
Bomben richteten sodann noch Verwüstungen an . im Hintergebäude Eiſenbahnſtraße 54, Bürgerſteig und Fahr-
damm Eisſenbahnſtraße 35. Die Häuſer in dieſen Straßen, beſonders das Geſchäftshaus Gebr. Hofer, zeigten
ſich durch Bombenſplitter stark beſchädigt. Weite Strecken der Bürgerſteige waren mit Scherben von Firmen-
ſchildern, Spiegel- und Fenſterglas dicht beſät. Aus den Schauläden ſelbſt wurden während der Nacht die
darin ausgestellten Gegenſtände von herumſtrolchendem Geſindel geſtohlen, ſo u. a. aus dem mit Herrenanzügen
reich ausgeſtatteten Konfektionsgeſchäft Leimbach. Ein Zigarrenladen klagte über große Verluſte. Der
Geſamtſchaden betrug über 200 000 Mark. ;
Es solgen wiederum Angriffe, die wegen des lebhaften Abwehrfeuers keinen Erfolg hatten: Am 3. Juli
von 12.50 Uhr bis 1.10 Uhr mittags. – Am 7. Iuli von 12.30 Uhr bis 2 Uhr nachts. – Am 253. Juli von
1.05 Uhr bis 1.20 Uhr. ~ Am 27. Juli von 11.40 Uhr bis 11.55 Uhr nachts. ~ Am 28. Iuli von 11.15 Uhr
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Bomkeneinſchlag im Haus des Reſtaurants „Barbaroſſa“, Eche Wilhelm-heinrichſtraße. Das Geſchoß durchſuzlug
Dach wie Derlien und blieb im Erdgeſchoß liegen. Der Beſiter hatte wenige Augenbliche vorher beim Alarmſignal
das Bett verlaſſen, durch das die Bombe fuhr.
bis 11.50 Uhr nachts. ~ Am 13. Auguſt von 6.50 Uhr bis 7.12 Uhr nachts. – An demſelben Tage von 9.15 Uhr
bis 9.35 Uhr abends. –~ Am 8. September von 5.15 Uhr bis 5.35 Uhr nachmittags.
Am. 16. September erfolgte ein ſtarker Angriff, bei dem 116 Bomben geworfen wurden, von denen 102
explodierten und 14 als Blindgänger ſpäter entfernt werden konnten. Das Unternehmen galt hauptſächlich
diesmal dem Flugplatz auf den Wieſen bei St. Arnual. 20 Bomben trafen dieſen Plat, drei davon waren
Blindgänger. Der Schaden, der dort troß vieler Bomben angerichtet wurde, ſtellte ſich auf dem Flugplatz ſelbſt
als unweſentlich heraus. 18 Bomben fielen am Ausgang von St. Arnual nieder, in der Nähe der Straße nach
Saargemünd. Hier fand man noch vier Blindgänger. Der Stiftswald erhielt ſechs Bomben, darunter drei
Blindgänger. Dier Geſchoſſe krepierten auf dem freien Felde zwiſchen der Halbergerſtraße und der Eiſenbahn-
linie SaarbrückenBrebach. Neun Bomben explodierten auf dem Felde zwiſchen dem Kaninchenberg und Eſch-
berg. 18 bei den Stallungen und auf dem Platze der umfangreichen Ulanenkaſerne. Vier auf dem Felde an
der Hellwigſtraße, 21 beim ſtädtiſchen Waſſerreſervoir, 11 links von der Saar in der Nähe des Fluſſes und zwar
in unmittelbarer Nähe der über die Saar gebauten Holzbrücke, die von unſeren Fliegern benußt wurde. An
der Strecke Saarbrücken~Scheidt gingen 10 Bomben nieder auf den Feldern, nur eine traf die Straße ſelbſt und
riß das Straßenbahngleis heraus, ſodaß der Derkehr durch Umſteigen bewirkt werden mußte. Auf dem Eſch-
44
Saarkalender für das Jahr 1927.
berg, hinter den Abwehrgeſchütßen, wühlten 17 Bomben Rieſentrichter. Die Abwehr kämpfte gegen die Flug-
zeuge mit raſendem Schrapnellfeuer. Es war eine wilde, aufregende Kanonade, bei der fesſtzuſtelen bleibt, daß
die Erhaltung des Flugplatzes wohl einzig dem ſchneidigen Auftreten der Flakbatterien zu verdanken iſt. Die
Flieger wurden durch die Abwehrgeſchoſſe fortwährend in ihrer Fahrt gestört, ſtoben auseinander, ſchraubten
ihre Maſchinen faſt ſteil hoch und ſuchten eine Lage zu erreichen, die ſie vor den Schrapnells zu schützen ver-
ſprach. Feſtzuſtellen iſt, daß der Sachschaden durch das Abwerfen von mehr als 100 Bomben nur gering war.
Eine Laube in einem Garten, Beſchädigung des Mauerwerkes an der Ulanenkaſerne, das zerſtörte Straßen-
bahngleis, einige Obſtbäume und etwas bestelltes Gelände zweier Gärtner ſind der Erfolg des raſenden
Bombardements.
An demselben Tage, am 16. September, wurde die Bevölkerung, kaum beruhigt, wiederum durch Sirenen
alarmiert. Der Angriff dauerte von 10.30 Uhr bis 11.15 Uhr abends. Er blieb erfolglos. – Am 22. Sep-
tember, nachmittags von 12.15 Uhr bis 1 Uhr, Angriff, lebhaftes Abwehrfeuer, kein Schaden. – Am 1. Oktober
1917, von 9.40 Uhr bis 10.20 Uhr abends, Angriff, lebhaftes Feuer der Flakbatterien, kein Schaden. Am
Zerſtörung am alten Landgericht in der Nacht vom 16.917. Juni 1917.
2. Oktober von 1.15 Uhr bis 2 Uhr nachmittags Angriff, ebenfalls ohne Schaden durch erfolgreiche Abwehr.
An demſelben Tage von 9.15 Uhr bis 1.05 Uhr nachts wiederholt aufregendes Abwehrfeuer, kein Schaden.
Am 3. OKtober 1.10 Uhr bis 2.02 Uhr nachmittags erfolgloſer Angriff. – Am 5. Oktober, 11.20 Uhr bis
11.45 Uhr nachts, Alarmierung der Bevölkerung. – Am 16. Oktober, 4.15 Uhr bis 4.55 Uhr, Alarmierung der
Bevölkerung, man hört ſtarkes, ununterbrochenes Fernfeuer.
Ein Unglückstag für die Stadt iſt dann wieder der 17. Oktober, an dem der Angriff nachmittags von 3.30 Uhr
bis 4.05 Uhr erfolgt. Das Unternehmen galt vornehmlich der Burbacherhütte. Es wurden 11 Bomben geworfen,
von denen zwei auf das Hüttengelände niederfielen (Bahngleis der Hütte und Waſſerkühler am Magazin). Ie
eine Bombe fiel in die Hüttenſtraße vor dem Kaſino, in die Iakobſtraße, in den Garten hinter Bergſtraße 47,
in ein Haus der Luiſenthalerſtraße, in die Nähe des Gußſtahlwerkes, in die Saar, auf das Bahngelände, wobei
ein Stellwerkgebäude beschädigt wurde. Eine Bombe explodierte auf freiem Felde hinter dem Hauſe Pfaffen-
kopfstraße 18 und eine noch in der Wiese hinter dem Hauſe Seebohmſtraße 25. Getötet wurden vier Perſonen:
Albert Berner, auf Beſuch in Burbach, Ioſeph Baldes, Iohann Georg und Friedrich Scheffler. Schwer verletht
wurden Frau Rieber, Frau Spitzmüller, Johann Drager, Helmut Kupka, Frau Hennings und Jatkob
Fixemmer, leicht verlezt: Iakob Paulus, Lehrerin Fixemmer, Anna Scholtes und Joſeph Schilian. Von dieſen
wurden zwei Perſonen im Freien getroffen, zwei Perſonen im Hausflur bei offenſtehender Tür, die übrigen
ſtanden hinter Türen, die von Bombenſplittern durchſchlagen wurden. Der Sachſchaden allein am Burbacher-
hüttenkaſino und in der Umgebung an Fenſterſcheiben, Türfüllungen uſw. wurde auf 4000 Mk. geſchäßt. Der
Geſamtſchaden des Angriffs betrug 39 350 Mk. .
Bei den erſten beiden Fliegerangriffen des Iahres 1915 durfte die Preſſe einiges mitteilen nach Genehmigung
durch die Zenſur. Dieſe Deröffentlichungen wurden ſodann unterſagt, es erfolgte auch kein amtlicher Bericht.
45
Saarkalender für das Jahr 1927.
Don dem Tage dieſes Angriffes, alſo vom 17. Oktober 1917 an, ſandte die Militärbehörde über die nun folgenden
einzelnen Angriffe offizielle Mitteilungen, die wortgetreu abgedruckt werden mußten, Zuſätze und Erläuterungen
wurden der Preſſe ſtreng unterſagt.
Der cffizielle militäriſche Bericht über den Angriff am 17. Oktober lautet nach der „Saarbrücker Zeitung“:
„Saarbrücken, 18. Oktober. Am Dienstag, den 16. Oktober, 4.30 Uhr nachmittags, warfen feindliche Flieger
60 Bomben auf Dölklingen, ohne Derleßzungen oder nennenswerten Schaden zu verurſachen. Am Mittwoch, den
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Aufnahme von Gebr. Eichacker-Saarbrücken.
Zerſtörung des Hauſes der bSleverperwalteng U der torpftraßs; wobei ein Soldat verſchlüttet wurde.
4. ober 1917.
17. Oktober. 3.30 Uhr nachmittags, erſchienen feindliche Flieger über dem Stadtteil Saarbrücken 5. Es wurden
12 Bomben abgeworfen, fünf Perſonen getötet, drei ſchwer, ſechs leicht verleßt. Einige Häuſer ſind beſchädigt.“
Am 20. Oktober Angriff von 3.10—3.40 Uhr nachmittags. Bei lebhaftem Feuer der Flakbatterien kein Schaden
An demſeilben Tag Alarmierung der Bevölkerung von 6.50~7.10 Uhr vormittags. Lim 21. Oktober von 4.35 bis
5.10 Uhr nachmittags Alarmierung.
Am 24. Oktober von 89.55 Uhr abends wurden bei anhaltendem Abwehrfeuer nur wenige Bomben auf
. unſer Stadtgebiet geworfen. Ein Soldat wurde getötet und sechs Perſonen leicht verleßt. Eine Bombe fiel in
das dem Steuerfiskus gehörige Haus Roonſtraße 7, durchſchlug das Dach und mehrere Stockwerke. Sie krepierte
im erſten Stock, wodurch die ganze vordere Hauswand herausgeriſſen wurde. Derletßt wurde Regierungsrat Dr.
v. Dewig, ſeine Frau, die Dienſtmagd Karoline Hornung, die im Haus wohnende Ehefrau Iakob Schmidt, Frau
46
Saarkalender für das Jahr 1927.
Hoffmann und deren Tochter Hedwig aus der Mainzerſtraße, die in dem Augenblick des Angriffs in den Büro-
räumen tätig waren und putzten. Bei den Aufräumunagsarbeiten fand man den Soldaten Pfennig der 1. Erſatz-
Maſchinengewehr-Kompanie tot unter den Trümmern. Wahrſcheinlich iſt, daß er bei Beginn des Angriffs in die
Toreinfahrt ging und dort Schutz ſuchte. Er wurde verſchüttet. Blindgänger der eigenen Abwehr wurden ge-
funden in der Köllnerſtraße, in der Sofienſtraße, St. Iohannerſtraße, Triererſtraße und Stromſtraße. Der Ge-
ſamtſschaden wurde auf 102 000 Mk. geſchätzt.
Der offizielle Bericht über den Fliegerangriff vom 24. Oktober:
„Saarbrücken, 25. Oktober. Am 24. Oktober, zwiſchen 8 und 10 Uhr abends, erſchienen feindliche Flieger-
geſchwader über Saarbrücken, Dillingen und Neunkirchen (Saar), zwiſchen 10 und 11 Uhr ein feindliches Luft-
ſchiff über Neunkirchen. Mehrere Bomben wurden auf Saarbrücken abgeworfen. Sechs Perſonen wurden leicht
verleßt, ein Haus in der Roonſtraße beſchädigt. Auf Saarlouis fielen acht Bomben, ohne Schaden zu verursachen.
Ein feindlicher Flieger iſt abgeſchoſſen worden.“
Am 24. Oktober von 11.08011.55 Uhr nachts Alarmierung der Bevölkerung und ſtarkes Abwehrfeuer. – Am
29. Oktcber von 10.20910.55 Uhr nachts Alarmierung der Bevölkerung, Abwehrfeuer. –J Am 29. Oktober von
11.4512 Uhr nachts Alarmierung. – Am 30. Oktober von 12.459] Uhr nachts Alarmierung und Abwehrfeuer. ~
An demſelben Tage von 7.40~9 Uhr abends Angriff, erfolglos durch lebhaftes Abwehrfeuer, bei dem zwei
Blindgänger feſtgeſtellt werden. – An demselben Tage von 10.550912 Uhr abends kräftiges Abwehrfeuer. – Am
1. Dezember von 6.0596.20 Uhr abends Alarmierung der Bevölkerung.
Am 5. Dezember von 2.20292.40 Uhr nachmittags erfolgte ein energiſcher Angriff durch ein Geschwader von
feindlichen Flugzeugen, das 13 Bomben abwarf, von denen 11 explodierten und zwei als Blindgänger geborgen
werden konnten. Zum Opfer fielen dieſem Unternehmen zwei Frauen und zwei Kinder. Eine Perſon wurde
ſchwer und acht leicht verlezt. Faſt unmittelbar nach dem Heulen der Sirenen fielen ſchon die Bomben. Die
späten Warnungsrufe erfolgten, weil die Feinde in einer Höhe von 4000 Meter von der Pfalz aus heranflogen
und für deutsche Flugzeuge gehalten werden mußten. Sie benutzten die für deutſche Flugzeuge vorgesſchriebenen
Signale und trugen das deutſche Erkennungszeichen, das eiſerne Kreuz. Durch dieſe völkerrechtswidrige CLiſt
wurde der Meldedienſt und durch dieſen wiederum die Abwehr irregeführt. Mit verhängnisvoller Wirkung
krepierte eine Bombe auf dem Bürgersteig des Hauſes Deutſchherrnſtraße 54, richtete an dem Hauſe ſelbſt große
Verwüſtungen an und sette es in Brand. Getötet wurde dabei in dem Milchgeſchäft zu ebener Erde durch Ge-
ſchoßſplitter Frau Witwe Klein und Leonie Kiefer, die 15 Iahre alte Tochter des Oberpoſtſchaffners Kiefer, Erna
Krüger, die 8 Iahre alte Tochter des Zugführers Krüger kam in den Flammen um. Verlett wurde in dem
Milchgeſchäft noch die Ehefrau Lang, Erna Haffner, Hildegard Wey und Roſine Simon. Die 9 Jahre alte Hilde-
gard Wey trug ſo ſchwere Verlezungen am linken Arm davon, daß er im Bürgerhoſpital amputiert werden
mußte. Auf der Straße tödlich getroffen vor dem Hauſe Deutſchherrnſtraße 27 wurde die Ehefrau Schäfer, ver-
leßt wurden Frau Brauninger, Frau Köpfrich und Frau Schütz, leßtere im erſten Stock ihrer Wohnung Deutſch-
herrnſtraße 25. Frau Stern wurde durch Bombenſplitter an der Ecke der Deutſchherrnſtraße und Hildebrand-
ſtraße getroffen, die Frauen Iakob und Hettrich in der Holzſchuhfabrik von C. Henn an der Friedhofsallee. Der
Sochſchaden in der eben erwähnten Gegend ließ ſich auf 100 000 Mk. ſchätzen.
Eine weitere Bombe, die auf dem Bürgerſteig Gutenbergſtraße 50 explodierte, verurſachte großen Material-
ſchaden. Stark beſchädigt wurden die Häuſer Ur. 47, 48, 49 und 50. Hier wurden sämtliche Wohnungseinrich-
tungen hart mitgenommen, sodaß allein das Haus Nr. 49 (Loge Bruderkette an der Saar) ſeinen Derluſt mit
5000 Mk. bezifferte. Die Häuſer 47, 4a8 und 50 mit je 15 000 Mk. In den Häuſern Ur. 41 bis 46 waren ſämt-
liche Fenſterſcheiben vom Luftdruck zertrümmert und viele Rolläden wie ein Sieb durchlöchert, Fenſterkreuze uſw.
zerriſſen.
Bei dieſem Bombenwurf ereignete ſich ein Wunder. Sieben Meter von dem explodierenden Geſchoß befand ſich
auf der Straße eine Gruppe von ſieben Perſonen, drei Soldaten, ein erwachſenes Mädchen und drei kleine
Kinder. Eines der Kinder wurde gegen das Oberförſterhaus geſchleudert und dabei arg zerſchunden. Die anderen
warf der Luſtdruck auf die Straße, aber wunderbarerweiſe kamen alle mit dem Leben davon, obwohl ſie in
einem Hagel von Geſchoßſplittern ſtanden. Mehrere Streifschüſſe blieben allerdings zu verzeichnen an Armen
und Knien, aber eine ernſte Derletzung ließ ſich nicht konſtatieren.
Weitere Bomben fielen in die verlängerte Diktoriaſtraße (Sachſchaden 600 Mk.), in einen Garten der Hafen-
ſtraße (Sachſchaden der Häuſer in der Nähe 11 000 Mk.), in das Haus des Großkaufmanns Fritz Obenauer,
Hohenzollernſtraße 47, Ecke der Kronprinzenſtraße (Sachſchaden 10 000 mk.). :
Drei Bomben fielen in die Nähe der Knipperſchen Brauerei längs der Straße Meerwieſertal. Geſchoßſplitter
verleßten hier einen Knaben und einen Soldaten.
Eine Bombe explodierte im Garten St. Iohannerſtraße 16, eine andere im Hof des Hauſes Marienstraße 16.
Eine im Garten des Uhrmachers Schäfer, hierbei wurde durch einen Geſchoßſplitter der 18 Iahre alten Eliſe Latz
die halsſchlagader aufgeriſſen, wodurch der Tod in kurzer Zeit erfolgte. Ein Geſchoß durchſchlug in der Heuduk-
ſtraße das Dach und ein Fachwerk und blieb in einem Bett unkrepiert liegen. Dieſe Bombe war 70 Zentimeter
lang und zeigte einen Durchmeſſer von 20 Zentimeter. 103 durch das Bombardement geſchädigte Bürger meldeten
einen Geſamtſchaden dieſes Tages von 200 000 Mk. an.
47
Saarkalender für das Jahr 1927.
i Der yu militäriſche Bericht über das Unglück, den die Preſſe am nächſten Tage veröffentlichen mußte,
autet wie folgt:
Angriff vom 5. Dezember 1917.
„Saarbrücken, 5. Dezember. Heute nachmittag gegen 3 Uhr warfen feindliche Flieger über Saarbrücken
acht Bomben ab, es wurden vier Frauen und ein Kind getötet, ſieben, meiſt weibliche Perſonen, verletzt. In
der Deutſchherrnſtraße geriet ein Haus in Brand, in der Marien-, Hohenzollern-, Gutenberg- und Hafenſtraße
wurde je ein Haus beſchädigt."
Am 6. Dezember, nachmittags von 2.3093 Uhr, erſchienen wiederum feindliche Flieger über Saarbrücken und
warfen trotz ſtarkem Abwehrfeuer 16 Bomben, die bis auf eine explodierten. Im Hof des Hauſes Großherzog-
Friedrichſtraße 71 krepierte ein Geſchoß, deſſen Splitter den 17 Jahre alten Sohn Karl des Wagnermeiſters
Steinlein tötete, die Ehefrau ſchwer und die beiden Kinder Marie und Friedrich Steinlein leicht verletzte. Stein-
lein befand ſich zu jener Zeit von der Front kommend auf Urlaub bei ſeiner Familie. Sein Unglück erregte
allgemeine herzliche Teilnahme bei der Bürgerſchaft unter den besonderen Umſtänden, unter denen er es er-
leben mußte. Zwei Bomben fielen in der Nähe des Straßenbahndepots ins Feld und auf den Turnplatzz. Zwei
Bomben demolierten das Stallgebäude des Eisenbahnfiskus am Schanzenberg (Schaden 2000 Mk.). Weitere
Aufnahme von Gebr. Eichacker-Saarbrücken.
Derwüſtungen durch Bomben in der Gärtnerſtraße 1918.
fielen in das Gelände am Deutſchmühlenweiher, durch den Luftdruck wurden die Fenſterſcheiben in der Gers-
weilerſtraße 19 zertrümmert, in dem Garten Forbacherſtraße 24 ebenfalls, drei explodierten auf dem Triller in
der Nähe von Röchlings Garten, eine im Gelände der Gneiſenauſtraße, ferner beſchädigten Geſchoſſe die Mauer
am Staden, beſonders ein Schuthäuschen.
Don den Blindgängern unſerer heftig feuernden Abwehr durchſchlug einer die Stockwerke des Hauſes Bismarck-
ſtraße 12 und blieb in der Küche des Erdgeſchoſſes liegen. Andere Blindgänger fand man auf dem Eiſenbahn-
h det Htrese Saarbrücken–Trier und in dem Bett des alten Sulzbaches. Der Schaden des Angriffs belief
Die militäriſche Behörde veröffentlicht in der „Saarbrücker Zeitung“ folgenden offiziellen Bericht:
Angriff am 6. Dezember 1917.
„Saarbrücken, 6. Dezember. Heute nachmittag 214 Uhr griffen feindliche Flieger Saarbrücken an. Es wur-
den 13 Bomben abgeworfen, ein 18jähriger Iunge getötet, eine Frau ſchwer und zwei Kinder leicht verleßt.
Einige Häuſer ſind beſchädigt. Die Einſchläge trafen hauptſächlich die Gegend Großherzog-Friedrichſtraße und
Bismarckſtraße, mehrere Bomben fielen in die umliegenden Gärten, ohne Schaden anzurichten."
Am 28. Dezember Alarmierung von 10.10-10.25 Uhr abends.
1918.
Das Jahr des Unheils 1918 brachte uns bis zum 5. November, an welchem Tage der lette Angriff erfolgte,
allein nicht weniger als 172 Angriffe. Der Waffenſtillſtand machte dteſem abſcheulichen, völkerrechtswidrigen
Treiben gegen offene Städte, dem Kampf gegen unſchuldige Leute, inſonderheit Frauen und Kinder, ein Ende.
Welch ein Schickſal uns beschieden geweſen wäre, wenn der Weltkrieg ſich noch ein Iahr hingezogen hätte, läßt
ſich kaum ermesſſen. Die Folge hätte uns vielleicht täglich Fliegerangriffe gebracht und noch unendliche Opfer
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Überfichtskarte über die Stellungen der Flak-Batterien und. Flugwachen im Saargebiet.
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Saarkalender für das Jahr 1927.
an unſchuldigen Menſchenleben gefordert, durch die Nation, die bekanntlich an der Spitze der Ziviliſation mar-
ſchiert. Das Wort Menſchlichkeit lebte und lebt heute noch bei unseren Gegnern eben nur in den parlamenta-
riſchen Reden und in der Preſſe, im übrigen wiſſen die Saarländer am beſten, was ſie von einem ſolchen
Ph-aſengeklingel zu halten haben.
Die im Jahre 1918 zunächſt erfolgenden Angriffe waren bis zum Fehruar hin erfolglos. Meùiſtens genügte das
Abwehrfeuer und das Aufsteigen unſerer Kampfflieger, um die feindlichen IFleugzeuggeſchwader von der Stadt
fernzuhalten, die einzelnen Staffeln zu trennen und in die Flucht zu ſchlagen. Ich laſſe hier zunächſt die An-
griffe des Ianuar bis zum 5. Februar folgen, die weder Opfer an Perſonen, noch Sachſchaden verurſachten.
Am Z. Januar von 1.3092 Uhr nachmittags Alarm und Abwehrfeuer. – Am 15. Ianuar von 1.2592.05 Uhr
nachmittags Alarmierung. – An demſelben Tage von 6.5597.10 Uhr abends Alarm und Abwehrfeuer. – An
demſelben Tage von 7.25597.40 Uhr abends Alarm. –~ An demſelben Tage von 9.35—9.45 Uhr abends Alarm.
Am 20. Ianuar von 1.2591.45 Uhr nachmittancs. – HAm 21. JIanuar von 10.4091.35 Uhr abends. –0 Am
24. Ianuar von 10.4091.35 Uhr abends. – Am 24. Januar ron 7.0598.45 Uhr nachmittags. – Am 26. Ianuar
von 2.52292.55 Uhr nachmittags. – An demſelben Tage von 4.5004.55 Uhr nachmittags. – Am 27. Ianuar von
12.3001.45 Uhr nachmittags. – Am 2. Februar von 292.15 Uhr nachmittags.
Am 5. Februar erfolgte ein ſtarker Angriff, der vornehmlich der Bahn galt. Es grisfen unvermutet ſchnell
mehrere feindliche Staffeln an, im ganzen 18 Flieger, ſie bombardierten Saarbrücken mit 134 Bomben, von
denen 25 Blindgänger waren, während unſere Abwehr nur deren 7 zählte. Getötet wurde ein Bahnbeamter,
ſchwer verleti zählte man drei, leicht verleßt 14 Perſonen. Auf dem Hauptbahnhof explodierten auf Bahnſteig 1
eine Bembe, auf dem Bahnsteig 2/3 acht, auf Bahnsteig 5 drei, daneben fand man noch auf Bahnſteig 5 und 2/3
je einen Blindgänger. Im Lokomotivſchuppen explodierte eine Bombe, drei Blindgänger wurden ſpäterhin von
dort entfernt. Durch dieſes Bombardement erhielten das Eiſenbahndirektionsgebäude, die Bahnhofshalle, die
zahlreichen dort befindlichen Telephondrähte und das Schienengleis ſtarke Beſchädigungen. Im Stellwerk 2
wurde ſchwer verletzt der Hilfsweichenſteler Schirra und Aushilfsweichenſteller Iean, leicht verletzt der Fahr-
dienſtleiter Bouro und der Rangierer Heinz.
Sachſchaden erlitten besonders die Stadtteile St. Iohann und Burbach. In Alt-Saarbrücken fand man einen
Blindgänger im Garten Gärtnerſtraße 27. In St. Iohann gingen Bomben nieder u. a.: Bleichſtraße 13 (Schaden
1000 Mk.), Großherzog-Friedrichſtraße 45 (Schaden 4000 Mk.), Neugäßchen 14, Hof Mainzerſtraße 6, Mainzer-
ſtraße 18 (s000 Mk. Schaden), Mainzerſtraße 10 in dem Garten des Marienheim, Mainzerſtraße 16 erhielt drei Bomben,
die Geſchoſſe fielen in das Hinterhaus und verletten dort leicht zwei Kinder des Schloſſers Iohann Franz.
Weitrr Mainzerſtraße 14, Mainzerſtraße 21, Ecke Nauwieser- und Großherzog-Friedrichſtraße (auf dem Bürger-
ſteig), Nauwieſerſtraße 60. Dort durchſchlug ein Geſchoß das Dach wie die Zimmerdecke und blieb in der zweiten
Etage auf dem Spülſtein liegen. Bomben fielen auch auf den Rathausplatz, wobei ein Dachſtuhl durch Luftdruck
zerſtört wurde (5000 MK. Schaden), Leibnizſtraße 21 (auf Bürgerſteig), Ecke Dudweiler- und Brauerſtraße zwei
Bomben, ein Geſchoß auf den Hof der Lagerräume der Firma Lampert in der Brauerſtraße (alle Fenſter zer-
trümmert, 1500 Mk. Sachſchaden), Ecke Peſtalozzi- und Mainzerſtraße (Straßenpflaſter aufgeriſſen), das Roten-
bergſchulhaus erhielt eine Bombe, die das Dach abdeckte. Weitere Einſchlagſtelen waren in der Brauerſtraße,
Mügelsberg 10, Ecke der Türken- und Gerberſtraße (Pflaſter), Mühlenſtraße 20 (Garten), Mühlenſtraße 7, Ecke
Mühlen- und Sulzbachſtraße, Dudweilerſtraße 70, Königin-LCuiſenſtraße (Dolksgarten), Ursulinenſchule in der
Königin-Luiſenſtraßze (Gartenmauer niedergelegt), Königin-Luiſenſtraßje 43 (Dach abgedeckt), Königin-Luiſen-
ſtraße 45, Königin-Luiſenſtraße 30 und Königin-Luiſenſtraße 47.
In Burbach gingen Bomben nieder: Gelände der Burbacher Hütte 11, vor dem Hauſe und auf dem Hof Wilhelm-
ſtraße 31, vor der Iakobſtraße 2 b, Malhofen (Hof), von der Heydtſtraße 4, Hüttengärtnerei in der Grünenſtraße
(vier Bomben), Altenkeſsſelerſtraße 7 (Garten), Haus am Gußſtahlwerk 27 (zwei Bomben), Weyersbergſtraße an
der Kirche, Hubert-Müllerſtraße 3, 6 und 7, 42 und 110, Weyersbergbrücke, Weyersbergſtraße 5, Iakobſtraße 25,
Pfaffenkopfsſtraße 7 (Straßenpflaſter), Neuer Malhofen 1, Wilhelmſtraße 69.
Blindgänger richteten Schaden an an der Kirche in Malſtatt. Es wurden noch Blindgänger gefunden u. a. im
Garten der Gärtnerſtraße 27, am Mügelsberg, auf dem Acker von Hoffmann und Friedrich Diehl in der Berg-
ſtraße und auf einer Wieſe hinter dem Hauſe Luiſenthalerſtraße 101 bei Ries. Die feindlichen Flieger warfen
aus ihren Flugzeugen Flugblätter in großer Anzahl, die die Inſchrift trugen: „Als Dergeltung für die Be-
ſchießung der offenen Stadt Paris, welche am 30. Ianuar 1918 stattfand.“ Paris iſt Feſtung, Saarbrücken aber
eine oſfene Stadt.
Der Geſsamiſchaden wird auf 250 000 Mk. angegeben.
Es folgen wieder eine Reihe von Angriffen, die bei lebhaftem Abwehrfeuer, z. T. durch unſere tapferen
Kampfflieger abgewehrt wurden. Am 9. Februar von 7.3597.50 Uhr. –~ Am 17. Februar von 9.40—10 Uhr
abends. – Am 18. Februar von 8.3598.55 Uhr abends. – An demſelben Tage von 9.1599.30 Uhr abends. ~
Am 19. Februar von 9.40010.50 Uhr abends. – Am 20. Februar von 12.30-12.45 Uhr nachts. –~ An demſelben
Tage von 11.15 Uhr nachts. – Am 26. Februar von 1010.20 Uhr abends. – Am 8. März von 12.10-12.30
Uhr nachts. J Am 9. März von 2.2002.40 Uhr nachmittags. – Am 12. März von 10.45511.15 Uhr nachts. ~
Am 13. März von 129] Uhr nachts. –J Am 16. März von 11.559] Uhr vormittags. J Am 17. März von 11.50
bis 1 Uhr vormittags. – Am 23. März von 11.30912.35 Uhr abends. – Am 24. März von 121.10 Uhr mittags.
~ An demſelben Tage von 1.4592.45 Uhr nachmittags.
Während der April und Anfang Mai uns wahrſcheinlich wegen der großen deutſchen Oſfenſive mit Flieger-
überfällen verſchonten, erfolgte zuerſt wieder am 16. Mai 1918 ein ſcharfer Angriff, leider einer der verhäng-
nisoollſten Tage, die wir in Trauer zu verzeichnen haben. Es wurden 16 Bomben geworfen, von denen nur
49
Saarkalender 1927 4
Saarkalender für das Jahr 1927.
eine nicht krepierte. Getötet wurden 12 Perſonen, schwer 20 und leicht 29 verlezt. Auf das Gelände des Haupt-
bahnhofs fielen ſieben Bomben, davon zwei in eine Werkſtätte, eine auf die Perſonenbrücke in der Nähe der
Eiſenbahnerbadeanſtalt, eine in einen Urlauberzug auf Bahnſteig 3, in eine Lokomotive, in einen Eiſenbahn-
wagen auf Bahnſteig 1a und bei der Telegraphenwerkſtätte. Don den auf Bahnſteig 3 und la explodierten
Bomben, wurden, wie bereits erwähnt, 12 Perſonen getötet, 20 ſchwer und 29 leicht verletzt. Die ſofort Ge-
töteten und die Mehrzahl der verletzten Perſonen waren Soldaten, die teils im Zuge saßen, teils auf dem Wege
zum Unterſtand waren. Sie kamen von der Heimat (Heſsſen). Bahnbeamte forderten ſie bei dem Alarmf9ignal
der Sirenen auf, den Zug zu verlaſſen und ſich in den Unterſtand des Bahnhofs zu begeben. „Wir ſind Front-
Kämpfer, haben in vielen Schlachten gekämpft und denken nicht daran, vor ein paar lumpigen Fliegern weg-
zulaufen,“ lautcte die lachend gegebene Antwort. Wenige Augenblicke ſpäter war das Unglück geschehen. Als
mit donnerndem Krachen die erſten Bomben auf dem Bahngleis explodierten, wollte noch ein Teil der Urlauber
den Unterſtand aufsuchen, aber zu ſpät, das Geſchoß, das die Wagen der Kameraden zerſchmetterte und viele
der Inſaſſen tötete, traf auch durch ſeine Splitterwirkung die Beſonnenen. Die meiſten von ihnen wurden
ſchwer, einige leichter verleßt auf den Bahndamm zu Boden geschleudert. Einer flog durch den Luftdruck vom
Bahnſteig über das ganze Gleis hinweg gegen das Bahngebäude und blieb dort in seinem Blute liegen. Ein
Wagen ſtand ſofort in Flammen; durch Feuer und erſtickenden Qualm drangen die tapferen Sanitäter vor.
Ihr Opfermut war vergeblich, es bot ſich den Wackeren nur das erſchreckende Bild brennender Leichen. Eiſen-
bahnſchienen wurden aus ihren Lagern gehoben und wie Grashalme geknickt. Eine auf dem Bahnſteig ]a
haltende Lokomotive wurde, von einer Bombe getroffen, umgesſtürzt. Große Blutlachen und die Glasſcherben
ſämtlicher Fenſter erſchwerten auf Schritt und Tritt die Rettungsarbeiten. Wie mir eine Krankenſchweſter
mitteilt, war durch die zertrümmerten Fenſter des Raumes, der dem Roten Kreuze eingeräumt wurde, Blut
geſpritt und hatte die weißen Holztiſche und Bänke rot gefärbt. ~ Don Zivilperſonen wurden ſchwer verlett
der Lokomotivführer Peter Burr, Blumenstr. 38 (Leberverletzung), Dorſchloſſer Karl Schmeer, durch Geſchoß-
ſplitter getroffen, und Schloſſer Michel Robert.
Die Exploſionskraft der Geschoſſe bezeugt die Tatſache, daß ein großes Stück Eiſenbahnſchiene vom Gleis Ia
über das Riesengebäude der Bahndirektion hinweg bis in die Königin-Luiſen-Straße geschleudert wurde und
auf dem Dach des Hauſes Wunn niederfiel. Felsſtücke flogen vom Bahnhof bis auf die Dächer des Hotels
Terminus und des Hauſes des Malermeiſters Niesſch.
Bomben gingen noch nieder in das Stallgebäude Ludwigsberg 22, Wohnhaus Lebacherſtr. 33 (5000 Mark
Schaden), eine Bombe in die Gärten hinter dem Bahnhof, im Garten Rodenhoferweg 2, im Garten Uſener-
ftraße 8. An den Häuſern Uſenerſtraße 1 bis 17 wurden 3400 Fenſterſcheiben zertrümmert. Größeren Schaden
richtete noch eine Bombe an, die Sittersweg 84 niederfiel. In St. Johann fielen Bomben: vier in die
Dudweilerſtraße 1, Bahnmeiſterei 2, Wohnhaus und Garten ſtark mitgenommen, 10 000 Mk. Schaden. Die
dem Bahnhofe naheliegenden Straßen litten wieder ſehr unter dem Bombardement. Beſonders mitgenommen
e: ſchienen die Häuſer der Kaiſerſtraße 34, 44, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 57, 59, 60, 65, 67, deren Besitzer einen
Schaden in Höhe von 18 120 Mk. anmelden, meiſtenteils für unbrauchbar gewordene Wohnungseinrichtungen
und zertrümmerte Fenſterſcheiben.
Am CLudwigsberg beſchränkte ſich der Schaden zum weitaus größten Teil auf Derluſt von Fenſterſcheiben.
Durch den Luftdruck der Bombenexploſion im Stallgebäude der Witwe Bunz wurden in den Häuſern 15930 die
Fenſterſcheiben ſämtlich zertrümmert. Durch das Abwehrfeuer der Flakbatterien wurde gegen 10 Uhr ein
feindliches Flugzeug mit franzöſiſchem Abzeichen, blau-weiß-roter Ring, über dem Stadtteil Malſtatt ab-
geſchoſſen. Es ſtürzte in Flammen gehüllt in den Garten des Gärtners König, Parallelſtraße 25, und ver-
brannte dort vollſtändig. Die beiden Inſaſſen, ein engliſcher Offizier und ein engliſcher Mechaniker, ſtürzten
vorher aus dem Flugzeug. Der Offizier fiel auf das Pflaſter der Parallelſtraße, ſein Begleiter in den Hof
des Hauſes Parallelſtraßze 34. Beide Leichen bildeten eine ſchrecslich verſtümmelte, saſt unförmliche Maſſe.
Die Toten wurden zum Friedhof am Ienneweg gebracht und dort beſtattet. Die Maſchinengewehre des Flug-
zeugs wurden von der Mannſchaft der Fliegerſchule abmontiert und nach Parallelſtraße 27 gebracht. Die
Flügel des Apparates fand man in der Straßengabelung Iakobſtraße-Malhofen. Das Flugzeug trug die
Zeichen: A. M. C. 794 D P. P.
An den durch Bombenſplitter erlittenen Derlezungen ſtarb nachträglich im Krankenhauſe der Eiſenbahn-
ſchaffner Franz Wawrzyniak, Gärtnerſtraße 9, der dort während des Angriffs in ſeinem Garten arbeitete
und keine Deckung aufgeſucht hatte.
Der Geſamtſchaden wurde auf 35 000 Mk. berechnet.
Die Preſſe erhielt nur folgenden amtlichen Bericht:
Angriff vom 16. Mai 1918.
„Saarbrücken, 16. Mai. (Amtlich.) Am 16. Mai, gegen 1410 Uhr vormittags, griffen zwölf feindliche
Flugzeuge Saarbrücken an. 17 Bomben wurden obgeworfen. Einige Tote und Verletzte. Im übrigen
ſind dank dem ſachgemäßen Derhalten der Bevölkerung keine weiteren Derluſte zu beklagen. Im Feuer
der Abwehrgeſchüte ſtürzte ein feindliches Flugzeug brennend ab. Die beiden Inſaſſen, ein engliſcher Offi-
zie: und Begleiter, ſind tot.“
Ein folgenſchwerer Fliegerüberfall ſuchte am 24. Iuni 1918 die Bevölkerung Saarbrückens heim. Der An-
griff erfolgte um 11.45 Uhr vormittags durch elf feindliche Flugzeuge und dauerte an bis 12.40 Uhr mittags.
Murren und Ktritiſieren ſeitens einzelner Teile der Bevölkerung ließen erkennen, daß das Herannahen der
50
Saarkalender für das Jahr 1927.
Gefahr von den verantwortlichen Stellen nicht rechtzeitig bemerkt wurde, ſodaß der Ueberfall überraſchend
kam Das Publikum verhielt ſich im allgemeinen ruhig und ſuchte gleich Deckung. Menſchenleben wurden
keine gefordert, nur eine Perſon ſchwer verleßt. Die Zahl der explodierenden Bomben betrug 18 und zwar
wurden folgende Bombenabwürfe und deren Exploſionen beobachtet: Drei Bomben fielen auf das Gelände des
Hauptbahnhofes, davon eine zwiſchen Gleis 7 und 4, zwei in die Maſchinenreparaturwerkſtätte, welch letztere
dort ziemlichen Sachſchaden anrichtete. Eine Bombe fiel auf den Güterbahnhof Malſtatt, warf einen Eiſen-
bahnwagen um und zertrümmerte ein mit Lohe beladenes Fuhrwerk. Ein Soldat wurde verletzt. Eine weitere
Bombe fiel auf den Bürgerſteig vor dem Hauſe Dudweilerſtraße 41 und beschädigte hier die Straßenſeite des
Hauſes und zertrümmerte die Schaufenſter. An ſämtlichen Häuſern der Dudweilerſtraße, Nummer 30 bis 5s,
wurden die Fenſterſcheiben zertrümmert, Fensſterkreuze uſw. stark beſchädigt, im Hauſe Dudweilerſtraße 43
Aufnahme von Gebr. Eichacker-Saarbrücken.
Eine Loliomotive auf dem Saarbrücker Hauptbahnhof am 16. Mai 1918 durch einen Bombenvolltreffer umgeworfen.
Laden- und Wohnungseinrichtung vernichtet. Weiter fiel eine Bombe auf den Straßendamm Ecke KRichard-
Wagnec- und Sulzbachſtraße, wodurch Glasſchaden entſtand. Durch das Krepieren einer Bombe wurde das
Haus Nr. 27 in der Sulzbachſtraße ſchwer beſchädigt. Eine Bombe fiel auf die Mauern des Eisenbahn-
direktionsgebäudes. An der verlängerten Diktoriaſtraße wurde eine etwa 9 Kilo ſchwere Eiſenſchiene durch die
exploſive Gewalt von dem Bürgerſteig gehoben und bis in die Richard-Wagnerſtraße geſchleudert. Eine Bombe
fiel in den Hof Diktoriaſtraße 35. Ferner wurde in der Eiſenbahnwerkſtätte Burbach durch eine Bombe erheb-
licher Sachschaden angerichtet. Das Gelände der Burbacherhütte wurde durch ſechs Bomben demoliert, wobei
eine Perſon ſchwer, drei weitere Perſonen leicht verleßtt wurden. Der Schwerverleßte war der Hüttenarbeiter
Fritz Heuſer, Sittersweg 2 wohnhaft. Er wurde auf freiem Gelände auf dem Wege zum Unterſtand durch
Splitter in die linke Bruſtſeite getroffen. Schwerer Sachſchaden auf der Hütte. Einzelne Gebäude, Schienen
Hochſpannungs- und Fernſprechanlagen zerſtört. Ferner dort mehrere Güterwagen der Staatsbahn ſtark be-
ſchädigt. Eine weitere Bombe fiel außerhalb der Hütte, etwa 50 Meter öſtlich der Pumpſtation, ins Acker-
land.
Das deutſcherſeits eröffnete Sperrfeuer war ſehr ſtark, hatte aber auch zur Folge, daß 18 Blindgänger desſelben
ebenfalls erheblichen Sachſchaden hier anrichteten: Es fielen je ein Blindgänger der Abwehr in das Haus
Spichererbergſtraße 6, 72 und 67, Trillerweg 10, Neuer Weg und in den Garten des Wackenberg.
Der 25. Iuni 1918 war wiederum ein ſchwerer Tag. Saarbrücken hatte zwei feindliche Angriffe zu ver-
zeichnen. Der erſte erfolgte um 2.30 Uhr nachmittags und dauerte an bis 3.05 Uhr. €Es fielen ihm 5 Tote
51
Saarkalender für das Jahr 1927.
zum Opfer (4 männliche über 16 Iahre und eine weibliche über 16 Iahre). Körperverlezungen erlitten
insgeſamt 12 Perſonen, davon erlitten 5 Perſonen ſchwere Derlezungen, 7 Perſonen leichtere Derleßungen.
Außerdem wurden zwei Pferde getötet. Das unſererſeits eröffnete Sperrfeuer war heftig, hatte 21 Blind-
gänger zur Folge, welch letztere keinen ſehr großen Schaden anrichteten. Kurze Zeit darnach erſchienen
wiederum feindliche Flieger, überflogen – ohne Bombenabwürfe ~ Saarbrücken in der Zeit von 2.45 Uhr
nachmittags bis 3 Uhr. Sperrfeuer auf letztere wurde nicht eröſfnet.
Das Bild des erſten wuchtigen Angriffes war etwa folgendes: Eine Bombe fiel in den Hof der Dragoner-
kaſerne und tötete dort drei Trainſoldaten, verleßte vier ſchwer und zwei leicht. Eine Bombe fiel auf die
Hofmauer des Hauſes Lenzengaſſe 19 und krepierte dort. Die Ehefrau Konrad Weinrank, welche im Hof ſtand,
wurde von einem Bombenſplitter im Gesicht und an der linken Schulter ſchwer verlezt. An den Folgen dieſer
Verlehung verſtarb die Frau. Eine Bombe fiel in das Haus Forbacherſtraße 5, der Sachſchaden betrug
10 000 MK., eine weitere vor das Haus Gärtnerſtraße 27, hier betrug der Sachſchaden 25 000 Mk., am Hauſe
Gärtnerſtraße 46 betrug der Sachſchaden 30 000 Mk. Außerdem erlitt hier ein Mädchen durch den Schrecken
einen Nervenſchock.
Weitere Geſchoſſe fielen nieder: an dem Hauſe Hohenzollernſtraßze 65. Im Flur des Hauſes Hohenzollern-
ſtraße 92. Drei Männer, die dort Schutz gesucht hatten, wurden ſchwer verlett, der Heizer Auguſt Fuchs aus
der Dellengartenſtraße, Chriſtian Neu aus der Deutſchherrnſtraße, der am 29. Juni im Bürgerhoſpital ſeinen
Wunden erlag und der Monteur Robert Wackenberger aus der Mainzerſtraße.
Auf dem Bürgerſteig vor Blumenstraße 10 platzte ein Geschoß, ebenſo vor Richard-Wagnerſtraße 64. In der
Sulzbachſtraße wurden vier Arbeiter verlett, unter ihnen ſchwer verwundet Peter Pileßki. Ein Kind, Helene
Wendens, erlitt einen Nervenſchock.
Bombenwürfe wurden noch verzeichnet: Garten Schumannstraße 35, dann in der Nähe des Bahndamms an .
der Schütenſtraße. Der Sachſchaden war nur gering. Auf dem Bürgerſteige vor Kaiſerſtraße 16618 (Ecke
Sulzbachſtraße) krepierte ſodann unter furchtbarer exploſiver Gewalt eine Bombe und zertrümmerte alle
Fenſterſcheiben der Umgebung derart, daß die Straße fußhoch mit Glasſplittern überſät wurde. Hierbei ein
Mann verletzt. Der Sachſchaden wurde mit 150 000 Mk. feſtgeſezt. Beſonders mitgenommen erſchien der
Laden des Zigarrengeſchäfts an der Ecke Kaiſerſtraße, er wurde völlig demoliert.
In dem Hofe des Hauſes Dudweilerſtraße 71 explodierte ebenfals eine Bombe. Neben dem Sachſchaden, der
o Bo % wurde hier der Eiſenbahn-Telegraphiſt Karl Franz getötet, als er im Begriff war, den
Blindgänger fielen in die Häuſer Kappenſtraße 2M4,. weiter in die Manſarde des Hauſes Förſterſtraße 44;
ein weiterer Blindgänger fiel in das Hinterhaus Kaiſerſtraßze 5 und blieb im Heu ſtecken. Zwei weitere
Bomben fielen auf Stall und Hof des Hauſes Sulzbachſtraße 4. Hier wurden 20 Hühner und 6 Kaninchen ver-
ſchüttet. Ein Mädchen erlitt auch hier einen Nervenſchock. Außerdem fielen Abwehrblindgänger hinter das
Haus Ottſstraße 34 und in einen Kartoffelachker neben Scheidterſtraße 35.
. Die Bevölkerung verhielt ſich während der Angriffe in allen Teilen der Stadt ruhtg und gemeſſen. Der
Geſomtſchaden betrug 195 870 Mk. Davon entfallen: 24) Schaden durch Bomben 193 870.0 Mk., h) Schaden
durch Abwehrblindgänger 2 000.0 Mk.
Zu verzeichnen bleiben für den Iuni 1918 noch zwei Angriffe am 26. und nicht weniger wie vier am 27. Iuni
1918, je zwei am 29. und 30. Iuni. Das Abwehrfeuer und unsere Flieger ließen die Angriffe nicht recht zur
Entfoltung kommen. Bei dem zweiten Ueberfall am 29. Iuni, nachts zwiſchen 1201 Uhr, konnten die Feinde
12 Bomben werfen, von denen ſechs auf den Güterbahnhof. Die Beleuchtung vieler Scheinwerfer erſchwerte
ben Franzoſen das Bombardement der offenen Stadt, ſie eilten einzeln der Grenze zu. :
34 Angrifse brachte uns allein der Juli 1918. Unsere Kampfflieger und unsere Abwehr begrüßten aber die Feinde
faſt durchweg ſo kräftig, daß die welſche Herrſchaften wie weiland Falſtaff die Dorſicht für den beſſeren Teil der
Tapferkeit hielten und vor dem deutſchen Wagemut über die Grenze zurückeilten. Die ſilbern glänzenden
Rieſenvögel mit dem blau-weiß-roten Ring hatten die beſte Abjſicht uns zu vernichten, ſie tauchten auf zweimal
am 1. Iuli, viermal am 2. Iuli, ſodaß in Saarbrücken von mittags 12.25 Uhr bis nachts 12.20 Uhr faſt ununter-
brochen die Sirenen ertönten, bald drohende Gefahr hbündeten, bald mit fünf kurzen Stößen das Derjagen
der Bombenſchleuderer meldeten. Für die Stadt und Umgegend ein Tag voller Aufregung, die nicht enden
wollt2e. Einen Materialſchaden in Höhe von 5000 Mk. meldete allein der Güterbahnhof.
Am 5. Jult Vormittagsbeſuch, am 8. Nachmittagsviſite von 44.25 und 9.17-9.22 Uhr. In diesem Tempo
ohne Verluſte für uns ging es faſt täglich, am 9. Iuli drei Verſuche und je zwei am 12. und 16. Stets
= es, die Franzoſen in die Flucht zu treiben, bevor ſie ihre völkerrechtswidrigen Attentate ausführen
Nm 17. Juli 1918 wurde um 11.45 Uhr erſtmals alarmiert. Das Sperrfeuer dauerte an bis 1.40 Uhr
mittags. Bomben wurde keine abgeworfen. Nachmittags gegen 1.45 Uhr erſchienen wieder vier feindliche
Flvgzeuge und bombardierten Saarbrücken mit Geſchoſſen ſchwerſter Art, teilweiſe wogen die Bomben über
einen Zentner. Das Abwehrfeuer, unterſtüßt von Maſchinengewehren, tat ſein Aeußerſtes, den Feind zu ver-
jagen. Immerhin dauerte der Angriff bis 2.10 Uhr. Ein Menſchenleben fiel ihm zum Opfer und drei
Leichtverlehte.
Am ſ<limmſten wurde die Altneugaſſe in Alt-Saarbrücken in Mitleidenſchaft gezogen. So fiel eine Bombe
in das Haus Altneugaſſe 22, eine in das Hinterhaus dieſes Grundſtückes, eine in das Haus Altneugaſſe 29
52
Saarkalender für das Jahr 1927.
und eine weitere in das Hinterhaus Altneugaſſe 25. Während dieſe vier Bomben explodierten, durchſchlug
eine fünfte als Blindgänger das Dorderhaus Altneugaſſe 25 und blieb im Laden des Erdgeſchoſſes liegen.
Der Sachſchaden an den durchwegs leicht gebauten alten Häuſern war recht erheblich, auch die Nachbarhäuſer
wurden demoliert. Im Hauſe Altneugaſſe 29 war die Familie Duſemond, welche während des Angriffs ſchlief,
unter die Trümmer geraten. Die Frau und ein Kind erlitten Hautabſchürfungen leichterer Art. Der Ehe-
maun erlitt einen Nervenschock. Der Monteur Oskar Seufert, wohnhaft Altneugaſſe 22, wurde im Hausgang
von der in den Hof fallenden Bombe getroffen und durch Splitter ſo ſchwer verletzt, daß er ins Krankenhaus
Aufnahme von Gebr. Eichacker- Saarbrücken.
Zerſtörung des Daches eines Hauſes in der Hohenzollernſtraße am 25. Iuni 1918.
Reppcrsberg gebracht werden mußte, wo er am 16. Auguſt 1918 an den Folgen der Bruſtverlezung und
trthentekentzunduyg verſtarb. –~ Die Abwehr hatte etwa 6000 Schuß abgegeben. Der Sachſchaden betrug
140 200
_ Die Preſſe brachte folgende Meldung: ;
„Saarbrücken, 18. Iuli. (Amtlich.) Der in der vorvergangenen Nacht durch Bombeneinſchlag entſtandene
Schaden in der Altneugaſſe iſt ziemlich erheblich. Die Kleinen, einſtöckigen Häuſer ſind bei der leichten
Bauart nicht beſonders widerſtandsfähig und es iſt daher für die Bewohner um so dringender erforderlich,
rechtzeitig Schuß aufzuſuchen. Es hat ſich auch bei dieſem Angriff wieder gezeigt, daß ein guter Keller
neben völliger Abblendung der beſte Schuß gegen feindliche Angriffe iſt. Auch mit Rückſicht auf die Blind-
gängergefahr kann nur immer wieder betont werden, daß bei der Alarmierung ſofort Deckung zu ſuchen
iſt, denn bei dem großen Munitionsverbrauch läßt es ſich nicht immer vermeiden, daß Blindgänger vor-
kommen, wie dies bei den Angriffen am 25. und 26. Juni leider besonders ſtark der Fall war. Es iſt
Derſorge getroffen, daß für die Folge nur friſche Munition verfeuert wird. Fremde bezw. erbeutete
Munition wird nicht verſchoſſen. Bei dem Angriff in der Nacht vom 16. zum 17. Juli ſind trot des ſehr
großen Munitionsverbrauches nur wenige Meldungen über Blindgänger eingegangen.
53
Saarkalender für das Jahr 1927.
Auf die Gefahr der Berührung von Blindgängern wird nochmals hingewieſen. Der kürzlich erfolgte be-
dauernswerte Unglücksfall durch Spielen von Kindern ſollte alle Eltern uſw. zu dauernder Belehrung und
Beaufſichtigung ihrer Kinder mahnen.“
Der tapfere Empfang im Saargebiet machte ſich geltenn, 1 6 m a l gingen im Laufe des Juli 1918 die
Franzoſen in ihren Flugzeugen noch vom 19. bis zum 31. Juli gegen Saarbrücken vor, aber ſtets drehten
ſie nach einigen Bombenwürfen eiligſt ab, oft schon nach 1559-20 Minuten. Sie erreichten nicht die Stellen,
die ihnen beſonderen Erfolg verhießen. Erſt bei den zwei Ueberfällen am 31. Iuli 1918 hatten wir wieder
Uenſchenverluſte und großen Sachſchaden. Fliegeralarm warnte morgens 7.47 Uhr, der Kampf dauerte bis
8.55 Uhr. Um 9 Uhr bereits wieder heiſerheulender Sirenenruf. Die Abwehrgeſchüte in heftiger Tätigkeit
bis 9.40 Uhr. Auf den Flugplatz St. Arnual hatten die Feinde es diesmal abgeſehen. Es gingen hier drei
außerordentlich große, zentnerſchwere Bomben nieder, jedoch ohne Perſonen zu verletzen oder weſentlichen
Sachſchaden anzurichten. Eine Einſchlagſtele war 10 Meter breit, 4 Meter tief; eine andere 2 Meter breit
und 1 Meter tief, weiter war eine kleinere Einſchlagſtelle feſtzuſtelen. Eine weitere Bombe ging in der
Nähe der Ulanenkaſerne nieder, wo kleinerer Schaden auf Kartoffelfeldern entſtand.
In Brebach gingen acht Bomben mit furchtbarer Gewalt nieder. Hiervon fielen vier aufs Dorf und vier
auf die Hütte. Hierbei wurden ſechs Perſonen verletzt, drei wurden verſchüttet. Außerdem entſtand erheb-
licher Sachſchaden. Der 31. Juli 1918 war der zweite unheilvolle Tag für Brebach bezw. die Halbergerhütte.
Der Fliegerangriff war zu spät gemeldet worden. In den an der Straße liegenden Büros der Halberger-
hütte war das Personal noch beschäftigt, als bereits Bomben geworfen wurden. Eine Bombe fiel in das
frühere Iungfleiſch'ſche Gaſthaus, das im oberen Raume ein Lohnbüro und im Erdgeſchoß ein Expeditionsbüro
enthielt. Die Bombe durchſchlug b e i d e Stockwerke und riß die Angestellten Iohann Kr ä m e r , Hugo
S < m e er und Hermann H ert e l aus Brebach mit in die Tiefe. Alle drei wurden ſpäter tot geborgen.
Eine andere Bombe, die auf die Straße gefallen war, riß u. a. einem flüchtenden jungen Manne, Georg
Holz e r, ein Bein weg. Cine Bombe blieb im Eiſenbelag vor den Koksöfen stechen, ohne zu explodieren.
Die im Jahre 1918 geſchleuderten Bomben amerikaniſchen Urſprungs waren bedeutend umfangreicher und von
weit größerer Durchſchlagskraft als diejenigen des Iahres 1915, die ſog. kleineren Kettenbomben. Man
wußte dies, fühlte ſich auch nicht mehr in den Kellern und Unterſtänden ſicher und blieb meiſt in den
Wohnungen.
Ebenfalls wurden bei dem zweiten Angriff am 31. JIuli 1918 zwiſchen Zinzingen und Spichern fünf
Bomben geworfen. In Auersmacher und Zinzingen mußte je ein feindliches Flugzeug niedergehen.
Der dritte Angriff am 31. Juli, der neunzigſte des Iahres 1918, erfolgte um 2.25 Uhr nachmittags. Unſere
Kan;pfflieger und die Abwehr vertrieben aber bald die Franzoſen.
Der Auguſt brachte am 11. (1.4021.55 nachts) einen Ueberfall, ferner einen am 13. (1111.15 Uhr nachts)
und drei am 14. (6.1096.30 Uhr abends, 10.40-11.20 und 11.35-12.55 Uhr). Fünſs Bomben ktrepierten in der
Nähe des Rotenhofes am St. Iohanner Wald, andere fielen bei Iägersfreude in eine Wieſe. Ebenſo ergebnis-
los blieben drei Dorſtöße am 15. Auguſt (1.20~1.40 Uhr nachts, 7.30~7.45 Uhr vormittags und 10.45911.45 Uhr
nachts). Dor dem heftigen Abwehrfeuer zogen ſich die Franzoſen zurück. Dasselbe Schickſal hatten drei Flug-
geſchwader am 16. Auguſt (11.55912.25 Uhr vormittags, 1111.10 Uhr nachts und 11.40—12.50 Uhr). Die Licht-
kegel der großen Scheinwerfer machten die Nacht zum Tage. Die klar erkennbaren feindlichen Flugzeuge wurden
durch das Abwehrfeuer auseinandergeſprengt. Die Gegner ſchraubten danach in ihrer bedrohten Lage die Appa-
rate ſteil in die Höhe und ergriffen die Flucht, ohne Unheil angerichtet zu haben.
Der 102. Angriff des Iahres 1918 erfolgte am 17. Auguſt 10.50~11.25 Uhr abends. Leider wieder ein ſchweres
Unglück. A u f Gr u b e He in itz g in gen m e hr er e Bo m b en ni e d er, du r < d ie n eun Per-
ſon en g et öt et un d 12 teils ſ< w er, te ils le i h t v er wun d et w u r d e n. Vom 13. Auguſt
an wollte das Unheil überhaupt kein Ende mehr nehmen, täglich dieſes welſche Liebeswerben um die Seele des
Saarlands, das ſchon durch die Dorſichtsmaßregeln dagegen den Derkehr hemmte und das Familienleben be-
unruhigte. Die Bevölkerung an ſich trug aber um diese Zeit des Iahres 1918 ſchon längſt einen bewunderns-
werten Gleichmut gegen die Bombenwerferei zur Schau. Man hatte ſich auch daran als an etwas Unvermeidliches
gewöhnt. Große Sorge machte ſich aber geltend um die Kinder. Die nächtliche Flucht der Kleinen aus den
warmen Betten in die oft dumpfkalten Keller erzeugte bei ihnen Krankheiten gefährlicher Art. Diele Familien
zogen es daher vor, ruhig in den oberen Stockwerken zu bleiben, um das ihnen beſchiedene Geſchick hinzunehmen.
Fcindliche Iliegergeſchwader gingen gegen Saarbrücken und unſer Induſtriegebiet vor am 18. Auguſt dreimal,
vormittags, nachmittags und nachts, am 19., 20. und 21. Auguſt je einmal, am 22. A u g u ſt er f o l g t e n
ni <h t wenig er wie ſe < s An gr if f e. Me hr ere Bom b en kr e p i er ten auf d em Flug-
pla) von Sa ar g em ün d. 30 T o te und me hr er e D er l e ß te waren dort an dieſ em
Ta g e zu b e kl a g e n.
Schon der nächſte Tag, 23. Auguſt 1918, ließ mit f ü n f Angriffen wiederum die Alarmſirenen, den Donner
der Geſchüte und das harte Tack-Tack der Maſchinengewehre nicht zur Ruhe kommen. Der Kampf begann um
bie Mittagezeit 12.55 Uhr und endete mit einigen Unterbrechungen 11.13 Uhr nachts. Es fiel eine Anzahl
Bombexr auf Gersweiler. Der ſtärkſte Dorſtoß begann unter heftigem Trommelfeuer um 10.30 Uhr nachts. Auf
Saarbrücken wurden dabei vier Bomben von rieſenhaftem Kaliber abgeworfen, ſie fielen in Wieſen und Gärten.
Don den Abwehrgeſchüten wurde troß dem ſtarken Derbrauch von Munition nur ein Blindgänger feſtgeſtellt.
Ein feindlicher Flieger wurde abgeſchoſſen.
Am 25. und 30. Auguſt wurde je ein Angriff kraftvoll abgeſchlagen.
54
Saarkalender für das Jahr 1927.
Der 2. September 1918 brachte drei Ueberfälle (1.5552.10 Uhr vormittags, 1010.30 Uhr abends, 10.3511.25
Uhr nachts). Der Nachtkampf war überaus heftig. Um 10.35 Uhr nachts eröffnete der Feind aufs neue das
Feuer auf die Stadt. Gleich zu Anfang wurden Bomben auf die Burbacher Hütte abgeworfen, und zwar auf die
Ulodellſchreinerei, die in Brand geſeßt wurde. Eine Bombe fiel in die Nähe der Schweißöfen an der Feirtſtraße,
wodurch sechs männliche Perſonen getötet wurden, während eine Perſon Derletzungen, eine andere einen Nerven-
ſchuck erlitt. Die lezte Bombe fiel auf einen mit Eiſen beladenen Wagen. Der Schaden wurde auf 500 000 Mk.
geſchätt. Eine große Menge wertvoller, unersetzlicher Maſchinenteile ging verloren. Die Getöteten und Derletzten
traf das Unglück auf dem Wege zum Unterſtande. Die Namen der Getöteten ſind: Karl Keller, 48 Iahre alt,
aus Cersweiler, Heinrich Kubig, 16 Iahre alt, Iohann Enſch, 15 Iahre alt, Georg Schmeer, 15 Iahre alt, Peter
Wobido, 14 Iahre alt, Karl Iund, 14 Iahre alt, ſämtlich aus Saarbrücken. Leicht verletzt wurde der Arbeiter
Aufnahme von Gebr. Eichacker-Saarbrücken.
Bombentrichter vor dem Hauſe des Rentmeifters Dieß in der Gärtnerſtraße am 25. Juni 1918.
Jakob Ettelbrück, Pfafsenkopfstraße 9, durch Splitter am Bein. Der Arbeiter Karl Pileßki, Gersweilerſtraße 26,
erlitt einen Nervenſchock. Die Toten und Verlettten wurden ins Hüttenlazarett gebracht. Weiter wurde eine
Bombe vor dem Hauſe Gersweilerſtraße 53 und eine etwa 20 Meter davon entfernt im Walde abgeworfen. Beide
krepierten beim Aufschlagen.
Am 3., 4., 7. und 12. September 1918 geht das Duell zwiſchen Angriff und Verteidigung hartnäckig weiter,
in dieſen Tagen ſtets mit qutem Erfolg der Abwehr. Am 14. September 1918 konnte während des ganzen Tages
die Bevölkerung keine Ruhe finden. Alarm folgte auf Alarm. Kaum war ein Geſchwader zerſprengt, hörte man
bereits in der Ferne wieder erneut Kanonendonner. Diermal ertönten die Warnrufe der Sirenen in Saarbrücken.
2.3002.40 Uhr morgens, 2.2002.30 Uhr nachmittogs, 9.455010.15 Uhr abends und 11.30911.45 Uhr nachts tobte
der Kampf, ohne daß es dem Gegner gelang, an die Stadt heranzukommen. Am 15. Auguſt 1918 erſchienen die
Franzoſen bereits wieder, die Scharte des vergangenen Tages auszuweten. Schon beim erſten Male (12.301.50
Uhr mittags) gelang es ihnen, in unmittelbarer Nähe der Lungenheilſtätte vier Bomben zu werfen. Am Abend
desſelbrm Tages (9.25910.05, 10.15510.55 und 11.30912.45 Uhr) mußten die Gegner, ohne Schaden angerichtet
zu haben, nach Frantreich zurück.
Am 16. September 1918 ließen die Franzoſen von 9 Uhr abends ab bis 12.35 Uhr nachts einen Dorſtoß nach
dem anderen erfolgen. S e < s m a l in kurzen Pauſen drangen ſie ins Saargebiet (9.309.451; 9.55—10.10;
10.1810.45; 10.505411; 11.20611.45; 11.50012.35 Uhr). Gegen 10 Uhr abends glückte es ihnen, einige Spreng-
geſchoſſe auf die Burbacher Hütte zu ſchleudern, wodurch ein Materialſchaden von 47 000 Mk. entſtand, auch die
Waggonfabrik Lüttgens wurde belegt und verzeichnete einen Verluſt von 40 000 Mk. = Es gelang etwas nach
12 Uhr nachts unſerer Abwehr, zwei Großkampfflugzeuge im Lichte der Scheinwerfer abzuſchießen, worauf der
Beſuch eiligſt von dannen ſtob.
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Am 18. September 1918 kurze Diſite von 9.0599.15 Uhr abends, am 20. September drei Ueberfälle. An beiden
Tagen zogen ſich die Bombenwerfer bald zurück, da ihnen der donnernde Empfang keinen Erfolg verhieß. Dies
Spiel wiederholte ſich am 21. und 22. September je zweimal bei einem Materialſchaden in Höhe von 10 725 Mk.,
am 25. und 26. September je einmal ohne wesentlichen Derluſt.
Im Oktober 1918 ließ die Kampfluſt der Franzoſen im Luftkrieg sichtlich nach. Dieſer Monat brachte uns aber
immer noch |17 Ueberfälle. Am 1. Oktober 1918 blieb es bei einem Dorſtoß mittags von 125912.30 Uhr. Am
5. Oktober zählte ich bei einem Angriff in einem Geſchwader allein 12 Flieger. Es war 1 Uhr mittags. Nach
einem Kampf von 37 Minuten ſchwenkte das durch unſere Artillerie völlig zerſprengte Geſchwader wie auf
Kommando ab und verſchwand, große Höhe haltend, in ſüdöſtlicher Richtung. Gegen 1.45 Uhr tauchten wieder
feindliche Flieger auf, verſchwanden jedoch bald aus unſerem Geſichtskreiſe. Zu einem heftigen Kampfe kam
es aber am Abend von 9—9.15 Uhr und dann von 9.30—910 Uhr. Ueber den angerichteten Schaden iſt mir nichts
bekannt geworden.
Es folgen nun 16 Tage ohne Bombardements, erſt am 21. Oktober beginnt es von neuem. Bei dem zweiten
Angriff dieſes Tages, 8.2099.15 Uhr abends, werden drei feindliche Flieger abgeſchoſſen, einer von ihnen in
unmitte!barer Nähe von Gersweiler. Offensichtlich Rache zu nehmen, werden am 24. Oktober 1918 viermal heftige
Angrif?e inszeniert, der erſte 88.32 Uhr vormittags, der letzte 11.300912 Uhr nachts. Sämtliche Dorſtöße konnten
erſolgreich abgeschlagen werden. Die Kämpfe wiederholen ſich mit demselben Reſultat noch am 28.931. Oktober.
Der November 1918 brachte noch zwei Duelle der Bombenwerfer und der Abwehr. Diese beiden letten Angriffe
auf Saarbrücken erfolgten am 5. November abends um 7.3097.55 und 8.40—9.40 Uhr.
Am 6. November ertönten um 3 Uhr nachmittags noch einmal die Alarmſirenen. Unmittelbar darauf sahen
wir unſere Kampfflieger in ſchneller Fahrt aufsteigen. Sie gerieten mit fünf feindlichen Fliegern in einen Luft-
kampf und blieben nach 15 Minuten ſiegreich. Ein feindliches Flugzeug landete noch auf deutſchem Boden. Saar-
brücken wurde vor dieſem Gefecht noch mit acht Bomben belegt, die Materialſchaden zur Folge hatten.
Der Verlauf des glimpflich verlaufenen l e ß t en Bombardements sei noch mit einigen Worten gestreift. Dier
Bombe. fielen in den Gemüsegarten des Derbandskrankenhauſes ,„Raſtphul", wovon eine explodierte, die drei
anderen find wohl als Blindgänger anzusehen. Durch die Exploſion wurden eine Anzahl Fenſterſcheiben am
Krankenhaus zertrümmert. Eine weitere Bombe fiel vor den oberen Garteneingang zur Dilla Weißdorff und
explodierte dort, jedoch ohne Schaden anzurichten.
Ein Abwehrblindgänger fiel in das Haus Deutſchherrnſtraße 26. Er durchſchlug hier das Dach, den Fußboden
in der Küche der zweiten Etage, in der Küche der erſten Etage den Küchentiſch und dann den Fußboden und
fiel von hier aus in eine unbenutzte Werkſtätte im Erdgeſchoß. Menſchen wurden nicht verletzt. Der Sach-
ſchaden murde auf 680 Mk. taxiert. Ferner fiel ein Blindgänger in den Hof Gerberſtraße 42, weiter auf den
Bürgerſteig vor der Cecilienſchule in der Schmollerſtraße. Auf der Lerchesflur krepierte ein Blindgänger vor dem
Gefängnis. Außer einigen Pflaſterſteinen, welche aus dem Boden geriſſen wurden, entſtand hier kein weiterer
Schaden. Die amtliche Meldung hierüber lautet: „Saarbrücken, 7. November. Amtlich. Bei dem gestrigen An-
griff auf Saarbrücken wurden acht Bomben abgeworfen, die geringen Sachſchaden anrichteten. Ein feindliches
Fiugzeug wurde auf dem Rückflug noch auf deutſchem Gebiet zur Landung gezwungen.“
Am 10. November mittags verließen unſere Flieger ihre Standorte im Saargebiet. -
Die Tragödie war zu Ende. Im ganzen wurden bei 251 Bombardements auf Saarbrücken und ſeine nächſte
Umgebung 684 Bomben geworfen, unter denen man 121 Blindgänger zählte. 63 Tote, 85 Schwerverletßte und 115
Leichtverlette wurden die Opfer dieſes Luftkrieges. Der Materialſchaden iſt auf 2 168 534 Mk. feſtgeſtellt worden.
2<
Das Saarland gedenkt dankbar des Schutzes, den uns tapfer, zum Teil mit ruſſiſchen Kanonen, die Abwehr
leiſtete. Wir gedenken auch in Treue unſerer Iagdflieger, die ſich ebenfalls ſtets bereithielten, herbeizueilen und
die Bevölkerung vor Gefahr zu bewahren. Während der nächtlichen Angriffe konnten ſie freilich nicht eingreifen,
ſie hätten ſich mit ſolchen Derſuchen dem Feuer unſerer Flakbatterien ausgeſetßt, aber wie oft, wenn bei dem
Rufe „Flieger, Flieger“ die Flucht nach Deckung einſette, ſchwirrten auch ſchon die kampfluſtigen ,„Darler"
über unseren Häuptern, ſchraubten ihre Flugzeuge mit fabelhafter Geschwindigkeit in die Höhe und verſchwanden
in der Richtung, aus der die Gegner gemeldet wurden. Oft genug ſahen wir Luftkämpfe und hörten das
ratternde Tack-Tack der Maschinengewehre im CLuftſtreit. Die Iagdflieger erfreuten ſich wegen ihrer Kühnheit
allgemeiner Beliebtheit, und mancher Name, wie der des Leutnants 3 i l l e ſ en, einer unserer ſchneidigſten
Luftkämpfer, hat ungeteilte Anerkennung gefunden.
Noch viel Material, das ich in dieſem Rahmen nicht verwenden konnte, iſt über den Luftkrieg in meinen
Händen. Kn dem Leitfaden, der hier gegeben iſt, werden ſich aber wieder manche Erinnerungen nach dem Zeit-
punkt von vielen feſtſtellen laſſen. Um die düſtere Periode den Nachkommen lebensvoll in seiner Tragik zu
überliefern, wäre es dankbar zu begrüßen. wenn einzelne, beſonders unglückliche Ereigniſſe oder etwa wunder-
bare Rettungen, sogar Szenen, die des Humors nicht entbehren, mir mitgeteilt würden. Beſonders dankbar
wäre ich auch für eine leihweiſe Ueberlaſſung von photographiſchen Bildern aus jener Notzeit. Das nächſte
Jahrbuch würde dann den vorſtehenden Bericht, wie es wünſchenswert oder vielmehr notwendig ist, ergänzen.
Es wird ein Ehrenblatt in unserer ſchickſalsſchweren Geſchichte ſein, darum hier die Bitte an alle Saarländer:
Helft mit den Kranz winden, der uns der Däter würdig zeigt!
56
G Saarkalender für das Jahr 1927.
MAD II CID Q I I D Q II DQ LI DQ TE)
Narr DIT DID ITD Q ITD QI T D Q II DQ IT DQ II DQ II DQ II D LILA
Der JIuittkrieg
gegen das SaargeEbBiet.
Ibr nennt uns frech „.Warbaren“
Und zeigt zerſtsrtes Fand,
Mo einlſt in ſchklimmen Jahren
Der Krieg ſo hart entbrannt.
Ihr laßt es sde liegen,
Erhebt ein groß‘ Geſlchrei.
Erfindet Böſe Lügen
Uns macht „„Gelchäft‘“) dabBei!
Doch das, was ihr verſchuldet
Durch Fliegerleids und -Not,
Was Frau und Kind erduldet
Dei uns, das ſchweigt ihr tot!
Das SHaarland wird [ich regen
Nm Tag des Weltgerichts,
Wird eure .„.Taten‘ wägen.,
Vergeſ=ſen wird euch nichts!
AU
RD QI DTD TD ITD QI TD D TD D TD QU Q ID D D D D C D D DQ II DQ II DO
QT DA DQ ZD ID DQ ITD Q IZ DQ Q ID D DQ II DQ II DTI DO
. H7
"Sagrkaleuder für das Jahr 1927.
Die älteſte Luftpoſt des Baargebiets.
Von A. Z.
Die älteſte Luftpoſt des Saargebiets,
vielleicht auch Deutſchlands, können wir
hier als Saarbrücker Rarität unseren
Leſern im Bilde vorführen. Die über-
raſchende Entwicklung im Flugzeugwesen
hat sich längſt auch dem Briefverkehr zuge-
wandt. Die Luftpoſt erledigt ihn heute
ebenso sicher und zuverlässig wie die Bahn,
nur um vieles ſchneller, nüchterne Ge-
ſchäftsſchreiben wie heißersſehnte Herzens-
ergüſſe zweier Liebenden.
Raſtlos drängt die Zeit vorwärts. Unsere
Grafen begnügten sich einst damit, einen
Burgmann auszuſenden, Briefe, wohl ver-
wahrt in einer kunſtvoll geſchnitzten Büchse,
Freunden und Verwandten zu bringen. In
den Klöstern verſahen diesen Dienst Laien-
brüder; die Bürger der Städte benutzten
wohl meistens die Liebenswürdigkeit der
Metzger, die bei ihren Einkäufen in der
Umgegend die Beförderung von Nachrichten
aller Art besorgten. Der noch bekannte
Ausdruck „Metzgergang“ zeigt an, daß bei
dieſem „Geschäft“ mehr Entgegenkommen
als Geld eine Rolle spielte. Nach dem Ein-
fall der Franzoſen um das Jahr 1680 hob
sich im Saargebiet das Poſtwesen, beson-
ders machte ſich darum verdient der Stadt-
barbier Hofmann. Dann ein Feortſschritt
auf diesem Gebiet nur in einem recht lang-
samen Tempo, noch 1847 war St. Johann
ohne Briefkaſten. Erſt die Bahnverbindun-
gen lassen den alten Schlendrian verschwin-
den. Wie lange noch, und wir werden die
jetzt bewunderte Beförderung des Nach-
richtenaustauſches gegenüber der Luftpoſt
als ebenso langſam und rückſtändig empfin-
den, wie die Zeit der Schnellzugs - Loko-
motive die Tage eines Thurn und Taris-
Unternehmens.
Wann mag nun wohl die erſte Luftpoſt
UU U u Ute. rer sst
Paris im Jahre 1870 hinzuweisen. Die Not
machte die Franzosen erfinderiſch. Die
Schlacht bei Sedan war geſchlagen, das
Kaiserreich wich wieder einmal der Repu-
blik, von der man die Rettung Frankreichs
erhoffte. Der Feuergeiſt Gambetta rief
das Volk zur Verteidigung auf. Metz war
umzingelt, die Deutschen ſchlosſſen die
Hauptſtadt ein. Die Pariser verſuchten,
als der Ring immer enger wurde, durch
eine Luftpoſt mit der Außenwelt in Ver-
bindung zu bleiben. Sie ließen Freiballons
aufsteigen und beförderten in dieſer Form
auf gut Glück ihre Briefſschaften.
Der Korrespondent der Saarbrücker Zei-
tung in Paris, ein Deutſcher, benutzte diese
Gelegenheit, seine Arbeit fortzuſeßzen und
sandte den ersten Bericht am 14. Oktober
1870 auf dem bis dahin noch ungewöhnlichen
Wege ab. Als vorsichtiger Mann unter-
ließ er aus leicht durchsichtigen Gründen
die Unterzeichnung mit seinem Namen, ver-
mied auch jede Kritik, begnügte sich viel-
mehr mit der Wiedergabe einiger Artikel
58
Saarkalender für das Ja hr 1927.
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Saarkalender für das Jahr 1927.
der hauptſtädtiſchen Preſſe von Bedeutung.
Ein günstiger Wind war es diesmal in
_ Virtklichkeit, der die heute wertvolle Zu-
schrift einſt auf den Redaktionstiſch wehte.
Ich zweifle nicht daran, daß wir hier den
Erſtling der Luftpoſt im Saargebiet, viel-
leicht ſogar im Reiche vor uns sehen, denn
daß vor der Belagerung von Paris und
dort vor dem 14. Oktober Briefe durch
Freiballons nach Deutſchland kamen, iſt
den von mir befragten Briefmarkensſamm-
lern unbekannt.
Der Brief selbſt ist fein säuberlich auf
Seidenpapier geschrieben und, wie einzelne
hier faksimilierte Abſchnitte erkennen
lassen, noch deutlich lesbar. Das Schreiben
verließ Paris am 14. Oktober 1870, 5 Uhr
nachmittags, und trägt als Saarbrücker
Ausgabedatum 19. Oktober, 3 Uhr nachmit-
tags. In dem Stempel der Aufgabe be-
merkt man noch ein Rechteck mit den
Buchſtaben P. D. Dies bedeutet, daß der
Brief voll frankiert war. Bei faſt allen in
den 50er und 60er Jahren des 19. Jahr-
hunderts abgeſschloſſenen internationalen
Poſstverträgen wurde festgelegt, daß Poſt-
sendungen, nicht wie üblich bis zur Landes-
bie "Buchstaben P. H. (Poft Beſthrcütgnß Mh
tragen hätten. Erst mit der Gründung des
Weltpoſtvereins am 1. Januar 1876 kam
der P. D.-Stempel in Wegfall. Die Marke
zeigt noch das Profil Napoleons III. mit
der Inſchrift Empire francais. Man hatte
nach dem Ausrufen der Republik am 4.
September bis Mitte Oktober noch keine
Zeit gewonnen, Marianne mit der phry-
giſchen Freiheitsmütze erscheinen zu lassen.
Der Inhalt der Korreſpondenz enthält,
wie bereits betont, knappe Auszüge der
ernſten Preſſe. Die Worte des ,@Conſti-
tutionel‘ werden alle mit Interesse lesen,
sie paſſen vorzüglich auf unsere Zuſtände
nach dem verlorenen Kriege, sie ſind so zu-
treffend, daß man keine Silbe wegzulasſsen
hat. Das „Journal des Débats“ ergänzt
hier die Kollegin. Wir möchten von Herzen
gerne auch schreiben können: „Die Ruhe
ſcheint jetzt vollſtändig hergestellt, und man
muß annehmen, daß wir auf lange Zeit
dieſe innerlichen Agitationen und Emeuten-
Verſuche, die man einen Augenblick für ge-
fährlich halten konnte, nicht zu befürchten
haben. Es iſt damit eine der Chancen des
Erfolges, auf welchen die Preußen (lies
heute Franzosen) rechneten, beseitigt.“ Die
Schlußzeilen wenden sich gegen Bismarck
als den falſchen preußischen Propheten.
Erſt am 22. Oktober 1870 erschien die
Luftposſtkorreſpondenz, die am 19. Oktober
der Redaktion von der Poſt zugestellt war,
in der Saarbrücker Zeitung. Der Grund
hierfür iſt gewiß nicht in der Nachlässigkeit
des Redakteurs zu ſuchen, sondern in der
Angstmeierei der Zensur. Dort ist jeden-
falls der Brief erſt von Pontius zu Pilatus
gelaufen, ehe der Kommandant ſich ent-
ſchließen konnte, den Abdruck zu genehmi-
gen. Heute hat das Original nicht allein
einen Wert für Sammler, es dürfte als
Interesse
:
tltette Briefluftpoſt allgemeines
inden.
Freiherr v.Knigge über St.Fohann-Haardbrücken.
Den Ch ar akk er der Bürger ſchaft
von Sa ar br ück en un d Sk. I o h ann
ſchildert der Freiherr v. Knigge, der Verfasser
des bekannten Buches „Ueber den Umgang
mit Menſchen“, i. I. 1793 folgendermaßen:
„Die Einwohner von Sk. Johann stehen in
Ansehung der Höflichkeit ein wenig mit den
Sachſenhäuſern in Frankfurt am Main in
gleichem Rufe; in Saarbrücken ſselbsſt hin-
gegen habe ich die Leute immer sehr gesittet
und gegen Fremde zuvorkommend gefunden.
Was mich noch freut, iſt, daß ungeachtet der
Nachbarſchaft von Frankreich sich hier unter
den Bürgern aller Klassen soviel deutſche
LÒthsit und VBiederherzigkeit erhalten
Ich kenn’ zwar nichts aus Knigge's Buch
Und hab's wie mancher nie gelesen,
Doch dieſes Lob beweist genug,
Ein Menſchenkenner iſt's gewesen.
Hier lebt die Biederherzigkeit
Und welscher Komplimente Haſſen,
Und dieser Geist in Ewigkeit
Wird nie das Herz der Saar verlassen.
Doch Knigge's Buch empfehlen wir
Den Andern fleißig zum Studieren,
Die ſchöne Tat liebt's Saarrevier,
Doch euer Tun ist ſchön Parlieren.
60
Saarkalender für das Jahr 1927.
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Franzöſiſche Karte vom Saargebiet.
Nach der gegen die Rheinprovinz gezogenen franzöſiſchen Grenze iſt das Saarland ſchon annektiert, wenigſtens
auf der Karte. Geduld, das mehr als 1000jährige deutſche Grenzland wird euch die Antwort nicht ſchuldig bleiben
61
Saarkalender für das Jahr 1927.
Haarbilder.
„Die Wahrsagerin, eine erlebte Legende.“
A. V. Fakl.
Es war einige Jahre nach dem Welt-
kriege. So etwa ums Jahr 1921.
Da ging ein feiner Herr aus ſeiner im
Westen Europas gelegenen Villa durch sein
Anwesen bis an den Grenzzaun seines
Grundstücks spazieren.
Er war in seiner Aufmachung sehr vor-
nehm und trug mit ſtutzerhafter Aufge-
blaſenhe it als äußere Zeichen ſeines
Protzentums am Käppi den Siegerſtrauß
des Weltkrieges, im Knopfloch den Orden
der franzöſiſchen Ehrenlegion und ſſsehr
sichtbar in seiner Taſche das Vertragsdoku-
ment von Verfſailles.
Am Zaune seines Grundeigentums ange-
kommen, lehnte er ſich mit höhniſcher
Miene über die Latten und sah ins Grenz-
eigentum seines Nachbarn.
Mit durchgetretenen Schuhsohlen, also
ze Stnſhzttuheit. u" y!t zexriſenen
sowie mit eingeknülltem Zylinderhute, der
von tüchtigen Schlägen von oben herunter
zeugte, und auf dem Buckel einen mäch-
tigen Sack, der mit Papiersſcheinen gefüllt
war, die unfaßbar große Zahlen trugen
und als Geld dienen ſollten, mit anderen
Worten, mit einem Lumpenſsack als Geld-
beutel, lief der Nachbar ,die deutsche Reichs-
mark“ dort verzweifelt hin und her.
Der vornehme Herr „Franken“ aus der
westlichen Villa besah sich das eigenartige
Schauſpiel bei seinem Nachbarn. Ein
Schnäpschen kostete – hunderttauſend, ein
Brot Milliarden ~ ein dünnes Stück Wurſt
zuletzt Billionen Reichsmark. Für ſeinen
ganzen Monatsgehalt bekam ein Angestell-
ter gerade noch einen Apfel und ein Stück
Brot und für einen Wochenlohn konnte der
fleißigſte Arbeiter ſich eben eine Schachtel
Streichhölzer und ein Päckchen Zigaretten
erſtehen, um seinen Hunger zu verrauchen.
Beluſtigt wandte sich der westliche Herr
vom Grenzzaun ab, ſpuckte kräftig auf den
Boden und ſagte verächtlich: „Lumpenwirt-
ſchaft, Lumpenpack, Lumpenreichsmark. –
Herriſch und ſelbſtbewußt ſtolzierte er
nun ins Saarland.
Die lumpige Reichsmark in ihrem zer-
fetten Kittel wurde ſchnell aus dem „Baſsin
de la Sarre“ hinausgeekelt, wobei leider
auch etliche deutsche Organisationen feſte
Treiberdienste vollführten und der „Fran-
ken“ blähte sich hier mächtig auf.
Sekt floß in Strömen bei Leuten, die
ihn so furchtbar ſchlecht vertragen konnten,
jeder, der es irgend konnte, kaufte sich ein
Klavier, obwohl man mitunter von Muſik
soviel Verſtand hatte, wie die bewußte
Kuh vom Spaniſchen. Zur dauernden
Schande sei es gesagt, daß Weiber, deren
Geburtsschein deutſch lautete, den Reſt von
Ehre, den sie noch besaßen, für den „Fran-
ken“ an landfremde Eindringlinge ver-
kauften.
Siegesfroh spazierte der „Herr Franken“
durch „sein Saarland, und gar oft machte
man bei seinem Erscheinen, in manchen Ge-
schäften tiefe Bücklinge und nahm ihn ſo-
fort mit offenen Armen auf, während ſtock-
deutſche saarländische Geschäftsleute, so-
wie Beamte und Angqeſstellte ihn dul-
deten, weil ſie mußten und nicht anders
konnten.
Auf einem Spaziergang nach den Spiche-
rer Höhen, von wo der „Herr Franken“ sich
sein neuerobertes Saarland aus der Vogel-
schau gemächlich ansehen wollte, kam er
an einem Buſche wilder Rosen vorbei. Gar
manche einſame Braut, die ihr ganzes
Glück nach den Kämpfen von 1870/71 im
„Ehrentale“ begraben hatte, hatte sich hier
einsſtens in der Jugend und heute noch im
hohen “Alter wilde Heckenroſen gepflückt,
um das Grab ihres gefallenen Helden zu
ſchmücken.
y Fuße des Roſsenstrauches saß eine
Greisin.
Das verrunzelte Gesicht, wie Leder, so
gelb, umweht von ſilberweißem Haare,
wandte sich dem Kommenden zu; fast ſchien
das adlerſcharfe, harte, graue Auge ihn zu
durchbohren. Die dürren, welken Hände,
die bis jetzt seidenfeine Fäden von den
Rosen zu den Dornen am Roſsenſtrauche ge-
knüpft hatten, ruhten plötzlich stil. Wie
in Erwartung saß die Greiſin und harrte
einer Frage.
Der „Franken“, der in ihr ein bettel-
armes Weib vermutete, warf ihr ohne
Gruß eine Hand voll französiſcher Münzen
in den Schoß. Verächtlich aber stieß das
greiſe Weib sie in den Staub der Straße.
Der „Herr Franken“ stutzte, da man doch
bis heute nur Verbeugungen vor ihm ge-
macht hatte und fragte hochmütig:
„Na, du ſcheinſt ja genug zu haben? Wer
biſt du? Was machſt du hier?“
62-
Saarkalender für das Jahr. 1927.
Das graue Auge der Greiſin muſterte ihn
durchbohrend, während es hart und klar
von ihren Lippen kam:
„Ja, ich habe genug. Ich kann dir und
deiner Nation noch zurückvergelten und
werhe 2° tun. Wer ich bin? – Das Welt-
y „Was ich hier mache? Ich wahrſage und
habe auf dich gewartet.“
„Hm,“ so entgegnete der „Herr Fran-
ken“, etwas betreten, „alſo ein altes Wahr-
ſertweis! Gut, dann deute mir meine Zu-
Wie in Gedanken fuhr die Greiſin durch
die seidenen Fäden, die von den blühenden
Heckenroſen zu den ſpitzen Dornen ge-
knüpft waren und ſagte kurz und ſcharf:
„Die nüchtern gewordene Zeit, Amerika,
Syrien, die Rheinlandbeſezung, werden
dich stürzen! Die Saareroberungsblamage
wird folgen. Mit Hochdruck wird man dich
hinauswerfen!“
g enn war die Wahrsagerin verſchwun-
en. – –~ ~
ur Der Franken ſinkt tiefer und
1 .
Der Bergmann ruft: „Der Teufel soll das
Lumpenpapier holen.“
Der Kaufmann leckt die Finger, wenn er
die Goldmark einſtreichen kann, und macht
ein ſaueres Gesicht, wenn sich die Franken-
lsfeine häufen, deren Wert ſich täglich ver-
Selbſt der Franzose wechselt ſchnell am
Monatserſten seine Franken in gute Gold-
Reichsmark um.
Es ſchimpft die Arbeiterfrau, das Brot
wird teurer, es klagt die Bäckersfrau, man
ſchränkt ſich ein.
Es höhnt der Nachbar jenseits des
Zaunes und brummt in ſeinen Bart:
„Wer zuletzt lacht, lacht am besten!“
Die Wahrsagerin ſpricht:
„Die Weltgeschichte iſt das Weltgericht.“
___
Pfalz-Heparnatiſten in früherer Zeit.
In dem mit großer Sorg'alt gearbeiteten
Werk „St. Ingbert und fF>ùeing
Vergangenheit‘, von Studienrat
Wolfgang Krämer in München seiner
Vaterſtadt gewidmet, finde1l sich eine uns
heute beſonders fesselnde Notiz. Auf Seite
246 heißt es: „Im Jahre 1797, kurz vor
tem Frieden von Campo Formio, setzte in
der Pfalz eine besonorrs starke Propa-
ganda ein zwecks der Vrreinigung der
Pfalz mit Frankreich. Besonders anläß-
lich des vrepublikaniſchen Neujahrsfeſtes
und Gründungstages der Republik, den
1. Vendemiaire (22. Seprember 1797) kan
es überall zu lärmenden Freiheitsfesſten
der „Patrioten“, während die Besonnenen
sich zurückhielten. In St. Ingbert tat
man etwas ganz Besonderes. ‘Man ir-
klärte den Ort auf Betreiben eimes ge-
wissen La er o i x zu einer freien, unab-
hängigen Republik. Präsident des kleinen
Freiheitsſtaates „Republik St. Ingbect“
ward der ehemalige Kloviermacher und
bisheriger erſter Maire Henri on. Die
bisherigen Vorstände wurden abyesent
und eine autonome Regierung eingerichtet.
Wir ſsſind nicht unterrichtel, wieviele St.
Ingberter dieſen Streich mitmachten.
Die „Patrioten“ konnten es wohl nur
unter dem Schutze der Besatzung machen.
Am %7. September war eine ; Schwadron
Reiter, welche bisher in Saarbrücken
stand, nach St. Ingbert verlegt worden.
Man erlebte allerdings die Demütigung,
von der großen Frankenrepublik keines-
wegs als Bruderſtaat anerkannt zu were
den. Vielmehr reſpektierte dieſe die Er-
laſsſe der (St. Ingberter „Regierung“ so
wenig, daß man die von letzterer ab-
gesetzten Beamten nah wenigen (man
sagt acht) Tagen wiederum in ihre Rechte
einsetzte, so 1 daß die kleine Kartoffel-
republik zwischen Rentrisſch und Rohrbach
schon in der ersten Dekate ihres Geburts-
monats sanft entſschlief.“
Studienrat Wolfg. Krämer fand diesen,
uns nicht bekannten Vo'fall verzeichnet
in einem Schreiben des Kegierungsrates
v. Fürſtenwörther an den Pök*alzgrafen
Maximilian Joſeph. Das Schriftstück be-
findet sich im bayerischen Staatsarchiv.
63
Saarkalender für das Jahr 1927.
Das kummt dervun –~ –~ =
von Lisbeth Dill.
„Wann mr von Sangehann ist, zieht mr
nit noh Saarbricke, niwohr,k? . . un
wann mr emohl finfesechzig uff m Buckel
hat, kaaft mr sich kei Filla im Hinner-
dahl . . niwohr? . .“ Die rauchende
Stammtiſchrunde, die sich jeden Abend in
Jritz Mayländers ,„Ziddi“ zusammenfand,
begriff es mit Schorſch nicht, daß ſeine
Schwester, „unſer Luwies“ ſich jenseits
der Saar angesiedelt hatte. Drowe am
Wald, „bald in Darle“, da heert mr ja im
Winter die Welf heile . .. Ganz aleen
mit ere Katz ume Hund lebte sie dort.
Un hat so e ſcheen Geschäftche gehatt in
der VBahnhofstrool, „Papeterie und
Schreibwaren“. Aber sie hatte ja keine
Ruhe, bis sie das los war. Nachdem sie
ihr Leben bisher „hinner der Thek“ ver-
bracht hatte, schwärmte sie auf einmal für
Äie eziuft . iufonuei . Man h. rss
mit ihrem Rattenſpit, auf den Triller
ſpazieren gehen, über die Lärchesflur oder
die Metzer Straße entlang, am Spicherer-
berg vorbei . . . Minsſche han ich genug
te" Zruder. z gllrat Put. fu
mich.
Na, vor mir brauſcht du kenn Angſscht
tb ;; Zu dr s c 19Â
einem fürchterlichen Regentag, „wie's "nur
in Saarbricke ränt“, hinaufgewatet durch
cqufgeweichte KFeldſtraßen und nasse
Wiesen, in denen man „bis an die Bruſcht,
ungeloh, im Dreck stecke blieb“. Das hätte
iedem den Mut genommen, jemals ins
Einnerdahl zu ziehen . . „Das Wasser iſt
Eich dene Winterberg enunner geſchoß, ich
han gement, die kleene Heiſcher käme mir
entgege gerttſscht, un dem Luwies sei Filla
hinnerher. Dort owe bloſt die Luft! Mei
Hutt is mr fortgefloh, mein Schärm is
lnnks gang . . ihr liewe Kinner .. Nit
fer, zhit mecht ich dort sin, nit emohl
egrabs –
Die Stammtiſchhrüdhr waren ganz
seiner Meinung. j
Nach Ansicht aller geborener Sange-
_ hanner ist es nirgend so schön wie eben in
Sangehann . . . Saarbricke hat jo nit-
[!! t uto"t.eot pet Geynhe! y
Brick, e paar Soldatedenkmäler und
Exerzierplatz, Kaſerne und Schlachtfelder.
Daß der Schorſch ein geborener Sange-
hanner war, hörte man schon beim ersten
d ſcheen Bur geläſt“ ..
Wort. Er sagte „Am Sundag han ich so e
oder „bei unserntr
Luwies han ich mich verkält. Ich kann
emohl kei Zurwind in die Halskaul ver-
i1cahn“ . . „Wans noch in die Eisenbahn-
sſtrooß gezor wär, oder meintswege uff de
Hahne, das hätt mr noch begriff.“
Es gab Sangehanner. die in ihrem
Leben noch nie das Hinnerdahl betreten
hatten, und in die Gegend von Darle kam
ein Sangehanner höchſtens im November
zur Darler Kerb, um Spanferkel zu eſsſen.
„Awer so Frauenzimmere iſt ja kei Rä-
song beizubringe. Du wirscht noch emohl
erlewe, hatte er ihr prophezeit, daß dich
eener dort owe in deiner Insamkteit dot-
macht . . Aber das Luwies war furchtlos
und hielt außerdem den bissigen Ratten-
spitz, der wie ein Mops von hinten aus-
sah und von vorne wie ein Spitz.
Ihre Villa war billig gewesen, weil sie
sehr abgelegen lag und der Vorgänger
darin an JIſchias eingegangen war. Aber
sie hatte warme, prachtvolle, dicke, grüne
Fenſtermäntel, mit roter Lockenwolle be-
slickt, vor die zugigen Fenster gehangen
und feste Rolläden, die ſie abends mit Ge-
räuſch herunterliez, und besagter Spitz
bellte weithin hörbar, sobald der Brief-
bote, der einzige Mensch, der dreimal am
Tag diese Höhe erklomm, nahte.
Wenn ihre Bekannten ſich beschwerten,
reh 1u teu Falops zu atme.
mit fremden Madames teilen mußten, und
schwarze oder braune Burschen im Haus
umherliefen, triumphierte das Luwies . .
„Zu mir komme se nit! . . .“ Aber eines
Tages rückten ihr drei schwarzhaarige,
mit fremdem Akzent sprechende Herren in
dunkelblauen Mänteln und der Schan-
darm vors Haus: die Militärkommission.
Die Mililärkommission besichtigte die
V'lla, erklärte das Fremdenzimmer (wozu
brauchte eine einzelne Dame ein Fremden-
zimmer?) unt den Salon für beſchlag-
nahmt und empfahl sich . . .
Das Luwies kochte vor Wut. Sie
ſ-hürzte ihren Rock und stieg zur Stadt
hinunter zum Schorſch und beklagte ihr
Los. Ihr, der alleinstehenden Frau,
schickte man einen fremden Mann ins
Haus, womöglich einen Mohr, übertrieb
fie . . „Na, dann lernschte die Sort aach
emohl kenne,“ meinte der Schorsch gemül-
lich. „Wärschte in Sangehann blieb, wär
64
hlt werden. Die Probepjedigten der für die Stelle intereſſierten Kandidaten waren erledigt, aber die Ge-
meinde konnte ſich nicht ſchlüſſiq werden, welchem Kandidaten ſie ihr Seelenheil anvertrauen sollte. Einer der Be-
werber, der ſeine Probepredigt längſt abſolviert hatte und ſehnſüchtig auf ein heimeliges Pfarrhaus wartete, um die
Braut heimzuführen, mußte eines Sonntags zum zweitenmal im Ort Gottesdienſt halten. Er wählte als Thema der
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DAS HAUS DER STOFFE
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III III NUIIIIIDJAJJNJIDINIDIIIIIDOIDDIIISIDOSIIIIOOOIIYDIOIIDIDIDIIIOIOIIIIIIIIIDI
IMMI SIND
Altpreußiſcher Reſpekt. In Trier fuhr man gewöhnlich, wenn viele Menſchen am Ufer warteten, mit der
Pont über die Moſel. Wartete nur einer, ſo kam der Schiffer mit dem Nachen an. Eines Abends ſteht in der
Dunkelheit ein Herr am anderen Ufer und brüllt „Hol über . . .“ Als der Schiffer nicht gleich erſcheint, wieder-
holt er ſeine Rufe. Endlich kommt der alte Hannes angeſchlürft und brüllt mißgelaunt herüber, wer is dann
do? Und die Antwort dröhnt über die Moſel: „Freiherr von und zu Waldhauſen, Rittmeiſter und Eskadronschef
im Huſarenregiment Nr. 9. „O Jeſſes,“ ruft Hannes zurück, „do muß ich jo die P o n t bringe!“
drs
G D cs
M
".. B .',
SIATION SAARLOUIS - EIGENER GLEISANSCHLUSS
KABELW ORT: OELWERKE FRAULATERN .
FERNRUE : AMT SAARLOUIS 124 u.324.
