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die Darlegung der Einkünfte und Einkommen der letzten Jahre eine Nutznießerschaft
durch die Parteitätigkeit belegen (Teil G und H). Auslandsreisen und -aufenthalte
konnten auf eine nationalsozialistische Tätigkeit als "Fünfte Kolonne" oder eine
Verwaltungstätigkeit in den besetzten Ländern hinweisen (Teil I).
An der deutschen Broschüre fällt auf, daß neben einer mehr oder weniger wortge
treuen Übersetzung auch eindeutige Veränderungen (Abmilderungen und Verschär
fungen) der französischen Vorlage vorgenommen worden waren. Es wurden zum
Beispiel nicht die NSDAP-Mitglieder vor dem 1. Mai 1933, wie es der französische
Text vorsah, sondern die Parteimitglieder zwischen dem 1. Mai 1933 und dem 1. Mai
1937 als die eifrigsten und gefährlichsten Bekenner des Nationalsozialismus angese
hen. Die ausgeprägteste Verschärfung betraf die Behandlung der HJ-Mitglieder: Alle
Auserwählten Achtzehnjährigen, die direkt nach vierjährigem HJ-Dienst in die
NSDAP aufgenommen worden waren, sollten automatisch entlassen werden 24 - der
französische Text sah bei diesen Personen nur eine besonders sorgfältige Untersu
chung vor. Mildernd veränderte der deutsche Text die Bestimmungen zur nationalso
zialistischen Religionstätigkeit: Während der französische Text aus der Angabe gott
gläubig folgerte, daß die betreffende Person sympathisante nazie sei, lautete die
deutsche Übersetzung: lassen sich gewisse Nazisympathien herleiten, was einer Er
klärung bedarf. In der französischen Vorlage wurde die Mitgliedschaft bei den Deut
schen Christen und der Deutschen Glaubensbewegung als Beweis für eine ausge
prägte nationalsozialistische Gesinnung genommen (ses membres sont de grands
sympathisants nazis) - die deutsche Übersetzung wollte dagegen nur auf Nazisym
pathien schließen. Falls hier eine eigenmächtige Änderung der Anweisungen der Be
satzungsmacht durch die deutsche Verwaltung (in diesem Fall Vizepräsident Koch)
vorlag, bleibt zu fragen, wie dies der französischen Kontrolle entgehen konnte 25 .
Zwei Wochen nach Erlaß der neuen Entnazifizierungsdirektiven wurde die Öffent
lichkeit informiert 26 . Auf der Landrätebesprechung am 25. Oktober, an der auch Ca-
pitaine Schneider teilnahm, wurden Einzelheiten des Verfahrens durchgesprochen.
Koch gab bekannt, daß entlassene Beamte und Angestellte dem Arbeitsamt zu mel
den seien und als einfache Arbeitskräfte eingesetzt werden sollten; durch das Verfah
ren entstehende Kosten sollten durch Gebühren finanziert werden 27 . Schneider be
tonte das Interesse der Militärregierung an einer raschen Durchführung der Entnazi
24 Die Behandlung der Jugendlichen geriet bald in den Mittelpunkt der Kritik an den ZS ^Entscheidun
gen; siehe das Schreiben des ehemaligen ZSK-Mitglieds Pfarrer Walzer aus Ludwigshafen an das
Bischöfliche Ordinariat, 29.8.1946. Walzer kritisierte die Anweisungen als im Ganzen sehr unklar und
vieldeutig formuliert; BSTA SP 12/4a.
25 An dieser Stelle können nur Vermutungen angestellt werden: Mangelhafte Kenntnisse der deutschen
Sprache auf Seiten der Militärregierung oder fehlendes Interesse an einer engen Kontrolle der deut
schen Behörde. Die Militärregierung hatte allerdings durch die Genehmigungspflicht der deutschen
Sanktionsvorschläge die Möglichkeit, ihre eigene Auffassung im Einzelfall letztlich doch durchzuset
zen.
26 "Pfälzische Volkszeitung" Nr. 3/45, 23.10.1945.
27 Ende Februar 1946 legte das Oberregierungspräsidium die Prüfungsgelder für politische Fragebögen
fest: RM 2.- bei einem Nettoeinkommen unter RM 200, RM 5.- bei Einkommen zwischen RM 200 und
500, RM 10.- bei über RM 500; ORP/Personalamt: i.V. Hartmann, 28.2.1946; LA SP H 13/1157/372.