Saarkalender für das Jahr 1925
bleibt, daß er mit seiner Regierungskunſt auf der einen Seite das Volk verbittert und
diem edlen Völkerbundsgedanken schweren Schaden zugefügt hat. Auf der anderen Seite
wollen wir alle aber niemals vergeſſen, daß er im Saarlande den Funken nationalen
Empfindens zu lohender Flamme entfacht hat. Weiter. Er schuf Märtyrer unserer heiligen
Sache in den Ausgewieſenen. Sie mußten Heimat und Herd nicht durch gerichtliches
Urteil verlaſſen, sie wurden von der Scholle vertrieben, wie weiland die Unglücklichen
im zariſtiſchen Rußland, verbannt auf dem Verwaltungswege. Niemals trotz öffentlicher
Aufforderung hat es die Regierungskommisſsion gewagt, ihr Vorgehen hier durch ein
gerichtliches Urteil zu erhärten. Und das Verbrechen der Vertriebenen? Sie hatten eine
deut’che Mutter! Die Opfer einer Gewaltpolitik gereichen unserem Kampfe aber zum
Heil. Unermüdlich ziehen sie durch die fernſten Gaue des Vaterlandes und verkünden durch
Wort und Schrift, mit Herz und Mund das Evangelium von der Deutſchentreue des
Saarlandes, von unserem Opferſinn, unserer Qual und Hoffnung. Ihre Weckrufe haben
die wünschenswerte Klarheit im Reiche geschaffen auch über den materiellen Wert, der
hier in Frage steht. Der Widerhall, den die Mahnungen dieſer Sendboten der Heimat
überall im Reiche gefunden haben, erfüllen uns mit frohem Mute. Dank euch, ihr
tapferen Herzen! So wird einst der Aera Rault bei all der sie begleitenden Not für
das nationale Läuterungsfeuer im Lande und für die Kenntnis uaserer Gesinnung und
ktrewollen Geschichte im weiten Vaterlande von uns mit Anerkennung und Dank
geda werden.
Landesrat, Kommunen, Presse und Volk machen der Regierungskommission öffenillich
wieder und immer wieder den nur zu berechtigten Vorwurf, sie ſehe mit verſchräakten
Armen dem Elend zu, sei unfähig zu kraftvoller Hilfe und wirke einseitig im Sinne
franzöſiſcher Annexionsluſt. In Genf versucht sie es dann mit Beruhigungspulvern ſelbſt
bei der arößten Notlage der Bevölkeruns. Man denke nur an die verwirrende Stagnation
und beängstigende Lage unseres Wirtſchaftslebens, deſsſen heute so engmaschiges Netz
mittelbar alle Kreise in sich schließt. Der Bericht darüber redet „von gewissen Schwierig-
keiten, die man aber nicht übertreiben dürfe.“ So leichthin iſt es doch nicht abgetan,
wenn 85 Prozent des Volkes in eirem geradezu verzweifelten Kampfe um des Lebens
Nahrung und Notdurft stehen. Denken wir nur an den ſonſt ſtets regen Pulsſchlag
ſtädtisſchen Lebens, es ist das untrügliche Barometer für die große Not im Lande. Die
Kaufkraft iſt verschwunden, Friedhoksstille in den Geschäften und mit einer Art bitterem
Galgenhumor möchte man sagen: :
Wo alles einst so froh und frisch,
~ Ach, es iſt zum Weinen –
Da sitzt man auf dem Ladentiſch
Und baumelt mit den Beinen! :
Min wird verſtimmt, denn ſchließlich
Wirkt dieses sehr verdrießlich.
Wenn ich einmal der Herrgott wär',
Die Goldmark käm’ ohn’ Schwanken,
Denn heut’ bleibt jeder Beutel leer, -
Das danken wir dem Franten.
Man wird verſtimmt, denn ſchließlich
Wirkt dieſes ſehr verdrießlich.
Die Pleiten blühen wie gesät,
Wie sitzen wir im Drecke!
So oft der welsſche Hahn hier kräht,
Geht alles aum die Ecke!
Man wird verstimmt, denn ſchließlich
Wirkt dieſes ſehr verdrießklich. ;
Das kennzeichnet die Situation! Soweit ſind wir durch den bisherigen franzöſiſchen
Kurs in der Regierungskommission gekommen, und täuſchen nicht alle Zeichen, so iſt
ſer hrttge wirtschaftliche Stand erſt der Schwierigkeiten Anfang, aber lange noch nichr
Auf kulturellem Gebiet wogt der Kampf, die Schulſkandale haben die Volksſeele_
erregt, ſie wird nicht ruhen, bis die Sündenböcke und ihr Troß in die Wüſte gejagt
ind. Wir werden den Geiſt unserer Jugend rein zu halten wissen und sie nicht zu
vaterlandsloſen Trotteln und Gesinnungslumpen verbilden lassen. Ich kann hier diese
Frage nicht aufrollen ,eine kleine, bezeichnende Stichprobe über Gesinnung und Richtung
mag und muß genügen. Die Aula der Saarbrücker Oberrealschule erglänzt eines Tages
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