Fabrikation aller technischen Fette
Schmierseife, gelb und weils
Wasserlösliche Bohr-, Zieh- und
Schneideöle
Mineralschmieröle aller Art
Benzol, Treib- und Heizöle
Harzdestillation
Te erdestillation
Lackfabrik: Spirituslacke, Oel-
lacke, Asphaltlacke, Rostschutzlacke
_ und Farben
Speziallacke für jede Industrie
Eigener Kesselwagenpark
dir das do nit pasſiert‘ . ÿ. In Sangehann
hotte er Beziehungen, aber „do driwer"
hatte er nur Feinde, schon seit seinen
Schultagen, wo er an Kaisers Geburtstag
als Anführer der Sangehanner auf der
all Brick die Schlachten focht, gegen die
Saarbricker, die hiſtoriſch geworden ſsind.
Sie lief alle Büros ab und klagte allen
Bekannten ihr Leid. Aber es konnte ihr
kein Menſch helfen. Und als sie den Gen-
darm fragte, was sie denn um Gottes-
willen tun könne gegen dieses himmel-
schreiende Unrecht, antwortete er lako-
m1iſch: „Maul halle. Sonſcht werener iwer
de Rheiti geſchob!s . -
Am anderen Morgen ſollte der neue
Mieter einzichen. Es regnete einmal
wieder, wie es nur in Saarbricke ränt.
Diesmal meinte das Luwies, die das Un-
wetter von ihrem Fenster aus beobachtete,
wahrhaftig, drüben in Sangehann regne
es nicht ſo arg . . . Man sah die Häuſer
des Stadens ganz deutlich, aber hier oben
verſchwamm alles in einem grauen naſsſen
Dunst, die Wege waren zu Brei gemweicht,
und im Garten ſchoſſen Bäche über die
Gartenbeete. Das Luwies erwartete ihrer
neuen Mieter. Solche Angst erinnerte sie
ſich nie gehabt zu haben seit der Schule,
nicht einmal vor den Prüfungen. Als es
Mittag läutete, sah sie eine kleine Gestalt
Den Berg heraufkraxeln. Es war ein
Mann mit einem Handkoffer, der ein
dunkelblaues Cape und die Kapuze zum
Schutz gegen den Regen über dem Kopf
trug, er ſah aus, wie ein Gnom . . . Sie
ſctzte ihre Brille auf. Der wars doch
hoffentlich nit . . . Der Kleen? Der Gnom
qing zögernd, an jeder Gartentüre dte
Nummer lesend, weiter, blieb vor ihrer
Tür stehen und läutete. Der Klingelton
riß ihr faſt das Herz entzwei, jetzt wars
vorbei mit der ſcheen Insamkeit. Sie ging
herzklopfend öffnen. Sie begrüßten ſich
ciemesſen. . Der Gnom war ſchwarz-
behaart, hatte schwarze Augen und einen
schwarzen Spit bart und stammelte Worte,
die sie nicht verſtand . . . Madame . .
res chamöres —~ voulez vous . . . Ja-
wohl. Sie hatte sich mit einem grünen
Handwörterouch von Hofers bewaffner
und nun gings los . . . Monsieur, sil
vous plait . .. Er zog nun auch aus
seinem Sack ein rosſsenrotes Handwörter-
buch und buchstabierte deutsche Silben.
Sie waren beide sehr aufgeregt, und was
der eine oom anderen trotz des Hand-
wörterbuches nicht verstand, verſuchtke er
durch Gebärden zu ersſezen. Das Luwies
rzar von jeher ſtark in Gebärden –} – ~
Der. neue Mieter bezog seine beiden
Saarkalender für das Jahr 1927.
Zimmer und fragte sofort, ob sie tm
Winter auch bien à chauffer seien? . . .
Nachdem das Luwies nachgeſehen, was
chauffer hieß, versicherte sie, daß die Oefen
heizbar seien, besonders im Zallong ...
der lag nämlich nach Oſten und war ’tm
Winter überhaupt nicht zu erwärmen, das
Fremdenzimmer hatte einen Ofen, der
noch nie erprobt war, außerdem war es
jezt September –T – –~ und wenn es
Monſieur hier oben nicht gefiel, dann zog
er eben wieder aus – – —– Aber vor-
läufig zog er ein. Und im Kränzchen hiez
es ſchadenfroh: „Das Luwies hat jetzt aach
ciner!‘ Weshalb sollte sie alleine leer
ausgehen ?
Es hatte sich ausgeregnet. Feld, Wald
und Wiesen waren durchtränkt, die Bäume
vom Herbſtwind entblättert und die Hecken
und Gärten kahlgefegt und der November
kam mit Nachtfröſten. Eines Morgens
erſchien Monsieur mit einer roten Nafe,
einem blauen, wollenen Sweater in der
Küche auf dicken Filzpariſern und holte
ſich heißes Wasser. Er war q,erkaltet, sehr
erkaltet . . .“ Er wies auf ,seine Als . .“
Das Luwies riet zu Umschlägen. Er machte
sich gehorſam einen Umſchlag, aber diete
Männer waren ja so ſchauderhaft unge-
ſchickt, er wickelte sich ein seidenes Fou-
lard drum, das Wasſer dran
Seide und er erkältete sich no
Sie hörte ihn husten und sich räuſpern ..
O es war so kalt, der Ofen in seinem
SMlafzimmer raucherte, räuchte, rochte, er
wagte, ihn nicht mehr anzuzünden, und
der Zallong, in dessen Ofenschlund Mon-
ſieur Tag und Nacht Kohlen feuerte, er
brauchte nicht damit zu sparen, denn er
war ,Caissier des mines“, das heißt Kaſ-
sierer an der ehemaligen deutschen Berg-
behörde, er bekam die Kohlen umſfonlt ...
war eine richtige Eiskellerei, fand Mon-
sieur. Auf seinem lavoir konnte man
pâtiner, oh, wie kalt war Deutſchland, er
vr UC Zh d chtgctt
und immer die Sonne ſcheinte – ſchienſste,
~ = ſcheint, beugte Madame raſch vor.
Er machte eine begeiſterte Beschreibung
vnn seiner ſüdlichen Heimat, als wüchſen
dnrt im Dezember die Zitronen an den
Bäumen. Das Luwies hätte bald etwas
c'esagt, erinnerte aber sich noch rechtzeitig
der Worte ihres Bruders: „Jetzt lernſchte
du aach emohl 's Maul halle, sonst ſitschte
1m Kitſche, eh du dichs versiehſcht!“ Oh,
ſie sagte nichts, sie sagte kein Sterbens-
wort von allem, was sie grimmte. Und
wenn Monsieur abends lautlos auf den
Filzparisern durch ihr Wohnzimmer nach
durch die
mehr.,..;
Saarkalender 1927
Saarkalender für das Jahr 1927.
hinten chassierte, „bonſoir madame“, er-
widerte sie gemessen, „gute Nacht, Mon-
ſieur!“ Dann hörte sie ihn noch ein paar
Stunden Feuer ſchüren, räuſpern, bellen
und mit den Zeitungen raſcheln. Ste
konnte erſt einschlafen, wenn monsieur
endlich mit sanftem Schnarchen entſchlief
. . und mußte warten, bis es monſsieur
abends gefällig war, heimzukommen, denn
sſein Weg führte durch ihr Wohnzimmer.
Uno er kam immer sehr ſpät. Gott weiß,
woher – –~ =
Ueber einen wichtigen Punkt der Haus-
ordnung hatten sie ſich gleich in der Ge-
Härdenſprache geeinigt ... Sie wollte
einen Damen auf der Treppe begegnen.
Er rollte seine ſchwarzen Augen und be-
tcuerte, die behaarte Hand auf dem Her-
zen, „jamais, jamais, Madame!“ Er war
toch fiancé. Verlobt mit jener Virctoire,
die im Goldbronzerahmen auf seinem
Schreibtiſch stand, einer energiſch aus-
schenden Dame mit einem Zwicker, über
die Stirn gekrauſten Löckchen und einem
großen Fächer. –~ Das Bild hatte ſie be-
rwuhigt und sie konnte im Kriänzchen
t.iumphieren: „Ich habe zwar einen im
Haus, aber er iſt Bräutigam . . . bei mir
kommt nichts vor!“
Es wurde so kalt, daß Madame einfach
t ie anderen Stuben abſchloß und in ihr.
Schlafzimmer zog. Als Monſieur abends
naßgeregnet und durchfroren heimkam,
und Madame gemütlich neben dem warmen
Kachelofen, dem einzigen Wärmeſspender
des Hauſes, am runden Tiſch saß und bei
der Lampe die „Saarbrücker Zeitung“
las, fragte er ſchüchtern, ob sie geſstatte,
daß er ſich auch dazu setze . .. In ſseine
Eiskellere wurde es nie über 10 Grad.
Warum nit? Man war ja alt genug, um
sich zu vertragen. Dann ſaßen sie unter
der grünbeſchirmten Hängelampe und
hatten ihre feindlichen Zeitungen auf-
geſpannt, Madame die „ Saarbrücker",
Monsieur den „Matin“. Draußen brautlte
der Winterſturem über die Höhen und
î schüttelte die Bäume in den Gärten. Aber
im Zimmer wars warm. HManchmal
brachte ihr Monsieur eine lange Stange
Weißbrot mit aus dem Konsum und eine
Flaſche Rotwein, dann brauten sie ſich
Glühwein und aßen gebackene Schnecken
dazu. Und wenn Madame ,Faſekichelcher"
buck, fand Monsieur stets einen Teller
warmer Pfannkuchen auf der Kommode,
er aß für sein Leben gern was süßes.
Manchmal nöhte sie ihm auch ſſseine
baumelnden Knöpfe an die Westen, die im
Zimmer herumfuhren, obwohl er ihr jeden
Morgen versicherte, er habe aufgeraumen,
aufgeräumte, oh, welch eine fürchterlich
ſchwere Sprach die deutsche war! —
Der Schorſch berichtete im Nähkörbchen:
„Unser Luwies hat jetzt aach eener. E
Zwerg . .!“ Nach seiner Beſchreibung war
er gerade einen Meter groß. „Ich will
emohl siehn, wie lange des gutt geht mtt
dene zwei . .“ Aber es wäre ganz gutt
mit den beiden gegangen, wenn die Hoch-
zeit der Nichte in Neuſtadt nicht da-
zwiſchengekommen wäre . . .
Eines Tages wurde Madame von ihrer
Nichte in die Pfalz eingeladen, zum
Polterabend und der Hochzeit. Sie er-
klärte Monsieur, sie würde drei Tage ab-
wesſend sein, ob das ginge? Oh, weshalb
ginge das nicht? Monſsieurs ſchwarze
Augen begannen zu glitzern, es ginge par-
ſaîtement. Er würde ſselbſt mache ſeine
Bett, und ſselbſt hole das Kohl aus die
Keller und mache fest die Tür zu vor das
Haus. Er würde Haus beſchützen als gut
als sie. Je serais à la gare. Ich werde
Sir das Gepäck tragen, versicherte er
galant.
Sie reiſte beruhigt ab. Was ſollte denn
auch passieren da droben in dem ent-
legenen Haus?
Als sie nach drei Tagen wiederkam, war
cin monsieur zu dem angegebenen Zug
à la gare. Als sie den Berg hinaufstieg,
war es ſchon dämmerig und ſ ie. ſah
nirgendwo Licht. Die GHGartentür ſtand
offen, Spißj kam ihr freudig entgegen-
neſchoſſen, furchtbar bellend, und an der
Haustüre ſtieß sſie ~ mit einer ſchlanken,
jungen, blonden Dame zusammen, die
eben mit einem Handköfferchen das Haus
verließ . . . In der Küche ſtand Mon-
sſieur und wuſch das Geſchirr auf. Er
hatte sich ihre große weiße Schürze vor-
nebunden und suchte die Spuren eines
Gaſtmahls zu entfernen, wobei er ſehr
viel Waſsſer verſchwendete. Mit einen
Blick überſchaute sie die Situation. Leere
Champagnerflaſchen ſtanden in der Ecke,
ihr Likörſervice hatte er genommen, ihr
feines Kaffeeſervice mit den Streublumen,
ihre beſte Kanne, ihr feinstes Tiſchtuch.
Ah! . .. ſie knöpfte ihren Mantel auf,
setzte ſich in den Sessel am Nähtisſch und
ſprach ohne Handwörterbuch. Sie ſprach
deutsch, das heißt, sangehanner . . . Auch
Monsieur erhob seine Stimme, um zu be-
weiſen, daß die junge Dame nur . . . aber
fie übertönte ihn. Ob das eine Kuſine
war, ob das etwas anderes war, ob ſie
seine Stenotypiſtin war, das war ihr ganz
zz; U!eufate tar % Ust ls;
ſieurs Schreibtisch, das strenge zuſah . . .
66
Saarkalender für das Jahr 1927.
Er hatte sein Ehrenwort gebrochen, er
latte hinter ihrem Rücken seine Braut
betrogen, es war aus, aus, aus! Nein,
ſie wollte nichts mehr hören, es war aus.
Kein Pardon! Er konnte sſich nun eine
beſſer gelegene Wohnung nehmen, über
deren Weg er ja so oft gesſstöhnt, eine
Wohnung mit Zentralheizung, für die er
ſchwärmte und wo er Flecke aufs Parkett
machen und Zigaretten in die Kiſſen
brennen konnte und nachts Überhaupt
Sie hatte
nicht mehr heimkommen . . . ;
Madame
ee satt, fatt, bis hierher ... .
- wies auf ihre Halsrüſche. Und knall flog
»ie Tür ins Schloß . . .
Zwischen Madame und Monsieur war
nun Krieg . . .
Sie sprachen nichts mehr zusammen,
Monsieur verließ das Haus und Madame
empfing die Mieter, die ihr die Kom-
miſſion ins Haus ſchickte . .. Familien
mit kleinen Kindern und Küchenbenutzung,
das war nichts für ſie, von Steno-
typiſtinnen mit seidenen Strümpfen hatte
sie genug . . Bluſenwaſschen in der Küche?
Jawohl –~ = Sie wollte einen garantiert
soliden Herrn, der ihr keine Damen ins
Haus brachte. Aber das ſchien es in
diesem Lande nicht zu geben. Wenigstens
machten die Herren, die bei ihr vor-
ſprachen, wenn Madame auf dieſen Punkt
kam, alle bedenkliche Gesichter, und ver-
ſchwanden lautlos und ließen sich me
wieder blicken.
Am meisten ärgerte ſie sich über den
Schorsch, der für ihr Unglück nur ein
rohes Lachen hatte . . . „Ich han dirs ja
gefaht! Wärſchte nit nach Saarbricke ge-
zoh . .. In Sangehann wär dir das ntr
pafſiert . . 1“
Er riet ihr, einen großen Zettel an die
Eingangstür anzubringen: „Hier herrscht
Flecktyphus . . .* dann blieb sie ſicher
allein in ihrer Filla.
Eines Tages meldete ihr die Kom-
mission, daß in drei Tagen ihre Wohnung
zwangsweise beſetzt würde. Dieses Signal
iuhr ihr wie ein Schreckſchuß in die Glie-
der. Sie rief ihren Bruder an . . . Er
mußte sich auf die Beine machen und ihr
jemand ſchicken .. . Am dritten Nach-
mittag endlich – klingelte das Telephon:
„Luwies, 's is eener drahn . . .!“ Sie sollte
um vier Uhr herunterkommen, er hatte
den neuen Mieter wegen des weiten Weges
in seine Wohnung bestellt . . ÿ Sie machte
ſ.ch im Schneeſturm auf zur Stadt, Schorſch
rührte sie in sein Zimmer, wo sie vor
Rauchwolken zuerſt nichts ſah. Allmählich
iaugte ein blaues Gnomencape, ein
ſchwarzer Spitzbart und eine bekannte
Geſtalt vom Sofa auf, mit kohlraben-
ſchwarzen Augen und verlegenem Lächeln.
Das Luwies ſtand erſtarrt vor dieſer Er-
scheinung. Schorſch erklärte, Monſieur
war ſchon dreimal bei ihm gewesen, er
hatte keine andere Wohnung finden
können, er ſchwärmte für Höhenluft und
es hatte ihm so gut im Hinnerdahl ge-
fallen, bis auf die kalten Oefen. Aber er
mürde einen Ofen setzen lassen, er lieferte
die Kohlen . . er verſprach, an Oſtern zu
heiraten . . seine Braut Victoire ver-
langte es energiſchſt. . Monsieur machte
große, demütig falsche, ſchwarze Glitzer-
augen, und reichte Madame ſeine ſchwarz-
behaarte Hand, mit einer Gebärde wie ſie
Könige auf Bühnen haben:
wir uns, Madame . . !“
Was blieb dem Luw?;es anderes übriz?
Nun wohnen sie weder beisammen.
Der „neue Mieter“ hat einen Ofen setzen
laſſen, einen eiſernen Ofen, altgekauft
und sehr billig, . aber rotglühend, wenn
man ihn qut bediente. Wenn Monſieur
jetzt abends heimkam, erwartete ihn kein
„Versöhnen
Eiskeller mehr, sondern seine Pantoffen
am warmen Ofen und er trank ſeinen
Tee in der 'Sofaecke im warmen Zimmer.
Nur eines hat ihm Madame verſprechen
müſſen, daß von dem kleinen Intermezzo
seine Vietoire jamais, jamais – – vous
comprenez, Madame . . . . Jawohl, ſie
verſtand ihn , schon, sie kannte die Männer
. . . und sie wußte, daß, ob sie blond oder
kohlrabenschwarzg waren, aus Sange-
Hann kamen oder aus d.:n Mid:, sie ſich
alle in dem Punkt ähnlich waren . . .:
wenn man ihnen einmal den Rücken
drehte . . . na ja . . .
Der Schorſch aber hatte abends am
'Stammtiſch in der ,„Ziddi“ ein neues
Thema: „Wissener, was unser Luwies für
e neier Mieter krit hat?“
Und unter dem brüllenden Gelächter
der Tafelrunde rief der Schorſch in die
Rauchwolken hinein: „'s is der Nämlich
~ dens vorher gehatt hat!“ î
Und ein alter weißhaariger Sange-
hanner fügte weise hinzu: „Das kummt
dervun, wann m'r noh Saarbricke zieht.“
i 67
"Saarkalender für das Jahr 1927.
Aus der „guten alten Zeit".
Von R. Nudolf Rehänek.
„Hört ihr Herrn und laßt euch ſagen,
unsre Glock hat zwölf geschlagen;
Zwölf, das iſt das Ziel der Zeit,
Menſch bedenk die Ewigkeit.
Menſchenwachen kann nichts nützen,
Gott muß wachen, Gott muß schützen:
Herr durch deine Güt'’ und Macht
gib uns eine gute Nacht! “
Noch nicht allzulange iſt's her, da diese
ſinnigen Verse durch die nächtliche Stille
zum Ohr des friedſamen Bürgers – und
wohl auch zu dem des Bummellanten drang,
den es ja wohl auch in der „guten alten
Zeit“ genau ſo gut gab, wie heute. Es
war jene poeſievolle Zeit, die noch nicht ſo
vom materialiſtisſchen und ruheloſen Zeit-
geist durchdrungen war wie die heutige
rz Lu. N § de:
Neuzeit den friedlichen Schlaf des ehrſamen
Bürgers ſtörte – jene Zeit, da ſorgſame
Stadtväter einen Nachtwächter mit Horn
und ß Urtarde zum Schutze des Bürgers
ausrüſteten. ~
Obwohl man in früheren Jahrhunderten
hie und da schon. den Poſten eines Nacht-
wächters kannte, kam eine allgemeine Ein-
führung des Nachtwächterdienſtes in unserer
Heimat erst zu Anfang des vorigen Jahr-
hunderts. – Der Nachtwächter mußte „einer
jeden Störung der öffentlichen Ruhe tätig
entgegenwirken“, dann aber beſsonders
„ein wachſames Auge auf die Verhütung
von Brandſchäden richten“; – kannte man
doch damals faſt allgemein nur Stroh-
dächer auf den Gebäuden. – Zur einheit-
lichen Durchführung des Nachtwächter-
dienstes erließ die Kgl. Regierung in Trier
am 28. Dezember 1831 folgende „Ordnung
für den Nachtwächterdienſt im Regierungs-
bezirk Trier“, deren Veröffentlichung nicht
uninteressant sein dürfte, da aus der „Ord-
nung“ genau die Handhabung des Dienſtes.
bzw. die Rechte und Pflichten der Nacht-
wächter ersichtlich ſind.
„Art. 1. In allen Landgemeinden, welche
über 30 Haushaltungen zählen, sowie in
den Städten, mit Ausnahme von Trier und
Saarbrücken, wo die wegen der Nacht-
25:3, rh. eſerere ems
wird, – sollen salarierte Nachtwächter be-
stellt werden, die auf Vorschlag des Bürger-
meisters unter Zuſtimmung des Schöffen-
raths, mit Vorbehalt unserer Genehmigung
Art. 2. Ein gleichfalls vorſchriftsmäßig
zu genehmigender Schöffenraths-Beſchluß
beſtinmunt, ob die Salarierung in Geld oder
in Naturalien geſchehen, wie hoch ſie ſich
belaufen und wie die Aufbringung bewirkt
werden soll. Geld-Salarierungen werden
in das Budget der Gemeinde aufgenommen.
Art. 3. In den Gemeinden, die weniger
als 30 Haushaltungen zählen, bleibt es dem
sich durch den Schöffenrath kundgebenden -
Willen der Gemeinde überlassen, ob ein
ſzlariervr ZEorwächter gehalten werden
Art. 4. Jeder Nachtwächter ſoll vor An-
tritt seines Dienſtes von dem Friedens-
richter seines Cantons für die gewissen-
hafte Handhabung der nächtlichen Orts-
polizei vereidigt werden.
Art. 5. Die Gemeinde stellt ihrem Nacht-
wächter, außer der ihm bewilligten Salarie-
rung, einen Spieß und ein Horn, welche
beide Utensilien jedoch Eigenthum der Ge-
meinde bleiben und von dern Nachtwächter
an seinen Nachfolger überliefert oder ver-
qütet werden müssen.
Art. 6. Der Bürgermeister oder Orts-
vorſteher bezeichnet die Stellen, an denen
der Nachtwächter im Sommer von 11. bis
3 und im Winter von 10 bis 4 Uhr aller
Stunden durch das Horn anzugeben hat.
Art. 7. Einer jeden Störung der öffent-
lichen Ruhe müssen die Nachtwächter tätig
entgegenwirken, Verbrecher aber, wo mög-
lich sofort feſtnehmen und der nächſten
Polizei-Behörde vorführen; endlich sollen
sie besonders auf Verhütung von Brand-
schäden ein wachsames Auge richten.
Art. 8. Wenn der Nachtwächter ein Pro-
tokoll zu errichten hat, ſselbſt zu proto-
kollieren aber nicht im Stande ist, ſo hat
er seine Erklärungen und Angeigen an den
Bürgermeiſter oder dessen Beigeordneten
abzugeben und unterschreibt entwrder das
von diesen aufgenornmene Protokoll oder
nerſieht es mit seinem Handzeichen !).
Art. 9. Die Nachtwächter müſsſen, gleich
den Feldhütern, die Wahrheit der von
ihnen aufgenommenen Protokolle oder depo-
nierten protokollarischen Angeigen binnen
24 Stunden vor dem Friedensrichter,
dessen Stellvertreter, dem Bürgermeiſter,
1) „Handzeichen“ waren die „Unterschriften“
der des Schreibens unkundigen Perſonen. Es
von dem Königl. Landrathe zu ernennen war ein Kreuz, oder aver sonstige, mitunter
sind.
höchſt merkwürdige Figuren.
68
Saarkalender für das Jahr 1927.
oder dessen Beigeordneten eidlich bekräf- ſo verſprechen wir dieſes uns aufgetra-
tigen. gene Amt, nach den Vorſchriften der von
Art. 10. Das reihenweiſe Wahrnehmen Königl. Regierung zu Trier den 28. De-
des Nachtwächterdienſtes von den erwachſe- ;; ; h
nen männlichen Gemeinde - Gliedern darf Nachtwächterdienſt gewissenhaft zu ver-
ferner in größeren Landgemeinden von sehn, alles was der öffentlichen Sicher-
mehr als 30 Feuersſtellen nicht mehr Statt heit iet eius Zen g ute. UH
finden. —" ; ü gehen gegen dieselbe, welches wir ent-
Art. 4 berichtet uns von der Vereidigung decken werden, zur Anzeige zu bringen,
der Nachtwächter. Da liegt mir nun fol- ſo wahr uns Gott Helfe und sein Heiliges
gender Wortlaut einer solchen Vereidigung Evangelium ... Â
in der Bürgermeiſterei Fraulautern vor: unterschriften. –“
„Verhandelt Fraulautern, den 2. März Heute weben Spinnen ihre Netze um
1843. Nachdem wir Endesunterſchriebene . . Spieß, Horn und Laterne, nicht lange aber
(folgen sechs Namen) durch den Bürger- wird es mehr dauern, da man diese Stücke
meiſter zu Fraulautern unter Zuſtimmung im Museum = als Erinnerung an längst
des Schöffenrathes und Genehmigung des entſchwundene, poeſievolle Zeiten – be-
Königlichen Landrathes des Kreiſes Saar- wundern kann. –
louis zum Nachtwächter für die Gemeinden ;
Fraulautern, Roden, Dillingen Pachten und ?) Die Bürgermeisberei Fraulautern bestand
Hülzweiler?) ernannt worden ſind, damals aus diesen fünf Gemeinden.
VLeibeigen.
Ein seltenes Dokument aus dem Jahre 1772.
Auf Roſen waren die Bewohner des Saarlandes in der Fürſtenzeit nicht gebettet.
Die klrinen Herrscher führten ein Willkürregiment, sie waren so selbſtherrlich, wie nur
je ein Zar von Rußland. Es gab keine Gleichberechtiqung, die Bewohner waren zum
größten Teile leibeigen und an die Scholle gebunden. Nur die Stadtbürger waren frei
und auf dem Lande einige Leute, deren Mittel es erlaubten, sich aus dem drückenden
Verhältnis zu befreien. Es gehörte überdies vielfach zu diesem Avanecement, in der Stadt
Grund und Boden zu erwerben und ein Haus darauf zu bauen. Das menſchenunwürdige
Daſein eines Hörigen mag vielleicht\damals nicht so hart, wie es uns erſcheint, empſunden
worden sein. Es war Brauch, durch Alter und rückſichtsloſe Macht gefestigt und geheiligt.
Wer dagegen aufbegehrte, der baumelte sehr bald am Ealgen als Bösewicht, der Geſetz
und Recht Hohn sprechen wollte. Wehe dem Leibeigenen, der es wagte, aus dem Lande
zu ziehen, er wurde ausgeliefert und erhielt zum Ernpfang die „Begrüßung“, d. h. 25
Stockprügel. Die Bestrafung erfolgte dann nach peinlichem Gerichtsverfahren. Auch eine
Ehe außerhalb des Landes einzugehen, war streng untersagt, es sei denn, daß sich Leib-
eigene, gleich ob männlichen oder weiblichen Geschlechts, von dem harten Zwange los-
kaufen konnten und eine amtliche Bescheinigung darüber erwirkt hatten, die mit be-
ſonderem Aufwand verbunden war. Das „gezwungene Dienſtjahr“, wie die Frondienſte,
konnten ebenfalls durch Frongelder abgelöſt werden. Ein sehr seltenes Dokument bildet
das hier im Bilde beigefügte Aktensſtück aus dem Jahre 1772. Anna Maria Hofmann
wird damit nur die Erlaubnis erteilt, die Scholle zu verlaſſen und bleibt in der Graf-
ſchast „selbige alsdann anderweit, nach wie vor, in Leibeigenschafts-Pflichten“. Das häus-
liche Niederlassen in einem anderen Orte der Grafschaft als derm der engeren Heimat,
durfte, wie aus dem Aktenstück hervorgeht, nur mit „Höchst Dero Erlaubnis“ geschehen,
die gegen Hinterlegung einer nach dem Verhältnis des Petenten festgelegten Summe
" certeilt wurde.
zember 1831 erlaſſenen Ordnung für den .
Saarkalender für das Jahr 1927.
Saarkalender für das Jahr 1927.
Wein- und Bierwirtſchaften in alter Zeit.
Die Wirtshäuſer spielten in alter Zeit nicht nur im bürgerlichen Leben, sondern auch
im ſiädtiſchen Haushalt eine bedeutende Rolle. In dem Freiheitsbriefe von 1321 wird
bestimmt, daß auswärtige Händler von dem Wein eine Abgabe von 2 Pfennigen auf
das Pfund’) zu entrichten hätten. Da sich der Graf außerdem das Recht vorbehielt,
zweimal im Jahre Bannwein zu legen. so geht daraus hervor, daß damals schon Wein-
ſschank in den Städten betrieben wurde; ein Wirtshaus wird 1380 urkundlich erwahnt.
Der Graf zog von dem Weinſchank das Umgeld, d. h. die Abgabe der zwanzigsten Maß
Wein oder des Wertes derſelben; dieſe Steuer war ſchon im 15. Jahrhundert eingeführt.
Eine Verordnung vom Jahre 1463 zeigt, daß die Hauptſchäden des Wirtshauslebens,
Völlerei, Streitſucht und Spiel, schon damals bekämpft, werden mußten. Das Messer-
tragen wurde mit 5 Blanken (Groſchen) bestraft; ein jeder Wirt sollte seinen Gästen
gebieten, die Messer abzulegen bei zweifacher Buße. Das Spiel wurde an Wirt und Gäſten
mit drei Pfund geahndet. Wer nach 9 Uhr im Wirtshaus gefunden wurde, mußte, wenn
4) zt in zus Haus gehörte oder darin übernachtete, 5 Schillinge bezahlen, und der
irt ebensoviel. :
Als im Jahre 1498 der Graf Johann Ludwig das Rathaus erbauen ließ, richtete er
etnen herrschaftlichen Weinſchank dort ein; der Ratwirt legte fortan jährlich zweimal
den Bannwein. Da 1604 Graf Ludwig den Städten das Rathaus ſchenkte, so ging auch
die dortige Weinwirtſchaft in deren Besitz über. Der Graf erließ dabei die Beſtimmung,
daß, wer in dem Rathaus die Wehr zücken oder einen verwunden würde, die Fauſt
verwirkt haben solle. Zugleich ſchenkte der Graf den Städten zur Unterhaltung des
Hauſes das halbe Weinkaufgeld, welches bei Verkäufen mit dem zwanzigsten Pfennig
von der Hauptſumme entrichtet werden mußte. Hier in der Ratswirtſchaft hielten die
Herren vom Gericht ihre Irte (Zeche), hier verſammelten sich die Zünste und die Schützen-
gesellſchaft zu Beratung und Trunk.
Schon im Jahre 1457 hatte Graf Johann |I]. den Städten das halbe Umgeld über-
laſſen; seitdem scheint die Stadtverwaltung die Aufsicht über den Weinverkauf und die
Verleihung der Wirtschaften in ihre Hand genommen zu haben. Der Weinverkauf wurde
durch die ſtädtiſchen geſchworenen Weinauftuer beaufsichtigt und durch die Umgelder
(Umgeld-Erheber) die Gefälle eingezogen; beide Aemter waren auch zeitweiſe in einer
Person vereinigt. Im 18. Jahrhundert hießen dieſe Beamten Acciser und erhielten 4V0 fl.
jährlichen Gehalt, für die Mühe des Auftuns wurden sie mit einer Maß Wein von jedem
Faß entſchädigt. Später wurde die Umgelderhebung verlſteigert.
Im Anfange des Jahres 1576 wurden die Wirte vor das Städtgericht beschieden
und ihnen vorgehalten, daß sie die Irte zu hoch berechnet hätten; somit war den Wirten
damals ſchon eine bestimmte Taxe vorgeschrieben. Bald nachher wird geklagt, daß die
Wirte mit dem Wein aufgeſchlagen seien, und daß der Ratwirt keinen Wein habe. Diese
Klage, daß dieser oder jener Wirt keinen Wein verzapft habe, wiederholt sich beständig,
da den Wirten bei der genauen Festsetzung der Preise der Ausschank nicht die Mühe zu
lohnen schien. In der Tat war die Beaufsichtigung sehr ſcharf und genau.
Der zum Verzapfen bestimmte Wein wurde alsbald nach der Ankunft vom Umgelder
gemessen und ins Regiſter notiert, ſodann von dem geschworenen Wein-Auftuer (Wein-
siegler oder Weinſchätzer) verſucht und gemäß dem Ausweis, was derselbe beim Ankauf
auf dem Lager gekostet, mit Hinzurechnung des Fuhrlohns, Zolles, anderer Kosten und
des Schenkerlohnes der Zapfpreis bestimmt und öffentlich ausgehängt. Dieses nannte
man Weinſchätzen oder Wein-Auftun, und der auf dieſe Weisſe geſchätzte Wein durfte
nicht höher verkauft werden. Um jeder Verfälschung des Weins zuvorzukommen, wurde
das Faß während des Zapfs versiegelt; bei geringem Wein fand keine Versiegelung ſtatt.
Das Umgeld wurde erſt nach der Auszapfung erhoben.
Das älteſte Gaſthaus, welches wir in Saarbrücken kennen, war die Wirtschaft „Zum
Horn“ (oder Einhorn); es lag in der Vordergaſſe und wird im Jahre 1401 erwähnt. In
1) Das Geld wurde ursprünglich gewogen. Ein Pfund hatte 20 Schillinge, der Schilling
12 Pfennige. Dieſe Währung gilt heute noch in England.
71
Saarkalender für das Jahr 1927.
derselben Straße lag die Wirtschaft zum weißen Roß, die 1522 erwähnt wird, und die -
Ratswirtſchaft. Ein altes Wirtshaus war auch das Haus zum Kirſchbaum in der Hinter-
gasse. In der Neugaſsſe lag das Haus zum Stiefel, das ſchon am Ende des 16. Jahr-
hunderts vorkommt. Um das Jahr 1620 kamen noch hinzu die Gaſthäuſer „zum Pflug“
(vor der Marktpforte), zum Rindsfuß, zum wilden Mann, zum weißen Lowen und zum
Rappen (die beiden letzteren im Tal) und zum Hirſch. Wir finden, daß nicht nur Metzger
und Bäcker, sondern auch Schneider, Sattler, Uhrmacher und andere Handwerker ſich
um die Konzession bewarben. In St. Johann bestand 1599 die Wirtschaft zum Ochsen
und später das Gasthaus zum Bären u. a. 1731 gab es in Saarbrücken 10 und in
St. Johann 6 Schildwirtsſchaften. Um das Jahr 1750 bestand in der Schloßinsel das
Wirtshaus zum grünen Baum, am Hahn der Adler und Prinz Nossau, am Ausgang der
Altneugasse in die Schloßſtraße die weiße Taube. Die Herberge zum Pflug war 1628
ſtädtiſcher Beſißt und wurde um 15 fl. verpachtete. Die anderen Wirtschaften wurden
gewöhnlich auf die Dauer von 6 Jahren vergeben; für die Neubewilligung mußten jedes-
mal 4 Maß Wein begahlt werden.
Die Bi erb r au erei finden wir zuerſt im 15. Jahrhundert erwähnt. In der Türken-
ſchatzung von 1542 wird der Biermacher Wilhelm in Saarbrücken erwähnt, der 3 fl.
Steuer zahlte und somit ein gutes Geschäft hatte; in St. Johann gab es damals noch
keinen Bierbrauer. Graf Philipp UI. (15741602) war ein Liebhaber des Gerſtensaftes,
wovon auch sein rundes Gesicht Zeugnis ablegt; er schrieb einmal in einem Briefe, daß
in Saarbrücken wegen der Hitze kein Bier gebraut werden könne, und erbat ſich ein
Fäßlein von Weilburg. Die Stadtbehörde übte die Aufsicht auch über das Bierbrauen,
erhob das Umgeld und setzte die Taxe feſt. 1589 verordnete das Stadtgericht, die Wirte
ſollten kein Bier verſchenken, das unter 14 Tage alt sei. Die Auftuer ſollten das
Bier nach dem Werte ſchätzen; nötigenfalls sollte das Gericht selbſt verſuchen und
entscheiden. 1596 gab es drei Biermacher in den Städten, einen in St. Johann und
zwei in Saarbrücken, von denen der eine ſchon den in dieſem Gewerbe vielvertretenen
Namen Jakob führte. Dieſe wurden jeder mit 4 Maß Wein bestraft, weil sie das Bier
zu teuer verſchenkt hatten. Zwei Jahre später wurden die Biermacher beider Städte
wegen „unnützen“ Bieres verklagt. Das Stadtgericht entschied, daß nichts davon ver-
kauft werden dürfe, und daß jeder Bierbrauer den Armen ein Ohm Bier oder deren
Wert geben solle, herrſchaftliche und Gerichtsſtrafe vorbehalten. 1601 hatten die ein-
geſeſsſenen Biermacher bereits über auswärtigen Wettbewerb zu klagen. Fremde Bier-
macher von Forbach und St. Arnual verkauften ihr Bier im großen in die Städte,
das von den Käufern über die Gasse verſchenkt werde, „dadurch sie veracht würden
und ihr Handwerk nicht treiben könnten“. Darauf tat das Stadtgericht den weisen
Spruch: „Wofern die eingeseſſenen Biermacher ſich befleißigen, daß ihr Bier im Verſuch
besser denn das der ausländiſchen Macher befunden, sollen sie vor den Fremden erhalten,
die übrigen aber abgeschafft werden.“
Der Bierverbrauch nahm in der Folge stetig zu. Um 1625 gab es bereits vier
Biermacher in Saarbrücken, von denen zwei im Tal, einer vor der Marktpforte und
einer in der RNeugaſſe wohnte, und 1658 wollten sie eine Zunft bilden. Freilich hörten
auch die Klagen über ſchlechtes Bier nicht auf, und das Stadtgericht griff wohl zu dem
energiſchen Mittel, das Bier ausſchütten zu laſſen. Die Maß Bier (1 Liter) kostete 1679
einen Batzen oder 4 Kreuzer (16 Pfennige), im folgenden Jahre 18 Pfennige, 1681 die
Maß gutes Bier 5 Kreuzer, 1685 wieder nur 2 Petermännchen (Trierer Münze = U Pfg.),
im folgenden Jahre 2 Albus = 4 Kreuzer, 1687 nur 3 Kreuzer. Als im nächſten Jahre
die Gerſte im Preiſe stieg, wurde den Biermachern erlaubt, für die Maß 4 Kreuzer zu
nehmen, doch nur unler der Bedingung, daß ,sie gut und tüchtig Bier machen“. 1688
wurde Anton Fürmond in St. Johann um 5 Franken gestraft, weil. er sein Bier für
einen Batzen verkauft hatte, obwohl es für 12 Pfennige aufgetan worden war. 1715
wurde den Bierwirten verboten, Obſtwein zu verzapfen. Als Umgeld wurde vom Bier
die zwölfte Maß oder deren Wert entrichtet; dazu kam das sogenannte Pfenniggeld,
welches 3 Albus von der kleinen Ohm betrug. Die Viſsitatoren erhielten von der Maß
Bier "/s Pfennig als Gebühr. Die Braukesſſel mußten geeicht sein, doch wurde die achte
Ohm als Abgang verwilligt. In der Fürstenzeit wurde eine herrsſchafiliche Bierbrauerei
nebſt Bierwirtſchafl im Tal betrieben; auch in der Kohlwoge bei St. Johann befand ſich
ein srſſ§oitliches Wirtshaus. Diese brauchten zum Aerger der Bürger kein Umgeld
zu bezahlen.
72
Saarkalender für das Jahr 1927.
Älteſte Ganrbrücker Bchwimmanſtalt.
Den ,Alldahieſigen“ wird die im Jahre 1848 errichtete erſte Saarbrücker Bade- und
Schwimmanſtalt, die einer Gesellſchaft gehörte, noch in Erinnerung sein. Sie lag 100
Meter oberhalb der Bismarckbrücke auf der Altsſaarbrücker Seite. Der alte Latte erteilte
hier bereits in den Jahren 184821853 den ersten Schwimmunterricht an die Saarbrücker
Buwe. Latte war übrigens stolz darauf, kein „Hergeloffener“ zu sein, er war, wie er
Alte Badeanſtalt Latte's um 1850,
selbſt oft erzählte, ein „Hergeſchwommener“, da er einst auf einem Saarſchiff nach Saar-
brücken gekommen war. Derb und in seinen Ausdrücken nicht immer feinfühlend, ver-
stand er es doch, sich eine gute Stammkundſchaft heranzuziehen. Die Jugend konnte es
7T3
Saarkalender für das Jahr 1927.
ſtets kaum erwarten, daß die naturwüchſige Waſsſerratte auf seiner Anstalt die schwarz-
mwciß-rote Fahne hißte, das Zeichen des Beginns der Badesaiſon. Den Höhepunkt des
Bodebetriebes bildete damals die alljährliche Schwimmfahrt, die streng getrennt zwischen
Männlein und Weiblein ausgetragen wurde. Nach Beendigung des fröhlichen Wett-
kan.pfes gab es in der Anſtalt allerlei ſchöne Sachen, wie: Freibier, warme Würstchen,
Butterbrote uſw.
Unser Bild, nach einer alten Photographie von Lattes Badeanſtalt, zeigt als Buben
mehrere ſpäter bekannt gewordene Perſönlichkeiten des Saarreviers. Der Knabe im
Hemd oben links vor der Türe der Auskleidehalle iſt der ſpätere Lan dg erichts -
präſid ent Karcher, Vater des bekannten Korvettenkapitäns K a r ch e r und des
in Betkingen verſtorbenen Kommerzienrats. Daneben steht Paul H a l d y mit der Schul-
mappe unter dem Arm, Sohn des Kommerzienrats Haldy, Stifter des Paul-Marienſtiftes
in der Großherzog-Friedrichſtraße. He in r i ch B o 1 tz, Geh. Juſtizrat und langjähriger
Reichstagsabgeordneter des Wahlkreiſes Saarbrücken, macht es ſich unter der Brauſe
bequem, während Ju ſtu s Arnold, ein durch Eigenart ausgezeichneter St. Johanner
Kohlenhändler in der Kohlwaagſtraße, an der Angel baumelt.
Der geſunde Schwimmſsport, der heute im Saarrevier blüht, konnte sich jedoch erſt
kräftig entwickeln nach dem Bau von Schwimmhallen (Kaiſer-Friedrich-Bad 1906 und
die Röchlingſche Halle in Völklingen). Im Jahre 1908 trat der jetzt 500 Mitglieder starke
Schwimmverein Saarbrücken ins Leben, 1909 der 500 Mitglieder zählende Damen-
sſchwinimverein Saarbrücken. In demselben Jahre wurde auch der Schwimmverein
. Völklingen gegründet. Im ganzen Saargebiet iſt die begrüßenswerte Bewegung iv
verheißungsvoller Entwicklung.
Feld- und Gartenſchutz im alten Haarbräücken.
Von Prof. Dx. h. c. Ruppersberg.
Im Sladlprolovoli des Jahres 1626 leſen wir: „Nachdem des Bettelvogts Hausfrau in
Hans Kaſpar Ochsen Garten Kappes entfremdet, soll sie mii Kappesköpf behängt, andern
zum Exempel durch die Gassen als eine Diebin umbgeführt werden. Und das mit Recht“.
Ein anderes Mal heißt es: „Maria, Cyriak Schreiners Wittib, welche Kappes geraubt,
soll um 3 Gulden’ geſtraft werden; da ſie aber arm und viele Kinder hat, iſts beim
Gebot !) gelaſſen worden; und soll dem Beſschädigten seinen Kappes bezahlen und bei
Sonnenschein Bürgen bringen, oder aber die Geigensſtrafe vor der Pforten männiglich
zum Abscheu und ihro zum Spott und Schande herumtragen, dadurch sie des Gebots
entledigt sein soll. Verbrecherin will Bürgen bringen, bitt vor die Geige“. Diese. Geigen-
ſtrafe bestand darin, daß der oder die Schuldige mit Kopf und Händen in einen läng-
lichen Stein mit zwei Löchern gegwängt und so in den Straßen herumgeführt wurde.
Gartendiebe !vurden auch mit der Drillstrafe belegt, d. h. sie wurden in einen runden
hölzernen Käfig (Bubenkäfig) geſetzt und dieser mit ſchwindelnder Schnelligkeit solange
um ſeine Achſe gedreht, bis der Verbrecher sich in einem der Seekrankheit ähnlichen
Zustand: l cfand. ?; Ein anderes Marterinsſtrument war der Schneller oder Wippgalgen,
mit dem der Sünder ins Wasser getaucht und dann wieder in die Höhe geſchnellt wurde.
Auch Einſperren in das Narrenhaus wird als Strafe erwähnt. Im 18. Jahrhundert
wurden Gartendiebe an den Pranger gestellt, mit Ruten gestäupt, vom Scharfrichter g2-
bvandmarkt und des Landes verwiesen, Schulkinder aber öfsentlich ausgepeitscht.
An den früheren landwirtschaftlichen Betrieb erinnern in St. Johann noch die Namen
Beotzenſtraße und Futterſtraße. Die Betzenſtraße führte nach den Bitzen oder Betzen
(Gärten) hinaus und durch die Futterſtraße wurde das Heu eingefahren. Erſt der Bau
von Eisenbahnen ließ den gar nicht unbedeutenden landwirtſchaftlichen Betrieb zunächſt
t Umen und hgin gang aufhören. In St. Johann wurden 1855 noch 350 Kühe und
weine gehalten.
1) „Das Gebot older die Versammlung geben“ heißt vier Maß Wein für die Bemjühung der
Gerichtsherren gahlen.
2) Von einem ſsolchen Drillkäfig hat der Saarbrücker Triller seinen Namen erhalten.
74
E ..
Saarkalender für das Jahr 1927.
Haarlouiſer Erinnerungen.
Von R. Rudolf Rehänek.
Ball-Etikette.
Zu der Zeit, „als der Großvater die Groß mutter nahm“, das heißt in den vierziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts, legte man noch mehr Wert auf die Kleinigkeiten des
täglichen Lebens wie heute. Da herrſchte noch nicht der haſtende, ruheloſe Zeitgeiſt wie
in unserem Zeitalter der Automobile, Flugmaſchinen und Allerweltsbeglücker. Ein jeder
ſuchte sein Leben bequem einzurichten und nur ab und zu haſchte man nach „wichtigen“
Ereignissen“, um der Senſationsbegierde den pflichtſchuldigen Tribut zu zollen. -
Von solch einem „furchtbaren“ Ereignis wollen die folgenden Zeilen berichten.
Wurde da 1849 in unſsereni Kreissſtädtchen (Saarlouis) von dem dortigen Gesangverein
ein Ball abgehalten. Der Anfang war gut, die Tiſche gut besetzt und bis dahin auch noch
kein größeres Unglück durch die „Krinolinen“ der Damenwelt verurſacht worden. ~ Bis
da auf einmal die furchtbare Tatsache bekannt wurde, daß von mehreren Vertreterinnen
des zarten Geschlechts – keine weißen Strümpfe getragen wurden. – Ein paar Tage
darauf aber konnte man im Kreisblättchen, Wochenblatt für die Kreise Saarlouis, Merzig
und Saarburg, folgende Notiz lesen:
„Bei dem kürzlich stattgehabten Konzerte und Balle des hiesigen Gesangvereins
iſt bei mehreren eingeführten Damen eine ganz auffallende Vernach-
läsſſsigung ihrer Toilette bemerkt worden. Sollten die beiden Damen,
welche nicht in weiß en Strümpfen erſchienen sind, es für über-
flüſfig halten, darauf zu reslektieren, so wird denselben angedeutet, daß ſsie
in Zukunft für alle Ueberflüssigkeiten verantwortlich sind, welche von der Ball-
gesellschaft mißliebig bemerkt werden sollten! (Was würden wohl unsere lieben
„Kritiker“ heute ſagen?)
Diese Notiz sollte jedoch nicht unangefochten bleiben; sie drohte sogar der Anlaß zu
unangenehmen Verwicklungen zu werden. In der nächſten Nummer fand ſsie nämlich
eine dreifache Erwiderung. In einer derſelben hieß es u. a.:
„.. . daß, solange den Unteroffizieren etc. der Zutritt zu den Bällen in Kommiß-
kleidern erlaubt iſt, es keiner aus gezeichneten Toilette bedürfen
wir d, um anständig zu erſcheinen . . .“
Wie sich nun leicht vermuten läßt, wirbelte diese Erwiderung, besonders in Militär-
kreiſen, Staub auf, denn der Vorſtand des erwähnten Vereins ſah sich zu einer „Er-
klärung“ und zur sofortigen Einberufung einer Generalverſammlung veranlaßt, um die
Verfasser „der je d enf alls g e h ä ss i g en Aeußerung zu ermitteln“, und „damit die
betreffenden Untersuchungen sofort eingeleitet werden können, welchen die eklatantesie
Genugtuung des Vereins folgen wird . . .“ In der „Erklärung“ hieß es u. a.:
„. . . Wir fühlen uns verpflichtet, die Herren aus dem Dunkel zu ziehen und
ihnen zu bemerken, d a ß d er Di ensſtanzug d es Militärs ebenſoviel
gilt, als die b eſte Balltoilette des Zivilisten !“
Ob oder welchen Erfolg nun diese Untersuchung hatte, ließ sich leider nicht ermitteln.
Jedenfalls aber hatten unsere „Saarlouiſer"“ wieder einmal ihre „Sensation“ und auf
Wochen Stoff zum Klatsch. ~
Auch eine Errungenſchaft.
Eine der vielen „Errungenſchaften“, die das Revolutions- und ,„Freiheitsjahr“ 1848
dem deutſchen Volke gebracht, iſt auch die folgende.
Der Freiheitsgedanke faßte in dem genannten Jahre im Volke von Tag zu Tag
immer mehr Fuß und man ſuchte nach und nach die Ueberbleibſel des alten Regimes
möglichst für immer verschwinden zu lassen. So fanden sich eines guten Tages in Saar-
louis Aufrufe gegen die althergebrachte Art der Anrede beim Militär. Diese war bis
dahin beim gewöhnlichen Soldaten „Du“ oder „Er“. Die Anrede „Sie“ kannte man nur
in den Offizierskreiſen. Selbstversſtändlich war es jedoch den einzelnen Offizieren frei
überlaſſen, im Verkehr mit den Soldaten diese je nach ihrer perſönlichen Einschätzung
mit irgendeiner Anrede zu beehren. Diese „Einschätzung“ trieb nun oftmals die ſchönsten
Blüten. So berichtet uns die Zeitung (1848) folgendes ergötzliche Stückchen:
75
Saarkalender für das Jahr 1927.
„Die Landwehr ſteht in Reih' und Glied; der Herr Major geht die Front entlang
und unterhält sich g n ä d i g ſt (ein höchst fatales Wort!) mit der Mannſchaft. Ein hübscher
„Kerl“ fällt ihm auf, an ihn richtet er die Frage: „Wer biſt Du, mein Sohn?“ — Ant-
wart: „Der Kreis-Juſtizrath N.“ ~ Der Herr Major werden etwas röther im Gesicht,
wenden sich aber zum Nebenmann: „Wer iſt Er ?“ ~ Antwort: „Der Landgerichts-
Assessor B.“ Die Rdöthe nimmt zu und der dritte Mann nird gefragt: „Wer sind Si e“ __
„Des Herrn Kreis-Juſtizraths Kutscher.“ ~
So war es denn leicht verſtändlich, wenn es in der Folge zu den Aufrufen kam. Die
Londwehrleute von der unteren Saar gaben eine „Erklärung“ ab, in der es u. a. hieß:
. . . Die Armee ist nicht, wie in früheren Jahrhunderten, aus g e wor ben em
o d er zuſammeng e lauf ene m Gesindel und Vagabund en zuſammen-
geſetzt, ſondern aus dem Kern und ehrenfeſten Stamm des Volkes. Es ist also . . .
eine Pflicht des Vorgesetzten geworden, ihren Untergebenen, ohne Unterschied des
Ranges, nichi mehr mit dem aus Zeit en der Ro h h e i t herrührenden gemeinen
„Du“ oder „Er“ anzureden. Wir nehmen dies Recht hiermit in Anspruch und
wünschen, daß es einem hohen General-Kommando gefallen möge, demgemäße
Anordnungen zu treffen.“
Dem ,hohen General-Kommando“ hat es denn auch bald gefallen, eine Aenderung
zu schaffen; im Juni desselben Jahres brachte das Wochenblatt für die Kreiſe Saarlouis,
Merzig und Saarburg folgendes:
„Königlicher Erlaß.
Zur Beseitigung der bisher noch vorgekommenen Verſchiedenheit in der Anrede des
Scldaten beſtimme Ich hierdurch, daß forthin der Soldat jeder Waffe und jeden Standes
hen Anſpxuch haben soll, von seinen sämtlichen Vorgesetzten mit „Sie“ angeredet zu
Sans souc i, 26. Juni 1848. Friedrich Wilhelm.“
Die „Errungenschaft“ war nun da, der Soldat wurde künftig mit „Sie“ angeredet.
Aber auch dieſes „Sie“ fand ſpäter kein ungeteiltes Verständnis. Schuf doch der „Kommiß-
witz“ folgenden „Schnadahüpfl“:
„Bei Militär do ſan'’s höfli’,
Do reden'’s per „Sie“ ~
„Sie“ Esel, Sie“ Ochse,
„Sie“ Hammel, „Sie“ Vieh“. ... .
's herzkloppe.
Letſcht is zum alte Dokter kumm, „Ob der amenn ä Zaubrer is? —
& hibſches Kind vumm Land; Dumm TFerſchder is 's dr Sohn
Ihm war ſo ſchlecht, ihm war ſo weh, Der reißt äſo die Aue uff,
' Es preßt uffs Herz die Hand. — Doo kloppt mr’'s Herz devon!“
Der Dokter frooht, was ſei Begehr, „Derſchreiwme m'r doch ä Medizin,
Unn was em fehle däht? Ich bitt Eich herzlich drumm,
Doo ſaht das Mädche: „'s Herz duht weh," _ Dann wann Ihr m'r nitt helfe kennt,
„Wenn's nure noch nitt zu ſchbät?“ Do bringt mei Herz mich um.“ – ~–
n's is grad, als wann's verſchbringe wollt, Der Dokter fiehlt de Puls, unn ſaht:
So ä ängſchtliches Gefiehl, „Der Minſch ſchderbt nitt ſo ſchnell!“
Ball kloppt's, als wie ä Dreſchmaſchin, Du biſcht noch jung, mei ſcheenes Kind,
Ball ſchdeht's uff ämol ſchdill." Unn biſcht noch nitt ſo hell.
„Ball widder is mr's heiß im Kopp, Dei Krankhätt hählt der ähne nur, –
Dann iwwerlaafts mich kalt, Es kann nitt annerſchd ſinn;
Beſunnerſchd, wann begägent m'r Der Michel, der dr's Herz verrenkt,
Dr Michel aus em Wald.“ Der richt’ ÿr's widder inn!“
Frau L. G. L.
76
Saarkalender für das Jahr 1927.
Aufnahme von K. W.
Aus der Saarbrücker Fürſtenzeit.
Die JZehntenſcheuer am Rastphul. Wegen Baufälligkeit 1907 niedergelegt.
Die alte Zehntſcheuer.
Von CT. Schumann, Schreinermeiſter, Saarbrücken.
Ich weiß nicht, wieviele Zehntscheuern
unſere alte Grafschaft umſschloß, diejenige
aber, die wir hier im Bilde vorführen, stand
draußen, maleriſch von uraltem Efeu um-
rahmt im Talgrunde des Raſtphules und
war beſtimmk, den „Martinshafer“ oder
„Jehnten“, d. h. den zehnten Teil der Eritke
tzes jeden Köllertaler Bauern aufzu-
nehmen.
Man muß nicht annehmen, daß das so
ganz genau mit dem Zehnten (wovon
übrigens unser Wort ,Zinsen“ abgeleitet ist)
abgezirkelt worden wäre, womöglich die Er-
trägniſſe auf der Goldwage gewogen und
man nun auf Milligramm errechnet, den
zehnten Teil davon auf Treu und Glauben
abgeliefert hätte. Iedermann wurde damals,
wie auch heute, noch ,geſchätzt“, und zroar
durch Gerichtspersſonen, die, selbſt Bürger
und Bauern, in engster Fühlung mit ihren
Landsleuten stehend, deren Einnahmen ziem-
lich richtig kannten und selten wohl zu einem
77
Fehlurteil kamen. Außerdem war die
Zehntelabgabe ein so geringes Maß an
Steuern, daß wir Heutigen, die wir erhaben
über ſo etwas unsere Nase rümpfen, froh
sein könnten, wenn wir mit der Abgabe von
10 Prozent unseres Gesamteinkommens ge-
ſchoren und gebürstet wären. Wir könnten
ohne Murren auch noch die, allerdings un-
gerechten, immerhin aber minimalen Neben-
laſten, die die damaligen Bauern auch noch auf
ich nehmen mußten, ganz vergnügt tragen.
c< meine, als es noch gerecht zuging, der
Graf noch der Grave war, d. i. der Graue,
der Alte, wie man den Meister oder Vor-
steher heute noch nennt, und eigenllich nichts
zu sagen halte.
Später allerdings, als aus dem Grauen
der Graf wurde, ein Titel, dem a1iemand
einen rechten Begriff unterzuſchieben in der
Lage war, so daß sich viele der Herren, nm
ihren Mitbürgern gegenüber diesem vallig
inhaltloſen Wort eine Stütze zu geben, nichk
Saarkalender für das Jahr 1927.
Graf, sondern „Kraft“ nannten (z. B. Lud-
wig, Kraft von Saarbrücken), da wucden
mit dem wachſenden Dünkel und der Zahl
der aus der großen Krippe Gefütterten auch
die Anforderungen an die Bürger und
Bauern immer größer. Um dieſen Anforde-
rungen den Schein der Berechtigung zu
eben, die nirgendwo verbrieft und beſiegelt
ag, wurden von den Herren die sogenannten
Weistümer erfunden. Und die ſoprachen
ihnen immer das Recht zu, und zwar
ſo, daß, wenn zwei oder mehr von ihnen
Streit unter ſich hatten, vielleicht um ein
Stück Land, das keinem von ihnen gehörte,
das jeder aber gerne für ſich gehabt hätte,
jeder mit einem Weistum angewackelt kam,
das ihm Recht gab. Um die Sache dann
rein und unzweifelhaft zu entſcheiden, nahm
jeder von ihnen Schwert und Spieß, und
derjenige, dem es gelang, dem andern den
meiſt hohlen Schädel einzuſchlagen, war im
Recht und durfte das Stück Land behalten.
Die Nachwelt umwand dann ſein Haupt mit
dem Siegerkranz. ſchwur Eide auf ſeine
Ritkterlichkeit und nannte ihn einen wackeren
Kämpen und edlen Helden.
Um so ein Weistum zuſammenzuzimmcarn,
nahm man ſich einfach einen alten Mann
aus dem Volke, der genau so stolz darauf
war, von den Herren mit dem ihrem Vorteil
dienenden Vertrauen beehrt zu werden, wie
ein alkſaarbrücker Stadtrat, der vor der
Walhl die blutrünſstigſten Reden geschwungen
und versprochen hatte, den „ganzen Krempel
in die Wurſcht“ zu hauen, dem aber nach
der Wahl der Herr Bürgermeister die
Schulter tätſchelte und ihn mit „mein lieber
Herr Soundſso“ anredete. Gott, tat das ſo
wohl, und aller Blutdurſt verſchwand mit
einem Schlage!
Diesem Alten ſsuggerierkte man dann die
Weisheit, die er herzuſagen hatte, ſchüttete
ihm vielleicht gar noch ein paar Maß Wein
ein, kätschelle ihm den Rücken und das
Weistum war fertig!
Wie nun das alles zuſtande kam und was
alles gezehntet und geleistet werden Buße;
und was ſich alles an dem Schweiß der
Bauern und Bürger erfreute, das erzählen
uns die erhalten gebliebenen Akken aus
einer Nachbargrafschaft, deren Inhalt aber
ohne allen Zweifel auch hier bei 1ns der
maßgebende war.
NRehmen wir zunächst das mindestens ſchon
um 1600 gültige
Marktin-Register
über Ha wer und Geldtk
Renovirt
im Iahr 1722 d en 20k. No v e mb e r.
D a ß Multer, tet f G elt 2 alb.
Ueber das, was gezinst werden nußte,
gibt die erſte Seite Aufschluß. Sie lautet:
Martin Zinß wird von einem Ehrſamm
Gericht wie von Alters her erhoben.
Denn wie wohl hergebracht und auf jeden
geerbt, daß er ſoviel Gut, als 5 Schilling
wert in unſerer Gemarkung liegen hat, der
h L Guts t 1 N Rh
jährlich auf Martini ein Simmer Hawer und
4 Heller, wie dann hernach folgt, und in den
Frohnhof 1 Heller. Jedoch verstirbt einer,
ſo ſterben die 4 Heller ab, ſambt dem Sim-
mer Hawer. Jedoch der einzelne Heller
ſtirbt nicht ab, sondern gehet fort daraus der
g.); "1 weh selefe:t Herter. :!!::
einem Einheimischen seine Güter verkauft,
so darf (braucht) der Einheimiſche das Sim-
mer Hawer nicht geben.
Aber den fünſten Heller muß er geben.
Wann dann nun einer im Gerichllichen
Register verzeichnet, der vorstehe (komme)
tu . T Ul Pute vet ct;!
nächſten Tag hernach und wenn die Ein-
heimischen nicht kommen und ihren Heller
und Hawer vor Untergang der Sonnen nicht
ausrichten – und wie dann auch mit dem
Achtenſschnitt gehalten wird, wenn. einer aus-
bleibt, iſt dieses die Strafe:
den ersten Tag 5 Schilling, den andern
Tag 10 Schilling, den 3ken Tag 20
Schilling, den vierten Tag 40 Schilling,
den 5ten Tag 80 Schilling, den ſechſsten
Tag 160 Schilling, Exiconsiquinta, ſo lang
und viel biß der Zinß erlegt ist.
Wie es mit den Kosten (d. h. die Gebähren
für die mitwirkenden Gerichtspersonen) ge-
halten worden, wissen die Gerichte. Den
erſten Tag f: die Ausländiſchen erhebt der
Schultheiß beneben dem Büttel.
Nota: Die Außländischen sollen jährlich.
wie bräuchlich ihren Hawer ſelber bringen
und liefern ~
Nota: Wann der Achtenſchnitt nicht getan
wirdk, so muß jeder so ſelbigen zu thun
ſschultig, 2 44 auf Martini zur Erkendnuß
(Anerkennung) geben, und der Abt dem Ge-
richt das Imbs. :
Diese Hawer werden alſo geteilt wie folgk:
Unsere gnädige Herrſchaft nimmt vier
Malter beforab. Darnach macht man Vier-
e rv nimmt der Stummſchultheiß
ein Theil.
Darnach nimmt unsere gnädige Herrſchafk
die andere Dreytheil aber halb, darnach
nimmt der Herr von der Ley und der Herr
von Schönborn das übrige Theil.
78
Saarkalender für das Jahr 1927.
Nota: Soviel Simmer Hawer, so viel 4
Heller. Die Hawern und die Heller gehen
ab und zu, je nachdem Tokfall oder Kauf-
geſchicht.
Ich muß hier zur Erläuterung noch folgen-
des bemerken:
1. Besthaupt ist eine Abgabe bei Todes-
fall, etwa einer Erbſchaftssteuer entsprechend.
2. Der Achtenſchnitt bedeutet den Korn-
ſchnitt auf den herrrſchaftlichen Gütern. „Die
Achten“ iſt heute noch Flurbezeichnung in
Sk. Arnual. ;
3. Der Frohnhof war die H!!sftelle für
die Kirche St. Maximin in Trier, der ein
Abt mit Hofmann vorstand. Daneben, weil
doch die einheimische Geistlichkeit auch nicht
leer ausgehen wollte, bestand noch eine St.
Georgs- und St. Nikolausbruderſchaft, die
aber anſcheinend nur von freiwilligen Gaben.
die ihre „Büch s en m e it e r“ von Haus
zu Haus sammelten, lebte.
4. Der Stummſchultheiß (auch Stumb-
ſchulteßz) war nicht der eigentliche Stadk-
ſchultheiß, sondern diese Würde ſcheint bei
den Stumms durch Jahrhunderte erblich :
wesen zu ſein, und ihr Anteil ann dem Re-
bach, der ihnen vor den anderen wurde, ſo
etwas wie Zins für der gnädigen Herr-
ſchaften Vorfahren geliehenes Kapital. In
den Jahren 1661 bis 1684 nehmen sie aus
unbekannten Gründen ihren Hafer nicht ab,
N tl eren kr O zer g Scheuer njen
Soldaten geſte len, der übrigbleibende Teil
dann von der Gemeinde verkauft.
5. Simmer war ein Hohlmaß, das nach
dem Malter kam. Die Einteilung war:
Malter, Simmer, Sester und Milster.
Etwa um 1590 noch waren die zu leislen-
den Abgaben anderer Art und gelangten
niht an die Herrſchaft, ſondern an die Ge-
Es zinste da beispielsweise:
Bender Matheß der Moller (Müller Z
Moleſtatt- Mühle) 1 Huhn und zehn Eier
halb. Die andere Hälfte Gerbers Erben.
Diese einzeln wieder je ein Viertheil davon.
Eſels Wendel zahlt nur in ungeraden
Jahren 1 Huhn und 10 Eier uſw.
Die Beſsthäupter haben zwar mit unſzrrer
Zehntscheuer nichts zu kun, erwähnt sei aber,
ba >: V tum és; den Gerichksperſonen,
mögen s p Prien ehen ver.
einem bis drei Thalern schwankten.
Für ihre Mühe beim Erheben dieser Ab-
gaben stand Schultheis und Schöffen eine
. da
Belohnung seitens der sich in den Raub
teilenden zu. Dies wird bei der jährlichen
Aufrechnung folgendermaßen stets erwähnt;
Anno 1724
iſt an Martktinshafer gefallen 11 Malter.
Darvon erhält die Herrſchaft 68 Malt. 6 Sim.
2 Sester. Davon Herrn von der Ley und
Herr von Schönborn 2 Malt. 5 Sim. 2
Sester. Der Stummſchulteß 1 Malt. 6 Sim.
2 Sester. An Hafergeld erhält die Herr-
[s 21 Petermänncher, der Fronhof 6
An Unkosten so das Gericht jährlich zu
verzehren hat:
Von der Herrschaft
dem Stummſchulteß
von der Ley
und Herrn von Schönborn 10 Albus.
Wird der Gulden gerechnet zu 24 Albus.
1 fl. 10 Albus,
10 Albus,
An und für sich recht beſcheidene Zahlen
im Vergleich zu heute. Dennoch aber wur-
den dieſe Abgaben von der damaligen Bür-
aerſchaft zum mindesten als recht lästig einp-
funden, die darum mit allem Eifer J at
bxdocht. war, sich soweit wie möglich davon
zu drücken.
Zehntkpflichtig waren nämlich nur die Feld-
früchte, Hafer, Spelz, Roggen und dengl.
Was in den sſsogenannken Kappesgärtken, die
fest umzäunt sein mußten, gepflanzt wurde,
Gemüſe, Gbſt und Futterrüben, war nicht
zehntpflichtig. Was war da natürlicher, als
up tr fur Sery reg u "U:
Feldfrüchke in die Gärten zu pflanzen und
die Gemüſe und Obstbäume ins freie Feld.
Anfangs ging die Geſschichte auch ganz gut.
Als aber Serenissimus auf einem Spazier-
gang durch Ihro Lande einmal ihr hoch-
wohlgeborenes Auge über einen jener Zäune
in den Garken eines Untertanen ſchweifen
ließen, ersſpähten sie diesen gemeinen Betrug
Fr URI c gu u H Lots
in nachſtehendem Ukas entlud:
Nachdem bei hiesiger Canhley die be-
chwerende Anzeige geſchehen, daß ver-
chiedene Gemeindsleute aus unrichtigen Ab-
sichten neuerdings angefangen in ihren
Gärten zehendbare Früchte, hingegen in dem
Feld ihr Gemüse zu pflanzen, sofort gebeten
worden, dieſes zur Uebervorteilung des
Zehendens abzweckende Beginnen von Ob-
Veen Per Vércchtiqkeit and Willigkeit
gemäß befunden und verordnet hat, daß
unter namhafter Strafe Niemand künftighin
79
„Vas iſt eine Matrone?“ ſo fragte jüngſt die kleine Frieda ihren Dater. „Das iſt eine ältere, ehrwürdige
Frau, eine alte Mutter“, erklärte er. Nach einiger Zeit ruft Frieda, freudig erregt, „gelt Papa, und eine
P a tr one, das iſt ein alter Vater, wie unſer Opa?“
Kindermund. Papa ſoll morgens früh aus den Federn, ſo ſchwer es ihm auch fällt. Er nimmt einen Anlauf
und zählt: „Eins . . . zwei . . . drei, da ertönt aus dem Bettchen des vierjährigen Fritßchen, das sich im
gleichen Zimmer befindet, die Stimme des hoffnungsvollen Sprößlings: „g ' ſ u f f a !“
jj; jj Mj)MG ff M.Aj. M. . Mj.. j.... j.MI MG.... |MJj..OO9.MD ... OIGj..DIH j.. .....
5 . E y :.
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Annahme von Depoaositen.
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TTD 70770 M 7 MM
II
Ihjllli
Saarkalender für das Jahr 1927.
seine Gärten mit zehendbaren Früchten, cs
seye denn, daß von Jemanden ſseine Gärten
nicht aile oder völlig zu Gemüſe vernuget
werden könnten, zu beſamen ſsſich unter
stehen, sondern solche mit Gemüs bepflanz.n,
hingegen die zehendbare Früchten auf das
Feld ſäen solle.
Als bleibt dieſe Verordnung Schultheiſsen
Küſtner zu S. mit dem Befehl hiemit ohn-
_ verhalten, dieselbe zu eines jeden Nachricht
und ſewiher Befolgung bey öffentlicher Ge-
meinde zu publizieren. Datum etc.
Cantzley daselbst.
Flugs wurden auch im Beisein der ganzen
Gemeinde die Obstbäume im freien Felde
gezählt. Es waren ihrer fünfundzwanzig,
ie teils „eländ“, teils zu zweien und üreien
standen; Holzäpfel sowohl als Poß = ge-
pfropfte Bäume, Bier- und „Prum“. =
flaumenbäume.
Viel größere Erträgnisse lieferte der
Achtenschnitt, an dem die ganze Gemeinde
h;ſehen mußte. Das Weistum darüber
Mit dem Alchtenſschnitt berichtet Beſt
(Sebastian) Bauſch der Elteſt im Gericht,
deſſen Vatter vor diesem auch das Hoſgut
in Händen gehabt, d a ß w er s o vi el Gut
in der Gem arkung h ab e, d a ß m an
könne einen 3b einigen k u h l
darauf ſtellen, der ſei d en Ach k e n-
[hy !ti s < ul d i g , und muß also ein jeg-
icher, wo es den Tag zuvor von dem
Schulteiß in Beisein noch eines Schöffens
yr zevuudiat zird. fler erh che t
7 Uhr vor Mittag. Alsdann wird einem
jedweden ein Stück Käs und Brod ſamtk
einem Becher Weins gereicht, fürder 1.m 10
Uhr wiederum soviel und um 11 Uhr, wie sie
denn nicht länger zu ſchneiden ſchuldig ſind,
gebührt einem jeden ein Brot deren 32 aus
einem Binger Malter gebacken werden. Da-
mit aber solche Schnitter desto fleißiger
ſeien, sind jeder Zeit 2 Schöffen dazu ge-
ordert worden, welche dieſe angehalten und
jedwedem sein Gebühr gereicht haben. Da-
mit nun diese beiden, als der Schulteiß und
der bei sich habende Schöffe des abends zu-
vor die Schnitter bescheiden, so iſt des Abts
Hoffmann ihnen ein Imbs zu geben ſchu!dig,
und des andern Tags, wenn die Schnitter
um 11 Uhr aufhören, wiederum ein Imbs.
Wie es mit dem Aufbinden gehalten worden
sei, berichtet auch Best Bauſch obengenanut,
daß es die verordnete Schützen (Feldhulerc)
zu thun schuldig seien, dagegen ihnen cin
hals Malter Korn geliefert wird von dem
ofmann.
Aktus den 21/24 July 1629.
Schulteiß und Gericht.
Waren diese Einnahmen durch Zehnten,
Achtenschnitt usw. geringfügiger Natur, so
war der Ertrag aus dem Beſthaupt (Erb-
ſchaftsſteuer) um vieles besser, ganz beson-
ders natürlich in den Jahren, in denen
Seuchen das Land heimsuchten. Die Steuer-
einnahmen der Herrſchaften an Geld waren
immerhin im ganzen genommen, erheblich,
aber die Bürger von heute könnten alleſaiak
froh sein, die in steuerlicher Hinsicht guten
alten Zeiten mit ihrer Zehntenscheuer aufs
neue verwirklicht zu sehen.
Saarbrücken und das Berliner Jahndenkmal.
- Nm 7. Jonuar 1813 ſprengten die abziehenden Franzoſen zwei Bogen der alten Brücke, um die dicht heran-
gerückte Vorhut des York'ſchen Korps aufzuhalten. Ein Stein der Brücke fiel in den Garten des ,,lhofapo-
thekers“ Kcch am Schloßberg nieder. Der Beſitzer ſchenkte den Stein im Iahre 1863 den Saarbrücker Turnern
mit der Beſtimmung, daß er in den Unterbau des Iahndenkmals in der Haſenhaide in Berlin eingemauert wer-
den ſollte, wo auch Steine vom Teutoburger Wald, vom Hohenſtaufen, von Sickingens Burg Landſtuhl, von
. Huttens Heimat Steckelberg, von Düppel und eine Kanonenkugel von dem däniſchen Kriegsſchiff „Chriſtian VJJII."
eingemauert ſind. Der Stein trägt die Aufschrift: „Saarbrücken und St. Iohann, den 3. Februar1865" und die
von dem Rechtsanwalt Dietzſch in Saarbrücken verfaßten DVerſe:
Zwanzig Jahre trug ich den Gallier über den Saarſtrom,
Dann auf ſtürmiſcher Flucht aufschleudert er mich in die Wolken.
Nieder kam ich jedoch auf wieder befreites Ufer,
Und da ruht’ ich seitdem. Nun ſandten die Turner vom fernen
Saargau mich hierher, den Dater zu ehren, auch allen
Brüdern Gruß zu bringen und herzliche Mahnung, daß nimmer
Wiederkehre der Tag, wo ſtraflos der Fußtritt der Fremden
Deutſche Erde entweiht' und der Bruder verſäumte den Bruder.
„Was iſt eine Matrone?“ ſo fragte jüngſt die kleine Frieda ihren Dater. „Das iſt eine ältere, ehrwürdige
Frau, eine alte Mutter“, erklärte er. Nach einiger Zeit ruft Frieda, freudig erregt, „gelt Papa, und etne
P a tr o n e, das iſt ein alter Dater, wie unſer Opa?“
Kindermund. Papa ſoll morgens früh aus den Federn, ſo ſchwer es ihm auch fällt. Er nimmt einen Anlauf
und zählt: „Eins . . . zwei . . . drei, da ertönt aus dem Bettchen des vierjährigen Fritßchen, das fich im
gleichen Zimmer befindet, die Stimme des hoffnungsvolken Sprößlings: „g ' ſ u f f a !“
szz4;04;04;1680:09;06;06;06:06:1:1:1;4;.h1;04;06;!09;:06;.06;.06;;06;G;G;GE:
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Drei Aerzte fahren in einem Abteil in der Bahn und unterhalten"ſich, wobei jeder ſeine Kunſt?in das rechte Licht
zu ſtellen ſucht. Der erſte : „Meinen größten Erfolg hatte ich im Kriege bei einem Soldaten, der durch eine Granate beide
Beine verlor. Die nach meiner Anordnung angefertigten Prothesen und die gute Heilung ermöglichten dem Manne, heute
als Schnelläufer aufzutreten. Der zweite: „Ich heilte die Wunden eines Mannes, der beide Arme einbüßte ſo vortrefflich,
daß er heute mit den künſtlichen als Preisboxer ſein Leben friſtet.en Der dritte: „Ich hatte noch mehr Glück. Einem
Soldaten wurde durch das Sprengſstück einer Granate der halbe Schädel weggeriſſen. Schnell wurde das fehlende durch
ein friſches Kalbsgehirn erſetzt und heute iſt der Mann eine Nummer “ Das fröhliche Lachen der beiden Kollegen
ließen ihn seinen Satz nicht vollenden, ſodaß man leider nicht erfahren hat, wo dieſe Nummer ſteckt.
L§z]ſhte
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Die gut HGtubb.
Von Liesbet Dill.
Nicht zu verwechseln mit der ,„Stubb“, diesem nützlichen Raum, in dem man alles
verſtaute, in die ſich die Familie in Pantoffeln versammelt, in der es immer warm iſt
im Winter und in der man im Sommer auf Wachstuch ſpeiſt, es iſt die gute Stube, der
Salon, der einst in jeder Familie vorhanden war. In der einfachen guten Stube waren
die Wände getüncht mit kornblumenblauen Muſtern auf weißem Grund, oder prangten
in ockergelben Tönen mit prächtigen grünen Glockenblumen bestreut. Es befand sich darin
immer ein hartgepolstertes grünes oder braunes Ripssofa mit gehäkelten Schutzdecken,
eine Kommode, auf der unter der Glasglocke ein silberner Brautkranz oder ein grüner
Myrthenkranz lag, ein Poesiealbum aus rotem Plüſch oder eine Bowle aus grünem Glas
mit Maiglöckchen. Auf dem Sofatisch stand ein Napfkuchen, in der Ecke eine Hutſchachtel
mit dem Zylinder, Rohrſtühle, ein eiſerner Ofen vervollſtändigten diesen Raum, der nicht
ée längeren Verweilen ermunterte, denn es war immer sehr kalt darin, sogar im
ommer . . . :
Die Vorhänge waren ſtets blütenweiß, in diesem geheiligten Raum wurde nie geraucht
und tie geheizt, wenn man eine Blume einen Tag hineingeſtellt hätte, sie wäre vor
reck erstarrt.
In der feineren gut Stubb gab es Tapeten, braune Blumen auf Goldgrund oder um-
gekehrt, Nußbaummöbel mit Muſchelaufsatz, ein Sofa mit Umbau, auf dem Nippsfiguren
ſtanden, von herumziehenden JItalienerknaben an der Türe gekauft, ein Klavier, mit
einer grünen Plüſchdecke mit Bommelchen behangen. Auf den Tasten lag eine schön
gezackte grüne Filzdecke mit Motiven aus Tannhäuser eingestickt, „o du mein holder
Abendstern“. In diesem Zimmer war überhaupt viel Stickseide verwendet worden und
auf den Fenſtermänteln prangten Blumen aus Lockenwolle.
Vie gut schmeckte z. B. ein Napfkuchen, der ein paar Tage in der gut Stubb gestanden
hatte, von Fliegen umſurrt auf der Kommode mit den weißen gehäkelten Decken. Manche
taten ihn in eine alte Helmſchachtel, damit er sich besser hielt. Die Wände zierten Schnee-
ballenbuketts, sie grassierten einſt wie die Masern. Jede Dame fertigte sie an, roſa, weiß,
grün, an Winterabenden bei der Lampe, mit Gummistengeln und Blättern. Was für einen
Zweck sie hatten, wußte niemand, deshalb tat man sie in die gutt Stubb, sie waren dort
in beſter Gesellschaft, umkränzten die Bilder der Großeltern oder Gruppenaufnahmen
von Turnerfeſten, Fahnenweihen und Maskenquadrillen.
In der guten Stubb ersten Ranges begegnete man lauter guten Bekannten. Vom
Dornauszieher aus Gips bis zum sterbenden Fechter aus Bronze, der Bettlerin vom Pont
des Arts und lieblichen Mädchen von Paul Thumann, die mit unwirklich schönen Jüng-
lingen charmierten, und immer tadelloſe weiße Togas anhalten. bemalte Ofenſchirme.
mit der Klosterruine Heiſterbach, der Tells-Kapelle und dem bengaliſch beleuchteten Heidel-
berger Schloß, goldbronzierte keulenſchwingende Germanias auf dem Umbau des Sofas,
die herunterfielen, wenn man sich einmal der Länge nach auf den Kameltaschen dieser
Paneelsſofas ausſtreckte. Es mußte alles türkisch sein oder wenigstens arabisch, in einigen
Salons fand man exotiſche, eingelegte ſchwarze Tiſche, die in einen Harem gepaßt hätten,
oder Zelte aus bunten Kelims in der Ecke mit alten Waffen. wild und maleriſch, worin
sich der Staub sammelte und die Motten Eier legten. f
Vor dem Klavier ſtolperte man über einen ausgeſtopften Fuchs mit falschen gläsernen
Augen und vor jedem Sessel stand ein perlgeſticktes Fußbänkchen. ; ;
Ich hatte mir einmal vorgenommen, einen reichen Amerikaner zu finden, der ein
Krewatorium ſtiftet und alle Gegenstände, die ich in der guten Stube habe sehen müssen,
aufkauft und sie verbrennen läßt. Andenken aus Bädern, ausgestopfte Eichhörnchen und
verſtaubte Spinnrocken, an denen doch niemand mehr spann, Tintenwiſcher aus haarigem
Filz, Papierkörbe aus Geweihen, gestickte Staubtuchkörbchen, Porzellanhasen, Rehe und
Pilze, die auf Teppichen lagern oder dem Klavier. Aber der eiſerne Beſen der Zeit, der
marches mitgefegt hat, dem wir nicht nachtrauern, hat auch die ciskalte, blankgeputzte
gute Stube mitgefegt. ~ Und wo ſie noch vorhanden ist, iſt ein Mieter hineingezogen, der
zuweilen von den ausgestopften Eichhörnchen und dem Dornauszieher träumt, der seinen
Hut pietätlos über die goldſtrahlende Germania stülpt und mit den Schneeballensträußen
sein Feuer ansteckt. Unsere Enkel werden kaum noch wissen, wie sie ausgesehen hat, die
gute alte Dame, die nun sanft entschlafen ist, wir aber, die wir ſie gekannt haben, wollen
ihr keine fr“'e nachweinen. Sie ruht in Frieden . . Möge sie in keinem Jahrhundert
mehr auferſtehen . . . i
81
Saarkalender 1927 6
Saarkalender für das Jahr 1927.
Zur Totengruft eines Haarbrücker Helden.
Von Th. Schmidt.
Reines, tiefes Himmelblau und weiches '[Sonnengold weben einen frohen Spit-
ſommertag über Straßburg, der „wunderschönen Stadt“. Feiertich klingen von
altehrwürdigen Türmen Sonntagmorgenglocken hin über das weite Häuſermeer dort
zwischen Ill und Rhein.
Von der Plattform des, Münsters schauen wir bewegt hinein. Das gewaltige
Sursum corda dieses gigantisch aufsteigenden Wunderbaues hält uns in seinem Baan.
Dieſe wuchtigen, in ewiges Beten gewandelten Steinrauſchen mit ihrem genialen und
koſtbaren Formen- und Zierwerk, überthront von dem ſchlanken, durchgeistigten Turm-
helm, stellen uns die ganze, überwallende deutsche Kraft und den frommen, opfer-
freudigen Sinn ihrer Zeit vor die ergriffene Seele.
Tief drunten uns zu Füßen schmiegt sich Alt-Straßburg um das Münſter, Straßburg,
das urdeutsche. Im mittelalterlichen, doch vielfach wohlhabend reichen Bürgergewand
die grauen, engwinkligen Gassen, die so eigen anmutende altdeutiſche Namen tragen;
Häuſer, deren ſchmalſchlanke Giebel zum nachbarlichen Plauſchen sich zueinander neigen,
seltſam verbuckelte, altersgraue Dachhauben schief auf dem Kopfe. Ueber sie hin geht
der Blick hinüber zu dem stolzen, pomphaften Straßburg der Neuzeit, das drüben
hingebreitet liegt, signiert von der Riesſenkuppel des Kaiserpalaſtes, weiter dann in das
fern ſich dehnende, einzigschöóne Elsſaßland. Wie kleine Inseln im grünen See ſind
leuchtende Dorsschaften in die Ebene eingeſtreue. Im Osten der Stadt mwallt hinter
dem Grün von Pappelwänden der sonnüberglänzte Rhein. Jenseits des Stromzugzes
wulchtet das dunkle Maſsſiv der Schwarzwaldberge auf. Von Weſten her wogt die
Flut der formenſschönen, burgenüberragten Wasgaukuppen blau und lockend herein.
Reiches, gesegnetes Elſaßland! Deutsches Alemannenland eines Spener, Oberlin,
Pfeffel! Verlorenes, deutsches Land! . .
. Hart rauſcht die Trikolore am Münſterturm und bläht sich auf. Mein! — klatſcht
sie uns höhniſch ins Gesicht.
Weh faßt uns ans Herz. Wir wenden uns. Zerrisſsen klafft und geborſten vor
uns die TNlaltsſorm des südlichen Turmſtumpfes auf. Rieſige Stahlarme, tief in Beton
verankert, recken ernander entgegen, wieder zu verſchweißen, was da auseinanderriß und
in weiten Spalten des gewaltigen Turmwerks klafft. Droht das, sich in den wankenden
Boden zu senken in hartem Kummer um das Geschehene zu seinen Füßen? Wißt aber:
Eiſenanker und Betonbinden zwingen niemals Herzwunden zu. Und so viel deutſche
Seele, so viell deutscher Geiſt und deutsches Heldentum ist eingesſargt in deinen Grüften,
Straßburg, daß deine Wunden ewig quellen müssen und daß unser Herz darum erst
recht nicht von dir laſſen kann, trotz der Trikolore auf deinem Münſterturm . . .
Deutsches Heldentum!
Machtvoll wallt Glockendank von drunten zu uns herauf. S t. Th o mas läutet,
das altehrwürdige dort. Es geht etwas von der Wucht und dem strengen Ernſt ihrer
Formen und Mauern in diesen ehernen Schlägen.
Und noch ein anderes ſchwingt in ihnen uns zur: Das Bahrlied eines deutſchen
Helden, der in stiller Totenkammer unter ihrem Bogenwerk ruht, eines Helden,
entsſprossen unserer deutschen Heimat an d er Sa gor.
Wle wenige nur, die es hinführt zu den hiſtoriſchen Stätten Straßburgs und ihren
reichen Schätzen, wiſſen um die Gruft dieſes Saarbrücker Grafensſproß dort in der
ärmlichen Andreaskapelle der St. Thomaskircher Um das seltſame Band auch, das
in seinem Tod und in seiner Ruhestätte webt zwischen der alten Reichs- und Münſter-
tadt und unserer Heimatstätte Saarbrücken? –~ In der Ebene drüben gen Zabern
[a: reckt aus dem blauen Duft der Ferne die Höhe des Kochersberg auf. Auf de:n
Blachfeld ihr zu Füßen vollzog sich das Beschick einer der Edelſten aus dem Saarbrücker
Grafengeschlecht, zu dessen heimatferner Totengruft mahnend uns bie Sonntagglocken
von St. Thomas rufen. ~
Maſſig uud schwer reckt der Bau der Thomaskirche über seine stille Umgebung
empor. Romanische und gotische Zeit schufen an Fassade, Schiff und Turmwerk und
82
| Saarkalender für das Jahr 1927.
prägten ein buntes Gemisch von Rund- und Spitzbogen, kraftvollen romanischen Säulen
und zierlichen gotiſchen Streben. In der Fassade, die in roten Sandsteinquadern wie
in hierarchiſch ſtrenger Einfachheit aufstrebt, sind noch die Formen der Urktirche Straß-
burgs enthalten, die Adelochus, der Bischof der mächtigen Strateburg der Karolingerzeit,
um 825 hier im romaniſchen Baſilikenſtil erbauen ließ.
Ruhiges, weihevolles Spiel eines alten Orgelwerkes empfängt uns beim Eintritt.
Kühler, ernſter Tämmer durchwebt die gotiſchen Hallen. Lieles bergen sie, was macht-
voll zum Herzen spricht. Doch nach einer Stätte drängt es uns gewaltsam hin. Und,
geleitet von dem alten |[Sakristan, schreiten wir seltſam bewegt unserem Ziele zu.
Vor uns öffnet sich eine ſchwere Eichentür, und ein niederer, gewölbter Raum
nimmt uns auf. Bunte Fenster dämpfen das einfallende Licht. Halbdunkel deckt ſcheu
die enge Totengruft, als wolle er ihre Dürftigkeit mitleidig verhüllen. Wenig würdig
. erſcheint uns, wir schwarze Spinnweben und grauer Staus Gewände und Sims eindecken
und auch über die Totenſstätten dort sich breiten. Die Mitte des Raumes nimnit
ein niederes Geſtell ein, auf dem ein kistenförmiger, schmaler Steinſarg ruht. Es ist
eine Steinmetzenarbeit des 9. Jahrhunderts. Einfache romanische Zierleisten, sicher ge-
zeichnet und lrefslich ausgemeißelt, und eine gleiche Inſchrift in romanischen Lettern
bedecken die Wände des Sarkophages. Letztere bekundet, daß ex die Gebeine des
Bischofs Adelochus enthält, des Erbauers jener Thomaskirche aus der Zeit um 830.
Suchend geht der Blick durch den engen Raum. Da weiſt unser Führer auf die
Schrägwand uns zur Linken hin. Und gar nüchtern und eigen mutet es uns an, wie er
in ungelenkem Deutsch teilnahmlos seine Führererklärung hersſagt: „Dieses ist der
Fürſt von Nassau, welcher während dem dreiß'gjährigen Kriege zwiſchen Zabern und
Straßburg auf dem Schlachtfelde als Generalmajor fiel. Er hatte die nämliche Keidung,
nur die Handſchuhe wurden gewechselt. Auf dieſer Kleidung trug er den Harniſch,
ſo wie damals alle Ritter.“ .
Schweigend stehen wir in der engen Totenkammer. Etwas ganz Eigenartiges legt
ſich uns aufs Herz. ein Ergriffensein, das sich durch die Anwesenheit des Fremden de-
drückt fühlt unt: das allein sein will mit dem Toten vor uns, unserem Toten. Fühlt der
Alte, was uns bewegt und wortlos daſtehen läßt? Seine Tritte schlürfen hinaus.
In ein Totenanllitz zu schauen, bedeutet auch für das starke Herz ſtets die Verwindung
einer leiſen Scheu. Das heiße Leben fröſtelt vor der Starre und Kälte des Todes.
Die Totenhülle vor uns hat die Kunst des Einbalsamierens vor dem Verfall bewahrt,
î wenn auch eine Zeit von 250 Jahren Gestalt und Züge ſtark berührt haben mag. Jit
es aber, daß um Wange und Lippe noch in blutſchvwargen Malen die Kampfwunden
stehen, die dem Tapfern den Tod brachten? Adliger nur prägen sie das Totenantltlitz,
und inniger umfzngt sie unser Blick. – Rock, Weste und Beinkleider aus grauem, wild-
lederartigem Tuch hüllen die Gestalt des Toten ein. Das Haupt ruht auf einem ver-
blichenen Kissen. Den Kopf bedeckt eine runde Mütze aus Silberstoff, die im unteren
Teil von einem Spitzengewebe umrandet iſt. Eine Spitzenkrauſe überzieht auch den
Rock um den Halsausschnitt. Die Hände sind mit gamsledernen Stulphandſchuhen, die
Füße mit derben, ſchwarzledernen Felldsſchuhen bekleidet. Die Leiche ruht in einem
tiefen, gradwandigen Kasten aus starkem Eisenblech, der mit einem durchgehenden
Glasdeckel versſchloſſen ist. Die Innenwände sind weiß, die Außenwände in dunkel-
brauner Holzfarbe gestrichen. Dieser Innensarg steht in einem hohen Sargunterteil
aus Eichenholz. Das Ganze ruht auf einer niederen schwarzen Hoizbahre an der
schrägen Seilenwand aufgestellt. Es. iſt, als ob die ganze Armut und Not jener Zeit
um 1677 und das troſtloſe Geschick eines Landverwiesenen aus dteſer dürftigen und
vernachlässigten Totenſtätte lebendig vor uns erstehen wollten. Und die dicke, dunkle
Staubdecke ouf dem gläsernen Sargdeckel gemahnt uns wie ein beschämender Vorwurf,
daß das Saarbrücken der Zeit von 1870 bis 1914 seinem Grafensproß und Sohne nicht
eine würdigere Grabſtätte wußte, der doch in so heldenhafter Treue für seine deutsche
Heimat an der Saar litt und ſtarb . . .
„Dulce pro patrin mori“ kommt es in ssiegstarkem Siolz von der Totenstätte her.
Vor uns erſtehen die Jahre der Not und Schmach von 1662 ab, da die Vergewaltigungs-
politik Ludwigs XIV. auch nach der Grenzmark an der Saar griff und den junzſen
Grafen Adolf von Saarbrücken zwingen wollte, seinem Kaiser den Treueid zu brechen
und sich in den Dienſt des Reichsfeindes zu ſtellen. Allen Lockungen und Drohungen
83
Saarkalender für das Jahr 1927.
aber setzte der Graf mutig sein „Nein!“ entgegen und den Entschluß, lieber am Bettelſtav
in die Verbannung zu gehen, als treulos seinen Eid zu brechen. Mit roher Gewalt
verletzte man die Rechte des Grafen. Und als er sich dagegen entschieden verwahrte,
schleppten franzöſiſche Musketiere ihn gefangen nach dem Saarbrücker Stadthaus, und
eine Reiterſchwadron brachte ihn am Tage darauf, am 11. Dezember 1673, nach Met.
Als er nach harten Drangsalen einer mehrmonatigen Haft endlich dort freigelassen
wurde und am 13. Mai 1674 nach Saarbrücken zurückkehrte, verwies der französiſche
Kommandant ihm den Eintritt in das Schloß seiner Väter. Landflüchtig irrte der Graj
umher, bis er 1675 die Stelle eines kaiserlichen Generalwachtmeiſters zu Pferde und
Okerſten über zwei Kreisregimenter erhielt. Als solcher nahm er 1676 an der Belage-
rung der Feste Philippsburg teil, die das Ausfalltor der Franzoſen gegen Süddeutſchland
bildete und damals von den Reichstruppen erobert wurte. Saarbrücken und ſeine
Regentin, die mutige Gattin des Grafen, Eleonore Klara, aber erduldeten in jenen
Jahren alle Schmach und Not, die die Soldateska Ludwig: XIV. und ihre Führer ihnen |
antaten. Reichstruppen unter der Führung des Herzogs von Lothringen wandten ſich
nach der Saar zur Vertreibung der französischen Horden. Bei dem Kampf um Stadr
und Schloß Saarbrücken gingen beide faſt gänzlich in Flammen auf, und die Gräfin
entkam nur mit knapper Not dem Tode. Das Heer des Herzogs zog nun nach dem
Elſaß, wo Reichstruppen unglücklich gegen den Marschall Crequi kämpften. Erkundrt-
gungsritte der Kaiserlichen gegen das französiſche Lager führten am 7. Oktober 1677
am Kochersberg zmiſchen Straßburg und Zabern zu einem Kampf, bei dem den Kaifer-
[ichen durch die Uebermacht der französiſchen Reiterabteilungen die Vernichtung drohte.
Der herbeieilende Herzog aber zwang die französische Truppenmacht zum Rückzug. An
diesem Gefecht nahm auch Graf Guſtav Adolf mit seinen Regimentern teil und erlitt |
im Kampfe tödliche Verwundungen. Er fiel in die Hände der Feinde, die ihn nach
Straßburg brachlien. Hier erlag der Fünfundvierzigjährige am 9. Oktober seinen
Wunden. Fern der Heimat fand er seine Ruhestätte in der Andreaskapelle der St.
Thomeskirche. Freiwillig hatte er den Kriegsdienst im Reichsheere gesucht, als die
Landesverweiſung ihn ohnmächtig machte, für Recht und Freiheit seines väterlichen
Erbes ſich noch weilerhin einzusetzen: Und im Kampfe mit dem Unterdrücker besiegelte
er im ehrenvollen Reitertod die Treue zu seiner geknechteten Heimat und zu Kaijer
und Reich. Es blieb ihm erſpart, die Demütigungen zu schauen, die seine Gemn<aehſtun
noch weiterhin zu erdulden hatte, bis das Jahr 1797 im Frieden von Ryswyk die endliche
Befreiung von der Fremdherrſchaft brachte.
Tragik und Sieg eines harten, doch heldenhaften Lebensgeſchickes sprechen von der
Buhre des Toten zu uns. Mit tiefbewegtem Herzen ehren wir ſtumm den Tapferen,
der im schlichten Kriegskleid vor uns ruht. Und ein stilles Memento sagt ihm Brug
und Dank der Heimat, die, wie zu seiner Zeit, neu von den Ränken eines Frankrelch
umdroh: wird. Genugtuung aber iſt es uns, daß wir nicht beſchämt hier zu ſtehen
brauchen, sondern offenen Blicks und erhobenen Hauptes in das mahnende Totenantlitz
vor uns schauen können, mit Herzen, die ein sſo erhabenes Beispiel der Tat nur umſo
tiefer verglühen läßt in Liebe und Opsermut für Heimat und Vaterland.
„Süß iſt der Tod fürs Vaterland.“ Ein deutscher Frauenmund sagt es mit leiser
Wehmut in die hehre Stille der armen Totenkammer. Und deutsche Frauenhände betten
y die dunkle Staubdecke des dürftigen Totenschreines einen leuchtenden Strauß roter
osſen ein.
Der Mut zum Glück.
(Nur fröhlich ſein am guten Tag, das iſt ein Spiel,
Per dies und weiter nichts vermag - der kann nicht viel.
es Lebens ſchwere Runſt verſteht, wem das gelingt,
Daß er, auch wenn's ihm bös ergeht, noch fröhlich ſingt,
Daß er ein heiteres Geſicht auch dann behält,
(Wenn ſich verbarg das Sonnenlicht und grau die Welt,
Jr nur in gläubigem (Vertrau’n zum Glück den (Mut,
ann wirſt du Gottes Hilfe ſchau’n in ſeiner Fut.
Alwine Lentze-Maälklingen.
84
Saarkalender für das Jahr 1927.
Denkmal für die Gefallenen der 7. Ulanen bei Rhöndorf a. Rh.,
geweiht am 26. September 1925.
Denkmalsweihe des Ulanenregiments Nr. 7.
Am 26. September 1925 trafen sich die Kameraden des Ulanenregiments „Großherzog
Friedrich von Baden“ (Rheinisches) Nr. 7 in Rhöndorſ-Honnef, um ihren gefallenen Helden
ein Denkmal zu weihen, das ernſt und würdig von einer vorſpringenden Kuppe des
Drachenfels ins Rheintal herniederſchaut. Gegen taufend unserer Ulanen, wie wir mit
Stolz die Unvergeßlichen nennen, waren aus allen Gauen des Reiches zuſammengekommen,
um derer zu gedenken, die ihre Treue mit ihrem Herzblut bezahlten für uns, fürs liebe
Fdterlan; §§: Geringerer als Rudolf Presber widmete ihnen einen dichterischen Gruß,
„In Ehren schlaft! Der Rhein vergißt euch nie.
So lange deutſcher Fleiß beſtellt die Fluren,
Lebt euer Ruhm, preiſt ihn die Picardie.
Die Arras-Schlacht, der Winter in Maſuren . . .
Und webt einmal ein neuer Völkerlenz
Den friſchen Kranz um die zerſchoſſ’'nen Fahnen,
Erwacht der Geiſt des alten Regiments,
Der Geiſt der Siebten Rheiniſchen Ulanen.“
In der schönen Feſstſchrift über die Feier berichtet ein Teilnehmer mit echt kamerad-
schaftlich fühlendem Herzen über die beiden erhebenden Tage (26. und 27. September 1925).
Von der Ankunft der ſaarländiſchen Regimentsangehörigen ſchreibt er: Am Nachmittag
um 3 Uhr lief der Zug aus Saarbrücken ein. Hunderte alter Ulanen entſtiegen ihm, eine
unendlich große Zahl Kameraden standen dichtgedrängt auf dem Bahnſteig und erwarteten
die Einfahrenden. Die Muſik intonierte alte Armeemärſche. So wurden die Kameraden
von der Saar mit lautem Hurra auf dem Bahnhof empfangen. Gibt es etwas Rühren-
deres, Ergreifenderes, als so ein Wiedersehen unter lieben Kameraden, ganz gleich, ob
Offizier oder Mann? Hatte man doch vor Jahren ſeine militäriſche Jugenderziehung im
. gemeinsamen lieben Regiment genossen! Halle man nicht Freud und Leid miteinander
geteilt, Freundschaften für das Leben geſschloſſen und sich unauslöſchliche Erinnerungen
85
Saarkalender für das Jahr 1927.
gesammelt! Der Begrüßungsabend im Kurhaus Honnef gab ein reiches Zeugnis von dem
treuen Zusſammenhalten der alten Kameraden. Zahlreiche Telegramme liefen ein, u. a.
vom erkrankten Großherzog von Baden, von Frau v. Vopelius-Sulzbach im Auſtrage des
Vaterländiſchen Frauenvereins, vom Bund der Saarvereine, von den Generälen Koch,
v. Wurmb, v. Pfeil uſw. Bei der Enthüllungsfeier am 27. September begrüßte Major
Beck die Erſchienenen und gab im Verlauſe seiner Rede einen Rückblick auf die Geschichte
des berühmten Regiments und ſeines herrlichen Reitergeiſtes. „Jm Glauben an ein
großes und stolzes Deutschland haben unsere Helden ihr Leben dahingegeben. Wir alle
wollen an diesen Geiſt, an dieſes Licht glauben, je dunkler die Nacht, deſto heller wird
der Tag, je wilder der Sturm in der Finsternis wütet, deſto friedlicher sſtrahlt die Sonne.
