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und wollten den gesamten Komplex den deutschen Arbeitsverwaltungen überlas
sen.“
In der Ausführung entwickelten die Briten nun eine merkwürdige Politik. Nach den
Erlassen des Zentralamtes für Arbeit der britischen Zone zu schließen, blockierten
sie nicht nur deren entsprechende Initiativen; hierauf wird zurückzukommen sein.
Als Entscheidung auf Vierer Stufe im Dezember 1946 ging der deutschen Verwaltung,
und zwar mit über einjähriger Verspätung, offenbar auch nicht der im Arbeitsdirek
torium verabschiedeten Mehrheitstext zu, sondern eine recht allgemein gehaltene
Sammlung von Grundsätzen mit geringen Sanktionsmöglichkeiten; unter anderem
wurden Körperbehinderte und Frauen in der Arbeitsvermittlung gleichgestellt. Im
wesentlichen entsprachen die britischen Anweisungen einem in den Kontrollratsver-
handlungen mehrfach präsentierten, doch nie verabschiedeten britischen Gegenent
wurf. * 17 Soweit die Frage ohne Überprüfung der britischen Akten zu klären ist, haben
die Briten hier die Kontrollratspolitik offenbar unter Berufung auf nicht genau
zitierte Kontrollratsbeschlüsse de facto zu Ungunsten der Behinderten unterlaufen.
Hintergrund der divergierenden Positionen in den Kontrollratsverhandlungen war
auch die Arbeitsmarktsituation in den einzelnen Zonen, wenngleich nur die Briten
dies deutlich ansprachen. Während britische und amerikanische Zone unter der Last
der Flüchtlinge stöhnten und daher ein Überangebot an Arbeitskräften zu verzeich
nen hatten, waren die Franzosen in ihrer Zone ständig auf der Suche nach Fachar
beitern und hatten insofern ein größeres Interesse daran, Behinderte in den Arbeits
prozeß einzugliedern.
Zugleich zeigte aber sowohl die Diskussion in den Kontrollratsgremien als auch die
Praxis in den Zonen, auf die später einzugehen ist, daß die Franzosen die differen
ziertesten Vorstellungen von der sozialpolitischen Bewältigung des Problems hatten
und auf die spezifischen Schwierigkeiten der Behinderteneingliederung genauer
einzugehen versuchten als die anderen Alliierten. Bei der Berufsfürsorge für Behin
derte trafen sich in der französischen Politik damit erneut, wie auch in anderen
sozialpolitischen Bereichen, ökonomische Interessen und sozialpolitische Konzep
tionen zu einer Kombination, die für die Betroffenen letztlich günstiger war als in
den anderen Zonen.
War in der Berufsfürsorge im Kontrollrat 1946 nur eine rudimentäre Regelung zu
erzielen gewesen, so verliefen die Rentenversorgungsplanungen 1946/47 zwar
noch wesentlich konfliktreicher, führten aber zu einem gemeinsamen Projekt.
Die Grundzüge der Neuregelung der Kriegsopferversorgung, wie sie sich seit 1945
bereits in der Praxis der Zonen abzeichneten, wurden im Frühsommer 1946 in einem
Protokoll des Arbeitsdirektoriums, 30. 11.-2. 12. 1946, DMAN/M(46) 35, und verabschiede
ter Text DMAN/Memo (46)97 mit Anlagen in MdAE Y (1944-1949) 636; vgl. Vorlage des
Arbeitsmarktausschusses DMAN/P(46)174, ebd. 635, und Protokoll dieses Ausschusses
vom 27. 11. 1946, wie Anm. 8.
Der angebliche Konrollratstext wurde zitiert in dem Erlaß des Zentralamts für Arbeit der
britischen Zone über die Arbeitsvermittlung Körperbehinderter, 7. 2. 1948; Arbeitsblatt für
die britische Zone 2 (1948), S. 82 f. Mehrere britische Gegenentwürfe vom Herbst 1946 in
MdAE Y (1944-1949) 635. Zur Zonenpolitik s. unten S. 450 ff.