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SPS den inflationären Gebrauch von Leumundszeugnissen 9 . Roth sah bereits im Ok
tober 1946 einen Wettlauf um den Pg eröffnet. Während die KP andauernd vom
"kleinen Mann" rede, wolle die CVP alle Nationalsozialisten beschützen, die Angst
vor Antifaschisten hätten. Die Entnazifizierung sei aber eine politische Maßnahme,
die keinesfalls den Beifall der davon betroffenen Nationalsozialisten finden müsse.
Durch eine Atmosphäre des Verzeihens und des Vergessens würden die Verantwort
lichkeiten verwischt und durch den automatischen Ablaß, den manche Parteien bei
einem Parteieintritt ehemaligen Nationalsozialisten gewährten, nur alte Vorurteile
gegenüber den demokratischen Parteien verstärkt 10 .
Seit September 1946 forderte die SPS die Übernahme des amerikanischen Befrei
ungsgesetzes. Öffentliche Verhandlungen, Verteidigungsmöglichkeit für den Betrof
fenen und eine sorgfältigere Auswahl der Ausschußvorsitzenden sollten im Saarland
das Verfahren verbessern 11 . Daher begrüßte die SPS den Erlaß der RAO: Das bishe
rige Verfahren habe weder dem allgemeinen Rechtsempfinden Rechnung getragen,
noch sei das Ziel der politischen Säuberung erreicht worden. Allein die Bestimmung,
daß künftig nur Juristen als Vorsitzende tätig sein dürften, stieß auf Kritik: Die Frage
sei, woher man die dazu notwendigen 30 politisch unbelasteten Richter im Saarland
hemehmen wolle 12 . Der endgültige Erfolg der Entnazifizierung, so Roth in der
"Volksstimme", hänge jedoch vom täglichen Beweis einer starken und funktionie
renden Demokratie ab 13 .
Die KP
Der kommunistische Redner Fritz Nickolay erinnerte auf der Kundgebung im Ok
tober 1945 an die Warnung seiner Partei vor dem Hitlerfaschismus. Monopolkapital
und Junkertum hätten Hitler an die Macht gebracht. Hitler und nicht die französische
Militärregierung trage die Verantwortung für die jetzige desolate Situation des Saar
landes 14 . Wehrwirtschaftsführer und Nazibonzen würden jetzt versuchen, die Auf
merksamkeit auf die vielen kleinen Pgs, ihre Opfer von gestern, zu lenken. Diese
hätten zwar auch ihren Beitrag zum NS-Regime geleistet, seien aber nicht von vorn
herein als "Reaktionäre" anzusehen. Die Masse der Mitläufer sei entweder auf Hit
lers soziale und nationale Demagogie hereingefallen oder aus Furcht vor persönli
chen und wirtschaftlichen Nachteilen der NSDAP beigetreten. Die KP plädierte da
her im September 1946 für deren Integration in den demokratischen Aufbau: Unser
Land kann auf die Millionenarmee dieser nominellen Nazis nicht verzichten. Die
Entnazifizierung habe nicht nur nach der politischen Vergangenheit zu fragen, son-
9 Glauben Sie noch an die Entnazifizierung?\ "Volksstimme" Nr. 6/46 (27.7.1946), S. 2.
10 Der Wettlauf um den Pg\ "Volksstimme" Nr. 21/46 (19.10.1946), S. 2. Roth bezog sich dabei auf den
Artikel Fort mit der Angst! in der S VZ am 12.10.1946.
11 "Volksstimme" Nr. 14/46 (11.9.1946), S. 1.
12 "Volksstimme" Nr. 5/47 (1.1.1947), S. lf.
13 "Volksstimme" Nr. 20/47 (15.5.1947), S. 2.
14 Kundgebung, 27.10.1945 (Anm. 2).