Alles wechselt in der Natur, wie im Leben der Menſchen und Völker. Deshalb müssen
wir an Deutſchland glauben, an unser Vaterland, an alles, was uns hier lieb und teuer
iſt, was uns groß und stark macht, denn das Vaterland geht über alles.“
Es sprachen sodann Monſignore Dr. Winter und Superintendent Rentrop, worauf
Major Beck das Denkmal dem Schutze der Gemeinden Honnef und Rhöndorf empfahl.
Bürgermeister Dr. Berns versprach, ein treuer Hüter des Heiligtums zu sein. Es folgte
die Kranzniederlegung und die Verleſung des Telegramms des Reichspräsidenten:
„Ich gedenke am heutigen Tage dankbar der Taten des
schönen Regiments und ganz besonders in Ehrfurcht
derer, die ihr Leben für das Vaterland hingegeben haben.
v. Hindenburg.“
Widmung am Kriegerdenkmal der 7. Ulanen.
86
Saarkalender für das Jahr 1927.
Gretels freier.
Von Emma Kettner-Saarhrücken.
„Wer war denn das, der da ſso ge-
ſchmäzt zu Dir rübergegrüßt hat?“ fragte
Heinrich Kaiser mit ſpöttiſchem. ein wenig
eifersüchtigem Unterton in der Stimme.
„Der da drüben . . . Och, das is unser
neuer Möblierter, antwortete das junge
Mädchen, indem es sich mühte, gleichgültig
zu ſcheinen. Aber es drehte doch., wie unter
einem Zwange, halbſchief den Kopf zurück,
und ein verſtohlenes Lächeln huſchte um
seinen Mund, als es dem Blick des von
der anderen Straßenseite herübernickenden
jungen Mannes begegnete.
Heinrich Kaiſer bemerkte nichts davon.
Seine Gedanken waren noch bei den
Worten des Mädchens, die ihn sehr über-
raſcht hatten.
_ „Euer neuer Möblierter? Davon weiß
ich ja noch gar nix. Habt Ihr denn die
Stub wieder vermietet? Das ſollt'’ doch
unser Stub’ werden. Die Mutter hat ja
schon gewollt, daß wir Mannsleut ſie
nächſtens tapezieren, damit sie in Ordnung
is, wenn wir heiraten gehn.“
Gretel Brauer ktkrauſte unmutig die
Stirn. Ihr hübſches Gesicht bekam einen
abweisenden, feindseligen Ausdruck. Eine
raſche, unfreundliche Bemerkung ſchwebte
ihr auf der Zunge, aber sie ſchloß die schon
zum Sprechen geöffneten Lippen wieder
t! nur ſpöttiſch die Mundwinkel
erab.
Heinrich bemerkte ihr Mienenſpiel.
„Was haſt Du denn, Gredel? Warum
ſchwätzt Du nix?“ forſchte er. „Du biſt
überhaupt den ganzen Abend ſso kridde-
lich . ; Du wuſcht Madche,“ setzte er
!; ttiichzärtlich hinzu und faßte sie in den
rm.
Sie riß sich gewaltſam los. „Geh laß
mich. Ich mag den Schmus nit. und
übrigens . . . .“ Sie verſtummte, holte tief
Atem und stieß haſtig hervor: „Un übrigens
is das lang nit sicher, ob wir heiraten
riehn . . . Ich mag noch nit .. . . Ach
was . . .“ Sie warf entſchloſſen den blon-
den Kopf in den Nacken. „Jch sags Dir
frei heraus: Ich mag gar nit mehr. Ich
bins leid geworden.“
Heinrich ſtand verdutzt still. „Was fällt
denn Dir ein?“ staunte er. „Auf einmal
leidig. — wo wir doch am Sonntag nach
der Kirch’ zum Pfarrer gehen wollten. . .'
„Geh zum Pfarrer, mit wem Du magst,
bloß nit mit mir,“ fauchte Gretel. „Laß mir
mein’ Ruh. Ich hab mir's überlegt. Ich
mag keinen Schaffmann. Ich will 'nen Be-
amten, der feiner un stolzer is als Du.
un wo ich nit immer ſchmutzige Schaff-
kleider zu waschen hab. Un so einen kann
ich kriegen; dak Du's nur weißt . . . Such
Du Dir auch ein Anderes . . .“
In ein paar raſchen Sprüngen war ſie
hinweg und verſchwand in der Tür eines
nahen Hauſes, die mit lautem Knall hinter
ihr zuflog.
Heinrich blickte ihr ganz verblüfft ein
paar Sekunden nach. Dann machte er
einige Schritte, um der Entflohenen zu
folgen; doch ein Zuruf hielt ihn zurück.
„Du wirst der Halgans doch nit nach-
laufen, Henner,“ entrüſtete sich eine
Stimme, und aus einem ebenerdigen
Fenster schaute der blonde Kopf von
Gretels Bruder hervor. „Ich hab Euer
Gespräch gehört... Das Gretel hat ja e
Gickel wie die Palzgräfin... Aber ich
weiß, was dem fehlt... das hat ſchon nen
Andern am Bändel.“
Er nahm sein Klöbchen aus dem Mund
und spuckte verächtlich im Bogen auf die
Straße. „Haſt ihn ja gesehen, der grad
eben so schnaz an Euch vorbei ſtolziert is.
Mit gelbe Schuh un lilane Strümp. Un
dem franzöſiſche Dupeh... Unser neuer
Möblierter. Kennſt Du ihn nit?“
Als Henner den Kopf ſchüttelte, fuhr
er grimmig lachend fort: „Natürlich kennst
Du ihn. Es wird doch genug gegrummelt
über ihn. Der Lange iſts; mit dem fran-
zöſiſchen Häkelchen auf dem e. Der
Sch’kaner, der sich überall lieb’ Kind
yz! mit seinem Schnüffeln un Klat-
ſchen. ..
Er brach ab. Henner war zurückgefahren.
„Der Langé?“ fragte er tonlos. „Das
kotn doch nit sein. Das Gredel weiß
„O Jeß', soweit hab ich ja noch nit ge-
Hh §. h p § is doch seller, wegen dem
„Schwätz nit davon,“ fuhr Henner rauh
f4§ s' 33"4%20%:51
ihn schon länger ... ?“
„Ich meine, von der Faſsenacht her...;
;! Zwei Tag wohnt er bei uns. Die Weibs-
leut haben mir's erſt gesagt, als er ſchon
eingezogen war. Gewitter noch mal, ich
war ganz raaſchig.“
87
Saarkalender für das Jahr 1927.
. Henner ſtarrte in finsterer Stummheit
ins Leere. Der andere wußte nicht, ob er
ihm zuhörte, doch um das unbehagliche
Schweigen zu brechen, berichtete er weiter.
Als er vorgeſtern von der Mittagschicht
heimkam, hatte er ſchon vom Flur aus in
der Küche heiteres Lachen und Sprechen
gehört. Aber das war ihm nichts Neues,
er alaubte Henner bei der Schwester und
öffnete mit einem Scherz über den „Krach“
die Tür. Doch sſtaunend mußte er den ihm
als Beamten seiner Inſpektion bekannten
Langé ganz vertraut am Tiſche ſitzen sehen,
gerade bemüht, seiner Schwester eine an-
gerauchte Zigarette in den Mund zu
ſtecken, was sie mit kreiſchendem Auf-
lachen, aber nicht eben ernsthaft abwehrte.
Bei seinem Eintritt verſtummte sie, be-
kam einen Huſtenanfall und blinzelte ver-
legen den verblüfft schauenden Bruder
an. Der Gaſt zog seine auf Gretels
Schulter liegende linke Hand zurück und
griff nach seinem auf dem Tiſch liegenden
Feuerzeug, bloß die Mutter, die am Spül-
stein Geschirr abwusſch und nun dem Heim-
gekehrten vom Herd das warmgqgehaltene
Eſsſen herbeiholte, behielt ihre Faſſunqg und
erklärte gesprächin,. daß der Mutizeh
Langé jetzt bei ihnen wohne. Er habe ja
bisher bei Beckerſch Matz seinem Luwis
im Unterdorf gewohnt, aber da sei ihm
zuviel „Kinnergekriſch“ geweſen. Und da
sei er geſtern fragen gekommen, weil er
gewußt habe, daß der Landjäger, der ſie
bisher gehabt, versſekt worden ſFei.
Er hätte aber doch gemeint, hatte der
Sohn ſich nicht enthalten können zu ent-
geqanen, daß das Zimmer qdhergerichtet
werden ſollte als Schlafstube fir nächstens
die jungen Eheleute. Aber da hatte Gretel
ihn raſch unterbrochen, er ſolle „kein
dumm’ Dinges“ schwäten. Die Sache wäre
abgemacht und alles andere fände ſich.
„Was leiht mir dran!“ hatte er phleg-
matiſch entgegnet und sich ſtumm mit
seinem Essen beschäftigt. Aber auch den
Uebrigen ſthien die Laune verdorben zu
sein. Der Mußieh Langé bemühte ſich
awar, wieder mit den beiden Frauen ins
Gespräch zu kommen, doch die unter-
haltung blieb karg und gezwungen, und
er verabſchiedete sich bald darauf.
Es war noch eine Auseinanderſetzung
4awiſchen den Zurückbleibenden erfolgt.
Aber der Sohn und Bruder Auguſt, ge-
nannt Aulee, konnte mit ſeinem ent-
rüſteten Einſpruch gegen den ihm unsym-
ischen neuen Mieter und Gretels dicke
Freundſchaft nicht durchdringen. Sie er-
klärte ihm sogar gereizt und ſchnippiſch,
sie werde Henner den Laufpak geben. Sie
volle keinen Bergmann. Halb Hunger
leiden bei den paar Fränkelchen, die so
einer verdiene, möge ſie nicht. Der Schorſch
Langé dagegen habe gute Aussichten, in
die Höhe zu kommen.
Natürlich, man wisse ja, warum, hatte
Aulee höhnend erwidert. Darauf könne
sie, die dumme Dunfel, stolz sein. Bei-
nahe hätte sie ihm dafür eine an die Backe
geſchlagen. ſo „krimmelwitig“ sei sie ge-
worden.
Und ſeither hatten sie noch nicht wieder
zuſammen geſchwätztt. Die Mutter wollte
ihm gzwar eifrig zureden, verſtändig zu
ſein und ſich keine Ungelegenheiten zu
machen. Er wiſſe doch, daß der Mußtizieh
Langé eine qute Nummer bei den „Obern“
habe und ihm schaden oder nützen könne.
Er müsse aber auch aus andern Gründen
verträglich sein. Der Langé ſſsei ja in
Gredel ganz vernarrt und nur ihretwegen
ins Haus gekommen. Er habe ſchon bei
dem Mädchen vom Heiraten gesprochen
und wie ſchön sie es bei ihm haben werde.
Und das müsse man doch sagen, daß der
Langé ein ſtolzer und ſcharmanter Mann
sei und Gredel ein ſchweinsiges Glück
habe, wenn sie ihn kriege. ;
Da könne man wieder mal sehen, was
die Weibsleut für eine Geſsippſchaſt seien
und wie leicht sie sich durch Glanz und
Schein verblenden ließen. Aber Henner
ſolle sich Gredels Treulosigkeit nicht zu
Herzen nehmen. Das sei der Strubbkopp
gar nicht wert. Es gäbe ja auch ganze
Hängel Mädchen in der Gegend. Und wenn
es sich herumſpräche, wie Gredel .es ihm
gemacht, habe er das Geriß.
Henner hörte kaum auf den gqult-
gemeinten Troſt. Er war wie vor den
Kopf geschlagen. Das Herz ſchmerzte ihn,
als sei es in einen Schraubſtock geſpannt
und würde immer feſter. – immer fester
zusammengepreßt. Er hing sehr an Gretel,
wenn auch seine ſpröde, zurückhaltende
Art nie darüber viele und schöne Worte
machen konnte. Ihr ſschnöder Treubruch
so js vor der Hochzeit verwundete ihn
tief.
Er konnte Aulee, der in wohlmeinender
Absicht von etwas anderem zu sprechen
begann, nicht mehr zuhören. Haſtig mur-
melte er einige verabſchiedende Worte und
ging davon.
Aulee sah ihm teilnahmsvoll nach. Und
während er das kaltgewordene Pfeifchen
ausklopfte und frisch füllte, knurrte er
wütend vor sich hin: „So e dummi Dunfsel!“
68
Saarkalender für das Jahr 1927.
Es war und blieb Tatsache und wurde
zum Geſpräch in den zwei benachbarten
großen Bergmannsdörfern: Brauerſch
Gredel hatte Kaiſerſch Henner den Lauf-
paß gegeben und ging nun mit einem Be-
amten der Grubeninſpettion.
Der neue Freier wurde im allgemeinen
nicht sehr geſchätzt. Er gab sich als Loth-
ringer aus, war es aber, wie man ſich er-
zählte, eigentlich nie ganz gewesen. Es hieß,
sein Vater, ein ſsächſsiſcher Musiker, habe in
Metz seine Militärzeit und noch ein paar
weitere Jahre bei der Regimenismuſik ab-
gedient, eine Gärtnerstochter von Woippy
geheiratet und danach einen ganz einträg-
lichen Obsthandel angefangen. Den Krieg
machten Vater und Sohn auf deutſcher
Seite mit; beide zwar nicht lange. Der
Sohn ward erſt eingezogen, als der Vater
bereits als Landſtürmer gefallen war, und
er kam kaum an die Front, als er ſchon
in Kriegsgefangenſchaft geriet. Es gab
Leute, die glatt behaupteten. er sei gleich
- vom Schützengraben aus unter häßlichen
Begleitumſständen zum Feinde übergelaufen.
Waren ſolche Gerüchte ihm ſchon keine
Empfehlung, so brachte er sich noch mehr
um Achtung und Sympathie der Bevölke-
rung durch die kleinlich gehässige Art, mit
der er, der naturaliſierte Franzose, deut-
scher Gesinnung entgegentrat; dienſtlich
und außerdienſtlichk. Er war als Spitzel
und Angeber gefürchtet und gehaßt und
bei mancher Magßgregelung aufrechter
Männer wurde in ihm der heimliche Ur-
heber vermutet.
Man mwunderte sich natürlich darüber,
daß er nun um ein deutſches Mädchen
freite; er schien aber in die blonde Gredel,
die als eins der hübſcheſten Mädchen im
Dorfe galt, ernsthaft verliebt zu sein und
hatte große Anstrengungen gemacht, sie zu
gewinnen; sein Herz, seine entflammten
Sinne hatten da eben den Sieq davon-
getragen.
Noch mehr bestaunte man. daß Gretel
ſeinetwegen ihrem Bräutigam untreu ge-
worden war. Wohl war Langé ein flotter,
sſschmucker Menſch, gewandter und galanter
als Henner, ein kecker Eroberer, so wie sie
meiſt den Frauen gefallen. Er legte viel
Wert auf sein Aeußeres, war immer patent
gekleidet, trat überhaupt etwas qgroßſpurig
auf und das hatte Gretel sicher ver-
blendet. :
Am meisſten aber trug man ihr nach, daß
sie gleichgültig darüber hinweggegangen
war, daß Langé vor kaum Tahresfriſt über
die Familie Kaiſer Unglück und Leid ge-
bracht hatte.
Es war bei der Jahrtauſendfeier ge-
wesen, die trotz aller offenen und geheimen
Widerſtände würdig und festlich im Dorf
begangen worden war.
Langé, dem ein Spottvogel den Namen
„Der Ueberfranzos“ gegeben. schien das
Bekenntnis der Einwohner zu ihrem
Deutſchtum wie einen Dorn im Fleiſch zu
empfinden. Schon die Vorbereitungen
ſchaute er mit ſchiefen Augen an, uritiſierte
ſie mit boshaîftem Hohn und half mit rüh-
rigem Eifer bei den Verſuchen, die eine
oder andere Veranstaltung zu unterbinden.
Als dann nach ſtimmungsvollem Verlauf
des Tages eine Anzahl Männer in einem
Wirtshauſe beiſammen saßen und in übers
ſchäumendem Hochgefühl begeiſtert die
lieben altvertrauten vaterländiſchen Lieder
sangen, hatte Langé sie andauernd mit
blöden Anspielungen auf den verlorenen
Krieg und die verelendete . Nation derart
gereizt, daß es ſchließlich zu ciner Schlä-
gerei kam. Und dabei hatte Karl Kaiſer,
He:.nrichs älteſter Bruder, das Unglück,
einen Begleiter Langés durch einen Schlag,.
der eigentlich dem g„Ueberfranzos“ ge-
golten, so zu verletzen, daß er lange
Wochen im Kaunappſchaftslazarett liegen
mußte. Der Täter hatte die zornige Auf-
wallung nicht nur mit einer Gefängnis-
ſtrafe zu ſühnen, sondern er bekam auch
auf der Grube die Abkehr. Längere Zeit
brotlos, fand er endlich Anstellung auf
einer weſtfäliſchen Zeche, doch kaum, daß
er mit seiner jungen Frau an seinen neuen
Arbeitsort übergeſiedelt war, brachte ihm
fallendes Gestein den jähen Bergmannstod.
Noch gar nicht lange wars her. Noch
brannte und fraß in Heinrich Kaiſers
Herzen der Zorn auf den frechen Hetzer,
der den Bruder ins Unglück gebracht hatte.
Noch hatte des Verunglückten junge Frau
sich noch nicht von der ſchweren Frühgeburt
erholt, die des Mannes hartes Sterben
verschuldete.
Und das alles hatte Gretel in ihrer jäh
aufgeflammten Verliebtheit, in ihrem
Stolz auf das ihr winkende Glück, völlig
vergeſſen können.
Aber nicht nur das allein, auch
törichtes Großtun versſcherzte ihr die Sym-
pathie von vielen und machte sie zum all-
gemeinen Gespött. Der Klatſch blühte wie
noch nie. Immer, wenn ein paar Frauen
oder Mädchen an den Haustüren oder an
einer Ladentheke beiſammen |l|tanden,
wußte man weder etwas Neues vom
„Doortige Gredel“. Das kriegte ja die Kehr
nicht mehr, wenn es einem von seinem
Schorſch, seiner Verliebtheit und ſeinen Ge-
ihr
_ schenken – von der künftigen Wohnung
pz? der qroßartigen Einrichtung erzählen
onnte.
89
Saarkalender für das Jahr 1927.
Die Möbel waren nach Katalogen in
Paris beſtellt worden. Auf Abgzahlung, er-
klärte Schöne Kattchen, die immer das Ge-
naueſte wußte. Ein Grammophon ſei schon
angekommen und ſpiele jeden Abend fran-
zösiſche Stücke, sagte Schwarze Frida. Ein
Brautkleid aus weißem Kreppdeſching be-
Matzebachs
Seef. Und einen Bubikopf müsse sie sich
auch. ſchneiden lasſſen, wolle der Bräutigam,
berichtete Winterſch Maariche.
„Was das Mäde ho’'e Teen im Kopp hat!“
ſtaunte Schneiderſch Bäbbche.
„Ije, ije, die Grasgrussſele gehn em ous,
wammer ſo ebbes heert,“ entrüſtete ſich
Kunze Großfmudder.
Darüber waren ſich aber alle einig, daß
es ſelten qut täte. wenn man so sein Glück
aussſchalmeien ginge, wie es Gredel mache.
Kaiſerſch Henner wurde glei®%-'-"itiq be-
dauert und beglückwünſcht. Die Mädchen
machten ihm zärtliche Augen und viele
waren bereit, ihn zu tröſten, ihm neues,
dauerhafteres Glück zu geben.
Aber vorläufin waren noch. alle Be-
mühungen umſsonsſt. Anfangs nach dem
Treubruch Gretels hatte er in paar tollen
Wochen seine Verzweiflung ausgetobt, sich
mehrmals heftig betrunken, ausgelassen
mit den Mädels pouſsiert, doch auf einmal
wars damit vorbei und er zog ſich von allen
zurück, ging wortkarg und in ſich gekehrt
seinen Weg, ohne zu merken, wie leicht er
für die Verlorene Erſatz finden könnte.
„Ach lääder!“ seufzte wohl manchmal
Eine hinter dem Spröden drein, wenn ein
Annäherungsverſuceh wieder mißlungen
war. Er traute Keiner mehr, seit Gredel
iht s ſchmählich und schmerzlich enttäuſcht
hatte.
.. h o f H —êà ä E —
käme das GHGredel, erzählte
Nun war der Hochzeitstaa ſestgesetzt.
Auf den Pfingstſamstag, damit man ſſich
z:; zum Feiern und zum Ausschlafen lassen
onnte.
Die Pariſer Möbel – Küche und zwei
Stuben – trafen ein und wurden in der
hübschen Wohnung in einem der neuge-
bauten Beamtenhäusſer aufgestellt Das
Brautpaar war von der Kanzel verkündigt
worden und an der Bürgermeisterei ange-
ſchlagen.
Die Bas Kadderin von ,„Quierſcht“, die
lange Jahre Herrſchaftsköchin gewesen
war, hatte zugeſaqt, das Hochzeitsessen zu
kochen und so viel man darüber hörte,
konnten die Gäſte sich auf ein „geschmälzt
Ims“ freuen.
Der Kreis der Eingeladenen war zwar
nicht groß. Gretel hatte nur diejenigen aus
der Freundſchaft aufgefordert, die nicht
über die Sache geredet hatten. Und der
Hochzeiter hatte keine nahen Verwandten.
Oder sie waren ihm vielleicht nicht ſtolz
genug, um sie ans Tageslicht zu führen,
argwohnte Aulee. Bloß ein Vetter aus
Diedenhofen war geladen worden und ſollte
mit Aulee die Trauzeugen machen.
Der Diedenhofener Schanglé kam ſchon
am Mittwoch an, damit ſich die Reiſe ren-
tiere und das Fahrgeld herauskomme, er-
klärte er ökonomiſch. Er ſchien auch seinen
Appetit darauf eingerichtet zu haben; .
Mutter Brauer staunte, wie der Gaſt
„wickeln“ konnte. Aber Aulee meinte, man
brauche nur seine Raffel anzusehen, dann
wisse man schon Beſcheid.
Zwischen Aulee und dem neuen Schwager
Schorsch war es noch zu keiner Freund-
ſchaft gekommen. Sie mochten sich gegen-
sſeitia nicht und gingen einander aus dem
Weg. Da Gretel nicht zu beeinfluſſen ge-
wesen war. hatte der Bruder „das doortigke
Hinkel“ achſelzuckend seinem Schicksal
überlasſen und begnügte sich mit ſeinem
philvſophiſchen Lieblingssſpruch: „Was leiht
Damit gab er auch endlich seine wortkarge
Einwilligung, als die Mutter wiederholt in
ihn drang, des lieben Friedens und der
Rätscheri wegen den Trauzeugen und
Brautführer bei der Hochgeit zu machen.
Aber erſt in den allerlettten Tagen konnten
die Frauen den ſtörriſchen Querkopf dazu
bringen, sich einen neuen Bandei machen
zu lassen, und so war es erſt am Donners-
tag so weit, daß er beim Kuſsing Lui, der
im Nachbardorf eine Schneiderei betrieb,
anprobieren konnte.
Auf dem Heimwege begegnete ihm
Heinrich Kaiser, den er ſeit Wochen nicht
mehr gesehen und gesprochen hatte. Er
wollte auch jezt mit knappem Gruß an
Aulee vorbeigehen, aber dazu ließ dieser es
nicht kommen. Es ſchreckte ihn auch nicht
ab, daß der alte „Kompär“ froſtig und
wortkarg blieb. Er beſtand darauf, daß sie
auf das unverhoffte Wiederſehen einen
trinken müßten und ſchleppte Henner faſt
mit Gewalt in ein nahes Wirtshaus.
Aulees ungektünſtelt herzlicher Freude
und seiner friſchen Munterkeit konnte
Henner dann doch nicht lange widerstehen.
Er begann allmählich aufzutauen, selbst
froh zu werden über das Zusammen-
treffen. Sie hatten zu viel gemeinſame Er-
innerungen und Interessen, waren von
aleicher Art und Gesinnung. Sie hatten
ein paar Jahre lang in der gleichen Grube
90
Saarkalender für das Jahr 1927.
gearbeitet und waren als blutiunge Bürſch-
chen mit dem letzten Rachſchub zuſammen
an die Front geſchickt worden. Das alles
band doch aneinander!
Es war Henner oft leid geweſen, daß er
durch Gretels Treubruch auch den Freund
verloren hatte. Hauptſächlich darum hatte
er ihn nicht wiedersehen mögen, weil er ihn
zu sehr an die Verlorene erinnerte. Er
schaute ihn mit der Schwester rehbraunen
Augen und ſchalkhaftem Blick an. sein
Haar glänzte im gleichen goldblonden Ton
wie das ihre. die Art. wie er beim
Sprechen den Kopf schräg hielt, beim heim-
Ude Lott die Mruuuriukel e heratzrs
an Gretel. Er suchte förmlich nach immer
neuen Aehnlichkeiten und es ward ihm
darüber ganz seltſam zu Mut. Der ſtarre
Panzer von Zorn und Groll, den er um
sein Inneres gelegt, begann sich ein wenig
zu lockern.
Doch zugleich ſchoß ihm siedendheiß etwas
anderes durch den Sinn. Hart und ſchwer
wie ein Stein fiel ihm in die Seele, daß
Gretel vor einem Unheil stand,. von dem
sie rauh und ſchmerzhaft aus ihrem er-
träumten Glück geriſſen würde. Und er, –
er hatte sich rachſüchtig darüber geſreut, ihr
das drohende Unglück, die Schande ge-
gönnt, – ſchlimmer ncch, er hatte das
alles noch vergrößern wollen dutch einen
boshaften Rat. . .
Henner fühlte, wie sein dunkles Geſsicht
sich noch tiefer färbte von der brennenden
Scham. die ihn jäh durchflutete. Er erſchrak
vor sich selber, daß er so brutal hatte sein
wollen. Niederträchtig, gemein erſchien ihm
jetzt, was ein unedles Rachegelüsſt ihm ein-
negeben hatte.
Gottlob. daß es noch zu ändern war!
Es war wie eine Fügung, daß ihm
Aulee begegnen, ihn mit so viel ehrlicher
Anhänglichkeit das Herz erwärmen muſtte.
Die Bruſt ward ihm eng und wieder weit;
ein seltſames, halb banges, halb frohes
Ahnen wehte ihn an wie ein. ktühler
Schauer.
Haſtig stieß er hervor: „Aulee, ich
muß Dir was verraten. Es is nit geheuer
bei Euch ... Mit dem Langé stimmts nit ...
Der hat frei Koſt und Logis in Aussicht
auf der Lerchesflur. . .“
„Geh, ſschwätz nit!“ fuhr der andere un-
gläubig auf.
„Kannst Dich drauf verlassen. Wart. ich
erzähl Dir das ganze Schmierakel. . .“
Sie rückten noch etwas näher zuſammen
und Henner begann leiſe zu berichten.
Aulee horchte mit immer größer werdenden
Augen, ab und zu durch einen kräftigen
Bergmannsfluch seinem Zorn, ſeinem
Schreck und Staunen Ausdruck gebend.
Dann flüſterten sie noch eine Weile mit
roten Köpfen, berieten und grübelten, bis
Aulee die ſpäte Stunde bemerkte und ſich
seufzend losriß.
„Das Beste wird sein“, erklärte er beim
Aufbruch, „ich ſags ihnen grad heraus, was
im Spiel is. Da können ſie sich danach
richten. Das Gredel wird dann wohl keine
Luſt haben, übermorgen heiraten zu gehn.“
„Dann holts ihn, wenn er wieder heim-
kommt,“ entgegnete Henner bitter. „Bei
Weibsleut kennſt Du Dich nit aus. Wann
die Einen gern haben, ziehen ſie ihn ſich
aus der Miſchtekuhl raus.“
Er lachte trocken auf. Seine Weichheit
war wieder verflogen, gewaltſam ver-
scheucht von der jäh auflodernden Eifer-
sucht auf den Nebenbuhler. Aulee ſuchte ihn
zu beſschwichtigen, wobei er sacht die Hoff-
nuna einflocht, als könne sich nach dieſer
Wendung vielleicht noch allerlei ändern.
Aber Henner fuhr gereizt auf: „Was
meinst Du, was mir heut noch Euer Gredel
wert is? Nit e ſchääler Sandieml!“
Er drehte sich nach kurgem Gruß um und
ſtapſte mit festen Schritten davon.
Aulee blinzelte ihm mit ſchräa gesenk-
tem Kopf verſchmitzt nach.
„Mach d’r Babbe nit lache!‘ brummte er
ſchmunzelnd in sich hinein und rannte
heimwärts. Er verfuhr die Frühſchicht und
da brauchte er noch Schlaf.
'Als Aulee am andern Mittag nach
Hauſe kam, empfing ihn der Diedenhofener
[Schanglé gleich mit einem Plan. Sie
müßten mit dem Schorſch noch Jung-
gesellenabschied feiern. Das gehöre ſich so
und der Schorsſch ſähe das auch ein. Nur
habe er erklärt, es dürfe nicht allzuſpät
werden. Mit dem letzten Zuge ſpäteſtens
müßten sie von Saarbrücken heimfahren.
'Aulee war erſt nicht ſehr entzückt von
dem Vorſchlag. Er gedachte ja nachher mit
Langé zu reden und danach würde der kaum
noch Luſt zu einer Bierreiſe haben. Doch
während er den Gedanken kaum zu Ende
hatte, durchzuckte seinen lebhaften Geiſt
eine Idee. die er raſch weiter ausſpann,
und die sich zuletzt in allerlei Hoffnungen
verzweigte.
Gretel zog zuerſt ein Mäulchen zu dem
Vorhaben der jungen Leute, da aber Aulee
sſo heiter schien, hoffte sie, ein sröhliches
Beisammensein würde die Schwäger endlich
etwas näher bringen und ſchon eine heitere
Stimmung sür morgen vorbereiten.
91
Saarkalender ſür das Jahr 1927.
Sie ermahnte die drei nur noch lachend,
nur ja beizeiten heimzukommen, denn am
andern Morgen um neun Uhr mugßten ſie
auf dem Standesamt sein und da ſaollten
ihre „Burſchen“ nicht verkatert ausſehen.
Es war, als habe Gretel ein Vorahnen
gehabt. denn als zeitig am andern Morgen
die Mutter die jungen Männer wecken
ging, antwortete niemand. auf ihr ener-
giſches Klopfen. Auch als sie nach einer
Viertelſtunde wieder in den obern Stock
rannte und mit ihren Fäuſten ein wahres
Trommelfeuer auf die Türen praſseln ließ,
kam von innen kein Laut.
Und als sie, zornig auf die ,„Lauſerte“
ſcheltend, in die Stuben ſchaute, war kein
Menſch drin. Die Bummler waren von
ihrer Saarbrücker Fahrt gar nicht heim-
gekommen. Die Betten standen unberührt!
Gretel war wie erſchlagen, als die
Mutter aufgeregt die Neuigkeii in die
Küche brachte. Ihr Blick haſtete fasſungs-
|z; zu der Wanduhr, die gerade achtmal
c<lug.
„Ach Gott, ach Gott, das da is ja un-
heimlich! Was is da nur paſſiert?“ ſtöhnte
sſie entsetzt.
„Vergelschter Dich nit gleich. Die _ gehn
schon noch bei,“ tröſtete ihre Schwester
Anna hinter einer Riesenſchüssel dampfen-
der Felnartoftew hervor, die sie zu Salat
mitt.
„Dapper, zieh Du Dich wenigstens an,“
mahnte die Mutter die versſtörte Braut.
„Die Mannsleut han ſich raſch geſtrippt.“
Tiefaufseufzend wollte Gretel dem Rat
folgen gehen, doch an der Küchentür drehte
ſie sich noch einmal um. Sicher war der
Aulee an dem Ausbleiben ſchuld, mutmaßte
ſie, ſchon mit den Tränen kämpfend. Der
hatte ja immer ,„Lumpeſstickelcher" im Kopf.
Dem Hoſchbes war vielleicht nicht mal ein
Familienfest heilig.
„Was Dinges!“ nahm die Mutter ihren
Liebling in Schutz. Alle drei Ausbleiber
würden ihre Ladung gehabt und den Zug
verpaßt haben. ;
„Ja, so wären die Mannsleut,"“ pflichtete
die Bas Kadderin bei, die ſchon eifrig bei
den Vorbereitungen zum Mittagessen war.
„Wann die vollgeſuff ſin, vergesse se alles.“
„Jie, ſo ſin se allegare,“ ſtimmle Anna
mit einem leiſen Seufzer zu, aber Gretel
nahm den Bräutigam in Schutz. Der
Echorſch trinke nichts, das wisse sie.
Ein beredter Wink der Mutter ſcheuchte
sie aus der Küche, worauf die beiden
älteren Frauen anfingen, ihrer Entrüſtung
über die Aufführung der drei Bumnmler
Luft zu machen.
Ob „das Gedeets un die Uvraſch“ nötig
geweſen wäre . . . . Das Gredel ſei schon
neben der Spur und ſie selbſt fange auch
an ganz dribeldänſig zu werden, versicherte
die Mutter. Aber sie werde dem ,„Lumbe-
zeich“ schon weiſen, „was drei Erbſe for
e Brieh gen.“
Schon wollte Gretel wieder zur Tür
herein. Wann der nächſte Zua aus der
Stadt käme, fragte sie weinerlich.
Sie wußten alle, daß jetzt keiner mehr
rechtzeitin genug eintraf, aber es getraute
ſich niemand, dem verſtörten Mädchen zu
ſagen, was ihm doch ſselbſt bekannt war.
Sie würden sich gewiß ein Auto genom-
men haben. beruhigte Anna.
Und jetzt tot im Straßengraben liegen,
heulte Gretel krampfig auf und lehnte ſich
schwach werdend an den Türpfosten.
„Bär doch nit ſo!“ verwies die Bas derb.
„Ehnder leie se irgends im Sulver.“
"Als die Mutter die ſchluchzende Braut
hinausgeführt hatte, erklärte die Bas mit
geheimnisvollem Flüſtern den beiden ver-
heirateten Haustöchtern, ſie hab! ſfchon
halber gewußt, daß heute noch etwas paſ-
fieren werde. Sie habe so arg dumme
Träume gehabt, die alle nichts gures be-
deuteten. Und in der Nacht sei's im Hauſe
gar nicht geheuer gewesen; immer ein „Ge-
gruſchbel un Geriſchbel‘ auf der Treppe,
als wenn was umginge.
Wenn nur zuguterlezktt aus dem Hoch-
zeitsesſen nicht noch ein Leichtims würdel
schloß sie düster, und Anna bat ersſchauernd:
„D seid still, Bas, es gruſselt mich!“
Die bestellte Kutſche kam, eine Myrthen-
ranke am Fenſter, ſo wie Gretel es beſtellt
hatte. Sie blieb wartend vor der Tür
ſtehen. Einige Neugierige versammelten ſich
vor dem Hauſe. Von den Ausbleibern ſah
und hörte man nichts. Gretel saß weinend in
ihrem weißen „,Kreppdesſching“-Kleide im
Schlafzimmer, neben ihr auf dem Bett
lagen Kranz und Schleier. Die Mutter, im
neuen Schwarzseidenen, spähte hinter den
Gardinen auf die Straße; krebsrot vor
Wut und Aufregung, wischte sie sich alle
paar Minuten über die nasse Stirn und
ſchlenkerte die Tropfen von den Fingern.
Die Bas ſchmorte und briet in düſterer
Schweigsamkeit, ab und zu bedeutungsvoll
vor sich hinnickend. Es duftete in ihrem
Bereich nach kräftiger Fleiſchbrühe, friſchem
Zimtkuchen und einem ſäuerlichen Ragout.
92
Saarkalender für das Jahr 1927.
Ein Braten prizzelte im Fett. Annas Buben
machten ſich am Grammophon zu ſchaffen,
Derselbe hatte vor Jahren in der Grube
als junger Schlepper bei Henner gearbeitet
das nun ſchmetternd anhuh: „Was machſt und war bei einem Unfall schwer verletzt
Du mit dem Knie. lieber Hans . . .
Annas Mann war indessen auf der
Polizeiwache gewesen, um in die Stadt
lelephonieren zu lassen, ob ein Unglück
gemeldet worden sei. Unterwegs händigte
ihm ein Postbote ein Telegramm aus, mit
dem er nun im Schweinsgalopp antrabte.
Es war vom Aulee und meldete lakoniſch:
„Kommen nachmittags. Hochzeit auf-
ſchieben. Alle gesund.
Die Botſchaft machte niemand klüger.
Bloß das Gezeter und Gejammer ward
ärger. Einer rannte zum Standesamt und
in die Kirche, damit die Herren nicht
länger vergeblich zu warten brauchten.
Gretel mußte sich beim Auskleiden helfen
Jassen, so zitterte sie. Man steckte sie
h t E cuerts d e rertter
die Aue aus 'm Kopp.“
„Ach lääder!“ bedauerte die Bas.
Am Nachmittage trafen Aulee und der
Diedenhofener ein. Schanglé machte einen
ganz verſtörten Eindruck; er verſchwand
aleich in seinem Zimmer, indem er etwas
mufrelte von g,@tutſwitt“‘ abreiſen gzu
müssen.
Aulee mußte dann den wie ein Gewitter-
regen auf ihn niederpraſselnden Fragen
Stand halten. Auch Gretel stellte ſich dazu
ein. Sie hatte ſich nicht die Zeit zum
Ankleiden genommen, sondern nur eine
braunwollene Bettdecke aufgerafft und um
sich geschlagen. Anna ihr Nikläschen fand,
die Tant’ sähe aus wie ein verfrorner
ait Danach wurde er auf die Str7ße
verwiesen.
Wo er den Schorſch gelaſfen habe, war
natürlich die erſte Frage.
„Der is perr,“ war die lakoniſche Ant-
wort. Und dann begann Alulee so all-
mählich, ohne Ueberſtürzung alles zu er-
Der Schorſÿ hatte ſich aus dem Staube
qnemachl, – machen müssen, denn er wäre
sonst in den erſten Tagen verhaftet worden.
Ein Zufall hatte jetzt erſt herausgebracht,
daß er schon eine geraume Zeit unter-
ſchlagungen und Fälschungen begangen,
die jetzt zur Anzeige kommen ſollten.
Er habe es von Kellerſch Henner er-
fahren und der wisse es von dem jungen
Peomten; der die Entdeckung gemacht
worden. Obwohl ſselbſt verwundet, hatte
Henner den Halbtoten mit eigener Lebens-
nefahr aus der noch gefährdeten Strecke
fortgeſchleppi und dadurch gerettet. Der
Junge, dem ein Bein amputiert worden
war, konnte dann nicht mehr in der Gruve
ſchaffen, sondern ward auf einem Büro
beschäftigt, wo er sich durch Intelligenz
ud. Strebſamkeit allmählich cempor-
arbeitete.
Da er glaubte, daß Henner, an dem er
ron damals her immer noch dankbar hing,
sich über die Entlarvung Langó's freuen
werde, hatte er ihm brühwarm seine Ent-
deckung mitgeleilt. Und da hatte Henner
ihm, in einem dp«lötzllich aufwallenden
Rachegelüſt. zugeredet, seine Anzeige nicht
schon soſort zu machen, sondern erſt am
Hochgeitstage Langé'’s, damit dieser, wenn
die maßgebenden Herrn sich von seiner
Schuld überzeugt hatten, gleich danach, so
aus dem erſten Glück heraus, verhaftet
werde. Zugleich sollte auch Gretel auf
diese Art härter und schmerzlicher getroffen
und blamiert werden, als wenn es vor der
Heirat zu der peinlichen Wendung ge-
kommen wäre.
Dann aber hatte Henners anständige
Gesinnung es doch nicht soweit kommen
lassen und er hatte Aulee anvertraut, was
bevorſtand, – es ihm überlassend, Gretel
zu warnen; ihr anheimzuſtellen, sich zu
überlegen, ob sie trozdem Langé’ heiraten
wolle oder nicht.
Aulee hatte feurig behauptet, Gretel
werde sich bedanken; Henner hatte dazu
zweifleriſch die Achseln gezuckt.
Und dann hatte Aulee kurz entſchloſſen
geſtern abend in Saarbrücken Lange’ ins
Gesicht hinein gesagt, was geschehen war
und was ihm drohte. Und hatte den Zau-
dernden darin bestärkt, zu verschwinden,
ſich seiner Vcrhaftung und deren Folgen
zu entziehen. Zu verlieren habe er ja
nichts, denn seine Stellung sei doch ver-
ſcherzt und Gretel werde ihn nicht hei-
raten, wenn sie vor der Trauung enthüllt
bekäme, was ihm drohe.
Es war leichter gegangen, als Aulee
vorher gemeint. Langé war ſeine Freiheit
doch noch wertvoller als die Braut und das
winkende Cheglück. Er flüchtete lieber ins
Ungewisse, als daß er sich dem Gefängnis
auslieferte. Nur einen Dienst sollte Aulee
ihm noch ermeiſen: Nicht eher bis am
andern Nachmittage heimzufahren, damit
93
Saarkalender für das Jahr 1927.
cr einen guten Vorſprung habe, ehe man
ihm nachſegtte.
Darin hatte Aulee ohne langes De-
sſinnen eingewilligt. Ihm lag gar nichts
daran, den Sünder der ſtrafenden Gerech-
tigkeit auszuliefern. Mochten die Beamten,
beren begünſtigter Schützling Langs bisher
immer gewesen, selbſt ſehen, ob und wie
sie ihn aufspüren konnten.
Daß daheim die Frauen vergebens auf
die Rückkehr warteten und die Hochzeits-
vorbereitungen ihren Fortgang nahmen,
regte ihn auch weiter nicht auf. Erstens
dünkte ihn dies von zwei Uebeln das
kleinere und dann – war es die Strate
für ihren Hochmut, ihr Hochhinauswollen.
und für Gretels liebloſen Treubruch.
Das rieb er kühl und ernſt den ganz
rerdattert Zuhörenden unter die Nase. Dre
Mutter schalt ihn zwar, als sie sich ein
wenig von ihrer Bestürzung erholt hatte,
einen „rauligen“ Kerl, aber es war nicht
sſo böse gemeint.
Gretel ſelbſt nahm im erſten Ueber-
schwang die Sache natürlich nicht so leich“,
der Sturz aus erträumten Himmeln war
zu groß, ihre Hoffart zu stark erschüttert.
Aulee merkte aus ihren Jammern und
Klagen auch heraus, daß weniger thr
liebendes Herz um das Geſchehene litt, als
wie ihr Stolz sich des Hereinfalls, des
Betrogenſeins. um die noble H aeeirat
schämte. Sie war gleich damit einver-
standen, eine Zeitlang zur Bas Kaddertcn
und von dort aus in eine Stellung zu
gehen, um nicht dem Gerätſch und der
Schadenfreude der Leute ausgesetzt zu
sein.
An eine Heirat würde sie aber niemals
mehr denken mögen, erklärte sie laut-
ſchluchzend.
Ihr Bruder lächelte überlegen dazu. Und
er pfiff vergnügt vor sich hin:. Warum
denn weinen, wenn man auseinandergeht,
wenn an der nächſten Ecke schon ein
anderer ſteht. . .
Er glaubte schon zu wissen, wer jener
Andere sein werde. Wenn der auch heute
wüſt tat und trotzig vorgab, Gretel sei
ihm „keinen Sandiem“ wert. Es kamen
auch wieder andere Zeiten und andere
Empfindungen. Und dann, wenn er und
Gretel die heutigen Geſchehniſſe über-
wunden und die Erinnerung an ſie nur
mehr in ihrer Seele als eine Mahnung
fortlebte, dann würde Henner ſicher noch
rimal wieder auftreten als Gretels
reier.
tiber franzoſen an der Bnar 1795.
„Le jour de glvire est arrivé!“
Im Jahre 1795 sandte der Pariſer Kon-
vent den Volksrepräsentanten Be ck er in
die Saargegend, um die Greuel zu unter-
suchen, deren sich nach den Klagen der Ein-
wohner die Franzoſen schuldig gemacht
hatten. Der frangösiſche Abgesſandte schreibt
in seinem amtlichen Berichte darüber:
„Boubay hat seit drei Jahren noch keine
Rechnung abgelegt und kein Inventar
von den Effekten eingereicht, die ihm un-
vertraut worden. Er hat im Herzogtum
Zweibrücken, Blieskastel und Saarbrücken
alle Pferde ohne Empfangsſchein weg-
geführt und nach Gutdünken damit ge-
schalte. Die Kirchen aller Bekenntnisse
ſind von ihren goldenen und silbernen Ge-
fäßen, ihren Ornaten und leinenem Geräte
ausgeleert worden. Die Glocken, Uhren,
Orgeln, das Eisenwerk, das Blei an den
Fenstern, selbſt das Eisenwerk in den
Privathäusern, sogar die Schlösser an den
Türen hat man weggenommen und abge-
riſſen, die koſtbarſten Möbeln, die Weine,
Branntweine, das Getreide und alle Gat-
. tungen Vieh, dessen Anzahl sich nicht be-
rechnen läßt, sind oder sollen an die Zen-
tralkommission spediert worden sein. Mir
iſt nur ein Teil der Greuel, welche in diesen
schönen Ländern verübt worden ſind, be-
kannt geworden. Sie sind bei zivilisierten
Nationen ohne Beiſpiel.“
Schon am 4. Februar 1794 wurde bereits
den Bewohnern der Pfalz fast alles ge-
raubt, außer Metall ieder Art wurden ihnen
Kleider, Stiefel, Schuhe, Mäntel genom-
men, das Vieh weggetrieben und Bargeld
erpreßt. Es heißt in einer Chronik jener
Tage: „Es war'zwecklos, sich durch Zahlung
loskaufen zu wollen, die Franzosen nahmen
den Leuten das Loskaufgeld ab und raubten
sie dann erſt recht aus.“
94
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C T TTR TTT m
Saarkalender für das Jahr 1927.
Crbprinz Heinrich von Naſkau:Saarbrücken. + 1797.
Nach einer Beichnung des Saarbrücker Malers Dryander (1756 ~1812),
von dem eine Anzaßblk Ol- und Nquarellbilder im Saarbrücker Heimat-
Muleum zur Nusſlktellung gelangten.
95
Saarkalender für das Jahr 1927.
Eine Pfingſtfahrt ſaardeutſcher Hänger ins Reich.
' Von Pfarrer Wilhelm Reichard-Saarbrücken.
. Als mir zu Beginn dieses Jahres aus den Kreisen des Männergeſangvereins Saar-
brücken der Gedanke nahegelegt wurde, an der für Pfingsten geplanten Sängerfahrl
ins alte deutſche Lalerland teilzunehmen und dem, was aus Sängermund der alten
Heimat entgegenklingen solle, zu gegebener Stunde auch redneriſchen Ausdruck zu
verleihen, da hat dieſe Anregung in meinem Herzen einen freudigen Widerhall ge-
funden und gerne habe ich zugesagt, mit den Sängern hinüberzufahren ins alte Reich.
Konnte es dent Schöneres geben, als in Maientagen, wenn Gottes schöne Welt in
ihrem vollen Glanze steht und über der prangenden Schöpfung wonniger Frühling
leuchtet, mit frohgeſtimmten sangesfreudigen Menschen hinauszuziehen aus der ruhe-
loſen Großſtadt, Alllagslaſt und -Sorge einmal eine Weile von der Seele abzuſchütteln
und aus den üuellrn der Natur neue Lebensfreude zu trinken? Und war es nicht
ein lochender Gedanke, einmal, und wäre es auch nur für eine kurze Zeit, dem Anblick
fremder Art in unſerm Grenzland zu entfliehen und in dem alten Vaterlande, fern
von allem jahrelang getragenen Drucke, Auge in Auge mit den Volksgenossen wieder
einmal von Herzen deutschen Wesens froh zu werden? ;
So kam denn der Tag der Abfahrt. Welch buntbewegtes, freudig erregtes Bild
auf dem Saarbrücker Bahnhof in des Pfingstſamstags Morgenfrühe! Raſch sind die
Plätze eingencemmen, die Koffer verstaut, die Abſchiedsgrüße ausgetauscht. Unter
brauſenden SHeilrufen der zahlreich erschienenen Saarbrücker Landsleute fährt der Zug
aus der Halle. Vorüber an Zechen und Hüttenwerken, vom mächtigen Pulsſchlag kraft-
voll schasſenden werktätigen Lebens umwogt fahren wir ins schöne Nahetal. Bald
umgibt uns das friedliche Bild der Natur. Freundliche Dörfer, lachende Fluren, wald-
bekränzte Höhenzüge ziehen vorüber; ausruhend verweili der Blick auf all der Schön-
heit der pfingstlich geschmückten Gotteswelt. Oberstein grüßt uns mit seiner ragenden
Burgruin+ und seinem maleriſchen Felsſenkirchlein. Trozig ragt der Rheingrafenstein
in die Himmelsbläue. An Kreuznachs Salinen vorüber trägt uns der Zug. Die Türme
des goldenen Mainz werden sichtbar, die Rieſenhalle des Frankfurter Bahnhofs nimmt
uns auf zu kurzer Raſt. Weiter, immer weiter geht's hinein ins Deutsche Reich. Nach
wenig Stunden iſt das erſte Ziel der Fahrt erreicht; donnernd fährt der Zug in den
Eisenacher Bahnhos ein, wir setzen unsern Fuß auf den Beden der alten Wartburgstadt,
und festlicher Empfang heißt uns im Herzen des Vaterlandes, auf Thüringens Erde,
willkommen. Licdergrüße und Ansprachen werden getauſchl, dann setzt ſich der Zug
unter den Klängen der Musik in Bewegung. Freudig überraſcht uns das Bild der
Stadt. Wohin das Aug blickt, wehen schwarz-weiß-rote Banner; eine freudig bewegte
Menge grüßt mit lauten Zurufen die Sänger von der Saar. Nach kurzem Berweilen
am Lutherderkmal begeben wir uns in unsere Quartiere. Der Morgen des Pfingst-
sonntags dämmert herauf. Zur Wartburg heißt die Parole. Wer könnte den wunder-
baren Morgen dort droben auf der Wartburg vergeſſen! Die deutschen Burſchenſchaften
haben sich zur Pfingsttagung in Eisenach versammelt, aus dessen Waldesgrün das
Burſchenschaſtsdenkmal aufragt. Doch ehe sie den Zug zum Denkmal antreten, ziehen
ſie zur Wartburg hinauf, um im Burghof in der Morgenfrühe einen Gottesdienſt zu
halten. Welch farbenprächtiges Bild! All die mit Bändern und Mützen geschmückten
Jünglinge und Männer zur heiligen Weihesſtunde vereint. Die Kurrendeknaben ſingen:
„Schaffe in mir Goti1 ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geiſt“. Hell
klingen dir Knabenſtimmen in den Maienmorgen; in ergriffenem Schweigen ſtehen
die Menſchen. Die Muſik setzt ein: Großer Gott, wir loben dich! Dann ſpricht der
Geistliche; das . Eiſerne Kreuz auf dem ſchlichten Rock, die Bruſt von den Bändern
sein2r Burſchenschaſlen umwunden; die Burſchenmütze mit dem goldenen Eichenlaub
hat er vom Haupt genommen. In ergreifenden Worten spricht er von des Vaterlandes
Not und von des Laterlandes Hoffnung und ruft die deutschen Männer, die deutſche
Jugend zur Treuer ouf gegen Heimat und Volk. Das altniederländiſche Dankgebet
„Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten“ beendet die Feier, die allen, die
sie erleben durften. unvergeßlich bleiben wird. Nun singen die deutſchen Männer von
der Saar; andächtic lauſchen die Menſchen den weihevollen Liedern, und in einem
kurzen Schlußwort darf ich noch einmal alles zuſammenfassen, was wir in dieser
denkwürdigen Pfingſtmorgenstunde erlebt! Wir wandern durch die Burg; wir betreten
ihre festlichen Räume und stehen gedankenvoll in ihren alten verträumten Höfen und
96
Saarkalender für das Jahr 1927.
Gartenwinkeln. Vergangene Zeit und große Geschichte wird wieder lebendig in uns.
Ueber die Mauerbrüſtungen blicken wir hinüber ins herrliche Thüringer Land; über
die geſegneten Fluren und die im dunklen Schmuck der Eichenwälder ragenden Berg-
ketten ſchweiſt der entzückte Blick. O deutsche Heimat, wie biſt du so ſchön! Und
wie biſt du's wert. daß wir um dich kämpfen! Das iſt der Gedanke, den ich von
allen Gesichtern lese. Es folgen Stunden frohen Zusſammenſeins mit der Eisenacher
Bürgerschaft. Liedcrvorträge unserer Sänger beim Promenadenkonzert, eine herrliche
Fahrt zur Hohen Sonne, hoch droben auf prachtvoller Lichtung des Thüringer Waldes
gelegen; dann abends das große Konzert des Männergeſangvereins und anſchließend
feſtlichr Geselligkeit. vaterländiſsche Lieder, deutsche Heimatklänge, Gruß des Ober-
biürgermeiſters der Stadt und dankende Erwiderung, in der ich den Hörern etwas
ſagen und verkünden dursſte von der heiligen Treue und von dem unbezwungenen,
ſtarkmütigen Trotz des Saarvolkes gegen fremde Gewalt und Machtgelüſte. Zuletzt
der Höhepunkt des Abends: die Beleuchtung der Wartburg! Wir ſtanden vor diesem
unbeſchreiblichen Bilde, die Deutschen von der Saar, die Burſchenschaften aus allen
Gauen des Reiches, die Bürger Eiſenachs, von einem einzigen Gefühl innerlich über-
wältigt, von der Liebe zu unserm Vaterland!
Schnell iſt die Slunde des Abschieds gekommen. Am Morgen des Pfingstmontags
führte mich der liebenswürdige Oberbürgermeisſter im Kraftwagen noch einmal in
die herrliche Umgebung der Stadt, durch wundervolle Täler und über malerische Höhen;
er zeigt mir die Waldessſtätte, an der die Stadt Eisenach so gerne den geplanten
deutſchrn Ehrenhain für die Gefallenen des Weltkrieges möchte erstehen sehen. Und
in der Tat: So reich gewiß das deutsche Land an ſchönen, waldumfriedeten Stätten
iſt, so iſt doch kaum eine vorhanden, so tief im Herzen des Vaterlandes gelegen und
ſo durch die geradezu unvergleichliche Eigenart ihrer Lage mit all dem ausgeſtattet,
was zur Schaffung cines Naturdenkmals, eines deutſchen Ehrenhains notwendig iſt,
wie dieſer auf herrlicher Höhe gelegene, von heiligem Frieden erfüllte, dem lauten Lärm
der Welt entrückte und doch sſo wunderbar leicht erreichhare Naturhain im Thüringer
Walde. Möchte der Wunſch der Stadt Eisenach in Erfüllung gehen! Wer dort gestanden
hat, wo Eisenach sich das Ehrenmal für unsere toten Helden denkt, der wird nicht
anders können, er wird sagen müssen: Ja, hier hat uns Gott die heilige, einzigartige
Stätte geschenkt, wo ein treues und dankbares Volk unter Gottes Himmel das Ge-
dächtnis seiner großen Toten bewahren und würdig feicren kannt –ê
Es ist Pſingſtmontag nachmittag. Hinter uns liegen die großen Eisenacher Ein-
drücke, vor uns die Tage in Berlin. Eben iſt der Zug in der Reichshauptstadt ein-
gelaufen. Schon auf dem Bahnsteig von festlich gesſtimmlen Menſchen begrüßt, verlassen
wir die Halle und erleben auf dem Platze vor dem Anhalter Bahnhof seitens des
Berliner Lehrergeſangvereins, der Berliner Liedertafel, des Saarvereins und der Lands-
mannſchaftlichen Verbände einen Empfang, wie ihn in dieſer von so vielseitigem Er-
leben bewegten Stadt wohl nur wenige erfahren dürften. Schmetternde Muſik, wehende
Banner, Händewinken und Tücherwehen aus allen Fenslern, tausende von Menſchen,
freudig erregt. Auch hier Worte herzlicher Begrüßung seitens des Sängerkreisſes und
des Saarvereins und dankende Erwiderung, Grenzlandsgruß und Treugelübde seitens
der Gäste von der Saar. Was wir dann an den nachgefolgten Tagen an Großem und
Herzbewegendem in der Reichshauptſtadt erlebt – das im Einzelnen zu ſchildern,
iſt im begrenzten Rahmen dieses Rückblicks unmöglich. Das aber sei vor allem aus-
geſvrochen: Daß wir im Saarbrücker Lande, an dieser äußersten Westgrenze des Reiches,
niemals daran gedacht haben, welch eine tiefe, ja leidenſchaftliche Teilnahme an unseres
deulſchen Grenzlands Volksgeschicken, an unserer Not und unserem heiligen Kampf
in den Herzen der Berliner Bevölkerung lebt, und zugleich welch eine tiefe Treue die
jetzt in Berlin lebenden ehemaligen saarländischen Volksgenossen ihrer einstigen alten
Heimat bewahrt haben. Aus der Fülle des Erlebens und der Eindrücke hebe ich
den festlichen Empfang auf dem Rathaus hervor; die dort zwischen dem Oberbürger-
meister Berlins und den Vertretern des Saarlandes gewechselten Anſprachen mit ihrem
ſtarken Bekenntn1is zum Vaterlande und die frohen Stunden herzlicher Geselligkeit
im Festsaal des Rathauſes. Ich gedenke weiter der gewaltigen Abendverſammlung in
den Riesenräumen des Konzerthauſes, wo die Saarbrücker Sänger durch ihre meiſter-
haft gesungenen Lieder die Zuhörer — es dürften 5000 gewesen sein –~ zu stürmischen
Kundgebungen hinriſsen. Den Verlauf jenes Abends in der ganzen Wucht seiner vater-
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| Saarkalender 1927 7
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§
|
2
§
§
S:
Ä
~
Saarkalender für das Jahr 1927.
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ländischen Stimmung zu ſchildern, iſt schwer. So viel aber darf geſagt werden, daß
der Abend uns willkommene und dankbar genützte Gelegenheit gegeben hat, vor allen
Schichten der reichshauptſtädtischen Bevölkerung ein tiefwirkendes und nachhaltiges
Bekenntnis des Eaarlandes zum deutschen Vaterlande in Lied und Wort abzulegen
und wiederum von der Reichshauptſtadht den starken Ausdruck des unbeirrbaren
Glaubens an die deutſchen Volksgenosſen des Saargebietcs entgegenzunehmen.
; Und nun die Slunde bei Hindenburg! Als es bekannt wurde, daß der Reichs-
] präsident uns empfangen wolle, da ging eine freudige Bewegung durch unſern Kreis.
Und wer möchte die Erinnerung an die unvergeßliche Etvnde missen, in der wir im
Garten des Palais dem verehrungswürdigen Manne gegenüberſtanden! Es ist etwas
Eigenes, schwer zu Schilderndes um die Empfindungen, die ein deutsches Herz ergreifen,
wenn man ſihH Auge in Auge dem Manne gegenübersſieht, in deſſen Perfönlichkeit ſich
eine ganze Schicksalsepoche: unseres Volkes verkörpert, dessen Geſtalt gleichſam der
ruhende Pol in der Flucht der Erſcheinungen, das Ruhemoment für ein von Kampf
und Not gehetztes Volk, der Ausdruck alles Guten, das in unserm Volke lebt, ge-
worden iſt! Wie sland er vor uns, der nahezu Achtzigjährige, so ungebeugt, eine hoch-
ragende Gestalt in ungezwungener Frische und bewunderungswürdiger Straffheit der
Haltung, ein herzergreifendes Bild für jeden, der ihn sah. Wie schlicht und freundlich,
väterlich gütig und jede Beklommenheit nehmend war sein ganzes Wesen! Es geht
von der abgeklärten Ruhe und Gehaltenheit dieses großen deutschen Mannes etwas
wie eine ſuggeſtive Wirkung aus; man gibt ihm sein ganzes Denken und Fühlen, weil
man nichr anders äann. Als er so herzliche Worte fand für unseres Grenzlandes heilige
| Not, auf Gott hinwies, der unser Volk nicht verlaſſen werde, und auf meine Bitte,
zu uns zu kommen, ſobald die politiſchen Umstände es erlaubten, freudig seine Zu-
stimmung gab, und ſchließlich seine herzlichen Grüße an Saarbrücken und unsere
Heimat auszurichten bat, da waren wir alle tief bewegt und schieden von Hindenburg
in dem Gefühl, etwas ganz Großes, in seiner Art Unvergleichliches erlebt zu haben.
| Nur eine Stunde kam, die in ihrem tiefen Eindruck ſich jener Stunde bei Hinden-
] burg an die Seite stellen konnte: Es war die Sängerandacht am Antiken Tempel, an
] der geöffneten Grufi der Kaiserin Auguſte Viktoria im Park des Neuen Palais in
Potsdam. Es war ein herrlicher Frühlingsmorgen; tiefvblauer Himmel über der Erde,
feierliche Slille in dem weiten Park; in den Bäumen ſangen die Vögel. Wir legten
unseren Kranz am Sarkophage nieder; dann sprach ich von dem, was in dieser Stunde
durch unser Herz ging; die Sänger sangen Beethovens Hymne: Heilig, heilig, heilig ist
| der Herr; dann ſtanden wir lange in lautloſem Schweigen, wir aus der deutschen
Weslmark, und die Menſchen, die aus den ſtillen Parkwegen herzugekommen waren
und uns alle einte die Erinnerung an die treue deutsche Frau, die hier in dieser heiligen
Stille ausruhen darf von ihrer herben Lebenstragik.
f Andere Eindrücke noch sprachen zu uns auf Potsdamer Boden, aber alle groß,
bedeutſam, voll Tradition und geschichtlicher Wucht. War's nicht, ais sähe man den
alten Fritz an seinem Krückſtock kommen, als wir durch die Räume von Sans-souci
gingen? Als ob die Tafelrunde wieder lebendig würde? Als tauchte Voltaire wieder
auf und der Kön wende ihm lachend in geistreichem Wortgefecht das Antlitz zu?
| wut "his E 9 zW Sti; : Züi us z :s 61:35
f D) VO; ß : ~ ner, ; =
| diſcher Schönheit geschaffen ist, daß ich mich kaum erinnere Ergreifenderes sowohl an
Tiefe des Ausdrucks wie an künſtleriſcher Darſtellung je geſehen zu haben.
| Auch jene Stunde am Sarg Friedrichs des Großen und seines Vaters unter der
| Kanzel der Garniſonkirche – wer hätte sich ihrem Eindruck entziehen können? Und
] was alles ging einem in Erinnerung an des großen Königs harte Jugend durch den
Sinn, wenn man in der ſchlichten Gruft die Särge gerade diefer beiden Männer, und
nur dieſ.r beiden, nebeneinander sah! Ja, wie viel Geſchichte und große vaterländische
Entwicklung spricht toch zu den Menſchen, wenn sie an Poiedams ehrwürdigen Stätten
weilen und vom Turm der alten Garnisonkirche heute noch wie einst das Glockenspiel
| ertönt! Uns war es eine besondere Ueberraſchung, daß, vermöge einer neuen Kontakt-
| Einrichtung. die das Spielwerk des Turmes mit der Orgel verbindet, uns nicht nur
| die alten Weisen vom Turme grüßten, sondern auch neuerc vaterländiſche Lieder und
~ wofür dem Organiſten der Garnisonkirche Profesſor Becker an diefer Stelle be-
sonders gedankt sei – die „Heimatklänge an der Saar“. – j
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Saarkalender für das Jahr 1927.
. Am Freilag. den 28. Mai, verließen wir Berlin. Vom Anhalter Bahnhof ging
die Fahrt im Sonderzug nach Dresden. Es war eine Ahschiedsſtunde von geradez1n
ergreifender Herzlichkeit. Am Zuge ſpielte die Reichswehrmusik; die weite Halle von
begeiſterten Menſchen erfüllt. Blumen und Geſschenke. Markige Abschiedsworle und
Grüße ans Saarland. Unler brauſenden Kundgebungen fahren wie hinaus ~ neuen
großen Eintrücken, neuen Freuden, neuen vaterländiſchen Weiheſtunden in Sachſens
Hauptstadt entgegen. Zwar, so mag mancher gedacht haben, kann denn das, was
wir in Berlin erlebt haben, noch irgendwo sonst erreichh werden? Muß nicht alles,
was noch kommen mag, schließlich doch zurücktreten, verblaſſen gegenüber all den
glanzvollen Eindrücken, mit denen die Reichshauptstadt unsere ganzen Sinne in ihren
Bann zog? Nun. als der Zug unter den Klängen der Reichswehrmusſik und unter Will-
kommenskundgebungen von spontaner Wucht seitens der den Bahnsteig füllenden
Menge in Trecsden cinlief, da schlugen uns die Herzen höher in freudiger Bewegung.
Und vollends, als die Saarbrücker Sänger aus dem Bahnhof traten und ihnen der
Jubel von Tauſenden entgegenſcholl, die den weiten Vorplatz dicht besetzt hielten, da
fühlten alle: Auch in der sächsischen Hauptstadt schlagen treue Herzen für die Saar? .
Auch hier werten wir Großes erleben! Es war ein glänzendes Schauſpiel, der Empfang
vor dem Dresdener Hauptbahnhof. Mehr als fünfzig Banner flattern im Winde, ein
Wald von Fahnen! Schmetternd klingt die Muſik über den Platz. Dankbar bewegt
hören wir Worte freudiger Begrüßung. Ich antworte tem Sprecher, gebe unserer
Freude Ausdruck über den Glanz dieſes Empfanges, grüße den Freistaat Sachsen aus
des Reiches Westmark und gedenke des Vaterlandes. ,„Deutſchland über alles“ intoniert
die Musik; braufend klingts über den Platz; Tausende stimmen mit entblößten
Häuptern ein; manches Auge wird feucht. Das Lied ist verklungen, Hoch- und Heil-
rufe erſschallen auſs neue; junge Mädchen überreichen den Saarbrücker Gästen duftige
Blumensträuße – es iſt ein Willkomm von unbeſchreiblicher Herzlichkeit. Um 2 Uhr
iſt der Empfang auf dem Rathausſe angesetzt. Pünktlich iſt alles zur Stelle. Die
städtische: Behörden begrüßen ihre Gäste und geleiten sie in den herrlichen Festsaal
zur Tafel, mit dem Silber des Ratsſchates und wundervoller Blumenzier festlich ge-
schmückt. Golder: perlt in den Kelchen der edle Rheinwein. in glänzender Gaſtfreund-
schaft vom Rat der Stadt den Gäſten dargeboten. Frohe Stimmung erfüllt den Kreis.
Die Stadt entlbieltei herzliche Begrüßungsworte; dann spricht der Kultusminister, nach
ihm der Redner des Elbgau-Sängerbundes. Saarbrücken antwortet mit tiefgefühltem
Dank. Durch alle Reden zieht sich ein großer Bedanke: Wir wollen sein ein einig
Volk von Brüdern. 1!n keiner Not uns trennen, noch Gefahr! Das ist auch der Grund-
ton auf den die Lieder gestimmt sind, die nun, von der Akuſtik des glänzenden
Feſtsſaales wirkungsvoll getragen, von den Saarbrücker Sängern zum Vortrag gebracht
werden und bei den Zuhörern begeisterten Beifall auslösen.
Am Abend fand im Gewerbehauſe vor ausverkauftem Saal das offizielle Konzert
statt und im Anschluß daran die große Festverſammlung, von ernsten und launigen
Reden gewürzt und durchwoben von köfſtlichen Liederperlen, in denen Freud und
Leid des Vaterlandes und manches Große, das sonst der Menſchen Herz bewegt, weihe-
vollen Ausdruck fanden. Der folgende Tag sah die Saarbrücker Sänger als Gäſte
der Stadt Meißen. Es würde ein wesentliches Stück in diesem Reiseberichte fehlen,
wollten wir nicht des besonders herzlichen, in ſeiner ganzen Art faſt rührenden
Empfanges mit besonderer Betonung gedenken, den dieſe Stadt den Saarbrücker
Bcſuchern bot. Wie markig und herzlich klangen die Worte des Bürgermeisters, als
er die Gäste am Landungssteg der Elbe willkommen hieß. Und dann das Bild der
Stadt! Die ganze Stadt war prächtig geschmückt, die Häuſer mit Blumengewinden
und Fahnen überreich geziert; eine froherregte Menge säumte die Straßen, die der
Zug pasfierte; überall jauchzende Zurufe, und aus den Fenstern ergoß sich ein wahrer
Blumenregen auf die Sänger. In all dieſen Kundgebungen, die etwas geradezu Über-
wältigendes halten. fühlte man den Herzschlag der Stadt, die deutsche Treue und das
Glücksgefühl, deutſche Brüder in den Mauern der Stadt zu sehen. So war denn dieser
ganze Tag von einem warmen Ton der Freude und echt deutscher Gemütlichkeit er-
füllt. Voll Bewunderung durchwanderten wir die Räume der Porzellanmanufaktur
und gewannen einen Einblick in das künſtleriſche Schaffen dieses großen, well-
bekannten Werkes. Wir ſtanden entzückt und staunend in der gewaltigen Albrechtsburg
und ließen die wundervollen Wandgemälde in den prunkvollen Gemächern, eindrucks-
volle Bildzeugen von Sage und Geſchichte, zu unsern sinnenden Gemütern reden;
100
Phot. Wentr, Saarbrücken
Saarkalender für das Jahr 1927.
aus den Burgfenstern ließen wir die Blicke schweifen über das weite schöne Land. An-
dachtsvoll um fing uns die heilige Stille des Meißener Domes, eines Bauwerks, das
in seiner klaſſiſchen Sönheit, eng an die mächtige Albrechisburg gektehnt, dem ganzen
Stadtbild von überragender Höhe eine wundervoll künſtleriſche Note und ein Gepräge
von unvergeßlichem Eindruck gibt. Dann wanderten wir durch die maleriſchen Berg-
gäßchen an altertumlichen Häuſern, lauſchigen Winkeln und einladenden alten Kneip-
stübchen vorüber zur Stadt hinab und fanden uns im ,Alten Ritter“, dessen köſtlicher
Wein wohl manchem heute noch in der Erinnerung mundet! Abends Konzert und
Bankett, Trinkſprüche, heitere Reden, froher Becherklang, geselliges Behagen und
warme, wurzelechte deutſche Gemütlichkeit. Der Rachtzug bringt uns nach Dresden
zurück nach herzerquickenden Abſchiedsſzenen am Zuge, und lange noch gedenken wir
dieses besonders ſchonen Tages im gaſtlichen Meißen und grüßen dankbar die liebe
schöne Stadt, ihren Magistrat und ihres Bürgermeiſters liebenswürdiges Haus.
Der Tag der Heimfahrt naht. Der Sonntag iſt noch den Besichtigungen der herr-
lichen Sehenswürdigkeiten Dresdens gewidmet. Am Nachwittag singt der Saarbrücker
Männergesangverein in den prachtvollen Bartenanlagen des Zoo; dann raſch ein Blick
in die wundervolle Jubiläums-Gartenbau-Aussſtellung, die auch an ihrem Teile wie
jonst überall im Reiche all das kraftvolle neuerwachte Leben beredte Kunde giktt von
der staunenswerten Höhe deutschen Gewerbefleißes, deutſcher Kunst, moderner deut-
scher Kultur. Am Abend finden wir uns in der herrlichen Dresdener Oper, hören den
„Zigeunerbaron“ und in der Titelrolle Richard Tauber, den großen Sänger, als Gaſt,
und suchen dann, hochbefriedigt von der Fülle der Eindrücke, unsere Quartiere auf.
Am andern Morgen, früh um 7 Uhr, festlicher Abſchied auf dem Hauptbahnhof. Auch
hier wie überall stürmiſche Kundgebungen deutſcher Treue und Brüderlichkeit. Wie
in Berlin, sſo auct hier liebe, vertraute Landsleute aus allen Ständen, Schichten und
Lebensaltern, die uns mit Tränen in den Augen bitten, das alte Saarbrücken, die
Saarheimat zu grüßen. Man hat nicht Zeit genug, all die Hände zu drücken, die ſich
einem entlgegenſtrecken; man weiß nicht, wohin mit den Blumen, die man uns bringt.
Die Regimentsmuſik spielt, kurze Rede und Gegenrede; langſam setzt der Zug ſich
in Bewegung; ter Tücherſchwenken und brauſenden Hocbrufen aufs Saarland gleitet
er aus der Halle.
Wir fahren durchs schöne deutsche Land, näher und näher der Heimat zu. Ueber
dem Austauſch der Erinnerungen eilen die Stunden im Fluge dahin. Rechtzeitig treffen
wir an der Saargrenze ein; um 10 Uhr sollen wir in Saarbrücken sein. Doch mit des
Geschickes Mächten . .. In Homburg liegen wir über eineinhalb Stunden fest. Fran-
zöſiſche Zollreviſion! So treffen wir erſt gegen 12 Uhr nachts in Saarbrücken ein, von
unübersehvar.r Menge, die standhaft ausgehalten hat, mit hellem Jubel begrüßt. Dank
Euch, Ihr Bürger .und Bürgerinnen, daß Ihr so geduldig gewartet und uns in der
Heimat so herrzlichen Willkomm bereitet!
Wenn ich nun rückſchauend die ganze Fahrt überdenke, ihren tieferen Sinn und
. . Zuweck, ihren Verlauf und ihr Ergebnis mir vor Augen halte, so tritt aus allem ein
Gedanke klar und bedeutungsvoll heraus: Es war weit mehr als eine Sängerfahrt im
techniſch-engeren Sinn! Wenn es nur das gewesen wäre, eine Reiſe von Sängern zu
befreundeten Korporalionen gleicher Art – warum dann ſo viel öffentliches Interesse?
Aber es war mehrxr, viel mehr als das! Weit über den Rahmen der ſsſangesmäßigen,
rein künſtleriſchen Vetätigung wuchs diese denkwürdige Fahrt hinaus zu einer vater-
lindihe: Kundgebung großen Stils, zum deutſchen Treucbekenntnis, zur nationalen
at!
Ungeachtet großer persönlicher und materieller Aufwendungen und Opfer sind diese
deutschen Sänger, Männer aus dem Saarlande, hinübergefahren ins Reich, nicht nur
um dort den deutſchen Männerchor zu verherrlichen, alte Sangesbeziehungen zu
feſtigen, neue anzuknüpfen. Nein, allen Teilnehmern stand als hohe Aufgabe das eine
vor der Seele. Wir wollen singen und sagen von der deutſchen Treue des Volkes in
des Reiches Westmark, an der Saar! Wir wollen mit unſerm Bekenntnis zum Vater-
lande auch an unserm Teile kämpfen gegen falſche Meinungen und Vorurteile gegen-
über dem Saarvolke, wenn sie noch irgendwo eine Stätite haben sollten! Wir wollen
Aufklärung ſchaffen und das Vertrauen zu unserm deutschen Grenzland vertiefen
helfen! Mit unsern Liedern wollen wir's in die Herzen tief drinnen im alten Vaterlande
102
ÖSaarkalender für das Jahr 1927.
hineinsingen, wollcn’'s laut hinausrufen ins alte Reich: Deulſch eiſt die Saar immerdar!
„Wir sind geboren, deutsch zu fühlen, sind ganz auf deutſches Denken eingestellt! Erst
kommi mein Land, dann all die anderen vielen; erſt meine Heimat, dann die Welt!“
Das ist's, was diese Pfingstfahrt hoch hinaushebt über andere Veranſtaltungen, wie
sie unter anderen, leichteren Voraussetzungen, als sie im Saarland gegeben sind, wohl
manchesmal vonstatten gehen mögen! Die erneute festere Knüpfung des alten Bandes
der Zuſammengehörigkeit zwiſchen Saarland und Deutschem Reich — das iſt's, was dieser
Sängerfahrt die beveutungsvolle Note gibt und ihr einen Ehrenplatz sichert in der Ge-
schichte des Saargebictes in ſchweren Schickſalstagen, in ſeinem Kampfe um Heimatrecht
und deutsche Ehre' In großen Städten des Reiches, an denkwürdigen Kultursſtätten im
Herzen des: Vaterlandes durſten wir im Lied und nicht zuletz1 in eindringlicher Rede vor
Taufenden und Abertauſenden atemlos lauſchender Volksgenossen bis hinauf zur höchsten
. Stelle des Reiches von der glühenden, weder durch Feindesdruck noch durch Verlockung
zu bezwingenden Vaterlandsliebe des Saarvolkes Zeugnis geben. und wenn im Reiche,
wi. wir desſen gewiß sind, der Glaube an das Saarland und das Gefühl unauslöſchlicher
Verbundenheit mit seines Grenzlandes Menſchen und Beſchicken eine neue Stärkung,
Festigung und Verlieſung gefunden hat, so iſt dies der ſchönſte, ideale Ertrag und der
reichſte Lohn für alle, die teilgenommen haben, wegbereitent und fördernd, das deutſche
Lied im Herzen und auf den Lippen, an der Pfingstſahrt des Männergesangvereins
Saarbrücken ins deuiſche Vaterland.
|
Kleine geſchichtliche Erinnerungen.
1811.
Das Saargebiet seufzte unter dem fran-
züsiſchen Joch. Napoleon I. stand auf der
Höhe seiner Macht. Er war überglücklich,
els ihm am 20. März 1811 seine Gemahlin
Irfsefine ' einen Sohn gebar, den König
von Rom. Dire französischen Beamten des
Saardepartements wollten, wie so oft, die
Gelegenheit benutzen, um. nach Paris die
Ergebenheit der Saarbrücker melden zu
können. Es erging daher der Befehl, dio
„Eeburt des Kaiserſohnes festlich zu be-
qehen. Jeder wußte, daß ihm als Rebell
_ das Kriegsgericht in Met den Prozeß
machen würde, wenn er sich irgendwie
mißliebig machte. Viele ließen sich krank
melden oder ſuchten auf irgendeine Art
dem Befehl nicht Folge zu leisten. Auch
r io Schulen mußten feiern und erhielten
die Order, im Sonntagsſstaat, die Mädchen
in weißen Kleidern, an der Pflanzung von
acht Eichen auf dem Raſtphuler Distrikt
teilzunehmen. Der geplante feierliche Akt
zur Erinnerung an den 20. März 1811
war nicht nach dem Herzen unserer Alt-
vorderen. Viele Väter untersagten ihren
Kindern die Teilnahme, worauf mit
Schulſtrafen gedroht wurde, wie etwa für
die Teilnahme an der Jahrtauſendfeier
durch Veszenſki. Aus Angst vor der da-
mals in der Schule noch üblichen unge-
lrannten Holzaſche ließ sich manche Mutter
herbei, ihren Sprößling heimlich vor den
Vater zur Feſtlichkeit zu entſenden. Nach
der Rückkehr, ſo auch bei meinem Groß-
vater mütterlicherſeits, Mohr in der Altneu-
gaſſe, setzte es Prügel vom erzürnten
pater familias. Aber die Spitzelorganiſa-
tion war damals ſchon so gut organisiert
wie unter Raults neutraler Völkerbunds-
regierung. Es währte nicht lange, und die
französische Behörde war über solch eine
Renitenz gegen Frankreich unterrichtet.
Soweit ich noch von meiner Großmutter
bestimmt weiß, wurden sowohl ihr Vater,
der Bierbrauer Mohr in der Altneugaſse,
sodann Dryander und Rebenak wegen der
Züchtigung ihrer Kinder auf längere Zeit
ns Priſon gebracht. Und mit ihnen hatten
noch mehrere Bürger dasselbe Schicksal.
Eine von den acht Eichen ging bald ein.
Die übrigen gaben später dem Walddistrikt
den offiziellen Namen „Si e b en e ich en“;
ihr Standort iſt mit einer der schönsten
Aussichtspunkte in der an Naturſchönheiten
ſo überreichen Saargegend.
103
Saarkalender für das Iahr 1927.
Der Bt. Fohanner und BGnarbrücker Bannbegang.
Von Prof. Dr. h. c. Ruppersberg.
In diesem Jahr ist zum ersten Male seit
langer Zeit wieder ein Bannbegang in
St. Johann veranstaltet worden.
Dieser Bannbegang wurde früher all-
jährlieih von der Bürgerſchaft vorge-
nommen. Ueber den Bannbegang vom
Jahre 1608 besitzen wir noch ein avsführ-
liches Protokoll, das hier folgen mag:
„Zu wissen und kund seie hiermit, daß
heut Donnerstags den zwölften Monats-
tag May, als man zählte nach Chriſti
unseres einigen Erlösers und Seligmachers
Geburt Ein Tauſend Sechshundert und
acht Jahr, die Ehrengeacht weiſe und vor-
nehme Hermann Blaßbach Bürgermeiſter
zur Zeit allhier, Herr Veit Klein und Herr
Joh. Müller, sodann Herr Johann Weiß,
Gerichtsſchöffen, wie auch Herr Kaſpar
Taixon und Jakob Spanier, der Stadt
Zugeber, auch Jakob Burg von Hagenau,
zur Zeit geſchworener und verordneter
Stadt- und Gerichtsſchreiber allhier in
ganzer bürgerlicher Versſammblong tragen-
den Ampt und Diensts wegen requirirt
und bittlich angelangt. :
Demnach von unerdentklichen Jaren bey
ihnen biß dahero in Uebung und Gebrauch
gewefen, wie noch alle Jar ſfsonderlich
Donnerstags vor und nach den heiligen
Pfingsten, gemeine bürgerliche Sammen-
kunft zu halten, zu vernehmen, ob der
herprachten Gewohnheit zuwider an
Wälder, Heinwegen oder sonsten irgend
einem Ort ichtwaß mangelhafts sich zu-
getragen und begeben, daß man daßſelbig
vorbringen, die Gebür dargegen vor-
nehmen und dieselbige Mängel begehen
und beſsichtizſen wollte, haben gemein
Burgersſchaft auß volgenden Ursachen dieses
bis zum volgenden undt nechſten Donners-
tag ufgehoben undt itzmalen an mich ge-
ſunnen und dbegert, dieweil der Stadt
Bann und Gemarken in etlich wenig
Jahren nit allerdings begangen worden, so
doch unsre lieben Vorfahren auß wohl-
bedachtem Eifer und Gemüt alle Jahrs die
Ankommende anzuführen in Gewohnheit
gehabt und dann, inmittelst sich bei Herbſt-
zeiten, wann die A\Arichel- oder Aecker-
nießungs-Hütung im Umgebot die Burger
betroffen, ihrer viel sich entſchuldiget, daß
ihnen die Gräntz und Bannſchiedung eines
Teils gar nit und andern Teils allerdings
nit eigentlich bewußt und kundig, defß-
wegen die Stadt mit ihrem Maſtvieh der
Schwein nit wenig Verkürzung verspürt,
die Benachpurte aber teils ohne Scheu
wider alle billigkeit früe und spat uff uns
gefahren undt, was der liebe Gott uns be-
ſcheert, wir deſſen von andren auß unser
Unachtſamkeit beraubt worden, deren-
wegen vor gantz ratſam, auch hochnötig be-
fonden diesen Gang vor allen Dingen vor-
ur. P {7.10 hr _ rwittas ours
Da denn Herrn Gericht, Zugeber und
Elteſte ihrer gethaner Pflicht, und waß
desfalls mir Stadtſchreibern alß verpflich-
ten obliegt, ich sie vor ganzem Umbſtandt
getreu und vleißig ermahnt, dieses vorzu-
nehmen also dahin anzuſtellen, und zu
richten, daß die junge Burger, denen dieses
Geschäft unbewußt, und ich mit ihnen nicht
verführet, sondern sollen die eltiſte und
Jenige, so mehrmals diesen Gang ver-
richtet, bei Verluſt ihrer Seligkeit uns also
anweiſen und führen, daß wir und unsere
Posterität mit gutem Gewissen darben vor
Gott, der Obrigkeit und Menniglichen, so
deswegen interessirt, geruhiglich und be-
ständig bleiben mögten.
Darauf Gericht, sonderlichen Herr Veit
Klein neben den Eltern dieſes Werk vor-
gehaltener Maßen gzu vollbringen im
Namen Gottes angefangen. – Seindt also
zur untern Pforte hinaus die Malſtatter
Straß zu gegangen und den Fußpfad zum
Koelrech ') zu genommen, da man dann
gegen dem Helmſtettiſchen Felde uff der
Sar, ungefähr 37 Schritt weit vom Wasser,
einen Stein im Feld gefunden, da man
den Anfang gemacht. Von dieſem Stein ist
man zur Straße zu, ſtraks am Helmſtetter
Buel ?) oder Feld, jenſeits der Malſstätter
Straß gelegen, zur Rhein-Straß s) zu- *
gegangen, zwischen Helmſtätter und
Reiſenfelod an die Rheinstraße kommen
und dersſelbigen Straß, so zur Sitters zu
geht, vorgenommen.
Sodann wird der Marſch eingehend be-
ſchrieben, es tauchen dabei folgende Be-
zeichnungen auf: Grabel-Wald, Sitters-
wald, Petersbrunnen, Ellernbornfloß,
Hochſtraß, Rodtbuſch, Pefeiffers-Stein,
Wolfshymbs, Himmelwiesen, Pfeiffershof-
statt, im Sand, Dörrwieſen, im Seifen
1) Am Saarufer, wo die Steinkohlen ab-
geladen, gewogen und verſchifft wurden, die
heutige Kohlwage (Bergfaktorei).
?) unten am heutigen Bahnhof.
3) Die Grülings- oder Römerstraße.
104
Saarkalender für das Jahr 1927.
unter der Hambuche in Dörren-Mernbach,
Vogelsgeſang auf der Holm, Vogelsſchanel,
Naſssebüſch, Dutweiler Heid, Scheidter
Fröhn, Schwarzenberg, Kiſsſelgrund, Hai-
denkopf, Weiße Steingrube, Halberg.
Dort wurde der letzte Stein im Bann-
begang „im Eingang des Halbergerwaldes
befonden“. Von hier aus ging man zur
Stadt zurück und iſt „Abends umb ö Uhren
nachher Haus khommen, und dies Geſchäft
in 7 Stunden verrichtet. Alle die Burger, so
hierbei gewesen ſseind, folgen hernach.
In Welſch - Annen . ihren Verzehr
gehabt.
Heinrich Pfeifer.
Hans Schweitzer.
Joachim Metzger.
Ludwig Seyfried.
Kraus Hamann.
Jakob Wellinger.
Sonnltag Zimmer-
Diether Buüermacher.
Weißhans Wagner.
Veith Metzger.
Erhard Becker.
Paulus Steinmegt.
Peter Keller.
Lang Nickel.
Georg Fuormann.
Peter Meyer.
mann.
Sonntag Metzger.
Hans Georg Kraus.
Jakob Lamprecht.
Lukas Wagner.
Wolf Gerber.
Claus Kremer. Chriſtmann.
Cornelius Weniger. Johann Montz-
Heinrich Glaser. heimer.
Martin Küfer.
Friedrich Schug-
macher.
Baſtianus Leiſt.
Heinrich Joller.
Valentin Laudt.
Krieger Mathes.
Claus Becker.
Friedrich Kraus.
Hans Burg, Seiler.
Thomeſſen Jakob. Hans Martin Scheidt.
Cornelius Callenbaut. Math. Schugmacher. .
Strohmayers Zehrgäſt.
Martin Becker.
Stephan Schneider.
Georg HBiſchmis-
heimer.
Krieger Nikolaus.
Nikolaus Reuther.
Peter Spengler.
Adam Schugmacher.
Nickel Schweiger.
Thiel Weber.
Jakob Kremer.
Bernhard Weffen-
Jakob Perlen. becker.
Ingebrecht Hut- Peter Fuormann.
macher. Hans Kerb.
Hans Heinrich Wag- Kaſpar Schneider.
Hans Hermann Nagel.
Michael Gerber.
Strohmayer.
Jatch, Kantengießer.
Konrad Schlosser.
Nickel Gerber.
Summa seind der Burger so mitge-
gangen 63. Theils so nit erſchienen, haben
die Pfortenhuth §erſchen: theils abwesenov,
queh < f ; E ran ihei V f hot gw een
taß dieſes Geschäft alſo vorgangen, bezeug
ich unterſchriebener zur Zeit Stadtschreiber
hiermit, –] menniglich sein Recht für-
behalten. Pro Memoria. J ak o b Burg
m. pp. Stadtſchreiber.“
Die Sitte des Bannbegangs wurde auch
in Saarbrücken geübt. Nach dem Stadt-
vrotokoll wurde am 24. Mai, Freitag vor
Nfingsten, im Jahre 1624 der Bann von
der Bürgerschaft begangen und das Stadt-
gewälde besichtigt. An diesem Gang naß-
men 84 Bürger unter Führung des Meiers
Philipp Schefsler und der Gerichtsſchöffen
Jakob Schwan, Heinrich Richel uno
Martin Hohenſtein teil. Jeder Bürger, der
den Bann beging, erhielt 5 Albus „zum
Besten“, in Summa 16 fl. 14 Albus, wozu
die Gelder aus der Witweiber Pfortenhut
(8 fl.) verwendet und das übrige aus der
Stadtkasse zugelegt wurde. Noch aus dem
Jahre 1790 wird von einem solchen Bann-
begang berichtet, bei dem es zu . einem
Streite mit dem Verwalter des Deutſchen
Hauſes kam.
Des Saarländers Tiſchgebet und wie er es ſich bei
einigen deutſchen Stämmen, Pfälzern, Schwaben,
Moſselanern u. a. denkt.
So Grumbeern is nix ohn’ Sauerkraut
Un Wuytenfleiſch donebe,
Bruder, do wird 'ingehaut,
Herrgott, is das ein Lebel
>
Dater unſer, der du biſch,
's hocken zwölfe hinnerm Tiſch,
Freſſet, bis Enk elend iſch!
*
Jett hob’ i geſſe,
Bin noch nit ſatt,
Hätt’ gern noch was freſſe,
Hab' nix meh' gehatt.
Die Zähn' sind's g'wöhnt,
Und 's Maul is gedehnt,
Drum hungert's mi allezeit,
Jett und in Ewigkeit.
*
Ewei hommer all gääß, o mer ſein all ſaad,
Mer hätten noch ebbes gääß,
Mer honn awer neiſt mieh gehadd!
Bößde ſatt, Trien? Botz de Maul aob,
CLäch de Lajjel hin, reim den Döſch aob.
%
Gott Lob und Dank für Speiſ' und Trank,
Hob’ wieder a bißle geſse,
Hob' 99 Spätzle im Leib
Und könnt noch 100 freſſe!
105
Saarkalender für das Jahr 1927.
Besſizergreifungs Patent,
Der Stadt uud Feſtung Saarlouis,
Und der übrigen vou Frankreich durch den Friedens . Traktat vom 20 November abgetretenen Gebiete -
Oerter und Plätze des Moſeldepartements.
) ch Endes Uaterſchriebener , Staatskanzler Seiner Majeſtät des ß
Köôaizs von Preufen , beooll nächtige und aukoriſire, Kraft gegen-
tvärtiger Urkunde, im M.umen Seiner Königlichtn Majeſtät, meines
allergnädigſien Herrn, den Herrn Appellations - Rath Märhias
Simon, nachInnhalt des zwiſchen den hohen verbündeten Mächten
und Frankreich geſch1o;ſenen Friedens - Trattats vom 20 dieses. Mos
mats, Artifkrl 1,, Nreoi und Artikel 2, und der Konvention über
bie Muiurär- viaie von demſelben Tage, Artikel 9 , diejenigen Gebiete,
Oertec und Ptätze, welche nah dieſen Beitimmungen zeyn Tage uach
dem Abſchwußÿ des Friedens, alſo aim Zoten dieses Monats, von
Frankreieh avgetreten uad nach oer, z.viſhen Preußen und den übci,. y . ' .
1 ft bes Magiſitats , in ei
gen §;b:: v .rbundeten M ichten getro;fenen besondern Uebereinkunft
Uns Glarigik Ueitecs ühter Ei rtung und {m. Einversiänd.
nis mit der, von der Militärvehörde zu ernennenden Muitäryecſon ,
Ee uur uns heren Wertwiltung 'auzuorpnen s et hel
Des zur Urkunde iſt dieſe Volma<ht von mir unterzeichnet ,
tind mit dem eönuguiezen Innegel versehen worden.
So geſchehen zu Saarbrü.Len , den 27 November 181%,
(L. S.)) \Gezeichnee. Für | von Hardenberg.
Zux Beglaubigung,
Der Könialich-Preußiſche Oberappellattons Math,
und Kdöniglich- Preußiſche Kounmmuyſarius-
M a r hb i a s S 1 m o n.
IJ, Endes Unterschriebener , Ksaiglich Preußischer Oberappella-
tions - Rach i.n Srosyerzogthum Mieoderrheim , Kraft vorſiteyender
. Woll nachr; Königlich Preußischer Ko mnyfarius, zur Benz - Ergrei-
fun, der oon Frankreich an Preußen abgetretenen Gehiete , Oérter
uno Piähze y uas bis zue oesi.jitiven Organisation init der Oberver-
altun, j oleſer Gebiete , Oerter und Piätze, beauftragec,
Nrichdem heute den z Dezember , Morgens sieben Uhr , dieFeyer-
lichkeiten dir Beſtzaah ne, ourcy das väuten der Glocken verkündet
twordeuw , habe mich‘, Morzens 10 Uyr , in die Hauptkirche begeben,
woſelbſt der Herr Oberodcger.neiſter der Stadt Säarlouis , nebjt
G 36U.53,4;5.020:0. 655%
tmr t eren Königlich Preußiſchen General-Majors von Steinmetz,
#æa Nove.nver sur |:; sz4.522 Firreuetettt tw
TDC
O00
u rËs. waren ebenfals, H 65% Generalſtabe , gegen-
Saarbrücken , bei Chriktina Hojer , Buchdrucker.
Das in Gaarlouis anwesende Kömguch Preußische Militär ,
war unter Gewehr getreten , und der eierliche Autzug von der
Bürgerwache und ihrer Muſik begleitet.
Ich [Untexſchrievener Königlicher Komtniſfarius , im Einverſtänds
nis räit des Herrn General. Majors von Steinmetz , Hochwoblge-
bornen , verlas die vorſievende Vollmacht des Herrn Staatskanzlers
Fürſten von Hardenberg Durchlaucht , und theilte der Wersammlung
meine:Sendung wriit.
Sofort wurden der Herr Oherbürgermeiſter und sämtliche Mit-
et Namen und als Stellvertreter
er Einwohner, dem neuen Landesherrn Sr. Majeſtät dem König
Friedrich Wilhelm von Preußen und seinen Naehtolgern , verpflichlet.
Ein eigener schriftlicher Akt wurde in dieser Hinſicht aufgefezk,
und von allen Magijtratsgliedern unterzeichnet.
Die ganze Versammlung ertönte ein dreimaliges Lebe Hoch
dem neuen Landesherrn.
Ich hahe demnach, în meiner Eigenſchaft als Königlicher Coms-
miſſarkus, und in Hinſlicht der jznamne üer ‘Feſtung Saarlouls
im Emverſtändniß rnit em Herrn General- Major von Sirtknnretz
und in. deſſen Gegemvart , ertlärt , daf tie reelle Beſizrahnme der
Stadi und Feſtung Saarlouis, und aller übrigen Oerier der Can-
que von Bauklouis , Rehlingen, und Sirck des Moſeidepartie-
inents, welche durch) den Friedens - Traktat vom 20 November , von
Frantreich abgetreten , und nach der, ziviſchen Preußen und den
übrigen verbündeten Mächten getroffenen bejondern Uevereintunft
den Staaten Seiner Majeſtät des Königs von Preuzen , mem&c
allergnädigſten Herrn , einverleibt ſind , un Namen Semer Mazettät
.- des Königs von Preußen, vollbracht ſeye ; verorinet daß; das konigl-
reußiſche Wappen ‘an allen Rath - und Genimmde- Häuſern aufgee
tellt werde ; und die Einwohner ber Sadt und Feſtung Saarlouis,
und der übrigen abgetretenen Gebiete , Oerter ur.d Piähze , zur uns-
terthanen Treue und Pflicht, gegen den neuen Landetirrn, verwieſen.
Ein Te Deum von der Katholiſchen Geiſilichkeit gesungen , und
das Gebät Ssâlvum lac regem für die Erhaltung Semer Mazeſtäu des
sous r'. Hresſer: des neuen Landesherrn, beſchioß dieje teycelie
Gegenwärtlges Beſiz- Ergreifungs Protokoll soll gedruckt , und
ſtatt des Beſiz - Ergreifungs u im der S1adt und Keſiung
Saarlouis, und in allen abgetreienen Gemeinden HÖeriern und
„Pläyen angeſschlagen werden.-
So geschehen Preuſiiſch - Saarlouis , den 2 Dezember e815,
Der Königliche Kommiſllarus.
M a t H 1 a s S i m 0 u.
über Vreußens W fi I E K;y Staôt uns Festung
Saarlouis am 2. DezembBGer 1815.
106
«nwutigt.
Saarkalender für das Jahr 1927.
Richard Dehmel in Neunkirchen.
Von Arthur Friedrich Binz.
Nachdem der ſsſ<wer zu bänrndigende
Förſtersſohn aus dem Wendiſchen Wald-
land, in Berlin vom Pennal gejagt, 1882 in
Danzig das Abitur hinter ſich gebracht hatte,
U rt Pyerſtat Ec wer tet
fach ohne Geld, unterbrach er das Studium,
um etwas zu verdienen und sich den Wind
der Praxis um die Nase wehen zu lassen.
Ein Angebot aus der dunklen Ecke des
Reiches kam ihm durch Vermittlung eines
Komilitonen vors Gesicht; Lokalblättchen ~
aber 550 Taler im Jahr! Ein knapper Brief-
. wechſel – und der Zwanzigjährige dampft
(1884) durch ſpätſommerliches Land an den
Rhein und weiter nach: Neunktirchen,
r~ Zſ§atckrtt rtr L
bestehenden „Redaktkionsverband“ der
[Sz r: un d Blieszeitung“ ein-
Daß Richard Dehmel einmal im Saar-
gebiet Redakteur war, habe ich noch von
ihm ſelbſt erfahren können und damals in
"iner. Notiz der „Saarbrücker Zeitung“ be-
kannt gegeben. Doch über seine Lebensäuße-
rungen in Neunkirchen konnte ich von dork
aus nie etwas hören. Kein Menſch ist zu
finden, der sich irgendwie des jungen Redak-
leurs von anno 84 erinnern könnte. Nie-
mand hat ihn gesprochen oder geſehen. Herr
Ohle, der sich Dehmel damals aus der Mark
Brandenburg als Hilfskraft engagiert hatte,
iſt tot. Nicht einmal Dehmels Wohnung ist
seſtzustellen, es ist doch wohl nicht anzuneh-
men, daß er sich Tag und Nacht im Re-
daktionsſalon aufhielt. Seine damalige Ad-
reſſe war die der Zeitung. Alle Spuren sind
tts. LF UE RN 1 0§§
Kabeuschen, in dem er ſeine Redakttions-
arbeit verrichtete, iſt nicht viel größer als
ein geſunder Hasenstall, in dem man ſich
als jugendlichen Brauſetoxf bekannten
Dehmel keineswegs raſtlos auf- und nieder-
ſchreitend und mit gefährlichen rebelliſchen
Gedanken hantierend vorstellen kann. Wie
Dehmel es an der „Saar- und Blieszeitung“
der 80er Jahre überhaupt länger als drei
Tage aushalten konnte, ist .,
Blick fast unverständlich. Doch Dehmel kam
ziemlich abgeriſſen von der Universität,
brauchte unter allen Umständen Geld, und
sſo hielt er denn ein paar Monate durch.
Seine (er kam im September 1884 hin) für
1. Januar 1885 in Aussicht genommene An-
ſtellung jedoch konnte nicht mehr erfolgen.
den
den erſten
läukte der Mittagsglocken und dem Geſchriae
Schon war er auf und davon. Er ging wie-
der zur Universität.
Durch die nach Dehmels Tode erfolgte
Herausgabe ſseiner gesammelten Briefe
(2 Bände, S. Fiſcher-Berlin) iſt seine Be-
ziehung zu Neunkirchen durch einen an
seinen Freund Franz Oppenheimer gerich-
teten Brief weitesten Kreiſen bekannt ge-
worden. Der Brief lautet:
NReunkirchen, Reg.-Bez. Trier, 18. 9. 84.
Liebe Beſtie!.
Bald wirst du in mir ein gleiches Un-
glückstier sehen: Der Beruf eines Redak-
teurs macht bestialiſch, wenigstens so lange
man im Dienst iſt. Es scheint uns darin
ebenſo zu gehen wie den Aerzten. Doch nun
ernsthaft! – Es gefällt mir hier recht gut,
wenn ich mir nur nicht angewöhnen müßte,
mit deutſchen Lettern zu ſchreiben; ich habe
es rein verlernk. Du ſiehſt, man wird in
einer so freikonſervativen Redaktion plan-
y!ht zr Nergteaus crzzuen. ct tue
fest überzeugt, daß der mit deutſchen Buch-
ſtaben verfaßte Brief, den mein lieber Vater
moger uu Us the Bh; Z
der Besserung vorgerückt erſcheinen lassen
wird. Diesen Brief schreibe ich mit Antiqua-
ſchrift, weil mein Tagewerk als Redakteur
heute noch nicht begonnen hat, ich alſo noch
Menſch bin; es ist nämlich 5 Uhr morgens.
Sonst stehe ich erst immer um 6 Uhr auf,
aber heute hat mich Somnus mit seinem
Zorn bedacht; ich konnke nicht wieder ein-
schlafen. Meine Praxis fängt um !47 Uhr
an, und ich habe dann bis ca. 9 Uhr zu kun.
Bis 11 Uhr gehe ich spazieren oder treibe
sſonſt etwas Nützliches und arbeite darauf
wieder bis 12 Uhr. Dann, unter dem Ge-
der Marktweiber, die dicht bei meinem
Büro Kohl au naturel feilbieten, lege ich
Feder, Schere und Äieiſtertort beiseite, froh,
auch meinen Kohl (spirituel) unter das
Publikum gebracht zu haben. Nachmittag
nimmt mich meine Stellung noch einmal, und
zwar von 31~7 Uhr in Anſspruch. Die
chwerste Arbeit aber, die ich auszuſtehen
abe, iſt die, daß ich morgens, mittags und
abends – Karlsbader Salz (einen großen
Teelöffel voll) – ſchlucken muß, und die
obligaten Folgen dieses Genusses! Meine
Stellung als sogen. „verantwortlicher“ R.
trete ich ersſt vom 1. Januar 85 ab an, weil
ich ja ersſt im November majorenn werde.
107
Saarkalender für das Jahr 1927.
Die Zeitung selbst kannst du, sowie S. wieder
in Berlin iſt, tagtäglich bei ihm einsehen, er
bekommt sie täglich zugeschickt. Das Ge-
lungenste iſt, daß unsere Zeitung zugleich
Kreisblatt für den Kreis Ottweiler ist, trotz-
dem dieſe Stadt selbſt ein Blättchen heraus-
gibt, das ſich allerdings mit unserem Welt-
journal nicht mesſſen kann. Neunkirchen
selbſt iſt ein Fabrikort von ca. 17 000 Ein-
wohnern, von denen die Hälfte Beamte und
fler Fabriken, qs 'Es iſt ſehr hesch in
Ewert. Tale Pelezen; t; y die. Unmaſiey
t; 4 L ur Luer 11
idylliſch nennen. Glücklicherweiſe weht der
Rauch fast nie nach der Seite meiner Woh-
nung und der Redaktion hin, weil nach
dieser Richtung der Wind nicht über die
Berge kann. Die Umgegend ſelbſt hat man-
nigfache Schönheiten, die ich auf meinen
Sonntagsausflügen besichtigen werde ..."
Angeregt durch diese Briefveröffentlichung
iſt sicher schon der eine oder der andere
Dehmel-Philologe oder Verehrer des Dich-
ters zur „Saar- und Blieszeitung“ gewallt.
Doch das Ergebnis ſolcher Pilgerfahrten
wird wohl für jeden sehr schlicht und beſchei-
den ſein. Die vergilbten Zeitungen tragen
den typiſchen Kreisblattcharakter der Zeit
y je sr Nee 74 U1'2;
Geſundheitszuſtand der höchsten und aller-
höchſten Herrſchaften nichks oder ein klein
wenig zu wünſchen übrig läßt, daß dieses
oder jenes Mitglied des hohen Herrſcher-
hauſes einen Geburkstag feierte. So beginntk
z. B. ein Leitartikel zu Dehmels Zeiten in
Neunkirchen also: „Geburtstag! jubelte man
eſtern in unserer teuren Herrſcherfamilie.
Geburtstag! jubelle man auch im großen
deutſchen Vaterlande. Wiederum lenkten
sich die Blicke des Volkes ..." Wie weit
und wie hoch Dehmels Hilfskraft an solchen
unvergeßlichen Leistungen ländlicher Proſa
f ?eroy chlagen ist, iſt leider nicht festzu-
dann vor allem Parkeiorgan gewesen, in
dem der demoktratiſche Fortſchritt und Frei-
|) he LOL Qirdtfr t urg zht Mes
für das Parteigezänk, auch für das Wohl-
ergehen der hohen Herrſchaften zu ent-
schädigen suchten, sind vielleicht zum Teil
rh .f urls Zzpto 31.1 orswp. Außer den
wähnt habe, wird dem ilger von den
freundlichen Redakteuren (der heute auf-
geſchwungenen Zeitung) ein alter Stuhl ge-
eigk, ty! dem ei.ſtens, Dehmel gethront
aben soll. An handſchriftlichen Aeußerun-
gen Dehmels, irgend ein Papierfehen, den
ußer Fürstenchronik ist das Blatt.
er einmal mit ſeinen charakterisſtiſchen
Schriftzeichen bedeckt hat, ist nichts, nichts
mehr zu finden. Erdkataſtrophen, Himmels-
erſchütterungen haben alles hinweggefegt.
Neues Leben blüht aus den Ruinen. Die
Neunkirchener Annalen melden nichks, die
Bürger wiſſen nichts. Dehmel wäre gar
nicht in Neunkirchen gewesen, wenn er es
nicht selber wäre, der das Gerücht aufge-
bracht hakt. Aber daß man nichts von ;;
weiß, iſt andererseits leicht erklärlich. Der
schwer zu bändigende Förstersſohn aus dem
wendiſchen Urwald führte in Neunktirchen
ein geräuſchlos in sich verſunkenes Leben,
wie es von vielen jungen geistigen Men-
ſchen geführt wird. Irgend eine Unterkunft,
ein Schlafraum, ein Koffer mit ein paar
Vüchern, Mahlzeiten in billigen Gasthöfen,
einſame Spaziergänge in die Waldum-
gebung – niemand nimmt Notiz von dem
jungen Mann, der sich eines Tages sanft und
leicht wie ein Morgenlüftchen wieder davon-
machtk.
Zehn oder „zwanzig Jahre ſpäter!“ Ge-
dichte von Dehmel werden auch in Neun-
kirchen gelesen. Der Referendar X., der
Hüttenarzt I. liest sie. Die Frau Z. findet
ſie unfittlich und siehe, dies wird auch be-
reits öffentlich diskutiert. Ein ſchneidiger
Junker, ein raſsſelnder Balladenritter, Bör-
ries, Freiherr v. Münchhauſen (wer wird
ihn nicht kennen!) denunziert Dehmel wegen
Unsittlichkeit (in einem allerdings heute
längst in den Orkus verſunkenen Blättchen).
Jedenfalls Richard Dehmels Name geht
durch die Münder der Literaturbeflissenen.
Er ist sogar ſchon Streitobjekt. Wenn man
das anno 1884 gewußt hätte! Aber man
weiß eben nie, was aus den jungen Leuten
werden kann! Man weiß allerdings auch
nicht, was aus bereits berühmten Leuten
werden kann. Auch die Berühmten können
wie der noch unberühmke Dehmel in beſchei-
dene Kabeuschen verſinken. So begegnete
ich doch einmal viele Tage allabendlich um
dieſelbe Zeit auf einſamen Wegen einem be-
scheiden gekleideten Alkpensionär, der viel-
leicht auch ein ausgedienter Lehrer sein
konnke, denn er hielt ich aufrecht und es
war noch irgend etwas Gebietendes in ſeinen
blaſſenden Augen ~ es war (wie ich ſpäter
erfuhr) ein gestürzker Admiral, ein be-
kannter Flottenchef. Eine Art Relson in
Zivil. Wer konnlke das ahnen!
Wenn nun auch Dehmel in Reunktirchen
keine Eindrücke hinterließ, [o hinterließ doch
Neunkirchen zweifellos Eindrücke in Dehmel,
Vorstellungen, die später (wenn auch nichk
immer voll bewußt) wohl wieder in ihm
hochstiegen. Und das ist das Wichtigste. Es
waren die qualmenden Schlote, die gluten-
den Oefen Neunktirchens, die Arbeiter-
108
scharen, die er käglich durch die rauchge-
ſchwärzten Straßen zur und aus der Hütte
trotten sah, die sich ihm einprägten, viel-
leicht ſah er in seiner Eigenschaft als Re-
dakkeur in die bierdunstigen Verſammlungs-
lokale – und wurden ihm dieſe Bilder
wohl später das Relief für seine Gedichte,
die der „Venus Socia“ gelten. Denn wenn
auch Dehmel an Oppenheimer ſchreibt, daß
es ihm an dem Blatt des Herrn Stumm ge-
fiele, ſo war er doch ſchon in seiner Neun-
kirchener Zeit im Wes en derselbe, der
ſpäter ſchrieb:
Saarkalender für das Jahr 1927.
seinem Dehmelbuch. Da das Weſen des
Zwanzigjährigen auch noch die Körperlichkeit
und Geistigkeit des späten Mannes aus-
machte, da er im Grunde immer derselbe.
war, konnte Dehmel sich trohß der 550 Thaler
auf die Dauer nicht für Stumm einsetzen.
„Ich ging bald von RN eunktkirch en
fort, da. ich .d em Etigfenktösnig
Stumm zu volksfreundlich war,“ .
ſchrieb mir Dehmel. Man wundert sich nichk.
Aber immerhin: ein paar Monate lang hat
der Zwanzigjahrige in Neunkirchen gelebt.
In Io hn He nnr y Mack a y und Al-
fr ed Döblin und Richard Dehmel
hat die große, ja, wohl die europäiſche
Literatur perſönliche Fühlung mit dem Land
wie ein ungeheurer Heerwurm an der Saar genommen, in diesem Dichter
den Ausweg aus eurer Drangſal suchen..." war einmal die gr o ß e Likeratur, wenn
„Dehmels Wesen ist wichtiger als seine auch nur für kurze Zeit, im Saargebiet seß-
Entwicklung,“ bemerkte Emil Ludwig in aft.
„D laßt euch führen, ihr Tauſende!
Einst sah ich euch in sternklarer Winternacht
zwiſchen den trüben Gaslaternen
Mit der „Emden".
Von Wilh. Linnemann, Schlosser in Saarbrücken.
Der Verfasser iſt der ein zi g e Saarbrücker, der die verwegenen
Kreuzerfahrten der „Emden“ bis zum bitteren Ende mitgemacht hat und nach
tragiſchem Geschick das Glück hatte, die Heimat wieder zu sehen.
Das Geſspenſterſchiff nannten die Inder unseren kleinen ungepanzerten Kreuzer
„Emden“. Ueberall und nirgends war er im Busen von Bengalen; überall, sobald
ein Handelsdampfer fällig war, nirgends wenn die zahlreichen starken feindlichen
Kriegsſchiffe, 16 an Zahl, die Verfolgung aufnahmen und den kühnen Kaperer fangen
wollten. So ging dic wilde Jagd vom Auguſt bis zum 9. November 1914. Verſchwunden
rar die helle freundliche Farbe des Aeußern, dunkle Tönung war an ihre Stelle
getreten; ftatt des Schwanes auf den Wogen rauſchte in schnellem Fluge ein kühner
schwarzer Adler daher, die scharfen Augen spähten in die Ferne, seine Fänge stets griff-
bereit. Vor. den Kauffahrern war unser Schiff gefürchtet wie der „Fliegende Holländer“
als unglückselige Vorbedeutung für die Erreichung des erſchnten Hafens. Die „Emden“ .
mit 360 Mann Beſatzung unter dem energischen und vornehm gesinnten Fregatten-
kapitän r. Müll e r als Kommandanten ſtreifte die Seelinien der feindlichen Dampfer
ab und wurde bald der geheimnisvolle Schrecken unserer Gegner, deren Handel wir
empfindlich zu schärigen wußten. Nicht weniger als 80 000 Tonnen Schiffsraum fielen
der unwillkommenen Begegnung mit dem deutschen Kreuzer zum Opfer.
Bald nach dem Ausbruch des Weltkrieges, den wir durch Funk im Gelben Meer
am 2. Auguſt erfuhren, wurden wir im Stillen Ozean aus unserem Geſschwaderverband
ausgeschieden mit tem Befehl, im Busen von Bengalen den Handelskrieg aufzunehmen.
„Em d en enila fs en, wünschen guten Erfolg,“ war der letzte Gruß des
Geſchwaderchefs. Bei dem friſchen Geist, der die gesamte Mannſchaft beseelte, begrüßten
wir den Auflrag zu kühnem Wagen mit heller Freude. Entschloſſen und voller
Begeiſterung hinter unserem Kommandanten und dem Erſten Offizier, Kapitänleutnant
v. Mück e, getachten wir den ehrenvollen Auftrag kraftvoll und zugleich mit jeder
nur möglichen Liſt durchzuführen.
Wir wußten, daß, den Dampfern empfohlen war, die üblichen Seelinien zu meiden
und den Kurs scitwärts davon zu nehmen. Wir kreuzten deshalb, unser Schiff als
friedlicher Kauffahrer maskiert, und oft genug wurden die Gegner erſt die Gefahr,
109
Saarkalender für das Jahr 1927.
S > ~
Die „Emden'".
in der sie schwebten, gewahr, wenn plötzlich die Maske fiel und ein donnernder
Warnungsſchuß über die Wogen hinrollte, wenn man nicht dem Signal „Stopp sofort“
folgen wollte. Bisweilen hatte das glückhafte Schiff in kurzer Zeil mehrere Dampfer
manchmal 4 und sogar 5 abgefangen beiſammen. Die Mannychaften wurden an Bord
eines uns ſtets solgenden Begleitſchiffes befördert, die Priſen auf ihre Ladung unter-.
ſucht, von ihnen Kohlen, Konserven auch Tabak, Mehl, Schoko.ade usw. übergeholt,
ſchließlich die Beute versenkt, und verschwunden war plötzlich wieder die „Emden“, um
dori aufzutouchen, wo es die Gegner am wenigsten vermuteten. 34 englische, 10 fran-
zöſiſche und 7 japaniſche Fahrzeuge bezahlten unsere Belionntſchaft mit der Ruhe auf
dem Meeresboden. In den Häfen regte das urplötzliche, ſtets unvermutete Auftauchen
und Verſchwinden der „Emden“ die Gemüter auf. Die stets menſchenfreundlich von
uns aufgenommene Bemannung der Schiffe erzählte von der überall vor uns herrſchenden
Sorge und Angſt. Viele Kriegsſchiffe Englands, Australiens und der Franzosen arbeiteten
fieberhaft an unserer Entdeckung, mußten aber ſtets entläuſcht in ihre Häfen zurück-
kehren. linsſer Kommandant wußte der wilden Treibjagd durch Täuſchung jeder Art
ſtets zu entrinnen. Ueber dies Verſteckſpielen mit ſpannenden Zwischenfällen ließen
ſich fesselnde Bücher ſchreiben. Hier nur einige der Hauplereigniſse.
Die gestörte Feſtfr eud e in Ma dras.
Wir erfuhren durch gefangene Kauffahrer, daß die Blätter von Madras die Nach-
richt gebracht hälten, die „Emden“ sei aus dem Busen von Bengalen verſchwunden und
nichts mehr zu befürchten. Großer Jubel herrſche in der ganzen Stadt, man habe
ein großes Fest geplant. „Dies Fest machen wir mit,“ hieß es sofort bei der Mann-
schaft. Um den Jurtum der Gegner zu korrigieren, beſchloß auch sogleich v. Müller,
auf ſchnellſtem Wege Madras einen ,Beſuch“ abzuſtatten und zwar an jenem Abend,
an dem dort aus Anlaß der Befreiung vom Albdruck ein großes Freudenseſt mit
Illumination, Konzerten, Bällen uſw. geplant war. Wir wußten in der dort ſchnell
schwindenden Dämmerung, wieder natürlich in der Maskerade eines friedlichen Kauf- -
110
Saarkalender für das Jahr 1927.
fahrers, uns dem Hafen zu nähern. Kein Licht auf unſerer Seite, alles dunkel, so
steuerten wir unbemerkt vorwärts und erreichten auch völlig ungehindert einen Punktt,
von dem aus wir die Lichter der Stadt klar vor uns auſleuchten sahen, ebenso riesen-
hafte Deltanks. Dann sandien wir als Willkomm unsere krachenden Geſchosſse auf die
sofort brenuenden Oellager wie in die ausgelaſſene Freude. Der Abschied bestand
ebenfalls in einer Kanonade, und verſchwunden war, wie er gekommen, der Stören-
fried im Dunkel der Nacht. Zuerſt nordwärts, um die Verfolgung irrezuführen, sodann
Kurs nach Süden Wir hörten von engliſchen Artilleriſten, die sſpäter unsere Wache
in Colombo bildeten, daß dieſe höchſt unwillkommene Auſwartung und unser nächtlicher
Gruß einen dem Wahnsinn nahen Wirrwarr in der kurz vorher noch jubelnden
Hevslkerung gusgelóſt habe. In wilder Flucht stürmte sie jammernd durch die Straßen
und suchte sich zu retten. f
Der J„n.eutrale“ Italiener.
Einmal hatten wir wieder mehrere Dampfer gefangen, die uns mit Mannſchaft und
Passagieren einen Zuwachs von 400 Personen brachten, als ein italieniſcher Dampfer
austauchte. Ter Schiawiener war damals noch neutral, wohl verräterisch gesinnt, aber
er hatte den Vcrra1 noch nicht zur Tat werden laſſen. Der Kapitän wurde gezwungen,
die Fahrt zu unterbrechen, bis die Revision und Vernichtung der aufgebrachten Dampfer
erfolgen konnte. Unser Kommandant erſuchte inzwischen den Macaroni, die 400 Mann
an Bord zu nehmen und heimzuführen. Er weigerte sich, ſprach viel von unbedingter
Neutralität, die er beobachten müsse und war ſelbſt für gutes Geld nicht zu bewegen,
dem Wunſche Folge zu leiſten. Nach dem Versenken der Priſen durfte der „Neutrale“
weilterdampfen, wir aber auch, denn alle hatten die Ueberzeugung, daß der Kerl uns
sofort verraten würde. Wir merkten auch, wie er darauflos funkte, sobald er ſich
" vor uns sicher fühlte. In Wirklichkeit neutral benahmen ſsich stets die Holländer.
Der Ueberfall im Hafen von Penang.
Unser „Beſuch“ im Hafen von Penang (Hinterindien) war von außerordentlichem
Glüciz begleitet. Wir hatten die „Emden“ als Kriegsschiff völlig unkenntlich gemacht
und erſchienen sogar mit 4 Schornsteinen, um jeden auftauchenden Verdacht von uns
abzulenken. Die „Emden“ führte nur 8, die Engländer 4 Schornsteine. Der schmale
Zugang zum eigentlichen Hafen konnte von dem so harmlos daherkommenden Meeres-
wanderer trotz Wachtſchiff ungehindert passiert werden. Auf der Reede selbſt fanden wir
den ruſſiſchen Gürtelpanzerkreuzer „Schemtſschug“, den wir in der Morgendämmerung
üherraſchtene. Die Mannſchaft ſchlief noch. Wir glaubten die Verpflichtung zu haben,
sie im liebenswürtiger Weiſe zu wecken, um den Flaggengruß auszutauschen und
sandten dem „Ruſſen“ ein Torpedo in den Leib. Mehrere wohlgezielte Breitseiten
folgien, die gewallige Zerstörungen und auch Brände verursachten. Noch bevor
„Schemtschug“ feuern konnte, sauſten wir noch einmal an ihm vorüber, um einen
zweiten Torpedo anzubringen, der in wenigen Minuten don Gürtelpanzerkreuzer in den
Wellen verschwinden ließ. Gleich darauf gerieten wir mit dem französischen Torpedo-
bootzerſtörer „Mousquet“, der auf den Donner der Geschütze herbeigeeilt war, in leb-
haften Kamps. An Treffsicherheit waren wir aber unseren Feinden weit voraus, und
fo wurde das Gesſecht troß tapferer Gegenwehr zu unseren Gunsten entschieden. Russe
und Franzoſe wurden zum Sinken gebracht und die ins Waſſer gestürzte Mannschaft
des „Mousquel“ auf Befehl unseres Kommandanten von uns mit eigener Lebensgefahr
gerettet. Die kameradſchaftliche Aufnahme an Bord wir gaben den Ermatteten von
unseren Lebensmitteln und ſchenkten ihnen Zigaretten ~ öffneten allen Herz und
Mund. Sie zeigten sich völlig überraſcht von dem menſchlichen Sinn der deutſchen
Besatzung und erzähiten, welche Lügengebilde ihnen die Offiziere von den Deutſchen
aufgetischt halten , Alle Deutschen werden wir an dem Malte baumeln lassen, sobald
wir sie haben,“ erklärte danach oft genug der französiſche Kommandant. Er muß
übrigens ein tapferer Seemann gewesen sein, denn ubereinſtimmend sagten unsere Gäſte
aus, ihr Kommandant habe sich, als er sein Unglück wahrnahm, an einem Schiffsteil
fesſtbinden laſien, um mit dem „Mousquet“ unterzugehen. Das Entgegenkommen unserer-
seits wurde so dankbar anerkannt, daß sich die Leute beim Abschied von unserem
. UH1
Saarkalender für das Jahr 1927.
Transportdampfer bei uns allen lebhaft bedankten und uns wie den Kommandanten
horſlehen lieten: da sie ihn als tapferen, aber auch zugleich edlen Menſchen kennen
Der .ſschwarze Tags bei den Keelingsinſeln.
Nach diesem erfelgreichen Gefecht am 28. Oktober fuhren wir in den Stillen Ozean.
Als Ziel wurden die Keelingsinseln bezeichnet, auf der wir die engliſche Funken- und
Kabelstation zu zerstören gedachten. In den ersten Vormittagsſtunden des 9. No-
vember 1914 erreichlen wir nach reicher Kreuzfahrt die Kokosinseln. Von feindlichen
Schiffen war bei klarer Sicht nichts zu bemerken. Sofort nach unserer Ankunft setzten
50 Mann unter Führung des Kapitänleutnants v. Mücke an Land, um die engliſche
Kabelleitung und Funkstation zu zerſtören. (In abenteuerlicher Fahrt fuhr später Kapitän-
leutnant v. Mücke von den Keelingsinseln mit seiner Mannschaft auf einem alten
Schoner durch das Indiſche Meer nach Hodeida (Arabien) und gelangte über Damaskus
und Konſtantinopel nach Deutſchland.) Kurz darauf ſichteten wir in nördlicher Richtung
ein Schiffs, das wir anfänglich für unseren durch Funk hierher beorderten Kohlendampfer
hielten. Erst auf eine Entfernung von 35 Seemeilen erkannten wir ein starkes feind-
liches Kriegsschifsî Auſtraliens, die „Sidney“.
Sofort wurden alle Kessel unter Dampf gesetzt, und in voller Fahrt jagten wir
dem Feinde enigegen. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. wir konnten daher die
zur Zerſtörung der Funkstation ausgesetzte Mannſchaft nicht mehr an Bord nehmen.
Auf 9000 Meter eröfſnete die „Emden“ das Feuer, das alsbald von dem ,Auſtralier“
erwidert wurde. Ich befand mich vor Beginn des Gefechtes auf dem Oberdeck, eilte
aher sofort nach geklärter Sachlage auf meinen Posten an die Rudermaſchine. Unsere
Treffsicherheit machte sich anfänglich günſtig bemerkbar, renn der Gegner zog sich eine
Strecke zurück, eröffnete dann aber erneut mit seinen an Größe uns weit überlegenen
Rohren eine raſende Kanonade. Seine Armierung bestand aus 15,2- em - Geschützen, '
denen gegenüber wir nur über 10,5-em-Kanonen verfügten. Dazu kam bei der „Sidney“
noch die starke Panzerung gegenüber dem ungeschütßten Kreuzer, eine Ueberlegenheit
des Gegners also, die wir auf die Dauer durch noch so große Disziplin nicht wettmachen
konnten. Treffer aus Treffer verwandelte unser Oberdeck in einen wüsten brennenden
Trümmerhaufen. Glötlich erlitt auch die Ruderleitung eine Störung. Um ſ sie zu
beseitigen, mußte ich mich auf das Oberdeck begeben. Vergeblich verſuchte ich dort,
dur< Brand und Zerſtörung am Vorwärtskommen gehindert, das Vordersſchiff zu
tr!eihes: Beryr ich jedoch wieder in pen Nudereguyi ging, "r! teh einen Hs auf
tr Gos. GL (0 . U W Ur) Üircjer? fe U rü Kalt
lich. schwächer, ich glaubte schon, der Kampf sei zu unseren Gunſten entschieden und
machte in dieſem Sinne den Kameraden im Ruderrauimn Mitteilung. Wenige Augen-
blicke später riß aber eine ſchwere Granate die Panzerdecke des Ruderraums völlig
auf. Brand unt Geſchoßgaſe betäubten uns und machten den Aufenthalt unerträglich.
Bei einer Temperatur von 75 bis 80 Grad waren wir noch gezwungen, dicke Mull-
binden anzulegen, um uns vor dem schwelenden Feuer und ſtickigen Gasſchwaden zu
schütten. Schon einer der nächſten Schüsse zerstörte auch die Ruderkuppelung. Ver-
eue rev hr: s§ eter Jerraſrlitn. hleuro lever vou'2 usclale.. . Guiertss
zu löschen und vor allem die Verwundeten in noch geschützte Räume zu bringen. Unser
hart mitgenommenes Schiff gab zu dieser Zeit trotalledem noch wohlgezielte Schüſſe
t Uw nu Phue Fro Zier Etat 65 Lütbc trbcttes
ſtelle, zer#törte allec in der Umgebung und tötete meine Kameraden in der Nähe bis
u] ben Scrfcarg der Nocrrs Ur F4wzrp Ey Geſchehiptttter veclegte err [p:
Arm davon. Alles um uns her stand im Nu in Flammen. Gänzlich von Trümmern
eingeſchloſſen, blieb uns nur das große Loch als Weg frei, das die lettte verhängnisvolle
Granate in die Bordſeite der „Emden“ gerissen hatte. Dor1 bemerkte ich eine Flaggen-
leine, die vom Oberdeck außer Bord herabhing. Diese band ich um den verwundeten
Schiffsarzt, der sich inzwiſchen durch Abbinden des Beines oberhalb der Wunde vor
weiterem Blutverluſt zu schützen suchte. An der Leine wollte ich auf das Oberdeck
klettern und dorthin den Arzt nachziehen. Kaum eine Handbreit war ich noch von
112
Bie hat kein Geld. Geſtatten Sie mir aus meiner Familie einen kleinen humorvollen Beitrag zu dem Teil der
ſaarländiſchen Anekdoten. Wir haben drei kleine Mädchen, deren ſehnlichſter Wunſch ein Brüderchen ist. „Da müßt ihr
Zuckerſtücke auf das Fenſterbrett legen," was dann auch durch das Entgegenkommen meiner Frau reichlich geſchehen
konnte. Aber, wie natürlich, der Zucker verſchwand stets ſchnell, worauf die Mutter die Kinder belehrte: „Ihr müßt
durch eure Naſchſucht auf das Brüderchen verzichten, ich habe kein Geld mehr." Die Kleinen hielten Rat und begaben
ſich ein Stockwerk höher zu einer älteren wohlhabenden Witwe : „Du kannſt eigentlich einen Bruder erbitten und uns
[ f:cy." „Aber Kinder, ihr habt doch eine Mutter, die ſoll euch eins beſorgen.“ „Nein, das geht nicht, die hat
kein Geld."“
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Sa arb rücken |
Äcts
Der Vorſichtige. Von dem braven Kegler M. erzählte man mir eine luſtige Szene. An seinem Kegelabend bittet
ihn seine Frau, früh Heimzukommen, da man noch die Treppe ſtreichen wolle. Er hält natürlich nicht Wort, klettert
aber bei seiner Heimkehr, ſo qut es geht, in der Dunkelheit am Treppengeländer empor. Beinahe iſt das Wageſtück
überſtanden, als seine liebe Ehehälfte die Türe öffnet und ruft: „Gehe nur die Treppe rauf, da Du nicht rechtzeitig
kamſt, hat der Maler nur das Geländer mit OMelfarbe gestrichen."
Die Innge Bank. Am neuen Landgericht, dem Sitze der Regierungskommission, iſt ein Mann damit beſchäftigt
Stühle, die ſeitwärts vom Eingang aufgestapelt ſind, ins Gebäude hineinzutragen. Zu einem Regierungsbeamten, der
ſich den Stuhltransport ansieht, tritt ein hier als Witzbold bekannter Junggeſelle und meint : „Sie vermiſſen hier wohl
auch die bekannte lange Bank, auf die die Regierungskommiſssion alles zu ſchieben pflegt."
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I
RIZY
Saarkalender für das Jahr 1927.
meinem Ziele entfernt, als die Leine riß. Mit mir stürzte auch der Arzt, der, durch
Feuer bedrängt, sofort nachgeklettert war, ins Meer. Schwimmend sahen wir dann
noch die „Emden“ einige hundert Meter fahren und dann auflaufen. Mit aller Kraft
versuchten wir nunmehr unser Schiff wieder zu erreichen, wurden aber durch die Meeres-
ſtrömuag abgetrieben. Ein Glück war es für uns, daß wir faſt keinen Faden mehr
am Leibe halten, da wir Kleider und selbſt unsere Wäſche verwandt hatten, um kleinere
Geschoßlöcher zu verstopfen und dem eindringenden Wasser Einhalt zu gebieten. Der
ermattete Dr. Schwaabe hatle seinen linken Arm um meinen Hals gelegt, da es ihm
schon schwer wurde, sich über Wasſer zu halten. In einem Anfall von Verzweiflung
klammerle er sich plötzlich an mich, es gelang mir aber, mich wieder freizumachen und
ihn zu beruhigen. Die Strömung trug uns dem Lande zu, wir erreichten noch gemein-
sam die Brandung. Wie ich aber an den Strand gelangte, iſt mir nicht mehr erinnerlich,
denn ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe. Als ich wieder zum Bewußtsein kam, fand
ich einige Meter von mir den Schiffsarzt noch bewußtlos. In der Ferne erblickte ich
die „Emden“ auf dem Riff. Von Hunger und Durst gequält, schleppte ich mich in
dieser Richtung vorwärts und traf zu meiner Freude einige meiner Kameraden, denen
es gelungen war, nach der Strandung des Kreuzers schwimmend das Land zu erreichen.
Unsere ersſle Sorge galt dem Schiffsarzt, den wir sofort an eine geschützte Stelle der
Insel trugen. Soviel wir uns auch um ihn bemühten, er starb nach einigen Stunden
und wurde von uns, so gut es eben möglich war, beerdigt. Am nächsten Tage erschienen
Rettungsboote der „Sidney“, die uns an Bord nahmen. Wir 45 Verwundete, kamen
auf ein Lazareltſchiff und fuhren nach Colombo (Ceylon), etwa 100 Unverwundete
wurden nach Malta auf einem englischen Kreuzer abtransportiert.
Nach anserer Wiederherstellung im Lazarett bezogen wir das schon von dem Buren-
kriege her berüchtigte Gefangenenlager bei Diatalaba. Dort ließen die Engländer einſt
ohne tatkräftige Hilfe 5000 Buren am Typhus untergehen. Die Tropenhitze setzte uns
hart zu, ein Leben ſchwer zu ertragen. Im Jahre 19817 wurden wenigstens die Ver-
sſtümmeltea erlöſt, man brachte sie auf ein Schiff, sie n'urden gegen kriegsuntauglich
gewordene engliſche Gefangene ausgetauscht. Es tauchten bald Gerüchte auf von
rebellischer Gesinnung der Inder, es mußte auch wohl eiwas Wahres an der Sache
sein, ta wir auf einem Dampfer in ein Konzentrationslager nach Auſtralien gebracht
wurden. Wir fanden da 5000 Zivilgefangene, denen man Hab und Gut in der gerühmten
Menſchlichveit geraubt und sie hier ins Elend gestoßen Hatte. Neben 45 Emdenleuten
konnten sie noch 50 Isingtau-Kämpfer begrüßen. Auch hier war der Aufenthalt reich
an Entkehrungen aller Art. Dazu wurde Land und Lager von einer bösen Epidemie
heimgesucht, die man uns gegenüber als ,,.schwere Grippe“ bezeichnete. Wer davon be-
fallen wurde, starb in kurzer Zeit, die Leichen wurden bald schwarz. Wir glaubten
daher an einen Pestausbruch.
Endlich, im Mai 1919, nahte das Ende unserer Leiden, es nahm uns ein Transport-
dampfer auf, um uns über Durban nach England zu bringen. Während der Ueber-
fahrt erlagen noch 21 Zivilgefangene der geheimnisvollen Krankheit. Auch einer
unserer Kameraden, ein liebenswürdiger Oſtpreuße, starb daran. Er sollte die Heimat,
nach der sein gutes Herz sich so sehr sehnte, nicht wiedersehen. An Quarantäne-Stationen
fehlte es nicht, bis wir an der holländischen Grenze in Friedrichsfelde bei Wesel die
deutsche Erde begrüßen konnten. Noch einmal ging es in die Quaranlänequal in Gries-
helm "s: Frankſurt zd dann sah ich nach einer Gesamtreiſsedauer von 68 Tagen die
alte liebe Heimar wreder.
Wie oft im Traume ſehe ich mich noch an Bord der „Emden“. Es iſt Abend, die
See ruhig. wir ſitzen dichtgeſchart rings um unsere Muiikkapelle, sie ſpielt die alten
deutschen Lieder, und wir singen mit. „Jn der Heimat isſt es schön, auf der Berge
lichten Höh'n“ erklingt es wehmutsvoll, feierlich hinaus in die Nacht. Wie Sturm-
gebraus — alle springen auf –~ ,die Wacht am Rhein“, die vaterländiſchen Klänge
rauschen weithin über das Meer der Tropen. Und dann ~ dann wieder sehe ich die
hohen Wasſerſäulen von feindlichen Granaten. Wir stehen im Kampf, komme was
wolle, über uns flattern zum Sieg oder Untergang die deutschen Farben. Nein, die
„Emden“ darf nicht vergefſen werden, ihre Kühnheit erregte die Bewunderung von
Freuad und Feind. Fortleben werden im deutschen Volke der Wagemut und die
Tapferkeit der Beſatzung. –
„Und ich war auch dabei!“
113 :
Saarkalender 1927 8
Saarkalender für das Jahr 1927.
Heitere Kriegserinnerungen eines alten JZ ers.
Von Ernſt Paul - Saarbrücken.
Die bofchere Wurfſt.
Jüdisch - Neujahr nahte. Das Rabbinat
in Metz wollte den Iſraeliten bei uns, wie
üblich, zu dem Feſte eine koſchere Wurst
zukommen laſſen. Um das bewerktſtelligen
zu können, war es erforderlich, die Anzahl
der murſtempfangsberechtigten Soldaten
feſtſtellen zu lassen. Dies geschah durch das
Gouvernement Metz, welches einen entspre-
chend befriſteten Gouvernementsbefehl an
die ihm unterordneten Abſchnitte erließ.
Diese gaben ihrerseits ebenfalls befristete
Abschnittsbefehle an die ihnen unterord-
neten Stellen weiter und so gelangten auf
t-. dem Dienstwege die Befehle innerhalb 24
Stunden an die Regimenter, Bataillone,
Abteilungen uſw., die wiederum an die
Kompanien, Batterien und Schwadronen
weiter befahlen. Bekanntlich sind diese ge-
wissermaßen die ausführenden Instanzen,
da nur sie an der Hand der Stammrollen
in der Lage sind, festzustellen, wieviel israe-
Titsche Leute in Frage kommen und wo ſsie
stecken. Prompt liefen auf dem umge-
kehrten Wege die eingelaufenen Meldungen
wieder zum Gouvernement und zum feſt-
gesetzten Termin wußte das Rabbinat, daß
es 448 Würstchen benötigte. Das Wurſt-
z e r loge Rte
lichen Wür ſtch e n abholungsbereit fer-
tig da. Miederum ſpielte der Befehls-
apparat von oben herunter bis zur aus-
führenden Truppe, um das Abholen zu
regeln. Nur mar diesmal vom Gouverne-
ment angeordnet worden, daß nach Ab-
lieferung der 4488 Würste auch 448 Quit-
tungen der Empfänger vorzulegen seien. –
Verfolgen wir nun den beluſtigend um-
ſtändlichen militäri"chen Geschäftsgang, wie
er aus diesem Anlaß beim Abſchnitt V ~
Sitz Schloß Mercy ſich entwickelte, auf
den 43 Würstchen entfielen. Diesem Ab-
schnitt war auch das Saarbrücker Landwehr-
Infanterie-Regiment Nr. 17 unterstellt.
„Das können die faulen Husaren machen!“
rief in hartem Befehlston ſofort der Ab-
ſchnittskommandeur, Oberstleutnant G. beim
Leſen des Gouvernements-Wurſtbefehls. Er
dachte dabei an den Halbzug Huſaren, der
mit einem Vizewachtmeiſter auf Schloß
Mercy untergebracht und seiner Meinung
nach nicht genügend beschäftigt war. Pferde-
putzen, hin und wieder Äppell und überdies
die Ställe sauber halten, rechnete der Kom-
mandeur nicht als genügende Beſchäftigung
für junge Leute. Er benutzte daher jede
Gelegenheit, um den Husaren irgend eine
Betätigung zugzuſchieben und glaubte das
seinen alten Wehr- und Landſturmleuten
gegenüber ſchuldig zu ſein, die Tag für
Tag mit Sack und Pack ſich quälten, wäh-
teu es sich die jungen Huſaren bequem
machten.
„Ordonnang!“
„Herr Oberstleutnant!“
„Gehen Sie zum Vigzewachtnneiſter. Er
und drei Mann ſollen ſich sofort feldmarſch-
r6ßig heritter machen und sich bei mir
„Zu Befehl, Herr Obersſtleutnant!“
Das war eine Aufregung im Huſaren-
ſtall! Was hat der Alte nur? Da muß
doch etwas ganz außergewöhnlich Wichtiges
zu erledigen sein! –~ Gleich den Wacht-
zreiſter uud drei Naur OW. ic;
Leuten hin- und hergeraten. Der Wacht-
meister ſtrahlte. Der Alte sollte ihn mal
kennen lernen als ſchneidigen Huſaren-
patrouillenführer! Endlich einmal ein an-
ständiger Befehl in Sicht!
Bald stampfen im Schloßhof ungeduldig
vier muntere Rößlein und drei kecke Hu-
ſarengesichter sſahen ihren Wachtmeister im
Schloß verſchwinden, um den q,wichtigen
Auftrag“ in Empfang zu nehmen.
Sporenklirrend klappten die Absätze zu-
sammen, als der Wachtmeister seinem Kom-
imandeur meldete:
„Ein Vizewachtmeiſter und drei Mann
feldmarſchmäßig beritten zur Stelle!“ :
Der Oberſtleutnant: „Also, hier ist ein
Schreiben; mit dem reiten Sie nach der
Garnisonſchlächterei:. Sie bekommen dort
etwas, quittieren und bringen das auf dem
ſchnellſten Wege her! Verstanden?“
„Zu Befehl, Herr Oberstleutnant!“
Bald donnerte die kleine Kavalkade die
Kaſtanienallee hinunter nach Metz. Unter-
wegs kamen dem Wachtmeister ſo allerlei
Gedanken. Zur Garniſonſchlächterei gings?
Was hatte das zu bedeuten? Er hatte
mindeſtens einen ehrenvollen Auftrag an
den Goauwerneur oder ſonſt jemand Hohes
erwartet. Doch Befehl iſt Befehl. Also
nix wie druff! Und die Funken ſtoben so,
.. die Hyſren durch die [Straßen von
tz jagten.
114
Saarkalender für das Jahr 1927.
Auf dem Schlachthof angekommen, wurde
das Gesicht des Vize immer länger, als
da ſso ein erſter beſter blutiger Schlächter
ihn anfauchte: „Haben Sie keinen Korb?“
Einen Korb, wozu brauch' ich denn einen
tur-
brachte der Gefragte wütend
„Ei, wo wolle Se denn de Wirſcht enin-
pony! fwrigens gewwe Se mr zgeerſcht
de Brief!“
Heiliges Linksſchwenkt! Den Brief, den
wichtigen Brief, will dieser freche Metzger
da. Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre
der Wachtmeiſter dem Metzger an die Kehle
f 22; Geratr NU leuten Auzér.
mierter Schlachthofbeamter auf und rettete
die Situation:
„Los, Los! Halten Sie das Geſchäft nicht
auf! Geben Sie den Zettel her! Wieviel
Würsſcht bekommen Sie? Und wenn Sie
keinen Korb haben, so schicken Sie einen
Mann nach der Schlachthofkantine; viel-
leicht gibt Ihnen der Kantinenfritze einen.
In der Zwiſchenzeit lasse ich Ihr Teil zu-
rechtlegen.“
Völlig zerschmettert, gab der Vize den
rs. seta! Hic ſectcrer Mütſe
chen bereit. Apathisch unterschrieb er auch
den Empfang. Gott sei Dank, der Huſar
kam bald mit dem Korbe. Jetzt hatte er
uch schon einen Ueberblick über die ganze
Situation und, um das Geſchäft nicht auf-
zuhalten, – hinter ihm drängelten ſchon
andere Wursſstabholer – drückte er ſich
lief beschämt auf dem ſchleunigsſten Wege
aus dem Schlachthof und jagte mit seiner
kleinen Schar wütend nach Mercy. Kopf-
ſchüttelnd ſahen die Schlächter ihr nach.
Sie konnten es beim besten Willen nicht
begreifen, daß, um ein paoar Würſtchen ab-
s § fzg vier Mann hoch zu Roß und dazu
noch feldmarſchmäßig, antraben mußten.
Doch Befehl iſt Befehl!
Der Wachtmeister lieferte dern Abschnitts-
schreiber Winkemann die Würste ab und
verkroch sich in irgend eine Kantine, da,
wo es am dunkelsten war.
Nun lagen die Würstchen auf dem Ab-
sſchnittsbüro und müßten eiligſt ron den
Truppenteilen abgeholt werden. Das ver-
anlaßte ein Abſchnittsbefehl. Zu Fuß, zu
Pserde, per Rad, per Bahn kamen darauf
die Ordonnanzen aus allen Windrichtungen
des großen Abschnittes, um die für ihre
Trapyen beſtimmten Würstchen in Empfang
zu nehmen.
Auf den, Kompanie-, Batterie- und Schwa-
dronsſchreibstuben laſtete nun die Haupt-
arbeite. Nehmen wir mal an, eine Kom-
panie hat 5 Israeliten. Aber wo ſtecken
ſie?” Einer iſt abkommandiert, einer iſt
im Lazarett, einer iſt im Arrest, einer be-
urlaubt, ein anderer auf Autowache. Auf
alle Fälle waren alle fünf in alle Winde
verſtreue. dMieder sausen Ordonnanzen
zu Fuß, per Rad, per Bahn, jeder mit einem
oder zwei Würstchen bewaffnet, zu den ab-
wesenden jüdiſchen Kameraden.
II.
'Auf der Autowache in St. Agnan herrschte
komplette Mittagsruhe. Der Wachthabende
und seine drei Leute lagen im Gras unter
den Bäumen des Chauſſeegrabens und
hielten ihren Verdauungsſchlummer. Nur
Iſidor Adler ſchlief nicht; 'der marx
u?.? roiſlczjte vsyrygtn Vn sir rese
donnanz aus Belle Croix angeſtampft.
:.:: wachthabende Gefvreite: „Was is
„Wo iſt Isidor Adler ?“
„Ei, der wird nach Noisseville sein! Was
haſt denn mit dem?“
„Ei, ich soll ihm was abgeben, aber er
ſoll selbſt quittieren!“
Der Gefreite: „Ach was, ich bin der
Wachthabende, ich quittiere! Gib mal her
ds. Hing" ~ Der Wachthabende unter-
Darauf zu der Ordonnanz: „Leg das
Ding man auf den Tiſch in der Wachkſtube.
Iſidor kommt gleicht“ —~ Gesagt, getan.
Die Ordonnanz tritt den Rückmarsch an
und die braven Wehrleute, einſchließlich
Wachthabender, sägen weiter.
Nun will es aber das Unglück, daß ein
herrenloſer Hund sich vor einigen Tagen
bei der Wache eingefunden hatte und von
den Abfällen der Mahlzeiten sich nährte.
Die Türen zur Wachtſtube standen ja offen
und Cäsar war gerade auf einem Revisions-
gange begriffen, ob nicht etwas für ihn
von dem Tiſche der Leute abgefallen ſei.
Selbstverſtändlich entdeckte er sofort das
Würſtchen. Schwapp hatte er es im Maul
Ut Lure mit ihm in ein nahes
Ahnungslos kam Jsidor von Noiſseville.
Wohl wußte er, daß ein Leckerbissen seiner
harrte. Ein Kamerad und Glaubensgenoſse
aus Nowuvilly, den er in Noisseville traf,
hatte ihm das süße Geheimnis verraten.
Seine erſte Frage an die Kameraden war
ſelbstverständlich:
„Wo ist meine Wurſt?“
115
Saarkalender für das Jahr 1927.
Darauf der Wachthabende: „Geh nur in
die Stub’; eine Ordonnanz brachte was
für Dich. Es liegt auf dem Tisch!“
Isidor eilt ins Haus; kommt aber gleich
mit einem langen Gesicht wieder raus.
Kleinlaut sagte er:
„Drin liegt nix!“
Nun springen die Schläfer auf, um ihm
suchen zu helfen. Das Würstchen blieb aber
trotz der gemeinſamen Mühe spurlos ver-
ſchwunden. Endlich kam einem Wehrmann
die Erleuchtung.
„Paßt auf Ihr Männer, die Worscht hat
der dreckig Cäsar gefrezn. Er is vorhin
so im hunnertzwanziger aus der Tür mit
was weißem in der Schnüß!“ – Armer
Cäsar! Wie gut, daß du dich mit deinem
Raub in Sicherheit gebracht hattest, so
lange, bis der Zorn verrauſcht war; denn
der wachthabende Gefreite, dem die Sache
sehr unangenehm mwar, hätte dich auf alle
Fälle über den Haufen geſchoſsen.
Aber was half alles Donnern und Wettern
auf das „Lumpeſtickvieh“ das verfluchte, die
Wurscht war und blieb weg, und Isidor
Hatte das Nachsehen.
Die Sache ärgerte ihn ja sſehr. Aber er
war zu sehr Kamerad. um eines Würſtchens
wegen seinen Mitkameraden Ungelegen-
heiten zu bereiten. Der Gedanke an eine
Meldung kam ihm gar nicht in den Sinn.
Die Sache nahm aber doch eine gang un-
erwartete Wendung. Auf dem Abſchnitts-
büro Hatte da irgend eine fixe Seele her-
ausgefingert, daß bei Isidors Unterſchrift
etwas nicht stimmte. Schon wurde der
Adjutant darauf aufmerkſam gemacht.
Diesem, der die Tragweite der Meldung
reines allzu gewissenhaften Hilfsſschreibers
kannte und dieſe deshalb nicht gerne ſah,
blieb nun, nachdem ihm offizielle Meldung
gemacht worden war, nichts anderes übrig,
als der Sache nachzugehen. Eine Unter-
suchung des Falles begann, die sich sehr in
die Länge zog. Inzwischen war der wacht-
habende Gefreite, ein Bergmann aus dem
Bergbaurevier, zur Arbeitsleiſtung in der
Grube reklamiert und in seine Heimat ent-
lasen worden. Schon ging der gange
Aktenballaſt nach Bitterfeld, dem zustän-
digen Bezirkskommando,zur weiteren Ver-
folgung der Sache und zum Bericht. 'Was
dabei herausgekommen ist, iſt mir aller-
dings nicht bekannt! Viel jedenfalls nicht!
Das war die Geschichte von der koſcheren
Wurst, die manchem alten 17er auch jetzt
noch ein herzhaftes Lachen abringen wird.
Wir alle liebten Ordnung, aber diese pein-
liche Gründlichkeit um ein Stückchen Wurſt
konnten wir alle nicht begreifen.
An der Lydinin.
Von Ernſt Paul-Saarbrücken.
In Ruſssſiſchpolen war's im Vorfrühling
1915, als an einem naßkalten Märztage
in aller Herrgottsfrühe der Wehrmann
Veter M. der . . . Kompagnie des Land-
wehr-Infanterie-Regiments Nr. 17 mit noch
vier anderen Kameraden von Koſcielne,
dem Alarniſtandort des Bataillons, nac)
Gidnia zum Stabsarzt sſtampften. Peter hatte
ſich im Schneeſchhamm der Horchpoſten-
löcher vor der Lydinia (einem versſumpft.n
Flüßchen „die Pips“ geholt, huſtete stark
und nachdem der Sanitäter Serf hohe
Temperatur bei ihm festgeſtellt hatte, sollte
er auf Befehl des Assiſtenzarztes Adolphy
Peler mit noch zwei anderen Repvier-
kranken dem Stabsarzt in Gidnia durch
Serf vorgestellt werden.
Ein richtiges Hundewetter brauſte über
die öden polniſchen Gefilde. Schnee- und
Regenſchauer peitſchten den braven Vater-
landsverteidigern in die Augen und mact;-
ten den Marsch zur Qual. Stumpfsinnig
watete die kleine Schar durch den Moraſt,
tie eiswasserblanke Fläche entlang, welche
den Weg darstellen sollte. Bei der Frühe
der Stunde hatte natürlich noch keiner der
Leute einen Tropfen warmen Kaffees im
Leibe und wie bei allen sonstigen trüben
Situationen, so war auch jetzt wieder der
einzige Sorgenbrecher und Tröſter ,d i e
Pe i f“. Bald qualmten die Schlote und
mit Volldampf wurde wacker dem Ziel
entgegengeſchritten.
Gegen 8 Uhr war Gidnia erreicht und
Serf meldete mit dem Revierbuch in der
Hand dem Stabsarzt die Kolonne. Bald
ſtand Freund Peter entblößten Oberkör-
pers vor dem freundlichen alten Herrn, der
ihm die Bruſt abklopfte. Plötzlich glaubte
der Arzt jedoch aus dem undefinierbar.n
Uniformduf!l des Peter etwas heraus-
riechen zu müssen, was ihn bei einem
huftenyen Revierkranken befremdend an-
mutete.
Auf seine Frage: „Sie sind doch nicht
eiwa Raucher?“, quoll aus dem Gehege der
Zähne Peters als Antwort ihm gzunächſt
116
Saarkalender für das Jahr 1927.
eine beißende Stichflamme echt St. Wen- dem Peter nicht beizukommen war. Es
deler Folltabahs entgegen, als dieser ant-
wortete:
„Jawoll, Herr Stabsarzt, eich honn mr
e Peif ongemach!“
Darauf der Arzt: „Aber lieber Freund,
doch nicht jetzt ſchon in aller Herrgotts-
frühe bei nüchternem Magen?!“
Peter ließ sich aber nicht irremachen,
denn er erwiderte prompt: „Herr Stabs-
arzt, eich honn geraacht gen de Hunger!“
~ Alleweile hatte der Peifendeckel aber
geſchelle. Seine unterſuchende Tätigkeit
einſtellend, setzte sich der Stabsarzt in
Positur. Schon wieder stieß er auf die in
Mannſchaftskreiſen vorherrſchende Mei-
nung, nach der Nikotin gut gegen Hunger
ſein solle. Welch ein Blödsinn! Und dieser,
jeder wisſenschaftlichen Grundlage ent:-
behrenden Auffassung wollte und mußte er
mit aller Schärfe entgegentreten; das
war er ſeinem Stande und der ärgzgtlichen
Wissenschaft gegenüber schuldig. Doch nur
mit ruhiger Sachlichkeit wollte er den
Nas belehren. Deshalb entgegnete er dem
eter:
„Mein lieber Freund, ich bin ein alter
Berliner Arzt, habe mehrere wissenschaft-
liche Bücher über innere Krankheiten
herausgegeben, die in drei fremde Sprachen
überſett worden sind. Ich bin, wie man
in unseren Kreisen sagt, gewissermaßen
eine ärztliche Kapazität. Sie können mir
es deshalb glauben, wenn ich versichere,
daß es grundfalsſch iſt, anzunehmen, daß
Nikotin den Hunger ſtillen könnte.“
Auf Peter hatten dieſe mit voller
Ueberzeugungskraft gesprochenen Worte
obſolut keinen Eindruck gemacht. Mit
der größten Seelenruhe erwiderte er:
„Herr Stabsarzt, wenn mir Hunger
honn un mir honn nix ze beiße, dann
ſtecke mr uns e Peif Tuwack an un de
Hunger es eweck!“
Dieser Einwand verletzte den alten
Herrn ſtark. Aber er gab den Kampf
nicht auf. Er hatte sich ja wohl überzeugt,
daß mit wissenschaftlichen Beweisgründen
blieb ihm also nichts anderes übrig, als
diesen mit eigenen Waffen zu schlagen. Er
besann sich dabei auf seinen Burſchen
Kronenberger und nahm an, daß dieser
durch den täglichen Umgang mit ihm soviel
geläutert sein werde, daß er etwas Vec-
ständnis für seine Ideen aufbringen müsse.
Er erwiderte daher dem Peter:
„Ich weiß ja, lieber Freund, ihr Leute
aus dem Volk habt ja neben Eueren
Hausmitteln auch Euere eigenen Ansichten
über die Anwendung dieser, von denen
Ihr nicht gut abzubringen seid. Darauf
bin ich ja gefaßt. Ich werde Ihnen aber
einen Mann aus dem Volke gegenüber-
stellen, der wird Ihnen schon sagen, was
los iſt!‘ Er ruft seinen Burſchen:
„Kronenberger!“
„Herr Stabsarzt!‘“ (Kronenberger er-
scheint auf der Bildfläche.)
„Sagen Sie einmal, Kronenberger, neh-
men wir mal an, Sie haben Hunger,
großen Hunger, gewissermaßen Kohldampf,
wie Ihr unter Euch sagt, Sie haben aber
einen vollkommen leeren Brotbeutel ~
kein Stückchen Brot iſt drin = nichts,
rein nichts –]! Was machen Sie, um ſich
den Hunger zu ſtillen?“ '
Kronenberger besann sich nicht lange:
„Ei, dern ſtech ich. mr € Peif
Tuw a > an, Herr Stabsarzt,“ er-
widerte dieser prompt.
Der Stabsarzt gab den Kampf auf. Ge-
schlagen auf der ganzen Linie, ergab er
ſich in sein Schicksal; er erwiderte nur
noch kleinlaut:
„Mit Euch iſt nichts zu machen! Jhr
Bande ſteckt ja alle unter einer Decke!“
Sanitäter Serf drückte sich in diesem
Moment in den Hausgang, um mit seinem
bisher mühsam unterdrückten Lachen
herausplatzen zu können. – ~
Vielleicht schmeckt dem guten Peter noch
heute sein St. Wendeler so gut wie da-
mals an der Lydinia, und hoffentlich
braucht er heute nicht mehr St. Wendeler
Rolles gegen Kohldampf zu verdauen.
Straßcnreinigung einſt und jeßt. Für Straßenreinigung und Müllabfuhr gibt die Großſtadt Saarbrücken
jezt mehr als 2 Millionen Franken aus, die durch eine Sonderumlage aufgebracht werden. Früher dagegen
Jogen die Städte Einnahmen aus der Straßenreinigung, indem ſie dieſe Leiſtung im Akkord vergaben. Davon
zeigt das Stadtgerichtsprotokoll vom 3. November 1796, das folgenden Satz enthält: „Wurde heute dem Wilhelm
Reppert dahier die Straße am Forbacher Tor zu säubern veraccordiert, und hat davor 3 Gulden 30 Kreuzer,
von jett über 1 Iahr zahlbar an die Stadt zu bezahlen.“ Der Straßenabraum wurde offenbar als Dünger
für Cärten und Felder verwendet.
117
Saarkalender für das Jahr 1927.
Heiteres nus der ſaarländiſchen Theantergeſchichte.
Von A. Z.
Von dem Bühnenspiel „Jokko, der hrasi-
lianiſche Affe oder Der geprellte Müller“
bis zur Aufführung von Wagners Parsifal,
von dem offenen Bekenntnis (14. Novem-
ber 1773): „Ern paar Tambours und Pfeiffer
ausgenommen, kennt man wenig von
Muſik hier“ bis zu dem glanzvollen Mit-
telrheiniſchen Muſikfeſt im vergangenen
Mai, ein langer, ſteiniger Weg Thalias und
der edlen Musika in Saarbrücken. Er gleicht
einem Marſch durch die Wüſte mit einigen
Oasen und reichlicher Täuſchung der Fala
Morgana, die mit Jubel von dürſtenden
Seelen begrüßt, alsbald stets in Nichts zer-
floß. Eng mit den politischen Schicksalen
unserer Heimat verbunden, haben uns wohl
die beiden Göttinnen einst hold gelächelt, sich
dann aber ſchnell wieder verhüllt. Mars
und die Muſen bilden nie eine liebenswür-
dige Gemeinſchaft, ſo wenig wie Beelzebub
und der liebe Gott.
Fürſtengunſst riefen die Musen ins Land.
Langeweile ließ den dicken Ludwig (regiert
176801793) auf den löblichen Gedanken
kommen, in Saarbrücken ein g,@großes
Schauſpielhaus‘s zu bauen. Die „unter-
tanen“ hatten dabei das Vergnügen, diese
Herrſcherlaune mit 18 000 Gulden zu be-
zahlen. In einem in der Wilhelm-Hein-
richſtraße improvisierten Kunſttempel
mimte vorher ſchon die illuſtre Schranzen-
welt Dorchläuchtings. Sie ſtellten jeden-
falls ein lebensluſtiges Künſtlerpersſonal,
die ehrenwerte Schar der Schmeichler und
Kriecher jedes Genres, die Herren Hoch-
fürstlichen Kammerräte, die Jagd- und Reit-
junker, der Hofmarſchall, der Herr Ober-
chaussee-Direktor, die Frau Forſträtin mit
dem schönen Namen Stichling u. a. Sie
waren in der ,„Komedi“ tätig, ſselbſt der
Fürſt und die Fürstin beteiligten sich in
den Hauptrollen. Die Geheimniſſe des
Schminktopfes und der Puderquaſte hatten
ſie alle von den Franzoſen so gut über-
nommen, wie heute nur eine Anzahl leicht-
lebiger Töchter des Saartals. Se. Hoch-
fürstliche Gnaden hatte überdies bei seinem
Hofstab das Talent zur Schauſpielkunſt
längſt hinreichend ausgebildet, an Inttri-
ganten und ,„Heldenvätern“ wird es nicht
gefehlt haben auf den Brettern, die eigent-
lich die Welt bedeuten sollen. Die Titel
einiger Stücke jenes erlauchten Liebhaber-
theaters ſind zufällig erhalten und muten
seltſam an. „Der Instinkt o d er Wer
iſt Vater zum Kinde“, ein uraltes
Thema, unter Umständen von dramatiſch-
tragiſcher Wirkung, „D er verſchrie-
bene Bräutigam aus Paris“,
jedenfalls der Schrecken damaliger Prin-
zessinnen, man denke an Liſelott von Zwei-
brücken. Viel blöder iſt indessen noch
„Der Eſſigm ann mit d em Schub-
karren“. Diese Titel genügen, um die
künſstleriſche Höhe der feudalen Herrſchaf-
ten zu kennzeichnen. Jedenfalls amüſsier-
ten sich. die Intimen des Schlosses unter
der fürſtlihen Gnadenſonne kiöſſtlich,
schwenkten Perücke und Reifrock zierlich im
Menuett und werden wohl mehr hinter als
auf der Bühne ihre Tragikomödien ge-
mimt haben.
Schon grollte in der Ferne der Donner
eines Gewitters, das die Welt erſchüttern
sollte.. Auch das vielgeplagte Saarland
wurde unruhig. Die Bürgerſchaft der Städte
Saarbrücken, St. Johann und Ottweiler
wurde aufsässſig und hatte an dem koſt-
sſpieligen Leben des schönen Ludwig, viel,
sehr viel auszusetzen. Es wird berichtet,
daß dieſer Duodezfürſt u. a. einen Marſtall
von 500 Pferden und eine Jagdmeute von
500 Hunden halten zu müssen glaubte. In
dieſe Herrlichkeit blies und ſtieß nun ein
Volksbegehren. Es kam zu einem pein-
lichen Zwiſt. Ludwig zeigte ſich verſöhnlich
und kam auf den luſtigen Gedanken, ſich
nicht etwa durch kluge Politik, sondern
durch Theaterspielen aus seiner heiklen
Lage zu befreien. Iffland, damals der
größte Schauſpieler Deutschlands, wurde
1890 zu einem Gaſtſpiel eingeladen mit dem
Auftrag, ein Stück zu ſchreiben „z u d e m
wieder vollzog enen Bund der
Eintracht un d Li e b e“. Das Mach-
werk „Der Für ſt von Gari san e“ war
zweifellos nichts als ſüß duftende Weih-
rauchwolken um den Thron. Die Bürger
durftcn dem Schauſpiel als willkommene
Gäste ohne Eintrittsgeld beiwohnen. Sere-
niſſimus war über das Riesenbündel feiner
Schmeicheleien entzückt und verlieh Iffland
sofort den Titel Theaterdirektor. Als
Menſchenkenner vergoldete er das leere
Wortgebildhe mit 300 Gulden, die dem
Künſtler jährlich als Pension zugesandt
werden sollten. Auch die Stadt Saarbrücken
mußte sich, wohl auf einen Wink von oben,
versſöhnlich und erkenntlich zeigen und er-
nannte Iffland zum Ehrenbürger. Es war
damals also wie heute, es wird in politicis
viel Theater geſpielt und damit ist die
Sache erledigt, damals wenigstens und auch
heute noch oft genug. Es ist dies eine der
118
Saarkalender für das Jahr 1927.
heiterſten Epiſoden aus unserer Theater-
gqeſchichte. Bürgerſchaft und Fürſt ſind im
Streit, ein geschickt inszeniertes Poſsſen-
* spiel auf der Bühne, und „in den Armen
liegen sich beide und weinen vor Schmer-
zen und Freude“. Der Alutokrat lebt in
seiner tollen Weise weiter, und die fried-
fertigen Untertanen zahlen still mit dem
Anschein freiwilliger Begeiſterung die
drückende, erdrückende Steuerlaſt.
Mit der Knüppelmuſik iſt es aber 1789
nicht mehr wie noch 1773 getan. In einem
mir liebenswürdig zur Verfügung geſtell-
ten, gewissenhaft geführten Wirtschaftsbuch
des damaligen Drechſlermeiſters Georg
Jakob Reuther leſe ich viel über Ausbesse-
rungen von Instrumenten der Hofkapelle
und der „Gnädigsten Herrſchaft“. Nur hin
und wieder heißt es: „Ein Dromel ſtock
gemacht, thut 48 Krz., den Hufmusikandten
2 Köpf auf ein Clarinet, 3 Claben gefüttert
und drei Federn darunter gemacht, thut
40 Krz.“ Die fuürſtliche Familie ſelbſt
scheint, wie Friedrich der Große das Flöten-
ſpiel geliebt zu haben. So heißt es: „Was
Gnädigster Herrſchaft an arbeit gemacht,
für den Erb Prinß ein Fehler an ein Flöt
6 Krz. Ein neu F = Flöt mit Helfenbein
garniert, thut 4 Gld. 7 Krz.“ Ich erwähne
dies, weil hier zum erſten Male von einem
Orcheſter in Saarbrücken die Rede iiſt.
Musik und Gesang haben hier ſchon früh
eine gute Heimſtätte gefunden. Nach dem
Ende welſcher Unterdrückung durch die Be-
freiungskriege lebt ſchon in Tagen großer
wirtſchaftlicher Not um 1820 der Sinn für
die Pflege dieſer Künste wieder auf. Im
Jahre 1843 leiſtete ſchon ein Direktor Neu-
feld mit 32 Sängern und Sängerinnen
Tüchtiges auf dem Gebiete der Oper. Ge-
sangvereine tauchen auf, deren heute noch
erhaltenen Programme von dbegeiſtertem
Wollen und ernster Arbeit zeugen. Nur das
Schauſpiel blieb das unerlöſte Dornröschen,
denn es brauchte hun dert Jahre,
u m hie: zur Kulturbühne heran-
zur eifen.
Wie ein zerſtörender Orkan fuhr die
französiſche Revolution über die Anfänge
der ſsaarländiſchen Kunſstbestrebungen da-
hin. Das kleine Hoftheater verſchwand,
und mit ihm ging 1793 durch welſche Zer-
ſtörunggewut das große Schauspielhaus
rbenfalls in Flammen auf. Bittere Nah-
rungsnot verhinderte es auch noch 1815, das
Theater als eine edle Volksbildungsanſtalt
zur Entfaltung zu bringen. Es lebte wie
ein krankes Kind und lernte es nur mühsam,
sich dem verehrten Publiko über ſseinen
Zweck und sein Ziel versſtändlichr zu machen.
III
Sonst wäre es unmöglich, daß noch vor 30
Jahren ein Pferdehändler in Saarbrücken
Schirm und Hort Thalias war und die Miſs-
sion übernahm, der Schauſpielkunſt hier
Weg und Steg zu öffnen.
Eine Kunst, die gütig lächelt, die unsere
Seele befreit, ſprach nur zu selten zu den
Altvorderen. In dem ganzen Zeitraum von
1820-1860 kam Schiller nur dreimal zu
Wort (Die Räuber, Kabale und Liebe,
Maria Stuart), Goethes Geiſt wurde nur
einmal zitiert (Fauſt 1. Teil). Geboten
wurde immer wieder Lum paz ivaga-
bund es o der Das liederliche
Kleeblatt“, „Zu ebener Erde und
im erſten Sto c war ebenſo beliebt.
Diese Stücke bedeuten schon einen Fort-
schritt, es sind des beliebten Neſstroyg
Wiener Spritzer, die Humor zeigen. Was aber
sonst geboten wurde, war troſtloſer Kitsch.
Ich laſsſe hier einige Titel von Theater-
stücken folgen, schlagenden Erfolg hatte
„Di e Schu bk arr en pr om en a d e“, ein
Werk, das als vorzügliches Luſtſpiel an-
gekündigt wurde. „Di e ſchön e Athe-
ni ens er in“ machte Aufsehen. „Z i m-
ba bo pitiko wſky, d er Zauberer
von Oſstoroſt od er Die gefoppten
Liebes h eld en“ erregte beſonders das
Wohlgefallen der Damenwelt. „Treff-
könig. od er Spieler und Toten-
gräber mit Gesang und Tanz-,,
„Je d er f eg e vor sein er Tür e“ wird
wiederholt gegeben wie „D er Nacht-
wächter von Bo cks d or ſ“. Mit letz-
terem Schmarren rivalisiert „De r Vieh-
händler aus Ober-Oeſterre i ch“,
der sich unverwüstlich in der Gunſt der
Theaterbeſucher erhielt von etwa 1845 bis
1870. Mehrere bejahrte Alldahieſige er-
zählen mir, daß sie in ihrer Jugend oft von
dem Stück gehört hätten und einige er-
innern sich, es ſelbſt noch gesehen zu haben.
Hin und wieder wird ein „großer Schlager“
verſucht, die „Theaterdirektion“ gibt mit
prahleriſchen Worten bekannt, daß etwas
überraſchend ſs<{<önes geboten werde:
„Rinaldo Rinald ini, das furch t-
bare Ober h aupt d er Banditen
in Italien, Schaufpiel in vier
Akten .von Barth, zum S4achluß
transparente Erleuchtung und
Feuerw er k“. Goethes Schwager Vul-
pius schrieb einen seinerzeit viel geleſenen
Roman „Rinaldo Rinaldini“. Man geht
wohl nicht fehl anzunehmen, daß Barth
den Schauerroman, eine Verherrlichung des
Banditen und seiner Roſa dramatisierte.
Die Schickſale des Helden kannten alle aus
der Arbeit des Vulpius, die Gestalten ſselbſt
auf der Bühne zu sehen, lockte damals, wie
119
Saarkalender für das Jahr 1927.
heute etwa ein Dutzend halbnackter Tanz-
girls in einem Varieté. Gespielt wurde in
Saarbrücken meistenteils, wie man aus ein-
zelnen Notizen der alten Jahrgänge der
Saarbrücker Zeitung entnehmen kann, in
einem Saale des Wirtes Siebert am Schan-
zenberg.
Die jeweilige Schauſpielertruppe kämpfte
ſtets mit der Not, man zeigte den Künſt-
lern, die manchmal als ,bettelhaft“ bezeich-
net werden, wenig Entgegenkommen. Auf
ein sicheres Einkommen durften sie über-
haupt nicht rechnen, sie waren auf den Ertrag
ihrer Benefizvorſtellung angewiesen, wofür
die Zeitung jedesmal tüchtig klapperte. Den
Direktoren ging es nicht weniger übel. Sie
kamen auf manche drollige Idee, sich zu
helfen. Der Theaterdirektor Jupont
klagt 1846 erſt über ſchlechten Geschäfts-
gang, dann sitzt er völlig auf dem Trocke-
nen, und es erſcheint folgende Anzeige:
Theater-Actien-Ausgabe.
Es wird eine Anzahl von 3 bis 400 Actien
dem Publikum zur gefälligen Abnahme an-
getragen. Eine jede Actie koſtet Ein en
Thaler 15 Silbergroschen und
jeder Besitzer einer Actie hat das Recht, da-
für 6 erster Platz Billets oder 12 zweiter
Platz Billets zu begehren. . . . . Somit hat
keine Actie Verluſt, sondern die Billets ge-
bühren jeder ausgegebenen Actie, wofür
diese eingetauſcht wird.“ Ob das Experi-
ment glückte, konnte ich nicht ausfindig
machen. Die an sich ſo lebensfrohe Bevölke-
rung blieb zurückhaltend. Es nützte sicher
wenig, wenn ein Schauſpieler trotzalledem
bei der angeführten Koſt in der Einladung
zu seinem Benefiz „d en g e iſtv ollen
Geschmack eines verehrungs-
würdig kunſtliebend en Publi-
k u m s“ über den grünen Klee lobt. Die
Silbergroſchen saßen nur locker, wenn eine
„Dichtung“ nach dem damaligen Geschmack
die Herzen bewegte wie z. B. „Di e Fee
Amandalinda oder Harlekins
Abenteuer vor und nach ſeinem
To de. Große komiſche Panto- *
mime mit Tänzen un d Maſchin e-
rien in zwei Abteilung en.“ Schön
iſt auch der Titel „J < un d mein Gaul
o d er Abraham Hirſchels trau-.
riger Abſſchie d“.
Den Rahmen dieser Skizze würde es bei
weitem überschreiten, wollte man hier
Schritt um Schritt das Heben des künſt-
leriſchen Niveaus im einzelnen verfolgen.
„Laßt genug sein des grauſamen Spiels!“
Wie ein seiner Kraft ſich endlich bewußter
Riese ſprengten Bahnen und Induſtrie die
Fesseln kleinstädtisſcher enger Denkart. Zug
um Zug ging es der Höhe zu. Das Theater
folgte dem ſstürmiſchen Vorwärtsdrängen
und rivaliſiert mit dem Konzertsaal. Heute
dürfen wir auf die Leiſtungen beider mit
Stolz blicken, sie sind erfolgreiche Kämpfer
um die Erhaltung unſeres Deutſchtums ge-
worden und im Saargebiet zu einer Blüte
gelangt, deren sich lange nicht jede deutsche
Großstadt erfreut. Unsere höchſte Be-
drängnis in diesen Tagen ſchuf ersſt recht
in der Kunst ein Bindemittel, das uns über
alle äußeren Gegensätze die höhere Einheit
im deutschen Volkstum unauslöſchlich ein-
prägt und bewußt werden läßt. Ich ver-
geſſe nie den allgewaltigen Eindruck einer
Aufführung der „Meistersinger“ in unserem
Theater. Der Vorhang fällt. Ergriffen, voll
im Banne des Spiels und der Muſik er-
heben sich alle fast feierlich. Lautlose Stille
zuerst ringsum, dann aber bricht ein Jubel
los, ein donnernder, nicht endenwollender
Beifall. In die durch hartes Schicksal be-
drückten Seelen fiel das Licht der edlen
deutschen Kunst, die mit uns fühlt und zur
tgrjerften Wehr ruft für das Heiligste, das
aterland. ..
Zeitgemäße Reminiſzenzen.
Wie hören heute aus dem nahegelegenen
Forbach mitunter Stimmen, die nicht viel
freundnachbarliche Geſinnung verraten.
Wenn uns auch nichts daran liegt, welches
Echo unsere Abwehr fremder Annexions-
pläne jenseits der blau-weiß-roten Greng-
pfähle weckt, ſo wirkt es immerhin amü-
sant zu hören, daß in der Vergangenheit
und wohlgemerkt: frangösiſchen Vergangen-
heit ~ Ñ ganz andere Stimmen zu uns her-
übertönten. In Nr. 46 des „Saarboten“
(demokratiſche Zeitung) von 1849 leſen wir
eine bewegte Dankepiſtel des evangelischen
Pfarrers von Forbach an die „edlen Be-
chr. ror Sarhrutr. St. FP. qn.
beim Bau der evangeliſchen Kirche unter-
stützt und so benutzte der Pfarrer die Ge-
legenheit der Einweihung der Kirche, um
eine Dankes'chuld an die Unterstützungs-
ſpender abzutragen. – Das war 1849. Houte
weiß sich die französisch kommandierte
Presse Lothringens vor ſchmutzigsſtem Haſſse
gegen das Saargébiet kaum zu fassen. P.
.120
Saarkalender für das Jahr 1927.
Ein bisher unbekanntes, hiſtoriſch wertvolles Dokument
der Bürgerſchaft von Baarbrücken.
Von A. Z.
Der Saarkalender iſt in der Lage, im
Faksimiledruck ein bisher völlig unbekann-
tes, hiſtoriſch wertvolles Dokument der
Bürger Saarbrückens zu veröffentlichen,
das durch seinen Inhalt heute einem ganz
b; ſonderen Intereſſe begegnen dürfte.
Mündliche Ueberlieferungen aus den viel-
fachen Notzeiten unseres Grenzlandes
leben noch im Saarvolk, finden aber
nmeiſtens wenig Beachtung, obwohl sie oft
genug, wenn der Zufall eine klare Nach-
prüfung gestattet, auf Wahrheit beruhen.
Hier ein bezeichnendes Beispiel. Bei dem
Präsſidentenwechsel in der bunten Völker-
bundsregierung haben Landesrat und
Presse in voller Uebereinstimmung mit der
S c MWh
lich ein Enoe nehmen mit der unnötigen
Besetzung der bestbesoldeten und einfluß-
reichen Beamtenstellen durch Franzosen,
die nicht das geringste Interesse für das
Wohl des Landes besitzen, noch bekunden.
Sie verfolgen hier nur, mehr oder weniger
fler. Frerltrelds politizate tiele. uwy.ſun
in ihrem Mutterlande niemals wintken:.
Was diese Herrſchaften mit ihrem Ober-
meister und Chordirigenten geleiſtet haben,
darüber herrſcht nur eine Stimme der
Verurteilunn. Sie waren die intimen
Helfershelfer des unseligen Rault. Kein
Wunder, daß ,s ch on die bloß e Ge -
genwart unter uns von Men-
ſchen, die uns nur böses wollen,
eine Prüfung der Duldsamkeit
it. und p ér Pre en ri eu
ferneren Anstellung, wodurch
die Eintracht, die Ruhe und der
Fro hſinn so allgemein geſtörl|
wur d e“.
Kann man das heutige Verhältnis zu
den franzöſiſchen Beamten besser aus-
drücken, als es hier in der Eingabe vom
25. November 1815 geschehen ist! Bei einer
Besprechung der Stellungnahme der Saar-
bevölkerung gegenüber den französischen
Beamten hörte ich mehrmals von alten
Saarbrückern, daß nach Erzählungen in
ihren Familien dasselbe Verlangen, wie
es heute mit vollem Rechte gestellt wird,
auch 1815 in einer Eingabe an Preußen
aum Ausdruck gekommen sei, als es hieß.
die Motten aus dem Pelze zu klopfen.
Eine schriftliche Andeutung fand sich bishcr
dorüber nicht. umsomehr dürfen wir allc
erfreut sein, daß es bei den Nachforschungen
in dieser Sache gelang, ein Dokument ans
Licht zu ziehen, das in seinem Kernpunkt,
ohne ein Wort zu ändern, heute an den
Pötherbund nach Genf gerichtet werden
önnte.
Die vorliegende fakſimilierte Eingabe
vom 25. November 1815 iſt an den edlen,
hilfereihen Freund des Saargebiets,
Fürsten v. Hardenberg, gerichtet und mit
het Unterzeichnung von 146 Namen dbùbe-
zuäftigt.
Damals wie heute: Unter fremder Ge-
walt fühlen sich die Saarländer wie , Ver-
lasſſjene“, dann aber nach der Befreiung sind
alle „von heißem Dankgefühl durch-
urungen“. Und mit ſchlagenden Worten
heißt es, wie wir es auch einst sagen
werden: „N ach d em lang en Stur me,
wo das allgemeine un d beson-
dere Intkreſſe fo gewaltſam
bewegt und j e dees vormalige
Verhältnis von Grun d aus ent-
s< üttert wurde, iſt in den Her-
zen nur Raum für den einzigen
Wunsch eines dauernden fried-
lichen Zustand es unter deut-
ſcher Herrſchaft.“
Worte folgen, die auf das DMißpver-
gnügen unserer Tage nicht besser geprägt
werden können. In wenig Zeilen ist de-
deutſam unserem Empfinden beredt Aus-
druck gegeben, wenn es heißt: „In diesem
Wunſche iſt der mit einbegriffen, den die
Unterzeichnelen Ew. Hochfürſtlichen Durch-
laucht unterthänigſt auszudrücken wagen:
„Entfernung. derFrangoſen. von
den. öffentlichen Stellen : und
Aemtern, und Anſtellung be-
währter t tutſcher Männer."
Dokumente wie das vorliegende ſollen
und müssen in jeder ſaarländiſchen Fami-
lie zu wertvollen Erbſtücken aus der
ollen, tapſeren Väterzeit treu bewahrl
werden. Auch wir werden den deutſchen
Ehrenſchild fleckenrein unsern Nachkommen
überliefern, daß einst in glücklichen Zeiten
des Saartals Enkel stolz rühmen dürfen:
j 2209! dem, der seiner Väter gern ge-
denkt!“
121
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Saarkalender für das Jahr 1927.
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Dem Naterlande.
Vergeßt ſie nie der Fubelfeier Stunde,
Wie Wetterleuchten zog ſie durch das Land;
Die deutſchen Banner rauſchten frohe Kunde,
Daß ewig eint des Blutes heilig Band.
Wie hehrer Himmelstroſt ſauſt es hernieder,
Er sah uns alle einig Hand in Hand,
Undbrauſend klang'swie Hchwur durch Heldenlieder:
„Wir grüßen dich, du liebes Daterland!''
Und ringen wir ums Recht in Not und Horgen,
Hind auch der Tränen viel in unſer'n Reih'n,
Wir ahnen doch den freien deutſchen Morgen,
Das fFfrühlingsglück in hellem SBonnenſchein.
In tiefem Glauben, nicht in leichtem Wähnen
Hind alle, alle wir dir zugewandt,
Wir denken dein in ſtillem, heißem Hehnen
Und grüßen dich, du liebes Danterland !
Des Baartals Treue hebt mit Adlerſchwingen
Die Beelen über Leid und Bturmgebraus,
Nicht welſchem Lug, nicht Trug wird es gelingen,
Wir kennen nur ein deutſches Daterhaus.
Geduld, bis alter Mut trotz Bchickſalsſchlägen
Den ſteilen Weg zu neuem Ruhme fand,
Dann blühet neu der Lenz auf unſern Wegen:
„Glückauf, Glückauf, du liebes Daterland!''
A. S.
125
Saarkalender für das Jahr 1927.
Bchwarz-rot-gold und ſchwnarz-weiß-rat.
Von Prof. Dr. h. e. Ruppersberg.
Ueber die Entstehung und das Alter der jetzigen deutschen Farben ſchwarz-rot-gold
herrſcht vielfach Unklarheit. Man begegnet wohl der Meinung, daß diese Reichsſarben
aus dem Mittelalter ſtammen und daß sie unter Friedrich Barbaroſsſa entstanden ſeien.
Aber das Mittelalter kannte keine Reichsfarben. In der Schlacht auf dem Lechfelde hatre
König Otto I. das Reichsbanner mit dem Bilde des Erzengels Michael zur Seite. Später
kam der einköpfige Adler, seit König Sigismund der zweiköpfige Adler als Hoheits-
zeichen des Reiches auf. Da der schwarze Adler gelbe Klauen hatte und die Kaiſerwürde
seit dem 15. Jahrhundert in den Händen der Habsburger war, so entstanden daraus die
öſterreichiſchen Farben schwarz-gelb.
Den Glauben, daß die deutſche Reichsfahne ſchon im Mittelalter die Farben schwarz-
rot-gold gezeigt habe, hat vor allem Heinrich Heine verbreitet, der dieſe Fahne dem
Kaiſer Barbaroſſa im Kyffhäuſer beilegt: „Hoch ragt daraus eine Fahne hervor, die
Fahne schwarz-rot-gülden.“ (Deutschland, ein Wintermärchen, Kapitel XIV und XV.) In
Wirklichkeit ſind die Reichsfarben ſchwarz-rot-gold viel jünger. Sie ſind ersſt im Revo-
hrtivystahre 1848 gesetzlich angenommen worden. Folgendes ist der geſchichtliche Sach-
verhalt:
„Auf den Vorschlag des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn nahm die am 12. Juni
1815 gegründete deutsche Burſchenschaft als ihr Feldzeichen und zugleich als das der
deutschen Einheit, die dieser Jugendbund ja verkörpern wollte, ein ſchwarz-rot-goldenes
Banner an. Es waren nicht die alten Farben des Reiches, wie manche Burschenschafter
behaupteten, sondern die Uniformfarben der Lützowſchen Freischar, jener ,„rein-deutſchen“
Schar, in der zwei von den drei Gründern der Burſchenschaft und zahlreiche andere
Burſchen gefochten hatten. Die Lützower führten auch eine goldgestickte ſchwarz-rote
Fahne, und dieſer geschichtlichen Herkunft entspringt auch deren Deutung: „Aus der
Knechtschaft Nacht durch blutigen Kampf zum goldenen Tage der Freiheit!“ Für ein
halbes Jahrhundert sollten diese Farben in der Tat ,Die deutschen Farben“ werden“.
(Hans Blum, Die deutsche Revolution 1848-1849, S. 13f.) Dies iſt die Erklärung, die
auch Heinrich v. Treitſchke in seiner „Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert“ Il 422
und III 756 gibt. An der letzteren Stelle fügt er hinzu: „Neuerdings habe ich jedoch im
Dresdener Körner-Muſeum eine Aufzeichnung des alten Lützowers Anton Probſthain
aus Mecklenburg (f 1882) gefunden, worin er erzählt, seine Verwandte Frl. Nitzschke
habe der Burſchenſchaft bei ihrer Stiftung eine Fahne geschenkt und dazu die Farben
der untergegangenen Verbindung Vandalia gewählt. Dieſe Erklärung klingt einfacher,
natürlicher als die Erzählung von den Lützower Farben; es iſt mir aber bisher nicht
gelungen, ihre Richtigkeit nachzuweisen.“
Treitschke fügt an der erſteren Stelle hinzu: „So iſt aus den Träumen der Studenten
jene Trikolore entstanden, die durch ein halbes Jahrhundert die Fahne der nationalen
Sehnſucht blieb, die so viel Hoffnungen und so viel Tränen, so viel edle Gedanken und
ſo viel Sünden über Deutſchland bringen sollte, bis sie endlich, gleich dem schwarz-blau-
roten Banner der italieniſchen Carbonari, im Toben der Parteikämpfe entwürdigt und
gleich jenem durch die Farben des nationalen Staates verdrängt wurde.“
Bei der Verfolgung der Burſchenschaft wurden die Farben ſchwarz-rot-gold durch
Bundesgesetz vom 5. Juli 1832 verboten, aber am 9. März 1848 als deutsche Bundesfarben
von dem Bundestag anerkannt. Der Reichstag des Norddeutschen Bundes erklärte am
2. April 1867 die Farben ſchwarz-weiß--rot (eine Vereinigung der preußischen Farben
schwarz-weiß mit den rot-weißen Farben der Hanſfastädte) zu Bundesfarben, und diefe
Farben wurden auch von dem Deutschen Reich angenommen (Artikel 55 der Reichs-
verfaſſung vom 16. April 1871). Die Weimarer Verfasſſung vom 11. Auguſt 1919 hat dies
Farben ſchwarz-rot-gold wieder hervorgeholt und als die Farben der deutschen Republik
erklärt, aber weite Kreiſe unseres Volkes können sich mit dieſen Farben nicht befreunden
und Zehen q! Farben ſschwarz-weiß-rot vor, unter denen Deutschland groß und mächtig
. & . I [?
126
Saarkalender für das Jahr 1927.
Anno 1848 und 49.
Von R. R u d olf R e h äneek.
Infolge der Reichsgebietsaufteilung auf
Veranlaſſung Napoleons I. legte der da-
malige deutſche Kaiſer Franz II. im Jahre
1806 seine Würde nieder und erklärte das
„heilige römische Reich deutscher Nation“
für aufgelöſt. So endete das einige deutſche
Reich nach faſt tauſendjährigem Beſtehen.
An seine Stelle trot der „Deutsche Bund“,
zu welchem Oesterreich, die Königreiche
Preußen, Bayern, Württemberg, Hannover
und Sachsen, ſowie dreißig Kleinsſtaaten
und vier freie Städte gehörten. Die An-
gelegenheiten Deutschlands sollten durch
Vertreter der einzelnen Regierung gemein-
ſam beraten werden. Dieser sogenannte
„Bundestag“ residierte in Frankfurt a. M.
Das deutsche Volk aber war niit dieser
Regierungsweise nicht zufrieden und ver-
langte eine Verfaſſung, in der das Volk
durch gewählte Vertreter an der Regierung
teilnehmen sollte. Da das Versprechen, dem.
Volke eine Verfaſſung zu geben, von den
einzelnen Regierungen nicht gehalten
wurde, ſtieg die Unzufriedenheit, beſonders
unter den gebildeten Ständen in hohem
Maße. Auch in Preußen konnte eine ge-
deihliche Löſung der Verfassſungsfrage nicht
zuſtande kommen.
In diesen Zeiten bildeten sich Organi-
sationen, die einen Zuſammenſchluß aller
deutſchen Staaten zu einem einigen Land
erſlrebten *). Dem gegenüber sette eine
scharfe Bekämpfung der einzelnen Regie-
rungen gegen dieſe Bestrebungen ein. Be-
ſonders in Preußen ging man aufs ſchärfſte
gegen die Urheber und Anhänger dieser
Ideen vor. Die Burſchenſchaften wurden
überall an den Universitäten aufgelöſt und
Männer wie Jahn, Arndt u. a., die sich in
den Freiheitskämpfen von 1813 verdienſt-
voll hervorgetan, wurden zur Unterſuchung
gezogen und verſchiedentlich zu langjähri-
ger Fesſtungshaft verurteile. In einigen
ſüddeutſchen Staaten kam es zu ernſten
Unruhen und Konflikten. So unternahmen
am 3. April 1833 etwa 50 Studenten, unter-
ſtützt von elsässiſchen Nationalgardiſten und
Bauern der Umgebung den Versuch, ſich
der Stadt Frankfurt zu bemächtigen, um
dem „Bundestag“ ein Ende zu machen und
*) Durch die Kleinstaaterei hatte jedes ein-
zelne, ſelbſtändige Gebiet eigene Zollschranken,
die jeder freien Entwicklung des Handels und
Verkehrs, aufs ſchwerſte hemmend, entgegen-
wirkten.
die „einige deutsche Republik“ aufzurichten.
Die Folge dieſes mißlungenen Anſchlages
war dann die Wiedereinſetzung einer Zen-
tral-Unterſuchungskommission und die Wie-
deraufnahme der Demagogenverfolgungen,
die bis 1842 angedauert haben. Wer einer
Burſchenschaft angehörte und das schwarz-
rot-goldene Band getragen hatte, wurde
zur Unterſuchung gezogen. Das Berliner
Kammergericht verurteilte allein bis 1836
204 Studenten, darunter 89 zum Tode,
wegen verſuchten Hochverrats; dieſe wur-
den dann zu dreißigjähriger Fesſtungshaft
begnadigt. Unter ihnen befanden ſich auch
zahlreiche Nichtpreußen, wie der Mecklen-
burger Fritz Reuter. Vergl. Fritz Reuter:
„Ut mine Feſtungstid“.)
Im Jahre 1838 gründete Friedrich Wil-
helm III. den Deutschen Zollverein, dem
bald die meisten Kleinstaaten Deutschlands
beitraten. Sie bildeten zuſammen mit
Preußen ein einheitliches Zollgebiet, in
dem die Waren nur einmal verſteuert wer-
den mußten. So war denn der größte Teil
Deutschlands wirtſchafts- und handelspoli-
tiſch geeinigt und es war ein großer Schritt
in der Einheitsbewegung gemacht, als in
der Neujahrsnacht von 1833/34 die alten
Schlagbäume auf den großen Landſtraßen
sich hoben und die in langen Zügen harren-
den Frachtwagen unter fröhlichem Rufen
und Peitſchengeknall der Fuhrleute in das
befreite Land hinausrollten.
Der Wunſch aber nach einer Verfassung,
durch die das Volk an der Gesetzgebung und
Rechtsprechung teilnehmen konnte, wurde
immer noch allgemein gehegt. Am 1I1I.
April 1847 berief deshc.Ib Friedrich Wil-
helm IV. (184001861) den ,, Vereinigten
Landtag“, der aus Vertretern der acht
preußischen Provinzen bestand. Dieſer kam
jedoch zur Auflöſung, weil der König nicht
bos Reit verleihen wollte, die Steuern zu
ewilligen.
Gewissermaßen als ein Vorſpiel der all-
gemeinen Revolution, die ſich nun vorbe-
reitete, war ſchon 1846 ein . Polenaufstand
ausgebrochen. Ein weiteres, noch bedeuten-
deres Vorſpiel war der Bürgerkrieg in der
Schweiz von 1847. Als nun 1848 in Frank-
reich die Revolution ausbrach, wurden
auch in Deutschland die Gemüter auſs
mächtigſte bewegt. Ueberall kam es zu
Verſammlungen, in welchen die Wünſche
des Volkes vorgetragen wurden.
127
Saarkalender für das Jahr 1927.
Auch in unserer Gegend kam es allent-
halben zu Volksversſammlungen, in welchen
Entschließungen an die Ständeverſamm-
lung in Berlin geſandt wurden. In einer
„Adresse“ der Städte Sa ar b rü < e n und
St. Jo h ann an den König heißt es u. a.:
.. „K Önigliche Majeſtät.! Wir
sind die Bewohner der äufß er-
ſten Grenz ſta dt Ihres Reiches.
An unsere Fluren ragen Fran k-
reichs Berge mit der Fahne der
Freiheit. Sie loc>t uns nicht.
l Fur De. 7t l ates?
wie es heute noch nicht iſt, aber
wie es ſein wird und hervor-
ge h en wird aus di eſen Tagen
der Prüfung durch Freiheit,
Einigkeit und die Kraft ſeiner
Völk er. Möge ihren Beſtrebun-
gen Gehör nicht verſagt wer-
d e n !“ (10. März 1848.) (Vergl. Saar-
kalender 1925, S. 52.)
Große Freude entstand deshalb, als Fried-
rich Wilhelm IV. verſprach, eine Verfassung
zu gewähren. Eine rieſige Volksmenge um-
lagerte das königliche Schloß, wo am 18.
März ein Patent zur Verfaſſungsfrage be-
kannt gemacht wurde. Nur eine der Forde-
rungen des Volkes, der Abzug des Mili-
tärs, das im Schlosse zuſammengezogen
war, blieb damals noch unerfüllt. Davon
ging denn am gleichen Tage der Tumult
ans. Aus den das Schloß umdrängenden
Volksmassen erſcholl „plötzlich dér Ruf:
fort _ese Jittur.. er gsevers!
Schlosse vorrücken, um dessen unmittelbare
Umgebung frei zu machen. In dem Ge-
tränge, das nun entstand, entluden sich plög-
lich zwei Schüsse, die dann den Anlaß zu
furchtbaren Straßenkämpfen bildeten.
Am 22. März erließ der König eine Prokla-
mation, in der er die Nationalfarbe Deuttjſch-
lands anerkennt und sich „ohne Uſurpation
an Deutſchlands Spitze stellen werde, um
dem deutschen Volke Einheit und Unab-
hängigkeit zu bewahren.“ Sämtliche Trup-
pen wurden aus der Reichshauptſtadt ge-
zogen und durch Bürgerwehren ersetzt, die
selbſt den Dienst beim Könige übernahmen.
An der Saar blieb es mit Ausnahme ver-
schiedener Demonſtrationen, die aber durch-
weg friedlichen Charakter trugen, ruhig. So
meldet eine Zeitungsnotiz vom 27. März
über die Hiſſung des deutschen National-
banners Schwarz-Rot-Gold auf der Dil-
linger Hütte. Bei dieſer Gelegenheit
hielt der damalige Direktor an die verſam-
melten Arbeiter eine markige Anſprache,
die mit dem Rufe: „Es le b e d as wi e-
d ergeborene Deutſche Vater-
Il a n d !“ endete. Am 28. März übersſandte
die Stadt Sa ar louis „an die hohe
Ständeversſammlung zu Berlin“ eine ,Peti-
tion“, in welcher die Forderungen nach den
Grundsätzen des deutschen Volkswillens er-
hoben wurden. In einer weiteren Zeitungs-
notiz „von d er Sa ar“ vom 1. April
heißt es: „Auch in unser en Gauen
iſt d ie Kun d e von der Erhebung
des deut ſch en Volkes gedrun-
gen; auch wir begrüß en die Mor-
genröte der Freiheit und Zdetr
Neug eſtaltung des deutſchen
Vaterlandes, un d von Turm zu
Turm,: von- Ort zu. Ort. wehecen
sſ<h on die ſ< warz-rot-g old enen
Vanner. als Zeichen deLr. Ein-
tracht und Brüderlichkeit!“ –
. Unterdes sollte eine in Frankfurt a. M.
zuſammengetretene (18. Mai) deutſche Na-
.tionalverſammlung eine neue Reichsver-
fassung beraten. (Als Abgeordneter für die
Kreise Saarbrücken und Saarlouis war der
Advokat Anwalt Di etz ſ<h -S a ar -
br ü cs en gewählt worden.) In dieſser
Versammlung wurde am 29. Juni der Erz-
herzog Johann von Oesterreich zum Reichs-
verweſer erwählt. Innere Pearteisſplitte-
rungen zerrütteten aber mehr und mehr die
Versſammlung, während in mehreren Gegen-
den Deutschlands, namentlich in Baden und
Rheinbayern unter dem Vorgeben, die
Reichsverfassung zur Geltung zu bringen,
republikaniſche Aufstände losbrachen. Unter
diesen Wirren zerfiel die Nationalversſamm-
lung in Trümmer, ihre letzten Reſte
(Rumpfparlament) zu Stuttgart wurden
im Juni 1849 durch württembergiſches Mili-
tär auseinandergetrieben.
Im Verlaufe der Unruhen in Süddeutſch-
land, zu deren Unterdrückung u. a. ein
Füſilierbataillon des 30. Inf.-Reg ts.
(Saarlouis) herbeigeeilt war, wurden fol-
gende Soldaten aus unserer Gegend getötet
bzw. verwundet: I m Gefecht von
Wa gh äus el (21. Juni 1849 **): Füſ.
Lud wi g Pü tz aus Du d we il e x, Bruſt-
kugel; Füſ. Jo h. Müller aus Pach-
t en, Kopfkugel; Füſ. M. Both, Ens-
d o r f, Kopfkugel. – Verwundet: Unter-
offiziee. Kirchberg, Dudweiler;
**) Ich lasse deshalb die Namen der betr. Sol-
daten anführen, weil in den genannten Ort-
schaften sicher noch der eine oder andere Nach-
komme anſäſfig iſt.
128
Der Drnckfehlerteufel. Ueber Eliſabeth Bergner im „Geiger von Florenz“, einem vielgerühmten Film heißt es:
„Hier ſitzt ſie als mutwilliger Knabe mit einem Stecken in der Hand, den ſie mit den Zähnen seiner Rinde beraubt.
Man liebt ſie in solchen Ha ſ e nr oll e n, die man eigens für ihren burſchenhaften Kopf ſchreibt." (Saarbr. Abdbl. v.
8. April 1926): Ich glaube, es wird hier wohl weniger an Haſenrollen als an Hoſenrollen zu denken Fein.
Höflichkeit iſt eine Zier. Minnichs Menne, ein alter Tanzmeisſter St. Johanns, der seine Uebungsſtunden in einem
kleinen Saale der Fröſchengaſſe abhielt, tröſtete einmal die ſich ſchon recht ungebärdig benehmenden Buben mit folgenden
Worten : „Ihr Herre, Ihr mißt noch warte, denn unsre Damen müſſen heit uf Pobſte Hitt eine Stunde iberſchaffen !
JI:
Auswahl nur
heſter Quali-
täten zu
\; I
NINA
MM AIID
A.G.NEUNKIRCHEN FRIEDRICHSTHAL
6.M.B.H.SULZ BACH-DUDWEILER
HAN<E
Sonderbare Tanzmusik. In den alten Jahrgängen der Saarbr. Ztg. findet ſich manche, uns heute wunderlich
§fultuze Kurie. fir die domellgen Leſer aber jedenfalls kurz und bündig, klar und unzweideutig. So ſteht in einer
Tanzmuſik mit ge br aten en Fiſchen
am Ostermontag bei G. Diener in Mallſtatt.
Zweifellos lieferten damals noch Saar und Fiſchbach in unſerer Gegend delikate Leckerbiſſen in Bratfiſchen. Tempi passati!
Pis
SchloNbrauereien
Neunkirchen
Geislautern
biefern Mur
Qualitäts biere
Saarkalender für das Jahr 1927.
Füſ. P. Krämer, Lebach;.: Füſ. N.
Kiefer, Ro d en; Füſ. J. Meunti eur,
Sa arl oui s; Füſ. P. L am b es, Los -
h eim ; Unteroffizier L. Klein, Sa ar-
brücken;. .. Füſ. . Matth. Peter,
Schwarzenholz; Füſ. IJ. G r ü n,
Püttlingen; Füſ. Breit, Weiten;
Füf.. P. Ras, Gold ba <; . Füf. C.
Schäfer, Saarlo uis; Füſ. Knörr,
St. Jo h ann; Füſ. Altmeier, Ro-
d en; Füſ. Jung mann, Heuswmweßee.i.-
l er; Füſ. Nik. Schleich, Fraulau-
tern; Füf. Fr. Dien er, St. Johan n;
Füſ. Dr a pp, Brot dorf; Füſ. J. Se i-
werts, Baller n. – Vermißt: Füſ. M.
Schmidt, Lebach; Füf. J.. Bae -
na <, Mon d orf; Füſ. N. Biegler,
Dillingen; Füſ. Bils dorf er, Bils- -
dorf: Füſ. P. Weirich, Pachten;
Füs. J. Neu, Steinbach.
Im Gef echt b ei Durlach (25. Juni
1848) : Tot: Füſ. Joh. Müller, Neu-
forweiler. – Verwundet: Füſ. W.
Himbert, Felsberg; Füſ. Georg
Sander, Saarwellingen; Füf. O.
Paul, Lebach; Füſ. Grau, Rech;
Füſ. P. Paul, Ruß hütte; Füſ. P.
Schneider,. Tholey;. Füſ. Kunz,
Marpingen; Füſ. Löſch, Güdin-
g en; Füſ. P. Barn, Urweiler ; Füſ.
P. Jachmann, St. Wendel; Füf.
Valentin Kramer, Dudweiler;
Füs. Fr. Str auß, Ottweiler; Fü.
P. Zeitz, Fi ſch ba ch.
Erſt im Sommer des Jahres 1849 er-
folgte die Niederwerfung der Revolution.
Schon . als das Frankfurter Parlament
einen Beſchluß gegen das Einſchreiten
Preußens in Sachſen gefaßt hatte, waren
auch die Mandale der preußischen Abgeord-
neten von der Regierung für erloſchen er-
klärt worden. Die Autorität der Regierun-
gen in den einzelnen Staaten war wieder-
hergestellt, aber der deutsche Bund blieb
gerriſſen. Am 31. Januar wurde in Preußen
die Verfaſſung verkündigt. und am 6.
Februar vom König nach langem Bedenken
feierlich beſchworen, allerdings in der aus-
drücklich kundgegebenen Hoffnung, daß es
auf verfaſſungsmäßigem Wege gelingen
werde, sie „den Lebensbedingungen
Preußens immer entsprechender zu machen“
und mit nachdrücklichem Hinweis auf die
„Hiſtoriſch-politiſche Notwendigkeit, daß in
Preußen der König regieren müſſe und
nicht die Volksvertretungn. – Das Werk
der deutſchen Einigung war aber trotz aller
Opfer, mit denen die Nation hauptsächlich
für diese Idee gekämpft, mißlungen, und
erſt 20 Jahre ſpäter sollte der Einheits-
gedanke vom deutſchen Vaterland endgül-
tig durchgeführt werden. –
Zuſammenhängend mit dieſen Vorkomm-
niſſen aus diesen wirren Zeiten iſt die
tragiſche Erſchiekung von drei Landwehr-
leuten in Sa ar l o u i s. Am 20. Mai 1849
wurde in Pr üm das dortige Zeughaus
von bewaffneten Volksmassen gestürmt.
Die Bewachung dieses Zeughauſes war 100
Landwehrleuten aus der Umgebung an-
vertraut. Dieſe weigerten ſich nun aus
leicht begreiflichen Gründen, in die Menge
zu schießen. Sie wurden nun am 6. Junt
nach Saarlouis eskortiert. Eine Zeitungs-
notiz """”? vom betr. Tag ſcc<hrieb ü...a..
. . Nachdem der Oberſtleutnant
v. Horn eine Anſprache ſowohl an dic
Landwehr, die ohne Waffen, in schlechter
Montierung bleich und lautlos zuhörend,
einen herzergreifenden Anblick gewährte
~ man ſah Männer und Frauen umher
weinen, hörte sie laut ſchluchzen – nach-
dem er einige ermunternde Worte an die
Linientruppen gerichtet, welche in kürzester
Zeit die beſchwerlichſten Märſche gemacht.
den traurigen Befehl erhalten hatten, ihre
verführten Kameraden nach Saarlouis zu
eskortieren, marſchierten die Truppen unter
Trommelſchlag aus der Stadt (Prüm).
Manche Frau weint heute um ihren Brot:
erwerber, und die eigentlichen Verbrecher,
die Urheber all dieſes Unglücks, stehen in:
Hintergrunde und freuen ſich, daß ihre
Plänchen gelungen und daß man gerade ſie
nicht zur Verantwortung hat ziehen kön-
nen.“ – Eine weitere Notiz meldet über
die Ankunft in Saarlouis:
Sa arlo ui s, 12. Juni. Gestern vor-
mittag langten, von einer 200 Mann
ſtarken Abteilung des 25. Inf.-Regts. es-
kortiert, die durch den Sturm des Prümer
Zeughausſes gravierten (belaſteten) 67
Landwehrleute, von denen 7 gefesselt
waren, hier an. . . Der Anblick dieser, ihren
troſtloſen Familien auf lange Zeit entrück-
len Unglücklichen, welche von dem anhalten-
den Regen ganz durchnäßt waren, machte
auf die wenigen Neugierigen, die sich bei
zer V crcch einfanden, einen wehmütigen
indruck.“ ~
Am 18. Auguſt begannen die Sitzungen
des Kriegsgerichtes in Saarlouis über die
*#*%) „Anzeiger für die Kreiſe Saarlouis, Mer-
His Ottissilés; Saarburg und Deutſch-Lothrin-
129
Saarkalender 1927
. werden.
Saarkalender für das Jahr 1927.
des Hochverrates angeklagten Landwehr-
leute. Mit Ausnahme von 7 Seoldaten,
uwielche zu einer mehrjährigen Strafe vec-
urteilt wurden, sollten die übrigen mit einer
Festungsſtrafe von sechs Monaten belegt
In der betr. Meldung heißt es
t. c.:
„Ö. .. . . Wenn gleich es für die Angehöri-
gen der Verurteilten immerhin traurig iſt,
Y t out s' O
freuen, daß die Sache nicht, wie man an-
fangs befürchtete, eine noch ungünſtigere
Wendung genommen hat. Während ihres
Hierſeins haben sich dieſelben die Teil-
nahme und Liebe der hieſigen Einwohner-
schaft erworben.“ – Aber trotzdem ſollte
es doch anders kommen. Die Untersuchung
sollte nämlich von neuem beginnen, da ſie
t? creUr er wren
kam dann am 14. Oktober die Meldung
von der Erschießung von drei Landwehxr-
leuten in Saarlouis.
Saarlouis, 14. Okt. Unserer Ein-
wohnerſchaft hat sich heute eine wehmütige
Stimmung bemächtigt; ~ überall nur trau-
rige Gesichter und verweinte Augen, über-
all dieselbe Unterhaltung, worin sich das
größte Mitleid mit den unglücklichen Opfern
und die entschiedenſte Mißbilligung darüber
ausſpricht, daß man zur Vollstreckung des
harten Urteils einen Sonntag, sogar den
Tag vor dem Geburtsfeſte (geſperrt ge-
druckt!) Sr. Majestät des Königs gewählt
hat, das, wie man bisher glaubte, durch
eine allgemeine Amnestie ausgezeichnet
werden sollte. Drei der hier gefangen ge-
haltenen Prümer Landwehrleute: Jo -
hann Manſtein von Lauf eld, An-
ton Steilen von Prüm, Nito-
laus Alkan von Prüm, letzterer
Vater dreier Kinder, ſind, nachdem das von
Sr. Majeſtät dem Könige bestätigte Todes-
urteil geſtern abend hier angelangt, heute
früh im Fort Rauch erſchoſſen worden.
Unfer Herr Dechant Hecking, welcher, von
seinen beiden Kaplänen unterstützt, die
ganze Nacht bei den Unglücklichen zuge-
î dharacht hatte, um sie auf den letzten, ſchweren
Gang vorzubereiten, begleitete ſie, mit
ihnen betend, in das Fort Rau c, wo
sie von einem Kommando des 35. Regi-
ments, einer nach dem andern erſchossen,
dann unterſucht und in die bereitgestellten
Särge gelegt wurden. TJhre Leichname be-
stattete alsoann einer unserer Geiſtlichen
mit den üblichen kirchlichen Zeremonien auf
dem Militärfriedhofe. –- Möge die Erde
ihnen leicht sein! ;
Der Eindruck, welchen die so unerwar-
tete Verkündigung gestern abend hervor-
brachte, war ſo stark, daß es nur der teil-
nahmsvollen Beredsamkeit unseres würdi-
gen Seelsorgers zuzuſchreiben iſt, daß sie
sicheren Schritlies und mit frommer Er-
gebung zum Richtplatze folgten. Wie wir
vernehmen, iſt ein vierter dieser der Ver-
führung zum Opfer Gefallenen zu lebens-
länglicher Festungshaft verurteilt.“
Wie stark das Mitgefühl der Bevölke-
rung war, geht daraus hervor, daß noch am
selben Tag „von vielen Seiten aufgefordert“
eine Sammlung eingeleitet wurde g,gzu
gunsten der hilfsbedürftigen Witwe“. Weiter
sollte auf „Veranlassung mehrerer Bürger“
von Saarlouis ein feierliches Seelenamt da-
ſelbſt gehalten werden. Aber noch mehr
zeichnen die folgenden Zeilen die teilneh-
mende Stimmung der Bevölkerung.
„Sa arl o u is., .16.. Okt. .Der. geftrige
Königsgeburtstag ging hier, wie es nach
dem traurigen Erlebnis vom vorigen Sonn-
tag zu erwarten ſtand, so still wie noch nie
vorüber. Di e Bürgerſchaft betei-
ligte. sich in keiner Weiſe an
dem in früheren Jahren pon faſt
ſämtlichen Einwohnern ſirtets
feierlichſt beg ang en en Fe ſt e. Es
herrschte die größte Leere und Stille in
den Straßen, die nur gegen 3 Uhr unter-
brochen wurde, als Züge von Landwehr-
leuten, von hiesigen Bürgern und von Leu-
ten aus den umliegenden Ortſchaften nach
dem Militärfriedhofe pilgerten, um an den
mit Blumen geſchmückten Gräbern der dret
Prümer Erſchoſſenen zu beten.“ ~
So vergingen auch jene wirren Zeiten.
wie eine dunkle Wolke am Firmamente.
Verſchwunden sind nun ſchon lange die
Querbalken der Landstraße und mit ihnen
die Kleinstaaterei, die hemmend auf die
Einigung und die freie Entwicklung uſerren.
Vaterlandes einwirkte und nur der Ein-
heitsgedanke: Einig k eit, Freiheit
und Vaterland, wird auch in Zukunft
das Fundament, die Grundlage des Wie-
deraufstiegs Deutschlands sein!
Ein Wort des Reichspräſidenten. Am wichtigſten iſt es, dem deutſchen Dolk wieder die Grundlage wirtſchaft-
licher und politiſcher Lebensfähigkeit zu verſchaffen. Ohne Wiederherſtellung des deutſchen Ansehens in der
Welt iſt dieſes Ziel nicht zu erreichen. Anſehen in der Welt wird jedoch nur der erwerben, der ſich ſelbſt und
ſein Dolk achtet. Dertrauen wird der gewinnen, der ſich ſelbſt vertraut. Es wird noch langer und ſchwerer
Arbeit bedürfen, ehe unſer ganzes Volk wieder zum Bewußtſein der höchſten Werte der Nation ſo erwacht, daß
dieſes Bewußtſein ſich auch im täglichen wie im öffentlichen Leben durchſetßen kann.
Generalfeldmarſchall Hindenburg (hannover, 17. 4. 25).
130
Saarkalender für das Jahr 1927.
Kriensfahrten Baarbrücker Buben.
Erinnerungen an 1870/71.
Von Otto Peter,
langjähriger Dekonom des Zivilkasinos.
Die Augusttage des Jahres 1870 leben
noch friſch in meiner Erinnerung, obwohl
ich damals erst acht Jahre zählte. Es war
die Zeit, in der das ganze Veiertel,
V ktoriaz, Bahnhofstraße, Schiffergasse,
Saarterraſſe, der Riesendamenplatz, für
24 000 Thaler wie Sauerbier ausgeboten
wurde. Dort, wo heute ſchon die einzelnen
Geſchäftshäuſer Millionenwerte repräfen-
lieren, tobten wir uns aus, tollten und
trieben auf der weiten Fläche nach
Knabenart allerlei Unfug. Ich vergesse
nicht, wie eines Tages unser Treiben und
die Stille der Städte durch die Meldung
„Mobilmachung“ von einer gemaltigen
Auſregung, die alle erfaßte, unterbrochen
wurde. Wie eine Bombe ſchlug es ein in
das friedliche Leben der Bürgerschaft. Die
Befehle der Einberufung flogen in die
F äuſer, und noch heute sehe ich den
ernſten Vater, zum 65. Infanterieregiment
beordert, von uns Abschied nehmen. Wir
begleiteten ihn zur Bahn. Lebhaftes Ge-
dränge, Weinen und Klagen der zurück-
bleibenden Frauen und Kinder.
An die Schule dachten wir Jungens nicht
mehr, Schiefertafel und Fibel flogen mit
Vaters Weggang in die Ecke. Kindlicher
Leichtinn und dbegreifliche Neugierde
'cieben uns auf die Höhen des Kleinen
Exerzierplatzes, der Lerchesflur, und oft
genug gelangten wir, durch ſtruppige
Ginsterbüſche und Kartoffelfelder ſchlei-
chend, bis zum großen Uebungsplatze
unserer Barniſon. Das vereinzelte Knallen
der Vorpoſtenketten störte uns nicht mehr
inn geringſten. Wir waren längst daran
gewöhnt. Es waren die Soldaten, die uns
nach Hauſe jagten, meiſt auch der Hunger.
Das Standquartier für meine Kameraden
und mich während der Vorpoſtengefechie
hlieb das ,„Franze-Brünnche“. Noch er-
innere ich mich der düſteren Stimmung,
der ernsten Gesichter und des Gefühls der
Unsicherheit, als das hier garnisonierende
Bataillon 69er nach Saarlouis abberufen
wurde, aber auch noch des endloſen Jubeis,
als am 17. Juli spät abends zwei Batail-
Tone 40er einrückten. Mit einem Sprung
aus dem Bette und hinaus auf die Straße,
um unsere Retter zu begrüßen, die allen
Mut und Hoffnung einflößten. Aus
manchem sichern Verſteck wurden da dre
Wertgegenſtände wieder hervorgezogen,
das elterliche Restaurant füllte sich wieder
mit politiſierenden Bürgern. „Wir fürchten
uns nicht,“ war die Parole.
Es begann Peſstels Täuſchung des Fein-
des, seine berühmt gewordene Wacht an -
der Saar, von der noch eine Szene in
meiner Erinnerung lebt. Der Kleine Exer-
zierplaßh war, wie gewöhnlich, auch am
28. Juli, der Ort, auf dem sich die Neu-
gierde aller Klassen breitmachte. Gemüt-
lich standen auf diesem Luginsland dichte
Gruppen, deorunter viele Bergleute in
Knappenunijſorm. Wir Jungens durften
natürlich dabei nicht fehlen. Wir sahen bei
dem klaren Wetter auf dem Roten Berge
vie Bewegungen der Franzoſen und zählten
ihre Geschütze, die ſie grabend in Stellung
brachten. Die Ansammlung, beſonders wohl
tie Tracht der Bergleute, ließen die Fran-
zoſen sich gegenüber Soldaten vermuten,
venn plötzlich auf dem Reotenberge ein
weißer Qualm vor einem Geſchütz, ein
Feuerſtrahl, und ehe wir den Schall des
abgefeuerten Geschützes hörten, fuhr mit
grauenhaftem Krach eine Granate in die
„Bellevuen. Wie eine wild gewordene
Hammelherde ſtürzte, rannte, lief tn
Rieſensprüngen alles schreiend davon. Wir
Jungens vorauf. Noch einige Male sandten
die Franzoſen ihren unfreundlichen Gruß
uns nach. Das Echo des Geſchützdonners
hallle in den Waldbergen ſrchauervoll
wider. ,Jesſes! Jetzt! Sie kumme, ſie
imme. Jetzt geht's los!“ ſchrien die Flüch-
tenden, „sie fange ſchun aan se bumFe.“
Mit entsetzlen Mienen ſchloßh man auf
unser Geschrei in der Stadt die Läden und
Türen. gZurückkehrende Vorpoſten be-
ruhigten gegen Abend die Bürgerschaft.
uns kleinen Jungens aber war auf einige
Tage die Luſt zu Streifzügen vergangen.
Der Tag der Schlacht bei Spichern sah
indeſſen wieder die Kleine Schar. Wir
trafen uns bereits fünf Uhr früh an der
Lerchesflur und verfolgten den wilden
Kampf, ohne uns der Gefahr bewußt zu
sein, in der wir ſselbſt schwebten. Vorüber
an uns zogen die Bataillone, beſstaubt,
ſchweißtriefend, keuchend, kn brennenoer
Sonnenglut. Noch heute höre ich die auf-
munternden Rufe der Offiziere: ,, Vor-
wärts, vorwärts!“
Johann war nach dem Kampfe ein ein-
ziges Lazarett. Uns trieb es aber wteder
Hinaus. Wir wollten am HMontag,
8. August, die Beerdigung der Gefallenen
134 :-;
Saarbrücken und Ste.
Saarkalender für das Jahr 1927.
sehen. Bergleute waren requiriert, die Be-
stattung durchzuführen. Wir Kinder ſahen
mit Grauen zu. Ein General reitet von der
Chauſſee herab zum heutigen Ehrental.
„Es iſt auch ein Hauptmann von den T74Aern
gefallen, iſt er hier beerdigt?“ Die Berg-
leute bejahen die Frage. „Ich möchte ihn
sehen, graben Sie ihn noch einmal aus!“
Es geschieht. Wie das Gesicht des Helden
zum Vorſchein kommt, erblaßt der Gene-
ral, er senkt das Haupt: ,@Es- iſt mein
Sohn!“ sagt er bewegt. Noch einige Zeit
steht er sſinnend vor dem toten Helden
und mit den Worten: „Nun geben Sie ihm
die Ruhe,“ reitet er mit seiner Begleitung
longſgam gzurück. Diese kleine Szene
machte auf uns Kinder einen erſchüttern-
den Eindruck, ich könnte sie niemals ver-
gessen.
Bald waren aber in unseren kindlichen
Gemütern die Schrecken der Schlacht ver-
gesſen. Sehnſucht nach den Vätern, die
vor Metz lagen, ließ uns Pläne schmieden,
die umsomehr Anklang fanden, je pharn-
tastiſcher sie waren, und so faßten wir
am 14. Auguſt den Entſchluß, nach Metz zu
wandern.
Die Harupträdelsführer dieſer Tollheit
von acht Knaben im Alter von 8—=10
Jahren waren dabei außer mir noch meine
Mitschüler Kor b an, St e f f en, Mey er,
wegen seines krauſen Haares Meyers
Kruwwel genannt, und Si mon. Drei
andere Knaben ſchlossen ſich dem Zuge an.
Unser nächstes Ziel war Forbach. Die
Chaussee paſſierten endloſe Kolonnen. Mit-
leidige Artilleriſten nahmen uns auf den
Protzen mit und fütterten uns mit Kom-
misbrot und Speck. Während der Nächte
verkrochen wir uns in irgendeinen Stall
und am frühen Morgen ging es weiter,
bis wir endlich die Zernierungs - Armee
erreichten. Nach langem Umherirren fand
ich die 65er. und überraschte meinen Vater,
der mich weinend in seine Arme ſchloß.
Nicht lange aber währte die Freude des
Wiedersſehens. Man packte uns und ſchob
uns ab mit einem Marketenderwagen, der
nach Saarbrücken zurückfuhr. Der Besitzer
Holtzmann, ein Einheimiſcher, kannte uns
und hatte auf die Ausreißer ein ſcharfes
Auge, sodaß uns eine Flucht und die
erwünschte Rückkehr zur Belagerungs-
armee unmöglich war. Dem Einzug in die
Heimat wurde von uns mit bangem
Herzen entgegengesehen. Holtzmann |tellte
uns allen überaus liebenswürdig ein
„naſſes Jahr“ zuversichtlich in Aussicht. In
der Kleidung abgerissen, im Aeußern etwas
verwildert, aber gut verpflegt trafen wir
in der Heimat ein. Mit dem sichern Ge-
fühl, für meine Extratour weidlich durch-
geprügelt zu werden, kam ich zur Mutter.
Sie hatte sich viel um mich gebangt, ars
ſie von meinen Freunden den Schlachten-
bummel erfuhr, war daher gerührt, mt)
gesund wieder zu haben und liebkoſte d.e
wilde Range, die heilfroh war, um den
t zyrzersztes L-‘. lnés zeihehays 1
elterlichen Empfang recht übel ergangen.
Meyers Ruwwel wurde so ,pvermewelt",
daß man ihn gottsjämmerlich in der
ganzen Nachbarſchaft heulen hörte. Auch
Korban konnte ein Lied von elterlichem
Zorne singen, er rieb sich tagelang noch die
bewußte Stelle, da der Vater in seinem
h L Ut U U Heiter e RR
„Katzenköppen“ sehr ausreichend bedachte.
Welche dauernde Wirkung die Züchttr-
U? Has; n37 235.Lolqgoten erh:en:
sehr viel gesehen, unsere Phantasie baute
mit jedem Tage unsere Erlebnisse aus uno
rief das Verlangen nach einer Wieder-
holung hervor. Der Schulunterricht erfolgte
inzwiſchen regelmäßig, unsere Gedanken
beſchäftigten ſich aber ausschließlich mlt
unserem neuen Fluchtplan. Bittere Källe
trat im Januar ein, sſie verhinderte in-
dessen unser Vorhaben nicht. Wir hörten,
daß unsere Väter bei Villerſexel kämpften.
Dahin wollten wir, um sie zu begrüßen,
und so waren bald trotz Eis und Schnee
sechs Kinder auf dem Weg nach Saar-
gemünd. Dort biederten wir uns mit Sol-
daten an, die uns in der Bahn mitnahmen.
Wurden wir auf einer Station aus der
Bahn verwiesen, so marſchierten wir und
bettelten in den Dörfern. Das nächste Ziel
war Straßburg, das wir bereits in etwas
abgeriſſenen Kleidern nach vielen Müh-
falen erreichten. Wir ſchloſſen uns Truppen-
verbänden an, die in der Richtung Mül-
hausen marschierten und mit uns sſcherzten.
sobald wir ihnen erzählten, wir sein aus
Saarbrücken und wollten nach Villerſexen.
Allen Unbilden der Witterung trotzten wir,
obgleich wir bereits nach einigen Tagen
f! nur noch Lumpen auf dem Körper
atten. In unserer Harmlosigkeit inen.
pellierten wir eines Tages auf eine.
Chauſſee einen auf einem einhertrottenden
Gaule sitzenden Soldaten, der sich für
unsern usflug sehr zu intereessieren
schien. Nach der kindlichen Beichte hauchte
aber der Herr Feldgendarm mit dem
blinkenden Ringkragen – wir kannten
bis dahin diese wichtige Perſönlichket..
nicht uns ganz gehörig an. Zurück gings
nach Mülhausen, in einen Stall gesperrr
132
Saarkalender für das Jahr 1927.
und dann KRichtung Saarbrücken abge-
schoben. Immer wieder mußten wir aber
die Bahn verlaſſen, Truppentransporte
vcrhinderten das Vorwärtskommen. Bet
starkem Froſt hieß es marſchieren. Wieder
eine Strecke Bahn, wieder zu Fuß, viel
Hunger, verulkt, mit zerriſſenen Schuhen,
krank kamen wir 14 Tage ſpäter endlich
in Saarbrücken an. Die jämmerlichen Ge-
ſtalten, ihr Heulen erweichten die Herzen
der Eltern, die uns hoffnungsvolle Spröß-
linge in die Betten packten und mit
Kamillentee traktierten. Noch lange Zeit
waren die Teilnehmer an dem beabhſich-
tigten Schlachtenbummel nach Vlillerſexel
krank und elend von der Spritztour. Die
Strapazen und die ſchlechte Behandlung
auf dem Rückmarsch hatte uns aber von
pr ſzrer Kriegsleidenſchaft gründlich ge-
eilt.
Der „Band" bei Ffraulautern.
Von R. Rudolf Rehänek.
Wer kennt ſie nicht, dieſe ſchier endloſe
Sandwäüſte bei Fraulautern. So mancher
alte „80er“ oder auch „Ber“ wird heute
ſtq,!.it seife Serke
denken. Als in den 40er Jahren des
vorigen Jahrhunderts die Exerzierplätze der
immer ſtärker werdenden Garniſon von
Saarlouis nicht mehr ausreichten, tauſchte
der preußiſche Fiskus ein Stück Wald ober-
halb des „Schießſbandes“, rechts der Straße
nach Saarwellingen (heute schon längst aus-
gerodet und zu Ackerland verarbeitet)
§§tud? gücutegteri" Öüries Gotinke
ebenfalls vorher bebaut, wurde nun im
Laufe der Jahre durch die in Saarlouis
garnisonierten Kavallerie-Regimenter voll-
ständig aufgewühlt. So entstand allmählich
die „Sandwüſte"“. Der tweg zum
„Sand“ führte durch die Mühlenstraße und
über den Kreuzberg, wo eigens ein Weg
gv . Bb n s Egle:
durch zu ſtarke Benutzung ungangbar ge-
worden – jedenfalls sah sich der Herr
Ortsvorſteher im Jahre 1865 zu folgendem
Proteſt veranlaßt:
„Ich beehre mich ergebenst anzuzeigen, daß
die Soldaten seit einigen Tagen den Weg
über den Kreugberg verlaſſen und beider-
seits über eine Masse bestellter Felder mit
den Offizieren gegangen sind und ſsehr
großen Schaden angerichtet haben. Ich
bitte gefälligſt veranlassen zu wollen, daß,
nachhem dieſer Weg mit großen Koſten
hergeſtellt worden, diesem Uebelsſtande ab-
geholfen werde.“
Unzählige Schweißtropfen aber hat der
„Sand“ geschluckt, wenn unsere braven
Vaterlandsverteidiger in sommerlicher Hitze
hier eingepaukt bekamen, wo rechts oder
inks iſt, wie man die Beine zum richtigen
Paradeſschritt ſchmeißt. Aber auch glängende
Zeiten hat er geſehen, der „Sand“. Da
waren die prächtigen, farbenfrohen Ma-
növer, die hier ihr höchſtes Treiben ent-
salteten, und oft blinkten unzählige „Biwak-
feuerchen“ zum nächtlichen Himmel, die
vers. NH r HR
ſpensterhaft beleuchtend. Wie aber ſstoben
wir oft auseinander und ſuchten auf dem
„Räpler“ Schutz, wenn die Kavallerie in
luſtiger Attacke heranbrauſte. ~ Und noch
ein Tag iſt mir in Erinnerung ~+ als
wagemutige Pioniere der Luft hier eine
Parade abhielten: „Der Fraulauterner
Flugtag.“ Prächtig waren die Leiſtungen
der Bezwinger der Lüfte + trotz aller
Eggpkerigheiken. die ſich ihnen entgegen-
stellten. Steckte das Flugwesen damals
doch noch eigentlich in den Kinderſchuhen. ~
So vergingen die Jahre des Friedens, und
die Jahre des Völkerringens kamen. Dumpf
dröhnten die Sprengungen erbeuteter
Munition und haushoch türmten ſich die
Sandwolken – einen ſchaurig - ſchönen
Anblick gewährend. Aber auch diese Zeiten
vergingen und machten wieder friedlicheren
Platz. Der „Sand“ liegt nun meistens ver-
ödet da –] nur ab und zu tummeln ſich
unsere „Freunde“ von drüben hier, (1919/20
führten die Franzosen ihre farbigen Streiter
hierhin – waghrſcheinlich, um ihnen das
Heimweh nach ihren Wüſten etwas zu
dämpfen) der Bevölkerung ihren willigen
Geist der Abrüstung und Völkerverſöhnung
mit dumpf rollendem Geschützdonner kund-
gebend. Hoffentlich aber ist die Zeit nicht
mehr fern, wo fleißige Hände ſich hier
wieder regen in friedlicher Arbeit, zum
Wohl der Bevölkerung.
133
Saarkalender für das Jahr 1927.
Die franzöſiſchen Truppen im Haargebiet.
Von O tt o Eckl er,
ehemaliger Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“.
Die Herrſchaft der französischen Militärverwaltung im Saargebiet setzte eine Woche
nach d!m von der Truppenübermacht der Alliierten erzwungenen Waffenſtillſtand
(16. November 1918) ein. Die Besetzung unserer Heimat durch die französischen Truppen
erfolgte am 23. November 1918, nachdem die Tage vorher ein ununterbrochenes Zurück-
fluten der deutschen Armee gesehen hatten. Die Erinnerung daran wird unauslöſchbar
bleiben. So niederdrückend diese Tage waren, so erhebende Momente brachten Jie doch!
Die Durchmarſchſtraßen überall ein Flaggenmeer, warmherzige Liebe ſpendete den
marſchermüdeten braven deutschen Truppen das Letzte, was in der damaligen Zeit der
Not aufzutreiben war. Es galt Abschied zu nehmen von den Braven, die unſere
heimischen Fluren vor dem Einfall feindlicher Truppen bis zum letzten Augenblick
geſchützt hatten. Das Saargebiet ging einem dunklen Geſchicke entgegen! Aber offen
bekannte die Saarbevölkerung auch in diesen dunkelſten Tagen des Zuſsammenbruches
deutscher Macht und deutschen Ansehens ihre treudeutſche Gesinnung. Wie auf ein
gegebenes Zeichen verschwand überall der Flaggenſchmuck und mit eiſigem Schweigen
nahm man den Einzug der ,ſiegreichen“ feindlichen Truppen auf. Der ſichtlich kühle
Empfang löste eine üble Laune bei den Militäroberen aus. In den anbefohlenen
Empfängen durch die Gemeindevertretungen fand sie ein Echo in der Herabſetzung der
„deutschen Barbaren“, die all das Kriegselend gewollt und verſchuldet hätten. Daneben
hohle Phrasen von der Großmütigkeit und Gerechtigkeit der „großen Nation“, um Leicht-
empfängliche vielleicht zu locken. Das Saargebiet war in den Augen der französischen
Militärgewaltigen erobertes Land, Mac Mahon’s Spruch; „J’y suis et j’y reste!" sollte nach
ihrem Willen auch hier Geltung erlangen. Die Worte klangen an den Ohren derer, die
gedemütigt werden sollten, ohne Eindruck vorüber.
Die Militärdiktatur begann. Sie übernahm die Befehlsgewalt im Saargebiet. Auf-
hebung der bürgerlichen Rechte war ihr sichtbares Zeichen. Militär- und Kriegsgerichte
errichteten ihre Herrschaft. Die Not und Bedrückung der Bürgerschaft durch die Ein-
E E E oc:
der Saar in höllifche Seelenqualen verſetzte. Die franzöſischen Militärgewaltigen suchten
im Saargebiet dem diplomatiſchen Ränkespiel in Paris um den geplanten Raub des
Saarlandes vorzugreifen durch eine politiſche Bedrückung der Bürgerschaft. Die Aus-
Ef quer qufcsyler betticher H116r cſten tn her vrulsificy Foy. s1: ter. t1
hin und her, um Stimmung für den Anſchluß an Frankreich zu erzwingen. Die
Teuerungsunruhen im Oktober 1919 boten die willkommene Gelegenheit, die erdrückende
Fauſt des Belagerungszustandes an die Kehle des Saarvolkes zu legen, nachdem die
französischen Truppen zunächst untätig dem Anschwellen der Unruhe zugesehen hatten.
In einer wahnsinnigen Schießerei in beleuchtete Fenſter tobten sich ldie französischen
Truppen aus. Von Marokkanern wurde dabei im Hotel Meßmer ein frangösiſcher
Oberft, der ſich dem Fenster genähert hatte, erſchoſsſen. Die französische „Gerechtigkeit“
erheiſchte es, daß die Stadt Saarbrücken dafür eine Buße von 100 000 Franken zu
leiſten hatte. Wahrlich, die französiſche Besetzung nach dem Kriege unter der Zeit des
Waffenſtillſtandes ließ nichts an kriegerischer Schärfe und Unterdrückung einer fried-
lich gesinnten Zivilbevölkerung vermissen. Man fühlte sich eben in einem wenn auch
leider, wie ein franzöſiſcher Oberſt es bedauernd gegenüber Saarbrücker Bürgern aus-
sprach, zwar nicht eroberten, ſo aber doch „besiegten“ Lande. Vae victis!
Inzwischen rollten in Versailles die Würfel um das Zukunftsgeſchick des Saar-
gebietes. Das franzöſiſche Spiel gelang nicht ganz, aber die Lostrennung vom. Reiche
auf 15 Jahre wurde von den diplomatischen Ränkeschmieden Frankreichs ſchließlich doch
ertrozt. Das Saargebiet wurde „Schutzland“ des Völkerbundes, der es in treue Hände
übernehmen ſollte. „Sollte!‘ Immerhin, das Schlimmste wurde noch abgewendet, der
glatte Raub! Zu einem „neutralen“ Gebiet unter Hoheit des Völkerbundes, dessen
Rechte in einem Saar-Statut niedergelegt waren, gestaltete man unsere Heimat. Der
§ 30 dieses Statuts bestimmt einwandfrei:
134
Saarkalender für das Jahr 1927.
„Im Saarbeckengebiet beſteht weder allgemeine Wehrpflicht noch freiwilliger Heeres-
dienſt Es wird wur eine sörtliche Gendarmerie zur Anucfrecht-
erhaltung d er Ordnung errichtet. Der Regierungs-Kommission liegt es ob,
[ @lülen eintretenden Fällen für den Schutz der Person und des Eigentums im Saar-
beckrngebiet zu sorgen.“
Es ist ganz klar, daß auch der Völkerbund nicht daran gedacht hat, das franzöſiſche
Militär im Saargebiet zu belaſſen. In dem vom Völkerbundsvat auf seiner Londoner
Tagung vom 13. Februar 1920 einſtimmig zum Beſchluß, erhobenen Bericht des
griechiſchen Vertreters Caclamanos über die Regierung des Saargebiets iſt nur davon
die Rede, daß bis zur Errichtung der örtlichen Gendarmerie die Regierungs-Kommiſſion
die teilweiſe oder völlige Beibehaltung oder die Rückberufung der Truppen im Falle
eines Bedürfnisses hierzu verlangen könne. Man konnte hier also die Hoffnung haben.
in absehbarer Zeit von dem französſiſchen Militär befreit zu werden. Wie grimmig
sollte dieſe Hoffnung enttäuscht werden! Heute, faſt acht Jahre nach dem Einzug der
französischen Truppen, iſt es noch nicht gelungen, dem § 30 des Saar-Statuts Geltung
zu verschaffen! Immer wieder hat der Völkerbundsrat die Belaſſung der fvangöſiſchen
Truppen im Saargebiet, wenn auch offensichtlich nur widerwillig, geduldet, wenn ſsein
Druck auf die Regierungs-Kommiſssion, die örtliche Gendarmerie zu errichten, im Laufe
der Jahre sich auch mehr und mehr verſtärkt hat.
Am 26. Februar 1920 trat die Regierungs-Kommission mit dem Präſidenten Rault
an der Spitze ihr Amt im Saargebiet an. Einen Monat später, Ende Märg 1920, gab
Präsident Rault den Vertretern der politiſchen Parteien gegenüber die Erklärung ab,
daß die oberſte Militärbehörde im Saargebiet als solche zu existieren aufgehört hätte,
desgleichen die Militärverwaltungen in den Kreisen, die franzöſiſchen Truppen blieben
jedoch im Saargebiet, nicht als Besſatzungstruppen, sondern als Sicherheitstruppe, ſo-
lange die zu gründende saarländische Polizeitruppe von 3000 Mann noch nicht ein-
gerichtet sei. Dem Völkerbundsrat berichtete die Regierungs-Kommission unter dem
25. März 1926, daß sie bis zur Errichtung der örtlichen Gendarmerie die Anwesenheit
von Truppen nicht entbehren könne, weshalb sie die Beibehaltung der französischen
Truppen gemäß der Auslegung der Beſtimmung des s 30 durch das Völkerbundsrat-
mitglied Caclamanos beantragt habe. Diese Truppen seien aber nicht mehr Besatzungs-,
sſordern „Garnisſontruppen“. In dem Verhältnis der französischen Truppen zur Saar-
bevölkerung änderte sich aber zunächst nichts. Trotzdem Rault die notwendige Stärke
der örtlichen Gendarmerie zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf 3000 Mann angegeben
hatte, eine Zahl, die er später auf 4000 erhöhte, wurde die weit größere Zahl der
franzöſiſchen Truppen nicht vermindert. Die Zahl der Wohnungsbeschlagnahmungen für
das französische Militär und für die französische Bergwerksdirektion wurde immer
V E E C KL zr
zu forgen habe. Wie groß die Zahl der französischen „Garniſontruppen“ im Jahre 1920
war, können wir Ddem Budget des französischen Kriegsministeriums für 1921 entnehmen.
Danach belief sich für 1920 der Bestand auf 400 Offiziere und 10 400 Mann, die den
französischen Etat mit 61 047 470 Fr. belasteten. Für 1921 waren vorgesehen 266 Ofsiziere
und 7163 Mann, d ar unt er 3200 Ein ge borene aus Nord- Af rik a. Die
Ausgaben für dieſe „Besatz ungs tr upp e n“, in Paris legte man auf die feine
Bemäntelung der Umwandlung in „Garnisontruppen“ offenbar keinen großen Wert,
werden auf 41 750 000 Fr. veranschlagt.
Aber auch sonst ließ die Regierungs-Kommiſsion das franzöſiſche Militär weiter
schalten und walten wie es wollte. Wir hören von Eingriffen in die Befugnisse der
Kommunalverwaltung. Wiederholt kam es zu Ausschreitungen der Soldaten gegenüber
den Bürgern, ohne daß ein Schutz oder eine Sicherheit hiergegen gegeben gewesen wäre. Die
Polizei war kaum in der Lage, die Bürger gegen Insulte der Militärperſonen zu
schützen, hatte wohl auch wenig Neigung dazu, um nicht in Konflikt mit der Militär-
macht zu geraten. Was jede militärische Besatzung unerträglich für die davon betroffene
Bevölkerung macht, iſt das Gefühl der Schutzloſigkeit gegenüber der Militärherrſchaft,
deren Grenzen aber sehr leicht von den Angehörigen der Besatzung überschritten werden.
Obwohl Herr Rault hatte verſichern laſſen, daß das Militär seiner Autorität untersſtellt
sei, Haben wir hier nie das Empfinden gehabt, daß er diese Autorität zur Geltung ge-
bracht hätte. Zahlreiche öffentlich erhobene Beschwerden blieben unbeachtet. Ja, nicht
einmal die Zusicherung, die Rault im März 1920 dem Völkerbundsrat gegeben hatte,
daß kein Bewohner des Saargebietes in Zukunft vor ein Kriegsgericht gestellt werden
135
Saarkalender für das Jahr 1927.
sollte, hat der Präsident gehalten. So wurde. im April 1920 ein sogialiſtiſcher Redakteur
vom franzöſiſchen Kriegsgericht wegen angeblicher Beleidigung der französischen
Truppen verfolgt mit ausdrücklicher Billigung des Präsidenten Rault. Auf die Beschwerde
beim Völkerbundsrat redete sich Rault damit heraus, daß er die unbedingte Pflicht habe,
darüber zu wachen, daß kein An griff auf das Prestige und die Ehre der
Truppen untern o mm en wer d e. Von den. ſaarländiſchen Gerichten setzte Rault
unbesehen voraus, daß sie den Attentäter „unzweifelhaft und mit Eklat“ freigeſprochen
hätten, wodurch eine neue Beleidigung den zur Aufrechterhaltung der Ordnung im
Saargebiet berufenen franzöſiſchen Truppen zugefügt worden wäre! Ein halbes Jahr
darauf, im Oktober 1920, fällte das „xufgehobene“ franzöſiſche Kriegsgericht hier in
Saarbrücken gegen einen Angeklagten in Contumatium wegen angeblichen Anſchlags
auf die „Sicherheit des französſiſchen Staates“ ein Urteil auf lebenslängliche Deportation
in ein befestigtes Lager! Der militärischen Willkür freien Lauf ließ Rault dann im
Auguſt 1920 gelegentlich des Beamtenſtreikes. Die Marokkaner veranſtalten Menſch-
jagden in den Straßen Saarbrückens und führten ihre Opfer gefesselt ab, ein ſkandalöses
Bild im Schutzgebiete des Völkerbundes! Erinnert sei auch daran, daß Rault den
100tägigen Streik der Saarbergleute dazu benutzte, die nach dem franzöſiſchen Etat für
u8! verzierte 3:51 der „Garnisontruppen“ wieder ſtark zu vermehren, so daß ſsie
wieder auf über tieg.
Die Provokationen und Ausschreitungen dieſer Truppen verſchärften den Wider-
ſpruch gegen die unberechtigte Anwesenheit der französiſchen Truppen im Saargebiet
noch mehr. Eine ganze Reihe weiterer Ausschreitungen, leichtfertiger Schießereien usw.
kamen noch hinzu. In einer Denkſchrift an den Völkerbundsrat sahen sich die politischen
Parteien genötigt, scharfen Einspruch gegen die ſchweren Uebergriffe des französischen
Militärs zu erheben und bie Regierungs - Kommission anzuſchuldigen, daß sie der
Bevölkerung einen Schutz hiergegen völlig verſage. An Opfer dieſer Ausſchreitungen
wurden aufgeführt u. a.: die Ermordung einer Lehrerin durch Marokkaner, nach vorauf-
gegangener Vergewaltigung, die Ermordung eines Arbeiters in Gersweiler, ebenfalls
durch Marokkaner, die Tötung zweier harmloſer Bürger bei den Teuerungsunruhen
und die Verletzung mehrerer Personen, die Ermordung eines Kaufmanns in Saar-
brücken, die Erſchießung eines Handwerkers in Sulzbach durch Soldaten usw. Eine
Kette von Bluttaten seitens französischer Militärpersonen, die der angeblich zum Schutze
der Personen und des Eigentums hier notwendigen französischen Garnison angehören.
Völlig versagt hat die Regierungs-Kommission in der Wahrnehmung der Interessen der
Hinterbliebenen dieser Opfer der militärischen Ausschreitungen. Unter nichtigen Vor-
wänden wurden Entſchädigungen seitens der französiſchen Militärbehörden verweigert.
Man vengleiche damit die ungerechte Buße für die Erſchießung des französiſchen: Obersten
durch. hit ene: Truppen, die der Stadt zwangsweiſe von der Besatzungsmacht
auferlegt wurde.
Unter der Präsidentschaft des Herrn Rault dachte die Regierungs-Kommission gar
nicht daran, durch Errichtung der örtlichen Gendarmerie die Voraussetzung zur Ent-
fernung des französischen Militärs aus dem rgebiet zu schaffen, ihr Ziel ging viel-
mehr ganz offensichtlich dahin, die Truppen hier dauernd zu stationieren, und die Mehr-
heit der Kommission arbeitet auch heute noch diesem Ziele zu. Im Oktober 1920 brachte
Herr Rault ganze 30 Mann der örtlichen Gendarmerie auf die Beine, die, wie er
berichtete, im Zusammenwirken mit der im Saargebiet vorhandenen Garnison aus-
U). ; zfcothr zu Z!er nungen. Berhäzttifen 1 qs; Epe:
der politiſchen Parteien im Saargebiet und einen ausgedehnten Notenwechſel der
deutſchen Regierung war der Völkerbundsvat aber gezwungen, sich fast in jeder seiner
Sitzung mit dieser für das Saargebiet so bedeutſamen Frage zu befassen. Im Februar
1921 protestierte die deutsche Regierung zum erſten Male gegen die dem Versailler
Vertrage widersprechende Anwesenheit der französischen Truppen im Saargebiet. Sie
wies auch darauf hin, daß es mit dem Charakter eines Abſtimmungsgebietes unvereinbar
erscheine, in einem solchen Gebiete Truppen einer an der Abstimmung interessierten
Macht zu belassen, da dadurch die Freiheit der Abſtimmung in Frage gestellt und eine
der wesentlichſten Bestimmungen des Versailler Vertrages verlekt werde. Entsprechend
ſeinem ſchon im Jahre 1920 festgelegten Standpunkt, daß die Verwendung ausländischer
Truppen im Saargebiet nicht als eine dauernde Einrichtung der Verwaltung dieses
Gebietes angeſehen werden könne, sondern daß man auf sie verzichten werde, wenn der
Ausbau der lokalen Gendarmerie es gesſtatte, konnte der Völkerbundsrat an diesen
136
Saarkalender für das Jahr 1927.
Protesten nicht achtlos vorübergehen. Durch Beschlüsse vom 23. April und 7. Juli 1923
forderte der Rat die Regierungs-Kommisſsion auf, ein Programm für den Ausbau der
örtlichen Gendarmerie vorzulegen. Herr Rault beeilte sich aber durchaus nicht, denn
erſt in der Sitzung vom 22. Februar 1924 fühlte er sich bemüßigt, die Fvage im Schoße
der Regierungs-Kommission zur Besprechung gu stellen. Die Geſamtstärke des Land-
jägerkorps belief sich zu dieser Zeit auf 155 Mann. In Aussicht genommen wurde eine
Erhöhung im laufenden Jahre um 200 Mann auf 355, deren Unterhaltung auf rund
3 Millionen Franken veranschlagt wurde. Für die nächsten drei Jahre ſollten je
500 Mann eingeſtellt werden, ſo daß Ende 1926 ein Beſtand von 1855 Mann erreicht sein
würde, den man als ausreichend betrachtete, zur Aufrechterhaltung der Ordnung —
beizutragen. Herr Rault hielt ſich alſo noch immer ein Hintertürchen offen, um
trotz dieser Vermehrung auf die Beibehaltung der geliebten frangöſiſchen Garnison
beſtehen zu können. Aber schon die erſte Erhöhung um 500 Mann wurde bald aus
finanziellen Gründen als unmöglich bezeichnet, der damalige Finanzminister Stephens
schloß ſich dieſen finanziellen Bedenken an, so daß der Völkerbundsrat der Reduzierung
der Neueinstellungen auf 200 Mann zuſtimmte, wobei er aber der Erwartung Ausdruck
gab, daß bei einer Besserung der finanziellen Lage eine größere Verstärkung vor-
genommen werde. Im Jahre 1925 schloß sich der Völkerbund endlich der schon lange
von den politiſchen Parteien vertretenen Auffassung an, daß eine frangzösiſche Garniſon
im Saargebiet nicht erforderlich sei, da man ja im Bedürfnisfalle auf die Truppen der
nahegelegenen frangöſiſchen Garnisonen zurückgreifen könne. Der Regierungs-
Kommission wurde daher die ihr ſicher sehr peinliche Frage vorgelegt, wie ohne
französische Truppen im Saargebiet selbſt aber unter Berücksichtigung der Heranziehung
von nahe an der Grenze weilende Truppen die Sicherheit aufrechterhalten werden
könne? In ihrem Bericht vom 28. Januar 1926 teilte darauf die Regierungs-Kommiſsſsion
dem Völkerbundsrat mit, daß die örtliche Gendarmerie gegenwärtig 1005 Mann ſtark
sei, sie fügte aber hingu, daß aus wirtschaftlichen und finangiellen Gründen eine weitere
Vermehrung nicht mehr erfolgen könne. Diese Zahl sei bei normalen Zeiten aus-
reichend zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, bei außergewöhnlichen Umständen müsse
aber die Möglichkeit der Wiederheranziehung fremder Truppen gegeben sein. Die
Entscheidung hierüber wollte Rault allein der Autorität der Regierungs-Kommiſssion
unterstellt wiſſen. Wie immer, so suchte der Präsident Rault auch in diesem seinen
letzten Bericht den Anschein zu erwecken, als ob ſdas Saargebiet und seine Bevölkerung
besonders gefährlich seien. Hatte er ſchon wiederholt die Saarbevölkerung der Neigung
zu Aufreizungen und Widerſtand geziehen (daß es im Verlaufe seiner gangen Regierungs-
zeit zu irgendwelchen Unruhen gegen die Regierung nicht gekommen ist, führte er
einmal in einem Bericht an den Völkerbund darauf zurück, daß die Regierungs-
Kommission an Ort und Stelle die Mittel ~ das französische Militär ~ zur Verfügung
habe, jeden Versuch einer Ruhestörung zu unterdrücken), so verſuchte er noch in seinem
letzten Bericht den Völkerbundsrat durch den Hinweis auf die gefährlichen Schluchten
und Unterſchlüpfe in den unzugänglichen „Urwäldern“ des Saargebiets graulen zu
zu machen. Man quittierte in Genf diesen kindisch anmutenden Versuch mit einem
vieldeutigen Lächeln! Aber das italieniſche Mitglied des Völkerbundsrats sprang
Frankreich in dem Bemühen, seine saarländische „Garnison“ doch noch zu retten, an die
Seite, indem es den Vorschlag machte, der Regierungs-Kommission eine mit den
„entsprechenden Mitteln“ ausgestattete Eiſenbahn-Kommission zur Verfügung zu stellen,
um unter allen Umſtänden die Fretheit des Transportes auf den Eisenbahnlinien des
Saargebiets zu sichern. Die Regierungs-Kommission wurde daher aufgefordert, sich
hierüber an den Rat gutachtlich zu äußern. Damit war der Völkerbundsrat abermals
einer endgültigen Entscheidung über die Frage der Belassung oder Nichtbelassung der
französischen Truppen im Saargebiet ausgewichen.
Man muß hier festſtellen, daß in dieser Frage eine bedeutſame und vielleicht folgen-
schwere Wendung zu verzeichnen iſt. Selbſt Rault iſt von einem Saulus zu einem
Paulus geworden. Er, der immer eine franzöſische Garnison von mehreren Tausend
Mann zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Saargebiet für unerläßlich bezeichnet
hatte, mußte sich schließlich unter dem Drucke der entgegenstehenden Auffassung einiger
Ratsmitglieder zu dem Eingeständnis bequemen, daß die örtliche Gendarmerie von
1005 Mann unter normalen Verhältnissen ausreiche, die Sicherheit zu verbürgen, und
daß es bei außerordentlichen Anlässen genüge, wenn man die Möglichkeit habe, auf
die in der Nähe der Grenze befindlichen fremden Truppen zurückgugreifen. Damit
war die Gefahr für Frankreich nahegerückt, daß der Völkerbundsrat genötigt sein
werde, sein Votum für die Entfernung der frangösischen Truppen aus dem Saargebiet
137
Saarkalender für das Jahr 1927.
abzugeben. Es war aber wohl etwas verfrüht, in der Preſſe Meldungen zu lesen, daß
nunmehr ein naher Termin für die Entfernung der Truppen als sicher angenommen
werden könne.
Soweit sind wir bis zur Stunde leider noch nicht gelangt. Die Sicherheit war ja
immer nur ein vorgetäuſchtes Spiel! Viel offener war von jeher die französiſche Presſe,
die eigentlichen Gründe für die Belaſſung der franzöſiſchen Truppen im Saargebiet er-
kennen zu lassen. So schrieb das Pariser „Journal“ einmal: „Die ‘Anweſenheit unserer
Truppen (im Saargebiet) iſt das einzige äußere Angeichen unseres Sieges. Das iſt von
einer mächtigen erzieherischen Wirkung für den Boche! Wenn wir unser Militär zurück-
ziehen, so wird das als Auftakt zu unserem endgültigen Weggange im Jahre 1935 aus-
gelegt werden!‘ Und beim Wegzuge eines Jägerbataillons schrieb eine andere fran-
zösſiſche Zeitung bedauernd, „Wir packen unsere Koffer im Saargebiet!“ Wenn nur erst
die Soldaten ihre Torniſter packen würden!
Sind wir schon so weit?
Der von dem italieniſchen Ratsmitgliede geworfene Ball der „Eiſenbahn-Kom-
mission mit den entsprechenden Mitteln“ iſt von Herrn Morize, nach Rault dem Anwalt
der franzöſiſchen Interessen, sehr geschickt aufgefangen worden. In der Beantwortung
der Frage des Völkerbundsrats nach der Sicherung der Eiſenbahntransporte hat sich die
Regierungskommission „gedreiteilt!“ Herr Morige hat mit dem Belgier Lambert und
dem Tschechen Vezensky die Mehrheit leicht auf seine Seite gebracht. Er greift mit
beiden Händen nach der ihm zugespielten „Eiſenbahn-Kommission mit den entsprechen-
den Mitteln“. Als solche verlangt er die beiden hier noch in „Garnison“ liegenden fran-
zöſiſchen Bataillone, die der Kommission als Schutztruppe dienen und damit hier dauernd
im Saargebiet stationiert werden sollen! Der Präſident Stephens hält zum Schkecken
Frankreichs die weitere Anwesenheit der frangöſiſchen Truppen im Saargebiet für nicht
erwünſcht, weil zum Versailler Vertrag im Widerspruch stehend. Die Eirenbahn-Kom-
mission, die über die Sicherheit der Eiſenbahntransporte zu wachen hat, hält er für
notwendig, erforderlichen Falls soll sie auf Truppen an der nahen Grenze (franzöſiſche)
zurückgreifen können. Das ſùaarländische Mitglied der Regierungskommission, Herr
Koßmann, geht in dieser Frage noch einen Schritt weiter. Er lehnt eine militärische
Eiſenbahn-Kommission entschieden ab, will dafür im Saargebiet eine Spezialkommission
gebildet ſehen, der, als einzige Konzession, erforderlichen Falls ein militäriſcher Sach-
verſtändiger von seiten der Alliierten beigegeben werden könnte. Jede Einmischung
von fremden Truppen lehnt er ab, die Sicherheit soll vielmehr durch eine zu bildende
techniſche Nothilfe gewährleiſtet werden. Soweit die drei ziemlich weit nuseinander-
gehenden Gutachten der geteilten Gruppen der Regierungskommifssion, die dem Rate
des Völkerbundes unterbreitet worden sind.
Der vernünftigste Vorſchlag geht natürlich von der Seite aus, um deren Interessen
es geht, die aber nach der demokratiſchen Maxime des Völkerbundes am wenigsten
zu sagen hat. Das ſind die Vertreter der Bevölkerung, die politischen Parteien. Sie
haben eine Eingabe an den Völkerbundsrat gerichtet, in der sie den ,„gordischen Eisen-
bahnſicherheitsknoten“ \einfach durchhauen. Sie bestreiten nach dem Versailler Vertrage
ein Durchmarschrecht fremder Truppen durch ein Schutzgebiet des Völkerbundes und
verweisen darauf. daß genügend Eiſenbahnlinien um das Saargebiet herumlaufen, um
die Verbindung der Truppen des besetzten Rhein- und Pfalzgebietes mit ihren rück-
wärtigen Stützpunkten aufrecht zu erhalten. ;
Auf seiner diesjährigen September-Tagung wird sich der Völkerbundsrat für die :
eine oder andere Löſung zu entscheiden haben. Wie sein Beschluß ausfallen wird, iſt
noch durchaus ungewiß. Nach demotratischen Grundsätzen? Dann könnte er leicht zu
der Konstruktion kommen, daß er sich dem Mehrheitsgutbachten der Regierungskommission
anschließen müßte! In Paris würde er damit ſicherlich keine Mißſtimmung auslösen.
Er würde dann freilich seiner eigenen Feststellung, daß die franzöſiſche Besatzung keine
dauernde Einrichtung im Saargebiet werden ſolle, Hohn sprechen. Will er aber den
Versailler Vertrag nicht länger verletzen laſſen, dann muß er endlich das ersehnte Wort
sprechen, daß die frangöſiſchen Truppen nunmehr unser Gebiet zu verlassen haben. Er
wird dabei große Neigung haben, dieſes für Frankreich unangenehme Urteil möglichſt
zu mildern, indem er wenigstens die Möglichkeit der Heranziehung der frangösiſchen
Truppen der Regierungskommission offen hält. Die geringsten Aussichten hat wohl der
vernünftigſte Vorschlag der politischen Parteien.
So stehen die Dinge zur Stunde. Die Gefahr ist durchaus noch nicht beseitigt, daß
die „französische Garnison“ abermals eine Umtaufe erfährt und als „Eisenbahn'chutz-
138
Saarkalender für das Jahr 1927.
truppe“ dauernd im Saargebiet stationiert wird in den Garniſonen Saarbrücken, Neun-
kirchen und Homburg. Wir wollen die Hoffnung aber noch nicht aufgeben, daß der
Völkerbundsvat auf seiner diesjährigen Herbsttagung doch den Entschluß faßt, dem
Rechtsbruch in dem Verbleiben der frangösiſchen Truppen im Saargebiet ein nahes Ziel
zu setzen. Aber auf eine andere Gefahr, wenn es dazu nicht kommen sollte, möge hier
hingewiesen sein. Als Hauptaufgabe der ,frangösischen Garniſon“ hat Präſident Rault
ftändig den Schutz der Saargruben bezeichnet, die in das Eigentum des französischen
Staates übergegangen seien. Diesen Schutz hat sich Frankreich eine Anzahl Millionen
kosten laſſen. Aber auch nach Ansicht des Herrn Rault iſt nunmehr dieſer Schutz in
normalen Zeiten durch die örtliche Gendarmerie gewährleistet. Die beiden Bataillone,
die Herr Morize hier dauernd gehalten wissen will, diewen angeblich einem ganz anderen
Zwecke, nämlich dem des internationalen Bahnſchutzes! Wird Frankreich in seinen
immer brenglicher werdenden finanziellen Nöten nicht auf den Gedanken verfallen, die
noch in die Millionen laufenden Unterhaltungskosſten für die zu einem internationalen
Zweck in das Saargebiet detachierten Truppen von sich abzuwälzen? Man muß also
schon ein Augenmerk rechtzeitig darauf richten, daß die für einen weiteren Ausbau der
örtlichen Gendarmerie aus wirtschaftlichen und finangiellen Gründen nicht mehr auf-
zutreibenden Mittel nicht etwa auf dem Wege über die ,frangöſische Eiſenbahnſchutz-
truppe“ dem ausgepomwerten Saargelbiet zur Last fallen.
Das Kopitel der frangösiſschen Truppen im Saargebiet wird aber auf alle Fälle ein
ketht iuterefſantes k dem Gebiete der Respektierung des Versailler Vertrages durch
eine Schöpfer bleiben!
Der erſte Tote im Krieg 1870/71.
Die „Saarbrücker Zeitung“ vom 29. Juli 1870 schreibt:
Saarbrücken, 28. Juli, nachmittags 3 Uhr. Während unter heftigem Donnerrollen
und Regen ein schweres Gewitter heranzieht, hört man plötzlich das Dröhnen von
Kancnendonner, und die von der Anhöhe des Ererzierplatzes herbeieilenden Ziviliſten
verkünden nur zu deutlich, daß sich das Ohr nicht getäuscht hat. Die Franzosen hatten
vom Spicherer Berg herüber den Ererzierplatz, woselbst sich auch heute wieder eine große
Anzahl Müßiggänger und Neugieriger befand, beſonders viele Bergleute in ihrem
Knappenanzuge, mit, wie man sagt, acht Granatschüsſsſen begrüßt und ihn damit aufs
gründlichſte von allen gefegt, die nicht unmittelbar auf den Kriegsschauplatz gehören.
Die Sprenggeschoſſe, von denen man vier fand, haben weiter keinen Schaden angerichtet,
als an dem Wirtschaftsgebäude auf der ſüdlichen Seite des Exerzierplatzes, der „Schönen
Aussicht“, das Dach und einen Fensterflügel mehr oder weniger beschädigt. Unsere Stadt
befand sich in großer Aufregung, indem einzelne Granatsſplitter in die Stadt schlugen
und in der Nähe des Hauptzollamts und des Lazaretts aufgefunden wurden. Gegen
7 Uhr abends gerieten unsere Vorpoſten wieder mit dem Feinde ins Geplänkel, wobei
ein Mann vom %". Ulanenregiment tödtlich getroffen ward.
Die „Saarbrücker Zeitung“ vom Freitag, 29. Juli: „Heute nachmittag wird unserer-
seits der erste Gefallene im deutsch-französiſschen Kriege beerdigt, ein Ulan der 4. Eskadron
7. Regiments, Klaiber, der geſtern Abend auf Patrouille turch einen Schuß in den Kopf
getötet wurde. Derselbe, im Fürstentum Hohenzollern geboren, war erſt vor sechs Monaten
in das Regiment eingetreten und kam zum ersten Male, und zwar auf seinen beſonderen
Wunſch, vor den Feind.“
139
Saarkalender für das Jahr 1927.
Dns BHaarheimatmuſeum.
Von Dr. Kloevekorn-Saarbrücken.
Aufnahmen M. Wentz, Saarbrücken.
Das Land an der mittleren Saar hat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den
Höhepunkt seiner bisherigen kulturellen Entwicklung erreicht. War das 17. Jahrhundert
mit seinem 30jährigen Kriege und den Reunionen Ludwigs KRIV. für die Grafſchaft
Nassau-Saarbrücken eine Zeit materieller und geiſtiger Depression gewesen, ſo brachte
Für ſt Wilh elm Heinr ich (173591768) das Land an der mittleren Saar zu einer
erfreulichen kulturellen Höhe. Mit seinem regen Interesse für die wirtschaftliche Ent-
wicklung seines Landes verband sich ein feiner Sinn für Kunst und Kultur, und be-
sonders die Residenzstadt spürte die Segnungen dieser günſtigen Entwicklung. Sein
genialer Baumeiſter Fr. Joachim Stengel machte aus Saarbrücken eine
interesante Barockſbadt, die uns in trefflicher [Weiſe der bekannte Freiherr
Maler Dryander (1756-1812)
v. Knigge in seinen Reiſebüchern geſchildert hat. Als Hofmaler wirkte in Saarbrücken
Dryander und im fürſtlichen Theater gaſtierte der große Schauspieler I f f la n d, der
*sür seine Verdienste sogar zum Ehrenbürger von Saarbrücken ernannt wurde. Das
große Reſidengschloß in Altſa@arbrücken, die fürstlichen Schlösser auf dem Halberg und
auf dem Ludwigsberg, die herrliche Ludwigskirche mit den sie umgebenden palaſtähn-
'ichen Gebäuden gaben der Stadt eine vornehme Eleganz, und auch die Bürger der
Stadt mochten nicht ganz zurückbleiben, ſondern bauten ſich stattliche Häuser, zu denen
der Hofbaudirektor Stengel ihnen vielfach die Pläne machte.
_ In diese Heiterkeit und Schönheit griff mit rauher Hand die fvanzöſische Revolution
ein. Die franzöſiſchen Revolutionsfoldaten kamen in das Land und zerſtörten in ihrem
p
140
Saarkalender für-. das Jahr 1927.
fanatischen Republikanismus alles, was an fürstliche Zeiten erinnerte. Die fürstliche
Familie in Saarbrücken mußte ebenso flüchten wie die Gräfin Marianne von der Leyen
in Blieskaſtel, alle schönen Schlösser im Saarlande wurden geplündert, ausgeraubt, ver-
brannt. Die Barock- und Rokokogeit war vorbei wie ein schöner Traum. Von all den
Werten, die im 18. Jahrhundert geschaffen worden waren, blieb fast nichts übrig. Wenn
auch im 19. Jahrhundert das Saarland unter der Führung Preußens eine wirtſchaftliche
Blütezeit erlebt hat, in kultureller Hinsicht hat die’es Jahrhundert sehr wenig geleistet.
Wer mit wachen Augen durch. die Stadt geht, der ſieht mit Schaudern die architektoniſchen
Geschmacklosigkeiten der vergangenen Jahrzehnte.
Als dann im erſten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts durch Zuſammenlegung der drei
getrennten Teile Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach die neue Großſtadt
entstand, da fanden es Kunstfreunde doch an der Zeit, nun auch in künſtleriſcher Hin-
ſichi etwas für die Hebung der Stadt zu tun, und so beschlossen sie die Gründung eines
Muſeums. Man kaufte alle möglichen Gegenstände auf: Möbel, Erinnerungsgegenstände
an die Zünfte, Schnitzarbeiten, Krippen uſw. Dazu erwarb man eine Vogelſammlung,
eine Steinsammlung, eine Sammlung künſtlich hergeſtellter Pilze, und. außerdem hatte
die Induſtrie des Saarlandes allerlei Ofenplatten und Modelle geschenkt. Das alles
wurde in einigen Räumen zuſammengeſtellt und dem Publikum gegeigt. Der Krieg hat
die Türen dieſes Museums geſchloſſen, und eine Auferstehung in dieſer Form war ihnen
glücklicherweise nicht gegönnt.
Als im Jahre 192t Bürgermeister Dr. N e ik e s die Leitung der Stadt übernahm,
griff er den Gedanken, ein neues Museum zu gründen, auf. Aber welche Form dieſes
neu: Gebilde haben sollte, darüber beſtand zunächſt wenig Klarheit. Die Stadt kaufte
in den folgenden Jahren aus Sonderausſtellungen, die in Saarbrücken von ſaarländi-
schen, Münchener und Düsseldorfer Künſtlern stattfanden, Eingelstücke, die eine Grund-
lage werden jollten für eine ſtädtiſche Gemäldegalerie. Freilich leuchtete es bald der
Stadtverwaltung ein, daß man bei der überaus schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht
daran denken konnte, ein Kunstmuseum mit internationalen Spitzenleiſtungen zu
ſchaffen. Und so kongentrierte man in den nächſten Jahren die Gedanken und Pläne
ouf die Pflege lder heimischen bodenständigen Kultur und Kunst, und darxus wurde
nach langen und reiflichen Ueberlegungen der richtige Entſchluß geboren, in Saarbrücken
ein Heimatmuseum zu schaffen, das ein möglichſt umfassendes Bild von der bürgerlichen
und bäuerlichen Kultur in der Saargegend und in den Grenggebieten des Saarlandes
geben sollte. Ebensowenig wie das Saargebiet politisch ein einheitliches, berechtigtes
Gebilde ist, ebensowenig stellt es kulturell eine Einheit dar. Einflüsse von der Pfalz,
von Hunsrück, von Lothringen gehen herüber und hinüber, und es iſt oft sehr schwer
zu entscheiden, welcher Teil jeweils der gebende und welcher Teil der empfangende war.
Kultureinflüsse machen nicht halt vor den politiſchen Grenzen.
Im Frühjahr 1925 übertrug Bürgermeiſter Dr. Neikes die Leitung der Vorarbeiten
für ein solches Heimatmuseum dem Saarbrücker Maler Her man n K eu t h. Daß Herr
Keuth der richtige Mann dafür war, hat er in der kurzen Zeit bewiesen. Er kennt
Land und Volk im Aufbau, in der Vergangenheit, in der Sprache, in der Kunst, in ler
Wirtschaft, und sein künſstleriſch geschulter Blick hat ihn ungeahnte Funde machen lassen.
Es iſt ganz erſtaunlich, was in der kurzen Zeit von wenig Monaten alles ans Tageslicht
gekommen ist aus allen Teilen des Saarlandes, aus Saarbrücken, aus der Gegend von
Merzig, aus dem Köllerbal, aus der Umgebung von Tholey und aus dem pfälziſchen
î Teile des Saargebiets, dem Blieswestrich. Und wie geschmackvoll iſt das alles heute
in den zur Verſügung ſtehenden Räumen geordnet! Faſt jeder Tag bringt neue Er-
werbungen, es steht eben doch noch viel altes Kulturgut in der Saargegend, das nun
sachkundig gesammelt und geordnet wird. Aus dem, was heute schon zusammengetragen
iſt, bekommen wir eine Vorstellung, was unsere Vorfahren in der Saargegend geschaffen,
wie sie gelebt und welche künſtleriſchen Anschauungen sie zum Ausdruck brachten. Wie
schade, daß an Erinnerungssſtücken der Naſssſau-Saarbrückiſchen Grafen und Fürsten faſt
nichts mehr finden iſt, da die frangösiſche Revolution hier leider allzu gute Ver-
ni M 7§ geleistet hat.
Besonders die wertvollen Möbelstücke aus den vergangenen drei Jahrhunderten
laſſen uns in die Gediegenheit der früher im Saarland lebenden Menſchen hineinſsehen.
Schöne, reichverzierte Truhen und schwere, eichene Schränke mit herrlichen Schnitzereien
und koſtbaren Beſchlägen ſind zuſammen mit Tischen und dazu paſſsenden Stühlen in
behaglichen Zimmern wohnlich zuſammengestellt. Ein anderer Raum führt uns in die
Küche eines ſsaarländiſchen Bauernhauses in früherer Zeit. Aus der Fülle der aus-
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Saarkalender für das Jahr 1927.
143
Saarkalender für das Jahr 1927.
gestellten Gegenstände hebt sich besonders wirkungsvoll der Saal der Plaſtiken heraus.
Darin fallen zunächſt die beiden großen Hochgräber auf, die Gipsabgtüſſe darſbellen von
den beiden gotischen Grabdenkmälern in der Stiftskirche zu St. Arnual, von dem Grabe
Johanns I]]. von Nassau-Saarbrücken und seiner beiden Gemahlinnen und von dem
gotischen Grabmal der Gräfin Eliſabeth von Lothringen, die man wegen ihrer Ueber-
ſetzungen französischer Romane in die deutsche Sprache als die. erste deutſche Roman-
ſchriftsſtellerin bezeichnet hat. Die übrigen Plaſtiken in dem Raunm, die faſt ausnahmslos
religiöse Motive behandeln, geben recht wertvolle Aufschlüsse über die künſtleriſche Ent-
wicklung von der gotischen Zeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in der Saar-
gegend. Auch die bäuerliche Kunſt iſt durch einige wertvolle Stücke vertreten. Nur iſt
gerade bei diesen Stücken die zeitliche Beſtimmung ihrer Entſtehung recht ſchwierig,
wie z. B. bei der „Pieta aus Diefflen“ bei Dillingen, die vielleicht um 1400 anzusetzen ist.
Mit besonderer Liebe hat der rührige Leiter des Museums die künſtleriſchen Erzeug-
niſſe unserer einheimischen keramischen Industrie. gesammelt, die bekanntlich aus Loth-
ringen in das Saargebiet vordrang. Saarbrückens bedeutendſter Fürſt Wilhelm Heinrich
hat, wie so viele andere deutſche Fürſten, ebenfalls eine Porzellanfabrik in Ottweiler
aufgemacht. Die Erzeugnisse dieser Fabrik sind heute äußerſt ſelten. Doch iſt es Herrn
Keuth gelungen, mehrere Ottweiler Stücke für das Muſeum zu erwerben. Von den
früher vorhandenen Porgzellanfabriken in Saarbrücken und Gersweiler, ſowie von den
Steingutfabriken von Villeron & Boch ſind die typiſchen Ergeugniſsse dem Museum ein-
gegliedert. Wieder andere Räume ſind mit einer Sammlung saarländischer Ofenplatten
mit religiöſen oder allegoriſchen Darſtellungen ausgefüllt. Sie. ſtammen von den heute
zum Teil nicht mehr vorhandenen Eisenhütten Geislautern, Nunkirchen, Neunkirchen,
Fiſchbach, St. Ingbert, Dillingen und Brebach, und die meiſt eingezeichneten Jahreszahlen
weiſen dieſe Ofenplatten in das 17. und 18. Jahrhundert.
Ein besonders glücklicher Gedanke war es, die Eröffnung des Muſeums zu ver-
binden mit einer Sonderausſtelung von Arbeiten des Saarbrücker Malers
Dry ander, der als Hofmaler des letzten Fürſten von Saarbrücken eine umfangreiche
künſtleriſche Tätigkeit entfaltet Hat. Die Nachkommen des Malers, die heute in Saar-
brücken leben, hatten leihweise das ganze noch vorhandene Werk des viel zu wenig be-
kannten Malers dem Mu"eum zur Verfügung geſtellt. Es sind Oelgemälde, Paſtellbilder,
Zeichnungen, Silhouetten uſw., die für die Geschichte der Stadt Saarbrücken von aller-
größtem Werte sind. Man sieht aus all den Arbeiten, daß die französiſche Revolution
seiner künstlerischen Entwicklung eine ganz neue Wendung gegeben hat. Während er
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch ganz in der Welt des Rokoko lebt und
malt, geht er nach der Revolutionszeit ~ er iſt 1812 geſtorben – gu einer viel größeren
Sachlichkeit über. Leider ſind Heute nur wenige von ihm gemalte Bilder bekannt. Die
vielen Bleiſtiftſkizzen von Persönlichkeiten aus Saarbrücken, sowie von französischen
Offizieren wiesen darauf hin, daß er als Porträtmaler recht beliebt und bekannt gewesen
sein muß. Es wird Sache der Stadt Saarbrücken, die ja dank der Mittel, die die Stadt-
verordnetenverſammlung bewilligt hat, das ganze Muſeum aufgebaut hat, diese Werke
des Saarbrücker Malers als Eigentum zu erwerben.
Blicken wir auf das ganze Museum, so können wir mit großer Befriedigung feſt-
stellen, daß hier wirklich aufbauende Kulturarbeit geleiſtet worden iſt und weiter ge-
Teiſtet wird. Es sind ausgezeichnete, vielverſprechende Anfänge, die jetzt schon zeigen,
daß hier eine bodenständige. rein deutsche Kultur lebte. Das neue Mwreum wird mit
dezz beitragen. in den Saarländern die Liebe zu ihrer Heimat und ihrer heimischen
ultur zu vertiefen.
Amerikn über Frankreich.
Der ſstürzende Franc blickt erſtaunt auf die ſtabili- Frankreich könnte ſchon tiefer in ſeine Taſche
sierte Mark und fragt ſich, wer nun überhaupt den greifen, wenn es nicht einen Säbel in der Hand hätte.
Urieg gewonnen hat. „Philadelphia Record“: „Weſt Palm Beach Paoſt“.
% %
Die franzöfiſche Sprache ſcheint die ſc<werſte zu Während des Krieges hat uns Frankreich immer
ſein, um ſich darin über Schuldenrückzahlung unter- geſagt, daß wir ewig in ſeiner Schuld ſtänden, und
halten zu können. nun regen wir uns darüber auf, daß es ſein Wort
„WVinſton Salem Journal“. hält. „New York Sunday American“.
„Die große, ſtarke Reichsmark begrüßt heute den
jämmerlich zerſchundenen Franken mit den Worten:
„Na, Kleiner, auch bald Billionär?“
„New Yorker Staatszeitung“.
144
Saarkalender für das Jahr 1927.
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Blick auf Güdingen. Phot. m. Wentz,
Saarbrücken.
Kapelle in | Phot. M. Wentz,
Auersmacher. | Saarbrücken.
Saarkalender 1927. 10
Saarkalender für das Jahr 1927.
Eine Wolfsjagd im Köllertal.
Eine wahre Begebenheit a. d. Jahre 1879.
Von Fritz Petzinger sen. in Heusweiler.
Anfangs Winter 1879 entstanden in Heus-
weiler plötzlich Gerüchte, ein großer Wolf
treibe ſich in der Nähe der Dörfer herum!
Er wurde auch ſchon mehrmals von glaub-
würdigen Perſonen geſehen, was Ver-
anlassung gab, daß auch die Tageszeitungen
hierüber berichteten.
Was Wunder, wenn die Jagdpächter hier-
von Notiz nahmen.
Aus Anlaß der Gerüchte beschlossen diese
Herren, u. a. H. Zimmermann, Louis Eich-
acker, Heinrich Pflug, sämtlich aus Saar-
brücken, sowie der damalige Arzt Dr. Cor-
celius von hier und mein Vater, eine
Treibjagd auf den Wolf abzuhalten.
Am Tage vor dieſer geplanten Jagd ge-
lang es jedoch einem vor kurzer Zeit aus
Rußland zurückgekehrten jungen Manne
namens Karl Jungmann von dier, den
Isegrim mit einem wohlgezielten Kugel-
schuß zu erlegen.
War es doch kein Wunder, daß es dieſem
vortrefflichen Schützen gelang, uns von
dieser gefährlichen Bestie zu befreien, zumal
er in Rußland öfter Gelegenheit hatte, die
Iagd auf Bären und Wölfe ausüben zu
können. Er hat es in hervorragender Weise
versſtanden, in waidgerechtem Jägerlatein
uns seine Jagdergebniſſe und Abenteuer
vorzutragen.
Als weitsichtiger Wirt und Inhaber der
Wirtschaft „Zum grünen Baum“ bat ich
nun Herrn Jungmann, mir den erlegten
Wolf in mein Lokal zu bringen, was dieser
auch ausführte. Neugierige kamen ſchon an
demselben Abend in Massen angeſtrömt, um
das hier sehr selten gewordene. Raubtier in
Augenschein zu nehmen. Die Neugierde
wurde stark mit dem üblichen Naß begossen.
Am anderen Tage wurde die anberaumte
Treibjagd abgehalten. Es war gute Aus-
ſicht auf eine ergiebige Jagd, zumal in der
Nacht ein Spürſchnee gefallen war, der den
Vorteil hatte, daß man bei der „Neue“
(~ friſchgefallener Schnee) den Wolf wo-
möglich einkreiſen konnte.
Den an der Treibjagd beteiligten Jägern
war es noch nicht bekannt, daß der Wolf
inzwischen am Vorabend des Jagdtages von
Herrn Jungmann erlegt worden war.
Nach Schluß der ergebnislos verlaufenen
Jagd erfuhren die Jäger, daß der Wolf zur
Strecke gebracht worden sei. Diese Nach-
richt hatte bei den anwesenden Nimroden
eine unliebſame Ueberraſchung und großen
Unwillen hervorgerufen; sie forderten den
Schützen auf, ihnen die seltene Jagdbeute
auszuliefern. Ich mußte der Jagdgeſsellſchaft
die Trophäe vorlegen und alle bewunderten
das ſchöne Exemplar.
Dr. Corcelius lief ſchnell in seine nahe-
gelegene Wohnung, um „Brehms Tierleben“
(Zoologie) zu holen und stellte an Hand
dieses Buches Vermessungen an Fang
(|–2 Schnauze), Gehöre (2 Ohren) und
Rute (12 Schwanz) des Wolfes an. Die
Nimrode waren geteilter Meinung; die
Mehrheit entschied sich für den Ardennen-
wolf, welcher uns von Zeit zu Zeit, jedoch
immer seltener, seinen Beſuch abſtattete.
Die Jagdpächter wollten nun den Wolf
mit nach Saarbrücken nehmen, um die von
der Königlichen Regierung ausgesetzte hohe
Schußprämie beim Landrat einzuſtreichen.
Dem widersetzte ſich jedoch der Schütze
Jungmann unter Protest, indem er bündig
erklärte: „Der Wolf bleibt hier, ich habe
ihn erlegt und mache daher berechtigten
Anſpruch auf die ausgesetzte Schußprämie.n.
Nach langem Hin und Her fuhren die
Saarbrücker Jäger ohne den Wolf ab, der
einstweilen in meiner Obhut verblieb.
Tags darauf entfaltete ſich eine wahre
Völkerwanderung zu meinem Lokale, den
Wolf zu beäugen.
Bier und Wein floß in Strömen.
Ein mir befreundeter Kollege, der Wirt
P. Schröder, kam und bat mich, ihm Meiſter
Isegrim auch für einen Tag zur Schau in
seinem Lokal zu überlassen, was ich natür-
lich aus Selbsterhaltungstrieb trotz unserer
guten freund-nachbarlichen Beziehungen
verweigern zu müssen glaubte. Jetzt kam
das Verhängnis. Am dritten Tage, nachdem
ich dem Wolf wegen Verbreitung von nicht
wohlparfümierten Gerüchen einen Platz
in der Scheune anweiſen mußte, kam am
Abend, auch von Neugierde getrieben, der
Ackerer Matthias Bauer aus dem nahen
Kirſchhof und fragte mich, ob er den er-
legten Wolf auch einmal schauen könnte,
was ich ihm ſelbſtredend auch gestattete.
Mit einer großen Stallaterne bewoffnet,
betraten wir beide die Scheune.
146
]
Saarkalender für das Jahr 1927.
Beim Anblick des Wolfes knurrte Mat-
thias Bauer etwas in ſsſeinen ſtruppigen
Bart, was mir aber bis heute noch un-
verständlich geblieben iſt. Er besah sich das
Tier von hinten und vorne, hob dabei einen
der hinteren Läufe des Wolfes hoch und
zeigte mir etwas, was mich in höchſtes
Staunen versetzte. Unter einem gewaltigen
Fluchen und Schimpfen Bauers begaben
wir uns ins Wirtslokal zurück, wo gerade
der ruſſiſche Bären- und Wolfsſchütze an-
gekommen war, um ſſeine seltene Jagd-
trophäe abzuholen.
Matthias Bauer frug, nachdem ich ihn
mit dem glücklichen Schützen bekannt ge-
macht hatte, diesen: „Haben Sie den Wolf
geſchoſſen?“, jedoch in einer derartig
wütenden Tonart, daß die Gläſer klirrten.
Jungmann entgegnete in bemwußtem
Schützenſtolze seinem Gegenüber: „Jawohl,
den Wolf habe ich geſchoſſen!“ Bauer:
„Haben Sie auch ſchon einmal einen
kastrierten Wolf gesehen?“ Jungmann mit
weitaufgeriſſenen Lichtern: „Wieso?“
Bauer: „Dat wor jo mei’ kaſchtrierter
Schäferhund!“ Jungmann, sehr verdutt,
erwiderte: „Tut mir sehr leid! Hätte doch
das dumme Vieh von Hund ſsein Bein hoch-
gehoben, so hätte ich doch mit meinen
ſcharfen Schützenaugen dieses gesehen und
der Wolf. nee der Hund wäre heute noch
am Leben!“ –
Nur durch mein energiſches Dazwiſchen-
treten konnte ich es verhüten, daß Schäfer-
hundbeſitzer und Weolfshundschütze nicht
zähnefletſchend aneinandergeraten ſsind.
Oaſchdere.
Dun Schreinermeiſchder C. S < u m a n n, Saarbrücken.
Iuchhe! – Was geht durch die Nadur
Heid for e luſchdig Klinge?
Was laßt zum Danz in Wald und Flur
Der Lenz die Knoſchbe ſchbringe?
Dort ſchlaht dr Star de Takt im Frack,
Am Schlagzeig huckt die Herreſchak,
Die Koob streicht Baß, der Fink ſpielt Gei,
Die Amſchel blooſt die Fleet debei.
Un was noch ſunſcht ſo rumſtolziert,
Das ſingt un ſpringt un jubiliert
Im Lichterglanz der Keſchde.
Kurzum: in Ried im aMuellemoos
Gebt Jeder froh un koſchdelos
Sein Ooſchderlied zum Beſchde!
Die Birk hat ſich zum Feſcht geſchmickht
Met lichte griene Spitze.
Das Veilche, fein met Blau beftickt,
Bleibt ſtil am Hang noch ſitze.
Der Schliſſelblumm im Goldgeſchmeid,
Der Tulp im Beet werds Herz ſo weit,
Das Gras, es ſchießt, die Buch ſchlaht aus,
Die Schneck geroht faſcht aus 'm Haus,
Ia, ſelbſcht der Glocheblumme Klang
Miſcht leis ſich in dä Feſchdgeſang
Zu rechter Ooſchderfeier.
Un weil die Frääd aa ihn umwerbt,
Leht, wie die Au ſo buntgefärbt,
Der Goſchderhas ſein Eier!
Oh Menſch, wie is die Welt ſo ſcheen
Im eerſchde Lenzesklinge! j
Du kannſcht der Luſcht nit widderſtehn,
Muſcht hippe met un ſinge!
Sogar im greeſchde Herzelääd
Werd dir die Bruſcht ſo leicht un bräät,
Das Au ſo kloor, das Herz ſo waarm;
E ganzi Welt leiht dir im Aarm.,
Du frooſcht nit lang, du wääſcht, du muſcht,
Du ſingſchts enaus in Iuwelluſcht
Durch Wald un Feld un Wiese:
Oh Friehjohrſchklang am Goſchderdag,
Du erſchdi Bliet in Buſch un Hag,
Kumm her un laß dich grieße!
147
Alter Winkel
Phot. m. Wentz,
in Saarbrücken. Saarbrücken.
Zwei Briefe über Baarbriüicken aus dem Fahre 1814 *).
Mitgeteilt von Profesſſor Dr. h. c. Ru p p e r s b e r g.
Obgleich der Generalgouverneur Juſtus v. Gruner im Anfang des Jahres 1814 ver-
sprochen hatte, daß nach dem Willen der verbündeten Monarchen alle Deutschen wieder
mit Deutschland vereinigt werden sollten, wurden durch den Pariser Frieden vom
30. Mai 1814, der Frankreich die Grenzen vom 1. Januar 1792 beließ, die Kantone Saar-
brücken und St. Arnual und ein Teil des Kantons Lebach den Franzosen überlassen,
obwohl diese Gebiete am 1. Januar 1792 deutsch waren. Die Bestürzung und Empörung
über dieſe unerwartete Wendung waren in den Städten Saarbrücken und St. Johann
allgemein. Die Bürger hielten erregte Versammlungen ab und beſchloſſen, eine Ab-
ordnung an den Generalgouverneur Gruner zu senden. Doch dieser konnte ihnen wohl
Teilnahnne entgegenbringen, aber keine Abhilfe in Aussicht stellen.
Zu bemerken bleibt hier noch, daß Juſtus v. Gruner am 2. Februar 1814 nachstehen-
den Aufruf erlassen hatte: „Bewohner dieser deutſchen, lange unterjochten Länder! Ein
Deutscher komme ich zu Euch den Feuer vermißten, Feuer wieder erkämpften Brüdern ...
Bringt willig die Opfer des Augenblicks zur Befeſtigung einer ehrenvollen, glücklichen
Zukunft . .. Gedenket des großen Reichsverbands und der gemeinsamen Sprache, die
Euch auf ewig mit uns verbindet. Beweiset Euch würdig, Deutsche zu sein, und Ihr
werdet es bleiben... Laßt uns voll Mut und Eintracht gemeinschaftlich das hohe Ziel
der Wiederherſtellung Deutschlands und der Freiheit Europas zu erreichen streben.“
ES. üg der beiden hier mitgeteilten Briefe befinden sich in dem Geheimen Staats-
archiv in Berlin. ;
148
Saarkalender für das Jahr 1927.
[Am 7. Juni 1814 schrieb der Oberbürgermeister Lauckhardt von Saarbrücken an
Gruner, Generalgouverneur ldes Mittelrheins, folgenden Brief:
„Die ſchreckliche Lage, worin ſich die hieſige Stadt durch den Pariſer Friedens-
ſchluß befindet, muß in dem Herzen jedes Deutschen Trauer und Mitleid erregen.
Gebeugt unter das Joch einer fremden Nation, bleibt dieſe Stadt allein, ab-
geriſſen vom Vaterlande, ohne Hoffnung für die Zukunft, ohne Troſft.
Ew. Excellenz allein schreibt man dieſes unglückliche Ereignis zu. Saarbrücken
traute dem großen Worte: „Wer deutſch ſpricht, ſoll deutſch bleiben“ und während
es die Mittel in der Hand hatte, ſich zu retten, machte es keine Vorkehrungen gegen
die Franzöſiſchen Ränke. Da liegt es nun niedergebeugt, verwüſtet und hoffnungs-
los, das blühende Städtchen, in tiefster Trauer – von den Deutſchen der fran-
zöſiſchen Schlauheit geopfert.
Möchten die Thränen der Unglücklichen ſiedend auf das Herz der Monarchen
fallen, die uns geopfert haben, während sie uns schützen sollten, uns schützen konnten.
An Ew. Excellenz wende ich mich demüthig bittend, geben Sie den Einwohnern
von Saarbrücken, die bey Hochdenselben einkommen, Stellen im deutschen Vater-
lande, nehmen Sie sie in Schutz und machen Sie dadurch zum Theil wieder gut, was
niemals hätte verdorben werden ſollen.“
Gruner schickte dieſes Schreiben an den Freiherrn vom Stein wach Frankfurt am
Main, und dieser ſandte es am 15. Juni mit folgenden Begleitworten an den Staats-
kangler Fürſten v. Hardenberg:
„Ew. Excellenz gebe ich mir die Ehre, in den abſchriftlichen Anlagen den Bericht
des Generalgouverneurs von Mittel Rhein und ein demselben beygefügt geweſenes
Schreiben des Oberbürgermeiſters Laukhardt in Saarbrück, in Beziehung auf die
Wiedervereinigung dieser Stadt mit Frankreich mitzutheilen.
Es ist ergreiffend, mit welcher Anhänglichkeit jene Stadt dem deutſchen Vater-
lande sich ergeben zeigt und mit welchem Befühl ihre Einwohner die Rückkehr unter
die französische Herrschaft ertragen.“
Aber auch der Staatskanzler konnte an dem Geſchehenen nichts ändern. Saarbrücken
mußte sich beugen, und eine frangöſiſche Besatzung rückte in die Stadt ein. Der Unter-
präfekt von Saargemünd übernahm die Verwaltung der Stadt und verordnete, daß
fortan kein Akt in deutscher Sprache geschrieben werden dürfe. Am 9. Juli wurde der
Oberbürgermeister Lauckhardt entlaſſen, und ein französisch geſinnter Maire trat an
seine Stelle. Französiſche Steuern wurden wieder eingeführt, und Douaniers sperrten
die Grenze gegen Deutſchland ab. Aber glücklicherweise trat im nächsten Jahre eine
Wendung ein. Am 18. Juni wurde Napoleon bei Waterloo endgültig besiegt, und die
Saarhrücter Mr. et!?ihren durch eigenen Entschluß ihre Wiedervereinigung mit
i eutschen erbande.
Die beſeßten Gebicte Preußens in der Statiſtik. Auf Grund der Dolkszählung vom 16. Juni iſt die Bevölke-
rung der besetzten Gebiete des Freiſtaats Preußen neu berechnet worden. Einer Uebersicht der Statiſtiſchen
Korreſpondenz zufolge machten die auf Grund des Versailler Dertrags beſeßten drei Zonen zuſammengenommen
mit rund 22 370 Quadratkilometer 7,67 v. H. der Gesamtfläche des Staates aus; auf dieſer Fläche wohnten
mit rund 4 868 000 Perſonen 12,79 v. H. der Bevölkerung. Geräumt wurden zu Beginn dieſes Iahres rund
6540 Quadratkilometer oder nicht ganz ein Drittel (29,24 v. H.) des bisher beſetßten Gebiets; hierdurch wurden
2 634 000 Personen oder mehr als die Hälfte (54,11 v. H.) der Bevölkerung frei. Beſett ſind gegenwärtig noch
rund 15 820 Quadratkilometer oder 5,42 v, H. der Fläche des geſamten Staates mit 2 234 000 Einwohnern oder
5,87 v. H. Falls an der Beſetzung weiter feſtgehalten wird, ſo werden erſt im Iahre 1930 weitere 6750 Quadrat-
kilometer (2,31 v. H.) mit 1 206 000 Einwohnern (3,17 v. H.), und im Jahre 1935 weitere 9070 Quadrat-
kilometer (3,11 v. H.) mit 1 028 000 Einwohnern (2,70 v. H.) frei werden.
149
Saarkalender für das Jahr 1927.
Rleinigkeiten, die viele nicht wiſſen.
Der hiſtoriſche Rathausſaal am Schloßplatz birgt u. a. auch eine Erinnerung an Viktor
v. Sch ef f e l, deſſen 100. Geburtstag vor kurzem gefeiert worden iſt. AIs Inſchrift für das
Wernerſche Deckengemälde dichtete Scheffel die Seilen :
Erweckt durch Blitz und Kampfgefahr
Und treuer deutſcher Helden Tod
Sah siegreich hier den Kaiseraar
Des Reiches blutig Morgenrot.
1
Auf sonderbare Art hat ſich Anton v. Werner auf einem Bilde im gleichen Saale verewigt.
Nachdem die Berliner Stellen für allzu naturalistische Darſtellung des rau ch e n d e n Siegers
von Wörth kein Verständnis zeigten, malte Werner die nicht gebilligte, aber ſeiner Auffassung
nach zu Kronprinz Friedrich gehörige Zigarre als „weggeworfen“ in die linke Ecke des Bildes.
%
Wer hat die Saarbrücker Denkmäler erſchaffen? Bismarck-Denkmal und Kaiser-Wilhelm-
Denkmal ſind Schöpfungen D onn d orf s, der auch einige Figuren des Wormſer Luther-Denk-
mals modellierte. Das Ulanen-Denkmal erſchuf Profesſſor Klimſch. Der von den St. Johanner
Stadtverordneten im Jahre 1902 ihrer Stadt geſchenkte Telemach-Brunnen iſt ein Werk des
Bildhauers Kauer-Berlin. Der Altteil des Rathausbaues iſt eine vereinfachte Nachbildung des
Münchener Rathauſes. Beide erſchuf Profeſſor Hauberiſſer-München.
Bei den Gardepionieren ]833.
Brief des Einjährig-Freiwilligen im Garde-Pionier-Bataillon, Alexander Bauer, an seinen Vater, den König-
lichen Oberförſter Iakob Bauer, „Saarbrücken, Wilhelm-Heinrichſtraße.
s ier Berlin, den 16. November 1833.
Liebſtes Däterchen!
Durch die Monorationen auf der Universität ſowie die für den Privatdozenten iſt ein ziemlicher Theil des
Wechſels verſchwunden; ich habe noch 5C Rs zu empfangen. So groß auch die Summe des verbrauchten
Geldes ſein mag,. so kann ich Sie doch verſichern, daß hierbei noch für keinen Silbergroſchen unnötige Aus-
gaben ſind; ich weiß, daß ich nur das Kllernotwendigſte zu berückſichtigen habe. Die Ausgaben ſind, obwohl
ſehr vermindert, doch jetzt noch ſo groß, daß ich manchmal darüber verzweifeln möchte. Doch ich ſpare, wo ich
kann, die Herren Böcking und Hild werden Ihnen ſpäterhin dieſes bezeugen können. Ich werde höchſtens
bis Ianuar an dieser Summe genug haben, da ich auch noch für diesen Monat das Logis, Wache, Burſchen
und Restauration von dieſem bezahlen muß.
Heute werde ich 19 Iahre alt, meinen nächſten Geburtstag hoffe ich in Saarbrücken zu erleben und
Mutti dieſer verdammten Sandſtadt, wo jeder nur haben will. Im Ianuar iſt die Hälfte meiner Dienſt-
Es iſt ungemein kalt hier und ich wünſche mich oft an unsere Oefen, hier koſtet das wenige Einheitzen,
was den Ofen kaum warm macht, 21-4 Sgr. für jede Hitze.
Tauſendmal küſſe und drücke ich mein liebes Däterchen, Lina und Louis. §. Büuer
Der damalige Garde-Pionier war ſpäter Bergwerksdirektor in Saarbrücken. 1864 leitete er die Rettungs-
arbeiten bei dem Grubenunglück in Reden und am 24. November 1867 ereilte ihn mit 12 Beamten und Berg-
leuten das Bergmannslos auf der Grube Griesborn. (S. „Saarbr. Zeitung“ vom 28. 11. 1867.) U. W.
Zum Nachdenken.
Die Sprache iſt das festeſte Einigungsmittel eines
Volkes; in ihr ſind alle ſeine geiſtigen und ſeeliſchen
höchſten Güter aufbewahrt; in ihr wird das, was die
Däter geleiſtet haben, den Kindern weitergegeben:
Kunst, Wiſſenſchaft, Ceben schaffen ſich in ihr den
ſtarken bleibenden Ausdruck. Wenn ein unglück-
licher Krieg ein Dolk zwingen würde, ſein Land zu
verlaſſen und ſich in fremden Gegenden ein neues
Daterland zu ſchaffen, würde die S pr a < e allein
dies Dolk auch im anderen Lande z u ſ am m e n -
h a lt en, ſodaß es nie aufhören würde, ein einiges,
in sich geſchloſſenes, von den andern Völkern unter-
ſchiedenes Ganzes zu sein. D i e S pr ach e i ſt e in
n o < v i e l ſt är k er es Ban d als L an d u n d
St a a t. (Wilh. v. Scholtz.)
150
Saarkalender für das Jahr 1927.
Raults Ende.
„Verlassen, verlassen bin i,
Wie a Stein auf der Straßen,
Kein Mensch grüaßt mi!“
‘Am 18. März 1926 drahtete der nach Genf entsandte Redakteur der „Saarbrücker
Zeitung“ seinem Blatte:
Seit einigen Tagen durchwanderte die Straßen von Genf ein müder, gebeugter
Mann: Rault. Einsam. kaum beachtet. Auch von denen nicht, denen er in Wahrheit
allein zu dienen gesucht hat: seinen Landsleuten. Gewiß sind nicht mehr die Poinoarisſten
am Ruder. Aber es hat doch beinahe tragiſch berührt, gerade den Mann, der einſtmals
für sein Land und auch in Genf eine immerhin bedeutſame Rolle geſpielt Hat, der sogar
uns gegenüber, oder besser gegen uns, eine große Macht war, nun mit allen Angeichen
der gestürzten Größe vor sich zu sehen . . .
Die Lobesworte am Schluß der Ratssitzung waren leere Höflichkeitsfloskeln. Un-
gleich kennzeichnender war, daß der vor der Sitzung abseits vom Ratstiſch stehende Mann
von den Ratsmitgliedern, die alle an ihm vorbeimußten, kaum begrüßt wurde. Seine
tiefen Verbeugungen wurden recht flüchtig erwidert, und zwar auch von solchen, die sſonſt
wirklich recht kräftig die Hände zu schütteln verstehen. Man braucht das aber nicht
mehr bei dem, der als erledigt gilt. Und hier war das Verhältnis mehr als deutlich.
Tagelang wanderte der Mann durch Genf und wartete, daß die Saarfragen dran
kämen. Er war beſtellt. Aber geſtern nachmitbag 4 Uhr wußte er noch nicht, daß der
Termin angesetzt sei. Bei seinen Gegnern, bei Vertretern der Saardelegation, erkundigte
er sich. Die wußten es. Wie er augenscheinlich überhaupt versſucht hat, Anschluß zu suchen
be! s deu Deutschen. Als man ihn einmal nicht allein ſah, war sein Begleiter ein
eutſcher Herr . . .
Ein Opfer verfehlter Politik. Wer eine solche mitmacht, erntet keinen Dank von
denen, für die er sie machen wollte.
Zu ſchön, um vergeſſen zu werden!
In seinem letzten Bericht an den Völkerbundsrat in Genf machte Rault zum Schluß
noch einen guten Wit, über den ſselbſt die Herren im Völkerbund lächelten. Im Saar-
gebiet wurde der Kalauer mit einem brauſenden Hallo aufgenommen. Viele verziehen
dem Autokraten manche seiner Taten böſen Angedenkens wegen seines lustigen Einfalls.
Es war schon bei Rault zu einer Art Manie geworden, überall im Saartal Verſchwörungen
zu entdecken, so oft er sich damit auch lächerlich machte. Zum Schluß mußte noch die
> rolle waldreiche Lage des Landes herhalten. In seinem Berichte vom 4. Februar
Das Saargelbiet iſt ein gebirgiges Gelände mit übervölkerten
Tälern, die durch weite Wälder getrennt sind, welche geheimen
Versammlungen (!!!) günstig sind. Die Bevölkerungsdichtigkeit erreicht dort
heute die Zahl von 411 Einwohnern auf 1 Quadratkilometer. Es gibt in Europa kein
Land, wo man eine so Hohe Zahl feststellen kann. 180 000 Arbeiter, die fast alle zu den
Gruben, der Metallindustrie und den damit in Verbindung stehenden Industrien gehören,
erhalten fast die gange Bevölkerung. Es besteht alſo kein Gleichgewicht zwischen der
Arbeiterbevölkerung und der Landbevölkerung; ein Generalstreik bei der Induſtrie
würde sich faſt auf die ganze Bevölkerung erstrecken.
„In des Waldes finster'n Gründen, Heiße Küsse hört man knallen.
In den Höhlen tief versteckt“, Geheimen Bundes Treueſchwur,
Ruh’n des Saarlands kühne Räuber, Und der „Schloßplatz“ kündet's allen:
Die den Viktor so erschreckt. „Seht des Aufruhrs klare Spur!
Den Verschwörern will ich's zeigen!“
Meldet’'s Genf mit finſt'rem Blick; ~
Während unter grünen Zweigen
Lächelt sel'ger Liebe Glück. A. Z.
T15t
Saarkalender für das Jahr 1927.
St. Johann v. d. Phot. m. Wentz,
Schloßterrasse aus. Saarbrücken.
Stiller Winkel Prot M.tücth:
in Ottweiler. Saarbrücken.
152
Saarkalender für das Jahr 1927.
. Augult:
Zeittafel
zur Geſchichte des Sanargebiets
vom ]. Anguſt 1925 bis ]. Fuli 1926 *)
Zuſammengeſtellt von A. Z.
Auguſt 1925.
. Auguſt: Derband der Bergarbeiter und Gewerk-
verein chriſtlicher Bergarbeiter beſchließen, den
Streik zu beenden und die Arbeit auf allen
Gruben am Montag, 3. Auguſt, wieder aufzu-
nehmen.
Die Bürgermeiſterei Biſchmisheim zählt am
31. Juli 20 910 Perſonen.
Friedrichsthal hat nach amtlicher Feſtſtellung
Ende Juli 15 217 Einwohner.
Homburg hat Ende Juli 10 051 ortsanweſende
Perſonen.
Die Bürgermeiſterei Püttlingen verzeichnet Ende
Juli 19 440 Perſonen, die Bürgermeiſterei Uchtel-
fangen 18 177.
Verein Sportfreunde 05 Saarbrücken
wollte Gedenkſtaffellauf in Burbach zu Ehren der
gefallenen Dereinskameraden abhalten. Die Poli-
zeibehörde verſagte die Erlaubnis hierzu ,,mit
Rückſicht auf die gegenwärtigen aJeitverhältniſſe“.
In kurzer Zeit das vierte derartige Derbot turne-
riſcher oder ſportlicher Deranſtaltungen. In den
erſten Fällen . begründete man das Verbot mit
„Gefährdung der Ruhe und Ordnung“ oder ,,Stö-
rung des öffentlichen Derkehrs“. Die ,,Saar-
brücker Zeitung“ bemerkt dazu, die Polizei habe
wohl Anweisungen erhalten, die praktiſch der Der-
hängung einer Art Belagerungszuſtandes gleich-
kommen.
. Auguſt: Die Beamten und Arbeiter der Eiſenbahn-
direktion des Saargebiets beſchliegen, den im
Weltkrieg gefallenen Eiſenbahnern ein Ehrendenk-
mal zu errichten.
. Auguſt: Die , Action francaiſe“ erzählt ihren
Leſern, daß das Saargebiet durch die franzöſiſche
Tätigkeit „„in ſeiner Entwicklung rieſenhafte Pro-
portionen angenommen habe, mit dem induſtriellen
Aufschwung gehe ungeheurer Reichtum. Wirtſchaft-
lich habe Frankreich dieſe Blüte zu buchen, poli-
tiſch gehe ſein Einfluß zurück.“ „„Unser Soldat iſt
die einzige Karte, die wir dort noch ausſpielen
können. Derbrennen wir ſie nicht dadurch, daß
wir vorzeitig räumen.“
„Ere Nouvelle“ geht gegen Rault vor und ſagt:
„Er hat ein niedriges Polizeiregime angewandt
und hat eine unangenehme und unfähige Um-
gebung. Schlecht beraten, wurde er gehäſſig und
er hat hierfür den öffentlichen Beweis durch die
kindiſchen Derbote gegeben, die er ſich während der
Jahrtauſendfeier ausgedacht hat.
*) Die Zeit von 600 bis 26. Februar 1920 ſiehe
Saarkalender 1923; vom 26. Februar 1920 bis
3]1. Auguſt 1923 ſiehe Saarkalender 1924; vom 1. Sep-
tember 1923 bis 1. Auguſt 1924 ſiehe Saarkalender
1925; vom 1. Auguſt 1924 bis 1. Juli 1925 ſiehe Saar-
kalender 1926. :
153
Mehrere hundert Saarkinder reiſen zu freier
Kur in Oſt- und Nordſeebäder.
9. Auguſt: Die 4-Millionen:Dollaranleihe des Zweck-
12.
. Auguſt:
verbandes der Saarktkreiſe iſt von der Saarhandels-
bank A.-G. zur Ausgabe gelangt.
Ein von dem Lockſpitzel Steigner und dem Leiter
des franzöſiſchen Propagandablattes Schöttler auf
letzteren in Szene geſetßter Ueberfal wird vom
„Saarkurier“ mit großem Geſchrei als Tat natio-
naliſtiſcher Derbände hingeſtellt. Es handelt ſich
um einen durch Steigner verleiteten jugendlichen
Brauſekopf, den der Lockſpitzel ausrüſtete. Schött-
ler war über alles unterrichtet, ebenſo die Polizei.
Die törichte Angelegenheit hatte bei dem gericht-
lichen Nachſpiel im Ianuar 1926 den Erfolg, daß
dem St. als Haupturheber 1 Iahr 9 Monate Ge-
fängnis diktiert wurde. Der verführte Iüngling
erhielt ein Iahr wegen Entwendung von Spreng-
ſtoff. Schöttler zog es der Sicherheit halber vor,...
vor Gericht nicht zu erſcheinen. Bedeutungsvoll
aus dem Verfahren iſt nur die Feſtſtelung des
Staatsanwalts, daß im Saargebiet keine nationa-
liſtiſchen Derbände exiſtierten. Ein Peitſchenhieb
für jahrelangen Schwindel der franzöſiſchen Pro-
paganda und der Regierungskommiſſion. , Saar-
Kurier“ und ,Dolksſtimme"“" gingen bei der Auf-
bauſchung der Affäre Hand in Hand.
Wegen des Hiſſens ſ<warz -
w e i ß -r o ter F a h n en anläßlich der letten
Nationalfeiern im Saargebiet ſind eine große An-
zahl Strafverfügungen gegen die Bürgerſchaft er-
laſſen worden. Der Vorſtand der Deurſch-Saarlän-
diſchen Volkspartei hat in dieſer Frage eine Be-
kanntmachung herausgegeben, in welcher der
Bürgerſchaft geraten wird, gegen die erlaſſenen
Strafverfügungen Einſpruch zu erheben. Man
hofft, die ganze Angelegenheit niederſchlagen zu
können.
. Auguſt: Die aus Anlaß des Bergarbeiterſtreiks er-
folgte A u f h eb un g d er K o h l enſt e u er
für ausländiſche Kohlen wird wieder rückgängig
gemacht.
Auguſt: Gemeldet wird aus Merchweiler, daß das
Ezrezdeuwat für die gefallenen Helden fertig-
12. Auguſt: In der Preſſe erſcheint ein Artikel, der
juriſtiſch klar den Nachweis führt: 1. Rechtlich
beſitt die Regierungskommiſssion nicht das Recht,
Deutsche aus dem Saargebiet, auch nicht ſolche,
die nicht die Saareinwohnerſchäaft haben, auszu-
weiſen. 2. Rechtlich beſteht nicht die Möglichkeit,
bei einem Belagerungszuſtand die ausübende Ge-
walt der franzöſiſchen Militärbehörde zu über-
tragen. 3. Die nach Antritt der Regierung der
Regierungskommiſſion ergangenen Ausweiſungen
ſind rechtsungültig. 4. Die vorher durch den fran-
zöſiſchen Militärbefehlshaber und die franzöſiſchen
Saarkalender für das Jahr 1927.
22.
25.
26.
. Auguſt: Die Wochenſchrift
Kriegsgerichte verfügten Ausweiſungen ſind un-
gültig, mindeſtens ſind ſie mit der Regierungs-
übernahme durch die Regierungskommiſſion rechts-
unwirkſam geworden. 5. Die Derordnung über
die Saareinwohnerſchaft iſt ungültig.
. Auguſt: Trotz ſchwieriger Wirtſchaftslage nimmt
das Saargebiet 400 erholungsbedürftige Kinder
auf, die durchſchnittlich 6 Wochen hier weilen.
. Auguſt: An dem heute ſtattfindenden H er-
m ann s l a uf d er D e ut ſ < en Turner -
ſ < a f t nach dem Hermannsdenkmal bei Detmold
beteiligte ſich die Deutſche Turnerſchaft aus dem
Saargebiet mit zwei Nebenläufen, die in Han-
weiler und im Ehrental bei Saarbrücken beginnen.
In Urkunden, die dieſen Staffeln übergeben wor-
den sind, bekennen ſich die Saarturner erneut zum
deutſchen Daterlande.
. Auguſt: Wie die Saarbrücker haben auch die
Turner von Saarlouis der Staffel zum Her-
mannsdenkmal eine Urkunde mitgegeben, in der
es u. a. heißt: „Die treudeutſche Stadt Saar-
louis an der gefährdetſten Stelle der deutschen
Westmark iſt bekannt geworden durch ihren ein-
mütigen und flammenden Protest gegen beabſich-
tigte Dergewaltigung ohne ,„Abſtimmung“. Was
wir in ſchwerer Stunde trotz des Druckes der
Militärdiktatur unſerem Vaterlande freimütig ge-
lobt haben – Treue bis zum Tode = iſt heute
ſo wahr wie damals. Wir waren gute Deutſche,
wir ſind gute Deutſche und wir wollen gute
Deutsche bleiben . . . . Wir haben für die Zu-
kunft keinen brennenderen Wunſch als die Wieder-
vereinigung mit unseren deutſchen Brüdern“ uſw.
. Auguſt: Ein junger Saardeutſcher aus Naßweiler
wird durch die Nachläſſigkeit der Regierungskom-
miſſion gezwungen, in Nancy Mlilitärdienſt zu
leiſten. Der junge Mann wurde wider Recht und
Gesetz im Saargebiet durch franzöſiſche Gendarmen
verhaftet und abtransportiert. Die Regierungs-
kommission ließ alles zu, ohne dagegen zu pro-
teſtieren.
Auguſt: In Goslar wird die Kameraden-Vereini-
gung ehem. I174er gegründet, sie zählt ſofort 500
Mitalieder.
Auguſt: Die Preſſe berichtete von einem Fall,
welcher den Beweis liefert, daß die Bergwerks-
direktion (Köchlin) Bewerbungen zur franzöſiſchen
Fr e m d e nl e g i o n Vorſchub leiſtet.
„Der Saardeutſche“
wird von der Regierungskommission auf ein Mo-
nat verboten wegen eines Artikels über elsaß-
lothringiſche Fragen.
Auguſt: Don einem unerhörten Uebergriff des
franzöſiſchen Militärs bei der 70er Kaſerne meldet
wieder die Preſſe. An der Aussſchreitung be-
teiligten fich außer einfachen Soldaten ſelbſt ein
Offizier, der mit einem Schlagring bewaffnet war
und ihn gegen einen Kriegsbeſchädigten ſchwang.
Preſſe und Bürgerschaft ſind empört über die
Roheit und niedrige Gesinnung der Franzoſen.
. Auguſt: Die Preſſe klagt über Behelligung der
Bürgerſchaft durch franzöſiſche Soldaten in der
Moltkeſtraßze und an der Ulanenkaſerne.
Das Metzer „Freie Iournal“ ſchreibt in einem
Artikel „Saarbrücker Eindrücke“: „Es hat keinen
154
Zweck, mit der Wahrheit hinter dem Berge halten
zu wollen: Das Reſultat (franzöſiſche Tätigkeit)
zeigt, daß nicht die richtigen Leute am richtigen
Plate waren. Und das Verſäumte nachzuholen, iſt
Danaidenarbeit: Waſſer in ein bodenloſes Faß."
Der Franken am 1. Auguſt 5,02; am 31. Auguſt
September 1925.
. September: Bürgermeiſter Ludwig in Neunkirchen
* begeht den 40. Jahrestag seiner dortigen Amts-
tätigkeit, in der Neunkirchen von einem kleinen
Ort zu einer Induſtrieſtadtt mit 4d0 000 Ein-
wohnern heranwuchs.
. September: Niederwürzbach zahlt am 31. Auguſt
2640 Einwohner.
. September: In der Preſſe wird der 22. Bericht
der Regierungskommisſſion an den OPölkerbund
veröfsentlicht. Die Regierungskommiſsion hatte,
wie bekannt, verſucht, mit allen Mitteln die Ab-
haltung der Jahrtauſendfeier zu hintertreiben. In
dem Bericht erklärt ſie aber: „Die Regierungs-
kommiſſion hatte das Recht, zu erwarten, daß ihre
Il i b er al e Haltung geſchäßt werden würde. . .“
„Die Regierungskommiſssion bedauert, feſtſtellen zu
müſſen, daß das von ihr an den Tag gelegte
Wohlwollen verkannt worden iſt. . .“. „Die Re-
qierungskommissſion hat die Erfahrung gemacht,
das Nichtanerkennen ihrer Derfügungen und die
Auslegung derſelben durch die Preſſe ergeben für
ein Abſtimmungsgebiet eine Lektion, welcher die
Regierungskommiſssion in Zukunft wird Rechnung
tragen müſſen.en. –~ Liberale Haltung, Wohl-
wollen uſw., weiter geht's nimmer. Die
Drohungen, die Rault hier noch folgen läßt, er-
folgen auf Grund von hHirngeſpinſten ſeiner
Spitzelwirtſchaft. Er wird in der engliſchen Preſſe
dafür ſtark abgerüffelt, die bei dieſer Gelegenheit
auf die Teilnahme der ,, neutralen“ Regierung an
franzöſiſchen Truppenparaden hinweiſt. Selbſt die
deutſchfeindliche „Times“ findet ſcharfe Worte
gegen die Regierungskommission, beſonders gegen
Rault.
Nach dem Bericht der Regierungskommiſsſion
zählt das Grubenpersſonal Ende Juni 73 500 Köpfe,
worunter 54 816 Arbeiter unter Tage. Förderung
im April 1 197 4419, im Mai 1 183 781 und im
Iuni 1 126 220 Tonnen. –ö Oer Effektivbeſtand
der lokalen Gendarmerie beträgt am 30. Iuni 817
Mann. An Grubenunfällen ſind im 2. Dierteljahr
1925 zu verzeichnen 3699, mit tödlichem Aus-
gang 13. .
5. September: In Saarbrücken wird eine ſaarlän-
diſche Ha n d e l s a u s ſt e I l u n g für Lebens-
y!::! und Gegenſtände des täglichen Bedarfs er-
. September: 2 Kilometer von der ſaarländiſchen
Grenze entfernt hat eine franzöſiſche Bergwerks-
geſellſchaft bei Karlsbrunn ein großes S p r e n g -
ſto f fl a g e r. errichtet. Die davon betroffenen
ſaarländiſchen Anlieger finden trotz ihrer Proteſte
bei der Regierungskommiſssion nicht den nötigen
Schutz.
. September: Die , Saarbrücker Zeitung“ veröffent-
licht einen aufsehenerregenden Brief des Präſi-
denten Rault, aus dem hervorgeht, daß im April
1923, als Hector wegen Meineids angeklagt
Saarkalender für das Jahr 1927.
war, Rault auf Bitten Hectors beim General-
ſtaatsanwale. Ein ſtellung . des. Ver-
f a h r e n s ervirkte.
Der geſchichtlich bedeutſame Brief hat folgenden
Wortlaut:
„Saarbrücken, den 11. April 1923.
Mein lieber Kollege!
In Beantwortung Ihres gefälligen Schreibens
teile ich Ihnen ergebenſt mit, daß der Herr Iuſtiz-
miniſter den Generalſtaatsanwalt dahin verſtändigt
hat, daß die Einleitung eines Derfahrens gegen
Sie nicht angezeigt erſcheint. Ich freue mich,
Ihnen mitteilen zu können, daß hiernach weder
für Sie noch für Ihre Familie ein Grund zur
Beunruhigung beſteht.
Sie können ferner überzeugt ſein, daß ich mich
nach Kräften bemühen werde, Ihnen aus der
ſchwierigen Lage zu helfen, in welcher Sie ſich
befinden."
- Die „Saarbrücker Zeitung“ bemerkt dazu u. a.:
„Vir verlangen eine JIuſtiz, bei der es unmöglich
iſt, daß ſolche Briefe wie der des Präſidenten
Rault geschrieben werden können.“
. September: Dudweiler beſchließt die Aufstellung
eines Kriegerdenkmals. Gewählt wird der Ent-
wurf des Saarbrücker Bildhauers Aug. Kuhn.
. September: Zur S e p te m b er t a g un g d e s
D öl k er b un d e s hat ſich eine ſsaarlundiſche
Delegation nach Genf begeben, der von ſeiten der
Deutſch-Saarländiſchen Volkspartei die Herren Dr.
Röchling und Bauer angehören. Die Delegation
sprach bei verſchiedenen Ratsmitgliedern vor und
ſtellte u. a. folgende Forderungen: Erweiterung
der Rechte des Landesrats (Initiativrecht, Immu-
nität der Abgeordneten, Ausdehnung des paſſiven
Wahlrechts). Zurückziehung der franzöſiſchen Poli-
zei. Jährlicher Turnus für den Präſidenten der
Regierungskommiſssion. Verbeſſerung der Sozial-
verſicherung. Erhöhung der Löhne und Gehälter
der Staatsarbeiter und Staatsbeamten.
Deutſch-Saarländiſche Dolkspartei und Zentrum
veröffentlichen eine Denkſchrift an den Dölker-
bund über die S o z i a lv er ſi < e r un g im
Saargebiet und verlangen, daß die Leiſtungen der
Sozialverſicherung denen des Dentſchen KReiches
angegliedert werden oder ein Rückanſchluß der
ſaarländiſchen Sozialverſicherunn an die des
Deutſchen Reiches erfolgt.
. September: Ein gewisſer Fuchs, dem unter dem
Namen Künzelmann der Präſident eine Unter-
redung gewährt hatte, auf die der „Neue Saar-
kurier“, ſcwie einige ausländiſche Zeitungen her-
einfielen, wird in Püttlingen als H o ch ſta p l e r
entlarvt und verhaftet.
9. September: Veröffentlicht wird eine Denkſchrift
der Beamten des Saargebiets an den Dölkerbunds-
_ rat. Gefordert wird, die Regierungskommiſsion
anzuhalten, ihr Wort zu halten und die auch das
Gesetz begründete Pflicht zu erfüllen, die Gehälter
der übernommenen deutſchen Beamten denen des
Reiches agleichzuſtellen.
Die Bürgermeiſterei Brebach zählt am 1. Sep-
tember 20 910 Einwohner (11 243 männliche, 9676
_ weibliche).
Die Bürgermeiſterei Uchtelfangen zählt am
1. September 18 177 Einwohner (8805 männlich,
9372 weiblich).
Am
. September:
Die Bürgermeiſterei Püttlingen zählt am 1. Sep-
vyher. 440 Einwohner (9720 männlich, 9725
. September: Infolge der durch franzöſſiſchen Raub-
bau entſtandenen Grubenſchäden ſtürzt in Schnap-
pach das Schulhaus ein. Ein Arbeiter verſchüttet,
mußte ſchwerverlezt ins Krankenhaus transpor-
tiert werden.
Herr Rault macht in Genf Propa-
ganda, zu seinem Nachfolger das tſchechiſche Re-
gierungsmitglied Herrn D e s z e n s k y wählen zu
laſſen, deſſen „Neutralität“ allen Saargebiets-
bewohnern hinlänglich bekannt iſt.
. September: Glänzend verlaufener Südweſtdeutſcher
Heimattag in Karlsruhe.
Das erſte Denkmal , Deutſchlands erſtem Präfi-
denten, Fritz Ebert“, wird feierlich im Walde bei
Herrenſohr eingeweiht. Reichstagspräſident Loebe
hält die Weiherede.
Der Alt-Saarbrücker Kriegerverein (i. I. 1874
gegründet) wird auf's neue ins Leben gerufen
als Vereinigung ehem. deutſcher Soldaten in
Groß-Saarbrücken.
. September: Auf dem Südweſtdeutſchen Heimattag
in Karlsruhe beteiligten ſich über 500 Saarländer.
Der badiſche Staatspräſident H e l p a < ſagte in
ſeiner ſehr beachtenswerten Rede u. a.: Es ſind
Saardeutſche heute unter uns und man frage ſie,
wie der D öl k er b un d, dieſes angebliche Reich
Gottes auf Erden, ihren He i m a t ſ i n n reſpek-
tiert hat! AIs Sprecher des Saargebietes trat
Herr Pfarrer H a Il k e - Saarbrücken auf. Es ſei
hier nur an sein Wort erinnert: „Erſt wenn ein
koſtbares Gut in Gefahr iſt, verloren zu gehen,
dann weiß man ersſt, wie wertvoll dieſes Gut iſt.
Darum hängen wir Saarländer doppelt treu und
doppelt feſt am deutſchen Wort und das deutſche
Lied iſt uns gleichbedeutend mit deutſcher Geſin-
nung, mit deutſcher Art und deutſcher Sitte.“
„Die zweite Aufgabe im Saargebiet iſt, Augen
und Ohren offenzuhalten und ein feines Unter-
ſcheidungsvermögen zu beſizen für alles, was
falſch und unecht und fremdländiſch und für das,
was wahr und echt und deutſch iſt.“
. September: Eine Gewerkſchaftsdelegation (Kimm-
riz und Hildenhrand) reiſt nach Genf. Derlangt
wird Ausbau der Sozialverſicherung, Wiederan-
ſchluß an die Verſicherungsträger im Reich und
Einführung der deut]chen Nachkriegsgeſeßze über
Tarif-, Koalitionsrecht, Betriebsräte-Schlichtungs-
wesen uſw., um in ſozialpolitiſcher und arbeits-
rechtlicher Hinſicht Hilfe zu ſchaffen.
16. September veröffentlicht das franzöſiſche
„Journal official‘. ein Dekret, wonach Herr
Wim m er, bisher KRichter am Kantanal
Tribunal in Forbach, ab 1. Oktober 1925 der
Regierungskommission zur Verfügung ſteht. So
wird das Saargebiet nach wie vor mit franzö-
ſiſchen Beamten ,,beglückt“.
. und 20. September beging der D. H. D. sein
25jähriges Beſtehen im Saargebiet unter zahl-
reicher Beteiligung der Reichsorganiſation. Herr
Miniſter K o ß m an n drückte seine Freude -
darüber aus, daß die kommende Arbeitskammer
auch die geſamte Angeſtelltenſchaft umfaſsen werde,
und hofft durch die Teilnahme aller ſchöpfenden
Kräfte einen reichen Segen für alle Stände.
155
_ Saarkalender für das Jahr 1927.
20.
22.
27.
28.
September: In der elſaß-lothringiſchen Heimat-
zeitſchriſt „Die Zukunft“ wird der franzöſiſchen
Saargrubenverwaltunn der Nachweis erbcacht
über die Derſchleuderung enormer Schmiergelder
im Dienſte franzöſiſcher Propaganda.
September: Die Preſſe meldet die Gründung eines
Dereins ehemal. 29er.
Der Abgeordnete Lamoureux erſtattet der
Kammer Bericht über die Propagandagelder, die
von der franzöſiſchen Bergverwaltung ver-
ſchwendet würden. Die Bergwerksdirektion iſt
Siz und SZentralſtele für die Gelder zur
Gewinnung des Saargebiets. J Alles zum
Fenster hinausgeworſfen.
Dier franzöſiſche Soldaten begehen grobe Aus-
ſc<hreitungen im Cafés Maoltke, ſelbſt die Wirtin
erhält einen Meſſerſtinh in den Kopf. Die
flüchtenden Helden konnten dingseſt gemacht
werden.
In Dillingen erſcheint als Ableger des ſaar-
ſeparatiſtiſchen Organs , Saarlouiſer Iournal“ die
„Dillinger Nachrichten“.
September: Auf Anregung des Veteranenvereins
Neunkirchen beſchliezen die bis jezt im Saar-
gebiet beſtehenden Deteranenvereine bezw. Vereine
ehemal. deutſcher Soldaten, ſich zu einem Ver-
band gzusſammenzuſchliekſene. Die Verſammlung
tagte im Saale des Hotel Halberg in Neun-
kirchen. Der Verband der Ktriegervereine im
Saargebiet ſoll im November ins Leben treten.
Einweihung des Denkmals für die Gefallenen
des Ulanen-Regiments Großherzog-Friedrich von
Baden (Rheiniſches Ur. 7) in Rhöndorf am Rhein.
General v. König, beim Einzug der Ulanen in
Saarbrücken Oberſt des Regiments, hält nach
Kranzniederlegung der Abordnungen die Weihe-
rede. Gefallen im Kriege 23 Offiziere und
55 Unteroffiziere und Mannſchaften.
September: Der Flaggenprozeß wurde crneut vor
dem Saarbrücker Landgericht verhandelt. Die
Urteilsverkündung am 28. September lautete auf
erneute Freiſprechung.
30. September: Die Bevölkerung der Stadt St. Ingbert
beträgt 20 601 Personen.
. September: Die frankophile Schulverwaltung er-
läßt wegen Beteiligung der Schüler an der Iahr-
tauſendfeier eine neue Derfügung. Sie will An-
gaben der Lehrer haben, ob Schüler und
Schülerinnen am 20. Juni 1925 gefehlt haben.
Wieviel krank oder normal beurlaubt, und
wieviele aus anderen Gründen die Schule nicht
beſuchten, gemeint iſt hier die Jahrtauſendfeier.
Auch will die Schulverwaltung wiſſen, ob die
Kinder eine Entschuldigung beigebracht haben.
Dieſe Meldungen ſind ebenfalls über die Schul-
verſäumniſſe am 22. Juni zu erſtatten. Hinſicht-
lich der Strafen soll eine Regierungs-Verfügung
abgewartet werden. Man weill die Kinder be-
ſtrafen, die dem Gebot der Eltern gehorchten. Der
Kultusminister Deszenski muß ſich harte Kritik,
Hohn und Spott gefallen laſſen.
1 Dollar – 21,13 Fr. ~ 1 Reichsmark =
fs
5,035 Fr.
Oktober 1925.
. Oktober: Der deutſche Gewerkſchaftsbund für das
Saargebiet. erſu<ht die Kegierungskommiſſion,
nachdem ſie zahlreiche Gegenſtände des täglichen
. Oktober: Ein
. Oktober:
Bedarfs beſteuerte, ſofort die Lohnſteuer ähnlich
wie im Reiche herabzuſezen und ſozial zu
geſtalten.
„Verein ehem. 173er für das
geſamte Saargebiet“ gegründet.
. Oktober: Der Rennſtallbeſizer, Pferdekenner und
von PVölkerbunds Gnaden Kultusminiſter des
Saarlandes, Maoltke-HuitfeldD, Raults getreuer
Schildknappe im Kampfe gegen das Deutſchtum
der Saarländer, wird als ſog. Treuhänder zum
Großoffizier der Ehrenlegion ernannt. Die franzö-
ſiſche Regierung verleiht ihm dieſen Rang , wegen
der großen Verdienſte, die er in ſeinem Amte als
Regierungskommissſar der Saarregierung geleiſtet
hat“. –~ , Ein treuer Knecht war Fridolin für
Frankireich ſeinen Herrn, verſpottet laſſen wir
ihn zieh'n, der Teufel hab’ ihn gern!“
. Oktober: 19 betrunkene franzöſiſche Sergeanten
durchziehen unter großem Lärm die Straßen von
Saarlouis, beſchimpfen die Paſſanten, dringen
mehrfach in Wirtſchaften ein und verüben dort
tollen Unfug. Franzöſiſche Gendarmerie wird an-
gerufen, ſchreitet aber nicht ein. Rault verſichert
ſtets, das Saarland brauche dieſe Beſchüter. Man
ſchiüßze uns endlich vor dieſen Beſchütern und
ſchicke ſie heim.
. Oktober: Am 7. Oktober 1677 wurde Graf Guſtav
Adolf von Saarbrücken für deutſches Recht
kämpfend in einem Gefecht gegen die Franzoſen
im Elſaß tödlich verwundet, er ſtarb 9. Oktober
1677 in Straßburg. In der hieſigen Schloßkirche
iſt ihm ein Denkmal errichtet, deſſen lateiniſch
verfaßte Aufschrift mit den Worten beginnt: ,„Süß
iſt der Tod für's Daterland.“ Deutſche Knaben
legten jezt einen Kranz nieder mit der Umſchrift:
„Jhrem deutſchen Heldengrafen in Verehrung
deutſche Knaben zum 7. Oktober 1925.“
Die Vorſitzende des Vaterländiſchen
Frauenvereins, den ſie seit 13 Iahren unter
großen perſönlichen Opfern leite, Frau Kom-
merzienrat Haldy, vollendet ihr 70. Lebensjahr.
Die Preſſe zollt reiche Anerkennung. Es heißt da
u. a.: „Während des Krieges ſtand ſie mit
tapferen Helferinnen, selbſt wirkend und hand-
angreifend, auf dem truppenumlagerten Bahnhof,
um den Kämpfern Deutſchlands Liebesgaben und
Pflege, Hilfe und Linderung darzubringen.“ Das
Kinderheim und andere Wohltätigkeits-Anſtalten
verdanken viel Frau Haldys Fürſorge. Ihr
Wirken wird in der Bürgerſchaft aller Kreiſe als
vorbildlich bezeichnet, von ihr gilt Goethes hohes
Lebensziel: „Edel ſei der Menſch, hilfreich und
gut.“ Der Bund der Saarvereine übermittelte der
hilfsbereiten Saarbrückerin ein Telegramm mit
Glück- und Segenswünſchen in herzlichen Worten.
. Oktober: Die ehem. 1t1. und 15. Ulanen bilden
eine kameradſchaftliche Dereinigung.
. Oktober: Große Kundgebung des Deutſchen Ge-
werkſchaftsbundes für das Saargebiet im Saar-
brücker Saalbau. Miniſterpräſident a. D. Dr h c.
Stegerwald iſt erſchienen. Seine Schlußworte
lauten: Laſſen Sie ſich von dieſem Grenzpoſten
nicht verdrängen. Wir wollen hüben wie drüben
gemeinſchaftlich arbeiten an unſerer paolitiſchen
Wiedervereinigung. Wir wollen eine Gemeinſchaft
in einem freien Deutſchland, nicht einem Klaſſen-
und Kaſtendeutſchland. Wir wollen kämpfen für -
eine wahre Volksgemeinſchaft.
156
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]
]
Saarkalender für das Jahr 1927.
. Oktober:
. Oktober:
Ü UaiitüdiiddidicddédésHIUI i...... UU
. Oktober:
. Oktober:
. Oktober: In dem Flaggenprozeß Kleber-Röchling
nimmt der Generalſtaatsanwalt die urſprünglich
eingelegte Reviſion zurück. Damit iſt der Prozeß
endgültig zu gunſten der beiden Beklagten ent-
ſchieden.
Die Deutſch-Saarländiſche Dolkspartei
ſchickt an die deutſche Delegation in Locarno ein
Telegramm. in welchem ſie den deutſchen Unter-
händlern ihr Vertrauen ausspricht und bittet,
keine Rechte für die Saar durch irgend ein
anderes Opfer, das die gesamten denutſchen
Intereſſen berührt, zu erkaufen.
Der ehemalige Artillerie-Derein des
Kreiſes Saarbrücken wird wieder neu ins Leben
gerufen.
. Oktober: Im Hinblick auf Locarno erklärt die
Preſſe, das Saargebiet wolle den heutigen ſchweren
Zuſtand weiter ertragen, falls eine Aenderung
nur mit anderen Opfern des Daterlandes erkauft
werden könnte. Die Mindeſstforderungen ſeien:
Keine franzöſiſche Mehrheit mehr in der Saar-
regierung, keinen franzöſiſchen oder frankophilen
Präſidenten und ein Parlament mit allen parla-
mentariſchen Rechten. Die Deutſch-Saarländiſche
Volkspartei richtet in dieſem Sinne ein Telegramm
nach Locarno, an deſſen Schluß es heißt:
„Deutſch, wie wir immer waren, bitten wir
daher auch Rechte für uns nicht durch irgendein
anderes Opfer für das Ganze zu erkaufen.“
Der Herausgeber des franzöſiſchen
Propagandablattes „Neuer Saarkurier“, Dr.
Schoettler, wird wegen Beleidigung des Bürger-
meiſters Dr. Neikes vom Obersten Gericht Saar-
louis als Berufungsinſtanz zu zwei Monaten
Gefängnis verurteilt.
. Oktober: Unterzeichnung des ,, Dertrages von
Loreruo" durch die Delegationen der beteiligten
. Oktober: Die ev. Gemeinde St. Iohann weiht in
der Johanniskirche eine bronzene Gedächtnistafel
für die gefallenen Gemeindemitglieder ein.
Der franzöſiſche Abgeordnete Uhry
ſchreibt im ,Peuplen: Man darf ſich nicht
täuſchen, die Dolksabſtimmung iſt jetzt ſchon ent-
ſchieden. . 0 . Unter den Bergarbeitern werden
wir nicht 100 Stimmen zu gunsten Frankreichs
finden.
. Oktober: Die ,,Deutſche Allgemeine Zeitung"
bringt Enthüllungen über die im Jahre 1920 er-
folgte Entsendung des Herrn Labie in die Finanz-
abteilung der Regierungskommissſion ~ ein Bei-
ſpiel der syſtematiſchen, politiſchen und wirtſchaft-
lichen Ausbeutung des Saargebietes durch Frank-
reich. Herr Labie konnte als lange Zeit nur
Frankreich verpflichteter Beamter ſeine ganzen
Anstrengungen darauf richten, die wirtſchaftliche
Ausſaugung des Saargebiets zugunſten Frank-
reichs ins Werk zu ſetzen. Er hat ſich dieſes Der-
trauens würdig erwieſen als wrirtſchaftlicher
Diktator. Das Ganze iſt aber nur als ein Akt
der franzöſiſchen Regierung zu beurteilen, Ver-
gewaltigungspolitik ohne Grenzen.
. Oktober: Auf Grund des endgültig freiſprechenden
Urteils im Röchlingſchen Flaggenprozeß ſind nun
alle Strafmandate wegen unbefugten Flaggens in
25.
25.
27.
29.
31.
31.
den Farben ſchwarz-weiß-rot, gegen die faſt aus-
nahmslos Einspruch erhoben worden war, zurück-
gezogen worden.
Oktober: Die Saarregierung will durch die
Gründung eines „Comptoir“ eine Preisſenkungs-
aktion hervorrufen. Das ,,Comptoir“ ſoll den
ganzen Einkauf von Lebensmitteln für die
hieſigen Konſumvereine in die Hand nehmen.
Hinter der neuen Gründung verbirgt ſich die
Tendenz, die deutſchen Waren endgültig aus dem
Saargebiet zu verdrängen und den Saarmarkt
durch dieſe Form der pénétration pacikique
an Franktreich auszuliefern.
Oktober: Der Hauptausſchuß für die Rheiniſche
Jahrtauſendfeier im Saargebiet gibt bekannt, daß
entgegen den Berichten der Regierungskommißssion,
die von großen Propagandamitteln ſprechen und
entgegen den Aeußerungen eines ſozialdemo-
kratiſchen Landesratsabgeordneten ſich die Geſamt-
ausgaben des Zentralausſchuſſes auf 85 157,50 Fr.
belaufen. Dieſe Koſten wurden ſämtlich durch
freiwilige Spenden von Saarbrücker Bürgern
gedeckt.
Oktober: Vertreter von 13 000 Handwertzs-
betrieben aus dem Saargebiet verſammeln ſich
im Johannishof zu einer machtvollen Kund-
gebung für das bedrängte Saarhandwerk. Ge-
fordert wird weitere Stundung der Steuer für
19258, Abbau der Gewerbeſteuer, Umſagtſteuer-
erleichterung, Ablehnung des von franzöſiſcher
Seite erſtrebten Lebensmittel-Comptoirs, Stellung
gegen die Konsumvereine uſw.
Oktober: Im preußiſchen Landtag wird auf die
troſtloſe Lage der Witwen und Waiſen, Sozial-
rentner und Bergarbeiter im Saarrevier hin-
gewieſen und baldige Abhilfe der Not gefordert.
Oktober: Der , Saarbrücker Kriegerverein“ kon-
ſtituiert ſich endgültig in ordentlicher Haupt-
verſammlung im katholiſchen Dereinshauſe
(Deutschherrnpfad). 190 Mitglieder zeichneten
ſich ein.
Ettobee: ! Dollar ~ 23,75 Fr. ~ ! Reichsmark
m 5,66 Fr.
November 1925.
. November: Die Preſſe bringt Artikel über das
erſte Waſſerkraftwerk im Saargebiet bei Mett-
lach. Sechs Millionen Tonnen Waſſer geſtaut,
Krafterzeugung: jährlich 25 Millionen Kilowatt-
ſtunden. Der Bau wurde begonnen Herbſt 1924
durch die Saarkraftwerke G. m. b. H. mit dem
Siz in Merzig unter Beteiligung der Ktreiſe
Saarlouis und Merzig.
. November: In Landsweiler (Reden) erlitt durch
leichtfertigen Grubenabbau das Mauerwerk des
Waſſerbehälters Riſſe.. Die Gemeindeverwaltung
beſchloß, einen Hochbehälter zu errichten.
. November: Ueber die verzweifelte Wirtſchaftslage
im Saargebiet durch die ſtets sich verringernde
Kaufkraft des Franken verhandeln die chriſtl..nat.
Arbeiter,. Beamten- und Axngeſtellten-Organi-
sationen. Preissteigerungen machen bei an ſich
unzureichender Bezahlung das Leben unerträglich,
die Lage wird für den größten Teil der Be-
völkerung als unhaltbar bezeichnet.
157
12.
. November:
. November:
. November:
. November: Der deutſche ,, Metallarbeiter“,
. November:
Saarkalender für das Jahr 1927.
Praktiken der franzöſiſchen Berg-
werksdirektion. Die Bewohner von Schnappach,
die durch Grubenraubbau ihre Häuſer verloren
haben, mußten sich zur Klage gegen das haftbare
Bergamt entſchliezſen. Mitte April 1925 wurde
die Klage anhängig gemacht, der erſte Termin
auf den 30. Oktober anberaumt. Trotz der
langen Zeit ließzen am Vortage des Termins die
Franzoſen erklären, daß ſie noch einen Schriftſatz
einreichen möchten, die Sitzung daher verſchoben
werden müſſe. Unerhört!
Vor der Strafkammer Saarlouis
wurde in einer Klage des Saarbrücker Bürger-
meiſters, Dr. Neikes, gegen die Weſtpropaganda-
Zeitung , Saarlouiſer Iournal“ der Französling
Miniſterialdirektor Notton wiederum bloßgeſtellt
als Drahtzieher des ,,kirchlichen und politiſchen
Separatismus®“.
Beim Merlenbacher Grubenunglück
verſprach Miniſterpräſident Herriot als erſte Hilfe
Frankreichs 150 000 Fr. für die Hinterbliebenen
der Opfer. Trotz mehrfacher Erinnerung und
Bitten iſt bis heute kein Centime eingetroffen.
. November. Der Bürgermeiſter der Stadt Saar-
brücken, Dr. Neikes, veröffentlicht eine umfang-
reiche Niederſchrift über die Umſtände, welche ihn
im Jahre 1919 in das Saargebiet führten. Die
Darlegungen beweiſen, wie haltlos die Unter-
ſtellungen geweſen ſind, welche von der ſeparatiſti-
ſchen Preſſe des Saargebietes zur Bekämpfung des
Bürgermeiſters vorgebracht worden waren.
bas
Organ der chr.,...ichen Metallarbeiterverbände
Deutſchlands, beſprach in einem längeren Artikel
die ernſten Gefahren, welche für das Saargebiet
durch den augenblicklich tobenden parleipoliliſchen
Kampf entſtanden ſind, und mahnt zur Einigkeit.
. November: Im ganzen Sulzbachtal Bergarbeiter-
Derſammlungen. Bittere Klage über elende
Löhnung und ſchlechte Behandlung. Ueberall An-
nahme einer Entſchließsung, in der Uebergang zu
wertbeſtändiger Entlehnung und beſſere Behand-
lung dringend gefordert wird.
November: Aus Hühnerfeld wird gemeldet: Durch
allzugroße Ausbeutung der zu Tage führenden
Kohlenflöze erfolgte in der Brefelderſtraße eine
Senkung, deren Tiefe 7 Meter beträgt.
Die Wirtſchaftslagſe im Saargebiet
wird mit jedem Tage düſterer. Auch im Bau-
und Holzgewerbe macht ſich dies, wie in allen
Wirtſchaftszweigen, bemerkbar. Nach einem
Streikausbruch bei den Bautiſchlern erklärt der
Arbeitgeberverband für das Baugewerbe in der
Preſſe, falls der Teilſtreik des Deutſchen Holz-
arbeiter-Derbandes nicht zurückgenommen werde,
erfolzſe am 19. November die Aussperrung im
ſaarländiſchen Baugewerbe in allen Fachgruppen.
. November: Die Gemeinde Rentriſch hat den im
Weltkrieg Gefallenen des Ortes ein würdiges
Denkmal errichtet. ;
. November: Linksſtehende Kreiſe des Saargebietes
veröffentlichen in der Preſſe einen Aufruf zur
üiſoung des Reichsbanners ſchwarz-rot-gold im
14.
. November:
November: In Saarbrücken veranſtaltet der Der-
kehrsverein einige Werbeflugtage, welche die Be-
völkerung mit der Sicherheit des modernen Flug-
wesens vertraut machen ſollen und als UAuſftakt
zur künftigen Einbeziehung Saarbrückens in das
internationale Flugliniennetz gedacht ſind.
. November: Die 12. Dollverſammlung der Hand-
werkskammer weiſt auf den ſchweren wirtjchaft-
lichen Druck und Uueoergang des Saargebiets hin.
„Die KRegierungsaommiſsſion ergreift dagegen
nichts, was ſie tut, iſt gegen uns gerichtet.“
„Iur eine großzügige, auf das Woh. der
Gesſamtbevölkerung gerichtete Wirtſchaftspolitik
im Einvernehmen mit den Berufskreiſen kann
die Lage mildern.“ Unter allgemeiner Zu-
ſtimmung wird der VWliiederanſchhujß an das
deutſche Wirtſchaftsgebiet gefordert.
. November: Die Chriſtianen-Anſtalt in St. Iohann
kann heute ihr T75jähriges Beſtehen feiern. Nach
einem Aufruf von Louis Roll’ konnte 1849 mit
einem Betrag von 197 Talern 18 Groſchen die
Kleinkinder - Bewahranſtalt eröffnet werden.
Zimmermeiſter Schmidt und ſeine Frau Chriſtiane
überließhen ihr ganzes Anweſen für 1500 Taler
mit der Bedingung, dem ſozialen Unternehmen
den Namen Chriſtianenanſtalt zu geben.
. November: Der Landesrat nimmt zu dem Der-
trag von Locarno Stellung. Die allgemeine Aus-
ſprache wird von den Parteien dazu benutt, um
einſtimmig die Rückkehr des Saargebietes zum
deutſchen Daterlande zu fordern. Diese bedeut-
ſame Kundgebung fand bei der geſamten Be-
völkerung lebhaften Widerhall. Gefordert wird
noch u. a. die Wiedereinführung der Markt-
währung, ferner die Rückkehr der in der franzö-
ſiſchen Armee als Frembenlegionäre feſtgehaltenen
„Saar-Einwohner“. Sodann kommt noch zur
Sprache die Haltung Frantkreichs gegenüber den
ſaarländiſchen Eiſenbahnlinien Merzig~Betzdorf,
Dillingen~Buſendorf und Bous ~DVölklingen~hHar-
garten. Gefordert wird, daß ſämtliche, im Saar-
gebiet liegenden Strecken und Einrichtungen der
ehemals elſaß-lothringiſchen Reichs-Eiſenbahnen
dem Netz des Saargebiets angegliedert werden,
Schadenerſaß und Uebernahme ſämtlicher Ange-
ſtellten durch die Derwaltung der Saarbahnen.
. November: Auf Grube Hirſchbach werden junge
Bergarbeiter entlaſſen, weil ſie auf dem Heimweg
deutſche Lieder geſungen haben.
Die Zollſcherereien an der Grenze nehmen kein
Ende. Die franzöſiſchen Zöllner verlangen ſogar
im deutschen Saargebiet, daß man mit ihnen
franzöſiſch ſpreche. Im Vertrag zu Versailles ift
den Saarländern der Gebrauch ihrer Mutter-
ſprache zugeſichert.
In dem Gerwertſchaftsblatt ,,Le
peuple“ sezt Uhry seine Enthüllungen über das
Saargebiet fort. „Statt im allgemeinen Intereſſe
zu arbeiten, haben die, die wir zu unserem Un-
glück nach dem Saargebiet entſandten, besonders
daran gedacht, mitzuverdienen (à prokiter avec “
. . . Dieles bedeutet einen wirklichen Skan-
dal . . . .“ „Die wachsende Unzufriedenheit in der
Bevölkerung, und besonders unter den Bergarbei-
tern, mußte uns alle Sympathien verderben.“
„Der Minister des Aeußern müßte bald prüfen,
158
Saarkalender für das Jahr 1927.
20.
21.
21.
* 22.
25.
in welch e le g ant er F o r m man Oeutſch-
land das Saargebiet zurückerſtatten kann.“ Uhry
wegen ſeines Gehalts von 75 000 Fr. keinen. Dor-
berichtet noch: Man kann dem Leiter Detfline
wurf machen, wenn er nicht durch ſeine Schwäche
alle Gaunereien und Betrügereien gedeckt hätte.
Das Durchſchnittsgehalt der höheren Beamten be-
trägt 45 000 Fr., das ſich für einen 1ngénieur
principal oder einen ihm gleichgeſtelltten Beamten
um 45 000 Fr. im Jahre und für einen ingénieur
ordinaire um 30 000 Fr. erhöht. Man iſt in der
Tat aufs höchſte verblüfft, zu sſehen, daß es im
Saargebiet Leute mit nahezu unnützen Funktionen
gibt, die ſich neben ihrem militäriſchen Gehalt
auf mindeſtens 100 000 Fr. im Jahre ſtehen. Dazu
kommen noch freie Wohnung, Heizung, große
Gärten mit koſtenloſer Bearbeitung, ein Auto uſw.
Es iſt Zeit, Ordnung im Hauſe zu ſchaffen.
November: Die Ausſperrung im gejamten Bau-
gewerbe des Saargebiets erfolgt heute.
November: Auf dem Kreistag des Landkreiſes
Saarbrücken kommt u. a. zur Sprache, daß die
Mieten für die kreiseigenen Gebäude zu gering
ſeien, beſonders für das Kreishaus, das Rault be-
wohne, würden nur 10 Proz. Miete bezahlt. Das
Gebäude hat einen Wert von 650 000 Goldmark.
Bei den üblichen 7 Prozent Zinſen müßte eine
Miete von 46 000 Mk. bezahlt werden, tatſächlich
erhält der Kreis nur 50 000 Fr. oder 9103 Mk.
November: Ring ehemal. Flieger und Luftſchiffer
an der Saar wird ins Leben gerufen.
November: Aus der Wallerfanger Ecke, in der
Gutsbeſizer Gérard Fabvier, franzöſiſcher Leut-
nant, ſein Domizil hat, wird gemeldet, daß Fab-
vier, beim Einzug der Franzoſen als Adjutant in
Saarlouis tätig, damals die Fahne des Waller-
fanger Kriegervereins anforderte. Er weigert ſich
heute noch hartnäckig, das Symbol dem Vereine
zurückzugeben und behauptet, ſie müſſe auf dem
Landratsamt Saarlouis ſein. Feſtgeſtellt wird, daß
dies unwahr iſt. Die Weſtorientierung des ,, Saar-
louiſer Iournals“ iſt das Werk dieſes Französ-
lings. ;
. November: In der Preſſe wird ſtatiſtiſch nachge-
wieſen, daß ſich die Zahl der Grubenunfälle durch
das rückſichtsloſe Syſtem der Franzoſen um 537
Fälle oder 55,7 Prozent vermehrt habe.
. November: Gegründet wird ein Landesverband der
Dereine ehemal. Angehöriger des Rhein. Jäger-
bataillons Nr. 8 und der aus dieſem Bataillon
hervorgegangenen Formationen.
. November: Aus Schnappach wird gemeldet, daß in
der langgeſtreckten Hauptſtraße kaum noch ein
Haus zu finden ſei, das nicht durch den Gruben-
raubbau der Franzoſen gelitten habe. Ueberall
Riſſe im Mauerwerk und Spuren von Senkungen.
. November: Die Regierungskommiſſion veröffentlicht
einen neuen Entwurf eines Geſeßes zur Regelung
der Wohnungswirtſchaft. Die Landesratsfrak-
tionen erheben die Forderung, die Regierung
möge die Maßnahmen bekanntgeben, welche ſie zur
direkten Förderung des Wohnungsbaues zu er-
greifen gedenkt.
November: Als Kläger vor Gericht gegen die
„Saarbrücker Zeitung“ treten zwei üvelbeleumun-
dete pfälziſche Separatiſten auf. Aſſeſſor Dr.
30.
29.
29.
. Dezember:
. Dezember:
Schmidt und Brauercidirektor Schmidt aus Land-
ſtuhl ſüblten ſich beleidigt durch eine Kennzeich-
nung ihrer Perſönlichkeiten in der Zeitung als
Derräter und Derbrecher am Volkstum. Beide
ſtanden an führender Stelle des ſeparatiſtiſchen Ge-
lichters in der Pfalz. Das Gericht ſpricht die
beiden angeklagten Redakteure frei und verurteilt
die Landes- und Hochverräter zu den Koſten. In
der ganzen Pfalz wurde der Ausgang des Prozeſſes
mit großem Iubel aufgenommen. Der Prozeß ent-
hüllt ſcheußliche Szenen aus der Separatiſten-
Herrſchaft.
28. November: Die , Saarbrücker Zeitung“ veröffent-
licht eine Denkſchrift der Regierungskommiſß ion,
in der der Ministerialrat Dr. Colling maßgebend
beteiligt geweſen sein ſol über die Errichtung
eines sſ a ar l än d i ſ <q en M u ſ e um s. In
dieſer Denkſchrift heißt es, man wolle im Saar-
gebiet ein dauerndes Andenken an den Dölkerbund
ſchaffen und mit der Gründung des ſaarländiſchen
Muſeums den Ausbau des Heimatmuſeums der
Stadt Saarbrücken vereiteln.
November: 40 Derſammlungen des Gewertkvereins
chriſtlicher Bergarbeiter proteſtieren gegen die
kärgliche Entlohnung, fordern u. a. Einführung
wertbeſtändiger Zahlung, Erhöhung des Urlaubs
und bezeichnen das neue Knappſchaftsgeſez als
große Enttäuſchung für Invaliden und Witwen.
November: Der Verein deutſcher Eiſenhüttenleute
verleiht Kommerzienrat Dr. R ö ch l i n g - Dölk-
lingen für die Förderung des Eiſenhüttenweſens
und ſein Eintreten für die Erhaltung des Deutjſch-
tums im Saargebiet die Karl-Leug-Denkmünze.
November: 1 Dollar — 25,80 Fr., 1 Reichs-
mark — 6,14 Fr.
Dezember 1925.
Der franzöſiſche Arbeitsminiſter d e
M o nz i e weilt in Saarbrücken, um die ſozialen
Derhältniſſe auf den franzöſiſchen Staatsgruben zu
prüfen und um mit den Bergarbeiterorganiſationen
in Derhandlung zu treten.
. Dezember: Gründung einer Geſellſchaft für ſaar-
ländiſche Heimatforſchung. Ehrenvorſitender Prof.
Dr. h. c. Ruppersberg.
Die Regierungskommiſſion erteilt Genehmigung
zur Herſtelung einer direkten Fernſprechvertin-
dung Saarbrücken~Berlin.
Großes Schadenfeuer in der Saar-
brücker Ulanenkaſerennee.
. Dezember: In B er lin findet eine eindrucks-
volle S a ar k un d g e b u n g ſtatt, in der als
Dertreter der Saarbevölkerung Herr Pfarrer
R e i ch a r d - Saarbrücken ſpricht.
. Dezember: In OVölklingen wird zwiſchen den
Röchlingſchen Eiſen- und Stahlwerken und der
deutſchen eiſenſchaffenden Induſtrie ein A b -
komm en über d en A b s a ß d e s s a ar l än -
d i ſ <q en E iſ ens n ach D e u t ſ ch l a n d ge-
ſchloſſen.
. Dezember: Seit einem Iahre warten Handel, Ge-
werbe, Landwirtſchaft, Arbeitnehmer auf die ver-
ſprochene Regelung des kleinen Grenzverkehrs an
der deutſch-ſaarländiſchen Grenze. Große Nachteile
159
10.
. Dezember:
. Dezember:
Saarkalender für das Jahr 1927.
der betroffenen Ortſchaften. Die Regierungskom-
miſſion hat auch hier die Hände in den Schoß ge-
legt in einer Sache, die innerhalb weniger Tage
geregelt ſein könnte. In einer großen Derſamm-
lung in St. Wendel wird die Nachläſſigkeit der
Regierungskommiſſion gegeißelt.
Die Nachfahren Ritter Bayards. Der Ing. Dir.
Faucher, Grube Altenwald, erteilt den Freunden
des verſtorbenen Steigers R. keinen Urlaub, dem
Entſchlafenen die lezte Ehre zu erweiſen. Dagegen
mußten die Grubenbeamten bei der Beerdigung
einer alten Tante des Ing. Div. Goffin antreten,
ebenſo bei der Beerdigung des alten Daters des
Ing. TCollet.
Gelegentlich der Tagung der Wirtſchaſtsverbände
wird erwähnt: Die Zahl der Konkurſe betrug i. I.
1924 — 79. Die Zahl der Konkursanträge i. I.
1925 bis zum 30. November betrug 75. Die Zahl
der Löſchungen vom 1. Januar bis zum 30. No-
vember 1925 — 420. Im gleichen Zeitraum 1924
waren es 220 und i. I. 1923 – 173. –~ Neuein-
tragungen 1923 — 558, 1924 — 479 und 1925
~ 287. Behandelt wird in der Tagung auch das
Frankenelend, die Inflation und die Zollabſchnü-
rung. Gefordert wird, daß der franzöſiſche Staat
dem Saargebiet ausreichende Frankenkredite zur
Derfügung ſtelle und ſo den Schaden ausgleiche,
den die gewaltſame Aufdrängung des Franken ge-
bracht habe. Frankreich ſei für die Einführung
des Franken verantwortlich zu machen.
In einer Derſammlng der Deutſch-
Saarländiſchen Dolkspartei weiſt Landesratsmit-
glied Schmelzer auf das Unſinnige der Trennung
der Saarbahnen von den Reichsbahnen hin. Nur
aus Gründen des franzöſiſchen Preſtiges habe die
Regierungskommission dieſe Sünde begangen. Auf
15 Millionen Defizit veranſchlage man das dies-
jährige Reſultat, in der Praxis würden es wohl
30 Millionen werden, die durch Steuern der Be-
völkerung zu decken seien. Wieder an ure Reichs-
bahn angegliedert, hieße für uns 30 Millionen
Steuern weniger. Nur die getrennte Derwaltung
mache den Betrieb verluſtreich, vereinigt mit der
Reichsbahn wäre ein Ueberſchuß zu erzielen.
Lohnverhandlungen zwiſchen Berg-
werksdirektion und den Organiſationen der Berg-
arbeiter endgültig gescheitert. Letztere wenden ſJich
um Dermittlung an den franzöſiſchen Miniſter für
öffentliche Arbeiten de Monzie. Am 19. Dezember
Derhandlung. Cöhne der Bergleute ſollen ab
1. Ianuar um 15 Prozent erhöht werden. Ent-
täuſchung der Bergknappen. Das Lohnangebot wird
am 22. Dezember vom Bezirksvorſtand des Der-
bandes der Bergarbeiter Deutſchlands abgelehnt.
Auch der Gewerkvercin chriſtlicher Bergarbeiter
Tlehnt die Dorſchläge de Monzies ab. Die Gewerk-
vereinsleitung wird beauftragt, gemeinſam mit
den anderen Organiſationen ein günſtigeres Er-
gebnis zu erzielen. Falls dies nicht gelinge, ſoll
der Tarif gekündigt werden.
Dezember: Dom 10. Dezember bis zum 21. De-
zember Verhandlungen einer Delegation der Re-
gierungskommiſssion des Saargebiets, Stephens als
Führer, mit einer deutſchen Delegation, Führer
Dortragender Legationsrat v. Friedberg über Be-
ſoldungsreform für die Saarbeamten. Die tatſäch-
lichen Folgen der Beſchlüſſe über Gehaltsbezüge
erregen wegen ihrer Unzulänglichkeit in den Be-
amtenkreiſen große Unzufriedenheit.
135.
22.
26.
28.
29.
Dezember: S a ar b a h n ſtr e en untet
fr anz öſ i ſ < er D e r w a l t u n g. Die Preſſe
meldet über einen Antrag des Zentrums und der
Deutſch-Saarländiſchen Dolkspartei an die Saar-
regierung, die im Saargebiet liegenden Eiſen-
bahnſtrecken, die bisher franzöſiſchem Betrieb
unterſtehen, dem Saarland wieder zuruuzugeben.
Es handelt ſich um die auf unſerem Gebiet liegen-
den Strecken der ehemals der Reichsbahn in Elſaß-
Lothringen als deren ausſchließliches Eigentum ge-
hörenden Linien: 1. Merzig-Betzdorf, 2. Dillingen-
Buſendorf, 3. Bous-Dölklingen-Hargarten.
Dezember: Die Regierungskommiſſion hatte die
Wahl Dr. Dogt's zum Berufsbürgermeiſter von
Mittelbexbach nicht bestätigt, er erſchien ihr nicht
gefügig genug. Bei der Neuwahl wurde Dr. Vogt
wiedergewählt. Die geſamte Bürgerqjuzaft ſteht ge-
ſchloſſen hinter der Mehrheit des Gemeinderats.
Dezember: Die Stadt Saarbrücken übergibt das
neuerſtandene Heimatmuſeum der Oeffentlichkeit.
Kunſtmaler H. Keuth Leiter des Muſeums.
Dezember: Dom 28—30. Dezember Hochwaſſer der
Saar. Höchſtſtand 6,06 Meter in Saarbrücken.
Dezember: Berliner Blätter bringen die Meldung
von der Abberufung des Direktors der Saar-
gruben, Défline. Die Angriffe des Abg. Uhry
wegen der keoſtſpieligen Vetternwirtſchaft ſollen
31.
. Januar:
ihn geſtürzt haben.
Dezember: 1 Dollar — 26,35 Fr. ~ 1 Reichs-
mark — 6,27 Fr.
Januar 1926.
Neujahrsgarüskes an das Saargebtet
ſandten Minister Severing, Regierungspräſident
v. Halfern, Oberbürgermeiſter Mangold u. a.
. Ianuar: In Saarbrücken wurden 1925 gemeldet
2482 Lebendgeburten, 102 Totgeburten, 1258
Sterbefälle, 1155 Eheſchließungen. Die Anzahl der
Geburten hat gegen das Vorjahr um 10 Prozent
abgenommen. Die Stadt Saarbrücken zählt Ende
Dezember 125 117 Personen.
Mittelb ex b a < zählt 6472 Seelen (männl.
3269, weibl. 3205). –~ N e u n k i r ch e n zählt
40 822 Seelen (20 222 männl. und 20 600 weibl).
Die HBevölkerungsziffee der üKHürgermeiſteret
S u l z b a ch : 23 464 Perſonen. – S a ar l o u i s
zählt Ende Dezember 16 582 Seelen (8096 männl.
und 8486 weibl.). – Die Bürgermeiſterei
D il lin g e n zählt 13 291 Seelen, Dillingen 9685
und Pachten 3606. – S t. W en d e l zählt 8240
Einwohner (4227 männl. und 4013 weibl.).
. Ianuar: Das Heimatmuſeum der Stadt wird dem
allgemeinen Beſuch geöffnet. Die erſte Sonder-Aus-
ſtelung bringt von dem Saarbrücker Maler
Yrgenver (1756-1812) eine reiche Zahl seiner Ar-
. Ianuar: Noch immer franzöſiſche Rekrutierungen
im Saargebiet. Die „Saarbrücker Zeitung“ bringt
wieder einen Fall zur Sprache, in dem franzöſiſche
Gendarmen in das Haus Criererſtraße 17 etn-
drangen und dort einen jungen Mann feſtnahmen,
der faſt nur im Saargebiet gelebt hat, um ihn
dem Militär zuzuführen. Ein unerhörter Rechts-
bruch nach den Abmachungen von Versailles. Er-
wartet wird, daß die Regierungskommiſſion end-
lich auf das Ungeſetzliche des Vorgehens des Mili-
tärs aufmerkſam macht. Franzoſenwirtſchaft!
160
Der Herr Kreisſchulinſpektor. Der Lehrer ermahnt die Schüler, ſich bei dem Beſuche des Vorgeſetten recht
reſpektvoll zu benehmen und höflich jeder Antwort „Herr Kreisſchulinſpektor“ anzufügen. Die Sache ging an-
fänglich gut, der Dorgeſsette iſt über dieſe Höflichkeit angenehm berührt. Man behandelt den Sündenfald. Lehrer:
„Vas ſagte der liebe Gott zur Schlange?“ Die Tochter des Lehrers hebt den Finger und ſagt: „Und Gott der
Herr ſprach: Auf dem Bauche ſollſt du kriechen und Erde fresſſen dein Lebenlang, Herr Kreisſchulinſpektor!"
„Aber, aber!“ wehrt der Lehrer ab, worauf die Kleine ſich verbeſſernd: „Und der Herr ſprach: ich will Feind-
ſchaft ſezen zwiſchen dir und deinem Weibe, Herr Kreisſchulinſpektor!“
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Saairukalender für das Jahr 1927.
. Januar:
. Januar:
. Ianuar: In Frankfurt beginnen über die Sozial-
verſicherung im Saargebiet Verhandlungen mit
dem Reich. Die Regierungskommiſſion handelte
nicht im Geiſte dieſer Beſtimmungen trotz allem
Drängen von deutſcher Seite. Durch die Ab-
trennungspolitik in der Sozialverſicherung geſchah
das Unglück in der Kranken-, Unfall-, Invaliden-,
Hinterbliebenen- und Angeſtellten-DerJicherung.
. Ianuar: Der Lohnkonflikt im Bergbau beigelegt
durch 5,6 Prozent Lohnerhöhung mit Wirkung vom
15. Dezember. In Schwerinduſtrie Zwiſt beigelegt
durch 6,2prozentige Lohnerhöhung ab 1. Ianuar.
Der vom Schlichtungsausſchuß am
5. Januar gefällte Schiedsſpruch über den Lohn-
kampf im Baugewerbe wird von den Holzarbeitern
abgelehnte. Der Arbeitgeberverband beſchließt
darauf, die Geſamtausſperrung fortzuſetzen.
Die Regierungskommiſsſſion hebt das
Zuwachsſteuergeſejß auf mit rückwirkender Kraft
bis zum 1. Oktober 1925.
. Ianuar: Das ,, Echo de Paris“ ſchreibt u. a. über
die Saarpolitik Frankreichs: „In wirtſchaftlicher
Beziehung ſind wir die Herren des Landes. In
politiſcher Hinſicht dürfen wir nicht mehr hoffen,
daß die Saarländer ſich in neun Jahren zu einem
Anſchluß an Frankreich entſchließgen werden.“.
„Soviel wir wiſſen, war die Politik des Herrn
Rault in jeder Hinſicht korrekt.“ „Soviel wir
wiſſen“, ſchreibt das Blatt, es muß unendlich
ſchwerhörig ſein. Die Deutſche diplomatiſch-poli-
tiſche Korreſpondenz weiſt die Anmaßungen des
„Echo de Paris“ zurück und wirft Rault ſeine
Haltung gegenüber der Bevölkerung vor. Die
Abtrennung der Sozialverſicherung von der preußi-
ſchen ſei für 30 000 Perſonen verhängnisvoll, da
die Leiſtungen der ſaarländiſchen Sazialverſiche-
rung kaum über 50 Prozent, in ungünſtigſten
Fällen 1520 Prozent gegenüber den deutſchen
Leiſtungen betrage. 7-10 franzöſiſche Papier-
franken im Monat ſei Ereignis geworden.
. Ianuar: Der myſteriöſe Ueberfall auf den ge-
flüchteten Französling, Herausgeber des ,, Saar-
Kuriers“", den Separatiſtenhäuptling Schöttler,
findet vor Gericht ſeine Aufklärung, Der Lock-
ſpizel Steigner die treibende Kraft, Schöttler
ſelbſt der Waffenlieferant. Steigner 1 Iahr 9 Mo-
nate Gefängnis, ein von ihm verführter Iüngling
1 Jahr. Schöttler zog es vor, nach Lothringen zu
verſchwinden.
. Ianuar: Der , Saar-Bergknappe“" rechnet mit der
Untätigkeit der Regierungskommission im Jahre
1925 ab. Renten ſeien kläglich, Witwen mit zwei
und mehr unverſorgten Kindern pro Monat 112,50
Franken Rente, alleinſtehende Witwe 37,50 Fr.
Dies Elend ſchreit zum Himmel. Für andere
Gruppen ebenſo ſchlecht, während im Reiche bis
zu 8000 Mk. der Rentenberechnung zu Grunde ge-
legt werden.
. Ianvar: Friz Remm f. Teilnehmer am erſten
P rtrgnimenrttt unserer 7. Ulanen im Kriege
. Ianuar: Mit dem heutigen Tage erfolgt die
Wiederaufnahme der Arbeit im ſaarländiſchen
- Holz- und Baugewerbe. Der qwek.: Monate lange
Lohnkampf iſt beendet.
19.
20.
20.
21.
22.
25.
25.
26.
27.
29.
Ianuar: Endergebnis der Knappſchaftswahlen:
Gewerkverein chriſtlicher Bergarbeiter 21 894 und
Derband der Bergarbeiter 23 578 Stimmen.
Ianuar: Die Zeollſchikanen der Franzoſen in
JIägersburg auf der Strecke Homburg~Kreuznach
werden in der Preſsſe als unerträglich geschildert.
Januar: Erich Dombrowski erörtert im ,,Berl.
Tagebl.“ den Rückkauf der Saargruben, als Kauf-
preis könnten höchſtens 200 Millionen Mark be-
willigt werden. Voraussetzung für ſolche Einigung
ſei die volle Rückgabe des Saargebiets an Deut9ſch-
land. Sei dies nicht der Fall, habe Deutſchland
kein Intereſſe an dem jetzigen Wiedererwerb der
Saargruben.
Januar: Der franzöſiſche Deputierte Uhry äußert
ſich noch einmal über die Saarfrage, wünſcht
deutſch-franzöſiſche Annäherung, um Mittel zu
ſuchen, „die im Saargebiet eine Volksabſtim-
mung vermeiden, das Land aber in voller Sou-
veränität der deutſchen Nation wiedererſtatten“.
Der Rückkauf der Saargruben müſſe getätigt wer-
den. Nach Uhry iſt der Wert derſelben ,,nach
allen Derbeſſerungen auf 2 Milliarden Goldmark
zu ſchätzen“. Die Presſſe macht ſich luſtig über
dieſe phantaſtiſche Zahl und gibt als zutreffend
200 Millionen Reichsmark an.
Januar: In Ausführung einer Stiftung des
ehemaligen Kkommiſssariſchen Bürgermeiſters . von
Saarbrücken, Aug. Klein, ſtellen ſeine Erben eine
6050 Muadratmeter große Fläche der Stadt zur
Derfügung, die mit Eigenheimen für Kriegsbeſchä-
digte der Stadt Saarbrücken bebaut werden ſoll.
Januar: Der Reichsknappſchaftsverein will den
in großer Not befindlichen Knappſchafts-Renten-
empfängern helfen und 1,5 Millionen Reichsmark
überweiſen. Die franzöſiſche Bergwerksdirektion,
die das Elend verſchuldet hat, wendet ſich ſogar
gegen die deutſche Hilfe, „weil ſie aus Prinzip
gegen eine ſolche Art der Penſionserhöhung iſt“.
Eröffnung der Straßenbahnlinie Friedrichsthal]
Elversberg~Spieſsen.
Januar: Riesenverſammlung der Eisenbahner des
Saargebiets proteſtiert gegen die von der Regie-
rungskommiſſion angebotene Erhöhung des Lohnes
von 10 Cts. die Stunde und verlangt 30 Prozent
Lohnerhöhung wegen der ſtets wachſenden Teue-
rung durch den ſinkenden Wert des Papierfranken.
Ianuar: Große landwirtſchaftliche Tagung für
das Saargebiet.
Ianuar: Die allgemeine Notlage läßt ſich aus
den Konkurſen und Zwangsverſteigerungen leicht-
hin erkennen. Die Nummer der ,, Saarbrücker
Zeitung“ vom heutigen Tage bringt allein vier
Bekanntmachungen über Zwangsverſtengerungen.
Januar: In St. Ingbert wird eine Gedenkfeier
für den heimiſchen Dichter Karl Aug. Woll be-
lckozen. Sie ſol am 27. Februar abgehalten
. Ianuar: Zu dem unerschöpflichen Kapitel „Fran-
zoſenwirtſchaft auf den Saargruben“ bringt. die
Preſſe über die Lieferung der Grubenhölzer be-
zeichnendſe Meldungen. Nach der Uebergabe
lieferten zunächſt anerkannte deutſche Firmen
weiter, da aber ſelbſt nach mehreren Monaten
keine Bezahlung erfolgte, ſtelte man die Liefe-
rungen ein. Die franzöſiſche Derwaltung ſchied
161
f
Saarkalender 1927
11
Saarkalender für das Jahr 1927.
3].
nunmehr die deutſchen Firmen aus und franzö-
fiſche traten an ihre Stelle, ſehr bald 100 Firmen.
Faſt in jeden Waggon war 1,3; des Holzes un-
brauchbar. Es mangelte überdies an dem hier für
Grubenſtempel allein verwendbaren Nadelholz.
Man beſtellte es in der fernen Tſchechoſlowakei,
brachte das Holz, 7—-8000 Waggons, in ein Zen-
trallager bei Fürſtenhauſen und erſt von dort
wurden die Gruben beliefert. Einzelne Gruben
weigerten ſich, das ſchlechte Holz, das als Stempel-
holz bezahlt war, anzunehmen. Man benugtte es
zu Brenn- und Pfeilerholz. Folge: ein Holz-
mangel, daß bisweilen Betriebe eingeſtellt werden
mußten. Verſchwendung von Millionen, Unfähig-
keit des Perſonals des Holzmagazins und der
Holzabteilung mit ihren vielen Büros.
Januar: Veröffentlicht wird der 23. Bericht der
Regierungskommiſssion nach Genf. Er behandelt
die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1925. Er-
wähnenswert über die wirtſchaftliche Cage iſt die
angegebene Zahl der Arbeiter 192 709. Gruben
72 179, Schwerinduſtrie 32 527, verarbeitende In-
duſtrie 13 484, keramiſche Induſtrie 8502, Glas-
induſtrie 3434, chemiſche Induſtrie 2489, Holz-
. induſtrie 2030, Baugewerbe 2906, ſtaatliche und
31.
31.
31.
kommunale Betriebe 17 962.
Januar: In einer Zentrumsverſammlung in Mal-
ſtatt rechnet Rechtsanwalt Steegmann mit dem
Französling, Miniſterialdirektor Dr. Notton ab.
Er kennzeichnet ihn als den Unruheſtiſter in der
Partei aus Eigenintereſſe, der auch im Falle
Muth der einzige geblieben ſei, der kein offenes
Bekenntnis zum Deutſchtum abgelegt habe. Dr.
Notton ſei aus der Partei ausgeſchloſſen, er ver-
ſuchte und verſuche jetzt noch, den kerndeutſchen
Bürgermeiſter Saarbrückens durch ein Diſziplinar-
verfahren zu entfernen. In einem Prozeß hätten
ehrenhafte Männer beſchworen, daß N. auf
kirchenpolitiſchem Gebiete ſeparatiſtiſche Tendenzen
verfolge. Der Prozeß Hardt gegen Reichrath habe
ergeben, daß Dr. N. kein geeigneter Direktor der
Abteilung für Schulen und Kultus ſei. Das Volk
lehne ihn ab, darüber ſei man fich draußen im
Lande klar.
Januar: Im katholiſchen Vereinshauſe Saar-
brücken 1 tagen 65 Krieger- und Militärvereine
aus dem ganzen Saargebiet. Der bisherige Der-
band mit dem Sitz in Neunkirchen soll gewiſſer-
maßen erweitert werden. Beſchloſſen wird die
Gründung „D e u t ſ < er S a ar k ri eg er -
b u n d“. Er ſoll die Kreiskriegerverbände um-
faſſen und deren Intereſſen nach einheitlichem Ge-
ſichtspunkte vertreten. „Sobald wir zum Vater-
land zurückkehren, iſt die Tätigkeit in dieser
Form erloſchen." Feſtgelegt wird der 21. Februar
als Delegiertentag in Dölklingen. –~ Der ehem.
Kreiskriegerverband Saarbrücken, der unter Berg-
rat Giani 107 Dereine mit 15 845 Mitgliedern um-
faßte, wird erneut ins Leben gerufen. Erſter Dor-
ſizender Rechtsanwalt Dr. Wenderoth-Saarbrücken.
Iayusr: x Dollar — 26,45 Fr., 1 Reichsmark
~ 6, :.
Februar 1926.
. Februar: In Mitternachtsftunde vom 31. Ianuar
zum 1. Februar Räumung der Kölner Zone. Don
Bonn bis Kleve ein Jubelruf:
. Februar: Eine Klage
. Februar:
. Februar:
. Februar:
„Die Berge klingen, es brauſt der Strom,
Die Glocken jubeln vom hohen Dom,
Derrauſcht die Iahre, die wir verbüßt,
O Freiheit am Rhein, ſei uns gegrüßt!“
gegen den Saar-Knapp-
ſchaftsvere in, um eine Erhöhung der Rente in
Franken zu erzielen, die dem Friedensmarkbetrag
der Penſionen gleichkommt, urteilt die Spruch-
kammer Saarbrücken, daß die Penſionäre mit
den ſehr niedrigen Renten nicht leben könnten,
aber nur eine Gesetzesänderung könne Abhilfe
ſchaffen. Zuſtändige Stelle hierfür ſei aber nur
die Regierungskommiſgssion.
. Februar: Der 23. Bericht der Regierungskom-
miſſion an den Dölkerbund meldet u. a.: I m
3. Q u ar t a l 1 9 25 wurden 62 Mann in das
örtliche Gendarmeriekorps aufgenommen. Am
1. Oktober 1925 betrug die Geſamtſtärke 879
Mann. In dem angegebenen Zeitraum wurden
neu eingetragen 166 Laſtwagen, 206 Perſonen-
wagen und 104 Motorräder. – Im Bergbau er-
folgten insgesamt 3259 Unfälle, 9 tödlich.
. Februar: Der Bevölkerungsſtand von Friedrichs-
thal betrug im Januar 15 264 Seelen.
. Februar: Veröffentlicht wird eine Skala zur
neuen Gehaltsregelunng der Regierungsbeamten
und Angeſtellten, fie bringt nicht die verſprochene
Erhöhung, ſondern tatsächlich eine DVerſchlechte-
rung durch die weitergehende Entwertung des
Franken. Kritik der Preſſe, große Mißſtimmung
in den Beamtenkreiſen, Eingabe an die Regie-
rungskommission mit DVerbeſſerungsvorſchlägen.
Die Regierungskommission beſtätigt
zum zweiten Male die Wahl Dr. Dogt's zum
Bürgermeiſter in Mettelbexbach nicht.
. Februar: Die Deutſch-Saarländiſche Dolkspartei
proteſtiert in einer Eingabe gegen die ungerechte
Neuregelung der Beamtengehälter, u. a. wird der
Umrechnungskurs bei der Frankenauszahlung als
völlig ungenügend bezeichnet. Hingewieſen wird
auch wiederum auf die ungerechte, viel zu ge-
ringe Besteuerung der Grubenverwaltung zu den
Steuerlaſten des Saargebietes.
. Februar: In der Nacht vom 5. zum 6. Februar
dringt der franzöſiſche Sergeant Cuny Andre in
St. Arnual mit Gewehr in eine Wirtſchaft ein
und legt auf den Wirt an. Zwei deutſche Polizei-
beamte waren dem Soldaten gefolgt, es gelang
ihnen, ihm das Gewehr zu entreißen. Der rabiate
Mann wurde auf der Kaſernenwache abgeliefert.
Deutſcher Werkmeiſterverband (Saar-
gebiet) fordert u. a. von der Regierungskom-
misſſion Ausbau der Sozialgeſet gebung, geſetliches
Tarifrecht, Ausbau des amtlichen Schlichtungs-
weſens, ſofortizſe Erhöhung der Kenten für
Witwen, Waiſen und Rentner, um dieſen Aermſten
Exiſtenzmöglichkeiten zu geben.
. Februar: Riesſenkundgebung für das Saargebiet
in Eſſen. Es ſprachen u. a. Verwaltungsdirektor
Dogel und das Landesratsmitglied Schmelzer.
Aus Altenwald meldet man von
größeren Grubenſchäden, einige Häuſer bereits
niedergelegt, das Bewohnen anderer mit Lebens-
gefahr verbunden.
Derein zur Wahrung gemeinſch. wirtſchaftl.
Intereſſen im Saargebiet verhandelt über Zoll-
abſchnürung und Frantkeninflation. Proteſtiert
162
fi
Saarkalender für das Jahr 1927.
Ruine Frauenburg.
Ruine Kirkel.
163
Saarkalender für das Jahr 1927.
wird dabei auch, daß die Regierungskommiſssion
verſuche, die ſaarländiſche Besteuerung den fran-
zöſiſchen Steuerformen anzupaſſen. Die Luxus-
ſteuer nach den franzöſiſchen Geſetzen, wie ſie die
Zollbeamten hier anwenden, ſei ungesetlich, wes-
halb die Regierungskommission dieſe Laſt durch
nachträgliche Geſetesbeſtimmungen zu ſanktio-
. nieren verſucht.
15.
. Februar:
In Eſſen Rieſenkundgebung für das Saargebiet.
Derwaltungsdirektor D o g e l - Berlin und Lan-
desratsmitglied S < m e l z e r - Saarbrücken
ſprechen. Dank und Anerkennung für ihre tapfere
Haltung wird der Saarbevölkerung einſtimmig
ausgesprochen.
Micumleute halten in Neunkirchen Verſamm-
lung ab, um für Frankreich zu werben. Kein
deutſcher Beamter erſchien.
. Februar: Ein intereſſanter Dergleich. Auf dem
Holzplaz der Grube Luiſenthal wurde unter preu-
hiſcher Derwaltung der Betrieb geleitet und über-
wacht von einem Materialienverwalter, einem
Steiger und zwei Aufsehern. Die Franzoſen
brauchen hierfür einen JIngenieur-Diviſionär,
einen Derkehrsmeiſter, einen Ingenieur-Ordinaire,
einen Sekretär, zwei Materialienverwalter, zwei
Steiger, einen Obermeiſter und vier Meiſter. So
fieht die von Uhry so gerühmte moderne Methode
der Franzoſen in Wirklichkeit aus.
Februar: In Altenwald müſſen infolge leicht-
fertigen Grubenbaues Häuſer geräumt werden,
u. a. eines, das von fünf Familien bewohnt war.
. Februar: Mittellos und krank kehrte ein Sohn
unseres Ortes, der vor Iahren Werbern der
Fremdenlegion in die Hände fiel, hierher zurück.
Nach ſeiner Derwundung in Marokko wurde er
mit 10 Fr. in seine Heimat entlaſſen.
. Februar: Ueberraſchend ſteigt die Saar um 84
Zentimeter pro Stunde. Pegel normal 3,60 Meter,
am Abend des 18. Februar 6,18 Meter.
. Februar: Das „Saarbrücker Abendblatt“ erſcheint
zum erſten Male. Am folgenden Tag die ,,S. N.
am Abend“.
In einem Artikel der , Saarbrücker
Zeitung“ über die ſchlechte Beſoldung der deutſchen
Grubenbeamten durch die franzöſiſche Bergverwal-
tung wird auch u. a. folgendes erwähnt: Bei der
21.
>;
preußiſchen Bergverwaltung bezog monatlich der
Präſident 917 MK., ein Bergwerksdirektor 600
Mark, ein Berginſpektor 450 Mk., der Steiger
300 Mk. Bei den Franzoſen bezieht monatlich
der Generaldirektor 7135 Fr., der Ingenieur-
Prinzipal 3600 Fr., der Ingenieur-Diviſionär
2935 Fr., der Steiger nur 900 Fr. Zu dem Ge-
halt der höheren franzöſiſchen Beamten kommen
noch viele Nebenbezüge, wie Prämien, Gratifi-
kationen uſw.
Februar: ,Deutſcher Saarkriegerbund“ tagt in
Dölklingen. Dertreten 65 Krieger- und Militär-
vereine mit rund 10 000 Mitgliedern. 265 Ab-
geordnete beraten. 1. Dorſitender Hoos-Neun-
kirchen, ſtelvertretender Schultz-Sulzbach.
Februar: Franzöſiſche Soldaten, Angehörige der
Jägertruppe, überfallen am Abend in der Tal-
ſtraße einen Iüngling und bringen ihm mit ihren
Seitengewehren ſechs ſchwere Wunden im Geſicht
24.
25.
26.
26.
28.
28.
und auf dem Kopfe bei. Dor einem herbeieilenden
ſten rannten in ſchnellſtem Laufe die Franzoſen
Februar: Die , Dolksſtimme“ macht darauf auf-
merkſam, daß der Saarsſeparatismus neu auf-
gelebt sei in einer Bewegung, die ſich ,„Saar-
ländiſches Komitee der Autonomiſten“ nennt,
ausgehalten durch franzöſiſche Gelder. Das geld-
gierige Geſindel wird hier kein Glück haben.
24. Februar: Die gesamte Belegſchaft der Grube
Delſen tritt in einen 24ſtündigen Proteſtſtreik ein
wegen ungebührlichen Benehmens des Micum-
ſteigers Hildenſtock.
Februar: Im Kampf um die Erhaltung der
früheren Kablé-Schule, heute Lyzeum II. Die
Eltern der Schülerinnen und viele ehemalige Be-
ſucherinnen der Anſtalt erſuchen in einer Der-
ſammlung die Stadt um weiteres Beſtehen der
Anſtalt und Neubau. ;
Februar: Der Bürgermeiſter von Saarbrücken
muß wiederum gegen ſeine VDVerleumder klagen.
In Saarlouis ſteht vor den Schranken des
Gerichts als Prügelknabe ſeiner dunklen Hinter-
männer Viktor Weber verantwortlich für das
„Saarlouiſer Iournal“, Franzoſenblatt. Weber
erhält einen Monat Gefängnis.
Februar: Gewaltige Kundgebung in Wadern durch
die im Saarrevier Tätigen, die mit ihrer Franken-
entlohnung im Gebiet der Reichsmark in Not
und Elend geraten ſind, wie in noch erhöhtem
Maße die Franken-Rentenempfänger. Zollſchwierig-
keiten und Schikanen auf allen Zollſtellen erhöhen
noch das Unglück. Die in Ausſicht geſtellten
350 000 RM. und die Erſtattung der Fahrtkoſten
werden als ungenügend bezeichnet. Die anweſen-
den Abgeordneten verſprechen, alles zu tun zur
Derhinderung einer Kataſtrophe.
Februar: Im ganzen Saargebiet gedenkt man
unserer gefallenen Helden überall in würdigen
Feiern. Volkstrauertag.
Februar: 1 Dollar 27,25 Fr. –~ 1 RM.
.=. 6,49 Ir:
. WMirz 1926.
. März: Eröffnung der ſaarländiſchen Arbeits-
kammer. 36 Mitglieder.
. März: Die Beſsoldungs-Neuregelung der Beamten,
die vom 1. JIanuar in Kraft iſt, erregt in hohem
Maße Unzufriedenheit und brachte beſonders den
unteren Beamten eine große Enttäuſchung. Die
Preſſe geht gegen die KRegierungskommijſſion
ſcharf vor. Ebenſo kämpft man gegen die ab-
lehnende Haltung der Bergverwaltung wegen der
ungerechten Behandlung der Pensionäre, Witwen
und Waiſen im Saar-Knappſchaftsverein.
. März: Die Presse veröffentlicht noch aus einem
Bericht der Regierungskommiſſion vom 4. Februar
1926 an den Dölkerbund über die Gendarmerie,
es verfüge die Regierung über 1005 Gendarmen.
Zur Aufrechterhallunng der Ordnung ſer vor-
handen eine Reſerve von 573 Mann und Land-
gendarmerie von 382 Mann, dazu kommen 221
Poliziſten der Stadt Saarbrücken, die verſtärkt
werden durch 50 Gendarmen und 338 Poliziſten
der anderen Städte des Gebiets.
164
10.
6.
. März:
Saarkalender für das Jahr 1927.
März: Der franzöſiſche ſozialiſtiſche Abg. Uhry
bemerkt in der „Ere nouvelle“ u. a.: Es ſei
erwünſcht, daß auch im Saargebiet der Geiſt von
Locarno zur Anwendung komme. Eine Politik
der Klugheit und der Derſöhnung sei vor allem
an der Saar notwendig. Er empfiehlt ſeinen alten
Dorſchlag des Derkaufs der Saargruben, ſonſt
laufe man Gefahr, am Tage der Abſtimmung
Gruben und Land unter den Schmähungen der
Bevölkerung verlaſſen zu müſſen.
Die Regierungskommiſſion erläßt im
Amtsblatt eine Derfügung, nach der im Saar-
gebiet Deranſtaltungen anläßlich des Geburts-
tages Bismarcks in jeder Form verboten werden.
Entrüſtung der Bevölkerung, die hierin einen
unberechtigten Eingriff in die politiſchen Frei-
heiten der deutſchen Bevölkerung erblickt und ſJich
in ihren nationalen Gefühlen aufs tiefſte ver-
lezt fühlt. Gegen das Derbot wird auf das
ſchärfſte proteſtiert.
. März: Die „Saarbrücker Landeszeitung“ (Nr. 65)
veröffentlicht einen Brief, datiert DVerſailles,
11. Iuni 1924, in dem der franzöſſiſche Senator
und General Hir ſ\ < au er den Präſidenten
R a u l t erſucht, den Nachlaß oder die Nieder-
ſchlagqung der Steuer für ungeſetzliche Sprit-
ausfuhr in Höhe von 500 000 Franken zu er-
wirken. Nach Eingang dieſes Schreibens wurden
Schick von dieſer Summe 400 000 Fr. erlaſſen,
obwohl der Finanzminiſter in einer Entſcheidung
vom 26. 4. 1924 feſtgelecet hatte, daß die
Genehmigung der Rückvergütung der Steuer
gegen das Geſet verſtoße. Rault hat ſich alſo
zum Nachteil der ſaarländiſchen Finanzen
zugunſten des franzöſiſchen Spritſchiebers ein-
geſett. Dieſe Angelegenheit greift zurück auf die
Aufsehen erregenden Enthüllungen der ,, Saarbr.
Landesztg.“ vom 8. März 1925 über große Sprit-
ſchiebungen des Schickkonzerns, durch die das
Saarland und das Reich um Millionen Franken
geſchädigt wurden. Derwickelt hierin waren auch
Deutſche, an deren vaterländiſchem Sinn bisher
niemand gezweifelt hatte. Oeffentlich wurde ange-
kündigt, ſich vor Gericht von jeglichem Verdacht
zu reinigen. Der Antrag auf öffentliche Anklage,
alſo ſtaatsanwaltliches Vorgehen, wurde ab-
gelehnt, Privatklage iſt nicht erhoben worden.
. März: Nach dem Jahresbericht des Verbandes zur
Förderung der Leibesübungen in der Stadt Saar-
brüchen gehörten dem Verbande an 58 Vereine
und 22 000 Mitalieder.
. März: Die Blätter machen Front gegen Raults
lezten Streich, die unſinnige, volksfeindliche
Uebertragung der französiſchen Cuxusſteuer auf
das Saargebiet. Dieſer Hieb gegen die Bevölke-
rung soll am I. April in Kraft treten. Zur reſt-
loſen Auspowerung des Saargebiets ſoll das Land
auch ſteuerlich in die franzöſiſche Uniform ge-
zwängt werden. Man will die weirrtſchaftlich
Schwachen mit einer Steuer, die natürlich der
Derbraucher tragen muß, belegen, während man
die Bergverwaltung möglichſt von einer gerechten
Beſteuerung befreit.
März: In dem ,,Treudeutſchen Hultſchiner“, der
Zeitſchrift der tapferen, gegen die Unterdrückung
durch die Tſchechen ringenden Hultſchiner, erſcheint
an die Bewohner des Saargebiets folgender
Freundesgruß: „Es iſt eine Freude zu ſehen,
wie feſt auch im Weſten die deutſchen Brüder auf
der Wacht ſtehen. Möge es der tapferen Saar-
bevölkerung recht bald vergönnt ſein, wieder in
der großen deutſchen Volksfamilie für die Er-
ſtarkung unseres Vaterlandes zu arbeiten. In
dieſem Sinne grüßen wir Hultſchiner die treu-
deutſche Saarbevölkerung.“
. März: Es dämmert, die „Lothringer Dolkszeitung“
ſagt zum Rücktritt Raults u. a.: „Der Abgang
Raults hat für uns Franzoſen eine gewiſſe Be-
deutung: der enthält nichts anderes als die amt-
liche Beſtätiqung des völligen Fiaskos der fran-
zöſiſchen Politik an der Saar . . . ." „„Bei der
Beurteilung Raults darf nicht vergeſſen werden,
daß ihm von einer unfähigen Politikerclique bei
der Saarregierung ſelbſt und bei der Bergwerks-
direktion die Hände gebunden waren.“ Stimmt!
. März: Biſchof Dr. Bornewaſſer von Trier feiert
ſeinen 60. Geburtstag.
. März: 210 Prozent Umlage für 1925 vom Stadt-
ratskollegium Saarbrücken einſtimmig beſchloſſen.
Klargelegt wird in der Sitzung, daß die Urſache
der Finanzmiſere in der ſtaatlichen Steuerpolitik
liege, die durch ein rückſtändiges Deranlagungs-
ſyſtem und durch einseitige Steuerverteilung zu
ihren Gunſten Kommunen und Steuerzahler in
große Schwierigkeiten bringe. Einhellig geht der
Ruf nach einer Steuerreform. Ebenso einhellig iſt
der Stadtrat bei einem Antrag, die R.-K. zu er-
ſuchen, die Gewerbesteuer ſozialer zu geſtalten und
auf die Luxusſteuer zu verzichten. (Allgemeine
Umſatzſteuer von 1,1 Prozent auf 1,3 Prozent er-
höht, die Luxusſteuer von 10 auf 12 Prozent,
große Vermehrung luxussſteuerpflichtiger Gegen-
ſtände.)
. März: Die Preſſe bringt über eigenartige Mani-
pulationen der franzöſiſchen Handelskammer Ent-
hüllungen, die beweiſen, daß dieſes Inſtitut gegen
sie g rtereset des Saargebiets und für Frankreich
. März: Beamtenabbau auf den Saargruben Alten-
wald, Sulzbach, Dudweiler, Brefeld und Friedrichs-
thal. Diesmal nicht allein deutſche Beamte, ſon-
dern viele Micumleute.
. März: Die Bewohner der Gemeinden Dilsburg,
Hilſchbach und Walpershofen leiden unter dem
leichtfertigen Grubenabbau der Franzoſen, die zu
der ſonderbarſten Ausflucht greifen, um ſich der
Entſchädigung zu entziehen.
. März: Das Saarhandwerk macht Front gegen die
von der R.-K. beabſichtigten neuen Steuergesetze;
ſo ſol u. a. erhöht werden die Bierſteuer um
75 Prozent, die Branntweinſteuer um 50 Prozent,
die Tabakſteuer um 100 Prozent und die Zünde
warenſteuer um 250 Prozent. Das Handwerk for-
dert Beſeitiqung der Umsatz- und Luxusſteuer, es
: wünſcht das alte preußiſche Einkommenlteuergeſetz.
17. März: Zuſammenbruch der Genfer Tagung. Abreiſe
H.
der deutſchen Delegierten.
März: Das , Saarbrücker Abendblatt" meldet, daß
Forbacher Truppen ungeniert über die Grenze
kommen und zu den Schießſtänden im Saarbrücker
Wald marſchieren, um dort ihre Schießübungen
18.
20.
. März:
. März:
Saarkalender für das Jahr 1927.
abzuhalten, Holz nehmen zum Abkochen uſw. Hege-
meiſter Weißmüller faßte ſogar dort einen fran-
zöſiſchen Offizier beim Wildern ab, er mußte mit
Energie vorgehen, um den Wildſchüten zu ſtellen
und zur Anzeige zu bringen. Er erhielt nur 14
Tage Stubenarrefſt.
Die ſaarländiſche Lehrerſchaft proteſtiert
gegen die Derſezung des Regierungs- und Schul-
rats Liell aus der Schulabteilung der Regierung
nach Homburg (Saar). Er iſt der beſondere Der-
trauensmann der Lehrer gewesen, das genügt
wohl.
März: In Genf wird Rault endlich abgeſägt. Man
konnte ihn nicht mehr halten, er mußte von der
Bildfläche verſchwinden. An ſeine Stelle tritt als
Präſident der Regierungskommission der Kanadier
Stephens, dem die Preſſe die dringendsten Wünſche
des Landes unterbreitet, u. a.: Aufhebung des
Unterſchieds zwiſchen hier gebürtigen und nicht
hier gebürtigen Saarländern, Erhörung der
Klagen von Unterbeamten und Arbeitern, Wieder-
einführung der gebundenen Wahlliſten, die Be-
freiung der wichtigſten Reſſorts von Franzoſen.
Es bleiben in der Regiérung Koßmann, Veszenski
(Tscheche), Cambert (Belgier), neu ernannt Morize
(Franzoſe). Im Saargebiet Enttäuſchung. Kein
Locarnogeiſt in Genf für unsere Heimat.
. März: Auguſt v. I. kamen große Unterſchlagungen
beim Derkauf von Stempel- und Steuermarken
heraus. Es handelte ſich um eine Summe in
Höhe von 620 000 Fr. Der Kontrollapparat der
Finanzverwaltung hatte verſagt. Der Uebeltäter
erhält ein Iahr Gefängnis. Untersuchungshaft von
acht Monaten wird angerechnet.
. März: Aus Paris wird gemeldet, daß ein Bataillon
Jäger jezt aus dem Saargebiet zurückgezogen
werde, die übrigen franzöſiſchen Truppen ,,in
kurzer Zeit“. Was heißt dieſe Beruhigungspille?
März: Auf Grund der berüchtigten Erſatz-Notver-
ordnung verbietet Rault das Erscheinen der Saar-
Tlouiſer „Saar-Zeitung“ auf einen Monat. Der
Geiſt von Derſailles, Gewalt und Redhtloſigkeit,
verwalten das Erbe getreu. Warum ängſtigt ſich
immer wieder Rault vor dem Gericht?
Die ,, Saarländiſche Tageszeitung“ in
p!liuges wird von Rault auf vier Wochen ver-
. März: Der Schutßverein für Handel und Gewerbe
veranſtaltet eine .gewaltige Kundgebung gegen die
von der Regierung in Aussicht geſtellten neuen
Steuern. Die Erhöhung der Umſatzſteuern und die
Einführung der franzöſiſchen Cuxusſteuerliſten
werden abgelehnt und erſucht, in ähnlicher Weiſe
wie das Reich einen Abbau dieſer Stevrern ſofort
vorzunehmen. ~ Auch das ſsſaarländiſche Tabak-
gewerbe verwirft das neue Steuerprojekt.
. März: In der VDollſſizung der Handelskammer. Bei
der Beſprechung der projektierten neuen Steuern
wird u. a. auch darauf hingewieſen, daß der fran-
Iöſiſche Zoll bereits hier und zwar völlig ungeſetz-
lich, die franzöſiſchen Umsatz- und Luxusſteuer-
Beſtimmungen anwende. Die franzöſiſche Einfuhr-
umſatzſteuer ſei eine Steuer und kein Zoll. Frank-
reich beabſichtige ſogar, ſeine Umſsatzſteuer auch auf
den Export aus dem Saargebiet auszudehnen.
27.
28.
29.
29.
29;
31.
12.
. April:
März: Glänzende Bismarckfeier im Saalbau zu
Saarbrücken.
Das Derbot der „Saar-Zeitung“ und ,, Saarlän-
diſche Tageszeitung“ wird wieder aufgehoben.
März: Dr. Eckener in Saarlouis. Begeiſterter
Empfang und Verlauf des Tages.
März: Dr. Eckener ſpricht im Saarbrücker Saal-
bau über Aufgaben und Entwicklungsmöglichkeit
des Zeppelin-Luftſchiffs. Feſtfreude in der Stadt.
Begeiſterte Huldigung Eckeners.
Nach amtlichen Ermittelungen hatten die Saar-
gruben an tödlichen Unfällen zu verzeichnen 67 im
Jahre 1924 und 63 im Jahre 1925. Unfälle mit
mehr als vier Wochen Arbeitsunfähigkeit 2380 im
Jahre 1924 und 2824 im Jahre 1925, mithin eine
Steigerung um 19 Prozent.
März: Dertreter der beiden Bergarbeiter-Orgariſa-
tionen sowie der Mletallarbeiterverbände be-
ſchloſſen, den am 15. Dezember in Kraft getretenen
Lohntarift im Bergbau zu kündigen, da die
Teuerung ſeit Dezember um 5,6 Prozent geſtiegen
und die ſtete Frankenentwertung die Lebenshal-
tung ſtark verteuere.
Proteſt der Arbeiterorganiſationen gegen die Er-
höhung der Arbeiterfahrkarten zum 1. April.
März: Durch die Rückſichtsloſigkeit der franzöſi-
ſchen Grubenverwaltung. In Alitenwald befiadel
ſich Lie Grubenſtraße in unbeſchreiblichem Zuſtand.
Dazu kommt für den Ort eine entſetßliche Rauch-
plage.
März: Für den bishrrigen Generalſekretär Mor1ze
wird wieder ein Stockfranzoſe ernannt, Picrotet.
1 Dollar — 29,20 Fr. —~ 1 Reichsmark 6,95
Franken.
April 1926.
. April: Rault verſchwindet ohne Sang und Klang,
ohne Abſchiedswort, getadelt ſelbſt in der franzöſi-
ſchen Preſſe. Die ſaarländiſche Preſſe fordert vom
neuen Präſidenten Stephens Gerechtigkeit und be-
ſchwert ſich, daß wieder ein Franzoſe zum General-
ſekretär ernannt iſt. Der bisherige, Morize, wi-:d
ſogar Finanzminiſter. „Der Reif in der Früh-
lingsnacht.“" Mißtrauen wird erneut wach.
Aus Heiligenwald wird gemeldet, daß die fran-
zöſiſchen Schulen an Schülerſchwund leiden, neu
angemeldet wurden nur zwei Kinder, über 100
für die deutſchen Schulen.
. April: Die Zeitungen melden, daß die neuen fran-
zöſiſchen Zollbeſtimmungen auch für das Saar-
gebiet gelten. Empörung darüber überall. Die Er-
höhung beträgt 30 Prozent.
. April: Oeffentliche Proteſtkundgebung der Turner
und Sportler gegen die Abſicht der Regierungs-
Kkommisſion, Turn- und Sportgeräte, ſowie Sport-
kleidung, Schuhe uſw., als Luxus zu verſteuern
und zwar 15 Prozent. 22 000 Perſonen gehören
allein in Saarbrücken dem Derband zur För-
derung der Leibesübungen an.
Durch leichtfertigen Grubenbau erhielt
durch Senkungen Waſſerwerk Friedrichsthal-Bild-
ſtock Riſſe. Ein Teil der Bürgerſchaft ohne Waſſer.
April: Der Landesrat rechnet in geradezu vernich-
tender Kritik mit der Franzoſenwirtſchaft der bis-
herigen Regierung ab. Arg brloßgeſtelt wird
166
20.
23.
. April:
. April:
Saarkalender für das Iahr 1927.
Generalſekretär Morize und der Miniſter Lambert.
Offen ſpricht man von der bankerotten Derwal-
tung und der betriebenen Zerrüttung der Saar-
wirtſchaft. Umſatzſteuer - Erhöhung, französiſche
Luxusſteuer und neue indirekte Steuern abgelehnt.
Beſchämend iſt für die Dölkerbundsregierung, daß
immer wieder von ihr Beachtung klarer Rechts-
auffaſſung und einwandfreie Rechtsbetätigung ge-
fordert werden muß. :
Franzöſiſche Soldaten –~ Rault ſprach
wiederholt von ihnen als Schuz — treten als
Raufbolde in einer Wirtſchaft in der Moltkeſtraße
auf. Werden vor die Türe gesetzt, nehmen aber
erſt Reißaus, als ein Landjäger auftaucht.
Der Völklinger Gemeinderat nimmt
Stellung gegen die Steuergeſetz gebung der Regie-
rungskommission, er verlangt 1. Abbau der
indirekten Steuern, 2. Soziale Gestaltung der
Lohnſteuer, 3. Erhöhung des Gemeindeanteils bei
der Lohnſteuer, 4. Wiederherſtelung der Steuer-
autonomie der Gemeinden, 5. Erhöhung des
Steuerbeitrages der franzöſiſchen Bergverwaltung,
6. Einführung einer Wohnungsbauabgabe.
Die Herſtellungsarbeiten am Bildſtocker Eiſen-
bahntunnel, der durch den franzöſiſchen Gruben-
raubbau gefährdet erſcheint, geſtalten ſich äußerſt
ſchwieriz. Man verlangt dringend die Be-
ſeitigung der Urſachen der Gefahr von der Berg-
verwaltung.
. April: In Limbach bei Homburg erregt viel Auf-
ſehen die Erklärung des Bürgermeiſters, daß der
Bebauungsplan von Limbach bei der Regierungs-
kommiſſion in Saarbrücken verloren gegangen ſJei.
Man könne ihn dort nicht mehr auffinden.
Der Gemeinderat verlangt von der Regierungs-
kommission 10 000 Fr., die der Plan gekoſtet habe.
. April: In Schwerinduſtrie den Arbeitern 7 Prozent
Lohnerhöhung vorgeſchlagen und angenommen.
. April: Längere Lohnverhandlungen im Saar-
bergbau ergaben eine Erhöhung der Löhne nur
um 1,40~1,50 pro Schicht.
. April: Auf dem 11. Kongreß der criſtl. Gewerk-
ſchaften in Dortmund ſpricht über das Saargebiet
Landessekretär Hillenbrand. Er sagt u. a.: „Eine
Teillöſung der Saarfrage gibt es für uns nicht;
mit der Rückgabe der Gruben muß unsere reſt-
loſe Wiedervereinigqung mit dem Reiche verbunden
ſein. . . . Wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß es
den Geiſt von Locarno Lügen ſtraft, wenn man
ein urdeutſches Gebiet noch länger unter der
Fremdherrſchaft beläßt, unter der es nach den bis-
herigen Erfahrungen wirtſchaftlich verkümmern
muß. . . . Frankreich betrachtet unſer Gebiet als
Reparationsprovinz, die mit allen Mitteln aus-
gebeutet wird.“
April: Die Regierungskommiſssion legt einen Ent-
wurf zur Abänderung der Umſatzſteuerverordnung
vor. An Stelle dieſer Steuer für. friſches Fleiſch
und Gefrierfleiſch 114 2% ſoll Schlachtſteuer ein-
geführt werden, die beim billigſten Fleiſch
mindeſtens 21-4 so hoch iſt, wie die alte Umſatz-
ſteuer. Außerdem tritt für verarbeitetes Fleiſch
noch die Umſatzſteuer. Proteſt der Preſſe.
April: Die Heilſtätte Sonnenberg, 1901 ins Leben
gerufen, begeht feierlich ihr 25jähriges Beſtehen.
Heute zur Derfügung 180 Betten.
24. April: In der 13. Vollverſammlung der Hand-
24.
24.
25.
25.
30.
werkskammer Saarbrücken wird für die Errich-
tung eines Handwerker-Erholungsheims ein
Grundstück in der Nähe des Hauſes Furpach bet
Neunkirchen in Aussicht genommen.
April: Unglück auf Grube Velsen durch nieder-
gehende Geſsteinsmaſſen. Zwei Knappen tot, ein
weiterer verlezt. Am selben Tage weitere ſechs
Knappen verleßt ins Krankenhaus gebracht.
Landesverband „Saar“ des Volksbundes deut-
scher Kriegsgräberfürſorge gegründet. Erſter Dor-
ſitender Burgemeiſter, Saarbrücken 1, Saar-
gemünderſtraße 79.
April: In einer Vertreter-Derſammlung der
Deutsch-Saarl. Dolkspartei berichtet Abg. Schmelzer
über die Erfahrungen der letzten Saardelegation
nach Genf. Don Rault erzäy.t er, daß der Präſi-
dent verärgert einem Herrn des Auswärtigen
Amtes geſagt habe: Das verdammte Saargebiet
hat mich um 20 Jahre meines Ruhms gebracht.
Er sei ins Saargebiet gekommen und habe dort
nur getan, was ihm aufgetragen worden ſei. Aber
es ſei überaus hart, daß ihm die Pariſer Herr-
ſchaften jezt ſo wenig Dank wüßten. Für Frank-
reich ſei im Saargebiet nichts zu holen. Er habe
das nach Paris berichtet vor einem Iahr. Den
Bericht habe man verworfen, obwohl er darin
Ratschläge gegeben habe, wie die Intereſſen Frank-
reichs an den Bergwerken und der Induſtrie ge-
wahrt werden könnten unter Berückſichtigung der
wirklichen Sachlage.
April: Weder Deutſche außerhalb des Saargebiets
noch Franzoſen bedürfen eines Einreiſe-Diſums
für die Schweiz. Die Saarländer ſind immer noch
dazu gezwungen.
April: In Dudweiler Abgeordnetentag Kreis-
Kriegerverbands Saarbrücken. Vorſitender Dr.
Wenderoth erwähnt, daß Derband 51 Dereine mit
8000 Mitgliedern zähle. Beſchloſſen wurde u. a.
Gründung einer Derbands-Sterbekaſſe. Der Der-
bandstag ſoll in Saarbrücken abgehalten werden.
. April: Arbeitseinſtelung in den Bahnwerkſtätten
Saarbrücken und Burbach, weil nur 16 Centimes
für die Stunde an Lohnaufbeſſerung bewilligt
werden. Nach Zugeständnis Gleichſtelung der Auf-
beſſerung in der Großinduſtrie Arbeit wieder auf-
genommen.
28. April: Die Franzoſenſchulen gehen weiter zurück.
In Ludweiler beſuchten im vergangenen Schuljahr
die kath. Gemeindeſchule nur noch 75 Kinder,
gegenwärtig bereits 120. An.f Grubenſchule Delſen
werden 17 Kinder umgeſckult.
pri! 1 Dollar . 30,30 Fr. ~ 1 R.-Mk.
; k:
Ä
Mai 1926.
. Mai: Der Generalſtreik der engliſchen Berg-
arbeiter wird für Dienstag, 4. Mai, proklamiert,
heialofer durch tauſend Delegierte der Gewerk-
. Mai: Die Preſſe bringt die von der Regierungs-
kommission beſchloſſenen neuen Steuern: Erhöhung
der indirekten Steuern, der Umſsatzſteuer von 1,1
auf 1,3 Proz., der Cuxusſteuer von 10 auf 12 Pro-
zent. Gewerbeſteuer zugunſten des UKleingewerbes
ermäßigt. Bei Einkommenſteuer Erleichterungen.
167
Saarkalender für das Jahr 1927.
Preſſe meldet aus Berlin von bedeutungsvollem
Dortrag Rich. Poſſelts, Chefredakteur des , Saar-
freund“, über das Saargebiet. R. Poſſelt ſchloß
mit zündendem Appell an das deutſche Volk, die
Dolksgenossen an der Saar nicht zu vergessen.
. Mai: In allen Gottesdienſten wird auf die Pflicht
deutſcher Eltern hingewieſen, ihre Kinder deut-
ſchen Schulen zuzuführen. In letzter Zeit große
Prorsganda der Franzoſen für ihre Schule be-
3-8. Mai: ODeutſcher Chormeiſterkurſus in Saar-
brücken.
3. Mai: Zwiſchen Grube Friedrichsthal und Pro-
vinzialſtraze durch leichtfertigen ſranzöſiſchen
Grubenabbau Einſturz von umfangreichem He-
lände, darunter Löcher von 10 Meter Tiefe. Nicht
einmal ordnungsmäßige Abſperrung iſt vorge-
nommen. ;
. und 4. Mai: Biſchof Bornewaſſer von Jrier in
Saarlouis. Dank der Katholiken an den Biſchof
für ſein Eintreten, daß das Saarland nicht von
Diözeſe Trier getrennt worden sei. Biſchof trägt
ſich in das Goldene Buch der Stadt ein mit den
Worten: „Mut, Dertrauen, Friede.“
. Mai: Erſte Kneipp-Kuranſtalt im Saargebiet er-
öffnet auf Hofgut Harſchberg bei St. Wendel.
. Mai: Aus Don der Heydt wird gemeldet, daß der
Beſuch der franzöſiſchen Schulen auf dem Aus-
ſterbeetat ſtehe. Faſt alle Kinder ſuchen jetzt
wieder die deutſchen Schulen auf.
. Mai: Die „Saarbrücker Zeitung“ durch Derfügung
des franzöſiſchen Innenminiſters wiederum in ganz
Frankreich verboten.
. Mai: Bürgermeiſterei Dölklingen meldet 34 666,
Bürgermeiſterei Sulzbach 23 602, Friedrichsthal
15 345, Dudweiler 24 407 Einwohner.
9.16. Mai: Generalverſammlung des Gewerkvereins
10.
chriſtlicher Bergarbeiter Deutſchlands in Saar-
brücken. Glänzender Derlauf. 33 000 Saarberg-
leute gehören dieſem Gewerkverein an.
Mai: Feſtgeſtelt wird, daß das erſte Drittel des
Iahres 1926 im Saargrubenbau 33 Todesopfer
forderte. Eine traurige Rekordziffer. Die Ur-
ſache: Abwanderung der tüchtigen deutſchen tech-
niſchen Beamten, die Bergleute wegen miſerabler
Entlohnung zu ſchneller Förderung gedrängt, fort-
geſetter Wechſel der Ingenieure, viel Holz für
10.
13.
Grubenausbau unbrauchbar. Gewerkſchaften for-
dern ſchleunige Abhilfe.
Mai: Der Handwerkerbund des Saargebiets for-
dert einmütig den ſcleunigen Abbau der Woh-
nungs-Zwangswirtſchaft.
Mai: Der Wald- und Bannbegang, ein uralter
Brauch, wird erneut am heutigen Himmelfahrtstag
aufgenommen.
14.~16. Mai: Glanzvolles ,„„Mittelrheiniſches Muſik-
16.
feſt“ in Saarbrücken.
Mai: Turnverein Burbach weiht auf dem Wald-
friedhof das Denkmal für ſeine 53 gefallenen
Mitglieder.
16. Mai: Veröffentlicht wird der lette Bericht Raults
nach Genf. Darin werden über die franzöſiſchen
21.
21.
22.
22.
23 —27
Z::
8.
Schulen folgende Zahlen angegeben: Unterrichtet
wird danach am 1. Mai 1925 in 185 Schulen mit
362 beſonderen Klaſſen. 202 Lehrer und CLehre-
rinnen ſind tätig. 20 Lehrkräfte beteiligten ſich
1925 an den franzöſiſchen Ferienkurſen von Lau-
ſanne und Genf. – Nach dem Bericht zählte der
Bergbetrieb in den Monaten Oktober und No-
vember 1925 3550 Unfälle, darunter mit tödlichem
Ausgang 19.
. Mai: Dudweiler meldet Gefährdung einzelner
Strafenzyge durch den Grubenraubbau der Fran-
zoſen.
Mai: Im St. Ingberter Stadtrat wird der Regie-
rungskommiſſion vorgeworfen, daß ſie trotz aller
Hilferufe ſich nicht bewogen gefühlt habe, das
durch Grubenraubbau der Franzoſen zerſtörte
Schnappach anzuſehen. Es sei unerhört, daß die
Abteilung des Innern den Franzoſen erlaubt,
was ſie jedem anderen Unternehmen verbieten
würde.
Mai: Das ſatiriſche Wochenblatt die ,,Saar-
illuſtrierte" wird auf Grund der Ersatznotverord-
nung vom 18. Juni 1923 auf die Dauer von einem
Monat verboten.
Mai: Gedenkfeier für die gefallenen Marine-
Angehörigen des Saargebiets. Anweſend und mit
großer Begeiſterung empfangen Admiral Scheer,
der Sieger der Skagerak-Schlacht und ſein da-
maliger Stabschef Dizeadmiral v. Trotha.
In Kleinblittersdorf wird das Kriegerdenkmal
für 60 Gefallene der Gemeinde feierlich geweiht.
JIubelfeier des Verbandes der Deutſchen Buch-
drucker in Saarbrücken. 60jährige Gründungsfeier,
ſtarker Beſuch aus dem Reich.
Mai: Unglaubliche Ausſchreitungen begehen fran-
zöſiſche Soldaten in Saarbrücken gegen den Iugend-
verein von Wehrden. Selbſt franzöſiſche Chargierte
beteiligten ſich daran, einer von ihnen mißhandelte
ſogar einen Krüppel. – An zwei anderen Stellen
offenbarte ſich ebenfalls die Gemeinheit einiger
Soldaten. Die Presſe bringt aufregende Einzel-
heiten vom ,, Pfingſtgeiſt der Franzoſen“.
Mai: Ev.-Sozialer Kongreß in Saarbrücken.
Mai: 1 Dollar – 30,90 Franken. —~ 1 Reichs-
mark —– 7,35 Frantken.
Juni 1926.
. Iuni: Duoweiler weiht ſein Kriegerdenkmal ein
für 530 Cefaliene und 57 Vermißte.
. Iuni: Der Echutzvereinstag ſtellt eine Reihe For-
derungen an die Regierungskommission. Er be-
weiſt u. a., daß Handel, Gewerbe und Arbeit-
nehmer die Frankeninflation nicht mehr tragen
könnten und verlangt Sanierung der Währung,
ferner dürfe das Saargebiet beim Kredit nicht
ſchlechter geſtellt ſein als die franzöſiſche Kon-
kurrenz. Gefordert wird noch Abbau der Umſatz-
ſteuer, Stellung genommen wird gegen Luxusſteuer
und getadelt unzreichende Reform der Gewerbe-
ſteuer.
Iuni: Der Völkerbundsrat hatte nach dem Hus-
bau des Gendarmeriekorps die Zurückziehung der
franzöſiſchen Truppen aus dem Saargebiet in Aus-
ſicht genommen. Die Regierungskommiſssion ſollte
168
Saarkalender für das Jahr 1927.
Phot. M. Wentz, Saarbrücken.
Alt St. Wendel.
Grabmal in der Kirche zu St. Arnual.
169
Saarkalender für das Jahr 1927.
noch Dorſchläge unterbreiten über den Schutz des hauptkaſſe 120 Millionen und die Poſt 12
Durchgangsverkehrs. Dieſe Hinterpforte war Millionen. Bei der Reichsbank ſtänden ganze 350
Frankreichs Eingebung. Sie wurde auch benutzt Franken.
von den Franzoſengängern in der Regierungs- q1g. Juni: Dr. Blank als Bürgermeiſter von Neun-
kommission, Morize, Lambert und Deszenski, die kirchen eingeführt
zwei franzöſiſche Bataillone im Saargebiet be- §: 9 ; ;
laſſen wiſſen wollen. Stephens und Koßmann ind 19. Iuni: Schlagwetter-Exploſion auf dem Mathilde-
für Entfernung des Militärs. Zentrum und Schacht bei Dölklingen. 9 Knappen verlegt, 2
Deutſch-Saarländiſche Dolkspartei erklären es Schwerverleßte ſtarben im Knappſchaftskranken-
überhaupt mit der Neutralität des Saargebiets un- haus, Matthias Eiſenbarth und Ioſeph Speicher.
vereinbar, fremden Truppen den Durchzug zu ge- 20. Iuni: Auf dem 7XFeuerwehrverbandstag des
ſtatten. Kreiſes Saarbrücken wird festgeſtellt, daß in dem
9. Iuni: Bürgermeiſterei Brebach meldet 21 276 Ein- Derband vereinigt ſind 57 freiw. Wehren und 2
wohner. Werksfeuerwehren für Saarbrücken-Land, 4 freiw.
Wehren, 3 Werkswehren und 1 Berufsfeuerwehr
für Saarbrücken-Stadt. Der Kreisverband umfaßt
68 Wehren mit 3047 Mann gegen 1476 Mann am
12. Iuni: Tagung des Rheiniſchen Ortskrankenkaſssen-
verbandes in Saarbrücken.
15. Iuni: In Eiweiler wurde die älteſte Bürgerin Tage der Gründung des Derbandes 1906.
des Saargebiets Frau Türk beerdigt, ſie ſtarb im d%25. Iuni: Auf eine drohende Gefahr des Saargebiets
104. Lebensjahr. weiſt die Preſſe hin. Der Zuſtand der Arznei-
16.–19. Iuni: Tagung des Reichsvereins Deutſcher mittelverſorgung aus Deutſchland ſei troſtlos. „„Die
Feuerwehr-Ingenieure in Saarbrücken. Einfuhr ist entweder vollſtändig verboten oder es
werden ihr derartige Schwierigkeiten in den Weg
gelegt, daß man von einer allgemeinen Einfuhr-
unterbindung sprechen kann.“ Einwendungen der
Franzoſen wie Einnahmeausfall an Zollgebühren
ſolen und müſſen gegenüber rein menſchlichen Er-
wägungen verſtummen. Man kann die hier ge-
Wären. 259 Famiti Üein f § rügte Unterbindung getroſt als Skandal be-
üren. 239 Familien allein in Saarbrücken ob- zeichnen. Wo bleibt da die Sorge der Regierungs-
dachlos. Dabei keine Unterſtüzung der Bautätig- kommission um die Volkswohlfahrt?
Peit 22 V . j rica S Fel 27. Iuni: Der Haushaltsplan des Saargebiets für
in schönen Wohnungen. Der einzige, dem Es. Et 1926 wird dem Landesrat zugeſtellt. Der Geſamt-
16,. Iuni: Im Landesrat ſteht die Wohnungsnot
wieder, wie oft genug, zur Debatte. Feſtgeſtellt
wird, daß die Regierungskommiſſion 893 Woh-
nungen für ihre Beamten beſchlagnahmte, fremdes
Militär ſitze wider Recht und Gesetz in unſeren
Kasernen, die leicht zu Wohnungen umzubauen
laubt ſei, nach Belieben hinauszuwerfen, sei die haushqlt beträgt In Einnahmen unt Kusgaben
franzöſiſche Bergwerksdirektion. Ale Vorschläge 563 152 411 Fr. gegenüber 224 355 040 Fr. im
des Landesrats ſeien unbeachtet geblieben. Ange- Dorjahr.
nommen wird der Dorſchlag, daß Wohnungen, 28. JIuni; Saarknappſchaft beſchließt, das von der
deren Friedensmiete 1500 Mk. überſteige, nicht Reichsknappſchaft angebotene Aufwertungskapital
mehr der Zwangswirtſchaft unterliegen. – Hin- von 12/4 Million Goldmark anzunehmen und an
gewieſen wird noch bei dieſer Gelegenheit, daß die die Rentenempfänger auszuzahlen.,
Regierung, was ſie an Geld überflüſſig habe, fran. 30. Iuni: 1 Dollar ~ 34,65 Franken. ~ 1 Reichs-
zöſiſchen Banken überweiſe, ſo die Regierungs- mark — 8,25 Frantkken.
Ausſprüche.
„Was das Deutſchtum der Welt an geiſtigen, wirtſchaftlichen, kulturellen und sozialen Großtaten geſchenkt
hat, ſteht vor der Geſchichte aller Zeiten feſt und berechtigt uns zu jenem Stolze, den wir auch in Zeiten der
nationalen Not erhalten wollen und der es troß allem Schweren, was auf uns laſtet, doch freudig bekennt:
Ich danke dir Gott, daß ich ein Deutscher bin!“
Reichsminiſter Nx. K ü I z (Oppeln, 29, März 1926).
Heimat und Daterland, Heimat und Staat, Heimat und Nation, das ſind Tatſachen, das ſind Lebensinhalte,
die zuſammenklingen und die ſich doch nicht immer leicht miteinander vertragen, zumal bei uns Deutſchen. Seit
uralten Zeiten iſt bei uns die ſtarke Neigung gewesen, ſchon in der Heimat das Daterland zu erblicken und
Nation erſt als Ding zweiten Ranges zu behandeln. Frankreichs NRheinpolitik hat ſich daran genährt und vieles
von den Schrecken der letten ſieben Iahre entſprang der feindlichen Spekulation auf jene alte deutſche Schroäche.
Miniſter Dr, Helpach (Südweſtdeutſcher Heimattag 12 Sept. 19253).
Deutſche Heimatliebe iſt etwas Wundervolles, ein Besitztum tiefster Innerlichkeit, ein Urquell unvergleich-
licher Poeſie. In ihrer Einſeitigkeit war ſie Iahrtauſende hindurch eine Gefahr, eine Schwäche, eine Blöße
des deutſchen Siegfrieds, in die jeder feindſelige Hagen ſein Schwert ſtoßen konnte. Ein kleines Lindenblatt
an der unrechten Stelle hat uns immer wieder verwundbar gemacht.
Miniſter Nx. H e l p a < (Südweſtdeutſcher Heimattag in Karlsruhe, 12. Sept. 1925).
170
Saarkalender für das Jahr 1927.
Heiteres vom Banargebiet
nus alter und neuer Zeit.
Geſammelt und bearbeitet von A. Z.
.
Baarländiſche Originale.
Wie de Vedder Luij ämool mit em Audo uff Neinkirje gefahr is un widder
reduur. E wohr
Geſchichtje aus Alt-Saabrigge.
Verzähld vun Fritz Kühner.
„In dieſem Geheiſchder
Bin ich der Meiſchter!“
Lebensspruch von „Vetter Louis“.
De Vedder Luij war in Saabrigge e an-
geſiehni Perſeenlichkäädv. Er war Schuh-
ſchder vun Proffeßjohn un hat a ebbes vun
ſeim Handwerk verſchhann. Vun dem
neimodiſch Gedinges wollt er awer nix
wiſsſe un wann ämol es Geſchbrääch uff die
neije Moode kumm is, dann hat er nuure
mit der Schuller gezuckt un sahd: „Kalopp-
ſchuhſchder ſuff, was er heit macht, is
morje widder uff!“ Er is bei em alde
Moode geblieb, hat sei Bech, sei Babb, sei
Drohtſschbit un alles ſselwerſchd serecht-
gemacht un, was mer heitſedah selde ſe ſiehn
gridd, er kunnd a noch e verninfdiger
Rieſchder uff e Schuk druff setze, der wo
a gehall hat. Wann er draan war, for e
Paar Schuh se sohle, do hat er eerſchd es
Ledder uff ſsei'm Kloppſchdään gehämmert,
bis es geklingelt hat un debei mit sei'm
Kanaaljevoogel um die Wett gepiff. Die
neije Sohle, die sin hernohde runderum
mit der Raſchbel un mit ere Glasſchirwel
glatt verbutt un dann mit Wachs geglängt
gewe un ehb die fertige Schuh abgeliwwert
wor sin, do hat er se der Reih noh gewichſt,
daß se geglitzert han, wie e Karfuntkel-
schdään im Ooweloch. Wammer de Vedder
Luij omends als gesiehn hat hinner seiner
Glaskugel hucke un difdele, dann hätt mer
kinne menne, er wolld aus de ältſchde
Schuhſchlabbe lauter Ballettschiggeljer mache.
Als echter Schuhſchher hat er awer a
noch de Mondah heilig gehall. Do hat er
seine Fingere die ewig Ruh verſchbroch
gehadd. Ame Mondah hätt er nix geſchafft
un wann em Herr Burjemeiſchder ſel-
wersſchd die Zehwe fingerlang aus de Schuh
erausgeguckt hädde. Mondahs hat er ſi
eerſchoh ämol ordlich ausgeschloofo un her-
nohde, do is er dann gucke gang, was vun
Sunndahs noch iwerig geblieb is. Er mußt
doch als ämol sei Kunne besuche. Un er
hat doch soviel Wirde in der Kundſchaft
gehadd. De Schluß war gewehnlich immer
beim Batſchele in der Ewergaß. Do hat er
dann so zwiſche de Auserwählde gehuckt
un hat in allem mit se ſchwätze gehadd.
Er war nit wenig ſchdolz, wann er ſsſo
neewe em Theedor gehuckt hat, neewe em
Herr Schdadtrat, un kunnd mit dem iwwer
die Dummhääde debadiere, die wo se im
Roodhaus als gemacht han. De Theedoor,
der is gewehnlich mit sei'm Freind, em
Paul, so geeje ſiwwe Uhr mit em Audo
angeduddert kumm.
Das war domols noch nit jedermanns
Sach. De Vedder Luij war gewiß nit bleed
un sei Grundsatz is immer gewehn: „Wie
uff der Lung, so uff der Zung.“ Jaa, de
Vedder Luij hat ken Blaad vor de Schnaw-
wel geholl. Awer, mit em Thedoor un em
Paul hat er sich immer gud geſchdann un
hat a nix uff se kumme gelaßt. Er wär
doch zu gääre a ämool im Audo gefahr.
Hie un do hat er als ämol so e bisje ge-
schdichelt un an ähm ſcheene Moondah, do
hat er a widder devun angefang. ,Jaa,“
ſahd er als: „Soo kammerſch han. Sirch so
ins Audo eninsitze, un in der Welt erum-
kutschiere. Das glaaw ich. Unserähns
bringts jo im Lääwe nit ſoweit. Un, mer
däd doch ganz gääre a ämool sſiehn, wie
sichs in so eme Audo drin sitze duhd un
so.“ Do is em Theedoor e Licht uffgang
un er hat bekebbd, wo de Vedder Luij de
Schuk dricke duhd. „Ei, Vedder Luij, for
was ſchwätze ner dann nix?“ sahd er: „Ihr
sin doch sſunschd nit eso bleed. Ihr hädde
nuure breiche ämool de Schnawel uff se
duhn, do hädde mer Eich ſchun lang ämool
171
Saarkalender für das Jahr 1927.
mitgeholl.“ ,„Nadierlich,“ sahd do de Paul:
„Un, wann'’s Eich nix ausmacht, do kinne
ner heit omend noch mitfahre uff Nein-
kirje. Mir fahre gleich ab.“ „Was, uff
Neinkirje, heit omend noch?“ krääſchd do
de Vedder Luij: „Sin ihr dann ganz des
Deiwels? Un, do soll ich mitfahre? Ich
menn, ihr wille de Narre e bisje mit mir
mache. Das meegd ich awer kenem roode.“
Die zwei, die han awer so treiherzige Ge-
sichter gemacht un han so gladd geschwätzt,
daß erſch ſseledſchh doch geglaabd hat.
Vedder Luij hat noch e bisje de Schenereeſse
geschbielt un dann war er inverſchdann.
Er is mit enaus, de Paul hat ſich voore
bei de Schoffeer gehuckt un de Vedder Luij
is hinne neewe de Theedoor kumm. Dann
is es losgang, was gebſchde, was haſchde.
Es war e feiner, zuuner Wahn un das
Hobbele hat em Vedder Luij Schbaß ge-
macht. „Das ſchoggelt bal noch besser, als
wie unser Kannebee dehem“, ſahd er als,
un de Theedor hat sich in ähm Schdick mit
em unnerhall, sodaß er gar nit gemerkt
hat, wo die Rääs enausgang is. De Paul
hat dem Schoffeer Beſchääd geſsahd.
Eerſchoh sin se de Leewe enunner, dann
durch die Eiſebahnschdrooß, weiter iwer die
neij Brick, dann um de Ecke in die Bahn-
hofschorooß, iwer 's Sangehanner Maark-
blatz, iwer die alt Brick, die Schbicherer-
bergschhrooß un 's Daal enuff iwer de
Schloßblati, in die Ewergaß, widder em
Leewe enunner un so weider, ſchdicker
sechsmol deselwige Weg im Ringel erum.
Selligsmol hat de Herr Mummes jun.
graad die Bols-Bar im Hohenzollernhaus
uffgemacht gehadd, un mer kunnd ſicher
sin, daß sich de Vedder Luij do noch nit
enin verlaaft gehadd hat, dann das war em
viel zu neimodiſch. Un, was menne ner,
uff ämol hat jo das Audo vor der Bols-
Bar gehall. De Paul un de Theedoor die
han de Vedder Luij zwiſche sich geholl un
ehb er sich umſiehn hat, do war er a ſchun
in der Bar drin. „Ei, sin mir dann sſchun
in Neinkirje?“ ſahd er, un kunnd ſich gar
nit genungk verwunnere. Er hat ſich inne-
wenzig im Logahl ämol umgeguckt un do
is em a alles ſo fremd vorkumm. Er hat
bal die Maulſschberr gridd, wie er de Be-
trieb do geſiehn hat. „Ei, guck ämol do, die
Bauwere vun Neintirje,Ò“ sſsahd er als:
„Die mache uns aweile ebbes vor. Un wie
se sich all uffgekratzt han. Ich hätt mich
doch solle a e bisje annerſchder anduhn.
Do kumme mir Schdädter nimmeh mit.“
Besunnerſchh die Schdiehl, die han ne
aarig indreſſierl. „Bal wie mei Schuh-
Ö ſchderſchöuhl, nuure dreimool so hoch un
mit eme Bään meh,“ sahd er. Er hat ſich
gleich ähner anekdiert un hat ſich a ganz
wohl druff gefiehlt. Un dann, eerſchd die
Schnäps –~ . Er hat als die Auwe ver-
dreht un hat's Meilche geſchbitzt, wie e Kuh
noh ere Erbier. „Das laaft, wie Eeel,“ sahd
er als, „mer ſchbiert's ordlich bis in die
klään Zehb.“ Noh ere Weil, do hat er em
Theedoor ins Ohr gepiſchbert: „Wääſchde,
do fahre mer noch effderſch her. Mer holle
a ämol es Batſchele mit, daß der sich ämol
das Muſchder angucke kann.“ In ähm
Schdick hat er sei Glas leer gehadd un wie
de Theedoor ne ämol hat wille mahne, er
sſolld e bisje langſam mache, do hat er
nuure gelacht un ſsahd: „Menne ner, ich
wär so e Bimbernißje wie Ihr?“ un hat
sich dran gehall, wie de Narr am Kwetſche-
kuuche. Uff ämol is de Paul ämol enaus.
Er is e bisje aarig lang geblieb un wie
er gar nimmeh erin kumm is, do ſahd de
Vedder Luij zum Theedoor: „Ich menn,
du ſsollſchh ämol noh'm Paul gucke. Wer
wääß, wie's bei dem aussieht. Der hat am
Enn ſchun sei Sach.“ „Ich menn a,“ ſahd
de Theedoor un is a enauſer. Er is awer
a nimmeh widderkumm. Do ſsahd de Vedder
Luij: „Jch muß doch selwer ämol gucke
gehn. Ich werre am Enn e ſcheeni Arwet
griehn mit de zwei. Wann ich se nuure
widder glicklich in Saabrigge hätt.“ Domit
is er enaus. Er kunnd awer ken Schbuur
vun ne finne un hat in seiner Altrazijohn
hernoh de Mann hinner em Biffeh gefrohd,
wo die zwei nuure kinnde hingerohd ſin.
Do sahd der, die Herre, die wäre furt un
hädde geſsahd, sie käämde annere Dah
widder for die ganz Zech se bezahle. Awer
do – ~! De Luij, der war uff ämol graad
als wie vun der Kett los. Wie 's Gewidder
war er drauß vor der Dier. Er hat links
geguckt un hat rechts geguckt, awer, er hat
vun de zwei nix meh gesiehn. Sogar es
Audo war furt. „Theedoor! Paul!“ hat er
als gekrääſchd. Uwer die zwei, die han uff
der anner Seit in 'ne Hausdier geſchdann
un han ken Bibs vun sich gewe. De Vedder
Luij war ganz verzweiwelt. „Do ſchdeht
mer jetze, mudderſeelig allähn un ganz
verlaſſe in der weite Welt,“ sahd er als:
„Wann das do mei aarem Fraa wißt. Was
werd die sich for Gedanke um mich mache.
So Figgedieweſe! So Schigahner! Holle
ähm mit uff Neinkirje un besaufe ſich so,
daß se unſserähner ganz vergesse for mit
hemm se holle. Mei liwer Theedoor, waard
nuure, du trauweriger Lagzerooner, ich
wähle dich noch ämool in de Schdadtrat.
Ich moole dir ebbes! Un, ich Dirmel, ich
muß mich a mit so Galjeveegel inlaſse.
Jetze huck ich hie bei de Bauwere in Nein-
172
Saarkalender für das Jahr 1927.
kirje un dehemm in Saabrigge, do waard
mei aarem Fraa mit em Naachdesse. Jetze
kann ich siehn, wie ich aus dem Schlam-
masſel erauskumme un widder hemm uff
Saabrigge.“ Der Beollezeidiener uff em
Ecke, der hat als die ganz Zeit zugehorcht
un ganz verrvunnert de Kobb geſchiddelt.
Uff ämol kummt er e bisje nägſchder un
sſsahd: „Aber, Vetter Luij, was redet Ihr
denn da die ganze Zeit von Neunkirchen?
Ihr seid doch hier in Saarbrücken.“ ,Ich
menn, daß Du e klään bisje doordig biſchd,“
sahd do de Vedder Luij: „Un zudem, ich.
ich ſin doch nit jedem Dirmel sei Vedder
Luij. Bei Eich in Neinkirje eerſchd recht
nit. Verſchdehſchdes? Ich sin mit em Audo
gefahr! Verſchdehſchdhes? Mit em Avudo sin
ich gefahr. Betracht mich ämol. Vun Saa-
brigge bis hieher. Verſchdehſchdves? Mit em
Audo. Jawoll. Mit em Herr Paul un em
Herr Theedoor, 'm Herr Schdadtrat. Ver-
schdehſchdhes? Das sin feine Herre, die wo
noch lang nit e jeder mitholle. Ver-
schdehſchhes? Jaa, ich sin per Du mit
dene. Betracht mich ämol. Un jetze sin se
furt, die miſeraawlige Schbitibuwe; die
trauwerige Lazerooner. Wann se nuure de
Deiwel lotweis bolle dähd. Un ich hucke
jeze. hie uff eiierem HBauwrwereneſchd.
Mudderſelig alläun un verlasſſe in der
weide Welt. Ich griehn bal die Geiſe-
giſchdere, wann ich nuure an mei Fraa
denke. Das aarem Dier huckt jetze a ganz
allähn in der Welt. Ich meegd graad
greine, ſo lääd duhd mer das. Un alles
nuure durch die Schigahner, die elendige.
Wann ich se vergifde kinnd, do dähd ichs.“
„Aber, Vetter Luij,“ fangt do der Bollezei-
diener widder an: „Ihr seid doch in Saar-
brücken. Guckt doch, da an der Ecke der
Emil Schmidt und da Karl Korn.“ „Ei,
guck mol do, Du kannſchd recht han,“ ſahd
do de Vedder Luij un hat ordlich uff-
geoodmet: „Do han se mich am Enn doch
noch mit reduur geholl. Uff ämol war ich
am Enn ſselwerſcho vernähd un hans gar
nit gemerkt, wie mer widder reduur
kutschiert ſin. In Neinkirje mseegt ich a
noch nit ämol begraabd ſin. Es geht doch
wie e Dunnerwedder mit so eme Audo.
Jaa. de Paul un de Theedoor, de Herr
Schdadtrat, das sin doch ämol feine Leit,
un ich laſſe nix uff ſe kumme.“ Domit hat
er de Schutzmann schdehn gelaßt un is
hemm geſchoggelt in die Altneigaß. Do hat
er seiner Fraa de wahre Wunner verzählt,
was er an dem Omend alles erlääbt hat.
Die wollt awer lääder nit viel wisse. Sie
hat ihm a allerhand verzöhlt. Das kammer
awer nit gud weiterſahn. Awer, de Vedder
Luij, der hat noch oft an sei eerſcho Fahrt
mit 'm Audo uff Neinkirje gedenkt, un.
de Paul un de Theedoor, de Herr Schdadt-
rat, das ware sei Leit.
Haß und Liebe.
Von A. Winzer.
Bei Müllers war Kind>iaufe. Das war
nun dort zwar ein sehr ſchönes, aber
durchaus kein seltenzs Feſt. Schon zum
11. Male in elf Jahren hielt ein kleines
flachshaariges Mädchen s.inen Einzug in
das Haus am Ende des Dorfes, und jedcz-
mal brummte Peter Müllcr, weil er ven
Fall zu Fall auf cinen Jungen hoffte.
Beim 11. Male wurde er ernſtlich böke.
Er schimpfte 3 Tage lang, ſluchte und war
fortwährend betrunken. Tamit soll überr
Peter aber nichts Böſes tesagt sein, denn
er war sonst fehr nüchtern. „Wann noch
e mol so e Framinſch kurmmt, werd's ver-
suff wie e jung Katz,“ schimpfte er, „jetzt
han ich die Nas awa poll.“
Aber der Himmel dhaite ein Einsehen.
Es kam zwar kein Junge, aber auch kein
Mädchen mehr. „Wann ich nur emol wißr,
wo Millaſsch all schlofe,, ſagte die Nach-
barin, Frau Beck, „se han doch nur zwei
Bedder, un es sſin doch 13 lebendige Leit.“
„Se wäre woll äns ia Je Kohlekaſchd)e
lehe,“ sagte Jakobche, hr Jüngster, „un
äns oder zwei kumme im Vadda NMiller
seine Gruweschuh unner, bie ſin lang ge-
nug.“ .
Immerhin, rätselhaft war es doch. Wenn
man die Haustüre aufmachte, ſtolperte man
entweder über ein Kind, cin Huhn oder
eine Katze. In der Küche mußte man be-
hutsam auftreten, ſonst ‘rat man bestimrtt
irgend etwas Lebendiges tot.
Die. kleinen Flachsköpfe krochen mei-:
stens in kurzen Hemdchen ven undefinier-
barer Farbe auf der Ecde in friedlicher
Gemeinſchaft mit den Hühnern. Und da-
zwischen saß, mit wahrhaft vorbildlicher
Seelenruhe ausgestattet, Mutter Müller
und ſchälte Kartoffeln over putzte Gemüse.
Mutter Müller regte ſich über nichts
auf, kam nie aus der Ruÿe, und aus ihrer
173
Saarkalender für das Jahr 10927.
Regierungszeit sind nur wenig Fälle be-
kannt, daß sie sich hinreißen ließ, eins
von den Elfen durchzuprügeln. Ihr Be-
ſicht zeigte immer ein freuudliches Lächeln
trotz der vielen Arbeit und dem knappen
Geld. Ihre Anſprüche an dos Leben waren
so gering, daß der selize Diogenes hätle
noch von ihr lernen können. Genau ſo
anspruchslos und ſstillverguügt waren die
elf Flachsköpfe. In unstillbare Wut gerict
sie nur einmal, als sie eines Tages aus
dem Stall, wo sie die Kuh gefüttert hatte,
in die Küche trat und dait ihre Spröß-
linge bei einem merkwürdigen ,Vergnü-
gen“ antraf.
Das fünfjährige Lenchen hatte das drei-
jährige Trautchen auf ein Kiſſen von Mut-
ter Müllers Bett gesetzt, an einen Kiſsen-
zipfel ein Band gebunden und fuhr nun
mit dem vergnügt quietſchrnden Schweſter-
chen „Schlitten“. Das ging auch Mutter
Müller über den Spaß. Und erſt recht,
als sie sah, daß der „Schlitten“ schon einen
Motordefekt hatte und die Federn in der
ganzen Küche herumflogen. Aber noch ehe
sie zugreifen konnte, hatten die beiden
Flachsköpfe sich mit fabelhafter Geschwin-
digkeit in Sicherheit gebracht. Trautchen
unter den Tiſch, Lenchen rnler den Herd.
„Hat ma dann fei Lebdag so miserawc!e
Kinner geſsiehn? Ma sollt se an die Wand
schlahn, daß se hänge bleiwe. Warde Ihr
nur, wann eier Vadder lummt, der word
eich s{<un Mores lehre. Der werd eich
emo: jhetis mit eme gudde Kiſſe Schliede
ze fahre.“
Dieſe Drohung machte Mutter Müller
aber doch nicht wahr, denn Peter beſaß
eine Fertigkeit, seinen Riemen losza-
schnallen und rückſichtsios draufzuſchlagen,
die ihr tief verhaßt war.
Aber um mit Wilhelm LBuſch zu reden:
„Eins, zwei, drei, im Sauſeſchritt, eilt
hin die Zeit, wir eilen mit.“ Die Flacts-
köpfe wurden groß und als der Krirg
ausbrach, war die Jüngste schon 10 Jahre.
Und Mutter Müller vergaß nicht, ihrem
Manne jeden Tag zu erzählen, wie gut ?
doch wäre, daß sie keine Jungens hätten.
„Siſchde jetzt,“ pflegte sie zu sagen, „roann
ma jetzt Buwe hedde, wäre se vielleicht
schun lang dotgeschuß.“ Dagegen konnte
Peter nichts einwenden. Er machte über-
haupt nicht gerne Einwendungen; denn
dazu mußte man den Mund aufmachen
und das tat er nicht gerne. Und als dann
der Krieg zu Ende war und die ganzen
Saarbergwerke in feranzösiſche Hände
kamen, da wurde Petrr Müller immor
wortkarger und der verbiſſene Zug um
seinen Mund vertiefte ſich. Nur im äußer-
sten Notfalle sprach er «in Wort.
Seine Flachsköpfe waren alle gut ge-
raten, vier waren verheiratet, zwei waren
in Stellung. Ein gewisser Wohlſtand machte
sich bemerkbar, es sah jetzt immer ſauber
und ordentlich aus. Merkwürdig war nur,
daß kei)e der verheirateten Töchter Kin1-
er hatte.
Eines Abends, als Peter die Berta lange
sonderbar finster betrachtet hatte, stand er
auf, nahm die Pfeife aus dem Mund und
sagte, ohne eine Einleitung oder eine Frage
nötig zu halten, und indem er ihr die
Fauſt unter die Nase hielt: „Wann ich
Dich noch e mol mit dem Franzosefrippche
siehn, dann ſchlahn ich Tich dot.“ Berta
wich betreten und sHuldbrwußt zurück,
und Peter, der das menſchenmögliche ge-
u. §u. zaben glaubte, ſet;te sich ruhig
wieder hin.
Tatsache war auf jeden Fall, daß Berta
mit Monsieur Dupont langst einig war.
Aber wo hatte der Alte sie nur gesehen?
Und Dupont war ein so ardentlicher Kerl.
Warum sollte ein Franzoſe nicht auch rin-
mal ein ordentlicher Kerl sein? Aber
Peter Müller war nun einmal ein ſchreci-
licher Franzoſsenfresser, cs wäre verlorene
Liebesmühe gewesen, ihn von Monsieur
Duponts Vorzügen überzeugen zu wollen.
Und so nahte denn lagſjam das Ver-
hängnis. Berta hatte auch immer das Ge-
fühl, als ob der Alte schon mehr wüßte
und die Dinge nur an sich herankommen
lassen wollte. Ihre Ahnung wurde zur
Gewißheit, als eines Abends zum grenzen-
losen Erſtaunen der zanzen Familie Mon-
sieur Dupont in die Stube trat und ihr
Vater der einzige war, der nicht erſtaunt
war. Und Dupont fragte ruhig und be-
ſcheiden. eb er Berta heiraten dürfe, und
zwar bald.
Peter Müller gab zunächst gar keine
Antwort. Die Mutter starrle den fremden
Mann entsetzt an und ſreufzte: ,„Jeſses,
Maria!“ Nun wußte ſie, wieſo ihr ihce
Jüngste in der letzten Zeit so verändert
vorgekommen war. Nachdem Peter ſich
lange genug besonnen haite, nahm er oie
Pfeife aus dem Munde und ſagte langsam
und bedächtig: „Nä, se Lebdag nit. Ja
mei Haus kummt ma ka Franzos. S9
lang wie ich lewe mol uf bhäne Fall. Und
jetzt mecht ich Ihne rode, s'Haus vun auße
je yrſett~ Bei z! zt! Vary
für geraten hielt, einstweilen den Rückzug
anzutreten. Er machte eine Verbeugung,
die jedem Tanzmeister Ehre gemacht hätte
und verſchwand. Berta ſchluchzte, die
Mutter half ihr: „Jeſsſes, Peter, laß se
doch wenigschtens heirade, t aß das Mäte
174
Saarkalender für das Jahr 1927.
nit in die Schann kumnit.*‘ Aber Peter
war unerbittlich. „Was es sich ingebrockt
hat, kanns ach ausfreſſe. Ich hann mei
letſcht Wort geschwetzt.“
Dabei blieb es und man kann nicht be-
haupten, daß es von dieser Zeit an noch
gemütlich im Hauſe war.
Als dann im Herbſt ein niedlicher kleiner
Junge auf der Bildfläche crſchien, traf man
Mutter Müller oft in Tränen. Und Peter
ſchielte häufig seitwärts nach der Wiege,
in der auch ſeine elf Flachsköpfe gelegen
hatten. Jetzt lag der früher so heiß er-:
ſchnte Junge darin. Ja, ater unter was
für Umständen! Als er aver seine Frau
eines Tages wieder in Tränen fand, fuhr
er sie barſch an: „Wann nch jetzt nur e
mol wißt, vor was Du iminec am Brillen
biſcht, ſo ebbes is ſchun bei ganz annere
Leit pasſiert. Un zu Fsse kama jo ach nuch
for das Kind.“
„Dch“, schluchzte die Frau, „weje dem
Kind dät ich mich jo nit vÄ.reiße, aber 1ch
muß nur immer dran de.nke, wie ma ſich
noher mit dem arme Wirmche versſtännige
soll. Vun uns kann jo niemand fran-
sösiſch.“
Donnerwetter! Peter ließ beinahe die
Pfeife aus dem Mund fallen, – daran
hatte er noch gar nicht g dacht. Er kratzte
ſich verlegen hinter rem Ohr und ging
ban mit undeutlichem Gebrumm aus der
Stube.
Eine ganze Woche sprach er kein Wort.
Dann nahm er ſich Berta bei Seite und
sagte: „Wann Dei Franzos Deich noch mill,
dann kannſchde ne in Bottes Name bring...
Aener muß doch ſchließlich do sin, wo mit
dem arme Kind ſchwätze kann.“
Und so hat Berta ihren Mann bekom-
men, die Liebe besiegte drin Hagß.
Die Nebenbeſchäftigung.
Erlebniſſe eines Pechvogels.
Von R. Sarg, Saarbrücken 5, Wilhelmſtr. 6.
Als sich die Zeiten gar nicht meyr
beſſern wollten, nahm mich meine Frau
auf die Seite, räuſperte sich energiſch und
sagte: „Mann, es kann alles nix helfe,
Du mußt Dir noch e Newebeſchäftigung
ſuche!n Du wilscht doch nit, daß Der
ßqtilie in Lumpe erum laafe duht?!
o!“ WV
In diesen kritischen Tagen fand ich 1in
der „Saarbrücker Zeitung“ eine Anzeige,
die ungefähr folgenden Inhalt hatte: Der
Verlag Gebr. Hofer sucht für den Saar-
kalender humoristische Beiträge gegen gute
Bezahlung. :
„Das wär so e Beſchäftigung fir Dich.
meinte Frieda mit ſpöttiſchem Naser
zwinkern, „zum Hungerkinſchdler haſchd-
ja doch kä Talent, un ebbes Dummes zu
ſchreiwe, dirft gerade Dir nit allzu schwer
falle!‘ ~ Ich ließ meine Bruſt zu einer
heroiſchen Wölbung anschwellen und rief
mit erregt zitternder Stimme: „Gut! Im
Interesſſe einer lumpenfreien Familie
werde ich das Hekatomben-Opfer bringen
und mich kopfüber in das kühle Reich der
pontica humoris hinabsſtürzen. Aber, daß
mir niemand vorher ebbes davon erfährt!
Verſtanne!“ ~
Am nächſten Vormittag wußte es be-
reils unsre Zweit-Stock-Bewohnerin, Frau
Schwenkeimer. – Die hat auch einen
Nebenberuf: Klatſchbaſe en gros. – Nach
8 Tagen war die ganze Straße orientiert
(natürlich falſch!)) und alle waren ſich in
dem gleichen Wunsche einigc: „Wenn er
sich nur grindlich blamiere duht, der Narr,
der ingebildete!l‘ h – –
Im Hauptberuf bin ich tugendsamer Be-
sizer eines Zigarrengeſchäftes. Deshalb
haben mir meine Freunde den Spitznamen
„Tuwakſchpinner“ beigelegt. Der Laden
iſt allerdings sehr klein, aber in ihm
spiegeln sich alle großen Ereignisse des
Saargebiets en detail wider: ,„Wirtſchaft-
licher Niedergang“ – g, Zollabschnürung“
175
Saarkalender für das Jahr 1927.
~ p,Frankeninflation“ und „Teuerung“.
Das sind zwar nur Stichworte, aber wir
alle wissen genau, wie gewaltig sie stechen,
nicht wahr? – Außerdem habe ich noch
eine Frau (Bubikopf-Anwärterin) und
3 Kinder. Manchmal kommt es mir vor,
als habe ich zwei Frauen, die ſich gegen-
seitig nicht vertragen können und 6
Kinder. Und da soll einer noch den Mut
aufbringen, eine Humoreske zu ſchreiben!
Ich danke! '
Die Humoreske ſchlummert noch un-
geboren in den ſcheckigen Tiefen meiner
Bruſt. Aber mein Ruhm trägt bereits
Zinsen. (Schade, daß ich keine Brannt-
weinhandlung habe! Ich würde ihn auf
Flaſchen abzichen und als ,@ Original-
Jamaica“ verkaufen.) Das Geſchäft hai
ſich etwas belebt. Das kunſstverſtändige
VPublikum will den neugebackenen Dichter
kennenlernen. Unsre 60-Centimes-Zigarre,
Marke ,„Dorfpoet mit Havannah-Einlage“
iſt bereits ausverkauft worden. Im
übrigen hatte ich weniger Glück: Mein
Lieferant Schleuderpreis aus Blieskaſtel
hat mich nun zum zwölften und, wie er
schreibt, letten Male gemahnt. Hähä! Er
fürchtet sich scheinbar vor der Zahl 13. ~
Vom Finanzamt bekam ich eine Steuer-
Nachforderung für 19240. (Kommt in die
Mappe: ,Steuer-Nachforderungen. Mittel-
alter .bis Neuzeit.“) Vor Schreck ist mir
eine Flasche mit schwarzer Kautabakbeize
über den guten, grauen Anzug gelaufen.
zievo läuft hinterher. Sie ist außer
ih . c s~v 6%
|
Hurrah! Der Anfang meiner Humoreske
iſt gefunden. Er lautet: An einem jener
herrlichen, roſigüberhauchten Vorfrühlings-
vormittage spazierte Ottomar ſtillbeglückt
über der Saarmaid Wanderweg. Da be-
fr! u in rr ue pe uzerr hinter
grün-verſchleierte Dame. – Das klingt
poetiſch, hat lokale Färbung, nur ist es
nicht gerade humorvoll. Aus dieser Ver-
Tegenheit befreit mich Kathrin, das Aus-
hilfemädchen, die ich bei knifflichen Dingen
itnnmer gerne um Rat frage. „Waaaas?"
ſchreit Kathrin empört, „das will e Dam
sind, die sich alläin in de Wälder erum
treibt? Das is kä Dam, das is e Zumbel!“
~ Eine glänzende Idee!: Damit wäre ich
dem Humeoriſstiſchen ſchon ein gut Stück
näher gerückt. Ich schreibe alſo: „Da be-
gegnete ihm in den dichten Wäldern hinter
dem Winterberg eine auffallend grün-ver-
ſchleierte Zumbel! — Als ich. dieſen viel-
ſagenden Anfang meiner Frau vorlete,
meint sie, ich brauche die Sache nicht gletch
wieder ins Ordinäre zu ziehen. – Im
Anſchluß hieran hatten wir eine kleine,
aber wirkungsvolle häusliche Szene.
Man ſsſoll ja nicht etwa denken, meine
Frau hätte die Hoſen an! JIch verbitte
mir das! Ich habe den Anfang der Hu-
moreske aus frei en Stücken um-
geändert. In seiner jetzigen neutralisierten
Jorm lautet. er so: „Da begegnete ihm in
den dichten Nadelwäldern hinter dem
Winterberg ein Hund (Dackel)“. – Nun
site ich aber ſchon mehr als 3 Stunden
im Schweiße meines Angesichtes über
diesem Bieſt und komme nicht von der
Stelle. Man könnte vielleicht eine humo-
riſtiſche Tiere. und HMenſchengeſchichte
daraus machen. Etwa so: Der Dackel geht
nicht mehr von Ottomars Seite. Eines
Tages springt ihm im Schloßeafés eine
robuſte Dame an die Krawatte: „Wie
kommen Sie zu meinem ſsſüßen, kleinen
Waldi-Dackelchen? Sie Hundedieb!“
Damit ist jedoch meine Dackel-Weisheit zu
Ende. Es ist das beste, wenn ich mal per-
sönlich am Sonntag nach dem Winterberg
wandern und der qdhiſtoriſchen Stätte
176
Saarkalender für das Jahr 1927.
meiner Erzählung einen zwanglosen Be-
such abſtatte. Dabei kommen mir ſicher
beſſere Gedanken. – – –
Frieda hat es nun doch durchgesetzt, daß
die ganze Familie mitwandert. Wahr-
ſcheinlich befürchtet sie, daß mir vielleicht
in den dichten Wäldern hinter : dem
Winterberg tatsächlich jene grün - ver-
ſchleierte .... : {Pſt! Still, sie Könnte
hören!) – Also, wie gesagt, der Auf-
tf s verzögerte ſich dadurch um mehrere
Stunden. – – Unterwegs reifte meine
Idee langſam zur Vollendung empor. Dtie
Kinder waren allerdings etwas sehr auf-
dringlich und oft genug mußte die Mama
scheltend dazwischen fahren: ,„Kinner, seid
ſtill, euer Vadder is neweher beſchäftigt,
er humoreskelt!‘“ Ich habe nämlich die
Angewohnheit, laut vor mich herzureden,
vor allem, wenn die Begeiſterung des
Dichtens über mich kommt. Aus den
Zwiſschenrufen der Kinder und meinen
eigenen salbungsvollen Worten entspinnt
sich nun eine luſtige Konversation, von
der ich ein Bruchſtück hier wiedergebe.
„Kättche, guckemol, ich „han e Pärds-
bobert gefunn! – – –~ =
„Dttomar war nun der qlücklichsſte
Menſch der Yelt und jeder, der ihn sah,
„Pfui Deiwel, was e dreckiſcher Käfer!
Laß ne laafe! – – ~
„Er aber ſprach in einem Anflug von
Zärtlichkeit: t .=
„Du mei liewer, guder Pärdsbobert!“
„Die alte
miiteln cn
, Dame verſuchte zu ver-
„Kinner, feid ſtill, ſunsſcht ruf ich de
Butzemann! s
„Da schrie das gekränkte Mädchen m
höchstem S0pran: ; ...
„Mama, 1ch muß e Bach mache!“ – =
In der Nähe des Winterbergs tauchten
unvermitteli drei franzöſiſche Soldaten
ror uns auf, anscheinend in angeheitertem
Zuſtand. Karlchen muß ihnen natürlich
in die Beine laufen und – weiß der
Himmel aus welcher Ursache! + plötzlich
bekommt er seinen armen, sonntäglichen
Hintern verhauen. Ich eile hin und mill
die Sache gütlich zu Ende bringen, da
fängt unglücklicherweisſe Klein - Friedchen
aus voller Kehle an zu singen: ,Deutſch-
land, Deutſchland über alles!‘. Und --
haſte nicht gesehn! – ergeht es mir wise
meinem filius. Die Kerle fallen über mich
her und schlagen mir mit meinem eigenen
Regenschirm den Rücken wund. Dann
klauen sie noch meinen nagelneuen -
Sommerhut, ſtecken ihn oben auf den
Schirm und ziehen johlend mit ihrer
„Kriegsbeuie“ von dannen. Frieda hatte
ſich mit den andern inzwischen durch eilige
Flucht in Sicherheit gebracht. Da beginnt
es zu allem Elend noch in Strömen zu
regnen und es bleibt mir nichts anderes
übrig, als Klein-Karlchen auf den zer-
sſchundenen Rücken zu setzen und mit ihm
~ Hoppe-Reiter –~ nach Hauſe zu tragen.
Von innen und außen durchnäßt erreiche
ich den heimatlichen Herd. Aber allen Ge-
walten zum Trotz ~ die Idee zu meiner
Humoreske iſt fertig. Morgen beginne ich
mit dem Niederschreiben.
*
Und als der Morgen kam . . . . . Die
Regenpartie hat schlimme Folgen für mich
gehabt: Halsentzündung mit HBeglett-
erscheinungen. Ich liege im Bett und
gurgele abwechselnd mit Salbei-Tee, über-
mangansſsaurem Kali und Zitronenwaſsſſser.
177
Saarkalender 1927
12
Saarkalender für das Jahr 1927.
Die Zwiſchenzeit iſt mit dem Nieder-
ſchreiben ausgefüllt. – Ich schwitze vor
Anstrengung. –~ Alle Stunde kommt
Frieda auf einen Sprung herein: „Haſte
aach schun gegurjelt?“ oder „Wie weil
biſchdhe mit Deiner Humoresk ?“
Und gegen Abend, als Frieda den Laden
zumachte, war sie soweit.
##
Den Schluß meiner Erlebnisse? TIJch
möchte ihn lieber verschweigen; er ist zu
beſchämend für mich! Mein Ansehen 1n
der Stadt iſt dahin, die Kunden auf unſre
Hausmarke ,Dorfpoet“ haben sich ver-
laufen. In den Straßen verfolgt man mich
mit höhniſchen Blicken und meine Frau
behandelt mich mit den Zeichen maßloſer
Verachtung. Wie das gekommen ist? Nun,
als ich an jenem denkwürdigen Abeno
meine fertige Humoreske vorgeleſen hatte,
da fauchte mich Frieda mit einem ihrer
durchdringenden Blicke an: „Du Schwindler!
Die Geschicht haſchdhe Wort fir Wort ad-
geſchrieb’! Vor 8 Tage han ich dene
selwiſche Zimt im ,@ Praktischen Weg-
weiser“ geles. Wart ich will Dir's schwarz
uff weiß zeiche!‘ Ob's gestimmt hat = ich
weiß es nicht. Das ganze Zimmer begann
sich auf einmal rundum zu drehen. Vor
meinen Augen floß es wie eine Miſchung
von übermangansaurem Kali, Salbei-Tee
und tausend anderen teufliſchen Getränken,
[s wiehernd klang es aus allen Zimmer-
ecken:
„Der Rinfall duht Dir gar nix schade,
Bleib Du bei Deinem Tubatkslade!“
„Anh Finer."
Ein Dialog, erlauſcht vum Felix.
Eijeh! Aweil had uns awwer grindlich es Läd!
Wääſchde ſchun, wie dr Franke heid ſchdehd7?
Als widder erunner un widder geſtirzd,
Ich bin dr im Hirn ſchun grad wie verhirzd.
Wo ſoll das dann hin? Wo ſoll das enaus?
Ich ſahn dr, die Hibodek uff meim Haus
Laßt mr kä Ruh meh bei Daah un bei Naachd.
Es dauert nit lang un dann bin ich verklaachd.
Alles uff Dollar un werdbeſtännich!
Nix kann ich zahle! Nit äne Pennich!
Un die Geſchäfde gehn dr ſa ſchlechd.
Wär kaafd dann noch ebbes? Hann ich nit rechd?
Mei liewer Alder! Das ſinn dr Zeidel!
I o h a n n :
Io, Pitt, ſo unrechd haſchde do nit.
Du haſchd dr bees in de Finger geſsſchnidd.
In de Finger ss "S i:ſs dann? Wieſo?
Schwäz doch ke dumm Dinges!
I o h an n :
Ei was e Froh!
Nadierlich haſchde gelehdh näwes Neſchd!
Wieſo? Du Dirmel! Das wääſchd Du doch de beſchd.
Du haſchd doch selwerſchh am meiſchde gemauld
Domols, als dr Franke vum Rault
Ingefihrt werre ſolld, un die annere all
Proteſchdverſammlunge hann abgehall.
Wääſchde noch, wie de domols gekriſch un geſchnauzd
Un mid dr Tauſchd uff de Diſch haſchd gebauzd,
Un haſchd die annre verſchennt und verſsſcholl
AIs Dirmele, Rinſerte, Dickkepp un doll,
Als wäre ſe Bleedmänner durch die Bank,
Weil ſe nix wiſſe wollde vum Frank?
Wääſchde das nimmeh?
VE mach doch ke Meis!
Das machſchdve mir doch känesfalls weiß,
Ich wär emol for de Franke gewähn!?
I o h a n n :
Ei Dunnerwedder, Du liehſchoh jo grad Stähn
Un Bähn zesſamme. Haſchde vergeß,
Wie Du de Schorſch beinächſchd uffgefreß,
Weil der geſahd hat, dr Franke käm nur
For uns wääwes zemache, un nit e Spur
Wärs for Hannel un Wannel beſser.
Jet hädde se uns erſchd richdich am Meſſer
Un kinnde uns birſchde un schdrähle un ſchähre?
Gell, so ebbes vergeßzd m'r gähre?
Pitt::
Ei doh! ~ Ei doh! — Ei das doh is geloh!
Das is nit richdichh Die Sach war ſo:
Ich hann nur immer parlierd un gesahd:
D’'r Franke is Geld, wo m'r ebbes dran had!
Was nidzd uns die Mark? Die wird immer ſchlechder!
Do is m'r ſchunn liewer e Santiem, e feſchder!
Un so wie d'r Mark gehds em Franke nit!
Is das nit richdich?
I o h a n n :
Mei liewer Pitt!
Du ſchwäzd e Dinges –~ so dumm wie lang.
Aweile haſchde Dich ſelwerſcho gefang.
Wie is's dann heid mit 'm Franke? Her Sah!
Haſchde Dich do nit ſelwerſchd geſchlah?
Die Mark is feſchv und d'r Franke is ſchlechd!
Wenn Du heid Klaachſchd, dann gesſchieders ganz rechd.
Awwer Dir un de Kerle vun Deiner Kulär
Gehds noch ze gudd, dann das ganze Malär.
Wo d'r Franke hat iwwers Saarland gebrachd,
Hann Ihr doch noch freiwillich mitgemachd.
Ihr hans jo beſſer gewißd, Ihr Geſcheide!
itt:
Io, jo! Das §ctntt ~ Un aweil ſimmer pleidel!
Das kummd devun, wammer nit weider dengd,
Als em d'r Tripps an der Naſeſchbidz hengd.
178
Saarkalender für das Jahr 1927.
Aus dem Leben der Baarknappen.
Schwer und gefahrvoll iſt das Leben unſerer
Knappen, hart ihre Arbeit, aber weich ihr Gemüt
und trotz aller Bedrängnis, mit der sie zu ringen
haben, erfreuen ſie ſich eines harmloſen Humors.
Don den unter ihnen lebenden Anekdoten und
Witen hier einige Proben.
Dito. Ein alter Aufseher sollte den Poſten als
Nachtſteiger verſehen. Nach dem Gebet ſchlägt er das
Schichtenbuch auf und beginnt zu verleſen: „Matth.
Schmidt“, „Hier!“ –~ ,Peter Dito.“ Keine Antwort.
„Nik. Dito.“ Alles ſchweigt, vereinzelt hört man ein
Lachen. „Fritz Dito . . ." Stärkeres Lachen. –~ „Zum
Heiligkr. . . ." ein ellenlanger Fluch folgte ~ ,,w o
ſinn d ann h eit o wen d di e „D it o s“ a I 1“,
ſchimpft der Alte, während die Belegſchaft in ein
ſchallendes Gelächter ausbricht. Ahnend, daß er ſich
blamiert habe, wirft er das Schichtenbuch den Nächſst-
ſtehenden vor die Füße und verläßt aufs tiefſte empört
über ſolche Diſziplinloſigkeit ſeiner Untergebenen den
Saal. Der alte Knappe wußte offenbar mit Fäuſtel
und Bohrer beſſer umzugehen, als mit dem
„Schreiwes.“
Die böſen Fremdwörter. Detter Hannes erzählt
beim Halbſchichtenbrot: „Do is eener aus uſem Dorf,
ſo e Schlauer; früher wor 'r Bergmann, noher hott
'r e Krämche angefang unn Zigarre geraacht. Bei
demm kummt emol e Reisender. Na, er beſtellt druff
unn dernidder vor e paar Hunnert Mark. Wie der
Räſende alles uffgeſchrieb hott, mennt 'r: „Herr N. .,
wie i ſt es d enn mit den R ef er enz en 7"
~ „Ach ſo,“ ſaht dr N. . . ., die hätt ich jo nächſcht
vergeſſ, ſ < r e i we Se m'r em ol e halwe
3 ent n er u f f !“ —~ Do hatt der Tobert gemeent,
die Referenzen kinnt 'r halbpundweis verkaafe. Der
Reiſende hat die Geſchicht noher im Wertshaus ver-
zählt. Seitdem nenne m'r de Herr N. . . . nure
R e f er enz e ſ ch o r ſ ch.
Derfängliche Frage. Nachdem der Hannes, der
das Pulver nicht erfunden hatte, ſeine Schließkappe
aus der Joppentaſche herausgelangt hatte, meinte er
zu seinem Kameraden Sepp: „Do hHonn ich die letſchd
Kurſchh vunn dem mißverglickte Brot, wo mei Fra
die vorig Wuch geback hatt. Giſchder hatt se neies
geback, do honn ich emohl de Backowe warm ge-
macht. Ich glab, das werd beſſer geback ſinn. Wonn
des rotſchd, wieviel Brot m'r gebackt honn, do kriſchd
de se alle ſechs.nn „Mä, I hr w är e als e
Sticker ſe <h s g e b a < t h o n n, meint darauf
der Sepp.“ „No, do beiß ſich awer doch ener ſelwer
in die Nas,“ meint da der Hannes die Augen auf-
reißend, „mo, de muſchds gerot honn pro Zufall!“
Die gute Zigarre. Der Arbeiterzug Wemmets-
weiler-Cebach war gedrängt voll heimfahrender Berg-
leute. Auf einer Zwiſchenſtation stieg ein feiner
Reiſender ein. Er rümpfte ein bißchen die Naſe
über den , Uebel“ des St. Wendeler Rolltabaks und
ſetzte ſich neben einen alten Bergmann. Bald darauf
kam dieſem die Luſt an, ein Pfeiſchen „Rolles“ zu
ſchmöken. Umſtändlich kramte er Meſſer und Tabak
aus der Taſche –~ dieſe Umſtändlichkeit erhöht den
Genuß des Rauchens , ſchnitt von der Rolle dünne
Scheiben, dann ſchlug er Feuer und paffte mit hung-
rigen Zügen mächtige blaue Rauchwolken in die Luft,
den neben ihn ſitzenden Reisenden richtig eindämpfend.
Dieſer wandte ſich ab, wehrte mit dem Taſchentuch
die zudringlichen Rauchwolken und zog seine Zi-
garrentaſche, der er ein Exemplar edlen Krautes ent-
nahm. „D o A lt er, sſte < en Sie ſich m 'al
ein e qu t e Zi g ar r e an !“ Der alte Knappe be-
trachtete ſich die Zigarre ven allen Seiten und ſagte:
„Ich ſinn aach merci! Dat ſcheint e gutt Segar ze
ſinn, d i e r a a < i < m o r g e fr i e h, w e n n i ch
aus d er Ker < ku m m !“. Und während er
ſeiner Pfeife große Rauchwolken entlockte, barg er
das teure Kraut vorsichtig in der Taſche. – Auf der
nächſten Station ſtieg der Reisende aus.
Der hohle Zahn. Der Vetter Hannickel kommt eines
Tages zu ſeinem Nachbar, dem Schmied, der auch das
Geſchäft des Zahnziehens betreibt, und bittet ihn,
ihm einen Zahn zu ziehen, der ihn ſchon einige Tage
ſehr peinige. „Datt werre mer gleich gemacht hann,"
ſagte der, „do ſeßen Eich uff de Stuhl unn halle Eich
recht feſcht an de Stuhlbeiner. Das geschieht. Nach-
dem der Zahn in eine Beißzange eingeklemmt und
der gute Detter Hannickel mit ſeinem Stuhl dreimal
rund in der Stube herumgeſchleppt worden iſt, iſt
der Uebeltäter glücklich heraus. „Guck 'n doch emol
no,“ bittet Detter Hannickel den Schmied nun, q,,et
muß doch ebbes an dem Zahn gewehn ſinn, datt er
meich eſo geploht hat!“ Der Schmied ſieht nach und
was findet er? „Kr i e h d e Kr änk, do ſt e < t
jo ä Q u e tſ < e k e er e dr i n!“
Die ,gerſchi Schicht“. Der Nickel hatte ein bißchen
i1)ark erſſe Schicht gefeiert. Spät abends kam er,
bedenklich schwankend, zu Hauſe an. „W o i s met
S 1 p p ?" sraglte er die im Nebenzimmer ſchlafende
Tattin. „Ma. dort uffem Owe ſteht ſe,“ war die
Antwort. Bald hörte man das Schlürfen des eſſenden
Nickel. „Eich wäs net,“ knurrte er von Zeit zu Zeit,
„wie de Supp heit Omend ſchmackt, die - Krumbeere
ſcnn aach net gutt geſtoßt unn noch ganz zäh.“ ,, Dau
wirſcht beſuff ſinn,“ tönte es ſchlagfertig aus der
Schlafstube. Endlich war Nickel mit dem Eſſen fertig.
„I e ß t n o < g e w ä \ < t – w o e s d enn met
W äſch waſſ er ?“ ,„Datt is aach dort am Owel!“
Nicht ohne Mühe begann er das Geſchäft des Waſchens.
„Marie, haſcht Dau mer Schmeerſeif ent Waſſer ge-
dohn? Et es jo so ſteif unn eich han ganze Kiumbe
im Gesicht hänke. Ich ſinn doch net en de Dreck ge-
fall!“ Nuchts Gutes ahnend, erſchien bacd darauf die
Frau auf der Büiudfläche. Beim Anblick des Mannes
ſchlug ſie die Hände über dem Kopf zuſammen. ,, Du
liewer Gott, watt machſchh Dau denn? Dau haſchd
jo d er Ge is i hr Sa u f J e g eß u n n w ä ſ ch d
d i <h in deiner Kr umb eer es up p.“ Die
nun folgende Szene wollen wir beſcheiden übergehen.
Schlagfertig. Als die Primstalbahn eines Tages
von einer Station abfahren wollte, kommt im Gar
lopp ein junger Bergmann angelaufen, ſpringt ſchnell
in ein Abteil und läßt ſich erschöpft auf eine Bank
rieder mit den Worten: „So jeße mag där Zug zum
Deiwel fahren!‘ Einem gegenüberſitenden Herrn
haben die Worte ſcheints nicht gefallen. „Mein
Lieber“, redet er den noch immer ſchnaufenden Berg-
mann an, „wenn wir zum Teufel fahren, dann führt
uns der Weg eben zur Hölle. , Dat es meich ganz
egal,“ erwiderte der Angeredete, „e i < H o n n e
R e tur b il lj ett."
179
Saarkalender für das Jahr 1927.
Beim Fakob.
Erinnerungen eines alten Spreben.
Dort, wo jetzt die Deutsche Weinstube iſt,
Stammtisch der Brennesselsposser, an der
Ecke der Marktſtraße und der Herbergs-
gasse, war um 1800 eine Brauerei Bruch.
Später hatte die Brauerei eine Familie
Arenmacher, die aber anſcheinend dort
ſchlechte Geschäfte gemacht hat. Wenn
nämlich später von Leuten die Rede war,
die kein Geld hatten, ſagte man noch lange:
„Keener hat nichs unn Axemacherſch.“
. Später hatte die Wirtſchaft „der Jakob“.
Bei ihm war immer ein reger Betrieb. Er
hatte ein gutes Glas „Baldese Bier“ und
einen „Gute halwe Schoppe Pälzer“,
außerdem gabs „Handkäscher“. Nur wenn
er im Herbſt in der Pfalz war, um Wein
zu kaufen, gabs „Reie unn von dem gute
Pälzer Schwartemage“. Für Flaſchenwetne
hatte er nichts übrig und Schampagner
hat sein Keller nie gesehen. Zigaretten
Hhaßte er. Vor dem Bier tranken die
älteren Gäſte gewöhnlich einen „Chasseur“
(Schnaps). Sonntags gabs gewöhnlich , „em
Fritz sei Spezialität“ – Speckkure.
Montags morgens setzte brreits der Be-
trieb ein; dann machte nämlich dort die
St. Johanner Feuerwehr ihren Früh-
[Horpen unter Umständen bis gegen
end.
Abends ſpielten die älteren Herren 66
und mancher von ihnen tonnte so gut
„fautele“, daß man immerhin mit einem
Verluſt bis zu 20 Pfennigen rechnen konnte.
Die noch älteren Herren ſpielten nicht;
ſie erzählten von alten Zeiten. So der
Schwiegervater vom Jakob, der ein the-
kannter Feinmechaniker war und insbe-
sondere durch die Anfertigung komplizierter
Eiche kitskhlzher Hervorragendes ge-
eiſtet ha
Er war nach seiner Lehrzeit – wie zu
dieser Zeit faſt alle Saarbrücker – in
Paris und 1848 in Berlin; von der Revo-
lution dort erzählte er in anſchaulicher
eise.
Der Vater vom Jakob und sein Regi-
mentskamerad K. sprachen von der Mobil-
machung und ihrem Marſch ins Badiſche.
Sir. dienten beim 30. Infanterie-Regiment
in Saarlouis. Damals belvam der Soldat
pro Tag 2 Pfund Brot, Erbsen, Bohnen
und Linsen, !/»- Pfund Fleiſch und "/2o Quart
Branntwein (etwa "/ſ4 Liter). Ein Quart
Wein kostete damals 8 Kreuzer oder etwa
30 Pfennige (eine Quart war ungefähr
1,2 Liter), aber setzten sie mit bitterer
Miene hinzu: „Mr k onnt jo keene
trinhe. m r "hat jo ke Geld ge-
Ein besonderes Gelage fand immer am
„Joklkolbsdag“ (25. Juli) statt. An diesem
Tage wurden die Tiſche aneinander gestellt
und an die Wand kam eine lange Bantr,
damit jeder Platz hatte.
Doch gab es noch mehr Abwechslungen.
Hary, der Gerber, erzählte seine Jugeno-
erinnerungen aus dem ,„Elselspaad“ (jetzt
Großherzog-Friedrich- und Arndt-Straße)
und Jakob, der Spengler, sagte, wenn's
gar zu ungeheuerlich Heichvinde!t wurde:
„Ja, ML. . so 1.1 s wirlich nitt
glaawe, da ß e Maus 3# Pund Fett
h a t.“ Oder: „Mr foll's wirklich nit
glaamwe, d'a ß e Pärd mit denne
d i ck e Lippe peif e kan n.“ Sonſt be-
liebte er Scherzfragen zu stellen, wie: „Sah
emol, wie kummt dann e Mlillichbredſche
noh Amerika?“ Es wurde hin und her ge-
raten, bis er sie ſelbſt beantwortete: „Ei,
wie soll's dann eniwwer kumme? trukkte
nadierlich.“ Oder: „Was is dann. wann e
Schorschdefeger in de Schnee fallt?“ „Ei,
dann is es Winter.“
Eines Tages machte der Hary den Gäſten
eine besondere Freude. Er veranlaßte de
Louis, e Anduddel *) zu mache. „A w w e r
sie muß s o lang sinn, daß se bis
unner die Damp: geht. D e
kriehſchb 3. Daler . def or.“. Der
Louis fertigte die „Anduddel“ an und lieh
ſich, wm sie transportieren zu können, beim
„Guſchdav“ im ,@Rheiniſchen Hof“ eine
Porzellanplatte. Alles stürzte sich, meist
. mit Tasſchenmessern, auf die Anduddel los.
Bald aber wurde man etwas zurückhalten-
der. „Ei Louis, ſah emol, haſchde de dann
dehemm so e große Diſch, for sſo e groß
Anduddel druff ze mache?“ „Nee, war die
Antwort, ,ich hann noch’s Nachtsdischelsche
miſse dran telle.“
Der Hary hatte mittlerweile dafür ge-
sorgt, daß der Louis nit drukke geseß hat
unn hat em ordentlich ingeſääft. Vergnügt
§. Lo zs t l Ylatte z! hr den
der Herbergsgaſse ereilte ihn indessen das
*) „Anduddel“, franzöſiſch andouille, ermne
heute noch in Lothringen beliebte Wurst. Ueber-
einander gezogene, stark gewürzte Därme, ab-
gekocht, gebraten oder geräuchert serviert.
180
Saarkalender für das Jahr 1927.
Geſchick. Auf dem idealen Pflaſter ~ ich
glaube, es iſt heute noch so — ſtolperte er
und die Platte ging den Weg alles Irdi-
schen; 2 von den 3 Talern waren dahin.
Der Hary hat dem Louis aber den Schaden
ersetzt.
Jakob war ein Mann von altem Schrot
und Korn und Soldat vom Scheitel bis
zur Sohle. In seinem Reſerveverhältnis
hatte er es zum Bige-Feldmwebel gebracht.
Er erzählte gern von ſeiner Dienſtzeit bei
den Heſſen und seinem Leutnant, Attila
v. Peſtel, einem Sohn des bekannten Kom-
mandeurs der 7. Ulanen, mit dem er als
Junge schon ,soldatsches“ gespielt hatte.
Wenn einer ſeiner Gäſte eine Uebung
machen mußte und sich bei ihm verabſchie-
dete, dann gab er ihm immer noch eine
Handvoll Zigarren mit auf den Weg.
Den Verluſt seiner beiden braven Söhne
im Weltkrieg hat er nicht verſchmerzen-
können; er trauerte ihnen nach, bis auch
er zur großen Armee abberufen wor-
den iſt. K. W.
Die ſaarländiſchen Gultzjer.
Unsere Vorfahren, und auch wir noch,
wurden in bezug auf „Schnäkereije“ kurz
gehalten. Schokolade und ihre Abarten
kannten wir kaum. Nur Samstags, wenn
wir gebadet waren, gabs Schokoladen-
kaffee. Dazu bekam jeder ein Milch-
Brötchen. Der alte Spengler aus St. Jo-
hann erzählte jedoch, wenn er auf die Ver-
pflegung beim Militär zu sprechen kam,
daß er, als er bei den Dreißigern diente,
ſchon „feine Gutzzer“ bekommen habe, daß
er sie aber immer zurückgewieſen hätte
mit den Worten: „,Nichs ze mache, Herr
Feldwebel, das sinn jo Generalſtabs-
ſchnäkereije.“ :
Dafür aber hatten wir Johannisbrot,
das nicht selten wurmig war, was aber
ſeinem Ansehen bei uns keinerlei Abbruch
tat, und Süßholz. An Zuckersſachen gab es
„Feierſtäänſcher“V, weiße und rote, und
Bruſtgucker. Ein ſehr beliebtes Gutzje war
der „Bäredreck“, den man auch in der
Apotheke zu kaufen bekam.
E Gutzje, das in keiner alten Haushal-
tung gefehlt hat, waren die „Magemor-
ſelle‘ *). Es waren gemwürzige, nnagen-
stärkende Mischungen mit Zucker in
„Plätzjer“ geformt. Auch sie wurden bei
dem Apotheker Koch hergeſtellt.
Weihnachten machte natürlich eine Aus-
nahme. Da ſtellten unsere Mütter aller-
pd Bath Vert r vi e § zZ zen
Gekauftes Backwerk durfte nicht auf die
Weihnachtsteller kommen, „das war nur
*) Morſjelle vom lat. Morsſula.
bei Leit Mode, wo nit vun hie ware, unn
wo die Madame nichs gekennt hann.“
Auf dem Teller, den jeder bekam, durfte
nuch „Jungfernleder“ **) nicht fehlen. Es
1war auch eine Spezialität von Herrn Apo-
theker Koch.
Ein Gutzje, das auch in Vergessenheit
geraten iſt, waren die ,„Quidde-Wirschd-
ſcher“. Es war dies das Mus der Quitte,
das in Haſendärme gefüllt wurde, die
Wirsſchdscher waren mit bunten ,Schlöpp-
ſcher“ abgebunden und hingen am Weih-
nachtsbaum.
Silveſter wurde Weihnachtsgebäck ge-
reicht und dazu Punsch kredenzt, der hat
aber auch „vun Koche sinn miſsse, ſunſchd
hat 'r nichs gedaucht“.
Bei der Herstellung des Zuckerzeugs
mußten wir helfen. Der Zuckerhut wurde
in Stücke geschlagen – Würfel- und Stauh-
zucker gabs damals noch nicht zu kaufen –
und die Stücke im Mörser zerſtoßen. Der
Mörser war aus Kupfer und ſtammte aus
Urgroßvaters Zeiten. Der Weltkrieg hat
auch ihn verſchlungen; vielleicht lebt er
'zuch noch und steht heute als Prahſlſstück
beim Herrn Raffke. Für unsere Arbeit
wurden wir aber belohnt. Wir durften die
Schüsseln auskratzen, in denen der Teig
war, und bekamen die „Owetrutzelſcher
unn die artliche ***) Stickelſcher“ ze
knawmwere. K. W.
**) Jungfernleder: franz. Pâte de Guimaure,
rechtsrheinisch kennt man es nicht.
***) artlich = eigenartig, von der normalen
Form abweichend. '
Zur Abſtammung des Menſchen. Dater und Sohn gehen spazieren. Der Iunge: „Unser Lehrer ſagt, daß der
Menſch vom Affen abſtamme. Ist es wahr, Dater, ſtammen wir von den Affen ab.“ – ,.Nee, ich nicht, aber du
vielleicht.“
Saarkalender für das Jahr 1927.
Aus dem Feld. Ein Neunkirchener Kämpfer im Weltkrieg teilt mir aus dem Trauerspiel einige heitere Epi-
ſoden mit: In einer Batterie im Prieſterwald wird telephoniert . . . Hier Fuſſa ſieben . . . Don Ferne ertönt
ein knurrendes . . . Kann kein Wort verſtehen . . . Der Telephoniſt wiederholt etwas lauter . . . Hier bei
Fuſſa sieben . . . und dieſelbe mürriſche Stimme antwortet: „Kein Wort verſteh'n!“ . . . Worauf der Telepho-
nierende wütend ins Telephon ruft . . . „„Ist denn vielleicht ein Ochſe am Telephon?“ . . . Und es kommt ge-
mütlich im rheiniſchen Tonfall zurück: „Auf d i e s e r Seite nich!“
Während der Fliegerkämpfe draußen im Weſten erfährt ein weit vorne liegendes Bataillon, daß im Nachbar-
dorf abends eine Theatervorſtellung ſtattfindet. Man ſchmückt ſich, wichſt ſich die Stiefel und begibt ſich, sobald
es dunkelt, in das Dorf. In einem Gaſthaus iſt die Bühne aufgeſchlagen und die Dorſtellung ſoll gerade vor
ſich gehen, als plötzlich dumpfes Geknatter das Nahen eines feindlichen Fliegergeſchwaders verkündet. Alles
ſtürzt in die Gänge, auf die Bühne, hinter die Bühne, jeder rettet ſich, wo er ſich in Sicherheit glaubt. Es ent-
ſteht ein Durcheinander. Als fich die Flieger verzogen haben, verſammelt man ſich wieder im Saal, der Dorhang
hebt ſich, aber mitten in der Szene ertönt wieder draußen ein Geknatter, die Flieger ſind zurückgekommen.
Alles ſpringt wieder auf, drängt ſich in den engen Gängen und ein heilloſes Gepolter entſteht in der Dunkel-
heit. Endlich ſind die Flieger fort, die Dorſtelung ſoll weitergehen, als diesmal vor der Rampe ein Major im
dunkelblauen Rock erſcheint, der die Dorſtellung leitet und verkündet: „„Meine lieben Kameraden, die Flieger
werden heute abend vielleicht noch öfters wiederkommen, und ich bitte dann, ſich nicht beunruhigen zu wollen,
ſondern wer keine Angſt hat, hier im Saal zu bleiben, die anderen begeben ſich in den Keller“ . . . Tiefes
EHyetgen, Plötzlich ruft eine rauhe Stimme aus einer Loge . . . „Wo gehen S i e denn hin?“ Dröhnendes Ge-
Die Familie „„Stollfuß“. In einem schmalen Haus am St. Johanner Markt wohnte früher eine Familie, die
man , Stollfuß“ nannte. Die Frau Stollfuß war bitterbös; ihr Mann bekam nie einen Hausſchlüſſel. Eines
Tages trank er ſich Mut an und blieb länger als gewöhnlich im Wirtshaus. Als er nach Hauſe kam, war die
Türe verſchloſſen. Kurzer Hand ging er in das gegenüberliegende Hotel Guepratte und ließ ſich ein Zimmer
nach dem Markt zu geben. Am nächſten Morgen zog er ſich an und legte ſich ins Fenſter. Die Frau Stollfuß
ſpähte des öfteren nach ihm aus, und enolich sah sie ihn gegenüber im Fenſter liegen. „Ei, wo gehſchde dann
erum, warum kommſchde dann nit hemm?“ ,,Ei, do gefallt's mr ſehr gutt, wann de die Hausdier uffgeſperrt
haſchd, sſahſchhe de mr's unn kumm eniwwer. Bring’ awer gutt Geld mit, bei Gueprattes is's teier!“
Wie kamen die Möpſe nach Saarbrücken? Die erſten Möpſe, die hier durch die Straßen wackelten, gehörten
einem Rittmeiſter von den 7. Ulanen. Er hieß Roth von Schreckenſtein, ein Iunggeselle, der vom weiblichen
Geſchlecht nichts wiſſen wollte. Seine ganze Liebe galt einer Anzahl Möpſen, deren Schickſal ihm noch bei
ſeinem Hinſcheiden viel Sorge machte. Er nahm daher, als er ſein Ende fühlte, ſeinem Burſchen das Ver-
ſprechen ab, die Pflceglinge in der Saar zu erſäufen. Er ſtarb (1874) und wurde im Ehrental beigeſett. Der
Burſche dachte aber garnicht daran, die wertvollen Tiere aus der Welt zu schaffen. Man bot ihm für die da-
mals seltenen Diecher ein gut Stück Geld, und so kam diese drollige Hunderaſſe in den Beſit einiger Bürger.
Wenig pietätvol wurden die Möpſe vom Volke die ,, Schreckenſteiner“ getauft.
Schwamm von Heiligenwald und Se. Majeſtät. In Heiligenwald hat „Schwämmchen“ als gedienter Gardiſt
eine Reihe von Erlebniſſen aus seiner Garniſonsſtadt Berlin in Umlauf geſett, die heute immer noch mit
Schmunzeln vernommen werden. Darunter auch folgende: Schwamm steht am Schloßeingang Poſten, als
Se. Majeſtät naht und an dem präſentierenden Grenadier vorbei das Tor durchſchreiten will. Plötzlich ſtockt er
und faßt den Feſtgemauerten ins Auge: , Sind Sie nicht das Schwämmchen von Heiligenwald?“ – ,Jawoll,
Majeſtät!“ ~ ,„Dann sag mal, Schwämmchen , Du biſt doch Bergmann, – haſt Du nicht ein Priemchen
für mich!“
Das erſte Grammophon in Saarbrücken führte der Trierer Marzen vor. Er hatte die Metzgerei erlernt,
Wanderluſt trieb ihn aber durch alle Welt in abenteuerlicher Weiſe. Don Chikago kam er mit seinem Grammo-
phon-Apparat zu uns und führte ihn in der Tonhalle vor. Es war für den Unternehmungsluſtigen anfangs
eine Enttäuſchung, das Publikum blieb aus trotz liebenswürdiger Beſprechung der Dorführung in der Preſe.
Zur ſelben Zeit hielt der Kaiſer in Kiel eine Anſprache und unmittelbar darauf erklärte Marzen überall, daß
die Kaiſerrede durch ſeinen Grammophon wiedergegeben werde. Das Publikum eilte in hellen Haufen in die
„Tonhalle“, die Garniſon war ſtets ſtark vertreten. Die Offiziere erklärten, daß die Aufnahme gut gelungen
ſei. Alle freuten fich, daß der Kaiſer nach längerem Halsleiden wieder den hellen Klang seiner Stimme habe.
Auffallend war mir dabei nur, daß Marzen die Redaktionen bat, von dieſer Sonderleiſtung ſeiner Deranſtaltung
in der Preſſe keine Ilotiz zu nehmen. Einige Tage darauf traf ich Marzen ſo recht ſeelenvergnügt bei seiner
Abreiſe nach Koblenz. „Die Kaiſerrede hat mich rausgeriſſen,“ ſagte er, „in ſolchem Dalles war ich nie in
Amerika wie während den erſten Tagen in Saarbrücken.“ „Hand auf's Herz, Herr Marzen, wie war's eigentlich
damit, die Sache kommt mir nicht koſcher vor.“ Er lächelte verſchmitt, „na ja denn, der redende Kaiſer war ich
ſelbſt; in Amerika war ich auch Schauſpieler und lernte deklamieren. Die Hauptsache bleibt, das ſehr riskante
Wagnis iſt geglückt, die anderen hatten einen ſeltenen Genuß, und ich habe jetzt Geld und bin gerettet. In
Koblenz riskiere ich's auch.“ „„Aber noch eins, das vielſtimmige Hurra zum Schluß?“ ,,Ich habe geſchrien,
meine beiden Söhne, zwei Kellner, einige Kellnerinnen und Aufwaſchfrauen! Glauben Sie mir, es waren bittere
Groſchen, ich habe jeden Tag gezittert. Aber nun habe ich hier keine Zeit mehr zu verlieren, leben Sie wohl!“
Und damit eilte er im Schnellſchritt zum Bahnhof. Es iſt nicht unintereſſant zu erfahren, daß ſich das Grammo-
phon im Saargebiet einſt mit einem aufgelegten, dicken Schwindel einführte.
182
Saarkalender für das Jahr 1927.
Bub oder Mädel! AK u s d e m Bir k e nf e l d er L än d < e n. In einem Orte bei Idar kehrte der
Klapperſtorch ein. Eine Nachbarin, die bei der Ankunft des kleinen Erdenbürgers hilfreiche Hand geleiſtet,
eilte ſchleunigſt zu dem Vater und machte ihm die Mitteilung, der längſt erſehnte Iunge sei angekommen. Dieſer
warf ſich in den Sonntagsrock und ließ ſeinen Sprößling auf dem Standesamt auf den ſchönen Namen Karl-Emil
eintragen. Die ganze Familie floß über in Freude und Wonne. Leider ſollte diese Freude nicht lange vorhalten.
Es wurde glaubwürdig festgeſtelt, daß der kleine Karl-Emil eine ~ Karoline-Emilie war! Mit des Geſchickes
Mächten uſw. . . . :
Fatale Antwort. Im Januar 1926 revidierte der Französling Miniſsterialdirektor N o t t o n das Völklinger
Gymnaſium und kommt auch in die Unterſekunda der Anstalt. Im Unterricht wird gerade die ,,rhetoriſche
Frage“ beſprochen. Notton wendet ſich an den Schüler K.: „Bilden Sie eine rhetoriſche Frage, damit man ſieht,
was Sie darunter verſtehen und die anderen wiſſen, was das iſt.“" Es erfolgt folgende ſchlagende Antwort:
„W a s i ſt ſ<h i m p f lich er als als D err ä ter des D at er l an d e s z u ſt e r b e n!“ Ob Notton
dieſe Worte gewürdigt und gewertet hat, wird leider nicht gemeldet. Iedenfalls werden alle Unterſekundaner
ihrem trefflichen Kameraden für ſeine geiſtvolle Antwort herzlich gratuliert haben.
Unglaublich, aber wahr. Ein Saarbrücker Rechtsanwalt hatte einen Mann aus der Gegend von Saarlouis
wegen eines Roheitsdeliktes zu verteidigen. Am Tage vorher instruierte er den Klienten, wie er ſich, um auf
den Richter einen guten Eindruck zu machen, benehmen müſſe. „Seien Sie in keiner Weiſe nach ihrem auf-
brauſenden Temperament herausfordernd, bleiben Sie beſcheiden, zurückhaltend, ſtecken Sie nicht, wie jetzt, die
Hände in die Hoſen, es kommt viel darauf an, auch im äußeren Auftreten die böſe Sache zu mildern.“ , Herr
Anwalt, ſoll ich vielleicht auch Orden antun, das Eiserne Kreuz“ uſw. „Es wäre mir nicht allein recht, es
wäre ſehr gut!“ Die Derhandlung nimmt für den Angeſchuldigten einen glücklichen Fortgang. Der Rechtsanwalt
macht noch auf die Orden ſeines Schütlings aufmerkſam. Richter wohlwollend: ,Ich sehe ja die Auszeichnungen,
Angeklagter, woher haben Sie dieſe Orden, z. B. das Eiserne Kreuz?“ Der Angeklagte wortwörtlich: ,Die
. Orden, die do, die ſin mein'm Schwiegervater!“ Ueber das ernſte Gesicht des Richters zucht es wie ſchwer ver-
haltenes Lachen. Der Anwalt, ſtarr, ſetzt ſich oder fällt vielmehr vor Schreck auf ſeinen Stuhl. Die mildernden
Umſtände waren natürlich futſch.
Zarte Andeutung. Ein durch ſeine Gutmütigkeit bekannter Bäckermeiſter in der Schloßſtraße erfreut die
Kleinen beim Broteinkauf gerne mit einem Zuckerklicker und hat ſeine Freude an dem Vergnügen und der
Dankbarkeit, mit der die fröhliche Geſellſchaft die kleine Gabe hinnimmt. Ein Süßmäulchen kommt, trifft aber
beim Einkauf die Frau Meisterin. Der Kauf iſt getätigt, das Kindchen hat sſein Brot im Arm, bleibt aber noch
im Laden und fragt, wie es Herrn W. gehe, ob er geſund und munter sei, ob in der Stadt oder zu Hauſe. Die
Frau Meiſterin freut ſich über das bekundete Intereſſe für ihren Mann und fragt: „Warum erkundigst du dich
denn so nett na<h meinem Mann?“ „O <, o <, i < h an ihn nämlich ſo lang e nit g eſi e h n !"
Der Wink wurde lachend quittiert, und die Kleine zog mit ihrem Gutzche ab.
Ein Reinfall. Der JIupp ſchaffte auf Karcherſch Werk. So um die Kirbezeit herum war er ſchwer im Dalles.
Aber wie Geld beſorgen? Ein Kolleg riet ihm, zum O b er in g en i e ur S < i l d e zu gehen, der würde ihm
als ſtets hilfsbereiter Dorgeſettter einen Dorſchußbon ſchreiben, er (Iupp) solle nur ſagen, seine Frau wäre 1ns
Kindbett gekommen. Geſagt, getan. „Iſt's e Bub,“ fragte jovial Herr Schilde. „Jawohl,“ antwortete prompt
Iupp. Schon war der Vorſchußzettel geſchrieben und Iupp faßte ſeine 50 Mark Kirbegeld. Ein paar Tage
darauf ſchlenderte der Oberingenieur durch Schafbrücke und der Zufall führte ihn an Iupps Haus vorbei. So-
fort war ſein Entſchluß gefaßt, nach der Familie und dem Bub zu sehen. Iupp und ſeine Frau ſahen das Ver-
hängnis nahen. Schnell kroch das Malche ins Bett und den Säugling mußte der zweijährige Anton, der neben
die Mutter gelegt wurde, markieren. Herr Schilde fand alles in ſchönſter Ordnung. „„Wie heißt denn der
Uleine,“ fragte er ſchließlich auf das roſige Geſichtchen Antons deutend. „JI b in' s T onel e,“ ſchmetterte
dieſer dem Frageſteller luſtig entgegen. Tableau! Der leutſelige Oberingenieur lachte und meinte: „Allewetter!
Das Kind hat ſich ja auffallend ſchnell entwickelt, wenn das in dem bisherigen Tempo weitergeht, kann der
Anton als Einjähriger ſchon die Geis hüten.“
Eine Heirat für — länger als ſechs Monate. Wie ſich doch die Zeiten ändern! Unsere Eltern und Großeltern
haben miteinander den „Bund fürs Leben“ geſchloſſen und dabei blieb es. Die modernen Zeiten haben eine
Abſchüttelung des „Süßes Ioches der Ehe“ durch die Eheſcheidungsgeſete der neuzeitlichen Laienſtaaten möglich
gemacht. Nun soll es noch beſſer werden, wenigstens, wenn man folgender Anzeige des „Freies Iournal“ Glauben
ſchenken darf:
A u f g e b o t.
Es wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht, daß 1. der Gärtner K a ſ im i Br oni sl au s
S < ü ß l e r , wohnhaft in Helſtroff, vordem in Merlebach in Lothringen, 2. die ſtandesloſe He l en e K a pp el,
wohnhaft in Fürſtenhauſen, Hohenzollernſtraße 56, län g er a ls 6 M on at e d i e Eh e mit e in ander
ein g eh en wollen!
De Pehanutnatiunz des Aufgebotes hat in der Gemeinde Fürſtenhauſen und im „Metzer Freies Iournal®
zu geſchehen.
Dölklingen, am 24. März 1926. Der Standesbeamte.
183
Saarkalender für das Jahr 1927.
Aus meiner ſaarländiſchen Gymnasialzeit. Ein alter, aus Friedrichsthal ſtammender Ingenieur ſchreibt mir:
Profeſſor Kr. hatte in ſeinen jungen Jahren einmal eine große Reiſe gemacht, von der er uns Schülern in der
Geographieſtunde an Hand des Wandatlaſſes zu erzählen pflegte. Er war ſchwerhörig und sobald er anhub,
zu erzählen, erhob ſich daher in der Klaſſe ein Geſumm im Chor: Geloh . . . is geloh . . . geloh . . . Merk-
würdig, ſagte er, ſobald ich den Atlas aufpflanze, entſteht hier ein Gebrumme wie von einem Bienenſchwarm.
Könnt Ihr Euch denken, woher das kommt?
Dieſer Profeſſor war ſonſt sehr friedfertig, aber er liebte es durchaus nicht, unterbrochen zu werden, wenn
er vortrug. Aber da er ſchwerhörig war, ſettten wir Schüler unſere Privatgeſpräche troßdem fort. „Das is doch
Y H;. fete rr plöua. „je d e s m a l, wenn i < d en Mun d a uf m ache, fängt ein Sch a f s -
Aus dem Elſaß. Der Patron ſteht in ſeiner Wirtſchaft vor dem Büfett und ſagt: ,„Dü Joſsphine, gibſcht
mr e Kognak. Es iſch mr e so ſingülier in minnem Büch.“ JIoſsphine: „D'r Patron ſüfft mr ze viel!“ ,,JIo,
Mere lſtÑ. n iſch doch nit ſo gefährli.“ ,Das jo grad nit, awwer er ſoll mr nit eſo machinalement
Ich komme in den Garten der Wirtſchaft und begrüße die Grandmgre. Ihr Enkel Edgar ſpielt dort. Sie
krtt tha 14! Dssr! Dient ici unn ſah dem Herr e ſcheenes Bonjour unn mach e recht e ſcheenes compliment
Die Madame Schaller: „Jo, es iſch jo ke beaute“, die Madame Schaller, awwer ſie hätt eſo e ſehres agreable
extgrieur.“
Im Schühlade: „Wann dem Muſſiö die ſouliers nit paſſe, hänt mir noch annere Schüh for de Herr."
Im Cafs Hühnerloch in Stecklebury: „Sah, Marili, was gitts hitt ze aſſe?“ , Schukrutt mit Spack!“ ,@Ei,
Marili, was iſch dann Schukrutt?“ ,,Ei, ſall iſch doch Sürkrütt.“ „Ei, Marili, kannſchh Dü dann noch mey
franzöſch?“ ,,Io, franzöſch! franzöſch kann ich jo gar nit.“
Ich ſpreche mit „em Burjemeiſchder“. Er hatte in Münſter in Westfalen bei der Feldartillerie gedient und
ſprach krampfhaft hochdeutſch. Seine Frau lag im Fenſter und hörte uns zu. Plötzlich ſagt ſie: „Patron! Dü
brücht nit ditſch ſe babbele, der Herr iſch doch wohl Elsäsſer.“
Elſäſiſche Maires und der franzöſiſche Nationaltag. Die Franzoſen feiern den 14. Juli zur Erinnerung an den
Baſtilleſturm als ihren Nationaltag. Wie wenig den Elsäſſern die Sache bekannt iſt, geht aus einer Unterredung
zweier Maires hervor, die ein Saarländer anhörte und notierte: „„Der Präfekt hütt' befohle, den quattorze
juillet (14. Iuli) zu feiern. Wann und was iſch'n dös?“ ,Ei“, ſagt der zweite, „es kann miner Seel’ nur der
15. Auſchüſt ſin, der Napoleonstag.“
Unser Freund fügt noch folgendes Erlebnis ſeinem Schreiben bei: 's klaan Allicele, 's Döechderle üß ere züenf-
tige Elsſäſſerfamilli kummt zuem erſchte mol üß dr Schuel haam unn lacht unn ſsaat: „Babbe, unſeri Mamſell
zie het hytt ebbs Gelunges zue uns gſaat.“ ,, So, was hett ſie denn gsaat?“ ,, Ei, ſie hett gſaat, mic sinn
Zum 350. Todestage des Meiſterſingers Hans Sachs druckte die , Saarbrücker Zeitung“ Goethes „Hans
Sachſens poetiſche Sendung“ ab. Ein guter Gedanke, wenn nicht der bösartige Druckfehlerteufel seine Hand dabei
im Spiel gehabt hätte. In dem Abſchnitt: „Mythologia, Fabula; ſie iſt rumpfet, ſchrumpfet, bucklet und krumb,
aber eben ehrwürdig darumb,“ heißt es dann: Könnt auch die zwölf durchlauchtigen Frauen da in ein'm Ehren-
ſpiegel ſchauen; dann allerlei Bl u t w u r ſt, Frevel und Mord uſw.
Schade nur, daß Goethe hier nicht die so allgemein beliebte B l u t w u r ſ angeführt hat, in ſeiner Harm-
loſigkeit ſchrieb er nur B lu t d u r ſtt. Der Druckfehlerteufel, dem die Firma Gebr. Hofer an ihrem Neubau
in der Hohenzollernſtraße ein so ſchönes Konterfei gewidmet hat, wollte ſich ſicher irgendwie dankbar erweiſen
für ſeine Derewigung in Sandſtein. Dielleicht lag auch dem Setzer und Korrektor die Blutwurſt um vieles näher
als der Blutdurtſt.
Die „Milchkuh“ in der Grube. Im Ilöz 5 der Grube D. iſt ein Kohlenſtoß, der wegen ſeiner guten Lager-
verhältniſſe den Abteilungsſteiger bei Erreichung seines ,„Förderſolles“ noch nie im Stiche gelaſſen hat. Der
Steiger bezeichnet den Ingenieuren gegenüber dieſen Arbeitspunkt als seine friſche Milchkuh.
Wie es überall jett bei uns ſo geht, ſo geſchah es auch hier; infolge Holzmangels ging dieser Kohlenſtoß zu
Bruch. Der franzöſiſche Ingenieur befährt in Begleitung seines höheren Dorgeſeßten den Arbeitspunkt und
wütend darüber, daß in der Abteilung nur mehr die Hälfte des ,„Solls“" gefördert wird, und vielleicht auch des-
halb, weil er ſich bei ſeinem Vergeſeßten den Anſchein geben wollte, daß er in die deutſche Sprache und
Ausdrucksweiſe der Belegſchaft eingeweiht iſt, fährt er den Steiger an: „W a s –~ a b en Si e g e ma ch t,
Sie ab en I hr e Ku h milch g e ſto r b en g e m a ch t !“
In der Schule. Lehrer: „Was weißt du von der Gans?“ Fritzchen: „Man kann ſe ſchlachte!‘“ Lehrer: „Und
was noch?“ Fritzchen. „Man kann ſe eſſe!‘ ? Lehrer: „Nur ſo weiter!“ Fritchen: „Man kann ſe roppe!
Lehrer: „Nun, und was bekommt man denn, wenn man ſie rupft?“ Fritzchen ſchweigt. Lehrer: „Was habt Ihr
denn zu Hauſe in Eueren Betten?“ Fritzchen: „E i W an z e, He r r Le hr er !“
184
Saarkalender für das Jahr 1927.
Phot. Mm. Wentz.
Saarbrücken.
Heuernte
bei Bierbach.
Herkulesbrunnen
in Blieskaſtel.
Phot. M. Wentz.
aarbrücken.
185
Saarkalender für das Jahr 1927.
Dergebliche Liebesmüh. Auf einer Hütte des Saargebiets erteilt auf Wunſch von oben ein profeſſeur de
Forbach franzöſiſchen Unterricht. Er bemüht ſich, eine größere Anzahl junger, ſtrebſamer Leute in die Geheimnisse
der franzöſiſchen Grammatik einzuführen. Ein Kurſus gilt den Anfängern, der zweite den Fortgeſchrittenen. In
dieſem quält ſich die Gesellſchaft mit den unregelmäßigen Derben ab. Man bemüht ſich um das Verbum aller
(gehen). Der Lehrer konjugiert: „je vais, tu vas, il va, nous allons“ uſw. Die Schüler ſind zerſtreut und treiben
Allotria. Der Lehrer fragt: „Herr S., was heißt nous allons?“ Der Nebenmann flüſtert's ihm zu, aber S.
verſteht es nicht richtig und platzt heraus: „U's Salon!“ (Unser Salon.)
St. Johanner Erinnerungen. Am Markt in St. Johann, wo jetzt der Durchgang zur Katholiſchen Kirchſtraße
iſt, war urſprünglich die Wirtſchaft „Zum Rindsfuß“. Später erwarb ſie Balthasar Schlachter und nannte ſie
„Zum Bären“. Als der Hotelier Gusgpratte die ,„Pferdepoſt“ in Saarbrücken, Wilhelm-Heinrichſtraße, später
Weinhandlung Purpur, aufgegeben hatte, übernahm er den „Bären“ und nannte ihn „Hôtel Gugpratte".
Neben dem ,, Gaſthof zum Bock“ (Köhl), Ecke Bahnhof- und Dudweilerſtraße, jezt Weißgerber, war das „Hotel
Gusgpratte“, das beſte in St. Iohann, in Saarbrücken gab es damals noch kein Hotel. Die beiden Brüder
Louis und Adolf Köhl bauten ſpäter nebenan in der Dudweilerſtraße und nannten es „Hotel Köhl“. Der alte
Herr Gusgpratte war Franzoſe, er ſtammte aus Ancy bei Metz, zwiſchen Gorze und Ars. Sein Neffe war
1870 General in der franzöſiſchen Armee. Seine Frau war eine geborene Breitenbach aus Köln. Dort verkehrten
damals die beſsſeren Bürger von St. Johann und die Offiziere der 7. Ulanen, die zu dieſer Zeit in Saar-
brücken lagen. Gugpratte duldete nicht, daß Handwerker zu ihm kamen. Als einmal ein Handwerksmeiſter
eine Arbeit für ihn gemacht hatte, wollte er ſich erkenntlich zeigen, ging in den Speiſeſaal und beſtellte ſich
ein Glas Wein. Darüber kam der Geſtrenge und sagte: „Er brauch nit ſu komme in mein Haus, ich geb
ihm die Arbeit doch.“ Im Jahre 1898 beſuchte ich Herrn Gugpratte in Köln. Wir ſprachen viel von den alten
St. Iohannern und Saarbrückern, und det alte Herr war ſo angeregt, daß er des Oefteren zu ſeiner Tochter
ſagte: „JIoſephine, der Charles erzählt mir ſo ſchön von Sarrebrück, bring uns noch eine Flaſch Sillery.“
Zum Schluß ſagte er: „O. Charles, die wo Du mir erzählſt, hab ich noch viel ſu ſtehen in mein Buch, aber
ich muß jetzt gehen in mein Bett.“ Später war dort das „Wiener Cafs“, das erſte Lokal dieſer Art in
© St. Iohann. ; K. W.
Eine moderne Genusregel. In Malſtatt war früher ein Gaſthaus, das an Sonntagen viel von Saarbrücker
Familien aufgeſucht wurde, um dort zu tanzen. Es gehörte einer Familie Huß. Eine der drei Töchter war
mit einem Lehrer des Gymnaſiums, dem späteren Profeſſor Goldenberg, verheiratet. Er war ein großer
Sammler, so beſaß er u. a. eine große Steinſammlung. Eines Tages ging der Herr Profeſſor, wie es in dieſem
Beruf des öfteren im Iahr der Fall sein ſoll, in die Ferien. Der alte Huß baute während dieser Zeit einen
Backofen, und da er nicht genug Steine hatte und für die Wiſſenſchaft ſeines gelehrten Schwiegerſsohnes wenig
Derſtändnis hatte, verwandte er einfach die Steinſammlung und mauerte sie ein. Profeſſor Goldenberg hatte
den Spitznamen ,, Gilli“, und seine Schüler hatten über ihn und ſeine Schwiegermutter folgende Genusregel
gemacht :
Männlich iſt auf „i“ nur das eine Wort Gill,
Weiblich aber iſt auf „us“ seine Schwiegermutter Huß.
Kinderliedchen.
Mir gunſche, mir gunſche, Mir ſpringe, mir ſpringe
Erunner un enuff; Un laafe um di Wett;
Uff äner Seit es Hänsje, Uff: ens, zwei, drei, do geht's d’vun,
Am annere Enn das Fränzje, Wer erſchter is, der hat gewunn.
Erunner un enuff, Mir laafe um die Wett,
Erunner un enuff. Mir laafe um die Wett!
Mir grawele, mir grawele Mir gunſche, mir ſpiele,
Un spiele in 'm Sand; Doch jehe laaf ich hemm;
Das Hänsje hat das Schippche, Mei Mamme hat, ſe hat's verrot,
Das Fränzje hat das Dippche, E Dibbelabbes uns gebrot;
Backe Kuche do im Sand, Un dofor nix wie hemm,
Backe Kuche do im Sand. Un dofor nix wie hemm!
Diktor Kolon-Saarbrücken.
Kahenjammer und Leberwurſt. Der Schorſch und der Iohann begegnen ſich auf der Eiſenbahnſtraße. „Ei, wie
ſieſcht dann Du aus“, fragt der Schorch, „mr ment, Dir wär's nit gutt?“ „S'is mr aach nit gutt . . . Ioch-
honn . . . ich han mich verkält.“ „Was haſcht de dann gemacht, Schorſch?“ ,„JIa weeſchte, vorgiſchtern bin ich
uff der Kechelbahn uff em Krahne gewehn, und do hammer zwar feſte geſoffe, aber da hats aa ſo gezoh . . .
un do is mir kalt wor und ich bin hem . . . und wie ich hemkomm bin, han ich noch Dorſcht gehatt . . . und da
bin ich in die Kich und han e Glas Waſſer getrunk . . . un das Waſſer kann ich eenmohl nit vertraae. Und
wie ich das Waſſer getrunk han, han ich ſo Hunger kritt . . . und da hat ſo e kalt Lewerwoſcht do geſtand und
da hann ich mich drahngemacht, awer die is mir in de Bauch gefahr wie e kalt Schlang . . . un seitdem is es
mir nit gutt.“ ,Jo jo,“ sagt der Iohann, ,mei liewer Schorſch, es is nix so kalt wie e kalt Stick
Lewerworſcht.“
186
Saarkalender für das Jahr 1927.
Saarländiſche Buben. Im Bergrevier mußten viele Knappen aus Sorge um ihre von den Franzoſen heute
abhängige Exiſtenz ihre Kinder in die Franzoſenſchule ſchicken. Wie nachteilig dieſer Zwang für die Ausbildung
iſt, weiß heute jeder. Die Iungen ſind zu bedauern, ſie lernen weder deutſch noch französiſch, aber ſie tröſten
ſich mit dem Humor, der von Kindesbeinen unſeren Bergknappen eigen iſt. Es erteilte in ſolcher Schule ein
Lehrer Unterricht, der das deutſche nur ſehr mangelhaft beherrſchte und dem, wie allen Welſchen, beſonders die
Artikel Schwierigkeiten machten. Um hier ſicher zu gehen, befragte er regelmäßig seine Schüler. „Wir deklinieren
jezt das Wort „Katz“, wie iſt der Artikel hierzu?“ Aus einem Munde alle Schüler: „Der Katz, Herr Lehrer!“
„Mun also, der Katz, des Katzen, dem Katze, den Katz. Nun wiederholt dies!“ Und die ganze Klasse vergnügt mit
ſpöttiſchem Grinſen: „Der Kat, des Katzen“ uſw. Hoffentlich hat es ſich bald ,„ausgekatzt“.
Dor einer Denkmalsweihe in Meß. Als in Metz mit Muſik, Fahnen und blümeranten Reden das Denkmal
des Dichters Deroulede eingeweiht wurde, das aus dem eingeſchmolzenen Kaiſer-Friedrich-Denkmal entſtanden
war, bemerkte ein Zuſchauer einen vor ihm ſtehenden Lothringer Bauer, der bei den brauſenden Rufen immer
den Hut auf dem Kopf und die Hände in den Taſchen behielt. Plötzlich riß er dem Bauern den Hut vom
Kopf. Der drehte ſich wütend um. „Was fällt Ihnen ein, Monſieur?“ . . . „Wiſſen Sie nicht, wer das dort oben
iſt?“ fragt der Patriot entrüſtet. . . Das iſt der Mann, der vierzig Iahre lang für die Befreiung Elsaß-
Lothringens gekämpft hat . . .*" ,, So?, meint der Lothringer gemütsruhig. „I < hab nur v i e r Iahre dafür
gekämpft, aber wenn das geſchehen iſt für einen Monſieur wie Sie, der mich lehren will, wann ich den Hut
abzunehmen hab, dann waren's n o < v i e r I a h r e z u viel."
Die beſte Methode. Leutnant M. gab in der Infanteriekaſerne gerne Damenkaffees und ſein Burſche braute
einen ausgezeichneten Mokka, den die Damen bewundern. Wie machen Sie nur dieſen prachtvollen Kaffee, wird
Leutnant M. von der Kommandeuſe gefragt. Aber Leutnant M. erklärt: „Das weiß ich nicht, da müſſen wir
mal meinen Burſchen fragen.“ Er ſchellt und der Burſche, ein biederer Hunsrücker Bauer, erſcheint . . . Die
Kommandeusſe macht ihm sein Kompliment und fragt: „Wie machen Sie dieſen guten Kaffee eigentlich?" . . .
Der Burſche feixt und antwortet: „Durch dem Herrn Leutnant ſeine Schtrumb!“ Alles ſchreit entſett auf
und Leutnant M. seßt puterrot hinzu: „Aber Martin . . . wie können Sie es ſich einfallen laſſen, meine
Strümpfe dazu zu benuten? . . ." Und der Burſche beruhigt ihn lächelnd: „O, ich nehm ja keinen neuen
Schtrumb dazu, Herr Leutnant, ich nehm immer e gebrauchter . . ;.
Man muß ſich zu helfen wiſſen. Frau Bergrat hatte Beſuch von ihren zwei bayriſchen Enkeln in St. Ingbert.
Sie ängſtigt ſich ſehr, denn die beiden finden ein ungeheures Vergnügen daran, immer die ſteilen Schlacken-
halden hinunterzufahren, wobei die Hoſen draufgehen, und es ſieht auch ſehr gefährlich aus. Sie kann ſie vom
Fenſter aus immer in ihrer ſauſenden Fahrt verfolgen. Sie beschwört die Iungens, doch nicht mehr von diesem
ſchrecklich hohen Berg herunterzufahren. Sie verſprechen es ihr auch und ſie ſieht ſie dann nie mehr dort herunter-
sauſen. Als ſie abreiſen, bekommt jeder ein Körbchen beſonders ſchöner Birnen mit, weil ſie ſo artig geweſen
sind und nicht mehr den Berg heruntergefahren ſind. „Ach Großmutter,“ ſagt der Aelteſte etwas verlegen,
„mir ſin ja doch herunnergefahr, nur auf der ann er Seit, damit Du kei Angſcht mehr hawe ſollſcht!“
Zu den Mannheimer Rennen fuhren viele Saarbrücker herüber und blieben entweder im Hotel Gebrad über
Nacht oder im Parkhotel. Ein Saarbrücker Bürger, R-n, hatte auch die Rennen mitgemacht, wohnte bei Mon-
sieur Gebrad und machte das Renneſſen mit im Parkhotel, das Jo opulent war, daß er gegen Mitternacht heim-
gebracht werden mußte und ſich auf seinem Zimmer übergab. Am andern Morgen beim Abſchied entſchuldigte
er ſich bei Monſieur Gebrad, aber er habe ein ſo ſchweres Diner im Parkhotel hinter ſich gehabt. . . Der Wirt
drückte ihm die Hand und meinte: „Ein andermal, Monsieur R., logieren Sie im P a r k h o t e l und
d in i er en Sie im Hotel Gebrad.“"
Die zuverläſſige Bierprobe. Das „Nähkörbchen“ in der Fürſtenſtraße war einſt eine der beſten Bierwirt-
"schaften in St. Iohann. Es hatte noch für die Gäſte den Vorteil, daß ſein Wirt als origineller Kauz in den
Städten bekannt war. Ich wüßte von ihm noch manchen Witz zu erzählen, aber ſie ſind leider nicht recht ſalon-
fähig, daher an dieſer Stelle unangebracht. Der alte Zix war ſtets ſchlagfertig und ließ ſich nicht aus der
Fasſſung bringen. Eines Tages fragten ihn zwei Gäſte, um ihn zu uzen, ob das von ihm verzapfte Bier ober-
gärig oder untergärig ſei. Er erwiderte sofort den Neugierigen mit überlegener Miene: „Ei, was froe ner dann
mich do, ihr Dirmel. Saufen Eich emol voll, wann's owe eraus kommt, war's owwergärig, kommt's unne
eraus, war's unnergärig.“
Das beleidigte Finanzamt. Bi r k en f e l d , 7. April 1926. Kommt da kürzlich im Birkenfeldſchen erm
Hiederer Landbewohner in die Stadt zum Apotheker. Es entſpinnt ſich folgendes Gespräch: „Guten Tag! Ich
möchte gerne ein paar Blutsauger. “ ~ Apotheker: ,,Ia, lieber Mann, die habe ich nicht, die führe ich ſchon
ſeit Iahr und Tag nicht mehr!“ – Der andere: „„So, wo kann ich denn die Dinger bekommen?“ — Apotheker:
„Oh, da gehen Sie nur zum Finanzamt, da werden Sie ſie ſicher bekommen.“ Der Bauer wandert tatſächlich
zum Finanzamt und wird dort natürlich ganz gehörig angefahren, worauf er erwidert: „Ja, der Apotheker
in X. hat mir doch geſagt, ich könnte die Dinger hier kriegen!“ Die Folge davon war eine Beleidigungsklage
des Finanzamtes gegen den Apotheker. Urteil: 20 Mk. Geldſtrafe. Der Apotheker bezahlt die 20 Mk., ſchickt
aber das Urteil und ein an ihn gerichtetes Schreiben des Finanzamtes dem „Kladderadatſch“ ein. Dieser
honorierte den Apotheker mit 70 Mk. Hierauf schreibt der Apotheker dem Finanzamt, er habe die Strafe von
20 Mk. bezahlt, vom ,„Kladderadatſch“ aber 70 Mk. erhalten. Nun bitte er das Finanzamt um gefl. Angabe,
unter welcher Rubrik er den Derdienſt von 50 Mk. zwecks Derſteuerung zu buchen habe.
187
Saarkalender für das Jahr 1927.
„Er paßt zum Direktor,“ ein Wort, das ich oft in ironiſchem Sinne höre, wenn jemand untauglich und völlig
unbrauchbar in ſeinem Fache iſt. Ueber die Herkunft des Ausdrucks wird mir nachſtehendes erzählt: Der alte H.
war bei der Firma Böcking u. Dietſch eine Reihe von Jahrzehnten als Faktotum tätig. Eines Tages erſchien er
mit seinem l4jährigen Iungen und wandte ſich an den Bürocchef mit der Bitte, ihn Herrn Böcking zu melden.
In seiner liebenswürdigen Art empfing dieſer den Petenten. „Es handelt ſich um die Zukunft meines Sohnes,
ich möchte bitten, ihn in der Firma anzuſtellen.“ „Gut, das soll geschehen, aber wohin ſtecken wir den Knaben?“
Antwort: „W i ſ ſ e n's, i < m e in, er p a ß t z u m D ir e kt o r !“ Der Chef der Firma war tagelang über
dieſen unfreiwilligen Witz in beſter Laune und ſcherzte noch viel mit seiner „rechten Hand“ über deſſen in Aus-
ſicht genommenen Nachfolger.
Die ſchlagfertige Grete. Die „Saarbrücker Zeitung“ meldete am 38. Mai 1926 aus Altenwald: Ein jung-
verheirateter Mann lud einige seiner Freunde zu einem Trunk ein. Man saß ſchließlich recht lange beiſammen und
die Alkoholgeiſter taten ihre Wirkung. Auf dem Nachhauſeweg nahm man den jungen Ehemann, desſen Unter-
tanen verſagten, in die Mitte. Dor der Wohnung angekommen, vermochte er die Haustüre nicht zu öffnen und
rief deshalb ſeiner Frau zu: „Gret mach uff!“ Plötzlich öffnet ſich die Tür, Gret erſcheint mit dem Schrubber
und ſchlägt mit all ihr zur Verfügung ſstehenden Kraft blindlings auf die Geſsellſchaft los. Die jungen Leute
kamen bald zu ſich und bei der folgenden Auseinanderſetzung ſtellte ſich heraus, daß die junge Frau ihrem
Eheliebſten zalaubte beiſtehen zu müſſen, denn sie hatte in der Schlaftrunkenheit die Worte dahin verſtanden:
„Gret ſchlah druff!“ Das hat ſie dann auch gründlich beſorgt. Die Sache löſte ſich ſchließlich in Heiterkeit auf
und weder die Freundſchaft der Kameraden noch der Ehehimmel des jungen Pärchens soll eine Trübung er-
fahren haben.
Dorsbergs Haſenpeffer. In der Wilhelm-Heinrichſtraße wohnte ein Herr von Dorsberg; er war vorher fran-
zöſiſcher Huſarenoffizier. Seine Tochter war die erſte Frau des Staatsprokurators Petersholz. Außerdem hatte
er noch einen Sohn, der ebenfalls franzöſiſcher Offizier war, aber früh geſtorben iſt. Herr von Dorsberg ſJuchte
eine Köchin. Eines Tages klopft es an: „Entrez!“ „Gutten Tag, Herr von Dorsberg, gutten Tag, Herr von
Dorsberg.“ „Ei, wer is Sie dann?“ , Ei, ich bin die Keſche." „So, kann Sie dann ah koche?“ „Ei ſehr gut,
Herr von Dorsberg.“ „Dann ſaht Sie mir emal, wie macht Sie dann e Haſenpeffer.“ „E Haſepeffer, ei, das kann
ich sehr qut mache.“ „Ich will wiſſe, wie Sie den Haſepeffer macht.“ „Ei do nemm ich e Lojeblaat – ~"
„Enaus! Enaus! Don dem eß ich keene!“ ;
Der unsichere Kirchenbaugrund. Ein Paſtor auf dem Hunsrück gerät mit dem Landrat, der Schwierigkeiten
macht, in einen Streit wegen des Baues einer Kirche. Die Gemüter erhitzen ſich, bis der Paſtor das Rededuell
abbricht mit den W-rten: „Die Kirche wird errichtet und wenn ich ſie auf den Hintern meiner Bauern bauen ſoll!“
Der Landrat fühlt ſich beleidigt und beſchwert ſich beim Generalvikariat in Trier. Der Geiſtliche wird zitiert und
der Generalvikar Reuß gibt ſich alle Mühe, den Paſtor zu einer Entſchuldigung bei dem Landrat zu bewegen.
Dergeblich. „Ich tue es nicht, der Hochwürdigſte Herr Biſchof ſoll entſcheiden!“ „Einverſtanden!“ sagt Reuß, ,.gehen
Sie zu ihm, er iſt bereits über den Fall informiert.“ Biſchof Korum hört den Angeſschuldigten in seiner vor-
nehmen Weiſe ruhig an und ſagt dann lächelnd: „Zu dem Baugrund, auf dem Sie die Kirche erbauen wollen,
kann die kirchliche Behörde niemals ihre Zuſtimmung geben!“
Mißglückter Schmuggel. St. Wendel. Der ſchlechte Frankenkurs bringt heuer wieder täglich eine große
Anzahl von Perſonen aus der Hunsrück- und oberen Nahegegend ins Saargebiet, wo nicht wenige ihre voll-
ſtändige Neueinkleidung vornehmen und ſich dann im Sonntagsſtaat nach Hauſe begeben. Den Zollbeamten iſt
dieſes Treiben noch aus der guten Frankenzeit in Erinnerung und mancher iſt bereits auf friſcher Tat er-
tappt worden. So kam eine junge Frau von der Nahe mit ihren zwei kleinen Buben hierher und k'eidete
dieſe neu ein. Auf der Rückfahrt ſaß ſie im Eiſenbahnwagen 4. Klaſſe, als in Türkismühle der Zollbeamte
nach Anmeldung zollpflichtiger Waren fragte. Die Frau gab verneinende Antwort. Ein ſcharfes Augenmerk
ließ dem Beamten die Kleidung der Kinder auffallen und frug er, ob diese neu sei. „Nä, nä,“ entgegnete die
ſchon ängſtliche Frau, ,,die tragen ſie ſchon lange“. Schon wollte der Zollbeamte weitergehen, als einer der
Kleinen ſich meldete mit den Worten: „Der Anzug han ich ewe erſcht kaaf grit, mei Bruder hat aach ener an,
die alte hamer onedrunner.“ Unter dem Gelächter der Mitreiſenden hieß der Beamte die Frau mit ihren beiden
Söhnen zum Zollbüro mitgehen.
Die feindlichen Schweſtern. In alter Zeit, vielleicht noch vor fünf Iahrzehnten, gehörte es zu einer ge-
heimnisvollen, dem Fremden unerklärbaren ſtammeseigentümlichen Regung, daß die waſchechten St. Iohanner
es ſorglich vermieden, Alt-Saarbrücken aufzuſuchen. Ein Beſuch von dieser Seite bei den „Spreben“ galt aber
auch als halber Derrat an der Residenz. Ergötzliche Geschichten über dieſe ſeltſame gegenseitige Abneigung werden
noch an den Stammtiſchen erzählt. Da veranstaltet Alt-Saarbrücken einen großen Fiſchverkauf, deſſen Nützlichkeit
ſich mit Windeseile jenseits des „Jordans“ verbreitet. Interpellation im Stadtrat von Sangehan mit ,. Nach-
ahmung empfohlen“. Als aber ein Stadtrat über den von ihm ſelbſt vorgenommenen Beſuch des Fiſchmarktes
von Alt-Sabrigge berichtet, da faßt das Kollegium banges Entſetzen und von allen Seiten tönt es: „W a a a s !
Sie ſinn do riw wer g ang ! Mir ware nit ſo kihn, uns das ſ e tr au e.“ – Feuerwehrfeſt
in Sabrigge, an dem die Sangehanner erſcheinen und wo nach alter Sitte ein „Daaler“ an jeden Feuerwehr-
mann verteilt wird. Die „Spreben“ ziehen aber ſofort mit ihrem Geſchenk wieder über die Saar. Gefragt:
„I ſt d enn h eu t e d a s W e h r f e ſt n it in Sa a b r i g g e ?“ Antwort: „N a d ir li h, aw w er mir
werre doch nit ſo dum m ſ inn und un s ern Da al er in Sa abr i g g e v erz e hr e !“ „Lang ,
lang’ iſt's her!"
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Humor auf der Eiſenbahn. S u l z b a < , 18. Ianuar 1926. Der Hellſeher. Ein hieſiger Bürger hattc auf
einer Reiſe auf dem Neunkirchener Bahnhof seinen Schirm ſtehen laſſen und hier angekommen, merkte er erſt
den Derluſt. Er begab ſich an den Fernſprecher und frug auf dem Neunkirchener Bahnhof an, ob er ſeinen Schirm
dort ſtehen gelaſſen habe. Der Vorſteher bedeutete ihm, daß ein Schirm da ſei, er wiſſe aber nicht, ob er ihm
gehöre. Darauf antwortete der Derlierer: „Weiß merne emol, ich kenne ne ganz genau, jo jo, das is er, ſchick
merne erunner no Sulzbach.“ Der Dorfall wurde hier viel belacht. – Fuhr da dieſer Tage ein biederes Bäuerlein
mit ſeiner beſſeren Hälfte auf der Strecke über Sulzbach. Im Wagen muſterte die Frau andauernd einen an der
Tür angehakten Aſchenbecher, in den ein junges Mädchen kurz vorher einen Schneeball gelegt, der ſich verflüſſigt
hatte. Nach mehrmaligem Kopfschütteln hub die Frau an: „Du, Iakob, ich hann awer net gewißt, daß die Eiſen-
bahn ſo religiös is, guck emol, do hänge joh Weihwaſsſserkeſsſelcher.“ Unter großem Hallo der Mitreiſenden machte
man die gute Bäuerin auf den Irrtum aufmerkſam, worauf ſie ganz kalt erwiderte: „Das kenne 1hr mir net
weiß mache, das gibts gar net, im Aſchebecher is ke Waſſer.“
Bürgermeiſter und Bürger haben ſelten ein friedliches Derhältnis gehabt. Handelt es ſich um Neuerungen,
ſeien ſie auch noch so notwendig, so erhebt ſich ein großes Klagegeſchrei. Das gilt nicht allein für die neue und
neueſte Zeit, es war in Saarbrücken ein von alters her geheiligter Brauch. Anfangs der 70er JIahre des vorigen
Jahrhunderts waren die Bürgerſteige noch mit kleinen Poweiern gepflaſtert, die von den nach der Straße
führenden Küchenabwäſſern ſtets beſchmutt waren. Der Altſaarbrücker Stadtrat beſchloß daher, daß alle Röhren
der Küchenabflüſſe nach der Hofseite zu verlegen ſeien. Der Bürgermeiſter Schmidtborn erhielt darauf folgenden
Brief eines Bürgers aus der Megterſtraße:
„Sehr geehrter Herr Burgemeiſchter!
40 Jahr han ich mei Waſſer voreaus laafe laſſe, nu soll ichs hinnenaus laafe laſſe, das do kan ich nit."
Der unhöfliche Sehundaner. Wir fuhren als Schulmädchen von Dudweiler nach Saarbrücken zur Töchter-
ſchule. Dieſe Züge gingen von Saarbrücken aus nicht weiter, ſondern man mußte dort umſteigen nach der Pfalz,
Trier, Saargemünd uſw. Es gab aber auch einzelne Züge, die bis Merzig-Trier weiter fuhren. Eines Tages
ſißzen wir in ſolchem Abteil, als der uns bekannte Sekundaner H., ein „Weiberfeind“, hereinkommt und ſich
ſelbſtverſtändlich ohne zu grüßen, uns gegenüberſetzte. Wir fanden damals alles lächerlich und ſo fingen wir
an zu lachen. H. ſettte eine erhabene Miene auf und ſah uns mit heraufgezogenen Augenbrauen und herad-
gezogenen Mundwinkteln eine Weile verächtlich an, was ich ſo komiſch fand, daß ich mir das Schulheft vors .
Geſicht halten mußte. Als wir in Saarbrücken angekommen waren, erhob ſich H. und ſagte zu mir: B i s
U er z i g (dort iſt eine Irrenanſtalt. D. H.) k ann mr s it e bl eiwe. .. L. D
Was macht der Teufel? In den Ortſchaften der Bürgermeiſterei Neunkirchen war in den 80er und Mer
Jahren des vergangenen Jahrhunderts die „Harzer Tante“ eine bekannte und wohlgelittene Händlerin. Sie war
in den 6Ccr Jahren als Frau eines Harzer Bergmanns ins Saargebiet gekommen und ernährte ſich in ihren
alten Tagen, mit der „Keeze“, dem langen Tragkorb auf dem Rücken, von Ort zu Ort wandernd, mit dem
Wollhandel. Eines Tages begegnete ſie auf dem „Bergmannspfade“, der von Dechen zur Spieſerhöhe führt, einem
Trupp ELergleute. Einer der Knappen rief im Uebermute der unter der ſchweren Keeze gebeugt dahinwandelnden
„Harzer Tante“ zu: „Frau Hex, was macht de Deiwel?“ Schlagfertig rief die alte Händlerin zurück: „Er macht
Schippkarre, um Eich in die Höll z' fahre.“
„Vie reine Wahrheit ſagen, nichts verſchweigen“ uſw. Nachdem der lette Fürſt beim Herannahen &..
„ranzoſen mit ſeinem Hofſtaat Saarbrücken verlaſſen hatte, um nach Schloß Kadolsheim bei Nürnberg, das ihm
der König von Preußen als Refugium zur Derfügung gestellt hatte, überzuſiedeln, kam eines Tages der Ober-
jägermeiſter Daniel von Fürſtenrecht zurück, um in seinem Hauſe am Ludwigsplatz (jett Herberge zur Heimat)
nach dem Rechten zu ſehen. Das Haus war ,,beſchlagnahmt“ für einen franzöſiſchen Offizier; v. Fürſtenrecht
war in der Derkleidung eines Bauern. Der Offizier traf ihn im Hauſe und sagte zu ihm: , Er iſt nicht der,
für den Er ſcheinen will, aber ich will ihn nicht verraten. Sieh Er ſich aber alles genau an, denn Seine Diener-
ſchaft beſtiehlt Ihn ſehr; nicht daß das nachher auf mein Konto kommt.“ Auch damals gab es ſchon anständige
und unanſständige jenseits der Dogeſen.
Aus der Stunde für Erdkunde. Lehrer: „Byrd und Amundsen haben den Nordpol überflogen, ich halle dies
für eine der größten und kühnsten Sportleiſtungen der Welt. Weiter nichts. Ihr glaubt doch auch nicht mehr,
daß sie dort Eskimos angetroffen hätten, die im Auftrage ihrer Regierung die Erdachſe ſchmieren, damit unſer
Planet in ſeiner regelmäßigen Bahn bleibe. Kohlen und Eisen ſind dort nicht zu holen. Wenn man nun auch
noch den Südpol erreicht, ſo iſt doch an beiden Polen weiter nichts zu finden als – na, Schulze, was denn?"
Keine Antwort. „Na. was findet man denn an den Polen in großen Maſſen?“ Schulze ſtehend: „Bei den Polen
Läuſe, Herr Doktor!“
Die deutſche Sprak iſt ein ſwer Sprak. Im unterirdiſchen Pferdeſtall ſchüttet der Futterknecht den Pferden
Hafer in die Krippen. Da viele Mäuſe im Stall herumlaufen, ſind die Pferde beunruhigt und laſſen manches
Korn fallen. Der franzöſiſche Ingenieur kommt in den Stall, ſieht den Hafer vor den Krippen liegen und
ſchimpft. Der Stallknecht ſagt: „Herr Inſcherneer, Ihr miſſe ä Katz beſorge; die Meis verſch . . . der Hawer und
do gängde ihr nä a nimme freſſe. Awer nur ä Muddertier, kä Kaader." „Was iſt das?“ ,Ei, äh ~ Dadder-
kat.“ Der Ingenieur trifft im Laufe der Schicht den Steiger an und will ihm ſeine Ueberlegenheit zeigen.
„Schaffen Sie einen Katz in das Stall. Aber keiner Dadderkagtz!“
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Die zerriſſcene Hoſe, der Liebe Leid. Aule nannten wir ihn, den guten Profeſſor Dr. K–n. Er war |tets
lieb zu uns der Alte mit ſeiner brummelnden Sprache und dem guten Herzen. Wir verdanken ihm viel, aber
auch unſere Saarheimat, der er in Liebe zugetan war und für die er ſeine Kenntnisse und seinen Fieiß ein-
ſezte. Er wußte aber auch die Erzeugniſſe der Saar im Weinbau zu ſchäten, der Iunggeselle, den man oft als
Weiberfeind bezeichnete, weil er nicht das Ehejoch auf ſich genommen. Er ſuchte viel lieber im Kaſino nach
einen guten Tropfen, als nach dem Reize, Dater zu ſpielen und für Frau und Kinder zu sorgen. Aber nicht
immer war er der eingefleiſchte Hageſtolz, denn auch er war jung und auch ihm ſchlug einſt die. Liebe ins wilde
„Jägerblut“. Freilich wird dies meinen alten Kompenälen, denen ich durch den Saarkalender meine Grüße über-
mittele, etwas Neues sein. Sie gingen ja meiſtens in die Ferne und ſind heute ſicher ſchon grau und ſchimm-
lich wie ich, der ſich ſtets der beſonderen Bevorzugung des ſo oft von uns betrogenen ,Aule“ erfreuen durfte.
In Amt und Würden ſaß ich öfter noch mit dem gelehrten Forſcher zuſammen im Zivilkaſino und höre ihn noch
herzlich lachen, wenn ich ihm von unseren Kniffen erzählte, denen er zum Opfer fiel. Einmal hatten wir
wiederum gemütlich manchen Becher geleert und in fröhlicher Stimmung kam die alte Frage: , Herr Proſeſſor,
warum haben Sie eigentlich nicht geheiratet?“ „Na, dann will ich Ihnen mal meine Liebesgeſchichte erzahlen.
Ich hatte Ausſicht auf Anstellung in Saarbrücken und Ausſicht auf eine nette Frau. Meine Braut wohnte in
Dölklingen. Ich hatte verſprochen, an einem beſtimmten Tage in Völklingen zu erſcheinen und mit dem Iawort
der Eltern zugleich die Derlobung zu feiern. Soweit war alles ſchon gediehen und gut und ſchön. Aber mit
des Geſschickes Mächten iſt kein ewiger Bund zu flechten. Als junger Mann war auch ich eitel und machte jede
Mode mit. Damals mußte man Stege an den Unflüſterbaren tragen, wollte man nicht als Hinterwäldler er-
ſcheinen. Ich fuhr nach Völklingen, aber beim Aussteigen platte mir die Hoſe durch den zu eng angezogenen
Steg. Verzweifelt ſtand ich auf dem Bahnſteig, denn ich konnte unmöglich in ſolchem Aufzug vor meiner
Herzensneciqung erſcheinen. So lief ich hin und her, ohne daß mir in meiner [atalen Situation ein rettender
Gedanke kam. Der nächſte Zug brachte mich in gedrückter Stimmung nach Saarbrücken zurück. Die Eltern
meiner Braut erfuhren jedoch ſofort, daß ich wohl in Dölklingen geweſen, aber anscheinend unſschlüſſig geworden
nach Saarbrücken zurückgekehrt ſei. Ein Schreiben peinlicher Art belehrte mich, daß Familie und Braut auf
mich nicht mehr reflektieren. So wurde die zerriſſene Hoſe mein Lebensglück, denn ich fühle mich als Iung-
geſelle ſehr wohl. Mein damaliger ehrlicher Schmerz hatte ſich bald in ſtile Zufriedenheit aufgelöſt. Es war
ein Wink des Himmels, den ich erſt ſpäter zu würdigen wußte. Zweimal habe .ich mein Lebensglück nicht auf
die Probe gestellt.“. „Herr Profeſſor,“ ſo hieß es im Kreiſe, „cedenken wir Ihrer erſten und einzigen Liebe!“
Lächelnd ſliceß er mit uns an, nach seiner Art vor ſich hinm::rmelnd: „Ja, ja, die Hoſe und der Steg waren
ſchuld daran!“ W—n.
Aus der Schule. In einer Dorfschule des oberen Saargebiets paſſierte einſt folgendes luſtiges Stückchen: „„In
der Kreisstadt hatte ein Gerichtsvollzieher namens Nachtigall ſeinen Amtssitz. Zu seinen Dienſtreiſen aufs Land
benutzte er ſtets eine „Scheeß“" und war bei Groß und Klein bekannt. Er trug auch eine Brille. Nun war in
der genannten Schule Unterricht über das Dogelleben. Auf des Lehrers Frage: „Was iſt von der Nachtigall zu
ſagen?“ antwortete ein kleiner ABC-Schüte: „De N acht i g a 11 f a hr t in d er Sch e eß unn hat e
Br ell of f.“ ;
Reingefallen! Der alte M-r war ein hervorragender Meiſter in sſeinem Fach, man wußte seine Kunſt im
ganzen Saartal zu ſchätzen, aber wie jeder brave Deutſche war er auch dem Becher nicht abgeneigt. Bei einer
feuchtfröhlichen Kneiperei graute bereits der Morgen, wie er den Heimweg antrat. Es tagte ſchon, als er vor dem
ehelichen Schlafzimmer stand. Gardinenpredigten liebte er nicht und kam auf den Gedanken, ſich zu entkleiden
und der jedenfalls ſchlaftrunkenen Frau ein Märchen aufzubinden. Bei ſeinem Eintritt fährt Frau M-r aus dem
Schlaf empor: „Was is los? Wo kommjt du her?“ „Oh, nix is los, mir war nit wohl, ich mußte mal ver-
ſchwinden!“ Da richtet ſich aber die Gattin hoch auf und ruft ihm unsanft, die Situation ſofort klar erfaſſend,
zu: „M l ſ o d o d er um Hh a ſt d u Kr a g e un d Kr a w att ang e d o n !“ M.r beſaß Humor genug, ſeinen
Reinfall zur Warnung der Freunde mitzuteilen, indem er die Heimkehrenden ermahnte: „Zu allererſcho Krage
un Krawatt runner!“
„So endet treue Liebe“ (Lucia von Lammermoor). Der Peter M. hat endlich ſein geliebtes „„Guſchdche“ hei-
raten können. In der „Ewwergaß“" bekommt man nach langem Streit mit dem Wohnungsamt ,,e Kich un e
Schdubb“. Man richtet ſich ein. Die blizneue Küche ſtrahlt vor Sauberkeit. Beſonders der wohlausſtaffierte
Küchenſchrank iſt der Stolz der jungen Frau. Bei der erſten Wäſche hilft Peter, galant wie junge Ehemänner
nun mal ſind, seinem Frauchen. „Du brauſchd nit uff de Schbeicher ze laafe, mr hänge die Wesch in dr Kich
uff. Ich ziehe dr's Sääl. Ein Kloowe wird in die Wand geschlagen, der andere in den neuen Küchenschrank
getrieben. Und dann hängt ſich Peter an das ,„Sääl“", um seine Festigkeit zu prüfen. Er probiert einmal
es hält. Er hängt ſich feſter dran –~ und pardauz liegt der ganze "Oberbau vom Küchenschrank auf den Dielen.
Kein Stück Teller, Taſſe, Untertaſſe (vun allem e Dutzend) bleibt ganz. Nach dem erſten fürchterlichen Krach
in der jungen Ehe, ſoll ſeine Frau den Peter nur noch ,„Toobert“ tituliert haben.
Don der pfälziſch-lothringiſchen Grenze. Folgende Schnurre erzählt das „Echo von Weißenburg“: Auf einer
Station stiegen so viele Reiſende ein, daß alle Abteile voll beſezt waren. Da kommt im lettten Augenblick noch
ein Mann oufs Trittbrett geſprungen und will mitfahren. „Zurück“, brüllt der Schaffner. „Ei warum?“ frägt
der Mann. , Es iſt alles voll,“ bekommt er vom Schaffner zur Antwort. Der Mann geht jetzt aufs Stations-
büro, um seine Beschwerde einzutragen. „Herr Stationsaſſiſtent, bitte das Beſchwerdebuch.“ ,„„Unmöglich“ erhält
er zur Antwort. „Ja, warum?“ = ,Ei es iſt voll.“ ~ , Bitte rufen Sie den Herrn Stationsvorſteher, damit ich
meine Beſchwerde mündlich vortragen kann." ~ „Auch unmöglich.“ ~ „Warum denn?“ ~ ,,Er iſt auch voll!“
190
r
!
Saarkalender für das Jahr 1927.
Das ,.Waldjceſchs“ war immer ein Saarbrücker Volksfeſt. Und am Glücksrad das Schickſal zu verſuchen,
feſtſtehende, unverbrüchliche Tradition. Mein Freund S. R. hatte dabei einmal das abſolut nicht ſeltene Glück,
ein Gefäß der Nacht, einen ,„Pottſchambel“, wie es in Saarbrücken heißt, zu gewinnen. Seine junge Frau war
über den Gewinn ſchr indigniert und über die mehr oder minder feinen Späße der Freunde faſt beleidigt. Zu
einer furioſen Wut wandelte ſich aber ihre Stimmung, als S. ſich das bauchige Gefäß mit Bier füllen ließ und
damit einen großen Rundtrunk veranſtalten wollte. Die beſſere Hälfte riß ihrem Ehegemahl verſchiedene Male
den eigenartigen Becher vom Mund, als er daraus den erſten Schluck nehmen wollte. bis S. R. ſchließlich ſo in
Rage kam, daß er mit ſeinem Stock in „die Hihn“ des Pottes faßte und Topf samt Inhalt hinter ſich in die
„Gegend“ feuerte. Daß er ſeiner Frau dabei ,,das nei Grinseidene“ bekleckerte, wäre nicht ſo ſchlimm ge-
weſen, als daß er einer behäbigen Matrone, die gercde vorbeiging, den Pott mit Dehemenz an den Schädel
warf. Die Frau wurde ob des ungewöhnlichen Wurfgeſchoſſes ohnmächtig –~ als sie aber wieder zu ſich kam,
deckte ſie meinen Freund derartig mit DVerbalinjurien ein, wie es nur langgeübte „Schbräweſchniſſer“" fertig-
bringen. S. R. zahlte reumütig ſeine zehn Mark Schmerzensgeld und entzog ſich fluchtartig der hohnlachenden
Menge. Den Zuruf der Matrone: ,He, Sie hann ihr Dippe vergeß!“ quittierte er aus der Entfernung mit
einem reſignierten Abwinken. Er hatte genug von den Waldfeſtfreuden. H. G.
Die Zollgrenze, im allgemeinen ein diätetiſches Mittel, der Volkswirtſchaft eine unwillkommene Ueberfütte-
rung des eigenen Landes zu verhindern, wird manchmal zu einer Prüfſtelle menſchlicher Intelligenz. Des
Paſſanten einerſeits, des Zollkontrolleurs andererſeits. So in dieſem Fall: Sitzt im Zuge von Trier nach Saar-
brücken eine Frau, einen funkelnagelneuen Regenſchirm krampfhaft zwischen die Knie geklemmt. Jeder ſieht,
der Schirm iſt ſo neu, wie er neuer nicht ſein könnte. Auch der Zollbeamte ſieht das, er fragt die Frau: „Haben
Sie was zu verzollen?“ ,,JIo, der Schirm do!“ ,„Aber der Schirm iſt doch ſchon gebraucht!“ ,Enä. Der Scherm
is neil‘ n „Aber Frauchen, Sie haben den Schirm doch ſchon mal aufgeſpannt!“ ,„„Enä. Der Scherm is ganz
nei!l‘N „Na, hören Sie doch mal, liebe Frau, Sie haben doch den Schirm ſchon über die Straße getragen?“
„Enä! Zum Dunnerwedder, eich ſahn Eich doch, der Scherm lo is ganz nei. Eich honn en äwe erſchd in
Trier in dr Brodſtroß kaaf. Er is werklich ganz nei!“ ,a, dann hilft das nicht, d an n m ü ſſ en S i e i h n
v er zo 1 1 en ! Die Frau machte kein gerade geiſtreiches Geſicht. Aber die liebe Mitwelt freute ſich.
Es war noch zur Zeit der Markinflation. Dier Mann hoch, Vater, Mutter, Tochter und Sohn, zieht die
Familie mit einer Brieftaſche voll Franken ins übrige Reich, um zu hamſtern. Mit unglaublich ſchweren Ruck-
ſäcken paſſiert man abends die Mettlacher Zollkontrolle. Fritz, der Sohn, vorwitzizg und naſeweis, mit dem
ſchwerſten, einem wahren Staatsſchinken im Rucksack, kommt unangefochten durch. Den Vater und die beiden
weiblichen Familienmitglieder greiſt das Verhängnis – der Kontrolleur. Langes Palaver. Sie ſollen Zoll
zahlen. Als Fritz das ſieht, nähert er ſich der heftig diskutierenden Gruppe. Der Zollbeamte weiſt ihn barſch
fort. Er verſucht es noch drei-, viermal heranzukommen, immer wütender von dem Zollbeamten bei Seite ger
jagt, bis er plötzlich beleidigt erklärt: „E i ich ge h e er e do < z u d enn e Dre i !“ Worauf man ſich auch
ſeines Staatsſchinkens zolltechniſch annahm.
Die reingefallenen „„Alkoholpilger“. Eine Schar Ausflügler beſteigt in Saarlouis den Zug. Sie haben eme
Menge Alkohol bei ſich, ſind aber überzeugt, ihn über die Grenze zu ſchmuggeln. Sie tuſcheln über ihren Plan
und spielen ſodann Pilger, die auf einer Wallfahrt begriffen ſind. In Mettlach hört man ſie in ihrem Abteil
ohne Unterlaß beten. Der franzöſiſche Beamte geht mit einem höflichen Griff an ſein Käppi grüßend vorüber.
Nicht ſo der deutſche Zollkontrolleur in Serrig. Er ſieht ſich die fleißig Gebete herſagende Gesellſchaft an, lächelt
und unterzieht das umfangreiche ,„Pilgergepäck“ einer eingehenden Durchſicht, wobei er findet, daß 42 Flaſchen
Schnaps für 10 fromm ſein wollende Leutchen doch etwas reichlich ſei. Der geſamte Alkohol wird konfisziert ~
und die Gebete verſtummen sofort. In Saarburg wußte der ganze Zug bereits den Zwiſchenfall, denn die
Schmuggler ſchimpften weidlich, man hörte keine Gebete mehr, aber man fluchte läſterhaft. Selten hat ein
Zollkontrolleur die Lacher auf ſeiner Seite, aber diesmal freuten ſich ohne Ausnahme alle Mitreiſenden über
den Reinfall der „Alkoholpilger“. So geschehen im Auguſt 1925. R. S.
Sie weiß Beſcheid. In Ottweiler iſt der Zug eingefahren. Schon wird wieder das Signal zur Weiterfahrt
gegeben. Da kommt mit hochrotem Gesicht noch eine ſehr korpulente Frau einher, eilt auf ein Abteil zu, in dem
7-8 Seminariſten ſißzen und beginnt einzuſteigen. Da ſchalt es ihr aus einem halben Dutzend Kehlen ent-
gegen: „A Il e s v o 1I1 – alles voll h i e r, ſehen Sie denn net, daß hier alles voll is?“ Die resolute
Frau klimmt ruhig weiter empor und plumps ſitzt ſie zwischen den Iünglingen, die auseinanderſtieben, wie
die kleinen Fiſche vor dem Hecht. Und dabei sagte ſie: „„Mennen Ihr, eich fercht meich, ich hann alle Dah mit
Volle ze duhn, unn weeß mit ne umzegehe, ~ i < ſ i n nämlich e Wertsfraa !“
Ein ,„Schlau“meier. Gelegentlich eines Radfahrerfeſtes, das in einer Ortschaft des Saarreviers abgehalten
wurde, hat ein Radler folgende, nach Stenogramm niedergeſchriebene, inhaltsreiche Rede an den feſtgebenden
Verein gehalten: „Derehrter Radfahrerverein! Daß mr unſer Derein zu Eurem heutige Feſchd engelad hann,
das hat uns gesſchlaut, und daß mr uns aach ein Preis zukomme geloß hann, sell ſchlaut uns noch meh, unn
wann unser Verein im näſchde Iohr ſein Feſchd feiert, dann lade mer Euch aach een, unn wann Ihr dann ein
Preis verwitſche, dann kön n e I h r Eu ch a a < ſ < l a u e. Adſchö unn Allheil!“
Unbegreiflich. Ein Mädchen hatte ein Stück gebackenen Schellfiſch in einer Zinnſchüſſel auf den Herd
geseßt für die Kate. AIs ſie wieder in die Küche kam, war das Zinn geſchmolzen und der Fiſch lag noch da.
„Ech das dortig Dier,“ rief ſie, „jetzt hats die Schiſſel gefreß un dene gutte Fiſch laßts leie.“
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Saarkalender für das Jahr 1927.
De ,„Reccwer“ kommt! Aus den früheren Gaſltrollezeiten der franzöſiſchen Soldateska ſind im Saargebiet
manche Bezeichnungen zurückgeblieben. 3. B. weiſt die Ortsbezeichnung „Hangard“ (Dorf bei Neunkirchen) auf
eine Franzoſenzeit hin, und Titelbezeichnungen, wie ,Hiſſje" (Huiſſier, Gerichtsvollzieher) ſind heute noch ge-
bräuchlich. Wenig bekannt iſt aber, daß ſich mancherorts ein Titel lange gehalten hat, der heute vergesſen iſt.
In Biſchmisheim nannte man den Steuereinnehmer bis zum Iahre 1870 den „Recewer“. Der Dorfpoliziſt machte
ſtets bekannt, wann der „Recewer“ kommt. Jedenfalls rührte dieſe Bezeichnung aus den Kriegszeiten her, als
die fouragierenden Truppen Napoleons im Feindesland den ,Receveur“ ſpielten.
Ein Eiſenbahnerlebnis vom 15. Mai 1926. Ein Freund des , Saarkalenders“ teilt mir nachſtehendrs Vor-
kommnis auf einer Karte ‘direkt nach ſeiner Ankunft in Neunkirchen mit: Im Abteil im Perſonenzug nach
Neunkirchen, das vollgepfropft iſt, macht ſich ein abſcheulicher Geruch nach Käse bemerkbar. Jeder ſieht den
Nachbarn mißtrauiſch an und jeder iſt empört, daß man ſowas ins Abteil mitbringt. Als man in Neuntirchen
ankommt, kommt ein Mann aus dem Nachbarabteil herein, langt nach dem duftenden Paketchen, das er
zwiſchen die Koffer ins Netz gelegt hat, und sagt lächelnd: „Ich han se als dohin gedahn, ſie ſtinke mir ſonſcht
zu arig!“
Aus einer Franzoſenſchule. Die Schule müht ſich mit der Konjugation der franzöſiſchen unregelmäßigen Derbe
ab und übt naîstre (geboren werden). Der Lehrer: „Wie heißt das Perfektum?“ Schüler ſchweigt. ,„Weißt
du es nicht?“ Schüler: „Nein!“ „Der Nachbar, weißt du es auch nicht?“ „Nein!“ „Der dritte, weißt du es?“
Antwort: „Ne!“ , Set' dich rauf, ſo gut, wie der es wußte, hättet ihr es auch wiſſen müſſen.“ Der Schüler
erſtaunt: „„Ich han's ja doch auch nit gewußt.“ Lehrer: „Aber, mein Iunge, du ſagteſt doch ng.“
Die zollfreien Gänſe. Mein Vater erzählte oft, daß vor 70 der Zoll für Lebensmittel, beſonders Geflügel,
ſehr ſtreng war und die Grenze an der Goldenen Bremm hohen Zoll dafür erhob. Einmal kam ein Wagen daher,
der Fuhrmann hatte Gänſe unter ſeinem Sitz verſteckt. Unterwegs traf er ein paar nette junge Mädchen aus
Saarbrücken und forderte ſie auf, ſich auf den Wagen zu setzen. Sie kamen an die Goldene Bremm, das alte
Zollhaus. Ein Beamter trat heraus, muſterte den Wagen. „Habt Ihr was zu verzollen?“ „„Ja,“ sagte der Fuhr-
mann und wies auf die jungen Mödchen, „nur ein paar Gäns.“ Der Zollbeamte ſchmunzelte, „Paſſiert," rief er,
und ließ ſie vorbei. E. D.
„Haſcht Du die Sunn?“ Wie vielen in Brebach und Umgegend erinnerlich ſein wird, war der alte Schorn-
ſteinſegermeiſter Weismüller ein Original, dabei aber ein Patriot, der jederzeit bei der Hand war, die Feſtlich-
keiten der Kriegervereine und anderer Dereine durch ein Feuerwerk zu verſchönern. Nun war eines Tages in
Fechingen ein Feſt und der Feuerwerksveranſtalter, wie gewöhnlich, auch dabei. Doch plöhlich gab es eine
Stockung im Feuerwerk, das Hauptzugſtück fehlte. Schließlich rief W. nach vergeblichem Suchen seinem abſeits
ſtehenden Söhnchen zu: Haſcht Du die Sunn? „Ne Babbe“, war die Antwort, ,,die haſcht Du im Bruſchtlappe-
ſack“, und richtig, dort war die Sonne und bald ſtrahlte ſie am dunklen Firmament.
Ein luftiges Stückchen wird von zwei alten St. Iohanner Freunden erzählt. L. gerät, wie es in jetziger Zeit
nicht wundernimmt, in pekuniäre Verlegenheit und geht, um Rückſprache mit R. zu nehmen, der ihm an jedem
Skatabend verſprochen hatte, hilfreich einzuſpringen. Das waren, wie überall, liebe Worte, zur ſchönen Tat
kam es natürlich nicht. L. geriet dadurch in leichtbegreifliche Erregung, wurde ſchließlich wütend, traktierte den
alten Freund mit Grobheiten und Beleidigungen, warf ſchließlich die Türe zu und ſtürmte die Treppe hinunter.
R. in voller Haſt ihm nach und ruft dem Enteilenden zu: „– u n d w a s d u j e ß t d en k ſt, d a s t u ' i ch
g anz b e ſt im mt a u ch n i ch t !“
Unſer Meiſter“, ſo ſchreiben mir zwei Lehrbuben, ,,iſt ſehr ſtreng, Eſel, Rinſerte ſind gegen uns ſeine
Lieblingsausdrücke. Daß er ſich ſelbſt uns als Schaf vorſtellen ſollte, blieb sein Pech. Eine neue Maschine
machte uns in ihrer Handhabung Schwierigkeiten, der Meiſter ſpringt herbei, in wenigen Minuten läuft die
Maſchine und er ruft uns zu: „Na, ihr Eſel, sſeht her, paßt auf, mit der Maſchine wird ja jeder Schafskopf
fertig!“
Marſchal Wack von St. Iohann. Als der alte Napoleon 1812 die Nasſau-Saarbrücker für ſeinen ,,glor-
reichen“ Feldzug nach Rußland aushob, mußte auch ein alter St. Iohanner namens Wack mit. Jeder Troupier
Hatte damals den Marſchallſtab im Torniſter, und so sagte auch unser guter Wack, als er ſich verabſchiedete:
„Entweder komme ich als Marſchall, oder nie wieder." Es kam aber anders, denn er kam mit einem Schuß
in die Ferſe zurück, beim Fortlaufen hatte cr ihn erhalten. Seitdem hieß die Familie „„Marſchall Wack“.
Der ſchukfeſte Klos. Auf dem Hof Großwald ſteht der Beſitzer mit einem Eiweiler Bauer zuſammen, als im
Tal eine große Schießerei vor ſich geht; es waren einige Bauern auf der Iagd. In einiger Entfernung arbeitete
ein alter Knecht vom Hof, der „Klos“. Plötzlich fängt der Klos verdächtig an zu kratzen. Der Beſitzer ſagte:
„Ich menn der Klos hat e Ladung krieht."“ Worauf der Bauer ſagte: „Ma, Herr Bauer, een Schuk micht (macht)
dem Klos neiſchd!“
Dorſicht iſt die Mutter der Weisheit! Ein St. Iohanner Handwerksmeiſter ſtand morgens in der bekannten
Wirtſchaft Alt St. Iohann am Büfett, er hatte „Eene geteent“, als ein Schieber – es war Kurz nach dem
Krieg ~ zu ihm kommt und ihm Lötzinn onbietet. Der Meiſter war ob derartiger Angedvote vorsichtig geworden
und sagte zu ihm: „Sah emol, haſchde Feſchdpreiſe, odder ſinn se freibleibend Lerchesflur?“ (Auf der Lerchesflur
iſt das Gesſängnis.)
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Saarkalender für das Jahr 1927.
Anno Domini 1774+1793. Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Harry Reuther konnte ich Einſicht nehmen
in ein Wirtſchaſtsbuch ſeines Dorfahren Georg Iacob Reuther aus dem Jahre 177401793. Gewiſssenhaft jind
hier kurz auch die Zeitereigniſſe notiert, wie die Laſten und Beläſtigungen durch die franzöſiſchen Soloaten,
die enorme Teuerung, die Aſssignaten uſw. Dasſelbe Unglück, unter dem wir heute leben. Aus dem Buche
werde ich im nächſten Kalender noch viel zu erzählen haben. Heute will ich nur zwei Sachen erwähnen. 1763
am 24. Dezember heißt es: „Am 24. Dec. hat es angesangen zu ſchneuen und alle Tage gefallen, ſo daß noch
niemand Keinen geſchen, Bis das Wetter hernach etliche Tag gelinder geworden. Bis den 25. Hornung 1784
es angefangen zu regnen, und den 26. Hornung die Saar ſo gewachſen, daß 3 Bogen von der Saarbrück verbarſt
ſenen und das Waſſer den oberen Thor hereingeloffen, ſo tief gewachſen, daß man mit dem achen bis auf 12 Schu
an das obere Thor gefahren iſt." Interesſſant ſind auch die Rechnungen des Drechſlermeiſters und ihre Be-
zahlung. Wer vornehm iſt, hat viel Ansprüche, iſt aber in der Begleichung der Schuld nachlässig. Dagegen
findet man in den bürgerlichen Kreiſen in diesem Punkte blanke Sauberkeit: hier Arbeit, hier Geld. „Herrn
Obhriſt CLeutenant Krämer 26. Febr. 1785 für Beſtellung die Rechnung gemacht, thut 4 Gulden 40 Kr.“ Aber erjr
im Auguſt denkt der vornehme Herr daran, ſeine Schuld zu begleichen, er beschränkt ſich aber auf eine Ab-
ſcchlagszahlung: „Herr Obriſt Leutenant Krämer“, ſo ſteht am 23. Auguſt, ,„bleibt ſchuldig auf 4,40 reſtiert
1 Guld. 15.Ô" ,, Schloß Dierecktor Kurtz bleibt ſchuld“ und so geht es weiter mit den fürnehmen Herren. Anders
mit der gewissenhaften Bürgerſchicht: „Herrn Kamrath Röchling, 17. Iuni 1787 gemacht ein Spiel Kegel iatt
drei Scheiben macht 1,22. Zahlt.“ „Herrn Müller gemacht ein Dobbelte roll und ein Einfache an ein Braten-
menter. Zahlt." Wenn wir diese gute, altbürgerliche Sitte auch in der heutigen Notzeit beibehalten oder vurel-
mehr wieder aufleben ließen, ſo wäre dies eine lobenswerte Gepflogenheit, für die uns alle Lieferanten dant-
bar ſein würden.
„Es geht doch nichts über den Wildgeſchmanck." Der alte Förſter Weißmüller sollte, als die Walduna am
Winterberg für Baugelände avfgeſchloſſen wurde, das Rehwild abſchießen. Er gestattete einem Bekannten, die Jagd
mitzumachen und gab ihm einen Schuß auf einen Rehbock frei unter der Bedingung, das Geräuſch des Wildes als
leckeres Frühſtück von seiner Frau für die Jagdgenoſſet bereiten zu laſſen. Der Schuß tracht, der Bock versſchwinde,
aber man weiß dem Schützen einzureden, daß er gut getroffen. Die Herren wollten nicht um das Frühſtück kommen,
kauften beim Aule Lunge, Leber und Herz von einem friſchgeſchlachteten Kalb und sandten dies der Frau des Freundes
In der Münchener Küche ging es bald hoch her, man beglückwünſchte den sicheren Schützen und ließ es ſich munden. Der
Hereingefallene merkte den Betrug nicht, auch dann nicht, als er einen Sturm der Heiterkeit entfeſſelte durch die Be-
merkung: „Es geht d och nichts über den Wildg eſchma >!“ Lange blieben diese Worte im Café Batſchle das
Zeichen zu ausgelaſſener Fröhlichkeit.
„Dnmit es klappt !“ Der alte Remm erzählte oft aus ſeiner Dienſtzeit bei den Ulanen über eine ſeltſame Wette,
Das Kommißbrot mußte zu jener Zeit aus Saarlouis abgeholt werden, wobei unterwegs wiederholt zwei Brote ver-
ſchwanden. Man ſtellte einen Rekruten aus der Eifel als Übeltäter feſt. „Wo Haſt du die Brote ?“ „Aufgegesſſen. Herr
Wachtmeiſter!“ Die Sache wird dem Rittmeiſter gemeldet, der darauf mit anderen Offizieren eine Wette abſchloß, er
habe einen Ulanen, der auf einen Sitz zwei Kommißbrote verzehre. Der Soldat wird informiert und erklärt ſich be-
reit dazu. Die Stunde kommt, der Mann erlahmt aber nach der Hälfte der ſonderbaren Mahlzeit. Der Rittmeister
faucht den Ärmsten an, woher das Verſagen komme, worauf der Rekrut erklärt: „Kurz vor dieser Probe ließ mich der
Wachtmeiſter rufen, und ich mußte in ſeiner Gegenwart die Wette durchführen. „Damit es nachher auch klappt,“ meinte
die ängstliche Schwadronsmutter. ! Us; Zy : §
Er will nach der Bibel leben. Die Familie Schm. hat die ganzen Wände des Wohnzimmers mit Haussegen
gepflaſtert. Die Familie Schm. hat auch einen kleinen Jungen, Peter; der iſt ein riesiger Taugenichts. Eine Woche
machte er es zu toll und bekam ſieben Tage hintereinander Schläge. Nach der letzten Prozedur ſchluchzte er : „Mutter"
tu den Stock nicht mehr hinter „Liebet einander“, ſteck’ ihn lieber hinter „Ich bin bei dir alle Tage !“
Ein frommer Wunſch.. Der „Käskloos“ und der „Hoorig Matz“ haben auf der Grube Zahltag gehabt und der
war, wie recht oft in der letzten Zeit ſchlecht ausgefallen. i
„'s Gewitterdunnerwetter soll drinschla’'e in soe Fuhrwerk. Mr kummt ze nix, mr kummt ze nix. Met ſome
Zahltag ene hemzeſchicke!“" wettert der Käskloos. '
Darauf der „Hoorig Matz“ : Un ſie, ſie ſäckele ſich. Geh! mer eweck met so rer „Egalité"“. Ich winsch ne jo nix
ſjlehtes: Ich winſch ne sogar, daß es ne gutt geht bei uus, ſo gutt, daß e jedder vun ne d e Dah toujo.urs e
un d zun e m m t !“ § : ; Ft.: :
.. Der Käsklos schmunzelt. „Na weiſcht Du, Du biſcht e rechter hooriger Mat. Wie kann mr bloos so ebbes winſche.
Ich ſin do. viel zarter. Ich winſch ne jo aach, daß es ne recht gutt bei uus geht. Awwer es ſull net e jedder toujours
€ Pund zunemme, ſunder nure je d e Da h e Gr am m un das unn erm linke Auw ed eck el!“ }
„Schlechter Hund," sagte darauf der „Hoorig Matz“ und beide lachten ſich. herzhaft aus.
In einer ,„„Franzoſcnſchule“ leitete ein Lehrer den Unterricht, der wohl das Hochdeutſche beherrſchte, aber dem
Dialekt gegenüber hilflos blieb. Eines Tages wird er von einem heftigen Schnupfen heimgeſucht und muß
immerfort nieſen, daß das Klaſſenzimmer dröhnt. Der Sohn eines der Micumleute aus der Kölner Gegend
ruft nach einem urkräftigen ,Hadſchi“ ſeines Magiſters zum Gaudium ſeiner Klaſſengenoſſen: „Geih' doch Ka-
pott!" Kaum hat die kleine. freche Geſellſchaft gemerkt, daß dieſer Wunſch nicht verſtanden wird, als auch jchon
nach einem neuen Hadſchi alle den frommen Spruch wiederholen. rGeih' doch kapott!“ ſchreien ſie, der Lehrer
darauf, eine Artigkeit vermutend: „Merci bien, merci bien, mes enfants!’ Man kann ſich vorſtellen, wie
die kleine Bande ob ihres gelungenen Streiches feirte. ;
193
Saarkalender 1927 13
Saarkalender für das Jahr 1927.
marktverzeichnis 1927.
Saarbrücken (Stadtkreis).
Saarbrüchen: Kram- und ODPiehmärkte: Dienstag,
4. Ian.; Dienstag, 15. März; Dienstag, 3. Mai;
Dienstag, 30. Auguſt; Dienstag, 4. Oktober;
Dienstag, 15. November.
Burbach: Schlachtviehmarkt: Montag und Donnerstag
jeder Woche.
St. Arnual: Kirmesmarkt: Sonntag, 30.
Montag, 31. Oktober.
St. Iohann und Saarbrücken: Wochenmarkt: Diens-
tag, Donnerstag und Samstag jeder Woche.
Malſtatt: Wochenmarkt: Dienstag und Freitag jeder
vu L *uherntrkt: Mittwoch und Samstag jeder
Woche.
Oktober;
Saarbrücken (Landkreis).
Altenwald: Wochenmarkt: Montag und Freitag jeder
Woche.
Bildjſtock: Wochenmarkt: Dienstag jeder Woche.
Dudweiler: Wochenmarkt: Montag und Freitag jeder
Woche.
Elversberg: Wochenmarkt: Donnerstag jeder Woche.
Fenne: Kirmesmarkt: Sonntag, 19. Iuni; Montag,
20. JIunl. .
Fiſchbach: Krammarkt: Sonntag, 8. Mai; Montag,
9. Mai.
Friedrichsthal: Wochenmarkt: Donnerstag jeder
Woche.
Geislautern: Kirmesmarkt: Sonntag, 21. KAuguſt:
Montag, 22. Auguſt.
Sroſroſetn. z ?egererut: Mittwoch und Samstag
jeder e.
Güchenbach: Wochenmarkt: Mittwoch jeder Woche.
Heusweiler: Kram- und Diehmärkte: Dienstag,
3. März; Mittwoch, 25. Mai; Mittwoch, 5. Ok-
tober; Wochenmarkt: Donnerstag jeder Woche.
Ludweilere: Kram- und OViehmärkte: Dienstag,
. 10. Mai; Dienstag, 13. Sept.; Wochenmarkt:
Donnerstag jeder Woche.
Püttlingen: Kram- und Oiehmärkte: Dienstag,
5. April; Dienstag, 2. Auguſt; Dienstag, 4. Okt.
Quierſchied: Krammarkt: Sonntag, 21. Auguſt; Mon-
tag, 22. Auguſt; Wochenmarkt: Mittwoch und
Samstag jeder Woche.
Sulzbach: Wochenmarkt: Montag und Freitag jeder
Woche.
Dölklingen: Kram- und Viehmärkte: Dienstag,
3. Febr.; Dienstag, 2. Iuni; Donnerstag, 7. Iuli;,
Kirmesmarkt: Sonntag, 18. Sept.; Montag,
19. Sept.; Diehmarkt: Dienstag, 20. Sept.;
Wochenmarkt: Mittwoch und Samstag jeder Woche.
Wehrden: Kirmesmarkt: Sonntag, 8. Mai.
Saarlouis.
Bettingen: Wochenmarkt: Freitag jeder Woche.
Berus: Krammarkt, Montag, 19. September.
Bous: Kram- und Viehmarkt: Mittwoch, 29. Juni;
Donnerstag, 30. Iuni; Wochenmarkt: Mittwoch
und Samstag jeder Woche.
Dillingen: Kram. und Viehmärkte: Dienstag,
17. März; Donnerstag, 23. Iuni; Donnerstag,
20. Okt.; Wochenmarkt: Montag und Donnerstags .
jeder Woche.
Diefflen: Wochenmarkt: Mittwoch jeder Woche.
Fraulautern: Dienstag,
8. Febr.; Dienstag, 14. Iuni; Krammiärtte:
Sonntag, 12. Iuni; Montag, 13. Iuni; Kohlen-
markt: Dienstag, 9. Auguſt; Wochenmarkt: Mitt-
woch jeder Woche.
Hülzweiler: Krammarkt: Sonntag, 14. Auguſt; Mon-
tag, 15. Auguſt; Kram- und Diehmarkt: Dienz-
tag, 16. Auguſt; Wochenmarkt: Mittwoch und
Samstag jeder Woche.
Lebach: Kram- und Diehmärkte: Mittwoch, 19. Ian.:
Samstag, 12. Febr.; Mittwoch, 9. März; Mitt-
woch, 20. April; Mittwoch, 11. Mai; Mittwoch,
8. Iuni; Mittwoch, 20. Iuli; Mittwoch, 10. Aug.;
Dienstag, 13. Sept.; Donnerstag, 13. Okt.; Mitt-
woch, 9. Nov.; Mittwoch, 7. Dez.; Wochenmarkt:
Mittwoch jeder Woche.
Saarlouis: Zucht- und Schlachtviehmärkte: Dienstag,
1. Febr.; Dienstag, 15. Febr.; Krammarkt: Mon-
tag, 4. April; Kram-, Zucht- und Schlachtvieh-
markt: Dienstag, 5. April; Zucht-. und Schlacht-
viehmarktt: Dienstag, 26. April; Dienstag,
24. Mai; Dienstag, 5. Iuli; Dienstag, 19. Juli;
Krammarkt: Montag, 29. Auguſt; Kram-, Zucht-
und Schlachtviehmarkt: Dienstag, 30. Aug.; Zucht-
und Schlachtviehmarkt: Dienstag, 4. Okt.; Diens-
tag, 25. Okt.; Dienstag, 8. Nov.; Dienstag,
6. Dez.; Schlachtvieh- und Schweinemarkt: Diens-
tag jeder Woche; Ferkelmarkt: Freitag jeder
Woche; Wochenmarkt:
jeder Woche.
Saarwellingen: Wochenmarkt: Samstag jeder Woche.
Kram- und OViehmärktktte:
Dienstag und Freitag
Merzig.
Merzig: Rindvieh- und Schweinemarkt: Dlenstag,
22. März; Dienstag, 10. Mai; Dienstag, 2. Aug.;
Dienstag, 4. Okt.; Dienstag, 6. Dez.; Kram-
märkte: Montag, 20. Iuni; Montag, 5. Dez.;
Wochenmarkt: Dienstag und Freitag jeder Woche;
Schweinemarkt: Freitag jeder Woche.
Ottweiler.
Dirmingen: Kram-, Dieh- und Schweinemarkt: Diens-
tag, 1. März.
eUzzenvstd: wochenwarkt: Dienstag und Freitag
Illingen: Kram- und Viehmarkt: Dienstag, 8. März;
Rindvieh- und Schweinemarkt: Dienstag, 7. Iuni;
E
194
Saarkalender für das Jahr 1927.
Donnerstag, 8. Sept.; Kram- und Rindviehmarätl:
Freitag, 4. Nov.; Wochenmarkt: Dienstag und
Freitag jeder Woche.
Mer§vetter: öchesnartt: Dienstag und Freitag
eder Woche.
Neunkirchen: Schlachtviehmarkt: Montag jeder Woche;
Wochenmarkt: Dienstag, Mittwoch, Freitag und
Samstag jeder Woche.
Ottweiler: Rindvieh- und Schweinemärkte: Mittwoch,
12. Ian.; Mittwoch, 9. Febr.; Mittwoch, 23. März;
Mittwoch, 13. April; Mittwoch, 11. Mai; Mitt-
woch, 8. Iuni; Mittwoch, 13. Iuli; Mittwoch,
10. Auguſt; Mittwoch, 26. Okt.; Mittwoqy,
14. Dez.; Rindvieh- und Krammärkte: Dienstag,
27. Sept.; Mittwoch, 23. Nov.; Wochenmarkt:
Mittwoch und Samstag jeder Woche.
Schiffweiler: Wochenmarkt: Mittwoch jeder Woche.
Tholey: Rindviehmarkt: Mittwoch, 5. Ian.; Donners-
tag, 24. Febr.; Mittwoch, 2. März; Mittwoch.
6. April; Mittwoch, 4. April; Mittwoch, 4. Mai;
Krammarkt: Freitag, 10. Iuni; Rindviehmartkt:
Mittwoch, 1. Iuni; Mittwoch, 6. Iuli; Mittwoch,
3. Auguſt; Mittwoch, 7. Sept.; Mittwoch, 5. Okt.;
Mittwoch, 2. Nov.; Mittwoch, 7. Dez.
Wemmetsweiler: Wochenmarkt: Mittwoch und Sams.
tag jeder Woche.
Wiebelskirchen: Krammarkt: Sonntag, 18. Sept.;
Montag, 19. Sept.
St. Wendel.
St. Wendel: Kram- und Viehmärkte: Donnerstag,
3. Febr.; Donnerstag, 7. April; Mittwoch,
8. Iuni; Donnerstag, 21. Juli; F o h l en-
m a r k t : Donnerstag, 11. Auguſt; Diehmarkt:
Donnerstag, 1. Sept.; Kram- und Diehmarkt:
Dienstag, 25. Okt.; Diehmarkt: Dounerstag,
3. Nov.; Kram- und Viehmarkt: Donnerstag,
1. Dez.; Diehmarkt: an jedem erſten und dritten
Donnerstag im Monat; Vikttualien (Wochen-.
markt): Montag jeder Woche; Schweine-, Frucht-
und Diktualienmarkt: Donnerstag jeder Woche.
St. Ingbert.
St. Ingbert: Krammarkt: Montag, 7. Febr.; Mon-
tag, 11. April; Montag, 20. Iuni; Kirmesmarkl:
Sonntag, 13. Nov.; Montag, 14. Nov.; Wochen-
markt: Mittwoch und Samstag jeder Woche.
Blieskaſtel: Krammarkt: Dienstag, 22. März; Diens-
tag, 3. Mai; Dienstag, 5. Sept.; Dienstag,
15. Nov.; Wochenmarkt: Dienstag und Samstag
jeder Woche.
Euetelu: Kteycvnortt: Mittwoch, 29. und Donners-
ag, 30. Juni.
Eſchringen: Krammarkt: Mittwoch, 10. Auguſt.
Gersheim: Schweinemarkt: Montag jeder Woche;
Rindviehmärkte: Montag, 3. Jan.; Montag,
4. April; Montag, 4. Iuli; Montag, 3. Okt.
Lautkirchen: Wochenmarkt: Montag, Mittwoch und
Freitag jeder Woche. (Dom 1. Auguſt bis 1. Okt.)
Schnappach: Kram- und Kirmesmarkt: Sonntag,
21., Montag, 22. Auguſt.
Homburg.
Homburg: Kirmesmarkt: Montag, 12. Sept.; Wochen-
markt: Dienstag und Freitag jeder Woche.
Mittelbexbach: Krammärkte: Sonntag, 13. März;
Montag, 6. Iuni; Sonntag, 31. Juli; Sonntag,
18. Sept.; Wochenmarkt: Samstag jeder Woche.
195
Saarkalender für das Jahr 1927.
Telemachbrunnen vor dem Rathaus in St. Johann.
1%
Telemaeh als Erzieher.
Am Rathaus zu Jaarbrücken Mieht zagen und nieht beben,
Da steht Herr Telemach, Bleibt kalt und hart wie Stein,
Der grüsst mit nacktem Rücken Dosch deutseh ssll euer Leben
Und raunt: „Gemach, gemach, Und rein wie JſMarmor sein.
Dann lasst sie Ränke spinnen
Kuf's neu' an jedem Tas,
Was sie aueh tun und sinnen, –
Und denkt wie Telemach. “
W)
A. Z.
196
Saarkalender für das Jahr 1927.
Inhaltsverzeichnis.
Das Geleitwort von Se. Exzellenz Admiral
Sc{ e er - weimm ...... . ... . ß
Vorwort von A.. 3. ..
Kalendarium. Monatsreime im Dialekt von
Helm ut Ganter. ... .. >
Datenchronik des Saarreviers, Erinnerungs-
tage bis einschl. 1925, bearbeitet von A. 3.
Gedichte: „Wo liegt Saarbrücken?“ von
A. 3. — Einigkeit, von Fr. Bartels. -
Wie merſch treibt, ſo geht's, von Fr.
Kühner. HOſtergrußz, von A. Z. —
Bismarck und Rault, von L. Bruch. —
Saarheimatdorf, von Alb. Korn. - Hört
zu! von Fr. Bartels. – €Es wird ab-
gebaut, von Helm. Ganſer. – An die
Müden, von P. Warnke. – Wir bleiben
treu, von Friedr. Thamerus. – Die
Seite
Trikolore über den Saarſtädten, von Cali. .
“ Chriſtnacht, von Frau Augulſt
afeld.
fzrde yt). veleteende Erinnerungsblätter,
geſ. von A. 3.
Das Herz an der Saar, von Fr. Bartels .
Kurze Umfchan, von A.. Z. „. . „p 1%
Du fremdes Land, von F. W. . . . . .
Her Le uttaries gegen das Saargebiet, von
sie §ltele Luftpoſt des Saargebiets, von
Freiherr von Knigge über St. Johann-
Saarbrücken
. e e e O © «%
Franzöſiſche Karte des Saargebiets . . .
Saarbilder, Die Wahrſagerin, eine erlebte
Legende von A. V. Facik..... . . ,,
Pfalz-Separatiſten in früherer Zeit . . .
„Das kummt dervun“, 1. Preis, Humoreske
von Lisbeth DiU „. . > «s & s ts 7%
Aus der ,guten alten Zeit“, von R. Rudolf
Rehgnek
: U b 1 ~ U4.LB6 ) Sp F) 6 .-<#
Leibeigen, ein ſeltenes ſaarl. Dokument von
1772. 4 vv R C E SES
Wein- und Bierwirtſchaften in alter Zeit,
von Prof. Dr. h. c. Ruppersberg .. . .
35-36
36
37-57
58—60
60
61
6203
63
64—67
TIH72
Aelteſte Saarbrücker Schwimmanſtalt, von
A. Zs U f v «e s Us
Feld- und Gartenſchutß im alten Saarbrücken,
von Prof. Dr. h... URuppersberg . . .
Saarlouiſer Erinnerungen von R. Rudolf
Rehanek
's Herzkloppe, von Frau L. G. L.
Die alte Zehntſcheuer am Raftphul, von
C. Schumann, Schreinermeiſtern . . . .
Saarbrücken und das Berliner Iahndenkmal
Die gut Stubb, von Lisbeth Dill .
Die Totengruft eines Saarbrücker Helden,
von Ih. Schmidt. . e „ ( s «a s v vis
Der Mut zum Glück, Gedicht von Alwine
Lentze-Dölklingen
e " d v . W UE C 1% ) #
Denkmalsweihe des Ulanenregiments Ur. 7
Gretels Freier, Novelle von Emma Kettner-
Sgarbrücken . «. W h & s §
Ueber Franzoſen an der Saar i. I. 1795 .
Bild des Erbprinzen Heinrich von Naſſau-
Saarbrücken, von Dryander . . . . .
Eine Pfingftfahrt ſaardeutſcher Sänger ins
Reich, von Pfarrer Reichard . . . . .
Das Bild vom Empfang bei Hindenburg
mit beſonderer Erlaubnis des Reichspräſi-
denten veröffentlicht.
Kleine geschichtliche Erinnerungen, 1811 . .
St. Iohanner und Saarbrücker Bannbegang
vom Jahre 1608, von Prof. Dr. h. c.
Ruppersberg
+ f W Vr K V ' § %
Tiſchgebete, von L. . „e „ & ssc s s
Urkunde über Preußens Beſitzergreifung von
Saaloónis . t U e \§
Richard Dehmel in Neunkirchen, von Arthur
Friedrich Binz „ o s v s s 2%
Mit der „Emden“, von Wilh. Linnemann,
Schloſſer. in Saarbrücken
M D o v UE.
Seite
T3-74
75-76
76
77-60
80
81
82-84
84
85-86
87-34
94
95
96-103
103
104-105
105
106
107-109
109113
Heitere Kriegserinnerungen eines alten I7er, :
von Ernſt Paul . .... q. EL ZV
114117.
197
Saarkalender für das Jahr 1927.
Heiteres aus der ſaarländiſchen Theater-
gefchichte, von A. Z. . . . . . . . .
Ein bisher unbekanntes, hiſtoriſch wertvolles
Dokument der Bürgerſchaft von Saar-
brücken. Mitgeteilt von A. Z. . .
Dem Vaterlande, von A. Z.. . . . . .
Schwarz-rot-gold und ſchwarz-weiß-rot, von
Prof. Dr. h. c. Ruppersberg . . . . .
Anno 1848 und 49, von R. Rudolf Rehznek
Kriegsfahrten Saarbrücker Buben, von Otto
Peter, langj. Oekonom des Zivilkaſinos
Der „Sand“ bei Fraulautern, von R. tivhotf
Rehanek LLL OU SZ;
Die franzöſiſchen Truppen im Saargebiet, von
Otto Eckler, ehem. Chefredakteur der
„Saarbrücker Zeitung“
.. E > ' >. 1-2
Der erſte Tote im Krieg 1870/71 . .
Har Saarheimatmuſeum, von Dr. Kloeve-
orn
Amerika über Frantkreich
Eine Wolfsjagd im Köllertal, von Fritz
Petzinger sen. in Heusweiler. . . . .
Seite
118-120
. 1215125
125
126
127-130
131-132
133
134-139
139
140144
11axan
146-147
Ooſchdere, Gedicht von SsSchreinermeiſter
C. Schumann, Saarbrücken . . . . . .
Zwei Briefe über Saarbrücken aus dem
fotre 1814, von Prof. Dr. h. c. Ruppers-
). W U , v E V E >
"> ſgsn.: uu vergeſſen zu werden“, von
p A E U v 4.10 . #
Zeittafel zur Geſchichte des Saargebiets vom
1. Auguſt 192591. Juli 1926, von A. Z.
Heiteres aus dem Saargebiet aus alter und
neuer Zeit. „Vedder Luij“, von Fritz
Kühner, „Haß und Liebe“, von A. Winzer
(Pſeudonym für Frau A. H-r in Saar-
brücken 3), und „Die Nebenbeſchäftigung,
Erlebniſſe eines Pechvogels“, von R. Sarg,
drei mit Preiſen ausgezeichnete ſaarlän-
diſche Humoresken. .. „lach äner“, Dialog
von Felix
Der zweite Teil dieſes Abſchnittes ſind
Anekdoten und Witze aus dem Saarrevier,
geſammelt und bearbeitet von A. 3Z. . .
Meſſen und Märkte . . . . . . . . .
Schlußwort, Telemach als Erzieher, von A. 3.
Seite
147
148—149
151
153-170
170-178
179—193
194-195
196
Für den Bildſchmuck des Saarkalenders 1927 ſind von dem Derlag Gebr. Hofer A.-G. ausschließlich jaar-
ländiſche Künſtler herangezogen und tätig geweſen. Der Umſchlag „G e r m a n ia ſ<ü z t d a s Sa ar-
g e b i e t“ iſt eine Zeichnung des Bildhauers P a u l L or s < e i d e r in Schiffweiler-Saar. Die Ausführung
ein Offsetoruck der Firma G e b r. H o f e r A. - G. S a ar b r ü <> e n. Die Kunſltbeilage , Sa arb rüc en,
Blick vom Schwarz en b er g“, ein Aquarell des ſaarländiſchen Kunſtmalers O t t o W e i l, Holzhauſen
am Ammerſee, iſt in ſeiner künſtleriſchen Wiedergabe ebenfalls ein Werk der Abteilung O f f ſ e t d r u < d e r
Firma Gebr. Hof er A. - G. Die Photographien ſind Aufnahmen des Leiters der ſtädtiſchen CLichtbilderei,
des Oberinſpektors M a x W e n z. Die Kliſchees lieferte mit einigen Ausnahmen die S a ar b rück e r
K li ſ ch e ef a b r i k G. m. b. H.,, G e il & Bur g ar d, Saarbrücken 3, Bahnhofstraße 11.
198
Alte Hüter der öffentlichen Ordnung. Der alte Polizeidiener Witzſche, der alle Mühe hatte, ſich der Neckereien,
der wilden Jugend zu wehren, waltete ſonſt seines Amtes mit großer Seelenruhe. Erzählt wird heute noch von ihm,
daß er, wenn ein Uebeltäter vorgeführt werden ſollte, gelaſſen ſagte : „Den Kerl, wann ich nure wüßt wo er wär’, dann
hätt’ ichn bald !“ Sein Kollege I. war ſtreng nicht allein gegen die Bevölkerung sondern auch gegen ſich ſelbſt, ſobald
ihm die öffentliche Ordnung verletzt ſchien. Als seine Frau den Aſcheneimer nach der Entleerung noch einige Zeit auf
dem Bürgersteig ſtehen ließ, ſchrieb er ſich ſelbſt ein Protokoll und überſandte es ſeiner Frau. Nach der erſten Be-
ſtürzung bezahlte ſie die Strafe mit den Worten : „Na, du kommſt nach Hauſe !“
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kanntmachung vom Bü ürgern meiſteramt, won ach s;. Seelenza hl u iehſtand demnächſt a Psp. omme r p: erder n foitten
aus Ftrufer: Wie gewöhnlich, ließ ſich der biedere „Bolizei“ .. drr !! ntm yer q zu r qsuie »Âr rleſen "ht ſie
wendig u nd ſo 1 nachte er bekannt: „Am nächſten Mittwoch wird die See E zzz r v n Viehſtand aufgen non pt
zee auf dem Fundbüro. ,Ich habe ein Nctz mit Fiſchen gefunder s geben Sie es her. Wenn " te in drei
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Z
Auch ein Glückwunſch. Die Tochter erſcheint mit ihrem vierjährigen Söhnchen, der dem Großvater zu ſeinem
70. Geburtstag gratulieren soll. Aber in der Aufregung hat der Kleine sein Gedichtchen vergeſſen. Der Soltutes
ermuntert den Knirps : „Weißt du denn nichts anderes, vielleicht etwas nettes aus deinem Bilderbuch ? Da kommt dem
verteißungsnellen Enkel eine Erleuchtung und er ſchmettert los: „Du altes Swein, du tuſt mir leid, du lebſt wohl nicht
mehr lange Zeit."
Kindermund. Es war Beſuch da und der sjährige Kurt ſollte beim Abendtiſch beten. Dies war jedoch der Junge
am Abend nicht gewöhnt und mit vorwurfsvollem Blicke ſagte er zur Mutter: „Me Han doch ke Supp.“
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hat ein Paßſtück eingeſetzt, das zu kurz iſt; infolgedeſſen bläſt die Leitung ſo ſtark, daß große Druckluftverluſte entſtehen.
Der Steiger in Begleitung f. Ingenieur ordinair erſcheint. Letzterer ſchimpft wie immer. Der Steiger will be-
ruhigen und sagt: Die Sache könnte längſt erledigt ſein, aber der Man n hat kein Augenmaß, ſonſt würde das Rohr
paſſen. Nun poltert der Ingenieur: Zu was aben wir Servis-Magasſin ? Schreiben s Bon für Augenmaß !“
Altes St. Johanner Wortſpiel über unsere Sangesbrüder. Einſt he rrſchte die „Eintracht, aber keine Harmonie,
da zweigte ſich die „Harmonie“ ab, aber es war keine Eintracht.
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die Tore St. Ioha beließ. Etter Ferne, in der kalten mde. Ein junger St. Fohs ſzer arzt zerrerat
zu jener 5 eit der que ns nkter Hü tie rzt . 13: Ru tyre echt in N Zu dem erkrankten Kir Tu eines Hütten
beamten ger er dE Te. z Uger Worten der Begrüßung ganz glücklich 1 uz et §htend die junge
Mu Us s Hand: „Herr Doktor . uu ie gr aus Sangkehan?“ ,,Ia, liebe Frau!“ Jeſſes, jeſſes, ich
jo aach!“
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Als Kind do mußt ich immer laafe
In Kirchnerſch for die Häüäf ſe kaafe.
Mei Mudder die hat druff gedrung,
Daß ich ken annri hemmgebrung.
Mer hat jo als ämool gekrummelt,
Ich hann mich awer doch gedummelt
Un sin ans Owerdoor enuff
Un met der Hääf dann hemmgeluff.
Un jetze ſin ich ſelbſchd dehinner
Un ſchicke immer unſer Kinner
Dohin, wo se das Zeiche ſiehn,
Dann dort is Kirchnerſch Hääf zu griehn.
For was, das will ich Eich verzähle :
Mer brauch ſich doch nit ſo ſe quääle,
Mit Kirchnerſch Bääfe geht der Dreck
Im Nu, bald grad vun ſelbſchd ewek.
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Die gute alte Zeit. , Ach ja,“
ſeufzte die ſparſame Tante von Saarbrigge,
10 mr drahn war mit dem Beſuch.
brauche un sei Hemde im Koffer zu zäh
heitzudags,
ies, menſchte, mir krätene noch?“
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Wann mr hat wiſſe wolle, wie lang er bleibt, hat mr nur hinzugehen
e. Soviel Hemde drin ware, ſoviel Woche is es geblieb . . . Awe
mit der neu Mode, kennt mr ſich nit meh aus . . ."
Saarbrücker Deutſch. Zwei Bergmannsmädchen eilen zum Zug, keuchen vor mir die Bahnhofsſstcaße hinauf
ich höre die eine atemlos ſagen: ,, Lu
Kindliches Kaufmannsgenie. „Sage mal, Emil, wollen wir uns ein kleines Brüderchen beſtellen?“ Emil:
„Was koſtet denn das?“ Mutter: „Ua immerhin 800 Franken!“ ,, Weißt du Mutti, das iſt aber doch ſehr
teuer, da kaufen wir uns lieber bei L . .. s einen kleinen Hund, der ſoll nur 30 Franken koſten, das iſt doch
ein großer Unterſchied. H.
Kindermund. Großmama zum kleinen Fred: „Du, geſtern hat Dir der Storch ein Schwesterchen gebracht.
Willſt Du das mal ſehen?“ ,, Nein, aber den Storch will ich ſehen.“
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Prüfu A der Konfirmanden (Ludwigskir ies 2536): fre rer: „Am Palmſonntag werdet ihr nun, liebe Kinder,
die Gemeinde aufgenommen durch eure Konfirmation. Der Ta u iſt eine Stunde eurer Eltern und eures
nkes ge
s es gegen ue t. Ein ‘pts ntag für ry. rio! um " dieſer Palmſonntag für euch nun eine Stunde des Dankes
gegen Gott und ein Ehr ys ag?“ Antwo t eines Unaben, die er la .f ſchmetternd durch die Kirche klingen läßt:
„Veil m'r bo ' vit mehr in die Schule “s auche!“ Ueber raſchen nde Wirkung, im ganzen Gotteshauſe mühſam unter-
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Ein ſchwerhör tiger k! ofeſſor des Saa zel ücher Gymnaſiums, der großen
Fehler nichts unte n Schülern bekar wurde, fragte in “.:: Geſchichtsſtunde
der Große regie E re. lange Sekur ra k brummt: „Wees: ich nich . .." ,
Sie ſich ein deutlicheres Spre rechen an, Schm Ich. habe geſagt, Steig mi
unterdrücktem Gelächter der Klaſſe der que gls. Das ſtimmt nicht .
den Buckel nauf,“ ſagt der. „Gut, ſet dich!“
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Am Feldzug 1866 hatte auch das Ulanen-Regiment Nr. 7 teilgenommen. Bei Königgrätz ſtand es in Armec-
reſerve. Sei es nun, daß es damals noch keine Fahrräder gab, oder daß es an Telephondraht mangelte, kurzum,
man fand es nicht oder man hatte es vergesſſen; es brauchte nicht einzugreifen. Ueberhaupt ſcheint der Krieg
damals noch nichl ſo ſchlimm gewesen zu sein, denn ein alter Saarbrücker, der als Dize-Wachtmeiſter d. R. beim
Regiment war, erzählte immer, daß der Wachtmeiſter, wenn er morgens die Schwadron einteilte, ſagte: „Die
Einjährigen und Fahnenjunker links heraus, ſie bleiben zu Haus, es könnte den Herren was paſſsieren."
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Gute alte Zeiten. Unser alter Kutſcher, der ſpäter mit 60 Iahren wieder in seine Heimat zurückging,
ins Bayeriſche, beſuchte uns zuweilen. Wir fragen ihn, ob er es bei der Schwiegertochter qut habe und ob
da auch Platz für ihn ſei . . . O joh . . . ſagt Philipp, ich han mei Eckelche uffem Herd for mich allän, und
Eriehn 25 Penning de Tag, da koch ich mir, was mir ſchmackt . . . Und mei Bett hann ich aach for mich alleen.
Nur die zwei Klenſchte ſchlofe noch bei mir . . .
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Die Franzoſen und die Pfalz. Ein Pfälzer Fabrikant, dem das Haus mit Franzoſen belegt iſt, fährt auf
Wunſch ſeiner neuen Hausbewohner einige der Offiziere in der Pfalz mit ſeinem Auto 1.mher und zeigt ihnen
dic Sehenswürdigkeiten. Bei jeder Ruine, die am Wege auftaucht, nennt er den Namen und ſetzt hinzu, dies
Schloß oder dieſe Burg wurde im Iahre ſoundſo von den Franzoſen zerjſtört . . . Bei der zehnten Ruine meint
einer der Herren etwas ironiſch: „Können Sie uns nicht auch mal eine Burg oder ein Schloß zeigen, die n i ch t
von den Franzosen zerſtört wurde?“ . . . „Leider nein,“ antwortete ruhig der Pfälzer.
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„Brülle wie ein Löwe brüllt, wenn dein Glas nicht ganz gefüllt!“ war im Strohkarl seiner Wirtſchaft auf
einem Wandplakat zu leſen. Eines Tages hub ein Gaſt ein gewaltiges Gebrülle an, ſein geöffnetes Glas vor
ſich. Beherzte Gäſte ſprangen hinzu und auch der Strohkaarel, der fragte, was denn los ſei. Der ſstöhnende
Gaſt zeigte ſeinen knappgefüllten Krug und deutete auf das Plakat. Der immer humorbegabte Strohkarl be-
griff die Situation sofort und erklärte sich bereit, den Krug nachfüllen zu laſſen, aber nur, wenn der Gaſt
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Die „Perſon“. Der alte ſtattbekannie Profeſſor Dr. K-r hatte eine Haushälterin, die ſich keiner äußerlichen
Gaben erfreute und keinen Wert auf Kleidung legte. Die Schüler ſahen ſie zuweilen, wenn ſie die Hefte in die
Wohnung des Profeſſors brachten. Wenn er uns Buben zum Nachsitzen in ſeine Wohnung beſtellte, gingen wir
nicht hin. Am anderen Tag zur Rede gestellt: „Warum ſind Sie geſtern nicht gekommen?“ ſagten wir mit unſchul-
bdigem Geſicht: „Ich war da, ich bin in Ihrer Wohnung gewesen. Ihre Fr a u G e m a h l i n hat mir ſelbſt die
Türe aufgemacht.“ „Das iſt nicht meine Gemahlin,“ brummte der Profeſſor, „das iſt meine P e r ſ o n." R. S.
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Aus der Religionsſtunde. Ein Lehrer ſchreibt dem , Saarkalender“: Ich hielt meinen Kindern in der
Religionsſtunde einen Dortrag über die Wirkung und die Notwendigkeit des Gebets und präge den Kindern
ein, vor allem das Morgen-, Tiſch- und Abendgebet nicht zu vergeſſen, Lene R., als ein ſtets zerſtreuter Hammel
meiner Herde bekannt, frage ich darauf: „Haſt du aufgepaßt?“ „Ia!“ „Nun, was tuſt du also zuerſt, ſobald
du morgens erwachſt?“ „Ich leer den Potchamyre, Herr Lehrer!“
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Zarte Empfindung. Vetter Iohann und ſeine Frau gehen durch Dölklingen spazieren und ſehen ſich die Schau-
fenſter an. Dor der Auslage eines Sargmagazins bemerkt der zärtliche Gatte: „Siehſcht, Alti, der do mit de
goldge Fieß, d a s w är s o e Sär g e lk e f or d i c !“
Aus dem Johanner Geſchäftsleben. Ein alter Herr, der ſich bereits vom Geschäft zurückgezogen hatte, aber
immer noch ſehr viel Intereſſe für den Iahresabſchluß hatte, pflegte zu ſagen, wenn ſeiner Anſicht nach nicht
genug verdient war: „Ja, ja, Ihr Buwe, do hann'r emol widder die Geis for die Knoddele gehiet!“
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Der gewiſſenhafte Iunge. In der Schloßſtraße trifft ein Lehrer einen Iungen aus der Probſteigaſſe, der aus
eren ich, biſt du katholisch, zweitens bin ich Proteſtant und dr ittens ſo u n Weck ohn
inem großen Weck ſorgfältig. alle Roſinen , pellt“. Lehrer: „Das iat r dt; uicht machen.“ Iunge: ,Erſtens,
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Zärtliches Verhältnis. „AUwer mei lieb Kind,“ ſagt der Ga . B . “vs em Weg zu "t Bahn!
kenden Gattin, die ſich über ihn ausläßt. „„Schänn mich doch nit auf der mitte Stroß. Do da
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Das trockene Kommißbrot. Vorausſchicken muß ich, daß man früher hier ſagte, wenn jemand zum Militär
eingezogen wurde: „Er kummt zu de Preiße“, ohne damit etwas deſpektierliches über unſere norddeutſchen
Brüder ſagen zu wollen. Alſo unſer Landsmann ,,der Adolf“ wurde Soldat; er kam nach Saarlouis zu den
Dreißigern. Eines Tages beſuchte ihn ein Bekannter. Er traf ihn auf ſeiner Stube; Adolf aß gerade ein
trockenes Stück Kommißbrot. ,„„Ei, Adolf, Du eſſſchh jo Dei Kommißbrot trukke?“ ,, Naddierlich trukke, mr
wird dene Preiße ach noch Butter uffs Brot ſchmiere!“
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doch eine Zigarre?“ „„Danke, ich bin leidenſchaftlicher Nichtraucher.“ „un, dann geſtatten Sie, daß ich Ihnen
meine Tochter vorſtelle?“ „Danke, ich bin der Vorſitende vom JIunggeſellenklub.“ „Aber meine Tochter hat
einen wunderbaren Teint.“ „Natürlich?“ ~ , Nein, künstlich.“ „„Danke, ich handle nicht mit Schminke und
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iſt nur S ch u 1 k d e r “f: S ch n d e r n gestattet.“
Saarlouiſe r Fro anzöſiſch aus der alten Zeit. „Wann eich hätt wollen mariaſchen, eich hätt kennen en Margchal
de Logis grien van den dö r m küraſſies, wo vo hinnen am rempart leijen."
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Die hohen chriſtlichen Feiertage. An dem Prüfungstage der Konfirmanden ſtellt der Pfarrer einem Prüfling
folgende Aufgabe: „Nenne mir die chriſtlichen Feiertage.“ Der Iunge zählt ſie aus, aber einer fehlt. Pfarrer
„Ein Tag iſt deinem Gedächtnis entfallen, ſinne mal nach, welchen hohen Feiertag du vergeſſen haſt!“ Iunge
nach einem Grübeln: „Jetzt weiß ich's, Herr Pſarrer, die Iahrtauſendfeier!‘“.! Die Gemeinde nickte lächelnd
zuſtimmend.
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Der Briefſteller. Ein Landrat des Regierungsbezirks Trier war einſt wenig erſtaunt, als er eine Eingabe
erhielt, die mit den rätſelhaften Worten begann: „E u er Ho ch w o h l g e b or en a b w e ch s e l n d m it
Hoch d i e ſ e l b e n“ bitte ich gehorſamſt uſw.“ und ebenſo mit dem Satze ſchloß: „Ich zeichne als Euer Hoch-
wohlgeboren abwechselnd mit Hochdieſelben gehorſamſter N. N.“ Des Rätſels Löſung war die, daß der Schreiber
einen Briefsteller zu Rate gezogen und darin gefunden hatte, daß die Anrede „E u er Hoch w o h l g e b or e n°
a b w e < s e l n d m it „H o ch d i e ſ e Il b e n“ zu gebrauchen ſei.
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unangenehm auf die Nordpolargegend ſeines Körpers. Eine junge Dame kommt erſchreckt dahergeſauſt zu der
Stelle des Unfalls, aber als ſie den jungen Herrn ſieht, ſtottert ſie „„ ~ Ach Gott, ich habe gedacht, es wäre Willi
geweſen . . .“. „Das wäre mir auch lieber gewesen,“ antwortet trocken der Hingefallene, ſich achtern ſtark
frottierend.
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Aus der Praxis für die Praxis. Eine Braut in St. Ingbert erhielt von einer vielgeplagten Ehefrau solgen-
des Hochzeitsgeſchenk: eine Kehrgarnitur, beſtehend aus einem Staubbeſen mit langem, feſtem Stiel und eine
Schaufel. Die am Stiel des Staubbeſens befeſtigte Widmung lautete:
„Dieſen Beſen weih ich dir,
Nimm' feſt ihn in die Hände;
Im Frieden brauch' den borſt'gen Teil,
Im Krieg das and'’re Ende.“
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karten haben wir alles gesehen.“ „Na, dann haben Sie ſicher auch St. Moritz geſehen.“ „„Nein, ich kann mich
wenigſtens im Moment nicht erinnern, den getroffen und geſprochen zu haben.“
Guter Rat. Der neue Gefängnisarzt: „Bleiben Sie ruhig im Bette, und gehen Sie bei dieſem abſcheulichen
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davon behalten hat. Er nennt das Schnabeltier, Kaſuar, Emu. ,. Na, nun doch noch wenigſtens das Tier, das
die Iungen mit ſich trägt und rieſige Sprünge macht.“ Ich will den Schüler auf das Känguru bringen und
ſage: „Erinnere dich doch, was hopſt denn ſo gewaltig?“ „,. Och, der Floh!“
Der Anfang. „Nun, wie weit iſt Ihr Sohn denn mit seinem mediziniſchen Studium?“ Die ſtolze Mutter:
„Denken Sie, ganz kleine Kinder kann er ſchon jettt kurieren.“
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dem Rucksack gefrühſtückt. Die Brote unterſcheiden sich ebenſo ſtark in ihrer Zuſammensetzung wie die Berufs- |
ſtände ihrer Beſitzer. Es entſteht die Scherzfrage, wieviel Scheiben magerer oder fetter Wurſt man wohl bei T
einem Butterbrot aufeinander legen kann. Die Gattin des Beamten T. löſt unter allgemeiner Zuſtimmung die k
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Der Offiziersſäbel. In dem Schurr-Murr der Schichtmeiſterei H. wurde Ende der neunziger Jahre ein alter
Offiziersſäbel gefunden. Der ſtets zu luſtigen Streichen aufgelegte Schichtmeiſter B. ſtellt ihn neben ſein Pult.
Er wollle den ebenfalls aus dem Militär hervorgegangenen älteren Kollegen D. reizen, deſſen höchſter Wunſch
troß ſeines Alters die Beförderung zum Ct. d. L. war. D., das Kriegsſchwert eines Leutnants ſehend: ,„Getört
der Säbel Ihnen, H.?“ ,,„„JIa!““ ,,Was ſoll's damit?“. ,„„„„Wird gepußt!““ ,, Wozu?“ ,,,Leutnantsübung!““
D. begibi ſich, ſchwer gekränkt, umgehend nach St. Iohann zum Bezirkskommando, um dort wegen r“'einer
Zurückſezung Beschwerde zu führen. Auf der Schichtmeiſterei gab es ein homeriſches Gelächter. Der Sefoppte
konnte den Streich und die üble Laune gegen B. nie überwinden. Das Wort ,. Offiziersſäbel“ genügte, um Ge-
witterſttimnmung im Büro zu erzeugen.
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Huf Umwegen. Ein Polak aus dem lothringiſchen Erz hat Arbeit im Reich angenommen, weiß aber
§rf dem Saarbrücker * hep. )of immer nur zu nqen: . „Will “ ahre s Kind von Kuh! Wie re1ht ſich Kind
n Kuh?“ Nieman weiß Ra ‘vis r der Umſtehenden ruft: „Der will ins Gurkendorado nach Calbe!“ ,,Is
ſich richtig,“ erwidert der Pol rt richtig Calbe.
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